Oberlandesgericht Köln Urteil, 04. Nov. 2016 - 19 U 2/16
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.12.2015 (1 O 63/15) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 75.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.1.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer vermeintlichen Geldanlage.
4Die Klägerin war Kundin der H W VVaG und hatte im Jahre 2010 einen Bausparvertrag bei der Beklagten abgeschlossen. Dabei wurde sie jeweils von dem am 3.9.2011 verstorbenen Herrn E I beraten, der als selbstständiger Versicherungsvertreter der H W VVaG und der H J- und G GmbH tätig gewesen war. Die Beklagte ist ein Kooperationspartner der H W VVaG mit Provisionsabrede. Im Sommer 2011 überwies die Klägerin nach einer email vom 1.7.2011, in der die Möglichkeit einer vermeintlichen Geldanlage bei der Beklagten für zwei Jahre mit einem Zinssatz von 3,9 % bestätigt wurde, einen Betrag von 150.000,00 € auf ein Konto des Herrn I und erhielt ein angeblich von der Beklagten stammendes Bestätigungsschreiben vom 4.7.2011. Wegen der Einzelheiten dieser Schriftstücke wird auf Bl. 20 ff. GA verwiesen. Das Geld wurde jedoch nicht an die Beklagte weitergeleitet, sondern von Herrn I anderweitig verwendet. Über seinen Nachlass wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 23.5.2012 (12 IN 918/12) ein Insolvenzverfahren eröffnet.
5Die Klägerin hat in erster Instanz eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 150.000,00 € nebst Zinsen beantragt und behauptet, dass Herr I bei einem Beratungsgespräch im Juni 2011 die o.g. Geldanlage bei der Beklagten, die ursprünglich nur für Mitarbeiter vorgesehen gewesen sei, empfohlen habe. Nach Auffassung der Klägerin hafte die Beklagte aus c.i.c., da Herr I im Auftrag der Beklagten gehandelt und deren Briefbögen verwendet habe und sein Verhalten der Beklagten gemäß §§ 278, 311, 280 BGB zuzurechnen sei.
6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und sich darauf berufen, dass zwischen ihr und Herrn I kein unmittelbares Vertragsverhältnis bestanden habe und er bei der Vermittlung der vermeintlichen Geldanlage an die Klägerin lediglich die zufällige Gelegenheit für strafbare Handlungen genutzt habe, ohne dass ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang mit der Versicherungsvertretertätigkeit bestanden habe. Ferner hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
7Das Landgericht hat nach Vernehmung des Ehemanns der Klägerin der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass Herr I ein Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen sei, weil er grundsätzlich berechtigt gewesen sei, Verträge für sie zu vermitteln. Es bestehe auch ein sachlicher Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Geschäft und der Vermittlungstätigkeit, bei der sich der Geldempfang aus Sicht eines Außenstehenden als (pflichtwidrige) Aufgabenerfüllung darstelle. Insbesondere habe die Klägerin eine Inkassobefugnis annehmen können und nicht davon ausgehen müssen, dass Herr I als Privatperson handelte. Schließlich sei der Klägerin kein Mitverschulden vorzuwerfen und auch keine Verjährung eingetreten.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Begründung des Landgerichts wird auf die Ausführungen im Urteil vom 10.12.2015 (Bl. 96 ff. GA) verwiesen.
9Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt sowie ihr Vorbringen aus erster Instanz wiederholt, vertieft und ergänzt. Die Beklagte bekräftigt ihre Auffassung, dass es an einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Geschäft mit der Klägerin und der Versicherungsvertretertätigkeit des Herrn I fehle, sondern er lediglich bei Gelegenheit dieser Tätigkeit gehandelt habe. Hierzu beruft sich die Beklagte darauf, dass die Klägerin zuvor keine Geldanlagen unter Vermittlung von Herrn I getätigt habe und in dem im Jahre 2010 abgeschlossenen Bausparvertrag ausdrücklich auf die fehlende Inkassoberechtigung hingewiesen worden sei. Wegen der ungewöhnlichen Umstände hätte die Klägerin nach Meinung der Beklagten misstrauisch werden müssen und ihr sei deshalb jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden vorzuwerfen. Allenfalls käme eine gesamtschuldnerische Haftung mit dem Nachlass des Herrn I in Betracht, zumal die Klägerin die streitgegenständliche Forderung auch zur Insolvenztabelle angemeldet habe.
10Die Beklagte beantragt,
11das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
12Die Klägerin beantragt,
13die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
14Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und ist der Auffassung, dass die Beklagte sich als Geschäftsherr das Verhalten des Herrn I als deren Handlungsgehilfe zurechnen lassen müsse, weil es in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zu seiner Vermittlungstätigkeit für die Beklagte gestanden habe. Daran ändere auch die Überweisung des Geldes auf das Konto von Herrn I nichts. Nach Meinung der Klägerin hat die Beklagte ihre Kontroll- und Aufsichtspflichten gegenüber Herrn I verletzt, bei deren Einhaltung dessen strafbares Verhalten hätte verhindert werden können. Der Klägerin sei auch kein anspruchsminderndes oder gar –ausschließendes Mitverschulden vorzuwerfen, da sie nicht habe erkennen können, dass es sich bei der von Herrn I offerierten Geldanlage um ein „Fake-Angebot“ handelte, zumal dieser sich seit vielen Jahren um die Geldangelegenheiten der Klägerin gekümmert habe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.9.2016 Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nur einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 75.000,00 € (statt erstinstanzlich zugesprochener 150.000,00 €) aus §§ 278, 280, 311 Abs. 2 BGB. Die Beklagte haftet zwar dem Grunde nach für das Verhalten des Herrn I. Allerdings ist der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden vorzuwerfen, das zu einer Reduzierung der Höhe des Schadensersatzanspruchs um 50 % führt.
181. Das Landgericht hat eine Zurechnung der Erlangung und Verwendung des Geldbetrags durch Herrn I zu Lasten der Beklagten zu Recht bejaht.
19Die sog. Geldanlage stand in Zusammenhang mit der Vermittlungstätigkeit des Herrn I, die er vor dem in Rede stehenden Geschäft – über vertragliche „Umwege“ – jedenfalls auch für die Beklagte ausgeübt hat. Dass die Vertragsgestaltung, wonach Herr I als selbstständiger Versicherungsvertreter der H W VVaG und der H J- und G GmbH tätig war und die Beklagte mit der H W VVaG kooperierte, so dass eine Verprovisionierung von Vertragsschlüssen, die Herr I – wie hinsichtlich des im Jahre 2010 abgeschlossenen Bausparvertrags der Klägerin bei der Beklagten – vermittelt hatte, nicht unmittelbar durch die Beklagte an Herrn I, sondern über die H W VVaG erfolgte, allgemein oder gegenüber der Klägerin transparent war, ist selbst nach dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Herr I für sie die H-Gruppe und damit auch die dazu gehörige Beklagte repräsentierte, die sich einen entsprechenden Rechtsschein (vgl. zu Zinszusagen des Filialleiters einer Bank: OLG Köln, Urteil vom 30.9.2015 – 13 U 100/14, abrufbar bei juris; OLG Hamburg, Urteile vom 25.2.2015 – 13 U 116/14, und vom 8.7.2015 – 13 U 114/14, jeweils abrufbar bei juris) jedenfalls deshalb zurechnen lassen muss, weil sie auch im Zusammenhang mit der Vermittlung des Bausparvertrages keine Klarstellung vorgenommen hatte. Damit steht in Einklang, dass sich die Beklagte zeitweise u.a. darauf berufen hat, dass die Klägerin von „der H“ einen Betrag von 4.000,00 € erhalten habe, ohne zwischen den verschiedenen darunter auftretenden Unternehmen zu differenzieren oder sich selbst davon abzugrenzen.
20Dass das Verhalten des Herrn I eigenmächtig war, weil es die angeblich vermittelte Geldanlagemöglichkeit bei der Beklagten überhaupt nicht gab, sondern er ein entsprechendes Angebot wohl unter Verwendung von Unterlagen der Beklagten „zusammengepuzzelt“ hatte, der auf das Privatkonto des Herrn I überwiesene Geldbetrag nicht an die Beklagte weitergeleitet wurde und auch die vermeintliche Bestätigung der Beklagten an die Klägerin ebenfalls eine von Herrn I angefertigte Fälschung darstellte, ist unstreitig, stellt jedoch eine Haftung der Beklagten nicht in Frage.
21Nach der Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.3.2012 – III ZR 148/11, in: MDR 2012, 644 f.) ist die Einstandspflicht des Geschäftsherrn für eigenmächtiges Verhalten seines Gehilfen dann zu verneinen, wenn dessen Verfehlung sich von dem ihm übertragenen Aufgabenbereich so weit entfernt, dass aus der Sicht eines Außenstehenden ein innerer Zusammenhang zwischen dem Handeln der Hilfsperson und dem allgemeinen Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben nicht mehr zu erkennen ist. Dies ist etwa der Fall, wenn der Gehilfe rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in einer Weise in Berührung gekommen ist, die ihm lediglich die Gelegenheit bot, wie ein deliktisch handelnder Dritter eine von den ihm übertragenen Aufgaben völlig losgelöste unerlaubte Handlung zu begehen. Ein allgemeiner Rechtssatz mit dem Inhalt, ein Geschäftsherr müsse sich strafbare Handlungen, die Hilfspersonen zu seinem Nachteil begehen, nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen, besteht indes nicht. Voraussetzung für die Anwendung des § 278 Satz 1 BGB ist ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten der Hilfsperson und den Aufgaben, die ihr im Hinblick auf die Vertragserfüllung zugewiesen waren. In diesem Rahmen hat der Geschäftsherr auch für strafbares Verhalten seiner Hilfsperson zu haften. Das gilt selbst dann, wenn diese seinen Weisungen oder Interessen vorsätzlich zuwiderhandelt, um eigene Vorteile zu erzielen.
22Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte vorliegend für das Verhalten des Herrn I einzustehen, da er die Gelegenheit zur Begehung der zum Nachteil beider Parteien verübten unerlaubten Handlungen nicht nur „zufällig“ wie ein außenstehender Dritter hatte, sondern ein innerer Zusammenhang zu der Vermittlungstätigkeit bestand, die er nach dem Vorstehenden – jedenfalls dem Rechtsschein nach – für die Beklagte ausgeübt hat. Denn Herr I war nach der unwidersprochen gebliebenen und auch durch die Bekundungen ihres Ehemanns bestätigten Darstellung der Klägerin als Repräsentant der H-Gruppe seit mehreren Jahren ihr Ansprechpartner in allen Versicherungs- und Geldangelegenheiten und hatte ihr neben Versicherungsprodukten der H W VVaG bzw. der H J- und GGmbH im Jahre 2010 unstreitig einen Bausparvertrag bei der Beklagten vermittelt. Auch wenn sich davon sowohl die Art als auch das Investitionsvolumen der im Jahre 2011 (angeblich) vermittelten Festgeldanlage deutlich unterschieden, reicht dies nicht aus, um einen nach der zitierten Rechtsprechung erforderlichen, aber auch ausreichenden inneren Zusammenhang zwischen dem Handeln der Hilfsperson und dem allgemeinen Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben zu verneinen. Insbesondere begründet der Inhalt der email des Herrn I vom 1.7.2011 (Anlage K 1) keinen durchgreifenden Zweifel daran, dass die Beklagte bei der vermeintlichen Geldanlage der Vertragspartner der Klägerin sein soll, auch wenn Herr I darin dem Absender nach nicht als Vertreter der Beklagten, sondern als Generalagent/Exklusivvertreter der H W VVaG auftrat und die Überweisung auf ein Konto bei der J2-E2 AG erfolgen sollte, da sich aus dem Text der email eindeutig ergibt, dass sie sich auf eine sog. Festgeldanlage bei der „B“, d.h. der Beklagten bezog.
23Der nach dem oben Gesagten erforderliche, aber auch ausreichende innere Zusammenhang zwischen der Vermittlertätigkeit des Herrn I für die Beklagte und der in Rede stehenden Geldanlage der Klägerin entfällt auch nicht im Hinblick auf die – durchaus „verdächtigen“ – Begleitumstände der Geldanlage, insbesondere die angebliche Einräumung von Mitarbeiterkonditionen für „normale“ Kunden, die Zinshöhe oder das Ansinnen des Herrn I, den Anlagebetrag auf sein Mitarbeiterkonto und nicht unmittelbar an die Beklagte zu überweisen, obwohl keine Inkassovollmacht bestand. Dass Herr I sich damit nicht nur strafbar gemacht, sondern auch gegen Weisungen der Beklagten verstoßen hat, steht nach den obigen Grundsätzen deren Haftung nicht entgegen. Dafür ist auch nicht Voraussetzung, dass es sich um ein „normales“ Geschäft handelt, sondern Abweichungen vom Regelfall sind den in Betracht kommenden Sachverhaltskonstellationen, bei denen es um unerlaubte Handlungen und in der Regel sogar strafbares Verhalten geht, quasi immanent. Die o.g. Besonderheiten hätten zwar auch die Klägerin durchaus stutzig machen können, lassen die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach jedoch nicht (vollständig) entfallen, sondern sind im Rahmen des § 254 BGB zu berücksichtigen. Denn diese ungewöhnlichen Umstände reichen nicht aus, um einen inneren Zusammenhang zwischen der vorliegend in Rede stehenden (angeblichen) Geldanlage und der Vermittlungstätigkeit des Herrn I u.a. für die Beklagte im Sinne der zitierten Rechtsprechung, die keine allzu strengen Anforderungen an eine Haftung des Geschäftsherrn auch für eigenmächtiges Verhalten seines Gehilfen stellt, zu verneinen.
24Darauf, ob die Beklagte – wie sie meint – keine Möglichkeit hatte, das Verhalten des Herrn I – z.B. im Rahmen einer Buchprüfung - zu bemerken oder zu verhindern, kommt es für eine Haftungsbegründung nach den obigen Grundsätzen nicht an, weil es nicht um eine Haftung für eigenes Verschulden geht, bei der wie z.B. gemäß § 831 BGB eine Exkulpationsmöglichkeit besteht, sondern um eine Haftung für fremdes Verschulden. Der dafür erforderliche, aber auch ausreichende Zurechnungszusammenhang wird dadurch, dass Herr I nicht nur die Klägerin betrogen, sondern auch die Beklagte hintergangen hat, nicht in Frage gestellt. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten in Bezug genommenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 27.7.2004 – 4 U 63/04, in: VersR 2005, 104 f.), da diese von denselben Grundsätzen wie die o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeht und in dem dort entschiedenen Einzelfall eine Haftung gemäß § 278 BGB verneint, weil die dort in Rede stehende Vermittlung von Geldanlagen durch einen Versicherungsvertreter ohne jeden Zusammenhang mit dem Versicherungsgeschäft für die dortige Beklagte gewesen sei, ohne dass der von der Beklagten hervorgehobene Umstand, dass sie mit dem Verhalten des Herrn I nicht habe rechnen müssen und keine Möglichkeit gehabt habe, dieses festzustellen oder zu unterbinden, dafür allein ausschlaggebend war.
252. Ansonsten erhebt die Beklagte keine Einwände gegen die Bejahung einer Haftung dem Grunde nach, wendet sich insbesondere nicht gegen die Begründung des Landgerichts, dass und weshalb die erstinstanzlich erhobene Verjährungseinrede nicht durchgreift, so dass auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden kann.
263. Der Klägerin ist jedoch ein erhebliches anspruchsminderndes Mitverschulden vorzuwerfen, weil die o.g. Begleitumstände – wie bereits erwähnt – bei Anwendung üblicher Sorgfalt in derartigen Finanzangelegenheiten durchaus Zweifel an der Authentizität, jedenfalls aber der Seriosität der angebotenen Geldanlage hätten wecken können.
27Der Aspekt des Mitverschuldens i.S.d. § 254 Abs. 2 BGB ist nach der Rechtsprechung u.a. des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 10.2.2005 – III ZR 258/04, in: NJW-RR 2005, 756 ff.) in Fällen der vorliegend in Rede stehenden Art grundsätzlich berücksichtigungsfähig, auch wenn regelmäßig ein nur fahrlässiges Verhalten hinter vorsätzlichem Verhalten zurücktritt, weil dies nicht gilt, wenn die vorsätzliche Schädigung von einem Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB begangen worden ist, es sei denn, eine Zurechnung erfolgt gemäß § 31 BGB, da die über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus entwickelte sog. Repräsentantenhaftung nur für solche Personen gilt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren, was bei Herrn I in Bezug auf die Beklagte selbst nach dem Vorbringen der Klägerin nicht der Fall war.
28Die bereits oben angesprochenen Besonderheiten der vermeintlichen Geldanlage bei der Beklagten, die der Zeuge I der Klägerin vermittelt hat, begründen ein hälftiges Mitverschulden (§ 287 ZPO):
29Dass ein angeblich zunächst nur Mitarbeitern angebotenes Anlagemodell auch „guten Kunden“ angeboten wurde, mag zwar allein noch keinen Grund dargestellt haben, der bei der Klägerin ernsthafte Zweifel daran wecken musste, dass es sich bei der vermeintlichen Geldanlage tatsächlich um ein Angebot der Beklagten handelte, da solche „Aktionen“ nicht völlig ungewöhnlich sein mögen. Allerdings gibt es keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin sich als „gute Kundin“ der Beklagten bzw. der H-Gruppe in Bezug auf Geldanlagen ansehen durfte, da sie nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beklagten bislang lediglich „normale“ Versicherungsverträge und einen Bausparvertrag abgeschlossen hatte. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Bekundungen des Ehemanns der Klägerin.
30Erhebliches Misstrauen hätte auch das Ansinnen des Herrn I, den Anlagebetrag auf sein (Privat- oder Mitarbeiter-) Konto anstatt unmittelbar an die Beklagte zu überweisen, bei der Klägerin wecken müssen. Selbst wenn sie den im Zusammenhang mit dem ein Jahr zuvor abgeschlossenen Bausparvertrag erfolgten Hinweis auf das Fehlen einer Inkassovollmacht der Vertreter der Beklagten naheliegend nicht wahrgenommen und/oder in Erinnerung hatte, ist eine solche Abwicklung (mehr als) ungewöhnlich und lässt sich auch nicht mit der „Story“ des Herrn I plausibel erklären, wonach eine ursprünglich nur Mitarbeitern offenstehende Geldanlagemöglichkeit nunmehr auch „guten Kunden“ offeriert werden könne. Wenn es tatsächlich zu einer solchen „offiziellen“ Erweiterung des Investorenkreises gekommen wäre, hätte auch keine Notwendigkeit bestanden, den Geldfluss über das Konto des Herrn I abzuwickeln und dadurch naheliegend gegenüber der Beklagten zu verschleiern, dass es sich nicht um die Anlage eines Mitarbeiters, sondern um die eines Kunden handelte.
31Die Klägerin hätte auch angesichts der ungewöhnlichen Höhe des versprochenen Zinssatzes von 3,9 % p.a. Verdacht schöpfen können und müssen, da die Festgeldzinsen im Jahre 2011 durchschnittlich unter 2 % lagen (vgl. etwa http://zinsen.onvista.de/onvista/ zinsentwicklung/detailversion/). Dass der ein Jahr zuvor abgeschlossene Bausparvertrag nach ihrer Darstellung eine ähnliche Verzinsung vorsah, steht dieser Feststellung angesichts der unterschiedlichen Anlageformen nicht entgegen.
32Hinzu kommt, dass der Klägerin vor oder im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem (vermeintlichen) Vertragsschluss keine „offiziellen“ Unterlagen der Beklagten ausgehändigt wurden, wie dies bei Geldgeschäften der in Rede stehenden Art üblichen Gepflogenheiten entspricht.
33Unter Abwägung der Umstände, die auf Seiten der Klägerin einerseits und auf Seiten der Beklagten andererseits dazu beigetragen haben, dass Herr I unter Ausnutzung des Vertrauens, das ihm von beiden Parteien entgegen gebracht worden war, die angebliche Geldanlage akquirieren konnte, ist es angemessen, eine hälftige Schadensverteilung zwischen den Parteien vorzunehmen. Eine darüber hinausgehende Verschiebung der Haftungsquote zu Lasten der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 27.9.2016, mit dem der auf Basis einer 50 %-igen Haftung abgeschlossene Vergleich widerrufen und die dafür maßgeblichen Gründe erläutert wurden. Die aufgezeigten Umstände wurden sowohl bei der Beurteilung der Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach als auch bei der Bemessung des Mitverschuldensanteils der Klägerin berücksichtigt und geben dem Senat auch nach nochmaliger Prüfung keine Veranlassung, von einer geringeren Haftung der Beklagten auszugehen oder diese gänzlich entfallen zu lassen.
344. Dass Herr I bzw. dessen Nachlass für den Schadensersatzanspruch der Klägerin gesamtschuldnerisch (§ 421 BGB) und im Innenverhältnis zur Beklagten wohl allein (§ 426 BGB) haftet, muss wegen des Wahlrechts der Klägerin, die sich zulässigerweise dafür entschieden hat, nur die Beklagte in Anspruch zu nehmen, (auch) bei der Tenorierung nicht berücksichtigt werden.
35III.
36Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO.
37Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
38Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
39Berufungsstreitwert: 150.000,00 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 04. Nov. 2016 - 19 U 2/16
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 04. Nov. 2016 - 19 U 2/16
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 04. Nov. 2016 - 19 U 2/16 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 8.7.2014 (3 O 471/13) wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 5.395,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.2.2014 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erfüllung von Zinszusagen in Anspruch, die nach seiner Behauptung auf mit dem früheren Filialleiter des „Q Finanzcenters“ getroffene Vereinbarungen zurückgehen. Die Beklagte hat bestritten, dass solche Zusagen in ihrem Namen erfolgt seien, weil der frühere Filialleiter für den Kläger erkennbar nur die „Q Filialvertrieb AG“ – eine 100%ige Tochter der Beklagten - vertreten habe und ist der rechtlichen Bewertung des Sachverhalts hinsichtlich der Frage der Zurechenbarkeit entgegengetreten.
4Das Landgericht hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil vom 8.7.2014, auf das wegen der Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts, der erstinstanzlichen Klageanträge und der Einzelheiten der rechtlichen und tatsächliche Würdigung Bezug genommen wird (§ 540 Abs.1 Nr. 1 ZPO), zur Zahlung von 54.668,15 € verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die fraglichen Zinszusagen als solche unzweifelhaft erfolgt seien. Die Urheberschaft von Herrn T, dem früheren Filialleiter des Finanzcenters M, sei von der Beklagten nicht ausreichend bestritten worden. Es sei auch davon auszugehen, dass sie im Namen der Beklagten abgegeben worden seien. Dies ergebe eine sachgerechte Auslegung der Erklärungen des Filialleiters unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kontoführung unstreitig von der Beklagten und nicht von der Q Filialvertrieb AG vorgenommen und von dieser damit auch die Verzinsung geleistet werden sollte. Für eine entsprechenden Vollmachtserteilung seitens der Beklagten habe der Kläger zwar keinen Beweis angetreten. Die Zinszusagen habe die Beklagte aber – was das Jahr 2011 angehe – durch Aufnahme der entsprechenden Buchungen in die den Kunden überlassenen Kontoauszüge konkludent genehmigt. Für das Jahr 2012 – und für die Folgezeit vom 1.1.2013 bis zum 5.8.2013 – müsse sich die Beklagte die von Herrn T gegebenen Zusagen nach den Regeln der Anscheinsvollmacht zurechnen lassen. Aufgrund der Buchungen für das Vorjahr und der Bestätigung in den Kontoauszügen habe der Kläger davon ausgehen können, dass der frühere Filialleiter im Q Finanzcenter berechtigt gewesen sei, für ihn als Kunden besondere Konditionen bewilligen zu können. Abzuweisen sei die Klage dagegen, soweit es um den Zeitraum nach dem 5.8.2013 gehe, denn insoweit sei die Beklagte berechtigt gewesen, die bestehende, bis zum 31.1.2014 abgeschlossene Sonderzinsvereinbarung aus wichtigem Grund zu kündigen. Nachdem sie das System der sie schädigenden Zahlungszusagen aufgedeckt habe, könne ihr auch unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers nicht zugemutet werden, an den unberechtigten Zinszusagen festgehalten zu werden.
5Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte, soweit zu ihrem Nachteil entschieden wurde, mit der Berufung. Sie macht geltend, dass bereits die Annahme des Landgerichts, die angeblichen Zinszusagen seien in ihrem Namen abgegeben worden, unzutreffend sei. Eine sachgerechte Auslegung der Erklärungen von Herrn T ergebe gerade das Gegenteil. Ungeachtet dessen fehle es jedenfalls an der erforderlichen Vertretungsmacht, da Herr T unstreitig nicht ihr Mitarbeiter, sondern Angestellter der Q Filialvertrieb AG gewesen sei. Bei richtiger Bewertung des Sachverhalts könne schon deshalb nicht von einer konkludenten Genehmigung der Zusagen durch Aufnahme in die Kontoauszüge ausgegangen werden, weil es sich dabei um bloße Realakte und nicht um Willenserklärung handele. Das Landgericht gehe in diesem Zusammenhang auch zu Unrecht davon aus, dass die Beklagte die entsprechenden Beträge ohne nähere Prüfung in die Kontoauszüge aufgenommen und damit dem Kläger gegenüber zum Ausdruck gebracht habe, dass die Buchung ordnungsgemäß sei. Richtig sei dagegen, dass es für eine konkrete Überprüfung der Kontobewegungen auf der Seite des Klägers keinen Anlass gegeben habe. Außerdem hätte eine nähere Prüfung infolge des vom Kläger gewählten Umgehungsmechanismus auch keine Ergebnisse erbracht. Das Landgericht habe auch nicht annehmen dürfen, dass für die Zeit ab dem 01.01.2012 die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vorgelegen hätten. Dabei werde schon verkannt, dass der angeblich erzeugte Rechtsschein von einer gewissen Dauer und Häufigkeit sein müsse, woran es hier fehle. Die Voraussetzungen dieses Rechtsinstituts seien auch insofern nicht erfüllt, als für den potentiell Vertretenen das Auftreten des Vertreters zumindest erkennbar und bei pflichtgemäßer Sorgfalt verhinderbar sein müsse. Die Rechtsscheinhaftung ende im Übrigen, wenn die Gutgläubigkeit des Dritten entfalle. Das sei hier spätestens in dem Zeitpunkt der Fall gewesen, in dem dem Kläger ihr Schreiben vom 3.4.2013 (Anl. K 7 zur Klageschrift = GA 13) bekannt geworden sei. Ab diesem Moment entfalle spätestens auch ihre Rechtsscheinhaftung nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht. Jedenfalls aber für den Zeitraum nach der aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigten Kündigung vom 2.8.2013 bestehe ein Anspruch des Klägers nicht mehr.
6Die Beklagte beantragt
7die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bonn vom 8.7.2014 (3 O 471/13) abzuweisen.
8Der Kläger beantragt,
9die Berufung der Beklagten zurückzuweisen
10und – im Wege der Anschlussberufung –
11die Beklagte in Abänderung der angefochtenen Entscheidung zur Zahlung weiterer 5.395,62 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1.2.2014 zu verurteilen
12Er verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Sachvortrags, soweit die Beklagte durch das Urteil zur Zahlung verurteilt worden ist. Die Kündigung der Beklagten vom 2.8.2013 hält er für unwirksam. Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, die bis zum 31.1.2014 abgeschlossene Sonderzinsvereinbarung mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Gründe für eine außerordentliche Kündigung habe die Beklagte nicht vorgetragen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, aus welchem Grunde ein Verhalten, das eindeutig der Sphäre der Beklagten zuzuordnen sei, geeignet sein könne, eine außerordentliche Kündigung ihm gegenüber zu begründen. Aus diesem Grunde sei die Beklagte über den vom Landgericht ausgeurteilten Betrag hinaus auch verpflichtet, die Zinszusagen zu erfüllen, soweit diese den Zeitraum bis zum 31.1.2014 umfassten.
13Die Beklagte beantragt,
14die Anschlussberufung zurückzuweisen.
15Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien und die von ihnen zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.
16II.
17Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte war vielmehr auf die Anschlussberufung des Klägers zur Zahlung weiterer 5.395,62 € sowie – unter Verzugsgesichtspunkten aus den vom Landgericht dazu angeführten Gründen – von Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 1.2.2014 zu verurteilen.
18Dem Kläger steht ein Anspruch gegen die Beklagte aus § 700 BGB auf Auszahlung der tenorierten Beträge zu, denn zwischen den Parteien sind – und zwar für den gesamten in Rede stehenden Zeitraum vom Beginn des Jahres 2011 bis zum 31.1.2014 – wirksame Zinsvereinbarungen zustande gekommen; die Einrede aus § 821 BGB (vgl. GA 90) steht der Beklagten demgegenüber nicht zu. Im Einzelnen:
191.
20Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass angesichts der im angefochtenen Urteil angeführten Dokumente (Anlagen K2-K6 zur Klageschrift) die Zinszusagen, auf die sich der Kläger zur Begründung seiner Klageforderung stützt, durch Herrn T tatsächlich erfolgt sind, denn sie ergeben sich in der jeweils der Klageforderung zugrunde liegenden Höhe (4,5% für die Jahre 2011 und 2012, 4,75% für die Zeit vom 1.1.2013 bis 31.1.2014) unmittelbar aus den vorgenannten E-Mails des Herrn T. Diese Zusagen betreffen aus den vom Landgericht angeführten Gründen (LGU 12/13) alle drei vom Kläger bei der Beklagten eröffneten Konten. Auch im zweiten Rechtszug sind – worauf der Senat mit seiner Verfügung vom 27.04.2015 hingewiesen hat – dagegen keine durchgreifenden Einwendungen geltend gemacht worden.
212.
22Auch die Annahme des Landgerichts, dass diese Zusagen im Namen der Beklagten abgegeben worden sind, begegnet rechtlichen Bedenken nicht. Die dahingehende Auslegung der Erklärungen des Filialleiters T berücksichtigt in zutreffender Weise, dass sie sich auf Konten bezogen, die von der Beklagten – und nicht von der Q Filialvertrieb AG - geführt wurden und für die demzufolge auch von der Beklagten eine Verzinsung geleistet werden sollte. Die Beklagte übersieht bei ihrer Argumentation, dass ein Kunde, der Konten bei ihr eröffnen will, allein aus ihm in diesem Zusammenhang übermittelten Schreiben, die das Firmenlogo „Q“, die Bezeichnung „Q Filialvertrieb“ und „Q Finanzcenter“ sowie den Stempelaufdruck „Q Filialvertrieb AG“ enthalten und deren wesentlicher Firmenbestandteil somit auf die Beklagte hindeutet, nicht auf eine andere – von der beklagten verschiedene - Rechtspersönlichkeit als Vertragspartner schließen kann, geschweige denn muss.
233.
24Im Ergebnis richtig ist auch die Auffassung des Landgerichts, dass die Beklagte die von Herrn T in ihrem Namen ohne entsprechende Vollmacht erklärten Zinszusagen gegen sich gelten lassen muss. Entgegen der Auffassung des Landgerichts gilt dies allerdings nicht nur für die Zeit bis zum 5.8.2013, sondern auch für den sich anschließenden Zeitraum bis zum 31.1.1014.
25a.
26Dass die Zinszusagen von einer rechtsgeschäftlich erteilten Vollmacht der Beklagten gedeckt waren, hat das Landgericht zu Recht unter Hinweis auf einen insoweit fehlenden Beweisantritt des Klägers verneint.
27b.
28Allerdings bestehen aus der Sicht des Senats Bedenken gegen die Annahme des Landgerichts, dass die von dem Filialleiter T für das Jahr 2011 zugesagte Verzinsung von der Beklagten durch entsprechende Buchungen in den dem Kläger überlassenen Kontoauszügen konkludent genehmigt worden ist. Eine konkludente Genehmigung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2002, 2325; NJW 2005, 1488; dazu auch Palandt, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 177 BGB Rdn. 6) voraus, dass der Vertretene die mögliche Deutung seines Verhaltens als Genehmigung bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, der Handelnde sich der schwebenden Unwirksamkeit des Geschäfts also bewusst ist oder zumindest mit ihr rechnet. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Beklagten war nach dem gegebenen Sachstand zum Zeitpunkt der jeweiligen Buchungen nicht einmal bekannt, dass Herr T dem Kläger – und anderen Kunden – gegenüber überhaupt irgendwelche Zusagen hinsichtlich einer Verzinsung von Guthaben gemacht hatte. Aus diesem Grunde konnte sie auch nicht mit deren Unwirksamkeit gerechnet haben. Eine konkludente Genehmigung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins dann anzunehmen, wenn der Handelnde bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst wird und der andere Teil dies auch so verstanden hat, greift aus Sicht des Senats jedenfalls im Streitfall zu kurz und ergibt sich insoweit auch nicht aus der in der Kommentierung von Palandt/Ellenberger (BGB, 74. Aufl. § 133 Rz. 11) angeführten Rechtsprechung (vgl. etwa BGHZ 109, 171, 177, wo die widerspruchslose Hinnahme der Einziehung von Mietforderungen durch eine irrig als Eigentümerin angesehene GmbH trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins als Zustimmung gewertet wurde).
29c.
30Ob die Beklagte dem Kläger – wie dieser meint - für die Erfüllung der Zinszusagen des Herrn T aus § 54 Abs. 1 BGB haftet, bedarf keiner Entscheidung. Die Zusagen des Filialleiters T sind der Beklagten nämlich nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht zuzurechnen. Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, so dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist (BGH NJW 1998, 1854; 2014, 2790; OLG HAMBURG, Urteil vom 25.2.2015 – 13 U 116/14; Palandt, § 172 BGB Rdn. 11 ff).
31aa.
32Das Verhalten des Filialleiters T. erzeugte einen Rechtsschein dahingehend, dass er von der Beklagten zu den streitgegenständlichen Zinszusagen bevollmächtigt war. Dieser Rechtsschein war auch von der in diesem Zusammenhang erforderlichen Dauer und Häufigkeit. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rechtsscheins ist die Vornahme des Vertretergeschäfts (BGH NJW 2004, 2745; OLG Hamburg a.a.O.; Staudinger/Habermann, Neubearbeitung 2014, § 167 BGB Rdn. 38; Münchener Kommentar/Schubert, 7. Auflage 2015, § 167 BGB Rdn. 120). Für die Zinsgutschriften für die Jahre 2012 und 2013 (sowie für Januar 2014) ergibt sich das Vorliegen dieser Voraussetzung schon aus der Zusage für das Jahr 2011 und die im Januar 2012 erfolgte Gutschrift für das Jahr 2011. Für das Jahr 2013 kommt eine Vielzahl von Zinszusagen u.a. gegenüber Familienangehörigen des Klägers im Jahre 2012, von denen er nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag Kenntnis hatte, hinzu. Nichts anderes gilt – vor dem Hintergrund des von der Beklagten nicht bestrittenen Vortrags des Klägers im Schriftsatz vom 23.6.2015 – letztlich auch für das Jahr 2011. Danach hat der Kläger nicht nur bereits zu Anfang des Jahres 2011 mit dem Filialleiter Kontakt aufgenommen und in der Filiale in M ein erstes Gespräch geführt, sondern – in einem Fall Mitte 2010 und in dem anderen Fall vor der ersten, ihm gegenüber abgegebenen Zinszusage im Jahr 2011 – von Zinszusagen des Herrn T gegenüber anderen, mit dem Kläger bekannten Kunden erfahren. Das reicht in diesem Zusammenhang aus, zumal die - auf entsprechende Feststellungen des LG Hamburg im Verfahren 330 O 531/13 gestützte - Behauptung des Klägers (S. 8 des Schriftsatzes vom 18.11.2014 – GA 367), Herr T habe bereits im Jahre 2009 gegenüber Kunden derartige Zinszusagen gemacht, unbestritten geblieben ist.
33bb.
34Die Beklagte muss sich diesen Rechtsschein auch zurechnen lassen. Ob das (wie das OLG Hamburg a.a.O. annimmt), auf der Grundlage der Entscheidung des BGH vom 9.5.2014 – V ZR 305/12 - bereits deshalb gilt, weil die Umstände, die den Rechtsschein einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung begründen, aus der Sphäre der Beklagten stammen, kann offenbleiben, denn auch unter Zugrundelegung der herkömmlichen Zurechnungskriterien (dazu Palandt, § 172 BGB Rdn. 13) ist die Entstehung des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung des Filialleiters T zum Abschluss der streitgegenständlichen Zinszusagen der Beklagten zurechenbar. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hatte sie dessen Handeln nämlich voraussehen und verhindern können. Insoweit kann es schon nicht außer Betracht bleiben, dass es – in dem Zeitraum, auf den der Kläger sich beruft, aber auch davor - eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen gab, wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat.
35Dass es der Beklagten nicht möglich war, die nicht autorisierten Zusagen und deren Eingabe in das Buchungssystem zu erkennen, kann nach den gegebenen Umständen nicht angenommen werden. Die in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat dazu zunächst vorgetragen, dass sie aufgrund der Tatsache, dass Herr T die Zinsen bewusst und zielgerichtet als „Zahlungen/Gutschrift“ mit einem gänzlich anderen Buchungsschlüssel getarnt habe, systemisch keinen Anlass gehabt habe, die entsprechenden Buchungen auf dem Girokonto zu überprüfen, weil die gewählten Buchungsschlüssel eine Bareinzahlung am Schalter bzw. die Überweisung durch einen Dritten suggeriert hätten. Auf den Hinweis des Senats vom 27.4.2015 hat sie sodann weiter ausgeführt, dass die Mitarbeiter der Finanzcenter in dem verwendeten Buchungssystem „ZORA“ nur die vorgegebenen Vorgangsarten (“VGA“) verwenden konnten, der Filialleiter das sich daraus ergebende Kontrollsystem aber durch die danach gestattete Verwendung der „VGA 1206“ umgangen und sich damit jeder Kontrollmöglichkeit entzogen habe.
36Dieser Vortrag reicht aus mehreren Gründen nicht aus. Zum einen ist bereits nicht nachvollziehbar, warum es der Beklagten bei der gebotenen Kontrolle nicht aufgefallen ist, dass von dem Filialleiter ein Buchungstext für Vorgänge verwendet worden sind, die eigentlich nur von der Niederlassung I, nicht aber von der Vertriebsfiliale aus veranlasst werden konnten. Zum anderen hätte der Beklagten auffallen müssen, dass es, und zwar – wie ausgeführt - auch schon im Jahr 2009, in der Filiale in M zu ungewöhnlich vielen Geldanlagen in einer ebenso ungewöhnlichen Größenordnung gekommen war. Schließlich ist auch das von der Beklagten dargestellte Buchungssystem unzureichend. Von einer wirkungsvollen Kontrolle bzw. Kontrollmöglichkeit kann nämlich dann nicht ausgegangen werden, wenn sich eine solche schon durch die Benutzung einer der im System vorgesehenen VGA zur Zahlung von in Wahrheit anderen Zwecken dienenden Gutschriften umgehen ließ. Dem Vortrag der Beklagten ist zu entnehmen, dass sich der Kontrollmechanismus allein darauf beschränkte zu überprüfen, ob eine hinsichtlich der VGA zulässige Kennziffer verwendet wurde. Damit aber erweist er sich als in jeder Hinsicht unzulänglich.
37cc.
38Dem kann die Beklagte nicht – wie durch ihren Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt – entgegenhalten, dass ein Kontrollsystem nur den Sinn und Zweck haben könne, einen – hier nicht gegebenen - Missbrauch der der Beklagten anvertrauten Kundengelder zu verhindern, nicht aber, ein etwaiges untreues Verhalten eigener oder in Tochterunternehmen tätiger Mitarbeiter aufzudecken. Selbst wenn dies zuträfe, verkennt die Beklagte, dass im Zusammenhang mit den Zinszusagen des Herrn T offenkundig Kundengelder missbraucht wurden, indem Herr T nach eigenem Vorbringen der Beklagten (S. 7 des Schriftsatzes vom 6.10.2014 – GA 328) zur Tarnung der Buchung von Bareinzahlungen und zur Erhaltung eines ausgeglichenen Kassenbestandes Sparkonten Dritter in entsprechender Höhe belastet habe – was diesen Kunden indessen verborgen geblieben sei.
39dd.
40Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Kläger hinsichtlich der Vertretungsmacht des Filialleiters T in dem maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Zinszusage gutgläubig war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Geschäftspartner grundsätzlich nicht zu einer Kontrolle der Vollmacht des erkennbar für die Bank handelnden Vertreters verpflichtet ist. Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem besondere Umstände, die dem Kläger Anlass zu erhöhter Vorsicht und Misstrauen gegeben hätten, weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich sind. Insbesondere musste der Kläger weder aufgrund seiner beruflichen Vorbildung und Tätigkeit (Generalvertreter der Allianz Beratungs- und Vertriebs AG – vgl. Anlage K 5) noch aufgrund der Höhe der von Herrn T zugesagten Zinsen im Vergleich zum damaligen Marktzins für Geldeinlagen) an der Berechtigung Herrn T zur Vereinbarung derartiger Zinskonditionen zweifeln. Der von Herrn T zugesagte Zinssatz von 4,5% bzw. 4,75% war nicht derart hoch, dass er dem Kläger hätte Anlass geben müssen, die Befugnis eines Filialleiters, ab einer Mindestanlage von 50.000 € eine entsprechende Verzinsung zuzusagen, in Frage zu stellen. Erst recht reicht das Verhalten von Herrn T in seiner Stellung als Filialleiter nicht für die Annahme eines objektiv evidenten, massive Verdachtsmomente voraussetzenden Vollmachtsmissbrauchs (vgl. NJW 95, 250; 99, 2883; Urt. v. 9.5.2014, a.a.O.) aus.
41Entgegen der Auffassung der Beklagten sprechen auch die dem Kläger mit Schreiben „aus Februar 2012“ bzw. „aus Februar 2013“ (Anlage B 16) zugegangenen Jahressteuerbescheinigungen für 2011 und 2012 nicht gegen seine Gutgläubigkeit im Zeitpunkt der jeweils nachfolgenden Zinszusagen. Aus den dort angegebenen – gegenüber den Zinszusagen wesentlich niedrigeren - Zinserträgen musste der Kläger nicht auf eine fehlende Vertretungsmacht des Herrn T schließen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang – und bei der gebotenen lebensnahen Betrachtung: plausibel - vorgetragen, dass er sich im Hinblick auf die steuerrechtliche Rechtslage über den Inhalt der Steuerbescheinigungen keine Gedanken gemacht und sie nicht in Verbindung mit den Zusagen des Filialleiters T bzw. seiner Berechtigung dazu gebracht habe.
424.
43Nach allem steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Anscheinsvollmacht zu. Das gilt – insoweit entgegen der Auffassung des Landgerichts – allerdings nicht nur für die Zeit bis zum 5.8.2013, sondern für die gesamte vom Kläger beanspruchte Zeit auch über den Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 2.8.2013 hinaus mit der Folge, dass die Beklagte in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung auf die Anschlussberufung des Klägers antragsgemäß zu verurteilen ist. Ein Grund zu einer sofortigen Kündigung der Zinsvereinbarung nach § 314 BGB stand der Beklagten nicht zu. Das Verhalten des Filialleiters T, auf das die Kündigung gestützt worden ist, liegt allein in der Risikosphäre der Beklagten, die es durch ihr Verhalten ermöglicht hat, dass ohne deutliche Abgrenzung zur Q Finanzberatung AG mit Wirkung gegen sie im Rahmen des Abschlusses von Giro- und Einlageverträgen von Herrn T derartige Zinsvereinbarungen getroffen werden konnten. Das Risiko eines Missbrauchs der dem Filialleiter insoweit und mit dieser Begrenzung eingeräumten Vollmacht trägt allein die Beklagte, die im Übrigen – wie oben ausgeführt – bei der Anwendung der gebotenen Sorgfalt das im Innenverhältnis treuwidrige Verhalten hätte erkennen und verhindern können. Da diese Frage – Erkennbarkeit des Handels des Herrn Siemer für die Beklagte bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt – im Rahmen des Bestehens einer Anscheinsvollmacht zu prüfen – und hier zu bejahen ist -, die Anscheinsvollmacht andererseits in ihrer Wirkung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht gleich steht (vgl. BGHZ 86, 275), besteht kein Grund, die Vertragspflichten aus einer danach wirksamen Zinsvereinbarung von dem Zeitpunkt an entfallen zu lassen, in dem für den Kläger – nachträglich - erkennbar wurde, dass Herr T keine Vollmacht der Beklagten für die Zinszusagen besaß. Dass der Kläger für
44etwaige danach von Herrn T gemachte Zinszusagen nicht mehr auf den Rechtsschein einer Vollmacht vertrauen durfte, ist eine andere, hier nicht entscheidungserhebliche Frage.
455.
46Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
47Ein Grund, die Revision zuzulassen besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO), noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), weil es sich ersichtlich um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung handelt. Soweit es um die von der Beklagte als grundsätzlich angesehene Frage geht, ob der Wegfall des guten Glaubens eines bei Vertragsschluss berechtigterweise auf den Rechtsschein einer Vollmacht vertrauenden Vertragspartners bereits durch den Vertrag begründete Ansprüche für die Zukunft entfallen lässt, folgt die Entscheidung des Senats anerkannten rechtlichen Grundsätzen.
48Der Streitwert für das Berufungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren beträgt bis 65.000 €.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.8.2014 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger brutto € 128.636,53 -abzüglich von der Beklagten an das Finanzamt abzuführender Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger € 287,11 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.8.2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 17% und der Kläger 83%. Dem Kläger werden die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten des Verfahrens auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 738.340,19 € festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Der Kläger begehrt Zahlung eines Betrages wegen einer Korrekturbuchung auf einem Sparkonto durch die Beklagte und nimmt die Beklagte aus einer Zinszusage auf Zahlung von Sparzinsen in Anspruch.
- 2
Der Kläger ist Privatanleger. Die Beklagte ist eine Bank und Alleingesellschafterin der P...bank Filialvertrieb AG. Diese führt für die Beklagte das Schaltergeschäft aus und vermittelt neben den Produkten der Beklagten auch Produkte für die Unternehmen B.. und D.. sowie Kleinprodukte wie Briefmarken und Verpackungen für die D. P. AG. Die P...bank Filialvertrieb AG betreibt u.a. das „P...bank Finanzcenter L..“ als eine von ca. 850 Filialen in Deutschland. Dortiger Filialleiter und Angestellter der P...bank Filialvertrieb AG ist Herr K.-D. S... Dieser hatte ohne Wissen der Beklagten über mehrere Jahre diversen Kunden Sonderkonditionen wie zusätzliche Zinsen versprochen. Er ist nach Aufdeckung dieser Vorgänge mittlerweile suspendiert. Ein Strafverfahren gegen ihn läuft.
- 3
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
- 4
Das Landgericht hat der Klage zum Teil stattgegeben mit der Begründung, dass die Abbuchung des Betrages in Höhe von € 467.573,80 im Schuldverhältnis zum Kläger eine Pflichtverletzung darstelle. Die Beklagte sei zu einer Storno- bzw. Berichtigungsbuchung nicht berechtigt gewesen; insbesondere habe ihr kein Kondiktionsanspruch gem. § 812 Abs.1 S.1 1.Alt. BGB gegen den Kläger zugestanden, denn sie habe nicht bewiesen, dass ihre Gutschriften rechtsgrundlos erfolgt seien. Die vom Kläger vorgelegte Korrespondenz belege vielmehr, dass der Filialleiter S.. die behaupteten Zinssätze zugesagt habe. Dadurch sei die Beklagte verpflichtet worden, denn jedenfalls seien die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht erfüllt. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die Behauptung des Klägers, er sei hinsichtlich der Vertretungsmacht des Herrn S.. gutgläubig gewesen, zu widerlegen. Ein Anspruch auf zugesagte Zinsen für den Zeitraum zwischen Januar und Juli 2013 stehe dem Kläger hingegen nicht zu, denn der Kläger habe weder bewiesen, dass der Filialleiter S.. Vollmacht gehabt habe, noch dass die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht erfüllt seien, denn zumindest ab dem Jahr 2012 habe der Kläger Anhaltspunkte für das Fehlen der Vertretungsmacht des Herrn S.. gehabt und es könne wegen des inzwischen ungewöhnlich hohen Zinssatzes und der fehlerhaft erteilten Jahressteuerbescheinigung nicht ausgeschlossen werden, dass er dies erkannt oder fahrlässig nicht erkannt habe.
- 5
Hiergegen richten sich die frist- und formgerecht eingelegten Berufungen der Beklagten und des Klägers.
- 6
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung insgesamt. Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs.1 BGB zu, da sie keine Pflichtverletzung begangen habe. Sie sei zu der Stornierungs- bzw. Berichtigungsbuchung berechtigt gewesen, weil ihr ein Rückzahlungsanspruch gegen den Kläger, jedenfalls aus § 812 Abs.1 S. 1.Alt. BGB zugestanden habe. Die Kammer habe die Beweislast im Rahmen des § 812 BGB falsch gesehen, denn der Kläger beanspruche die Wiedergutschrift des streitgegenständlichen Betrages. Die Darlegungs- und Beweislast für den diesbezüglichen primären Erfüllungsanspruch als Rechtsgrund liege daher bei ihm. Im Übrigen habe die Beklagte die Behauptungen des Klägers hinsichtlich der Verzinsung des streitgegenständlichen Girokontos auch widerlegt.
- 7
Der Mitarbeiter S.. habe offenkundig für die P...bank Filialvertriebs AG gehandelt und nicht für die Beklagte und habe überdies keine Vollmacht gehabt, für die Beklagte zu handeln. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht darüber nicht Beweis erhoben.
- 8
Auch eine Anscheinsvollmacht habe entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht vorgelegen. Insoweit habe das Landgericht zum einen wiederum die Beweislast verkannt, denn der Kläger sei derjenige, der sich zur Begründung seines primären Erfüllungsanspruchs auf eine Anscheinsvollmacht berufe, also trage er auch die Beweislast. Zum anderen habe der Mitarbeiter S.. keinen Rechtsschein von einiger Dauer und Häufigkeit erzeugt. In diesem Zusammenhang hätte nur auf Umstände abgestellt werden dürfen, die dem Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannt gewesen seien. Dazu, dass der Kläger von dem Wirken des Herrn S.. bereits vorher Kenntnis gehabt habe, fehle aber jeder Vortrag. Der Umstand, dass Herr S.. über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichbare Absprachen mit verschiedenen Kunden getroffen habe, sei unstreitig erst im Frühjahr 2013 bekannt geworden und sei deshalb der Beklagten nicht zurechenbar. Ihr könne insoweit keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vorgeworfen werden. Vor dem Bekanntwerden der eigenmächtigen Zinszusagen des Herrn S.. habe es keine Anhaltspunkte zur Durchführung einer besonderen Innenrevision gegeben. Herr S.. habe mit hoher krimineller Energie die ihm offensichtlich sehr gut bekannten Kontroll- und Sicherungssysteme der Beklagten umgangen. Da S.. die Zinsgutschriften bewusst falsch als „Einzahlung“ deklariert und die notwendigen Mittel unautorisiert von den Sparkonten vermögender Kunden abgebucht habe, habe der Beklagten die Buchung von Sonderzinsen nicht auffallen können.
- 9
Fälschlicherweise habe das Landgericht zudem angenommen, dass die Beklagte die Behauptung des Klägers, er sei hinsichtlich der Bevollmächtigung des Herrn S.. gutgläubig gewesen, nicht widerlegt habe. Der Kläger trage auch insoweit die Beweislast. Aus den Ausführungen des Landgerichts ergebe sich, dass die Gutgläubigkeit des Klägers wegen der genannten Umstände nicht zur Überzeugung des Gerichts festgestellt worden sei. Die Umstände seien bei der Erstzusage im Februar 2010 nicht signifikant anders gewesen und das Geschehen müsse als Einheit betrachtet werden. Im Übrigen seien auch die Eintragungen im Sparbuch und die Buchungskondiktionen selbständig kondizierbar.
- 10
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Teilabweisung der Klage, mit welcher ihm die geltend gemachte weitere Verzinsung ab Januar 2013 in Höhe von 7% nicht zugesprochen worden ist. Das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass er den Beweis für das Vorliegen einer Vollmacht des Herrn S.. zur Abgabe einer Zinszusage ab Januar 2013 nicht erbracht habe. Aufgrund des Schreibens Anlage K 20, dessen Erstellung durch Herrn S.. die Beklagte unstreitig gestellt habe, sei bewiesen, dass es eine entsprechende Zinszusage gegeben habe. Der Kläger habe auch von Anfang an unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Zeuge S.. bevollmächtigt gewesen sei, entsprechende Geschäfte für die Beklagte zu tätigen. Im Übrigen habe das Landgericht fehlerhaft das Vorliegen einer Anscheinsvollmacht verneint. Es sei schon nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht die Beweislastumkehr, dass der Kläger die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht beweisen müsse, an das Datum 1.1.2013 angeknüpft habe. Im Übrigen begründeten die genannten Punkte- die Höhe des Zinssatzes von 7% und die falschen Steuerbescheinigungen- keine Bösgläubigkeit. Der Zinssatz sei nicht ungewöhnlich hoch gewesen und er habe erst im Jahre 2012 bemerkt, dass die Steuerbescheinigungen falsch waren und habe dies dann auch gleich über seine Steuerberaterin moniert.
- 11
Die Beklagte habe die Zinsbuchungen und Gutschriften zudem konkludent genehmigt, da sie den Buchungen nicht widersprochen habe.
- 12
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Berufung der Beklagten sowie:
- 13
1. unter teilweiser Abänderung des am 22.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg - 330 O 531/13 - wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger weitere € 270.479,28 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2013 auf einen Betrag in Höhe von € 37.685,49 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit auf einen Teilbetrag von € 232.793,79 zu zahlen.
- 14
2. unter teilweiser Abänderung des am 22.08.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg - 330 O 531/13 - wird die Beklagte verurteilt, weitere € 1.861,04 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 15
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung des Klägers sowie
- 16
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22.08.2014 -330 O 531/13- abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 17
Der Senat hat den Kläger persönlich gemäß § 141 ZPO angehört. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.5.2014 aus dem Verfahren vor dem Landgericht Hamburg Az. 318 O 5/14 ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen des Ergebnisses der Anhörung des Klägers wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2015 Bezug genommen.
II.
- 18
Die Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg, während die Berufung des Klägers unbegründet ist. Dem Kläger steht allerdings ein Anspruch auf Zahlung der „Sonderzinsen“ zu, die ihm Herr S.. in der ersten Abrede sowie in den darauf folgenden Bestätigungen vom 29.4.2010, 8.6.2010 und 11.10.2010 (Anlagen K 5 bis K 7) für den Zeitraum vom 25.1.2010 bis zum 31.10.2010 zugesagt hat. Insofern folgt der Senat weitgehend der Argumentation, wenn auch nicht in allen Details der rechtlichen Konstruktion des Landgerichts.
- 19
Ab Erhalt des Finanzstatus vom 7.1.2011 hatte der Kläger aber nach Auffassung des Senats konkrete Anhaltspunkte, an der Vertretungsmacht des Filialleiters S.. zu zweifeln und war von daher hinsichtlich der in dieser Bescheinigung enthaltenen konkludenten rückwirkenden Zinszusage über 5,5% ab dem 1.9.2010 und 6% ab dem 1.12.2010 sowie hinsichtlich der ab dem 1.1.2011 gegebenen weiteren Zinszusagen des Herrn S.. nicht mehr gutgläubig, was die Anscheinsvollmacht des Filialleiters anbelangt. Ihm steht daher weder ein Anspruch auf Rückerstattung eines von der Beklagten zurückgebuchten Betrages in Höhe von € 338.937,27 zu, noch kann er Zahlung der von dem Filialleiter S.. ab 1.1.2013 zugesagten Zinsen in der geltend gemachten Höhe verlangen. Im Einzelnen:
- 20
1.) Berufung der Beklagten:
- 21
Die Berufung der Beklagten hat nur teilweise Erfolg. Der Kläger kann gem. § 488 Abs.1 S.2 1.HS BGB von der Beklagten Zahlung von Zinsen auf die geleistete Spareinlage in Höhe von insgesamt brutto € 190.906,97, abzüglich bereits auf der Grundlage der Standardkonditionen geleisteter Zinszahlungen in Höhe von brutto € 61.983,33 sowie im Wege des Schadensersatzes Zahlung in Höhe von € 287,11 wegen unberechtigter Rückbuchung von seinem Girokonto verlangen. Der Kläger hat bei der Beklagten zum Sparkonto Nr. 2801236881 mit Wertstellung zum 25.1.2010 eine Spareinlage in Höhe von 4 Mio. Euro geleistet und dargelegt und bewiesen, dass ihm von dem Filialleiter S.. für den Zeitraum vom 25.1.2010 bis zum 31.12.2010 rechtswirksam Zinsen in Höhe von 4,5% bis 5,25% auf die geleistete Einlage zugesagt worden sind (dazu a). Die von dem zugunsten des Klägers eröffneten Privatgirokonto vorgenommene Abbuchung der Beklagten in Höhe von € 287,11 stellte mangels eigener (Kondiktions-)Ansprüche der Beklagten eine von der Beklagten zu vertretende Pflichtverletzung im Schuldverhältnis zum Kläger dar (dazu b). Ein weitergehender Zinszahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu, da ihm die Darlegung einer zu Lasten der Beklagten wirksamen Vereinbarung mit dem Filialleiter S.. für den Zeitraum ab dem 1.11.2010 nicht gelungen ist (dazu unter c).
- 22
a) Dem Kläger steht aus § 488 Abs. 1 S.2 BGB ein Anspruch auf Zinszahlungen in Höhe von brutto € 190.906,97 gegen die Beklagte zu. Mit der Eröffnung der Sparkontos ist ein Sparvertrag zwischen den Parteien zustande gekommen, der nach h.M. als Darlehensvertrag anzusehen ist (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., § 808, Rn. 6 m.w.N.). Aufgrund dieses Vertrages ist die Beklagte in Ansehung der jeweiligen Einlage als Darlehensnehmerin zur Zahlung von Zinsen gem. § 488 Abs.1 S.2 1.HS BGB verpflichtet. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger das streitgegenständliche Sparkonto eröffnet und die Spareinlage von 4 Mio. € absprachegemäß geleistet hat. Die Zinshöhe ergibt sich aus der produktspezifischen vertraglichen Vereinbarung. Fehlt eine solche, gelten die in den Sparbedingungen geregelten Zinssätze (Schimansky/Bunte/Lwowski-Schürmann, Bankrechtshandbuch, 4. Aufl., § 70 Rdnr. 23).
- 23
Hier bestehen schon aufgrund der schriftlichen Erklärungen des Herrn S.. (Anlagen K 4, K 5, K 6, K 7) keine Zweifel daran, dass der Filialleiters S.. die von dem Kläger geltend gemachten Zinshöhen tatsächlich als Sonderkonditionen zugesagt hat. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, hat der Kläger durch die Vorlage der zahlreichen schriftlichen Bestätigungen des Herrn S.. belegt, dass dieser die vom Kläger behaupteten Zinssätze für die jeweiligen Zeiträume zugesagt hat. Dies wird mit der Berufung auch nicht angegriffen.
- 24
Der Filialleiter S.. hat die Beklagte mit den vorgenannten Zinszusagen auch wirksam im Wege der Stellvertretung gemäß §§ 164 ff. BGB verpflichtet. Zumindest aus den Umständen ergab sich vorliegend, dass Herr S.. im Namen der Beklagten handelte (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Unstreitig ist, dass Herr S.. nicht in eigenem Namen, sondern jedenfalls „unternehmensbezogen“ auftrat. Unklarheiten über die Identität des vertretenen Unternehmens (hier: P...bank AG oder P...bank Filialvertrieb AG) sind im Wege der Auslegung zu lösen (vgl. BGH NJW 2000, 3344, 3345; K. Schmidt, Handelsrecht, 6. Auflage, § 4 Rn. 107 m.w.N.). Herr S.. sollte vorliegend in gewissem Umfang für die Beklagte nach außen tätig werden, u.a. Kunden beraten und Vertragsbeziehungen anbahnen. Selbst wenn die Absprachen zwischen Herrn S.. und dem Kläger in einer Filiale der P...bank Filialvertrieb AG geschlossen wurden, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Verzinsungen auf dem Girokonto um Konditionen eines Bankgeschäfts, das insoweit nur von der Beklagten betrieben wurde und betrieben werden durfte. Damit wurde bereits hinreichend deutlich, dass die Beklagte Vertragspartnerin werden sollte, was für den Kläger auch erkennbar war (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, § 164 Rn. 2).
- 25
Herr S.. handelte auch mit Vertretungsmacht. Zwar hat der Kläger nicht bewiesen, dass der Filialleiter S.. tatsächlich über eine Vollmacht verfügte, außerhalb der allgemein über die AGB´s oder der im Rahmen des „GewinnSparens“ geltenden Zinssätze der Beklagten Sonderzinsvereinbarungen zu treffen. Die Zeugen L.. und D.., die in dem Parallelverfahren 318 O 5/14 vor dem Landgericht zu dieser Frage vernommen worden sind und deren Aussagen mit Einverständnis der Parteien in diesem Verfahren im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden, haben übereinstimmend bekundet, dass die Mitarbeiter der Beklagten nicht die Vollmacht haben, die Bedingungen der Beklagten selbständig abzuändern. Sie hätten keinerlei Konditionenkompetenz, sondern böten lediglich vorgefertigte Produkte an. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht den Tatsachen entspricht, bestehen nicht.
- 26
Es liegen jedoch die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vor.
- 27
Bei der Anscheinsvollmacht kann sich der Vertretene auf den Mangel der Vertretungsmacht seines Vertreters nicht berufen, wenn er schuldhaft den Rechtsschein einer Vollmacht veranlasst hat, so dass der Geschäftsgegner nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte von einer Bevollmächtigung ausgehen darf und auch von ihr ausgegangen ist (BGH, Urteil vom 09.05.2014, V ZR 305/12, Rn. 12, zitiert nach juris; Urteil vom 05.03.1998, III ZR 183/96, NJW 1998, 1854, 1855).
- 28
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es bestand der Rechtsschein einer Bevollmächtigung des Herrn S.. zur Zusage von Sonderzinskonditionen (dazu unter (aa)), der der Beklagten zuzurechnen ist (dazu unter (bb)). Der Rechtsschein war für das Handeln des Klägers auch kausal (dazu unter (cc)) und der Kläger war gutgläubig (dazu unter (dd)).
- 29
(aa) Das Verhalten des Herrn S.. erzeugte einen Rechtsschein dahingehend, dass er von der insoweit nicht eingreifenden Beklagten zur Vereinbarung von Zinskonditionen bevollmächtigt sei (vgl. Schramm, in: MüKo-BGB, 6. Auflage, § 164 Rn. 57 f.). Herr S.. war Filialleiter des P...bank Finanzcenters und genoss als solcher aus der Sicht des Klägers als Privatkunde eine herausragende Vertrauensstellung, die von der Beklagten deshalb herrührt, weil deren Firma und Logo in der Beschilderung dieser Einrichtung Verwendung gefunden haben und sich der Eindruck aufdrängt, es handele sich um eine Filiale der Beklagten. Die organisatorisch-funktionale Stellung des Herrn S.. lässt die Annahme des Kunden gerechtfertigt erscheinen, dass diesem durch die Beklagte auch in rechtlicher Hinsicht Befugnisse eingeräumt worden sind, die dieser Stellung als Repräsentant der Beklagten vor Ort entsprechen. Diese berechtigterweise zu erwartenden Befugnisse umfassen jedenfalls alle solche Rechtshandlungen, die für einen Beschäftigten mit dieser Stellung typisch sind. Hierzu gehört nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich auch die individuelle Vereinbarung von Zinssätzen, denn es ist im Geschäftsverkehr zwischen Kunden und Banken nicht unüblich, dass Konditionen verschiedener Bankgeschäfte (Kreditzinsen, Guthabenzinsen bei höheren Anlagebeträgen, Ausgabeaufschläge im Anlagegeschäft etc.) verhandelt werden.
- 30
Dieser Rechtsschein war auch von einer gewissen Dauer und Häufigkeit (zu diesem Erfordernis vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 289/09, Rn. 16 m.w.N., zitiert nach juris). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Rechtsscheins (und der weiteren Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht) ist die Vornahme des Vertretergeschäfts (vgl. BGH NJW 2004, 2745, 2747; Schramm, a.a.O., Rn. 72). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass Herr S.. über einen längeren Zeitraum diverse, dem vorliegenden Fall vergleichbare Absprachen mit einer Vielzahl von Kunden traf. Dass die zwischen Herrn S.. und dem Kläger getroffenen Vereinbarungen die zeitlich ersten im Komplex vermeintlich unberechtigter Zinszusagen in L.. gewesen wären, trägt die Beklagte schon nicht vor.
- 31
(bb) Die Beklagte muss sich diesen Rechtsschein auch zurechnen lassen. Das gilt nach einer neueren Entscheidung des BGH bereits deshalb, weil die Umstände, die den Rechtsschein einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung begründen, aus der Sphäre der Beklagten stammen (dazu unter i.). Aber auch nach der älteren Rechtsprechung des BGH, die eine Fahrlässigkeit erfordert, müsste hier eine Zurechnung erfolgen (dazu unter ii.).
- 32
i.) Nach einem neueren Urteil des BGH vom 09.05.2014, V ZR 305/12, juris, das die Frage betraf, ob sich eine Großhändlerin für Presseerzeugnisse das Handeln ihres (ehemaligen) Vertriebsleiters zurechnen lassen muss, der unrechtmäßig Remissionsware zu viel zu niedrigen Preisen veräußert hatte, muss sich der Geschäftsinhaber den Anschein einer Vollmacht seines Angestellten zurechnen lassen, den er selbst hervorgerufen hat, weil er aus der Sphäre seines Unternehmens stammt (BGH, a.a.O., Rn. 12-15, zitiert nach juris). Dabei soll von den Instanzgerichten nach Ansicht des BGH einem Vorbringen des Geschäftsinhabers, wonach der Vertreter geschickt die internen Kontrollen umgangen habe und allein deswegen die getätigten Geschäfte der Geschäftsführung unbekannt geblieben seien, nicht nachgegangen werden, weil der Geschäftsinhaber den Rechtsschein ordnungsgemäßer Vollmacht in jedem Fall nicht unverschuldet veranlasst hätte (BGH, a.a.O., Rn. 14, zitiert nach juris). Diese Verteilung der Risiken beruhe darauf, dass der kaufmännische Verkehr Rechtssicherheit sowie einfache und klare Verhältnisse erfordere und dass es dem Geschäftspartner nicht zugemutet werden könne, über die Ermächtigung des für den Geschäftsinhaber Auftretenden genaue Ermittlungen anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein anzunehmen berechtigt sei, dass der Geschäftsinhaber das Verhalten des in seinem Namen handelnden Angestellten billigt (BGH, a.a.O., Rn. 14, zitiert nach juris).
- 33
Diese Erwägungen des BGH führen auch im vorliegenden Fall dazu, dass sich die Beklagte das Vertreterhandeln des Herrn S.. zurechnen lassen muss. Die Beklagte hat den Anschein einer Bevollmächtigung des Herrn S.. selbst hervorgerufen, indem sie diesen als Filialleiter des Finanzcenters L.. hat auftreten lassen. Dies gilt unabhängig davon, dass Herr S.. Angestellter der P...bank Filialvertrieb AG war, denn die Geschäfte, die er ausgeführt hatte, waren von außen betrachtet als normale Bankgeschäfte anzusehen. Damit stammten die Umstände, die hier den Anschein der Bevollmächtigung hervorriefen, aus der Sphäre der Beklagten. Diese kann daher auch nicht mit ihrem Einwand gehört werden, sie hätte das kriminelle Handeln des Herrn S.. nicht erkennen können. Würde ihr dieser Einwand gestattet, wäre es doch wieder Sache des Geschäftspartners, genaue Ermittlungen über die Befugnis des für den Geschäftsinhaber Auftretenden anzustellen. Dies aber soll dem Geschäftspartner nach Ansicht des BGH gerade nicht zugemutet werden. Im hier vorliegenden Fall des Filialleiters einer Bank erscheint es auch unmittelbar einleuchtend, dass den Kunden nicht zugemutet werden kann, dessen Befugnis zum Abschluss von Bankgeschäften zu hinterfragen. Es stellt sich in diesem Zusammenhang bereits die naheliegende Frage, bei wem sich die Kunden dann überhaupt erkundigen sollten. Da die dem Filialleiter nachgeordneten Mitarbeiter der Filiale hierfür ersichtlich nicht in Betracht kommen, könnten dies nur Mitarbeiter auf höheren Ebenen der Bank sein, zu denen die Kunden aber normalerweise keinen Kontakt haben. Es muss daher richtigerweise dabei bleiben, dass die Kunden auf das Wort des Leiters einer Bankfiliale vertrauen können müssen und dass der Beklagten das Risiko des kriminellen Handelns eines ihrer Mitarbeiter zuzurechnen ist, weil sie diesem Risiko nähersteht als der Kunde und – dessen Gutgläubigkeit vorausgesetzt – bessere Möglichkeiten als dieser hat, es zu verhindern.
- 34
ii.) Auch unter Zugrundelegung der herkömmlichen Zurechnungskriterien ist die Entstehung des Rechtsscheins einer Bevollmächtigung des Herrn S.. der Beklagten zurechenbar. Bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte sie das Handeln des Herrn S.. voraussehen und verhindern können. Das kann zwar noch nicht daraus geschlossen werden, dass der Kläger tatsächlich Gutschriften auf seinen Konten erhielt. Denn diese dem Vertretergeschäft nachgelagerten Aspekte müssen bei der Beurteilung der Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht unberücksichtigt bleiben. Allerdings kann auch hinsichtlich der Frage der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins zur Beklagten nicht außer Betracht bleiben, dass es eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen gab. Insofern hätte die Beklagte im Wege der Innenrevision Kenntnis erlangen können, dass in L.. von den „Standardkonditionen“ abweichende Zinszusagen getroffen und in das Buchungssystem eingegeben wurden.
- 35
Selbst wenn diese Buchungen – wie hier im internen Buchungssystem der Beklagten (Anlage B 12)– sämtlich als „Einzahlung“ bezeichnet gewesen wären, hätte der Beklagten auffallen können, dass diesen Buchungen keine tatsächlichen Einzahlungen gegenüberstanden. Selbst wenn – wie die Beklagte im Rahmen der Berufungserwiderung vorträgt – Herr S.. Einzahlungen dadurch ermöglicht hat, dass er Gelder von den Sparkonten anderer Kunden nahm, deren Sparbücher er vorschriftswidrig in der Filiale verwahrte, hindert dies eine Zurechnung ebenfalls nicht. Denn die Kontrolle gebuchter Umsätze entspringt der Organisationssphäre der Beklagten und bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte ihr auffallen müssen, dass es zu besonders hohen Geldanlagen in L.. auch von zahlreichen dort nicht ansässigen Personen gekommen ist. Herr S.. hat - wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist - im Jahr 2008 oder 2009 eine Ehrung von der Beklagten für seine überdurchschnittlichen Erfolge bei der Einwerbung von Kundengeldern erhalten. Das zeigt, dass dieser Aspekt grundsätzlich von der Beklagten überwacht wurde. Die Beklagte trägt außerdem schon nicht vor, dass für sie außerhalb der EDV keine Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten hinsichtlich der Mitarbeiter der von ihr mit der Beratung und Geschäftsanbahnung betrauten Tochtergesellschaft bestanden hätten. Es muss davon ausgegangen werden, dass durch eine (z.B. jährliche) Prüfung der Filiale im Rahmen einer Innenrevision schon wesentlich früher hätte festgestellt werden können, dass Postsparbücher in der Filiale verwahrt wurden und dass hiervon durch Herrn S.. eigenmächtig Gelder abgebucht wurden. Zudem müssen die Buchungen über das Kassensystem der Beklagten erfolgt sein und hier hätte der Beklagten schon bei einer regulären Kassenprüfung der jeweils erheblich höhere Umfang von Buchungen zum Jahresanfang, als Herr S.. die Zinszusagen durch „Einzahlungen“ erfüllte, auffallen müssen.
- 36
(cc) Der Rechtsschein der Bevollmächtigung war für das Handeln des Klägers auch kausal. Erforderlich ist dazu in der Regel, dass der Rechtsschein zum Zeitpunkt des Vertretergeschäfts noch vorgelegen hat und der Vertragspartner die Tatsachen kennt, aus denen sich der Rechtsschein der Bevollmächtigung ergibt (vgl. BGH NJW 2007, 987, Rn. 25; Ellenberger a.a.O. Rn. 14 m.w.N.). Dabei muss der Vertragspartner nicht alle Umstände selbst kennen, sondern es genügt, wenn ihm von anderen Personen, die diese Tatsachen kennen, die allgemein bestehende Überzeugung des Vorliegens einer Bevollmächtigung mitgeteilt wird (BGH NJW-RR 1986, 1476, 1477; Schramm a.a.O. Rn. 66 m.w.N.). Die Beklagte hat vorliegend keine Umstände vorgetragen, wonach der Kläger Herrn S.. zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zinszusagen nicht als aufgrund seiner Stellung als Filialleiter vertretungsbefugt angesehen hätte.
- 37
(dd) Schließlich hat der Kläger hinsichtlich der im Jahr 2010 von Herrn S.. zugesagten und bis zum 31.12.2010 erfolgten Zinsgutschriften auch bewiesen, dass er in Bezug auf die Vertretungsmacht des Herrn S.. gutgläubig war.
- 38
Die subjektive Berechtigung des Vertrauens fehlt, wenn der Geschäftsgegner trotz Vorliegen des Rechtsscheintatbestandes das Fehlen der Bevollmächtigung bei der Vornahme des Rechtsscheins kennt oder kennen muss. Es gilt der auch in § 173 BGB ausgesprochene Grundsatz, dass derjenige, der Vertrauensschutz in Anspruch nehmen will, gutgläubig sein muss. Auch leichtfahrlässige Unkenntnis kann hier schaden. Keinesfalls wird der Leichtgläubige geschützt, der vor einem evidenten Mangel der Vollmacht die Augen verschlossen hat. Andererseits besteht keine allgemeine Prüfungsobliegenheit. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die Anlass zu Misstrauen und erhöhter Vorsicht geben. Bestehen Zweifel, muss sich der Geschäftsgegner bei dem Vertretenen erkundigen. Es kommt darauf an, ob einem vernünftigen Menschen in der Lage des Geschäftsgegners der Mangel der Vollmacht nicht verborgen geblieben wäre oder ob ihm doch Zweifel an ihrem Bestehen oder ihrem Umfang gekommen wären (vgl. Münch.-Komm.-Schramm, 6. Aufl., § 167 BGB, Rdnr. 70 m.w.N.).
- 39
Unter Würdigung der relevanten Indizien und nach der Anhörung des Klägers ist davon auszugehen, dass dieser zum Zeitpunkt der im Jahre 2010 getroffenen Verabredungen der Zinskonditionen für das Sparkonto einen etwaigen Mangel der Vertretungsmacht des Herrn S.. nicht kannte und auch nicht hätte erkennen müssen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Zinszusage von dem Filialleiter einer Filiale einer seriösen deutschen Großbank erteilt worden war, demgegenüber der Kläger grundsätzlich keinerlei Misstrauen entgegenbringen musste.
- 40
Der Kläger hat bei seiner Befragung durch den Senat auch glaubhaft geschildert, wie er über seinen Bekannten, Herrn H.., auf das Angebot der P...bank gekommen sei und telefonischen Kontakt zu dem Filialleiter S.. aufgenommen habe. Er hat nachvollziehbar begründet, warum ihm das gute Zinsangebot nicht ungewöhnlich vorgekommen sei, nämlich weil Herr S.. ihm von einem Sonderkontingent berichtet habe, für das ein bestimmtes Volumen zur Verfügung stehe, was er darin bestätigt gesehen habe, dass ein Freund von ihm, dem er die Anlage seinerseits weiter empfohlen hatte, von Herrn S.. nicht mehr „angenommen“ worden sei. Glaubhaft hat der Kläger im Übrigen geschildert, dass er mehrere Freunde und Bekannte gehabt habe, die ebenfalls bei der P...bank L.. investiert gewesen seien und dass damals - auch bei seiner anderen Bank - offen über das Angebot der P...bank gesprochen worden sei. Anhand mehrerer Beispiele hat er auch verdeutlicht, aus welchem Grund ihm das im Januar 2010 zugesagte Zinsangebot nicht ungewöhnlich hoch vorgekommen sei. Auch wenn es sich bei der von ihm genannten Anlageformen (jährlich kündbare Versicherung bei der A..) nicht um ein vergleichbares Anlageprodukt handelte, war der anfänglich zugesagte Zinssatz in Höhe von 4,5% nicht so ungewöhnlich hoch, dass er ihm im Vergleich dazu als absolut ungewöhnlich und jenseits des marktüblichen liegend hätte erscheinen müssen.
- 41
Schließlich musste auch der Umstand, dass die Annahme der Kontoeröffnungsanträge von der Niederlassung der Beklagten in H.. ohne die schriftliche Erwähnung von Sonderkonditionen an den Kläger gesandt wurde, den Kläger nicht bösgläubig machen. Zwar verweist der Eröffnungsantrag auf die AGB der Beklagten, die hinsichtlich der Zinshöhe wiederum auf Preisaushänge etc. verweisen (vgl. Anlage B 6, B 7). Nach der gesetzlichen Regelung des § 305b BGB gehen etwaige Individualvereinbarungen AGB indes vor. Ferner geht Ziff. 12 der allgemeinen AGB der Beklagten (Anlage B 2) unter dem Regelungspunkt „Zinsen und Entgelte im Privatkundengeschäft“ auf mögliche „abweichende Vereinbarungen“ ein. Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger fahrlässig verkannt hätte, dass Individualvereinbarungen mit der Beklagten bezüglich der Zinshöhe nicht vorkommen könnten. Einen solchen zwingenden Schluss ermöglicht das ihm vermeintlich ausgehändigte Konvolut diverser Bedingungen gerade nicht.
- 42
Dem Kläger stehen danach von dem insgesamt von der Beklagten für das Jahr 2010 zurückgebuchten Betrag von brutto € 135.042,70 (netto € 99.425,20) aufgrund der Zinszusagen des Herrn S.. vom 25.1. 2010 (Erstzusage), 29.4.2010, 8.6.2010 und 11.10.2010 (Anlagen K 5, K 6, K 7) folgende (Brutto-) Zinszahlungsansprüche zu:
- 43
Nach der Erstzusage durch Herrn S.. sollte ihm auf seine Ersteinlage von € 4 Mio. ein Zinssatz von 4,5% gewährt werden. Verlängert wurde diese Zusage mit Email vom 29.4.2010 (K 5) bis zum 30.6.2010. Mit Email vom 8.6.2010 teilte Herr S.. dem Kläger sodann mit, dass rückwirkend zum 1.5.2010 ein Zinssatz von 4,75% gewährt werden könne bis zum 31.10.2010 (K 6). Am 11.10.2010 teilte Herr S.. dem Kläger sodann auf dessen Nachfrage hin mit, dass eine weitere Zinsverbesserung habe erreicht werden können und dass vom 1.7.bis 31.08.2010 5% und ab 1.9.2010 bis zum 31.12.2010 eine Verzinsung von 5,25% Zinsen gewährt werden könne. Danach ergibt sich unter Zugrundelegung der von dem Kläger geleisteten Spareinlagen für 2010, gerechnet auf 365 Zinstage (Anlage K 10), folgende Berechnung:
- 44
25.01. – 31.01., Anlagebetrag 4 Mio., 4,25 % Zinsen =
€ 3.260,27
01.02. – 30.04., Anlagebetrag 4 Mio., 4,50 %, Zinsen =
€ 43.890,41
01.05. – 30.06., Anlagebetrag 4 Mio., 4,75%, Zinsen =
€ 31.753,42
01.07. – 31.08., Anlagebetrag 4 Mio., 5,00% Zinsen =
€ 33.972,60
01.09. – 17.10., Anlagebetrag 4 Mio., 5,25%, Zinsen =
€ 27.041,10
18.10.– 31.12., Anlagebetrag 4,7 Mio., 5,25%, Zinsen =
€ 50.702,06
zusammen:
brutto € 190.619,86
- 45
Da dem Kläger von der Beklagten für diesen Zeitraum aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Konditionen für das P...bank Gewinn-Sparen ausweislich der Steuerbescheinigung für das Jahr 2010 (Anlage B 13) Zinsen in Höhe von brutto € 61.983,33 gutgeschrieben worden sind, die nicht wieder zurückgebucht wurden, ist dieser Betrag abzuziehen, da der Anspruch des Klägers in dieser Höhe bereits erfüllt ist. Es ergibt sich somit eine Restforderung in Höhe von brutto € 128.636,53.
- 46
b) Dem Kläger steht zudem gem. § 280 Abs.1 BGB ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte in Höhe von € 287,11 zu, denn die von dem Girokonto des Klägers vorgenommene Abbuchung in dieser Höhe stellt eine Pflichtverletzung der Beklagten aus diesem Schuldverhältnis dar. Die Beklagte war zu einer Storno- oder Berichtigungsbuchung (vgl. § 8 AGB-Banken) in dieser Höhe nicht berechtigt, denn ihr stand kein Kondiktionsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gegen den Kläger in derselben Höhe zu. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Kondiktionsschuldner (hier: der Kläger) etwas durch Leistung des Kondiktionsgläubigers (hier: die Beklagte) ohne Rechtsgrund erlangt hat. Hier sind die Gutschriften mit Rechtsgrund erfolgt, denn der Filialleiter S.. handelte aus den genannten Gründen aufgrund der anzunehmenden Anscheinsvollmacht mit Vertretungsmacht. Der Kläger hatte schon aufgrund der geringen wirtschaftlichen Bedeutung der Bearbeitungsentgelte keine Veranlassung, an der Vertretungsmacht des Filialleiters zu zweifeln.
- 47
c) Dass ihm für den Zeitraum ab 1.1.2011 sowie rückwirkend für den Zeitraum ab 1.9.2010 ein Anspruch auf Zahlung weiterer € 338.937,27 aus zulasten der Beklagten rechtswirksam abgegebener Zinszusagen des Filialleiters S.. zusteht, hat der Kläger hingegen nicht dargetan, so dass die Berufung der Beklagten insoweit Erfolg hat. Ab Januar 2011 verdichteten sich die Unstimmigkeiten in einem Maße, dass dem Kläger Zweifel an der Seriosität der Anlage und damit an der Vertretungsmacht des Filialleiters S.. hätten kommen müssen, denen er sich trotz der regelmäßig fließenden Zinserträge und des Umstandes, dass auch weitere Bekannte bei der P...bank L.. angelegt hatten, nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht hätte verschließen dürfen und die er zum Anlass hätte nehmen müssen, bei der P...bank-Zentrale nachzufragen, so dass die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht nicht vorlagen.
- 48
Bereits in den ersten Anlageperioden im Jahre 2010 war schon ungewöhnlich und entsprach nicht bankenüblichen Gepflogenheiten, dass der Filialleiter S.. die Zinsen regelmäßig ohne ausdrückliches Verlangen des Klägers - zum großen Teil sogar rückwirkend - erhöhte. Der Kläger hat dazu in der mündlichen Verhandlung selbst erläutert, dass er die stetigen Erhöhungen nicht begehrt habe, sondern sie ihm gewährt worden seien. Nachdem dem Kläger zunächst auf seine Nachfrage hin, ob die Anlage nach den ersten drei Monaten wieder neu verzinslich angelegt worden sei, mitgeteilt worden war, dass der Zinssatz von 4,5% bis zum 30.6.2010 verlängert worden sei (Anlage K 5), erhielt er am 8.6.2010 –offenbar ohne erneute Anfrage- von Herrn S.. die Mitteilung, dass rückwirkend zum 1.5.2010 ein Zinssatz von 4,75% ab 1.5.2010 bis zum 31.10.2010 gewährt werden könne (Anlage K 6). Auf die Anfrage vom 11.10.2010, wie es mit der Verzinsung nach dem 31.10.2010 weitergehe, kam dann am selben Tag die Nachricht, dass die Konditionen noch weiter hätten verbessert werden können und dass nunmehr ab dem 1.7.2010 bis zum 31.08.2010 ein Zinssatz von 5,00% und ab dem 1.9.2010 ein Zinssatz von 5,25% bis zum 31.12.2010 gewährt werden könne (Anlage K 7).
- 49
Wenn dies allein den Kläger vor dem Hintergrund der von ihm geschilderten Erklärung des Filialleiters S.., dass es wegen der Anleihe- und Kreditgeschäfte der P...bank kurzfristig Sonderkontingente gebe, noch nicht misstrauisch machen musste, änderte sich die Situation jedenfalls ab dem Zeitpunkt, als die in den zu dem Sparkonto erteilten Kontoaufstellungen aufgeführten Zinssätze nicht mit den von dem Filialleiter S.. genannten übereinstimmten und hätte der Kläger aufmerksam werden müssen. So ist zunächst in dem mit Schreiben vom 15.11.2010 übersandten Finanzstatus zum 31.10.2010 in der oberen Spalte zu dem „Gewinn-Sparbuch“ ein Zinssatz von 5,5% aufgeführt (Anlage K 8, S.2). Abweichend davon ist in dem am 7.1.2011 übersandten Finanzstatus für das gesamte Jahr 2010 auf der ersten Seite in der oberen Spalte zum „P...bank Gewinn-Sparbuch“ ein Zinssatz von 6% angegeben. Ausweislich der Excel-Tabelle auf der zweiten Seite ist sodann für den Zeitraum vom 1.9. bis 17.10. und vom 18.10. bis 31.11. ein Zinssatz von 5,5% sowie für den Zeitraum vom 1.12. bis 31.12. ein Zinssatz von 6 % gewährt worden, wobei der November bekanntlich keine 31 Tage hat.
- 50
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekundet hat, dies sei ihm nicht aufgefallen - woran angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem Kläger um den Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens handelt, der nach dem Inhalt seiner Schilderungen in Finanzdingen äußerst versiert ist und der ausweislich des in der Akte befindlichen Schriftverkehrs sowie seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung die Anlage regelmäßig im Blick gehabt hat, schon deutliche Zweifel bestehen - ist ihm jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Abweichungen von dem Zugesagten waren offensichtlich zu erkennen. Der Kläger hätte vor den sich häufenden Auffälligkeiten nicht die Augen verschließen dürfen, sondern hätte sich an übergeordneter Stelle erkundigen müssen, ob das Handeln des Filialleiters S.. von seiner Vollmacht gedeckt ist.
- 51
Mit Rücksicht auf diese konkreten, für den Kläger offensichtlichen Verdachtsmomente kommt auch eine Verpflichtung der Beklagten nach den Grundsätzen des § 56 HGB nicht in Betracht. Denn zum einen lag damit im konkreten Fall kein „gewöhnlicher“ Geschäftsvorfall mehr vor, zum anderen war der Missbrauch der Vollmacht im Sinne des § 56 HGB für den Kläger evident.
- 52
Der Kläger kann daher weder zusätzliche Zinszahlungen aufgrund der in der Zinsaufstellung vom 7.1.2011 (Anlage K 10) enthaltenen konkludenten Zusage einer Zinserhöhung auf 5,50% rückwirkend ab dem 01.09. bis zum (31).11. 2010 und auf 6,00% vom 1.12. bis 31.12.2010 verlangen, noch Zahlung von Sonderzinsen in Höhe von 6,00 % und steigend ab dem Jahr 2011.
- 53
2.) Berufung des Klägers
- 54
Die Berufung des Klägers bleibt aus den dargelegten Gründen ohne Erfolg. Er hat das Vorliegen einer Handlungsvollmacht nicht bewiesen und die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht des Filialleiters S.. für die ab Januar 2013 erteilten Zinszusagen nicht dargetan und kann demzufolge von der Beklagten nicht Einhaltung der Zinszusagen des Herrn S.. und Zahlung des geltend gemachten Betrages verlangen.
- 55
3.) Dem Kläger steht kein Anspruch auf anteilige Erstattung seiner außergerichtlichen Anwaltskosten zu, denn er hat nicht dargetan, dass es sich um einen Verzugsschaden handelt. Die Einschaltung seines Anwalts erfolgte nach seinem eigenen Vortrag, ohne dass die Beklagte vorher in Verzug gesetzt worden war. Die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung durch einen Anwalt können jedoch nicht ersetzt verlangt werden, weil sie nicht durch den Verzug verursacht worden sind (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 286 BGB, Rdnr. 44).
- 56
Der Kläger kann aber gem. §§ 286, 288 BGB Erstattung von Verzugszinsen auf den tenorierten Betrag verlangen, da die Beklagte durch das Anwaltsschreiben vom 2.8.2013 (Anlage K 25) in Verzug gesetzt worden ist.
- 57
Bei dem ausgeurteilten Betrag handelt es sich um den von dem Kläger aufgrund der Zinszusagen des Herrn S.. zu fordernden Bruttozinsbetrag, auf welchen von der Beklagten gem. § 44 Abs.1 S.4 Nr. 2., S.5 EStG die Zinsertragssteuer und der Solidaritätszuschlag abzuführen sind. Da der Kläger nur die Auszahlung des Nettobetrages verlangen kann, ist der Verzugszins nur auf den Nettobetrag zu berechnen.
- 58
Mit Blick auf eine etwaige Kirchensteuerpflicht des Klägers besteht eine Abzugsverpflichtung der Beklagten gem. § 51a Abs. 2c EStG nicht. Entsprechend dem zeitlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift, wie er sich aus § 52 Abs. 49 EStG ergibt, ist § 51a Absatz 2c und 2e EStG in der am 30. Juni 2013 geltenden Fassung erstmals auf nach dem 31. Dezember 2014 zufließende Kapitalerträge und damit nicht auf solche Kapitalerträge anzuwenden, die dem Steuerpflichtigen vor dem Jahr 2015 zugeflossen sind. Dazu gehören auch die vom Kläger in dem vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Zinsen, die dem Kläger schon zum Zeitpunkt der von Herrn S.. veranlassten Einzahlungsgutschriften zugeflossen waren. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Beklagte diese Gutschriften nachfolgend durch eine entsprechende Belastungsbuchung auf dem Konto des Klägers storniert hat. Denn der Ertragszufluss hat dadurch stattgefunden, dass der Kläger als Gläubiger des Kapitals die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die fraglichen Beträge erlangt hat (vgl. Blümich/Glenk, EStG, 127. Auflage 2015, § 11 Rn. 37) und diese wirtschaftlich ein Nutzungsentgelt für die zeitlich begrenzte Überlassung von Kapital, mithin Zinsen, darstellen (vgl. Blümich/Ratschow, a.a.O. § 20 Rn. 309). Auf den Kenntnisstand der Beklagten und darauf, inwieweit die Einzahlungsbuchungen der Beklagten zivilrechtlich als eigene Leistungshandlungen zuzurechnen sind, kommt es für die Einordnung der Gutschriften als Kapitalerträge nicht an; denn diese Einordnung hat nach § 20 Nr. 7 S. 2 EStG unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage zu erfolgen.
- 59
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 60
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung, sondern beschränkt sich auf die Anwendung feststehender Rechtssätze auf den konkreten Einzelfall. Einer Entscheidung des Revisionsgerichts bedarf es auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.
(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von den Kosten des Revisionsrechtszuges haben die Beklagte 60 v.H. und die Kläger 40 v.H. zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger verlangen von der Beklagten, einem zur Versi cherungsgruppe "D. R. " gehörenden Anlagevermittlungsunternehmen, Ersatz des Schadens, der ihnen durch Veruntreuung des früheren Generalagenten der Beklagten, H. , entstanden ist.
H. unterhielt in I. ein Büro unter der Bezeichnung (zuletzt) "D. R. H. und Team". Abschlußvollmachten und Inkassobefugnisse für Anlagegelder hatte er nicht. Ende 1998 bot H. den Klägern, die er
zuvor in Versicherungsbelangen betreut hatte, Kapitalanlagen mit einer Rendite von 9,5 % an. Die Kläger unterzeichneten am 12. Dezember 1998 einen formularmäßigen "Antrag zur Eröffnung eines Investmentkontos und Kaufantrag" bei der D. G. W. mbH (D. ). Das Formular ist mit der Firma der Beklagten versehen und enthält den Hinweis:
"Die Vermittler sind nicht berechtigt, Geld oder andere Zahlungsmittel , z.B. Schecks, entgegenzunehmen. Alle Einzahlungen zugunsten Ihres Depots bei derD. dürfen nur auf das Konto der D. , Frankfurt 9690058 bei der D. B. , Frankfurt (BLZ ), erfolgen."
Zuvor hatte H. den Klägern ein - nach der Behaup tung der Beklagten gefälschtes - Schreiben des "D. R. V. Bausparen Kapitalanlagen" an "H. und Team" vom 19. November 1998 ausgehändigt, das auf eine Anfrage "Kapitalanlage ohne Jahressteuerbescheinigung" Bezug nimmt, in dem es heißt, es handele sich um eine zur Zeit steuerfreie, aber ab Anfang 2002 voraussichtlich zu versteuernde Kapitalanlage; Einzahlungsmöglichkeit bestehe per Scheck oder in Form von Bargeld auf den bekannten Konten. Die Kläger hoben von einer Bank in Luxemburg 200.000 DM ab. Diesen Betrag zahlte die Klägerin zu 2 am 11. Dezember 1998 und am 8. Januar 1999 mit Unterstützung H. 's - jeweils aufgeteilt in vier 25.000 DM-Beträge - auf ein in den Einzahlungsbelegen mit "D. R. M. H. " bezeichnetes Konto H. 's bei der Sparkasse I. ein. Hierüber erhielten die Kläger unter dem 28. Dezember 1998 und dem 25. Januar 1999 (gefälschte) Einzahlungs - und Kontoeröffnungsbestätigungen der Beklagten. H. verwendete das eingezahlte Geld für eigene Zwecke.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 102.258,37 € (= 200.000 DM) nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Abtretung der Schadensersatzansprüche der Kläger gegen die StadtsparkasseI. wegen der Gutschrift der betreffenden Einzahlungen der Kläger, bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Ansatz einer Mitverschuldensquote der Kläger von 40 % den Verurteilungsbetrag auf 61.355,03 € zuzüglich Zinsen reduziert. Gegen dieses Urteil richten sich die - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Revisionen; die der Beklagten mit dem Ziel der völligen Klageabweisung, die der Kläger mit dem Ziel der Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber den Klägern aus Verschulden bei Vertragsschluß (c.i.c.), wobei die Beklagte gemäß § 278 BGB für den Generalagenten H. ihren als Erfüllungsgehilfen im Rahmen der sich anbahnenden Vertragsbeziehung zu den Klägern einzustehen habe. Der notwendige innere sachliche Zusammenhang der Pflichtverletzungen H. 's zu den Aufgaben, zu deren Wahrnehmung die Beklagte diesen bestellt hatte, liege vor. Die Kläger hätten die Bareinzahlung auf das Konto in I. unter Anleitung und Mithilfe H. 's in der Erwartung
vorgenommen, die Einzahlungen gingen zum Zwecke einer Geldanlage beim D. R. direkt auf ein Konto der Beklagten oder würden dorthin weitergeleitet. Der Zusammenhang mit dem vertraglichen Aufgabenbereich des Erfüllungsgehilfen werde nicht dadurch unterbrochen, daß dieser von den Weisungen des Schuldners abweiche oder - selbst durch strafbare und vorsätzliche Handlungen - in die eigene Tasche wirtschafte. H. habe sich nicht deshalb außerhalb des ihm von der Beklagten zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt , weil die Art der Einzahlung auf Schwarzgeld hindeutete; seine Aufgabe sei es gewesen, Geldanlagen zu vermitteln, unabhängig von der Herkunft der Gelder. Daß die Kläger - wie von der Beklagten behauptet - mit der Geldanlage eine (weitere) Steuerhinterziehung beabsichtigt hätten, stehe nicht fest. Die Anlage habe nicht anonym, sondern im Namen der Kläger - somit nachprüfbar für die Finanzverwaltung - vorgenommen werden sollen. Mit der Stückelung der Einzahlungen hätten die Kläger nur den Zweck verfolgt, Nachfragen über die Herkunft des Geldes zu vermeiden, woraus sich aber nicht ergebe, daß auch in Zukunft steuerpflichtige Zinseinnahmen nicht versteuert werden sollten.
Andererseits, so führt das Berufungsgericht weiter aus, se i den Klägern ein erhebliches Mitverschulden vorzuwerfen. Sie seien in Geldangelegenheiten nicht unerfahren gewesen und hätten bei etwas Achtsamkeit merken müssen, daß mit dieser Geldanlage etwas nicht stimmte. Sie hätten nach eigenen Angaben keine schriftlichen Unterlagen über die Art derselben erhalten. Außerdem hätten den Klägern auch die Diskrepanzen hinsichtlich der Einzahlungsmodalitäten in dem Schreiben vom 19. November 1998 und dem unterschriebenen Antrag an die D. auffallen und zur Nachfrage Anlaß geben müssen.
Für unangebracht hält es das Berufungsgericht, die den Klägern anzulastende - als grob anzusehende - Fahrlässigkeit im Hinblick auf den Vorsatz H. 's ganz außer acht zu lassen und der Beklagten die alleinige Haftung aufzubürden. Das von der Beklagten zu vertretende vorsätzliche Verhalten H. 's könne anders gewichtet werden als ein eigenes Verhalten der Beklagten , da H. nur als Erfüllungsgehilfe gehandelt habe. Der Beklagten das mit der Einschaltung des Erfüllungsgehilfen verbundene "Personalrisiko" nach § 278 BGB allein aufzubürden, sei problematisch, wenn dem Gläubiger die Einschaltung und die Person des Erfüllungsgehilfen erkennbar seien und er diesen somit selbst auch aussuche. Vorliegend hätten die Kläger sich wegen der Geldanlage an den selbständigen Handelsvertreter H. gewandt, der ihnen aus früheren Vertragsbeziehungen mit der Beklagten bekannt gewesen sei. Er habe sein Geschäft in eigenen Räumlichkeiten geführt, ohne einer direkten Aufsicht der Beklagten zu unterstehen. Seine Tätigkeit habe er weitgehend eigenständig gestaltet. Die Kläger hätten zu ihm aus mehrjähriger Zusammenarbeit im Rahmen der Abwicklung von Erstattungen von Arzt- und Krankenhausrechnungen Vertrauen gehabt. Dieses Vertrauen habe sich sowohl auf seine Tätigkeit für die Beklagte als auch auf seine Person gegründet. Durch den direkten Kontakt sei es den Klägern eher als der Beklagten möglich gewesen, das Fehlverhalten zu bemerken und darauf zu reagieren.
Zusammenfassend hält das Berufungsgericht eine Haftung d er Beklagten in Höhe von 60 % für angemessen.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung st and.
1. Rechtsfehlerfrei ist der, von der Beklagten mit ihrer Revision in erster Linie angegriffene, Standpunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagte sich das Verschulden ihres Generalagenten als ihres Erfüllungsgehilfen im Rahmen des sich zwischen den Parteien anbahnenden Vertragsverhältnisses gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muß und deshalb den Klägern grundsätzlich - vorbehaltlich ihres Mitverschuldens - zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die auch von der Revision als maßgeblich herausgestellte P rüfung, ob zwischen der schadenstiftenden Handlung des Gehilfen und den ihm übertragenen Aufgaben ein unmittelbarer innerer Zusammenhang besteht (Hinweis auf BGH, Urteil vom 29. Januar 1997 - VIII ZR 356/95 - NJW 1997, 1233, 1234 f; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90 - NJW 1991, 3208, 3209 f und Senatsurteil vom 5. März 1998 - III ZR 183/96 - NJW 1998, 1854, 1856), ist in erster Linie Sache des Tatrichters. Die betreffende Beurteilung des Berufungsgerichts ist erschöpfend und im Ergebnis naheliegend. Rechtliche Fehler vermag die Revision an dieser Beurteilung nicht aufzuzeigen. Der von ihr hervorgehobene - vom Berufungsgericht nicht verkannte - Umstand, daß H. durch sein Handeln die Kläger bei ihrem Vorhaben unterstützt hat, "in Luxemburg geparkte Schwarzgeldbeträge unter Umgehung der Steuerbehörde wieder dem deutschen Kapitalmarkt zuzuführen", ist kein wertender Gesichtspunkt, der den Zusammenhang mit dem Aufgabenbereich ausschließt , den H. gegenüber (angehenden) Vertragspartnern der Beklagten wahrzunehmen hatte. Zu diesem Aufgabenbereich gehörte die Obhut hinsichtlich sämtlicher Gelder, die von Kunden der Beklagten - aus welcher Quelle auch immer - für eine von der Beklagten vertriebene Vermögensanlage einge-
zahlt wurden. Der Umstand, daß H. keine Inkassovollmacht der Beklagten bzw. derD. besaß und die Kläger dies aus dem Aufdruck auf dem bei dem Geschäft unterzeichneten Antragsformular auch hätten erkennen können, steht dem nicht entgegen.
Soweit die Revision darauf abstellt,H. habe sc hon deswegen nicht mehr im Rahmen des ihm von der Beklagten übertragenen Aufgabenbereichs gehandelt, weil er für die Kläger erkennbar gesetzwidrig gehandelt habe und evident gesetzwidriges Verhalten generell nicht im Aufgabenbereich eines Erfüllungsgehilfen liege, fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten für einen solchen Schluß. Das Berufungsgericht hat nicht festzustellen vermocht, daß mit der Geldanlage eine Steuerhinterziehung beabsichtigt war. Seine tatrichterliche Würdigung ist rechtsfehlerfrei.
2. Nicht zu beanstanden ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß bei der Entstehung des Schadens ein Mitverschulden der Kläger mitgewirkt hat (§ 254 Abs. 1 BGB).
a) Die Revision der Kläger macht zwar geltend, die Ann ahme einer beachtlichen Fahrlässigkeit der Kläger werde nicht durch entsprechende Feststellungen getragen. Es ist aber festgestellt, daß die Kläger H. außerordentlich große Geldsummen anvertraut haben, ohne auch nur annähernd über die Art der Geldanlage informiert zu sein und ohne sich um die schriftlichen Hinweise hinsichtlich der Einzahlungskonten auf dem Schreiben vom 19. November 1998 einerseits und auf dem Antragsformular andererseits zu kümmern. Wenn der Tatrichter diese Verhaltensweise als (grob) fahrlässig eingestuft hat, so ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
b) Nichts anderes gilt, soweit die Revision der Kläger a nführt, deren Sorgfaltsverstöße seien für den eingetretenen Schaden nicht kausal geworden. Nach dem Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die Kläger, wenn sie nicht so sorglos wie festgestellt gewesen wären, sich nicht, wie geschehen, H. ausgeliefert und ihr Geld verloren hätten.
c) Die weitere Beanstandung der Revision der Kläger, e in Mitverschulden derselben könne nicht damit begründet werden, daß die Kläger H. "als Person" vertraut hätten, richtet sich gegen Ausführungen im Berufungsurteil, die im wesentlichen nicht das Mitverschulden der Kläger als solches betreffen, sondern die Abwägung des Sorgfaltsverstoßes der Kläger mit der von der Beklagten zu vertretenden Pflichtverletzung H. 's (dazu nachfolgend 3).
3. Das Berufungsurteil enthält schließlich auch bei der Bewertung und Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge keinen durchgreifenden Mangel.
Diese Abwägung ist ebenfalls grundsätzlich Aufgabe des Ta trichters. Das Revisionsgericht ist auf die Nachprüfung beschränkt, ob der Abwägung rechtlich unzulässige Erwägungen zugrunde liegen und ob der Tatrichter alle Umstände vollständig und richtig berücksichtigt hat (vgl. nur Senatsurteil vom 8. Februar 1965 - III ZR 170/63 - NJW 1965, 962, 964 und BGH, Urteil vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - WM 2002, 2473, 2476 m.w.N.).
a) Einen derartigen Rechtsfehler vermag die Revision de r Beklagten nicht darzulegen, deren Ausführungen im Kern nur den Versuch enthalten, ihre eigene Würdigung, wonach ein weit überwiegendes Verschulden der Klägerin vorliege, das eine Haftung der Beklagten ausschließe, in revisionsrechtlich unzulässiger Weise an die Stelle der Bewertung des Tatrichters zu setzen. Der Ansatz einer Haftungsquote von 60 % zu Lasten der Beklagten ist indessen nicht zu beanstanden.
b) Andererseits vermag auch die Revision der Kläger, was die zu ihren Lasten angenommene Mithaftungsquote von 40 % angeht, keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Ohne Erfolg rügt sie, das Berufungsgericht sei nicht in hinreichendem Umfang der Frage nachgegangen, ob hier das Mitverschulden der - nur fahrlässig handelnden - Geschädigten wegen des vorsätzlichen Handelns des Generalagenten der Beklagten zurücktreten müsse.
aa) Das Berufungsgericht hat erkannt, daß zwar regelmäß ig ein nur fahrlässiges Verhalten hinter einem vorsätzlichen Verhalten zurücktritt (BGH, Urteile vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 60/82 - NJW 1984, 921, 922 und vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91 - NJW 1992, 310, 311), daß dieser Grundsatz aber nicht anzuwenden ist, wenn die vorsätzliche Schädigung von einem Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB begangen worden ist (BGH, Urteile vom 18. Oktober 1965 - VII ZR 203/63 - DB 1966, 147, 148, 2. Februar 1984 - I ZR 228/81 - NJW 1984, 2087, 2088, 8. Oktober 1991 - XI ZR 207/90 - NJW 1991, 3208, 3210 und 13. Mai 1997 - XI ZR 84/96 - NJW 1997, 2236, 2238). Der tragende Gesichtspunkt hierfür liegt darin, daß einem nach § 278 BGB ebenso wie einem nach § 831 BGB haftenden Geschäftsherrn bei Arglist seines Erfüllungs - oder Verrichtungsgehilfen nicht angelastet werden kann, selbst arglistig
gehandelt zu haben (zu § 831 siehe schon RGZ 157, 228, 233). Auf die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vorgenommene Differenzierung, je nachdem, ob die Person des eingeschalteten Erfüllungsgehilfen dem Gläubiger erkennbar ist oder nicht, und ob der Gläubiger bereits persönliches Vertrauen zu dem Erfüllungsgehilfen des Schuldners gefaßt hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
bb) Nicht ausdrücklich in den Blick genommen hat das Beruf ungsgericht bei der Abwägung nach Maßgabe von § 254 BGB allerdings, ob das (vorsätzliche ) Handeln des Schädigers H. der Beklagten gemäß § 31 BGB anzulasten war. Wäre § 31 BGB anzuwenden gewesen, so hätte zu Lasten der Beklagten (wieder) der Grundsatz eingreifen können, daß fahrlässiges Verhalten gegenüber vorsätzlichem Verhalten nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1991 aaO S. 3210). Ein durchgreifender Mangel des Berufungsurteils liegt aber darin, daß es § 31 BGB nicht erörtert hat, nicht.
Die Rechtsprechung hat zwar über den Wortlaut der §§ 3 0, 31 BGB hinaus eine Repräsentantenhaftung für solche Personen entwickelt, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame, wesensmäßige Funktionen der juristischen Person zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so daß sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren (s. die Nachweise in dem Senatsurteil vom 5. März 1998 aaO S. 1856). Der diesbezügliche Tatsachenvortrag der Kläger, auf den ihre Revision verweist, erschöpfte sich aber in der pauschalen - später nirgends näher erläuterten und vertieften - Behauptung in der Klageschrift, H. sei "Repräsentant der Beklagten" gewesen; er habe "wesentliche Funktionen erfüllt, die für die allgemeine Betriebsregelung der Beklagten bedeutsam
war(en)". Insbesondere im Hinblick darauf, daß H. nicht einmal Abschlußvollmachten und Inkassobefugnisse besaß - was zunächst einmal gegen eine Repräsentantenhaftung in seiner Person spricht (vgl. Senatsurteil vom 5. März 1998 aaO S. 1856) -, war dieses Vorbringen so inhaltsleer, daß der Tatrichter keinen Anlaß hatte, dem nachzugehen. Ebensowenig gab - entgegen der Revision - der Tatsachenvortrag der Kläger Grund zur Prüfung, eine Haftung der Beklagten entsprechend § 31 BGB deshalb in Betracht zu ziehen, weil ihre Geschäftsführung nicht durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür gesorgt hatte,
die Tätigkeit ihrer Handelsvertreter ausreichend zu überwachen, oder weil sie einen für den fraglichen Aufgabenkreis zuständigen Vertreter nicht berufen hatte (vgl. Senatsurteil aaO S. 1857 mit den dortigen Hinweisen).
Schlick Wurm Streck
Galke Herrmann
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Die Vertretungsmacht eines solchen Vertreters erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt.
Der Verein ist für den Schaden verantwortlich, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Schulden mehrere eine Leistung in der Weise, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (Gesamtschuldner), so kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Bis zur Bewirkung der ganzen Leistung bleiben sämtliche Schuldner verpflichtet.
(1) Die Gesamtschuldner sind im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Kann von einem Gesamtschuldner der auf ihn entfallende Beitrag nicht erlangt werden, so ist der Ausfall von den übrigen zur Ausgleichung verpflichteten Schuldnern zu tragen.
(2) Soweit ein Gesamtschuldner den Gläubiger befriedigt und von den übrigen Schuldnern Ausgleichung verlangen kann, geht die Forderung des Gläubigers gegen die übrigen Schuldner auf ihn über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Gläubigers geltend gemacht werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.