Oberlandesgericht Köln Urteil, 17. Okt. 2018 - 16 U 3/18
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29.11.2017 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen – 42 O 79/17 – und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um wechselseitige Ansprüche aus einem Vertrag über die Durchführung von Abbrucharbeiten.
4Die Klägerin beauftragte im Rahmen von Sanierungsarbeiten im Industriepark I-P nach einer EU-weiten öffentlichen Ausschreibung mit Schreiben vom 10.04.2013 die Beklagte mit dem Abbruch mehrerer Gebäude und eines Lokschuppens. Grundlage der Auftragserteilung war ein Angebot der Beklagten vom 06.03.2013 nebst Anlagen. Die Parteien vereinbarten die Geltung der VOB/B.
5Als Fertigstellungstermin war der 27.10.2013 vorgesehen. Die Auftragssumme betrug 50.161,90 € netto und fiel nur deshalb so vergleichsweise niedrig aus, weil auf die vereinbarte Vergütung für die Durchführung der Abbrucharbeiten in Höhe von 1.700.161,90 € netto eine Gutschrift aus den Verwertungserlösen erfolgen sollte, welche die Beklagte durch den Verkauf von Eisen- und Buntmetallen generieren sollte, die bei den Abbrucharbeiten anfallen sollten. Die Beklagte hatte für die Verwertung der anfallenden Metalle und Nutzmaterialien zuvor ein Angebot der T GmbH vom 18.03.2013 eingeholt, in welchem diese der Beklagten bestätigte, „wie am 15.10.2012 vor Ort in Augenschein genommen und am 01.03.2013 nachverhandelt“ für die Metalle eine pauschale Vergütung von 2.050.000,00 EUR zu zahlen.
6In der Folgezeit kam es zu Verzögerungen des Baufortschritts, über deren Ursache zwischen den Parteien Streit entstand. Mit Schreiben vom 21.10.2013 an die Klägerin legte die Beklagte einen Entwurf eines Bauzeitenplanes vor, wonach die Arbeiten nunmehr in der 9. KW des Jahres 2014 abgeschlossen werden sollten. Auch dieser neue Fertigstellungstermin wurde in der Folgezeit indes nicht eingehalten.
7Mit Schreiben vom 03.02.2014 bat die Beklagte die Klägerin erneut um eine Verlängerung der Bauzeit und legte unter dem 04.02.2014 einen Nachtrag zum Leistungsverzeichnis „Gutschrift aus Schrotterlösen“ vor. Dabei verwies sie auf ein neues Verwertungsangebot der Fa. T GmbH vom 19.09.2013, nach dem sich die pauschale Vergütung für die Verwertung von Metallen und Nutzmaterial wegen einer Kontamination des Schutzanstrichs mit PCB von 2.050.000 EUR auf nur noch 420.000 EUR netto reduzieren sollte. Die Beklagte bot der Klägerin daher an, statt der ursprünglich vorgesehenen Gutschrift in Höhe von 1.650.000,00 EUR eine Gutschrift in Höhe von lediglich noch 20.000,00 EUR zu erteilen. Die Klägerin wies dieses Nachtragsangebot mit der Begründung zurück, der Beklagten sei der PCB-haltige Anstrich der Stahlträger bereits vor der Angebotserteilung bekannt gewesen. In der Folgezeit kam es zu weiteren Auseinandersetzungen, insbesondere über die Qualität der von der Beklagten ausgesonderten Recycling-Materialien, über Nachträge und die Ursachen und Folgen der Bauzeitverlängerung.
8Am 28.01.2015 hielt sich nur ein einziger Mitarbeiter der Beklagten auf der Baustelle auf. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, die Beklagte mit Schreiben vom 30.01.2015 dazu aufzufordern, die Rückbauarbeiten und die Entsorgungstätigkeit nunmehr bis zum 14.02.2015 auszuführen; zugleich drohte sie den Entzug des Auftrags unter Verweis auf § 8 Abs. 3 VOB/B an. Zu einem Abschluss der Arbeiten kam es ungeachtet der von der Klägerin gesetzten Frist nicht.
9Mit Kündigungsschreiben vom 25.02.2015 entzog die Klägerin der Beklagten schließlich den Auftrag aus wichtigem Grund und forderte die Räumung der Baustelle bis zum 04.03.2015. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 26.02.2015 die Räumung der Baustelle bis zum 04.03.2015 an. Mit Schreiben vom 06.03. und 11.03.2015 lud die Klägerin die Beklagte zu Aufmaßterminen ein, an denen jedoch von Seiten der Beklagten niemand teilnahm. Die Klägerin übermittelte der Beklagten am 08.07.2015 ihre Aufmaßergebnisse nebst einer Aufstellung über die noch durchzuführenden Restarbeiten. Gleichzeitig wurde der Beklagten mitgeteilt, dass am 22.07.2015 eine förmliche Abnahme durchgeführt werden solle, und die Beklagte wurde zur Aufstellung einer Schlussrechnung bis zum 24.07.2015 aufgefordert. Am 22.07.2015 nahm die Klägerin die Arbeiten unter Vorbehalt ab und fertigte ein Abnahmeprotokoll nebst Anlagen.
10Die Beklagte erstellte unter dem 15.07.2015 einen Entwurf einer Schlussrechnung. Darin war im Hinblick auf die Beseitigung des PCB-haltigen Rostanstrichs keine Position enthalten; auch ein Nachtrag im Hinblick darauf, dass die Verwertung der entsorgten Metalle wegen einer PCB-Kontamination eingeschränkt gewesen sei, fand sich nicht. Stattdessen enthielt der Entwurf unter „31. Nachtrag gestörter Bauablauf“ eine Position mit den Titel „Vergütung Stahl“ über 1.630.000 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte in einem weiteren Nachtrag zu diesem Schlussrechnungsentwurf („gestörter Bauablauf“) aus, es sei zu einer Bauzeitüberschreitung von 318 Arbeitstagen gekommen. Durch diese Bauzeitverlängerung hätten die zur Zeit des Angebots berücksichtigten Verkaufspreise für Stahl nicht mehr erzielt werden können. Da sich der Stahlpreis stark verringert habe, habe der Verwerter sein ursprüngliches Angebot auf 420.000,00 EUR reduziert. Daher könne die ursprünglich vereinbarte Gutschrift keinen Bestand haben.
11Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 31.08.2015 mit Fristsetzung bis 15.09.2015 erneut zur Vorlage einer Schlussrechnung auf und ließ schließlich eine Schlussrechnung durch das Ingenieurbüro I2 Geologen erstellen, das auch mit der Bauleitung betraut gewesen war, und übermittelte diese der Beklagten mit Schreiben vom 04.01.2016. Die Beklagte wies die Schlussrechnung mit Schreiben vom 06.01.2016 unter Hinweis auf fehlende Prüfbarkeit zurück. Die Klägerin stellte die Schlussrechnung daraufhin neu auf und teilte sie in zwei Rechnungen auf, welche sie der Beklagten mit Schreiben vom 15.02.2016 übermittelte. Sie errechnete dabei von der Beklagten insgesamt erbrachte Leistungen in Höhe von 2.353.641,18 EUR brutto, auf die unstreitig Abschlagszahlungen in Höhe von 1.435.477,12 EUR geleistet worden waren. Unter Berücksichtigung einer Restwerklohnforderung der Beklagten von 918.164,06 EUR brutto einerseits und der vereinbarten Gutschrift aus dem Schrotterlös in Höhe von 1.650.000,00 EUR errechnete die Klägerin zu ihren Gunsten einen Anspruch in Höhe von 731.835,94 EUR. Dieser Betrag ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
12Weiterhin verlangt die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten Ersatz des Schadens, der ihr dadurch entstanden sei, dass die noch ausstehenden Arbeiten anderweitig in Auftrag gegeben werden mussten. Diesen Schaden hat sie im Laufe des Rechtsstreits unter Klagerücknahme im Übrigen auf 193.968,47 EUR reduziert. Wegen der Berechnung im Einzelnen kann auf Bl. 196 der Gerichtsakte Bezug genommen werden.
13Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, die Beklagte habe im Zuge des Gebäudeabbruchs allein bis zum 05.11.2013 etwa 2354 t Eisen- und Buntmetalle abtransportiert und einer Verwertung zugeführt. Sie selbst – die Klägerin – hätte für diese Menge ohne weiteres einen Verkaufserlös in Höhe von 1.650.000 € erzielen können. Der Aufwand für die Entfernung PCB-haltiger Anstriche habe sich auf maximal 10.000 € belaufen.
14Die Beklagte meint, die ursprünglich vereinbarte Rückvergütung in Höhe von 1.650.000 EUR sei nicht mehr anzusetzen, weil sich während der Abbrucharbeiten herausgestellt habe, dass die von ihr zu verwertenden Metalle mit PCB belastet gewesen seien. Zwar gehe aus dem der Ausschreibung zugrunde gelegten Gutachten – unstreitig – ein PCB-haltiger Korrosionsanstrich der Stahlträger hervor, die Entfernung PCB-haltiger Anstriche sei jedoch in keiner Position des Leistungsverzeichnisses ausgeschrieben gewesen, mithin von ihr - der Beklagten - vertraglich nicht geschuldet.
15Die Beklagte hat weiterhin behauptet, der ursprüngliche Fertigstellungstermin habe sich infolge von der Klägerin zu vertretender Behinderungen und Bauzeitverzögerungen sowie wegen Nachtragsleistungen mit einer Gesamtsumme von 5.357.501,69 EUR erledigt und mehr als verdoppelt. Sie meint, die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung sei unwirksam gewesen.
16Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die Zahlung eines Saldos aus einer von ihr mit Widerklage-Schriftsatz vom 08.08.2017 in das Verfahren eingeführten Schlussrechnung, welche auf den 15.07.2015 datiert ist, in Höhe von 3.751.321,05 EUR, wovon allein 1.798.568,68 EUR auf einen Nachtrag „gestörter Bauablauf“ entfallen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Bl. 226 ff. der Gerichtsakte Bezug genommen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts kann auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden.
18Mit Urteil vom 29.11.2017 hat das Landgericht Aachen im Wege eines Grund- und Teilurteils die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 731.835,94 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Klage hat es dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hinsichtlich der Widerklage ist keine Entscheidung ergangen.
19Zu Begründung hat das Landgericht ausgeführt, von einem unstreitig der Beklagten gegen die Klägerin zustehenden Werklohnanspruch von mindestens 918.164,06 EUR sei eine Gutschrift in Höhe von 1.650.000,00 EUR in Abzug zu bringen, woraus sich der titulierte Betrag ergebe. Die Beklagte habe unstreitig gewusst, dass der Metallanstrich PCB-haltig gewesen sei. Sie habe deshalb auch das bekannte Risiko einer PCB-Kontamination bei der Verwertung der Metalle getragen. Daher sei sie im Verhältnis zur Klägerin an das von ihr – der Beklagten – vorgelegte ursprüngliche Angebot gebunden, eine Gutschrift für den Verwertungserlös i.H.v. 1.650.000,00 EUR zu erteilen.
20Die Verurteilung dem Grunde nach hat das Landgericht damit begründet, dass die Klägerin über den titulierten Betrag hinaus auch Anspruch auf Ersatz der Entsorgungsmehrkosten habe, deren Höhe allerdings umstritten sei. Die Auftragsentziehung vom 25.02.2015 sei gemäß §§ 8 Abs. 3, 5 Abs. 3 und Abs. 4 VOB/B berechtigt gewesen.
21Eine Entscheidung nur über die Klage im Wege eines Teilurteils sei hier ausnahmsweise zulässig, weil die Widerklage rechtsmissbräuchlich erhoben worden sei. Diese habe, wie sich aus mehreren Aspekten ergebe, nur der Verzögerung des Rechtsstreits gedient.
22Ebenfalls am 29.11.2017 hat das Landgericht einen Beweisbeschluss gefasst, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 320 der Gerichtsakte verwiesen wird.
23Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
24Gegen dieses Urteil, das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 04.12.2010 zugestellt worden ist, hat die Beklagte mit einem am 04.01.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach mehrfacher Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – zuletzt bis zum 19.03.2018 – mit einem am 19.03.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet.
25Die Beklagte trägt zur Berufungsbegründung vor, das Landgericht habe bereits nicht nach § 301 ZPO durch Teilurteil entscheiden dürfen, weil Klage und Widerklage einen einheitlichen Streitgegenstand aufwiesen und dieser nicht teilbar gewesen sei. Zwar habe hier sowohl die Klägerin als auch die Beklagte eine Schlussrechnung erstellt, beide Schlussrechnungen beträfen indes denselben Saldo und mithin denselben Streitgegenstand. Im Übrigen bestehe durch das Teilurteil die Gefahr sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen. Weil das Landgericht im angefochtenen Urteil bereits über die von der Klägerin erstellte Schlussrechnung umfassend entschieden habe, die Widerklage mit der Forderung der Beklagten aus deren Schlussrechnung indes noch rechtshängig sei, bestehe angesichts der unterschiedlichen Ergebnisse der jeweiligen Schlussrechnungen der Parteien die Gefahr, dass das Gericht bei der Prüfung der weiter rechtshängigen Widerklage zu einem anderen Ergebnis komme.
26Weiter führt die Beklagte zur Begründung aus, die Widerklage sei nicht rechtsmissbräuchlich erhoben worden, insbesondere lasse sich dies nicht aus den in der Begründung des angegriffenen Urteils angeführten Umständen ableiten. Darüber hinaus ist die Beklagte der Ansicht, der Bundesgerichtshof lehne eine Beschränkungsmöglichkeit der prozessualen Angriffe – insbesondere auch der Widerklage – unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsmissbrauchs strikt ab.
27Weiter vertritt die Beklagte die Ansicht, das angegriffene Urteil sei auch materiell-rechtlich fehlerhaft: Die vertraglich pauschal vereinbarte Rückvergütung sei nicht maßgeblich, weil diese für die Verwertung von Eisenmetallen und Buntmetallen vereinbart worden sei und nicht für PCB-belastete Stoffe. Darüber hinaus habe das Landgericht zu Unrecht entschieden, dass die Kündigung der Klägerin als Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sei. Das Landgericht habe den Vortrag der Beklagten, sie sei immer leistungsbereit gewesen und habe auch noch Leistungen aus den von der Klägerin behaupteten noch offenen Restleistungen aus dem Abhilfeschreiben vom 30.01.2015 erbracht, nicht berücksichtigt.
28Die Beklagte beantragt,
29das Urteil des Landgerichts Aachen vom 29.11.2017 (Az. 42 O 79/16) aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen.
30Die Klägerin beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
32Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und meint, der Erlass eines Teilurteils sei prozessual nicht zu beanstanden.
33Hinsichtlich des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
34II.
35Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie hinreichend begründet worden.
36In der Sache hat sie den aus dem Tenor ersichtlichen vorläufigen Erfolg.
37Gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurück zu verweisen, weil es sich um ein entgegen der Voraussetzungen des § 301 ZPO erlassenes Teilurteil handelt. Dadurch beruht das erstinstanzliche Urteil auf eine Rechtsverletzung im Sinne von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO.
38Nach § 301 Abs. 1 ZPO hat das Gericht, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif ist, durch Teilurteil zu entscheiden. Dabei darf nach § 301 Abs. 1 S. 2 ZPO über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, durch Teilurteil indes nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht. Weiter ist anerkannt, dass die Entscheidung über den Teil des Rechtsstreits, über welchen durch Teilurteil entschieden werden soll, unabhängig davon sein muss, wie über den Rest des noch anhängigen Streitgegenstandes entschieden wird (BGH, Urteil vom 16.08.2007, IX ZR 63/06, BGHZ 173, 333 Rdnr. 18 m.w.N., zitiert nach juris; Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage 2018, § 301 Rdnr. 12; Elzer, in: BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 29. Edition, Stand: 01.07.2018, § 301 Rn 22; Musielak,in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 301 Rn 15). Ein Teilurteil darf nach ständiger Rechtsprechung insbesondere nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist, selbst wenn davon nur eine Vorfrage betroffen wäre (BGH, Urteil vom 11.05.2011, VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356, Rdnr. 13 m.w.N., zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 07.05.2015, 5 U 85/14, Rdnr. 58, zitiert nach juris; Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage 2018, § 301 Rdnr. 12).
39Diesen Grundsätzen trägt die landgerichtliche Entscheidung nicht in ausreichendem Maße Rechnung.
401.
41Es besteht nicht in ausreichendem Umfang die Gewähr, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Klage und Widerklage betreffen vorliegend zumindest teilweise denselben Gegenstand oder hängen von den selben Vorfragen und Zwischenergebnissen ab. Dies ergibt sich aus Folgendem:
42Die Klage setzt sich aus zwei Ansprüchen zusammen, nämlich aus dem Anspruch der Klägerin aus ihren Schlussrechnungen i.H.v. 731.835,94 EUR sowie aus einem weiteren Anspruch auf Schadensersatz unter dem Gesichtspunkt der mangelhaften Werkleistung sowie der zeitlichen Verzögerung der Ausführung, den die Klägerin insgesamt auf 193.968,47 EUR beziffert hat. Die Entscheidung über die Berechtigung der Schlussrechnungen setzt als Vorfrage eine Beurteilung darüber voraus, ob und in welcher Höhe eine Gutschrift zu Gunsten der Klägerin für Verwertungserlöse aus Metallverwertung zu erfolgen hat; zu klären ist auch, in welcher Höhe die Beklagte noch einen Vergütungsanspruch gegen die Klägerin hat. Ob und ggf. in welchem Umfang dem Grunde nach Schadensersatzansprüche der Klägerin bestehen, ist unter anderem davon abhängig, ob deren Kündigung nach § 8 Abs. 3 VOB/B wirksam war, ob der Beklagten eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist (und ggf. welche) und welches der Grund bzw. die Gründe für die Bauzeitverlängerung waren. Alle diese Themenkomplexe bilden auch Vorfragen für die Entscheidung über die Widerklage.
43Mit der Widerklage wird der Rechnungsbetrag aus der Schlussrechnung vom 15.07.2015 geltend gemacht, der sich seinerseits aus verschiedenen Ansprüchen zusammensetzt: So macht die Beklagte Lohnforderungen abzüglich Abschlagszahlungen in Höhe von 1.181.463,40 EUR netto/1.405.941,40 EUR brutto geltend; auch für die Entscheidung hierüber ist maßgeblich, ob und welche Werklohnforderung noch besteht und ob und in welcher Höhe Gutschriften für Verwertungserlöse anzurechnen sind. Weiterhin verlangt die Beklagte Zusatzkosten wegen gestörten Bauablaufs in Höhe von 1.789.568,68 EUR netto (zeitvariable Baustellengerätekosten, Gehaltskosten Bauleitung, Gehaltskosten Polier, Umsatzverlust, Minderleistung); insoweit wäre zunächst zum Grunde zu klären, ob die Kündigung eine solche nach § 8 Abs. 3 VOB/B oder nach § 8 Abs. 1 VOB/B berechtigt war und wer den gestörten Bauablauf zu vertreten hat. Schließlich begehrt die Beklagte mit der Widerklage nicht abgerechnete Leistungen auf Grund von Kündigung in Höhe von 172.338,73 EUR netto, deren Berechtigung ebenfalls davon abhängt, ob die Kündigung der Klägerin als Kündigung aus wichtigem Grund wirksam war.
442.
45Die Entscheidung durch (Grund- und) Teilurteil kann entgegen der Einschätzung des Landgerichts vorliegend auch nicht damit begründet werden, dass die Widerklage rechtsmissbräuchlich erhoben worden sei.
46Zwar hat das Landgericht zutreffend erkannt, dass in der Rechtsprechung und Literatur ein Teilurteil über eine Klage trotz nicht entscheidungsreifer Widerklage und der Gefahr widersprechender Entscheidungen ausnahmsweise für zulässig erachtet wird, wenn die Erhebung der Widerklage rechtsmissbräuchlich ist (BGH NJW 1987, 3139 sowie BGH Urteil vom 23.04.1986, VIII ZR 93/85, NJW 1986, 2257, 2258 am Ende und BGH Beschluss vom 20.09.2016, VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491 Rn 21 (im Ergebnis jeweils offen gelassen); OLG Köln, Urteil vom 06.09.2000, 11 U 261/99, OLGR Köln 2001, 71, 74, zitiert nach juris; OLG Frankfurt Urteil v.om 16.11.2014- 11 U 27/04, BeckRS 2005, 669 Rn 13; LG Gießen, Urteil vom 20.02.2002, 1 S 365/01, NJW-RR 2003, 381; LG Berlin NJOZ 2005, 49; Zöller-Feskorn, ZPO, 32. Auflage 2018, § 301 Rdnr. 10). Als typischer Beispielsfall gilt im Anschluss an die zitierte Entscheidung BGH NJW 1987, 3139 die Erhebung einer Widerklage zur Ausschaltung missliebiger Zeugen oder zur reinen Prozessverschleppung.
47Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, die kurz vor dem Termin eingereichte Widerklage habe nur der Verzögerung des Prozesses gedient. Dies ergebe sich auch daraus, dass die Schlussrechnung der Beklagten bereits vom 15.07.2015 stamme und nicht ersichtlich sei, weshalb die Forderung nicht früher geltend gemacht worden sei, sowie daraus, dass die Beklagte Begründungen während des Rechtsstreits scheinbar „beliebig“ gewechselt habe.
48Diese Gesichtspunkte sind für sich genommen indes nicht geeignet, den Vorwurf der Rechtsmissbräuchlichkeit zu begründen. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die sog. „Flucht in die Widerklage“ als solche nicht unter die Präklusionsvorschrift des § 296 ZPO fällt und als grundsätzlich zulässiges Mittel zur Verhinderung der Zurückweisung der zu ihrer Begründung vorgetragenen Behauptungen im Wege der Präklusion anerkannt ist (vgl. allgemein Zöller-Greger, ZPO, 32. Auflage 2018, § 296 Rdnr. 42; zur Widerklage vgl. BGH NJW 1986, 2257, zitiert nach juris Rn 23) und zur Klageerweiterung und Klageänderung BGH, Beschluss vom 20.09.2016, VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491). Im konkreten Fall wurde die Widerklage überdies nicht in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium, sondern noch vor dem ersten Haupttermin erhoben. Nach Zustellung der Klage im Juli 2016 erfolgte – nach ursprünglicher Einleitung des schriftlichen Vorverfahrens – mit Verfügung vom 21.03.2017 die Terminierung auf den 14.07.2017. Die Beklagte hatte sich die Erhebung der Widerklage zudem bereits mit der Klageerwiderung und der Duplik vorbehalten und darauf hingewiesen, mit der Zusammenstellung derjenigen Kosten, welche mit der Widerklage geltend gemacht werden sollten, befasst zu sein.
49Auch aus dem übrigen Prozessverhalten lässt sich nicht begründen, dass die Beklagte in unangemessener Weise das Verfahren zu verzögern versucht hätte: Stellungnahmefristen wurden nicht nur auf Antrag der Beklagten, sondern auch auf Antrag der Klägerin verlängert. Die zeitliche Verzögerung aufgrund der von der Beklagten beantragten Terminsverlegungen belief sich auf ca. einen Monat und damit auf einen - im Verhältnis zur Gesamtprozessdauer erster Instanz - noch recht überschaubaren Zeitraum. Gegen ein ausschließlich auf Prozessverzögerung angelegtes Vorgehen spricht schließlich auch der Umstand, dass die Beklagte mit der Widerklage Forderungen erheblichen Umfangs in den Rechtsstreit eingeführt hat und damit ein recht hohes Kostenrisiko im Unterliegensfall eingegangen ist, das durch eine Zeitverzögerung wirtschaftlich kaum aufgewogen werden könnte. Angesichts dessen gibt auch der Umstand, dass die von der Beklagten vorgelegte Schlussrechnung auf den 15.07.2015 datiert ist, keinen Anlass für die Annahme einer Rechtsmissbräuchlichkeit, zumal die Beklagte vorträgt, dass ihre Schlussrechnung tatsächlich erst später erstellt worden sei.
503.
51Nach alledem war die Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 ZPO geboten. Die Beklagten hat einen entsprechenden Zurückverweisungsantrag gestellt, dem die Klägerin insoweit nicht widersprochen hat. Insbesondere war es nicht veranlasst, statt der Zurückverweisung den noch in der ersten Instanz befindlichen Teil des Rechtsstreits in die zweite Instanz zu ziehen und in der Sache selbst zu entscheiden. Diese Möglichkeit ist in der Rechtsprechung zwar anerkannt (vgl. BGH Urteil vom 13.10.2008, II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rdnr. 7, zitiert nach beck-online; OLG Hamm, Urteil vom 07.05.2015, 5 U 85/14, Rdnr. 85, zitiert nach juris, mit weiteren Nachweisen; Zöller-Heßler, ZPO, 32. Auflage 2018, § 538 Rdnr. 55). Sie kommt indes, da hierdurch sowohl eine Tatsacheninstanz als auch die Überprüfung durch eine weitere Instanz wegfallen, nur in Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Verlagerung des gesamten noch zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreits in den Berufungsrechtszug erscheint indes angesichts der Vielzahl der entscheidungserheblichen Fragen vorliegend nicht sachgerecht, da voraussichtlich auch eine Beweisaufnahme erforderlich sein wird.
52Allerdings dürfte die Einschätzung des Landgericht, dass die Klägerin an die vereinbarte Gutschrift i.H.v. 1.650.000,00 EUR für die abgebauten Metalle gebunden ist, im Ergebnis nicht zu beanstanden sein, weil die Beklagte sich auf eine Gutschrift in dieser Höhe vertraglich geeinigt hat, eine einvernehmliche Abänderung des Vertrages in diesem Punkt in der Folgezeit nicht zustande gekommen ist und die Voraussetzungen für eine Preisanpassung nach § 2 Abs. 7 VOB/B iVm § 313 BGB auch nicht ansatzweise vorgetragen oder erkennbar geworden sind. Die PCB-Belastung des Anstrichs der Metallteile erscheint als Begründung für die behauptete Unzumutbarkeit des Festhaltens an der zugesagten Gutschrift schon allein deshalb wenig geeignet, weil sie aus den Unterlagen, die im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung auch der Beklagten vorgelegen haben, grundsätzlich erkennbar war und damit in deren Risikobereich fiel, auch wenn die Beseitigung der kontaminierten Anstriche selbst nicht ausdrücklich im Leistungsverzeichnis geregelt gewesen sein mag. Soweit die Beklagte später auf einen Verfall der Stahlpreise während der Bauzeit abgestellt hat, blieb ihr Vortrag zu unspezifisch, weil sie zwar ein reduziertes Angebot des Verwertungsunternehmens T vorgelegt, letztlich aber nie offengelegt hat, wo und zu welchem Preis sie die von ihr abgebauten Metalle tatsächlich vermarktet hat. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Preisrisiko nach der vertraglichen Vereinbarung grundsätzlich bei der Beklagten lag.
53Ungeachtet dessen zeichnet sich ab, dass eine Entscheidung über die umstrittenen Positionen in den divergierenden Schlussrechnungen der Parteien ohne Beweisaufnahme nicht möglich sein wird, auch wenn die Annahme des Landgerichts, die Kündigung des Bauvertrages sei im Hinblick auf § 8 Abs. 3 i.V.m. § 5 Abs. 3 und 4 VOB/B zu Recht erfolgt, aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden sein dürfte.
54Bei der noch ausstehenden Entscheidung über die Berechtigung der geltend gemachten Abrechnungspositionen in den unterschiedlichen Schlussrechnungen wird die Klägerin der Beklagten den Einwand der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 ff. VOB/B voraussichtlich nicht entgegenhalten können, weil die VOB/B hier – worauf die Beklagte in der Berufung zu Recht hingewiesen hat – nicht als Ganzes vereinbart worden sind und daher der Inhaltskontrolle unterliegen (§ 310 Abs. 1 S. 1 und 3 BGB), der die Klausel in § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B mit Blick auf § 307 Abs. 1 S. 1 BGB nicht standhält (BGH, Urteil vom 24.03.2016, VII ZR 201/15, BGHZ 209, 278).
55Schließlich wird zu berücksichtigen sein, dass die Beklagte in ihrer Schlussrechnung neben „Nachträgen“ i.H.v. 965.912,89 EUR auch einen Betrag von 1.798.568,68 EUR unter der Position „31. Nachtrag gestörter Bauablauf“ geltend macht. Insofern gilt der Grundsatz, dass ein Auftraggeber, der umfangreiche nachträgliche Leistungen beauftragt, davon ausgehen kann, dass der Auftragnehmer mit seinem Nachtragsangebot ein abschließendes Angebot bezüglich aller durch die Änderungsanordnung entstehenden Mehrkosten gemacht hat, sofern er sich nicht die Geltendmachung künftig entstehender Mehrkosten wegen einer mit der Nachtragsbeauftragung verbundenen Bauablaufstörung vorbehalten hat (vgl. OLG Köln, BauR 2015, 850; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.07.2017 – 23 U 11/16 –, zitiert nach IBR-online 2018, 1041). Hierzu fehlt es an schlüssigem Vorbringen der Beklagten.
564.
57Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kommt eine Verweisung an eine andere Kammer des Landgerichts nicht in Betracht, weil eine dem § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechende Regelung für das Berufungsverfahren nicht in § 538 Abs. 2 ZPO aufgenommen worden ist (OLG Hamm, Urteil vom 01.12.2006, 12 UF 168/06, Rdnr. 36, zit. nach juris; MüKo/ZPO-Rimmelspacher, 5. Aufl. 2016, § 538 Rdnr. 79 m.w.N.).
58III.
59Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten war dem Landgericht vorzubehalten.
60Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.
61IV.
62Der Streitwert wird auf 925.804,41EUR (731.835,94 EUR + 193.968,47 EUR) festgesetzt.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Köln Urteil, 17. Okt. 2018 - 16 U 3/18
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Urteil einreichenOberlandesgericht Köln Urteil, 17. Okt. 2018 - 16 U 3/18 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Ist von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur der eine oder ist nur ein Teil eines Anspruchs oder bei erhobener Widerklage nur die Klage oder die Widerklage zur Endentscheidung reif, so hat das Gericht sie durch Endurteil (Teilurteil) zu erlassen. Über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs, der nach Grund und Höhe streitig ist, kann durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht.
(2) Der Erlass eines Teilurteils kann unterbleiben, wenn es das Gericht nach Lage der Sache nicht für angemessen erachtet.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Gaspreiserhöhungen.
- 2
- Die Kläger werden als Endverbraucher von dem beklagten Energieversorgungsunternehmen leitungsgebunden mit Erdgas versorgt. Die Vertragsverhältnisse zwischen den Klägern und der Beklagten wurden durch Verwendung von den Klägern unterzeichneter Vertragsformulare begründet.
- 3
- Die Beklagte erhöhte zum 1. Juli 2005 ihren - mengenabhängigen - Arbeitspreis um 0,56 Cent/kWh (netto), zum 1. Januar 2006 um weitere 0,51 Cent/kWh (netto) sowie zum 1. Mai 2006 nochmals um 0,295 Cent/kWh (netto). Eine weitere Preisanhebung erfolgte zum 1. April 2008.
- 4
- Die Kläger sind der Auffassung, der Beklagten stehe ihnen gegenüber kein Recht zur einseitigen Preiserhöhung zu. Sie begehren die Feststellung, dass die jeweils zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Gasversorgungsverträge über den 30. Juni 2005 hinaus unverändert - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abgesehen - zu den ab 1. Oktober 2004 geltenden Preisen fortbestehen. Nachdem sich die Klage zunächst nur auf die Preisanpassungen zum 1. Juli 2005, 1. Januar 2006 und 1. Mai 2006 bezogen hat, haben die Kläger im Verhandlungstermin vor dem Landgericht auch die Preisanpassung vom 1. April 2008 zum Gegenstand ihres Feststellungsbegehrens gemacht.
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- Das Landgericht hat die Klage - mit Ausnahme der Erhöhung zum 1. April 2008 - durch Teilurteil abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben 21 der 418 Kläger Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Teilurteils hat das Landgericht auf Antrag beider Parteien das Ruhen des Verfahrens bezüglich des noch bei ihm anhängigen Teils des Rechtsstreits bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über das Teilurteil angeordnet.
- 6
- Auf die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. http://www.juris.de/jportal/portal/t/161x/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006760979BJNE000500328&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/161x/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006760979BJNE000200328&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 4 -
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht (OLG Dresden, RdE 2010, 230) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Das Landgericht habe durch Teilurteil entscheiden dürfen. Die erhobene Feststellungsklage sei zulässig, weil die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung hätten, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam seien.
- 10
- Die Klage sei auch begründet, weil die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen weder unmittelbar auf § 4 Abs. 2 AVBGasV noch auf Allgemeine Geschäftsbedingungen noch auf eine ergänzende Vertragsauslegung gestützt werden könnten. Die AVBGasV sei nicht als Rechtsvorschrift auf den Gasversorgungsvertrag der Parteien anzuwenden, weil die Kläger nicht Tarifkunden im Sinne des § 1 Abs. 2 AVBGasV seien.
II.
- 11
- Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 12
- Das angefochtene Urteil leidet an einem Verfahrensmangel, denn der Erlass eines Teilurteils (§ 301 ZPO) durch das Landgericht war unzulässig. Das Berufungsgericht hätte daher gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO auch ohne entsprechenden Antrag (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO) das erstinstanzliche Urteil aufheben und die Sache an das Landgericht zurückverweisen müssen.
- 13
- 1. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung darf auch bei der grundsätzlichen Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil (§ 301 ZPO) nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen - auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 26. April 1989 - VIb ZR 48/88, BGHZ 107, 236, 242; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90, NJW 1992, 511 unter III 1; vom 4. Februar 1997 - VI ZR 69/96, NJW 1997, 1709 unter II; vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, WM 2001, 106 unter II 1 b; vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452 unter II 1 a; vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, NJW 2007, 156 Rn. 12; vom 19. November 2008 - VIII ZR 47/07, NJW-RR 2009, 494 Rn. 14 f.; vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 62/09, MDR 2010, 944 f.).
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- Eine solche Gefahr besteht bei einer Mehrheit selbständiger prozessualer Ansprüche, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BGH, Urteile vom 28. November 2003 - V ZR 123/03, BGHZ 157, 133, 142 f.; vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, aaO; vom 16. Juni 2010 - VIII ZR 62/09, aaO).
- 15
- Dies ist hier der Fall. Bei einer späteren Aufnahme des noch beim Landgericht anhängigen Teils des Rechtsstreits wird erneut über die Frage zu befinden sein, ob ein Preisanpassungsrecht der Beklagten besteht. Insoweit besteht http://www.juris.de/jportal/portal/t/t4m/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE308312000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/t4m/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=6&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE308312000&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301898705&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/## [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE533048817&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE533048817&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301462001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301462001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/2fm7/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE301462001&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 6 - die Gefahr, dass das Gericht bei einem späteren Urteil - sei es auf Grund neuen Vortrags, sei es auf Grund geänderter Rechtsauffassung (BGH, Urteil vom 28. Januar 2000 - V ZR 402/98, NJW 2000, 1405 unter II 1 b) - hierzu abweichend entscheidet.
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- 2. Die Unzulässigkeit des Teilurteils ist nicht dadurch entfallen, dass das Landgericht nach Erlass des Teilurteils für den noch bei ihm anhängigen Teil des Rechtstreits auf übereinstimmenden Antrag der Parteien das Ruhen des Verfahrens angeordnet hat.
- 17
- a) Es handelt sich bei der vorliegenden Konstellation nicht um einen Ausnahmefall, in dem trotz der bestehenden Gefahr einer abweichenden Entscheidung ein Teilurteil zulässig wäre. Eine derartige Ausnahme ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Konkurs, Insolvenz oder Tod eines einfachen Streitgenossen anerkannt (Senatsurteil vom 1. April 1987 - VIII ZR 15/86, NJW 1987, 2367 unter I, und BGH, Urteil vom 10. März 1988 - IX ZR 194/87, NJW 1988, 2113 unter II - zum Konkurs; BGH, Urteile vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00, BGHZ 148, 214, 216, und vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, NJW-RR 2003, 1002 unter II 1 b - zur Insolvenz; BGH, Urteil vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, aaO Rn. 15 f. - zum Tod). Die Rechtfertigung für diese Ausnahme liegt jedoch darin, dass die - in ihrer Dauer nicht absehbare - Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und es daher mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar wäre, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht (BGH, Urteile vom 7. November 2006 - X ZR 149/04, aaO Rn. 15; vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, aaO). http://www.juris.de/jportal/portal/t/yye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313559500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/yye/## - 7 -
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- b) Zwar wird hieraus zum Teil der Schluss gezogen, dass auch das Nichtbetreiben eines abtrennbaren Teils des Verfahrens zu einer faktischen Verfahrenstrennung führe, welche die Möglichkeit eines Teilurteils eröffne (OLG Düsseldorf, WM 2008, 750, 751; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 301 Rn. 7; HK-ZPO/Saenger, 3. Aufl., § 301 Rn. 6). Dies ist aber nicht sachgerecht (so auch OLG Frankfurt, NZG 2008, 836, 837). Bei einem auf Wunsch der Parteien angeordneten Ruhen des Verfahrens fehlt es an einer mit einer Verfahrensunterbrechung aufgrund von Insolvenz oder Tod eines Streitgenossen vergleichbaren Situation. Die eintretende Verzögerung entspricht - anders als bei den vorgenannten Fallgestaltungen - dem Willen der Parteien und kann von diesen auch jederzeit durch Aufnahme des Verfahrens beendet werden, so dass der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz hier keine Rechtfertigung für den Erlass eines Teilurteils bei gleichwohl bestehender Gefahr widersprechender Entscheidungen gibt. Allein die Praktikabilität dieses Vorgehens vermag den Erlass eines prozessordnungswidrigen Teilurteils nicht zu rechtfertigen.
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- 3. Die Unzulässigkeit des erstinstanzlichen Teilurteils hatte das Berufungsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 22. März 1991 - V ZR 16/90, NJW 1991, 2082 unter II; Senatsurteile vom 8. November 1995 - VIII ZR 269/94, NJW 1996, 395 unter II 1 c, und vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, NJW 2001, 155 unter II 1 c; MünchKommZPO /Rimmelspacher, 3. Aufl., § 529 Rn. 22; Prütting/Gehrlein/Oberheim, ZPO, 2. Aufl., § 529 Rn. 20; HK-ZPO/Wöstmann, aaO, § 529 Rn. 10; Musielak/ Ball, ZPO, 7. Aufl., § 529 Rn. 21); es hätte daher das erstinstanzliche Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO aufzuheben gehabt. Dass die Unzulässigkeit des vom Landgericht erlassenen Teilurteils weder in der Berufungsinstanz noch in der Revisionsinstanz gerügt worden ist, steht der Berücksichtigung im Revisionsverfahren nicht entgegen, denn der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der auch in der Revisionsinstanz gemäß § 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen ist.
- 21
- aa) Das Reichsgericht hat die prozessuale Unzulässigkeit eines Teilurteils ebenso wie die eines Grundurteils (§ 304 ZPO) in gefestigter Rechtsprechung nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin für beachtlich gehalten (RGZ 75, 16, 19; 85, 214, 217; 152, 292, 297) und dies damit begründet, dass es sich hierbei lediglich um eine Verletzung einer Verfahrensvorschrift handele. Allerdings hat das Reichsgericht bei Ehesachen bereits eine Berücksichtigung dieses Verfahrensmangels von Amts wegen für erforderlich gehalten, da in Ehesachen der Erlass eines unzulässigen Teilurteils gegen einen prozessrechtlichen Grundsatz verstoße, der im öffentlichen Interesse zu beachten und daher dem Belieben der Parteien entzogen sei, so dass auch der Bestand des unzulässigen Teilurteils nicht der Willkür der Parteien ausgesetzt sein dürfe (RGZ 107, 350, 351). Es hat diese Rechtsprechung aber ausdrücklich nicht auf andere Verfahren übertragen (RGZ 152, 292, 297). Gleiches hat das Reichsgericht für den Fall angenommen, dass über eine unselbständige Anschlussberufung vor einer Entscheidung über die Hauptberufung durch Teilurteil entschieden worden ist, da auch hier die Bestimmung, dass eine unselbständige Anschlussberufung unwirksam werde, wenn die Berufung zurückgenommen oder als unzulässig verworfen werde, der Verfügung der Parteien entzogen sei (RGZ 159, 293, 295).
- 22
- bb) Im Anschluss an diese Rechtsprechung ist auch der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für das Teilurteil davon ausgegangen, dass die Unzuläs- sigkeit eines in der Tatsacheninstanz erlassenen Teilurteils in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur auf eine Verfahrensrüge hin berücksichtigt werden kann (BGH, Urteil vom 18. Dezember 1954 - II ZR 76/54, BGHZ 16, 71, 74). Dem ist zunächst auch der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gefolgt (BGH, Urteil vom 22. März 1991 - V ZR 16/90, aaO). Der erkennende Senat hat diese Meinung ebenfalls vertreten (Senatsurteile vom 6. März 1996 - VIII ZR 212/94, NJW 1996, 2165 unter II 4, und vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99, NJW 2000, 3007 unter II 1). Gleichwohl hat, im Anschluss an eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone (OGHBrZ, NJW 1950, 597), auch der Bundesgerichtshof die Unzulässigkeit eines Teilurteils von Amts wegen berücksichtigt , wenn ein Teilurteil im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft nur gegen einzelne Streitgenossen erlassen wurde (BGH, Urteile vom 8. Juni 1962 - V ZR 171/61, NJW 1962, 1722; vom 25. September 1990 - XI ZR 94/89, NJW 1991, 101 unter I). Der Oberste Gerichtshof für die britische Zone hatte insoweit zur Begründung angeführt, dass das aus § 62 ZPO folgende Verbot, ein Sachurteil nur bezüglich eines Streitgenossen zu erlassen, nicht nur dem Interesse der Prozessparteien, sondern wesentlich auch dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege überhaupt diene und daher ein dieses Verbot nicht beachtendes Urteil keine geeignete Grundlage für die Fortsetzung des Verfahrens sei.
- 23
- cc) Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat für das Grundurteil entschieden , dass ein Verstoß gegen § 304 ZPO auch ohne eine Verfahrensrüge von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Er hat dies damit begründet, dass die Aufhebung eines Urteils, welches keine Grundlage in der Zivilprozessordnung finde, nicht von einer Parteirüge abhängen könne, vielmehr von Amts wegen verhindert werden müsse, dass das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaue (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, NJW 1975, 1968 unter II 2 a). Dieser Auffassung haben sich mehrere Zivilsena- te des Bundesgerichtshofs angeschlossen (BGH, Urteile vom 11. März 1982 - I ZR 27/80, NJW 1982, 1757 unter II 2; vom 7. November 1991 - IX ZR 3/91, NJW-RR 1992, 290 unter II; vom 14. Mai 1992 - IX ZR 241/91, NJW 1992, 2487 unter II 1; vom 14. Oktober 1993 - III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319 unter III; vom 13. Dezember 1995 - VIII ZR 61/95, NJW 1996, 848 unter II 3; vom 4. Dezember 1997 - IX ZR 247/96, NJW 1998, 1140 unter II; vom 18. November 1999 - IX ZR 402/97, NJW 2000, 664 unter I; vom 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572 unter I; vom 17. Februar 2000 - IX ZR 436/98, NJW 2000, 1498 unter II 1; vom 12. Februar 2003 - XII ZR 324/98, WM 2003, 1919 unter II 2 a). Sie ist auch in der Literatur einhellig auf Zustimmung gestoßen (MünchKommZPO/Musielak, aaO, § 304 Rn. 13; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 304 Rn. 55; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl., § 304 Rn. 21; Prütting /Gehrlein/Thole, aaO, § 304 Rn. 23).
- 24
- dd) In der Literatur wird diese Auffassung auch für das Teilurteil vertreten und aufgrund der zum Grundurteil identischen Interessenlage eine von einer Verfahrensrüge unabhängige Prüfungskompetenz des Revisionsgerichts bejaht (Wieczorek/Schütze/Prütting, ZPO, 3. Aufl., § 557 Rn. 26; MünchKomm-ZPO/ Wenzel, aaO, § 557 Rn. 26; Stein/Jonas/Leipold, aaO, § 301 Rn. 34; Prütting/ Gehrlein/Thole, aaO, § 301 Rn. 22; HK-ZPO/Saenger, aaO, § 301 Rn. 17; Musielak /Ball, aaO, § 557 Rn. 16). Teilweise wird aber auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs an dem Erfordernis einer Verfahrensrüge festgehalten (MünchKommZPO /Musielak, aaO, § 301 Rn. 21; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 301 Rn. 6; Wieczorek/Schütze/Rensen, aaO, § 301 Rn. 64; Zöller/Vollkommer, aaO, § 301 Rn. 13).
- 25
- ee) Der V. und der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs haben ebenfalls erwogen, die vorgenannte Rechtsprechung zum Grundurteil auch auf das Teilurteil zu übertragen, brauchten diese Frage allerdings nicht zu entscheiden (BGH, Urteile vom 30. April 2003 - V ZR 100/02, NJW 2003, 2380 unter II 1 c mwN, und vom 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92, NJW-RR 1994, 379 unter 5).
- 26
- ff) Soweit der Senat bislang davon ausgegangen ist, dass es in der Revisionsinstanz für die Prüfung der Zulässigkeit des Teilurteils der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf (Senatsurteile vom 6. März 1996 - VIII ZR 212/94, aaO, und vom 17. Mai 2000 - VIII ZR 216/99, aaO), hält der Senat hieran nach erneuter Überprüfung nicht fest.
- 27
- Für eine unterschiedliche Behandlung des Grund- und des Teilurteils gibt es keine Rechtfertigung. Ein unzulässiges Teilurteil findet ebenso wie ein unzulässiges Grundurteil im Prozessrecht keine Grundlage und ist daher - ohne dass es einer Rüge bedarf - von Amts wegen aufzuheben. Nur hierdurch wird sichergestellt, dass im weiteren Verfahren der erkannte Verfahrensfehler nicht vertieft wird, so dass weder beim Grundurteil das weitere Verfahren auf einer als unrichtig erkannten Grundlage aufbaut (BGH, Urteil vom 12. Juni 1975 - III ZR 34/73, aaO) noch das unzulässige Teilurteil dazu führt, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aufrecht erhalten bleibt. Eine derartige Gefahr ist nicht nur in den in der Rechtsprechung bislang anerkannten Ausnahmefällen, sondern generell nicht zu akzeptieren. Ein derartiger Fehler ist daher auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen.
- 28
- b) Der II. und der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs haben auf Anfrage mitgeteilt, dass an der gegenteiligen Auffassung nicht festgehalten wird. http://www.juris.de/jportal/portal/t/yye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE313559500&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/yye/## - 12 -
III.
- 29
- Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist bereits wegen des Verfahrensfehlers aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Aber auch das rechtsfehlerhaft ergangene Teilurteil des Landgerichts kann nicht bestehen bleiben, weil das Berufungsgericht dieses Urteil gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO hätte aufheben und die Sache an das Landgericht zurückverweisen müssen. Zwar ist das Berufungsgericht im Fall eines unzulässigen Teilurteils befugt, zur Beseitigung des Verfahrensfehlers den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Teil des Rechtsstreits an sich zu ziehen und hierüber mitzuentscheiden (BGH, Urteile vom 19. November 1959 - VII ZR 93/59, NJW 1960, 339 unter 4; vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90, aaO unter IV; vom 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92, aaO; vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, NJW 2009, 230 Rn 7 f.; jeweils mwN). Diese Möglichkeit besteht hier indes nicht, da der Rechtsstreit in erster Instanz in anderer Beteiligung als in der Berufungsinstanz anhängig ist. Die somit schon in zweiter Instanz gebotene Zurückverweisung an das Landgericht kann der Senat nachholen (BGH, Urteile vom 18. Dezember 1954 - II ZR 76/54, aaO S. 82; vom 19. November 1959 - VII ZR 93/59, aaO; vom 3. Juni 1987 - VIII ZR 154/86, BGHZ 101, 134, 141; vom 13. April 1992 - II ZR 105/91, NJW 1992, 2099 unter 4; vom 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92, aaO; vom 8. November 1995 - VIII ZR 269/94, aaO unter II 2; vom 13. Dezember 1995 - VIII ZR 61/95, aaO; vom 4. Oktober 2000 - VIII ZR 109/99, aaO unter
III).
- 30
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
- 31
- Die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Kläger zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Preiserhöhungen außerhalb der allgemeinen Tarifpreise http://www.juris.de/jportal/portal/t/14xd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR014510935BJNE000700328&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/14xd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR014510935BJNE000700328&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/14xd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR197010005BJNE004300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/14xd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=3&numberofresults=15&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR197010005BJNE004300000&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 13 - zu Sondertarifen versorgt worden sind, begegnet aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen im Ergebnis keinen Bedenken.
- 32
- Zwar kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht angenommen werden, dass nur ein Vertragsschluss zu dem "allgemeinsten", im Verhältnis zu anderen Tarifen besonders hoch kalkulierten Tarif im Rahmen der gesetzlichen Versorgungspflicht eines Versorgungsunternehmens erfolgt und nur in solch einem Fall dem unmittelbaren Anwendungsbereich der AVBGasV unterfällt. Denn auch im Rahmen der Grundversorgung steht es dem Energieversorgungsunternehmen frei, verschiedene Tarife anzubieten. Für die Frage, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif - oder Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen im Sinne von § 6 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 752-1 veröffentlichten bereinigten Fassung, Allgemeinen Tarifen im Sinne von § 10 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 730) oder Allgemeinen Preisen im Sinne von § 36 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) handelt, kommt es darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn. 14, sowie VIII ZR 56/08, BGHZ 182, 41 Rn. 13; jeweils mwN; vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, WM 2010, 1762 Rn. 26, zur Veröffentlichung in BGHZ 186, 180 vorgesehen; Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2009 - VIII ZR 312/08, WuM 2010, 436 Rn. 2).
- 33
- Ob hier der ursprünglich geschlossene Vertrag - in jedem Einzelfall - ein Sonderkundenvertrag war, kann dabei letztlich dahinstehen. Der Senat hat ent- schieden, dass ein Preisänderungsrecht nach § 4 AVBGasV auch dann nicht besteht, wenn das Versorgungsunternehmen dazu übergeht, einen Kunden, der bis dahin als Tarifkunde versorgt worden ist, aus dessen Sicht außerhalb der allgemeinen Tarifpreise unter Inanspruchnahme von Vertragsfreiheit zu Sonderpreisen zu versorgen. Denn ein Recht zur einseitigen Änderung von Preisen, die keine allgemeinen Tarifpreise sind, regelt § 4 AVBGasV nicht (Senatsurteil vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 295/09, juris Rn. 22 ff.).
- 34
- Vorliegend spricht aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden bereits die von der Beklagten vorgenommene Abgrenzung der "Allgemeinen Tarife" von den "Sonderpreisregelungen" beziehungsweise - für die streitgegenständlichen Preiserhöhungen - "Klassik" dafür, dass es sich bei letzteren um Angebote außerhalb der Grundversorgung handelt. Denn aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers spricht die ausdrückliche Kennzeichnung eines Tarifs als Sondertarif und die Abgrenzung zu allgemeinen Tarifen dafür, dass das Ener- gieversorgungsunternehmen eine Belieferung nicht (mehr) im Rahmen der Grundversorgung vornehmen will. Ball Dr. Frellesen Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Bünger
LG Chemnitz, Entscheidung vom 06.05.2008 - 1 O 2620/05 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 26.01.2010 - 14 U 983/08 -
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.04.2014 verkündete Teilurteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold einschließlich des Verfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Detmold zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu entscheiden hat.
Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Beklagte ist Inhaber eines Küchenstudios. In diesem war die Drittwiderbeklagte als Arbeitnehmerin von 1997-2011 beschäftigt. Der Kläger ist der Ehemann der Drittwiderbeklagten.
4Am 8.10.2009 wurden von dem gemeinsamen Konto des Klägers und der Drittwiderbeklagten 4.000,00 EUR und am 28.10.2009 in vier Überweisungen jeweils 5.000,00 EUR an den Beklagten überwiesen, insgesamt 24.000,00 EUR.
5Vor dem geplanten Aufenthalt des Beklagten in Südamerika unterschrieb der Beklagte am 3.3.2010 einen schriftlichen Darlehensvertrag, in dem eine Darlehenssumme von 30.000,00 EUR festgelegt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 3.3.2010, Bl. 20 d. A., Bezug genommen.
6Eine Rückzahlung erfolgte durch den Beklagten – in erster Instanz unstreitig - nicht.
7Mit Schriftsatz vom 1.10.2012 erklärte der Beklagte die Anfechtung des Darlehensvertrages.
8Der Kläger hat behauptet, er habe dem Beklagten im Herbst 2009 ein Darlehen in Höhe von 29.000,00 EUR gewährt. Neben den erfolgten Zahlungen von 24.000,00 EUR habe noch eine Restforderung aus einem früheren Darlehen bestanden. Er habe den Beklagten mit Schreiben vom 21.7.2011 zur Rückzahlung des Darlehens bis zum 30.7.2011 aufgefordert.
9Der Kläger hat beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an ihn 29.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.7.2011 zu zahlen.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er hat behauptet, das Darlehen sei ihm von der Drittwiderbeklagten gewährt worden, nicht vom Kläger. Zahlungen seien nur in Höhe von 24.000,00 EUR geleistet worden. Er habe bei Abschluss des schriftlichen Darlehensvertrages übersehen, dass dort der Kläger als Darlehensgeber genannt ist und dass der Betrag mit 30.000,00 EUR statt 24.000,00 EUR angegeben war.
14Die Drittwiderbeklagte sei für erhebliche Kassen-/ Konten- und Warenfehlbestände in der Zeit von 2002 bis 2011 verantwortlich. Sie habe sein Küchenstudio systematisch geplündert und es sei durch Unterschlagungen, Veruntreuungen, Betrug und Urkundenfälschungen der Drittwiderbeklagten ein Mindestschaden von 237.441,62 EUR entstanden, was er weiter ausführt. Der Kläger habe von diesen Handlungen gewusst und sich insoweit der Hehlerei und Geldwäsche schuldig gemacht, jedenfalls aber der psychischen Beihilfe zu strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten. Der auf Seiten des Klägers und der Drittwiderbeklagten erfolgte Vermögenszuwachs sei mit deren Einkommen nicht darstellbar und die Drittwiderbeklagte habe – teilweise unter Beteiligung ihres Sohnes - mit ihren Handlungen eine dauerhafte Lebensgrundlage für die Familie geschaffen, was dem Kläger nicht verborgen geblieben sein könne.
15Der Beklagte hat gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung mit den vermeintlichen Gegenforderungen aus unerlaubter Handlung des Klägers erklärt, hinsichtlich derer er auch die Widerklage erhebt.
16Der Beklagte hat widerklagend beantragt, den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von insgesamt 237.441,62 EUR nebst Zinsen zu zahlen, soweit diese Forderungen nicht durch die erklärte Aufrechnung erloschen sind. Hinsichtlich der genauen Fassung der erstinstanzlichen Widerklageanträge wird auf Bl. 157-158 d. A. Bezug genommen.
17Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben beantragt,
18die Widerklage und die Drittwiderklage abzuweisen.
19Das Landgericht hat durch Teilurteil entschieden, der Klage in Höhe von 24.000,00 EUR stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen und die Widerklage gegen den Kläger abgewiesen. Über die Widerklage gegen die Drittwiderbeklagte hat es noch nicht entschieden.
20Die Klage sei nur im Umfang von 24.000,00 EUR begründet, weil nur in dieser Höhe eine Auszahlung des Darlehens nachgewiesen sei.
21Der Beklagte habe den Darlehensvertrag mangels Anfechtungsgrundes i. S. v. § 119 BGB nicht durch Anfechtung mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigen können.
22Der Anspruch sei nicht durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, da der Beklagte gem. § 387 BGB nicht mit Ansprüchen gegen die Drittwiderbeklagte und den Sohn des Klägers aufrechnen könne.
23Eine Forderung des Beklagten gegen den Kläger, insbes. aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Normen des StGB sei nicht ersichtlich, da der Beklagte nicht hinreichend substantiiert dazu vorgetragen habe, aus welchem Grund der Kläger von angeblichen strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten Kenntnis gehabt, an diesen mitgewirkt oder seine Ehefrau darin bestärkt und unterstützt haben solle. Hierauf sei der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2014 hingewiesen worden. Soweit der Beklagte eine Schriftsatzfrist beantragt habe, habe sich dieser Antrag nicht hierauf bezogen, sondern lediglich auf die Ergänzung des Vortrags bezüglich der Drittwiderklage. Auf den Hinweis zur mangelnden Substantiierung bzgl. seiner die erklärte Aufrechnung und die Widerklage betreffenden Behauptungen über die Beteiligung des Klägers an den von ihm behaupteten Taten der Drittwiderbeklagten habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder seinen Vortrag ergänzt, noch eine Schriftsatzfrist beantragt.
24Die (da für den Fall des Fehlgehens der Aufrechnung erhobene) als Hilfswiderklage anzusehende Widerklage gegen den Kläger sei zwar zulässig. Die erforderliche Konnexität ergebe sich aus dem Verteidigungsvorbringen des Beklagten in Form der Aufrechnung.
25Die Hilfswiderklage sei jedoch unbegründet, da der Kläger – wie bereits im Rahmen der erklärten Aufrechnung – einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe.
26Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.
27Er verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge (Klageabweisung und Verurteilung des Klägers auf die Widerklage) weiter.
28Das Landgericht habe über die Klageforderung wegen der erklärten Aufrechnung nicht entscheiden können. Vor einer Entscheidung über die Widerklage habe Beweis erhoben werden müssen. Das Landgericht habe den Antrag auf einen Schriftsatznachlass unrichtig protokolliert, um nicht Beweis erheben zu müssen. Die Rückzahlung des Darlehens sei bereits erfolgt gewesen, als der schriftliche Darlehensvertrag vom Kläger unterschrieben wurde; dieser sei ihm untergeschoben worden; im Übrigen sei der Darlehensvertrag mit der Drittwiderbeklagten geschlossen worden. Zu den Behauptungen des Beklagten bzgl. der unerlaubten Handlungen der Drittwiderbeklagten und der Beteiligung des Klägers habe das Gericht Beweis erheben müssen; soweit Beweisanträge unterblieben seien, beruhe dies darauf, dass der Beklagte sich auf die zugesagte Gewährung der beantragten Schriftsatzfrist verlassen habe. Soweit der Kläger und die Drittwiderbeklagte den Vortrag des Beklagten zu unerlaubten Handlungen zu seinen Lasten bestritten hätten, sei dies unsubstantiiert erfolgt. Zu den von ihm behaupteten Straftaten der Drittwiderbeklagten trägt er bzgl. verschiedener Einzelfälle umfassend und unter Beweisantritt vor. Er ist der Ansicht, zu seinen Gunsten müsse hinsichtlich sämtlicher von ihm genannter Fälle strafbarer Handlungen seitens der Drittwiderbeklagten und ihres Sohnes eine Beweislastumkehr greifen.
29Der Beklagte beantragt,
301. das Teilurteil des Landgerichts Detmold Akt.Z. 12 O 175/12 aufzuheben,
312. die Klage abzuweisen,
323. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, gemeinschuldnerisch mit der Drittwiderbeklagten an den Widerkläger
33a) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers (gemeint sein dürfte hier wie auch im Folgenden: des Widerklägers) durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2002 in Höhe von 25.196,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2002 zu zahlen,
34b) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2002 in Höhe von 9.831,66 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2002 zu zahlen,
35c) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2003 in Höhe von 23.461,88 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2003 zu zahlen,
36d) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2003 in Höhe von 9.815,62 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2003 zu zahlen,
37e) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2004 in Höhe von 13.780,66 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2004 zu zahlen,
38f) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2004 in Höhe von 14.953,12 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2004 zu zahlen,
39g) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2005 in Höhe von 22.692,68 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2005 zu zahlen,
40h) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2005 in Höhe von 16.263,79 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2005 zu zahlen,
41i) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2006 in Höhe von 18.269,88 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2006 zu zahlen,
42j) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2006 in Höhe von 12.911,57 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2006 zu zahlen,
43k) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2007 in Höhe von 9.857,80 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2007 zu zahlen,
44l) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2007 in Höhe von 2.692,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2007 zu zahlen,
45m) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2008 in Höhe von 10.072,76 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 zu zahlen,
46n) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2008 in Höhe von 4.800,51 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 zu zahlen,
47o) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2009 in Höhe von 9.906,76 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2009 zu zahlen,
48p) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2009 in Höhe von 6.330,07 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2009 zu zahlen,
49q) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2010 in Höhe von 5.194,18 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2010 zu zahlen,
50r) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2010 in Höhe von 21.409,64 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2010 zu zahlen,
51s) Schadensersatz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die Drittwiderbeklagte in Höhe von 1,3 Geschäftsgebühr (2.667,60 EUR) zuzüglich Aktenpauschale (20,00 EUR), i. e. Nettobetrag von 2.687,60 EUR zu zahlen,
52soweit die Forderungen zu Ziffer 3. nicht durch Aufrechnung mit den Forderungen Ziffer 2. erloschen sind.
53Hilfsweise beantragt er die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.
54Der Kläger beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere sei das Teilurteil zu Recht ergangen; eine Beteiligung des Klägers an ev. strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten und ihres Sohnes – die im Übrigen nicht stattgefunden hätten – sei nicht dargetan.
57II.
58Die zulässige Berufung ist in Bezug auf den Hilfsantrag begründet, da bereits eine Entscheidung durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO nicht hätte ergehen dürfen.
59Das Urteil ist einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
601.
61Die Entscheidung durch Teilurteil war unzulässig, da vorliegend die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.
62a)
63Aus der Voraussetzung der Entscheidungsreife i. S. v. § 300 Abs. 1 ZPO folgert die Rechtsprechung, dass ein Teilurteilnur zulässig ist, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie der Streit über den Rest ausgehen wird, und damit die (auch nur theoretische) Gefahr sich widersprechender Teilurteile ausgeschlossen ist (BeckOK ZPO/Elzer, Stand: 01.03.2015, ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Jedes nach § 301 Abs. 1 ZPO i. Ü. an sich zulässige Teilurteil ist danach grds. unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren noch einmal stellt oder stellen kann, weil dann die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Die Gefahr der Widersprüchlichkeit ist dabei nicht nur als Rechtskraftkonflikt zu verstehen. Die Gefahr der Widersprüchlichkeit ist bereits dann gegeben, wenn durch das Teilurteil eine Vorfrage entschieden wird, die sowohl für den entschiedenen Teil als auch für den nicht erledigten Teil tatsächlich oder rechtlich erheblich ist (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Ein Teilurteil darf wegen des Grundsatzes der Unabhängigkeit nur ergehen, wenn die Beurteilung des durch das Teilurteil entschiedenen Anspruchs, auch unter Berücksichtigung einer abweichenden Beurteilung durch ein Rechtsmittelgericht im Instanzenzug, vom Ausgang des Streits über die weiteren Ansprüche vollständig unabhängig ist (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.).
64Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn die Entscheidung sich auf eine zur Aufrechnung gestellte Forderung bezieht, deren Verpflichtungsgrund von dem weiter anhängig gebliebenen Streitgegenstand berührt werden kann (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 25 m. w. N.).
65Im Hinblick auf Klage und Widerklage gilt der Grundsatz, dass ein Teilurteil über die Klage oder ein Teilurteil über die Widerklage nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also nicht besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 22 m. w. N.).
66Der Grundsatz der Unabhängigkeit gilt auch bei mehreren Beklagten in einfacher Streitgenossenschaft (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 12 m. w. N.; BGH, Urteil vom 01.10.2013 - VI ZR 409/12 = BeckRS 2014, 00531; BGH, Urteil vom 12. 1. 1999 - VI ZR 77–98 (Frankfurt a.M.) = NJW 1999, 1035). Ein Teilurteil ist auch im Fall der subjektiven Klagehäufung schon dann unzulässig, wenn sich durch die bloße Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug die Gefahr widersprechender Entscheidungen ergeben kann (BGH, Urteil vom 12. 1. 1999 - VI ZR 77–98 (Frankfurt a.M.) = NJW 1999, 1035; BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 12 m. w. N.). Diese Gefahr ist insbes. dann gegeben, wenn mehrere aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitete prozessuale Ansprüche im Klagegrund übereinstimmen. Ferner, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 13 m. w. N.) oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 13 m. w. N.).
67b)
68Vorliegend besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, dies insbesondere im Instanzenzug.
69aa)
70Soweit das Berufungsgericht (oder die Revision) – entgegen der landgerichtlichen Entscheidung - eine Beweisaufnahme über die Frage der Beteiligung des Klägers an ev. Straftaten der Drittwiderbeklagten für erforderlich hält, besteht die Möglichkeit, dass im Zuge dieser Beweisaufnahme die Feststellung getroffen wird, dass der Kläger über die Handlungen der Drittwiderbeklagten informiert war bzw. ihm eigene Straftaten (insbes. Hehlerei) zur Last fallen.
71Ein Schadenersatzanspruch des Beklagten bestünde gegen den Kläger nur dann, wenn der Drittwiderbeklagten tatsächlich Straftaten gegen den Beklagten zur Last fielen.
72Denn der Schadenersatzanspruch gegen den Kläger ergäbe sich nur dann, wenn
73t) die Drittwiderbeklagte (ggf. gemeinsam mit ihrem Sohn) zu Lasten des Beklagten Eigentums- oder Vermögensdelikte wie vom Beklagten behauptet begangen hätte und der Kläger hieran – ggf. in Form der Beihilfe – teilgenommen hätte
74oder
75 der Kläger sich durch das Behalten von Vermögenswerten (Geld / Sachen, ggf. gemeinsam mit der Drittwiderbeklagten (unmittelbarer Mitbesitz genügt, vgl.: Schönke/Schröder/Hecker/Stree StGB § 259 Rn. 17 m. w. N.), die die Drittwiderbeklagte durch strafbare Handlungen erlangt hat (Betrug / Unterschlagung genügen, vgl.: Schönke/Schröder/Stree/Hecker StGB § 259 Rn. 6 m. w. N.), der Hehlerei schuldig gemacht hat.
76Im Rahmen des Berufungsverfahrens müssten dementsprechend zur Entscheidung über die Klage (wegen der erklärten Aufrechnung) und Widerklage ggf. dieselben Tatsachenfragen durch Beweisaufnahme geklärt werden, wie im verbliebenen (nicht durch Teilurteil entschiedenen) Verfahren gegen die Drittwiderbeklagte.
77Es bestünde dann die Gefahr, dass bzgl. derselben Handlungen der Drittwiderbeklagten und der daraus resultierenden Schadenersatzansprüche aufgrund unterschiedlicher Beweisergebnisse / Beweiswürdigung sich widersprechende Urteile ergehen.
78bb)
79Zwar hat das Landgericht eine Beweisaufnahme über die Frage der Beteiligung des Klägers nicht für erforderlich gehalten, da der Vortrag des Beklagten hierzu unsubstantiiert sei.
80Es bestand – und besteht – jedoch die Gefahr, dass diese Frage im Instanzenzug anders beurteilt wird.
81Nach der Rechtsauffassung des Senats hätte das Landgericht auch tatsächlich Beweis erheben müssen.
82Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt eine Partei ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die geltend gemachte Rechtslage als entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 28.02.2013 - I ZR 180/11 = BeckRS 2013, 10649 m. w. N.). Dabei muss das Gericht auf Grund dieser Darstellung beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N.; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Angaben einer Partei zumutbar und möglich sind. Falls sie keinen Einblick in die maßgeblichen Geschehensabläufe hat und die Darlegung und die Beweisführung deshalb erschwert sind, kann sie auch nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen (BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass das Gericht auf Grund ihrer Darstellung nicht beurteilen kann, ob die Behauptung überhaupt erheblich ist, also die gesetzlichen Voraussetzungen der daran geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.); zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird der Beweisantrag erst, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich und rechtsmissbräuchlich Behauptungen „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” aufstellt (BGH, Urteil vom 28. 9. 2011 - I ZR 188/09 (KG) Landgut Borsig = GRUR 2012, 534 m. w. N.; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N.; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Darauf, wie wahrscheinlich das behauptete Beweisergebnis ist, kommt es gerade nicht an (BGH, Urteil vom 28.02.2013 - I ZR 180/11 = BeckRS 2013, 10649; BGH, Urteil vom 28. 9. 2011 - I ZR 188/09 (KG) Landgut Borsig = GRUR 2012, 534; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 20. 9. 2002 - V ZR 170/01 (KG) = NJW-RR 2003, 69; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 62-80; Musielak ZPO/Foerste ZPO § 284 Rn. 18).
83Da der Beklagte keinen Einblick in die persönlichen Beziehungen des Klägers und der Drittwiderbeklagten hat, aber Indizien vorgetragen hat, die aus seiner Sicht eine Kenntnis / Beteiligung des Klägers an den (vermeintlichen) Straftaten der Drittwiderbeklagten nahelegen (insbesondere Vermögenszuwachs und Lebensführung), wäre das Landgericht unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe gehalten gewesen, über die Behauptungen des Klägers Beweis zu erheben.
84Jedenfalls besteht aber die Gefahr einer abweichenden Beurteilung der hinreichenden Substantiierung und damit der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im Instanzenzug.
85c)
86Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist auch nicht wegen offenkundiger Unzulässigkeit der Drittwiderklage ausgeschlossen.
87Soweit die von dem Beklagten erhobene (jetzt noch in erster Instanz rechtshängige) Drittwiderklage offenkundig unzulässig und daher abzuweisen wäre, könnte sich zwar auch hieraus eine Zulässigkeit des Teilurteils ergeben, da in diesem Fall die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in demselben Verfahren nicht gegeben wäre.
88Die Drittwiderklage ist hier aber nicht offensichtlich und schlechterdings unzulässig. Dies gilt jedenfalls für die nunmehr parteierweiternd erhobene Drittwiderspruchsklage.
89Eine (parteierweiternde) unbedingte Widerklage gegen Dritte, die bislang am Rechtsstreit nicht beteiligt waren, ist zulässig, wenn sie sich auch gegen den Kläger richtet („streitgenössische Drittwiderklage“), wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit der Klage i. S. d. § 33 Abs. 1 ZPO besteht und wenn entweder der Drittwiderbeklagte einwilligt oder das Gericht die Widerklage für sachdienlich erklärt (BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 33 Rn. 15-16 m. w. N.).Der erforderliche rechtliche Zusammenhang von Klage und Widerklage i. S. d. § 33 Abs. 1 ZPO besteht, wenn der Beklagte sich mit der Aufrechnung verteidigt und mit der Widerklage der überschießende Teil seiner Gegenansprüche geltend gemacht wird (BGH, Urteil vom 21.04.1997 - II ZR 221/95 (OLG Naumburg) = VIZ 1997, 548; BeckOK ZPO/Toussaint, Stand: 01.03.2015, ZPO § 33 Rn. 12-13).
902.
91Der Senat macht von der wegen der Unzulässigkeit des Teilurteils bestehenden Zurückverweisungsbefugnis aus § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO Gebrauch.
92a)
93Ein entsprechender Hilfsantrag des Beklagten liegt vor.
94Ein Antrag ist gemäß § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO im Fall eines unzulässigen Teilurteils aber auch nicht erforderlich. Die Frage der Zulässigkeit des Erlasses eines Teilurteils i. S. v. § 301 ZPO betrifft einen von Amts wegen zu prüfenden Verfahrensmangel (OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533; vgl.: Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 301 ZPO, Rn. 13 m. w. N.). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO demnach auch ohne eine entsprechende Rüge durch den Berufungsführer zu prüfen (vgl.: BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 − VIII ZR 42/10 (OLG Dresden) = NJW 2011, 2736; OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533).
95b)
96Von einer eigenen Sachentscheidung sieht der Senat ab.
97Zwar kann das Berufungsgericht im Falle eines unzulässigen Teilurteils den ganzen Rechtsstreit an sich ziehen und durch einheitliches Urteil entscheiden (vgl.: OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533). Regelmäßig ist es jedoch nötig zurückzuverweisen, damit nicht der gesamte nach dem Teilurteil anhängig gebliebene Prozess erst in der zweiten Instanz beginnt (OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533; vgl.: BGH, Urteil vom 12-01-1994 - XII ZR 167/92 (Düsseldorf) = NJW-RR 1994, 379). Vorliegend spricht für die Zurückverweisung auch, dass zur Entscheidung über den nicht in der Berufungsinstanz befindlichen Teil des Rechtsstreits (die Drittwiderklage) eine umfangreiche Beweisaufnahme mit einer Vielzahl von Zeugen zu den einzelnen, vom Beklagten behaupteten Taten erforderlich sein wird. Das Interesse an einer schnelleren Erledigung überwiegt auch vorliegend nicht den Verlust einer Tatsacheninstanz. Die Erhebung der Tatsachenfeststellungen ist der ersten Instanz vorzubehalten. Dies entspricht der Ausgestaltung des Berufungsverfahrens im Sinne von § 529 ZPO. Danach ist die Berufungsinstanz nicht mehr eine Wiederholung der Tatsacheninstanz, sondern dient lediglich der Fehlerkontrolle und -beseitigung (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 529 ZPO, Rn. 1). Zudem ist eine Entscheidung durch das Berufungsgericht bereits deshalb nicht angezeigt, weil die Drittwiderbeklagte, gegen die allein sich der in der ersten Instanz noch anhängige Teil des Rechtsstreits richtet, am Berufungsverfahren gar nicht beteiligt ist.
983.
99Bei der ohnehin nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO erforderlichen Aufhebung und Zurückverweisung war auch das Verfahren aufzuheben, da die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das Urteil beruht, nicht verfahrensfehlerfrei zu Stande gekommen sind.
100Ein mangelhaftes Verfahren oder ein mangelhafter Teil des Verfahrens, auf dem das Urteil beruht, ist mit aufzuheben, wenn eine Neuvornahme im ersten Rechtszug unter Vermeidung des Verfahrensfehlers geboten ist (Musielak ZPO/Ball, 12. Auflage 2015, ZPO § 538 Rn. 6).
101Vorliegend stellt zwar die fehlerhafte Nichtdurchführung einer Beweisaufnahme (s. o.) für sich keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Musielak ZPO/Ball, a. a. O., ZPO § 538 Rn. 14 m. w. N.).
102Allerdings hat der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, dass er einen Schriftsatznachlass zu den Hinweisen des Gerichts auf die mangelnde Substantiierung seines Vorbringens über die Beteiligung des Klägers beantragt habe. Sein Antrag auf Protokollberichtigung wurde insoweit zurückgewiesen, seine Widerklage mangels Substantiierung abgewiesen.
103Wegen mangelnder Substantiierung darf jedoch nie abgewiesen werden, bevor auf Ergänzung des Sachvortrages hingewirkt worden ist (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 538 ZPO, Rn. 20 m. w. N.). Weist das Gericht gem. § 139 Abs. 1 ZPO auf die Ergänzungsbedürftigkeit der Klage hin, so muss es dem Kläger eine angemessene Frist zur Ergänzung seines Vortrags einräumen (OLG Schleswig, Urteil vom 03-09-1982 - 11 U 22/82 = NJW 1983, 347). Auch im Anwaltsprozess hat das Gericht auf für erforderlich gehaltene Ergänzungen des Sachvortrags und auf Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken; es genügt dabei nicht, erst im Termin Hinweise zu geben, die der Prozessbevollmächtigte – jedenfalls bei so umfangreichen Sachverhalten wie vorliegend - erfahrungsgemäß nicht erledigen kann (OLG Schleswig, Urteil vom 27.06.1986 - 14 U 171/85 = NJW 1986, 3146). Eine solche Handhabung der zivilprozessualen Vorschriften zu Lasten einer Partei verstößt zugleich gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess. Nach diesem Grundsatz muss der Zivilrichter die “verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter” dadurch realisieren, dass er beiden Prozessparteien die Möglichkeit einräumt, “alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen" (BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74 – Rz. 96 m. w. N. = BVerfGE 52, 131, -juris; OLG Schleswig, Urteil vom 27.06.1986 - 14 U 171/85 = NJW 1986, 3146 m. w. N.). Diesen verfassungsrechtlichen Auswirkungen auf das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren genügt die Verfahrensgestaltung durch das Landgericht auch dann nicht, wenn die von ihm vertretene Rechtsauffassung, der Vortrag des Beklagten sei nicht hinreichend substantiiert, zuträfe. Denn der Beklagte hatte keine Möglichkeit, die aus der Sicht des Landgerichts noch fehlenden erheblichen Tatsachen vorzutragen. Das Landgericht hätte dem Beklagten auch ohne Antrag auf Schriftsatznachlass Gelegenheit zur Stellungnahme und Substantiierung seines Vorbringens innerhalb einer angemessenen Frist geben müssen.
1044.
105Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens ist nach Zurückverweisung dem Landgericht vorzubehalten (vgl. MüKoZPO/Schulz, 4. Auflage 2013, ZPO § 97 Rn. 17; BeckOK ZPO/Wulf, Stand: 01.03.2015, ZPO § 538 Rn. 33).
106Die Entscheidung über die Niederschlagung der Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 21 GKG.
107Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
108Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um den Restkaufpreis für ein in S. unter der Geschäftsbezeichnung L. (A. Bar & Restaurant) vom Kläger bis zum 1. Dezember 2012 über eine Betreibergesellschaft geführtes Gastrono- mieobjekt. Dieses verkaufte er für 500.000 € an die Beklagten, die darauf im Januar 2013 einen Teilbetrag von 150.000 € leisteten. Der Restbetrag, für den noch eine Reihe von Abzugsposten vorgesehen war, sollte nach einer am 19. März 2013 getroffenen Vereinbarung in vier gleichen, jeweils zum Jahresende fälligen Raten beglichen werden, deren Höhe der Kläger zuletzt mit je- weils 73.352,06 € bemessen hat.
- 2
- Neben einem Abzugsposten, der nach Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) 12/2012 namentlich die erwirtschafteten Gewinne im Dezember 2012 betrifft, streiten die Parteien vor allem um die Frage, ob Geschäftsgrundlage der Kaufpreisbemessung ein Fortbestand des Mietvertrages über die Gaststättenräume bis mindestens Juni 2018 war. Diese Räumlichkeiten hatte die A. Franchise GmbH (im Folgenden: Lizenzgeberin) für die Zeit bis einschließlich Mai 2015 mit einer einmaligen Verlängerungsoption um drei Jahre von der K. Brauerei angemietet und an die Betreibergesellschaft des Klägers untervermietet, mit der sie zugleich einen Franchisevertrag geschlossen hatte. Die von den Beklagten gegründete Betreibergesellschaft schloss mit der Lizenzgeberin für die Zeit ab Januar 2013 entsprechende Verträge. Die ihr zustehende Verlängerungsoption gegenüber der K. Brauerei übte die Lizenzgeberin jedoch nicht aus; vielmehr kündigte sie den mit der Betreibergesellschaft der Beklagten geschlossenen Untermiet- und Franchisevertrag zum Ablauf des Monats Mai 2015.
- 3
- Das Landgericht hat die zunächst im Urkundenprozess erhobene Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, vor dem der Kläger nach Abstandnahme vom Urkundenprozess zunächst beantragt hatte, die Beklagten als Gesamt- schuldner zur Zahlung von 100.000 € nebst Zinsen seitdem 1. Februar 2014, hilfsweise zur Zahlung von 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014 und am 31. Dezember 2014 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 an ihn zu verurteilen, hat die Berufung des zum Verhandlungstermin vom 19. Mai 2015 nicht erschienenen Klägers durch Versäumnisurteil vom gleichen Tage zurückgewiesen.
- 4
- Gegen das ihm am 22. Mai 2015 zugestellte Urteil hat er am 5. Juni 2015 Einspruch eingelegt und zunächst seine ursprünglichen Berufungsanträge wiederholt. Nachdem trotz Verlängerung der Begründungsfrist eine Einspruchsbegründung nicht eingegangen war, hat das Berufungsgericht schließlich einen Verhandlungstermin auf den 15. September 2015 anberaumt. Mit einem am Vortage eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger eine Einspruchsbegründung und Klageerweiterung vorgelegt und nunmehr beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 100.000 € nebst Zinsen seit dem 1. Febru- ar 2014 und am 31. Dezember 2014 weitere 73.152,06 € nebst Zinsen ab dem 1. Januar 2016 zu zahlen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014, weitere 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 und am 31. Dezember 2015 weitere 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen.
- 5
- Das Oberlandesgericht hat das Versäumnisurteil vom 19. Mai 2015 aufrechterhalten und die Berufung des Klägers auch hinsichtlich der genannten Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger seine zuletzt als Hilfsanträge formulierten Zahlungsanträge weiter.
II.
- 6
- Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 7
- 1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die mit den im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsanträgen erstmals auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 gestützte und erweiterte Klage sei zwar als Klageerweiterung und -änderung sachdienlich. Aus dieser Vereinbarung, durch die gegenüber den vorangegangenen Absprachen ein neues Schuldverhältnis begründet worden sei, ergebe sich jedoch kein über die bereits gezahl- ten 150.000 € hinausgehender Zahlungsanspruch des Klägers. Denn die Be- klagten hätten bewiesen, dass Geschäftsgrundlage für das Zustandekommen des Kaufvertrages sowie eine für beide Seiten maßgebliche Grundlage der Bemessung des Kaufpreises für die Übernahme des Geschäftsbetriebs und der Modalitäten seiner Berechnung ein Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages mit der Lizenzgeberin bis mindestens Juni 2018 gewesen sei. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau des Vertragstextes und der dem Vertragsschluss vorangegangenen Verhandlungen sowie der für beide Seiten ersichtlichen Intention des Vertragsschlusses, ohne dass es entscheidend darauf ankomme , ob die dahingehende gemeinsame Vorstellung beziehungsweise Erwartung der Parteien ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen worden sei und ob dies unmittelbar vor Vertragsunterzeichnung ausdrücklich zur Sprache gekommen sei oder nicht. Demgemäß komme es auch nicht entscheidend auf die in das Wissen zweier Zeugen gestellte Behauptung des Klägers an, bei den am 19. November 2012 und am 19. März 2013 geführten Vertragsverhandlungen sei nie davon die Rede gewesen, dass die Ausübung der Verlängerungsoption durch die Lizenzgeberin Geschäftsgrundlage der Absprachen gewesen sei.
- 9
- Dafür, dass der genannte Umstand Geschäftsgrundlage des Kaufs habe sein sollen, ergäben sich nicht nur eine Reihe von Indizien in den Vertragsurkunden sowie den ihnen vorangegangenen Verhandlungsdokumenten. Zudem hätten die Beklagten substantiiert und unter Zeugenbeweisantritt vorgetragen, der Kläger habe ihnen in mehreren Vorgesprächen im Beisein ihres Steuerberaters B. zugesichert, dass die ungehinderte Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 Geschäftsgrundlage des Übergabevertrags habe sein sollen, weil die Ausübung der Option durch die Lizenzgeberin sicher beziehungsweise reine Formsache sei und dass auch er nach Juni 2015 im Wege des Schuldbeitritts persönlich haften werde. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, dass die Beklagten sich auf diese Zusage des Klägers verlassen und deshalb davon abgesehen hätten, den Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages ausdrücklich zur Bedingung für die Kaufpreiszahlung zu machen.
- 10
- Letztgenannten Vortrag zum Inhalt der Vorgespräche habe der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 bestritten. Dies sei jedoch verspätet erfolgt und deshalb gemäß § 296 Abs. 2, §§ 282, 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO prozessual unbeachtlich. Denn der Kläger habe aufgrund des vorangegangenen Versäumnisurteils gewusst, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten zur Geschäftsgrundlage für ausreichend halte und es nunmehr an ihm sei, dazu alsbald substantiiert Stellung zu nehmen. Wäre dies rechtzeitig und nicht unter grob nachlässiger Verletzung der Prozessförderungspflicht erst einen Tag vor dem anberaumten Verhandlungstermin geschehen , hätte der Steuerberater B. noch zu diesem Termin zwecks Vernehmung über die Behauptung der Beklagten geladen werden können.
- 11
- Einer Zurückweisung des verspäteten Bestreitens stehe auch nicht die im Schriftsatz vom 14. September 2015 erfolgte Klageerweiterung entgegen. Zwar erfasse § 282 Abs. 1 ZPO nur Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu weder die Klageänderung noch die Klageerweiterung gehörten, so dass auch die zur Klageerweiterung vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmittel unabhängig davon, ob sie für den ursprünglichen Antrag bedeutsam seien, grundsätzlich nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürften. Eine andere Beurteilung sei aber dann geboten, wenn die Klageerweiterung rechtsmissbräuchlich sei, weil sie erkennbar nur den Sinn habe, den Verspätungsfolgen zu entgehen. Das sei hier der Fall. Denn der Kläger, der zudem auch durch Verfügung vom 18. Juni 2015 auf die Verspätungsfolgen hingewiesen worden sei, habe mit der Präklusion seines Vortrags rechnen müssen, ohne dass ihm nochmals die Möglichkeit einer "Flucht in die Säumnis" offen gestanden hätte. Außerdem wäre die Erweiterung der Klageanträge auf Zahlungsraten, die derzeit noch gar nicht fällig seien, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit wirtschaftlich nicht nötig gewesen und zugleich mit einem weiteren Kostenrisiko des Klägers verbunden gewesen.
- 12
- In einer Gesamtschau habe das Vorgehen des Klägers deshalb einzig darauf abgezielt, durch die Erweiterung seiner Klageanträge die Präklusion seines Vortrags zu verhindern. Dieses Vorgehen sei jedoch rechtsmissbräuchlich, so dass der danach auf der Grundlage des bisherigen Vortrags festzustellende Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses eingetretenen gravierenden Störung des Äquivalenzver- hältnisses hinsichtlich des Kaufpreises eine Anpassung dahin zur Folge habe, dass jedenfalls über die gezahlten 150.000 € hinaus nichts mehr geschuldet sei.
- 13
- Unabhängig davon sei der Zahlungsanspruch des Klägers auch deshalb nicht begründet, weil der Kläger es bislang versäumt habe, seine Vorleistungspflichten hinsichtlich der in der genannten Vereinbarung als Abzugsposten vorgesehenen BWA 12/2012 durch Vorlage einer nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Auswertung zu erfüllen. Soweit er den substantiierten Einwendungen der Beklagten durch die erstmals mit Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgelegten Kontenblätter und weitere Unterlagen zu begegnen versucht habe, könne dieses Material zur Sachverhaltsermittlung nicht herangezogen werden, weil sein darin liegender Vortrag aus den genannten Gründen präkludiert sei und deshalb keine Berücksichtigung mehr finden könne.
- 14
- 2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Bleiben Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung von Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der Partei verletzt (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 97/15,juris Rn. 9; vom 27. Oktober 2015 - VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 Rn. 8; jeweils mwN). So verhält es sich im Streitfall.
- 15
- a) Das Berufungsgericht ist - wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt - bereits zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger sei dem von den Beklagten vorgetragenen und unter Zeugenbeweis gestellten Inhalt der Vorgespräche betreffend die Ausübung der Mietverlängerungsoption durch die Lizenzgeberin erstmals im Schriftsatz vom 14. September 2015 durch Bestrei- ten entgegengetreten. Der Kläger hat vielmehr schon in seiner Berufungsbegründung vom 18. September 2014 vorgetragen, von den vorhandenen Dauerschuldverhältnissen (Mietverträge und Franchiseverträge) sei bei den Vertragsverhandlungen nie die Rede gewesen; irgendwelche Bedingungen oder sonstige Absprachen über diejenigen hinaus, die in den Urkunden vom 19. November 2012 und 19. März 2013 aufgeführt sind, seien nicht vereinbart oder getroffen worden. Der von den Beklagten zum Beleg des von ihnen geltend gemachten Wegfalls der Geschäftsgrundlage gehaltene gegenteilige Vortrag war mithin von Anfang an bestritten.
- 16
- Bereits dieses Bestreiten hätte das Berufungsgericht deshalb nicht ohne Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör übergehen dürfen , um den von ihm nach seinem Rechtsstandpunkt für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrag der Beklagten zur ungehinderten Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 für unstreitig beziehungsweise ohne Erhebung des von den Beklagten angetretenen Zeugenbeweises für bewiesen zu erachten. Zumindest hätte das Berufungsgericht danach aber das nahezu inhaltsgleiche Bestreiten des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 nicht als neu und damit als für eine sonst mögliche alsbaldige Beweisaufnahme verspätet behandeln dürfen, sondern ihm durch Berücksichtigung und Erhebung des danach erforderlichen Beweises Rechnung tragen müssen.
- 17
- b) Auch sonst hätte das Berufungsgericht weder das genannte Bestreiten noch den im Schriftsatz des Klägers vom 14. September 2015 gehaltenen Vortrag zur BWA 12/2012 einschließlich der zum Beleg eingereichten Kontenblätter und weiteren Unterlagen bei seiner Sachverhaltsermittlung unberücksichtigt lassen dürfen. Denn seine Auffassung, das in diesem Schriftsatz enthaltene neue Vorbringen könne wegen Rechtsmissbrauchs insgesamt, also sowohl für die schon rechtshängigen Forderungen als auch für die neu hinzukommenden Forderungen oder Forderungsteile, außer Betracht bleiben, wenn die mit Einreichung des Schriftsatzes einhergehende Klageerweiterung - wie im Streitfall - erkennbar nur den Sinn verfolge, den Verspätungsfolgen zu entgehen, findet im Prozessrecht keine Stütze.
- 18
- aa) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Änderung oder Erweiterung einer Klage einen selbstständigen prozessualen Angriff darstellen, der von den Angriffsmitteln im Sinne von §§ 296, 530, 531 ZPO zu unterscheiden ist und deshalb nicht den in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen über die Zurückweisung oder Zulassung verspäteter Angriffsmittel unterliegt (BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, WM 1986, 864 unter II 2 b aa; vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, NJW 2001, 1210 unter B II; BAG, NJW 2006, 2716 Rn. 12; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 296 Rn. 41 mwN). Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung oder Klageerweiterung richten sich stattdessen nach den §§ 263, 264, 533 ZPO (BGH, Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, aaO unter B II 1; BeckOKZPO /Bacher, Stand: Juli 2016, § 296 Rn. 13). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, das hinsichtlich der Stützung der Klageansprüche auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 einschließlich der im Schriftsatz vom 14. September 2015 zusätzlich gestellten (Hilfs-)Anträge auf Zahlung eines erst am 31. Dezember 2015 fällig werdenden weiteren Betrages deren Sachdienlichkeit angenommen hat. Dementsprechend können - was das Berufungsgericht ebenfalls nicht verkannt hat - die gleichzeitig zur Begründung dieser erweiterten Anträge vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel einschließlich eines Bestreitens, auch wenn es sich dabei um Angriffs- oder Verteidigungsmittel handelt, nicht als verspätet zurückgewiesen werden, weil dies andernfalls in unzulässiger Weise auch die nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossene Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO; vom 15. Dezember 1994 - VII ZR 13/94, WM 1995, 818 unter I 2 b; MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 42).
- 19
- bb) Gleichwohl hat das Berufungsgericht gemeint, dem Senatsurteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) entnehmen zu können, die im Zuge der im Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgenommenen Klageerweiterung und/oder -änderung neu vorgetragenen Tatsachen einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens auch dann insgesamt unberücksichtigt lassen zu können, wenn die Erweiterung/Änderung - wie im Streitfall - nur den Sinn haben könne, den Verspätungsfolgen zu entgehen, und deshalb als rechtsmissbräuchlich einzustufen sei. Das trifft ersichtlich nicht zu.
- 20
- Der Senat hat - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - unter Hinweis auf vorangegangene Rechtsprechung deutlich gemacht, dass in Bezug auf den neuen Angriff der diesen Angriff tragende Sachvortrag schon begrifflich nicht verspätet sein könne, und es abgelehnt hat, insoweit die Präklusionsvorschriften im Wege der Rechtsfortbildung durch eine verschärfende analoge Anwendung auch auf den Angriff selbst auszudehnen (Senatsurteil vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b aa). Dementsprechend ist auch der VII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1994 (VII ZR 13/94, aaO) davon ausgegangen, dass eine solche auf Verzögerungsgesichtspunkte gestützte Beschränkung als rechtsmissbräuchlich mittelbar die Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte, welche nach dem Gesetz jedoch ausgeschlossen sei. Das Vorgehen des Berufungsgerichts, den im Schriftsatz vom 14. September 2015 vom Kläger gehaltenen Sachvortrag gleichwohl zu übergehen, findet mithin im Gesetz keine Stütze.
- 21
- Soweit der Senat in seinem Urteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) - ohne dies nach der dortigen Fallkonstellation abschließend entscheiden zu müssen - erwogen hat, ob neues Vorbringen im Rahmen einer Widerklageerweiterung in Bezug auf das bisherige Vorbringen zur Widerklage und ein damit deckungsgleiches Verteidigungsvorbringen gegen die Klage als rechtsmissbräuchlich behandelt werden könne, hat dies schon nach dem Argumentationszusammenhang nur auf die Frage abgezielt, ob das neue Vorbringen nicht ausnahmsweise auch durch Teilurteil allein zur Klage hätte zurückgewiesen werden können (vgl. MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 109, 111; Gounalakis, MDR 1997, 216, 220). Aber selbst diese Erwägung hätte es in keinem Fall rechtfertigen können, den neuen Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
- 22
- 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Beweisaufnahme zur Frage der Behandlung der Verlängerungsoption durch die Parteien zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Entsprechendes gilt für die Behandlung der BWA 12/2012, bei der sich zudem auch die Frage gestellt hätte, ob eine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Klägers eine endgültige Klageabweisung insgesamt hätte rechtfertigen können. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuhe- ben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO). Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
LG Limburg, Entscheidung vom 16.06.2014 - 2 O 23/14 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.09.2015 - 6 U 136/14 -
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist (§ 273 Abs. 2 Nr. 1 und, soweit die Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht, 5, § 275 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, 4, § 276 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3, § 277) vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt.
(2) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die entgegen § 282 Abs. 1 nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 nicht rechtzeitig mitgeteilt werden, können zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht.
(3) Verspätete Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen und auf die der Beklagte verzichten kann, sind nur zuzulassen, wenn der Beklagte die Verspätung genügend entschuldigt.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 3 ist der Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien streiten um den Restkaufpreis für ein in S. unter der Geschäftsbezeichnung L. (A. Bar & Restaurant) vom Kläger bis zum 1. Dezember 2012 über eine Betreibergesellschaft geführtes Gastrono- mieobjekt. Dieses verkaufte er für 500.000 € an die Beklagten, die darauf im Januar 2013 einen Teilbetrag von 150.000 € leisteten. Der Restbetrag, für den noch eine Reihe von Abzugsposten vorgesehen war, sollte nach einer am 19. März 2013 getroffenen Vereinbarung in vier gleichen, jeweils zum Jahresende fälligen Raten beglichen werden, deren Höhe der Kläger zuletzt mit je- weils 73.352,06 € bemessen hat.
- 2
- Neben einem Abzugsposten, der nach Überprüfung der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) 12/2012 namentlich die erwirtschafteten Gewinne im Dezember 2012 betrifft, streiten die Parteien vor allem um die Frage, ob Geschäftsgrundlage der Kaufpreisbemessung ein Fortbestand des Mietvertrages über die Gaststättenräume bis mindestens Juni 2018 war. Diese Räumlichkeiten hatte die A. Franchise GmbH (im Folgenden: Lizenzgeberin) für die Zeit bis einschließlich Mai 2015 mit einer einmaligen Verlängerungsoption um drei Jahre von der K. Brauerei angemietet und an die Betreibergesellschaft des Klägers untervermietet, mit der sie zugleich einen Franchisevertrag geschlossen hatte. Die von den Beklagten gegründete Betreibergesellschaft schloss mit der Lizenzgeberin für die Zeit ab Januar 2013 entsprechende Verträge. Die ihr zustehende Verlängerungsoption gegenüber der K. Brauerei übte die Lizenzgeberin jedoch nicht aus; vielmehr kündigte sie den mit der Betreibergesellschaft der Beklagten geschlossenen Untermiet- und Franchisevertrag zum Ablauf des Monats Mai 2015.
- 3
- Das Landgericht hat die zunächst im Urkundenprozess erhobene Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht, vor dem der Kläger nach Abstandnahme vom Urkundenprozess zunächst beantragt hatte, die Beklagten als Gesamt- schuldner zur Zahlung von 100.000 € nebst Zinsen seitdem 1. Februar 2014, hilfsweise zur Zahlung von 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014 und am 31. Dezember 2014 zur Zahlung eines weiteren Betrages von 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 an ihn zu verurteilen, hat die Berufung des zum Verhandlungstermin vom 19. Mai 2015 nicht erschienenen Klägers durch Versäumnisurteil vom gleichen Tage zurückgewiesen.
- 4
- Gegen das ihm am 22. Mai 2015 zugestellte Urteil hat er am 5. Juni 2015 Einspruch eingelegt und zunächst seine ursprünglichen Berufungsanträge wiederholt. Nachdem trotz Verlängerung der Begründungsfrist eine Einspruchsbegründung nicht eingegangen war, hat das Berufungsgericht schließlich einen Verhandlungstermin auf den 15. September 2015 anberaumt. Mit einem am Vortage eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger eine Einspruchsbegründung und Klageerweiterung vorgelegt und nunmehr beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 100.000 € nebst Zinsen seit dem 1. Febru- ar 2014 und am 31. Dezember 2014 weitere 73.152,06 € nebst Zinsen ab dem 1. Januar 2016 zu zahlen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Februar 2014, weitere 26.657,52 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2015 und am 31. Dezember 2015 weitere 73.352,06 € nebst Zinsen seit dem 1. Januar 2016 zu zahlen.
- 5
- Das Oberlandesgericht hat das Versäumnisurteil vom 19. Mai 2015 aufrechterhalten und die Berufung des Klägers auch hinsichtlich der genannten Klageerweiterung zurückgewiesen. Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger seine zuletzt als Hilfsanträge formulierten Zahlungsanträge weiter.
II.
- 6
- Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist begründet, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Dies führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 7
- 1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht, soweit für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
- 8
- Die mit den im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsanträgen erstmals auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 gestützte und erweiterte Klage sei zwar als Klageerweiterung und -änderung sachdienlich. Aus dieser Vereinbarung, durch die gegenüber den vorangegangenen Absprachen ein neues Schuldverhältnis begründet worden sei, ergebe sich jedoch kein über die bereits gezahl- ten 150.000 € hinausgehender Zahlungsanspruch des Klägers. Denn die Be- klagten hätten bewiesen, dass Geschäftsgrundlage für das Zustandekommen des Kaufvertrages sowie eine für beide Seiten maßgebliche Grundlage der Bemessung des Kaufpreises für die Übernahme des Geschäftsbetriebs und der Modalitäten seiner Berechnung ein Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages mit der Lizenzgeberin bis mindestens Juni 2018 gewesen sei. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau des Vertragstextes und der dem Vertragsschluss vorangegangenen Verhandlungen sowie der für beide Seiten ersichtlichen Intention des Vertragsschlusses, ohne dass es entscheidend darauf ankomme , ob die dahingehende gemeinsame Vorstellung beziehungsweise Erwartung der Parteien ausdrücklich in den Vertragstext aufgenommen worden sei und ob dies unmittelbar vor Vertragsunterzeichnung ausdrücklich zur Sprache gekommen sei oder nicht. Demgemäß komme es auch nicht entscheidend auf die in das Wissen zweier Zeugen gestellte Behauptung des Klägers an, bei den am 19. November 2012 und am 19. März 2013 geführten Vertragsverhandlungen sei nie davon die Rede gewesen, dass die Ausübung der Verlängerungsoption durch die Lizenzgeberin Geschäftsgrundlage der Absprachen gewesen sei.
- 9
- Dafür, dass der genannte Umstand Geschäftsgrundlage des Kaufs habe sein sollen, ergäben sich nicht nur eine Reihe von Indizien in den Vertragsurkunden sowie den ihnen vorangegangenen Verhandlungsdokumenten. Zudem hätten die Beklagten substantiiert und unter Zeugenbeweisantritt vorgetragen, der Kläger habe ihnen in mehreren Vorgesprächen im Beisein ihres Steuerberaters B. zugesichert, dass die ungehinderte Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 Geschäftsgrundlage des Übergabevertrags habe sein sollen, weil die Ausübung der Option durch die Lizenzgeberin sicher beziehungsweise reine Formsache sei und dass auch er nach Juni 2015 im Wege des Schuldbeitritts persönlich haften werde. Vor diesem Hintergrund sei es verständlich, dass die Beklagten sich auf diese Zusage des Klägers verlassen und deshalb davon abgesehen hätten, den Fortbestand des Untermiet- und Franchisevertrages ausdrücklich zur Bedingung für die Kaufpreiszahlung zu machen.
- 10
- Letztgenannten Vortrag zum Inhalt der Vorgespräche habe der Kläger erstmals in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 bestritten. Dies sei jedoch verspätet erfolgt und deshalb gemäß § 296 Abs. 2, §§ 282, 340 Abs. 3 Satz 3 ZPO prozessual unbeachtlich. Denn der Kläger habe aufgrund des vorangegangenen Versäumnisurteils gewusst, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten zur Geschäftsgrundlage für ausreichend halte und es nunmehr an ihm sei, dazu alsbald substantiiert Stellung zu nehmen. Wäre dies rechtzeitig und nicht unter grob nachlässiger Verletzung der Prozessförderungspflicht erst einen Tag vor dem anberaumten Verhandlungstermin geschehen , hätte der Steuerberater B. noch zu diesem Termin zwecks Vernehmung über die Behauptung der Beklagten geladen werden können.
- 11
- Einer Zurückweisung des verspäteten Bestreitens stehe auch nicht die im Schriftsatz vom 14. September 2015 erfolgte Klageerweiterung entgegen. Zwar erfasse § 282 Abs. 1 ZPO nur Angriffs- und Verteidigungsmittel, wozu weder die Klageänderung noch die Klageerweiterung gehörten, so dass auch die zur Klageerweiterung vorgetragenen Angriffs- und Verteidigungsmittel unabhängig davon, ob sie für den ursprünglichen Antrag bedeutsam seien, grundsätzlich nicht wegen Verspätung zurückgewiesen werden dürften. Eine andere Beurteilung sei aber dann geboten, wenn die Klageerweiterung rechtsmissbräuchlich sei, weil sie erkennbar nur den Sinn habe, den Verspätungsfolgen zu entgehen. Das sei hier der Fall. Denn der Kläger, der zudem auch durch Verfügung vom 18. Juni 2015 auf die Verspätungsfolgen hingewiesen worden sei, habe mit der Präklusion seines Vortrags rechnen müssen, ohne dass ihm nochmals die Möglichkeit einer "Flucht in die Säumnis" offen gestanden hätte. Außerdem wäre die Erweiterung der Klageanträge auf Zahlungsraten, die derzeit noch gar nicht fällig seien, ungeachtet ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit wirtschaftlich nicht nötig gewesen und zugleich mit einem weiteren Kostenrisiko des Klägers verbunden gewesen.
- 12
- In einer Gesamtschau habe das Vorgehen des Klägers deshalb einzig darauf abgezielt, durch die Erweiterung seiner Klageanträge die Präklusion seines Vortrags zu verhindern. Dieses Vorgehen sei jedoch rechtsmissbräuchlich, so dass der danach auf der Grundlage des bisherigen Vortrags festzustellende Wegfall der Geschäftsgrundlage wegen der durch die vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses eingetretenen gravierenden Störung des Äquivalenzver- hältnisses hinsichtlich des Kaufpreises eine Anpassung dahin zur Folge habe, dass jedenfalls über die gezahlten 150.000 € hinaus nichts mehr geschuldet sei.
- 13
- Unabhängig davon sei der Zahlungsanspruch des Klägers auch deshalb nicht begründet, weil der Kläger es bislang versäumt habe, seine Vorleistungspflichten hinsichtlich der in der genannten Vereinbarung als Abzugsposten vorgesehenen BWA 12/2012 durch Vorlage einer nachvollziehbaren betriebswirtschaftlichen Auswertung zu erfüllen. Soweit er den substantiierten Einwendungen der Beklagten durch die erstmals mit Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgelegten Kontenblätter und weitere Unterlagen zu begegnen versucht habe, könne dieses Material zur Sachverhaltsermittlung nicht herangezogen werden, weil sein darin liegender Vortrag aus den genannten Gründen präkludiert sei und deshalb keine Berücksichtigung mehr finden könne.
- 14
- 2. Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt hat. Bleiben Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei deswegen unberücksichtigt, weil der Tatrichter sie in offenkundig fehlerhafter Anwendung von Präklusionsnormen zu Unrecht zurückgewiesen hat, so ist zugleich das rechtliche Gehör der Partei verletzt (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Mai 2016 - VIII ZR 97/15,juris Rn. 9; vom 27. Oktober 2015 - VIII ZR 288/14, WuM 2016, 98 Rn. 8; jeweils mwN). So verhält es sich im Streitfall.
- 15
- a) Das Berufungsgericht ist - wie die Nichtzulassungsbeschwerde mit Recht rügt - bereits zu Unrecht davon ausgegangen, der Kläger sei dem von den Beklagten vorgetragenen und unter Zeugenbeweis gestellten Inhalt der Vorgespräche betreffend die Ausübung der Mietverlängerungsoption durch die Lizenzgeberin erstmals im Schriftsatz vom 14. September 2015 durch Bestrei- ten entgegengetreten. Der Kläger hat vielmehr schon in seiner Berufungsbegründung vom 18. September 2014 vorgetragen, von den vorhandenen Dauerschuldverhältnissen (Mietverträge und Franchiseverträge) sei bei den Vertragsverhandlungen nie die Rede gewesen; irgendwelche Bedingungen oder sonstige Absprachen über diejenigen hinaus, die in den Urkunden vom 19. November 2012 und 19. März 2013 aufgeführt sind, seien nicht vereinbart oder getroffen worden. Der von den Beklagten zum Beleg des von ihnen geltend gemachten Wegfalls der Geschäftsgrundlage gehaltene gegenteilige Vortrag war mithin von Anfang an bestritten.
- 16
- Bereits dieses Bestreiten hätte das Berufungsgericht deshalb nicht ohne Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör übergehen dürfen , um den von ihm nach seinem Rechtsstandpunkt für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrag der Beklagten zur ungehinderten Weiterführung des Geschäftsbetriebs bis 2018 für unstreitig beziehungsweise ohne Erhebung des von den Beklagten angetretenen Zeugenbeweises für bewiesen zu erachten. Zumindest hätte das Berufungsgericht danach aber das nahezu inhaltsgleiche Bestreiten des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 nicht als neu und damit als für eine sonst mögliche alsbaldige Beweisaufnahme verspätet behandeln dürfen, sondern ihm durch Berücksichtigung und Erhebung des danach erforderlichen Beweises Rechnung tragen müssen.
- 17
- b) Auch sonst hätte das Berufungsgericht weder das genannte Bestreiten noch den im Schriftsatz des Klägers vom 14. September 2015 gehaltenen Vortrag zur BWA 12/2012 einschließlich der zum Beleg eingereichten Kontenblätter und weiteren Unterlagen bei seiner Sachverhaltsermittlung unberücksichtigt lassen dürfen. Denn seine Auffassung, das in diesem Schriftsatz enthaltene neue Vorbringen könne wegen Rechtsmissbrauchs insgesamt, also sowohl für die schon rechtshängigen Forderungen als auch für die neu hinzukommenden Forderungen oder Forderungsteile, außer Betracht bleiben, wenn die mit Einreichung des Schriftsatzes einhergehende Klageerweiterung - wie im Streitfall - erkennbar nur den Sinn verfolge, den Verspätungsfolgen zu entgehen, findet im Prozessrecht keine Stütze.
- 18
- aa) Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass die Änderung oder Erweiterung einer Klage einen selbstständigen prozessualen Angriff darstellen, der von den Angriffsmitteln im Sinne von §§ 296, 530, 531 ZPO zu unterscheiden ist und deshalb nicht den in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen über die Zurückweisung oder Zulassung verspäteter Angriffsmittel unterliegt (BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, WM 1986, 864 unter II 2 b aa; vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, NJW 2001, 1210 unter B II; BAG, NJW 2006, 2716 Rn. 12; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 296 Rn. 41 mwN). Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klageänderung oder Klageerweiterung richten sich stattdessen nach den §§ 263, 264, 533 ZPO (BGH, Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, aaO unter B II 1; BeckOKZPO /Bacher, Stand: Juli 2016, § 296 Rn. 13). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen, das hinsichtlich der Stützung der Klageansprüche auf die Vereinbarung vom 19. März 2013 einschließlich der im Schriftsatz vom 14. September 2015 zusätzlich gestellten (Hilfs-)Anträge auf Zahlung eines erst am 31. Dezember 2015 fällig werdenden weiteren Betrages deren Sachdienlichkeit angenommen hat. Dementsprechend können - was das Berufungsgericht ebenfalls nicht verkannt hat - die gleichzeitig zur Begründung dieser erweiterten Anträge vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel einschließlich eines Bestreitens, auch wenn es sich dabei um Angriffs- oder Verteidigungsmittel handelt, nicht als verspätet zurückgewiesen werden, weil dies andernfalls in unzulässiger Weise auch die nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossene Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO; vom 15. Dezember 1994 - VII ZR 13/94, WM 1995, 818 unter I 2 b; MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 42).
- 19
- bb) Gleichwohl hat das Berufungsgericht gemeint, dem Senatsurteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) entnehmen zu können, die im Zuge der im Schriftsatz vom 14. September 2015 vorgenommenen Klageerweiterung und/oder -änderung neu vorgetragenen Tatsachen einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens auch dann insgesamt unberücksichtigt lassen zu können, wenn die Erweiterung/Änderung - wie im Streitfall - nur den Sinn haben könne, den Verspätungsfolgen zu entgehen, und deshalb als rechtsmissbräuchlich einzustufen sei. Das trifft ersichtlich nicht zu.
- 20
- Der Senat hat - was das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat - unter Hinweis auf vorangegangene Rechtsprechung deutlich gemacht, dass in Bezug auf den neuen Angriff der diesen Angriff tragende Sachvortrag schon begrifflich nicht verspätet sein könne, und es abgelehnt hat, insoweit die Präklusionsvorschriften im Wege der Rechtsfortbildung durch eine verschärfende analoge Anwendung auch auf den Angriff selbst auszudehnen (Senatsurteil vom 23. April 1986 - VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b aa). Dementsprechend ist auch der VII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15. Dezember 1994 (VII ZR 13/94, aaO) davon ausgegangen, dass eine solche auf Verzögerungsgesichtspunkte gestützte Beschränkung als rechtsmissbräuchlich mittelbar die Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte, welche nach dem Gesetz jedoch ausgeschlossen sei. Das Vorgehen des Berufungsgerichts, den im Schriftsatz vom 14. September 2015 vom Kläger gehaltenen Sachvortrag gleichwohl zu übergehen, findet mithin im Gesetz keine Stütze.
- 21
- Soweit der Senat in seinem Urteil vom 23. April 1986 (VIII ZR 93/85, aaO unter II 2 b bb) - ohne dies nach der dortigen Fallkonstellation abschließend entscheiden zu müssen - erwogen hat, ob neues Vorbringen im Rahmen einer Widerklageerweiterung in Bezug auf das bisherige Vorbringen zur Widerklage und ein damit deckungsgleiches Verteidigungsvorbringen gegen die Klage als rechtsmissbräuchlich behandelt werden könne, hat dies schon nach dem Argumentationszusammenhang nur auf die Frage abgezielt, ob das neue Vorbringen nicht ausnahmsweise auch durch Teilurteil allein zur Klage hätte zurückgewiesen werden können (vgl. MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 109, 111; Gounalakis, MDR 1997, 216, 220). Aber selbst diese Erwägung hätte es in keinem Fall rechtfertigen können, den neuen Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 14. September 2015 einschließlich des darin enthaltenen Bestreitens gänzlich unberücksichtigt zu lassen.
- 22
- 3. Das angefochtene Urteil beruht auf der dargestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es kann insbesondere nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht nach Beweisaufnahme zur Frage der Behandlung der Verlängerungsoption durch die Parteien zu einem dem Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Entsprechendes gilt für die Behandlung der BWA 12/2012, bei der sich zudem auch die Frage gestellt hätte, ob eine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Klägers eine endgültige Klageabweisung insgesamt hätte rechtfertigen können. Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuhe- ben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 544 Abs. 7 ZPO). Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
LG Limburg, Entscheidung vom 16.06.2014 - 2 O 23/14 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 15.09.2015 - 6 U 136/14 -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte wurde vom Kläger zu 2 und ihrem Gesellschafter N. gegründet. Der Kläger zu 2 handelte dabei treuhänderisch für den Kläger zu 1. Zwischen N. und dem Kläger zu 1 besteht Streit, ob dieser, der Kläger zu 2 oder der Kläger zu 3 Gesellschafter der Beklagten ist. In der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 2004 wurde u.a. beschlossen: "Die Gesellschafter H. S. bzw. Dr. No. bzw. Na. aus wichtigem Grund auszuschließen und eine Ausschlussklage gegen die Gesellschafter zu erheben".
- 2
- Außerdem wurde beschlossen, den Gesellschafter N. zum besonderen Vertreter der Gesellschaft für die Ausschlussklage zu bestimmen und Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen S. , Dr. No. und Na. geltend zu machen.
- 3
- Die Kläger haben beantragt festzustellen, dass diese Beschlüsse nichtig, hilfsweise, dass sie unwirksam sind. Das Landgericht hat die Klage des Klägers zu 1 durch ein Teilurteil für zulässig erklärt, festgestellt, dass er am Stammkapital der Beklagten beteiligt ist, und außerdem festgestellt, dass die Beschlüsse, den Kläger zu 2 und zu 3 als Gesellschafter der Beklagten auszuschließen und gegen sie Ausschlussklage zu erheben, unwirksam sind, ebenso die Beschlüsse , N. zum besonderen Vertreter der Beklagten für die Ausschlussklagen gegen die Kläger zu 2 und 3 zu bestimmen und gegen die Kläger zu 2 und 3 Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die angefochtene Entscheidung als Endurteil neu gefasst wird, und hat die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 14. Mai 2004 für unwirksam erklärt. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision hat Erfolg.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, es könne den beim Landgericht verbliebenen Teil des Verfahrens an sich ziehen. Das Urteil des Landgerichts sei ein unzulässiges Teilurteil, weil die angegriffenen Beschlüsse keinen teilba- ren Inhalt hätten. Die Klageanträge seien als Beschlussanfechtung erfolgreich. Die von der Gesellschafterversammlung der Beklagten gefassten Beschlüsse seien inhaltlich unbestimmt, weil sie nicht erkennen ließen, gegen welche Person sie sich richteten, sondern drei gleichwertige Varianten offen ließen.
- 6
- II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Das Berufungsgericht ist im Ergebnis noch zutreffend davon ausgegangen , dass es in der Sache selbst entscheiden durfte, weil das Landgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 ZPO). Nach einem unzulässigen Teilurteil darf das Berufungsgericht den noch in erster Instanz befindlichen Teil an sich ziehen (BGH, Urt. v. 13. Oktober 2000 - V ZR 356/99, NJW 2001, 78). Das ist entgegen der Auffassung der Revision auch ohne Antrag und ohne Einverständnis der Parteien möglich. § 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO erlaubt nach einem unzulässigen Teilurteil die Zurückverweisung ohne Antrag einer Partei, schreibt sie aber nicht vor.
- 8
- Die vom Landgericht getroffene Teilentscheidung über die Klage einzelner einfacher Streitgenossen war unzulässig, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht. Zwar muss gegenüber einfachen Streitgenossen - wie hier einem Gesellschafter und mehreren Nichtgesellschaftern - grundsätzlich keine einheitliche Entscheidung getroffen werden (Sen.Urt. v. 1. März 1999 - II ZR 305/97, ZIP 1999, 580). Eine Teilentscheidung ist aber nur zulässig, wenn sie unabhängig von der Entscheidung über den restlichen Verfahrensgegenstand ist (Sen.Urt. v. 4. November 2002 - II ZR 287/01, DStR 2003, 563). Dies gilt auch bei Klagen von mehreren einfachen Streitgenossen (vgl. zu Klagen gegen mehrere Streitgenossen BGH, Urt. v. 12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035; Urt. v. 19. Dezember 2002 - VII ZR 176/02, ZIP 2003, 594; Urt. v. 25. November 2003 - VI ZR 8/03, NJW 2004, 1452; Urt. v. 17. Februar 2004 - VI ZR 39/03, VersR 2004, 785). An dieser Unabhängigkeit fehlt es hier. Wenn in einem Prozess Klagen eines Gesellschafters auf Feststellung der Nichtigkeit (entsprechend § 249 Abs. 1 AktG) mit allgemeinen Feststellungsklagen von Nichtgesellschaftern (§ 256 Abs. 1 ZPO) verbunden sind, besteht die Gefahr von Widersprüchen, wenn in einem Teilurteil nur über die allgemeine Feststellungsklage von Nichtgesellschaftern entschieden wird. Die spätere Entscheidung über die Nichtigkeitsklage des Gesellschafters kann auch Auswirkungen auf die allgemeine Feststellungsklage eines Nichtgesellschafters haben. Die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses entsprechend § 249 Abs. 1 AktG hat über das Prozessverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter hinaus Wirkung für und gegen alle (vgl. Senat BGHZ 134, 364, 366; MünchKommAktG/Hüffer 2. Aufl. § 249 Rdn. 23; K. Schmidt in Großkomm.z.AktG 4. Aufl. § 249 Rdn. 31; Zöllner in Kölner Komm.z.AktG § 249 Rdn. 41). Es wäre nicht verständlich, wenn ein Urteil, das einen Beschluss für nichtig erklärt, Wirkung für und gegen alle hat, während die richterliche Feststellung eines schwerwiegenden Beschlussmangels nur die in §§ 249 Abs. 1, 248 Abs. 1 Satz 1 AktG genannten Personen bindet , obwohl beide Klage dasselbe materielle Ziel verfolgen, die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Gesellschafterbeschlusses mit Wirkung für und gegen jedermann.
- 9
- Das Landgericht hat in der Annahme, dass allein der Kläger zu 1 Gesellschafter der Beklagten sei, vorab nur über die Feststellungsklage der Nichtgesellschafter entschieden. Alle Kläger haben beantragt festzustellen, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 14. Mai 2004 nichtig sind. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Beschlüsse, soweit sie die Kläger zu 2 und 3 betreffen, unwirksam sind. Über die Nichtigkeitsfeststellungsklage des als Gesellschafter angesehenen Klägers zu 1 hat das Landgericht in seinem Teilurteil nicht entschieden.
- 10
- 2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten entsprechend § 241 Nr. 5 AktG für unwirksam erklärt.
- 11
- a) Das Berufungsgericht durfte nicht einheitlich auf die Klage aller drei Streitgenossen auf Klägerseite die Beschlüsse für unwirksam erklären. Es hat verkannt, dass grundsätzlich nur der Gesellschafter zur Erhebung der gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelklage befugt ist, nicht dagegen ein Dritter (Sen.Urt. v. 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757). Die Anfechtungsbefugnis steht nur dem nach § 16 Abs. 1 GmbHG zu bestimmenden rechtlichen , nicht auch dem wirtschaftlichen Gesellschafter oder dem Treugeber zu (BGHZ 24, 119, 124; Sen.Urt. v. 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614). Nichtgesellschaftern, auch dem Treugeber, steht nur die Möglichkeit offen, die Nichtigkeit eines Beschlusses durch eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellen zu lassen, soweit sie ein Feststellungsinteresse haben (vgl. Sen.Urt. v. 25. April 1966 aaO); auf ihre allgemeine Feststellungsklage hin kann ein Gesellschafterbeschluss nicht rechtsgestaltend für nichtig erklärt werden. Da die Beschlüsse nur auf die Klage desjenigen Klägers, der Gesellschafter ist, für nichtig erklärt werden können, hätte die Beschlussmängelklage zweier Kläger abgewiesen werden müssen. Nur einer der drei Kläger kann Gesellschafter sein.
- 12
- b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die angefochtenen Beschlüsse wegen inhaltlicher Unbestimmtheit für anfechtbar gehalten. Dabei kann dahinstehen, ob ein inhaltlich unbestimmter Beschluss anfechtbar oder nichtig ist. Die Beschlüsse sind nicht unbestimmt und lassen im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts erkennen, gegen wen sie sich richten. Neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer N. hat die Beklagte nur einen weiteren Gesellschafter. Gegen ihn richten sich die Beschlüsse. In erster Linie soll die Ausschließungsklage gegen S. oder, falls er nicht Gesellschafter ist, gegen Dr. No. oder, falls auch dieser nicht Gesellschafter ist, gegen Rechtsanwalt Na. erhoben werden; Entsprechendes gilt für die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen. Wer im Verhältnis zur Gesellschaft Gesellschafter ist, bestimmt sich nach § 16 Abs. 1 GmbHG. In Anwendung dieser Vorschrift hätte das Berufungsgericht klären müssen, welcher von den drei Klägern gegenüber der Beklagten angemeldet ist und demgemäß ihr gegenüber als Gesellschafter gilt. Dass - wie das Berufungsgericht meint - ein wichtiger Grund zum Ausschluss nicht in gleicher Weise für alle potentiellen Gesellschafter auf dieselben Umstände gestützt werden kann, betrifft die sachliche Berechtigung der Ausschließung, aber nicht die inhaltliche Bestimmtheit des Beschlusses.
- 13
- III. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO).
- 14
- 1. Das Berufungsgericht muss noch klären, wer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nach § 16 Abs. 1 GmbHG Gesellschafter der Beklagten war. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger zu 1 Gesellschafter der Beklagten ist, ohne eigene Feststellungen dazu zu treffen. Die Feststellung des Landgerichts, der Kläger zu 1 sei Gesellschafter, auf die das Berufungsgericht verweist, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat verkannt, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG als Gesellschafter gilt, wessen Anteilserwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Soweit das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Aufhebung des Zwischenfeststellungsurteils des Landgerichts auf sein am 21. März 2007 verkündetes Urteil im Verfahren 9 U 118/06 hingewiesen hat, kann dies Feststellungen im vorliegenden Verfahren nicht ersetzen (§ 547 Nr. 6 ZPO), weil es nicht zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits erging. Im Übrigen wurde das zitierte Urteil durch Urteil des Senats vom heutigen Tag - II ZR 76/07 - aufgehoben.
- 15
- 2. Mit der Klage sind weitere Beschlussmängel vorgebracht, zu denen das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Anfechtung - wie das Berufungsgericht zutreffend erkennt - nicht auf das Nichtbestehen eines Ausschlussgrundes oder von Schadensersatzansprüchen gestützt werden kann. Der Beschluss kann sich jedoch als treuwidrig darstellen, wenn die Ansprüche von vornherein offensichtlich ausgeschlossen und die Beschuldigungen aus der Luft gegriffen sind (vgl.
Goette Kurzwelly Caliebe Reichart Drescher
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 O 115/04 -
OLG Celle, Entscheidung vom 18.04.2007 - 9 U 21/07 -
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23.04.2014 verkündete Teilurteil der Zivilkammer II des Landgerichts Detmold einschließlich des Verfahrens aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Detmold zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz zu entscheiden hat.
Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Beklagte ist Inhaber eines Küchenstudios. In diesem war die Drittwiderbeklagte als Arbeitnehmerin von 1997-2011 beschäftigt. Der Kläger ist der Ehemann der Drittwiderbeklagten.
4Am 8.10.2009 wurden von dem gemeinsamen Konto des Klägers und der Drittwiderbeklagten 4.000,00 EUR und am 28.10.2009 in vier Überweisungen jeweils 5.000,00 EUR an den Beklagten überwiesen, insgesamt 24.000,00 EUR.
5Vor dem geplanten Aufenthalt des Beklagten in Südamerika unterschrieb der Beklagte am 3.3.2010 einen schriftlichen Darlehensvertrag, in dem eine Darlehenssumme von 30.000,00 EUR festgelegt wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 3.3.2010, Bl. 20 d. A., Bezug genommen.
6Eine Rückzahlung erfolgte durch den Beklagten – in erster Instanz unstreitig - nicht.
7Mit Schriftsatz vom 1.10.2012 erklärte der Beklagte die Anfechtung des Darlehensvertrages.
8Der Kläger hat behauptet, er habe dem Beklagten im Herbst 2009 ein Darlehen in Höhe von 29.000,00 EUR gewährt. Neben den erfolgten Zahlungen von 24.000,00 EUR habe noch eine Restforderung aus einem früheren Darlehen bestanden. Er habe den Beklagten mit Schreiben vom 21.7.2011 zur Rückzahlung des Darlehens bis zum 30.7.2011 aufgefordert.
9Der Kläger hat beantragt,
10den Beklagten zu verurteilen, an ihn 29.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.7.2011 zu zahlen.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Er hat behauptet, das Darlehen sei ihm von der Drittwiderbeklagten gewährt worden, nicht vom Kläger. Zahlungen seien nur in Höhe von 24.000,00 EUR geleistet worden. Er habe bei Abschluss des schriftlichen Darlehensvertrages übersehen, dass dort der Kläger als Darlehensgeber genannt ist und dass der Betrag mit 30.000,00 EUR statt 24.000,00 EUR angegeben war.
14Die Drittwiderbeklagte sei für erhebliche Kassen-/ Konten- und Warenfehlbestände in der Zeit von 2002 bis 2011 verantwortlich. Sie habe sein Küchenstudio systematisch geplündert und es sei durch Unterschlagungen, Veruntreuungen, Betrug und Urkundenfälschungen der Drittwiderbeklagten ein Mindestschaden von 237.441,62 EUR entstanden, was er weiter ausführt. Der Kläger habe von diesen Handlungen gewusst und sich insoweit der Hehlerei und Geldwäsche schuldig gemacht, jedenfalls aber der psychischen Beihilfe zu strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten. Der auf Seiten des Klägers und der Drittwiderbeklagten erfolgte Vermögenszuwachs sei mit deren Einkommen nicht darstellbar und die Drittwiderbeklagte habe – teilweise unter Beteiligung ihres Sohnes - mit ihren Handlungen eine dauerhafte Lebensgrundlage für die Familie geschaffen, was dem Kläger nicht verborgen geblieben sein könne.
15Der Beklagte hat gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung mit den vermeintlichen Gegenforderungen aus unerlaubter Handlung des Klägers erklärt, hinsichtlich derer er auch die Widerklage erhebt.
16Der Beklagte hat widerklagend beantragt, den Kläger und die Drittwiderbeklagte zu verurteilen, an ihn Schadenersatz in Höhe von insgesamt 237.441,62 EUR nebst Zinsen zu zahlen, soweit diese Forderungen nicht durch die erklärte Aufrechnung erloschen sind. Hinsichtlich der genauen Fassung der erstinstanzlichen Widerklageanträge wird auf Bl. 157-158 d. A. Bezug genommen.
17Der Kläger und die Drittwiderbeklagte haben beantragt,
18die Widerklage und die Drittwiderklage abzuweisen.
19Das Landgericht hat durch Teilurteil entschieden, der Klage in Höhe von 24.000,00 EUR stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen und die Widerklage gegen den Kläger abgewiesen. Über die Widerklage gegen die Drittwiderbeklagte hat es noch nicht entschieden.
20Die Klage sei nur im Umfang von 24.000,00 EUR begründet, weil nur in dieser Höhe eine Auszahlung des Darlehens nachgewiesen sei.
21Der Beklagte habe den Darlehensvertrag mangels Anfechtungsgrundes i. S. v. § 119 BGB nicht durch Anfechtung mit Wirkung für die Vergangenheit beseitigen können.
22Der Anspruch sei nicht durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, da der Beklagte gem. § 387 BGB nicht mit Ansprüchen gegen die Drittwiderbeklagte und den Sohn des Klägers aufrechnen könne.
23Eine Forderung des Beklagten gegen den Kläger, insbes. aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Normen des StGB sei nicht ersichtlich, da der Beklagte nicht hinreichend substantiiert dazu vorgetragen habe, aus welchem Grund der Kläger von angeblichen strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten Kenntnis gehabt, an diesen mitgewirkt oder seine Ehefrau darin bestärkt und unterstützt haben solle. Hierauf sei der Beklagte auch in der mündlichen Verhandlung vom 23.4.2014 hingewiesen worden. Soweit der Beklagte eine Schriftsatzfrist beantragt habe, habe sich dieser Antrag nicht hierauf bezogen, sondern lediglich auf die Ergänzung des Vortrags bezüglich der Drittwiderklage. Auf den Hinweis zur mangelnden Substantiierung bzgl. seiner die erklärte Aufrechnung und die Widerklage betreffenden Behauptungen über die Beteiligung des Klägers an den von ihm behaupteten Taten der Drittwiderbeklagten habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder seinen Vortrag ergänzt, noch eine Schriftsatzfrist beantragt.
24Die (da für den Fall des Fehlgehens der Aufrechnung erhobene) als Hilfswiderklage anzusehende Widerklage gegen den Kläger sei zwar zulässig. Die erforderliche Konnexität ergebe sich aus dem Verteidigungsvorbringen des Beklagten in Form der Aufrechnung.
25Die Hilfswiderklage sei jedoch unbegründet, da der Kläger – wie bereits im Rahmen der erklärten Aufrechnung – einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe.
26Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.
27Er verfolgt seine erstinstanzlichen Anträge (Klageabweisung und Verurteilung des Klägers auf die Widerklage) weiter.
28Das Landgericht habe über die Klageforderung wegen der erklärten Aufrechnung nicht entscheiden können. Vor einer Entscheidung über die Widerklage habe Beweis erhoben werden müssen. Das Landgericht habe den Antrag auf einen Schriftsatznachlass unrichtig protokolliert, um nicht Beweis erheben zu müssen. Die Rückzahlung des Darlehens sei bereits erfolgt gewesen, als der schriftliche Darlehensvertrag vom Kläger unterschrieben wurde; dieser sei ihm untergeschoben worden; im Übrigen sei der Darlehensvertrag mit der Drittwiderbeklagten geschlossen worden. Zu den Behauptungen des Beklagten bzgl. der unerlaubten Handlungen der Drittwiderbeklagten und der Beteiligung des Klägers habe das Gericht Beweis erheben müssen; soweit Beweisanträge unterblieben seien, beruhe dies darauf, dass der Beklagte sich auf die zugesagte Gewährung der beantragten Schriftsatzfrist verlassen habe. Soweit der Kläger und die Drittwiderbeklagte den Vortrag des Beklagten zu unerlaubten Handlungen zu seinen Lasten bestritten hätten, sei dies unsubstantiiert erfolgt. Zu den von ihm behaupteten Straftaten der Drittwiderbeklagten trägt er bzgl. verschiedener Einzelfälle umfassend und unter Beweisantritt vor. Er ist der Ansicht, zu seinen Gunsten müsse hinsichtlich sämtlicher von ihm genannter Fälle strafbarer Handlungen seitens der Drittwiderbeklagten und ihres Sohnes eine Beweislastumkehr greifen.
29Der Beklagte beantragt,
301. das Teilurteil des Landgerichts Detmold Akt.Z. 12 O 175/12 aufzuheben,
312. die Klage abzuweisen,
323. den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, gemeinschuldnerisch mit der Drittwiderbeklagten an den Widerkläger
33a) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers (gemeint sein dürfte hier wie auch im Folgenden: des Widerklägers) durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2002 in Höhe von 25.196,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2002 zu zahlen,
34b) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2002 in Höhe von 9.831,66 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2002 zu zahlen,
35c) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2003 in Höhe von 23.461,88 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2003 zu zahlen,
36d) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2003 in Höhe von 9.815,62 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2003 zu zahlen,
37e) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2004 in Höhe von 13.780,66 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2004 zu zahlen,
38f) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2004 in Höhe von 14.953,12 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2004 zu zahlen,
39g) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2005 in Höhe von 22.692,68 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2005 zu zahlen,
40h) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2005 in Höhe von 16.263,79 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2005 zu zahlen,
41i) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2006 in Höhe von 18.269,88 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2006 zu zahlen,
42j) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2006 in Höhe von 12.911,57 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2006 zu zahlen,
43k) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2007 in Höhe von 9.857,80 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2007 zu zahlen,
44l) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2007 in Höhe von 2.692,14 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2007 zu zahlen,
45m) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2008 in Höhe von 10.072,76 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 zu zahlen,
46n) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2008 in Höhe von 4.800,51 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 zu zahlen,
47o) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2009 in Höhe von 9.906,76 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2009 zu zahlen,
48p) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2009 in Höhe von 6.330,07 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2009 zu zahlen,
49q) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Bank des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2010 in Höhe von 5.194,18 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2010 zu zahlen,
50r) Schadenersatz für Veruntreuungen aus der Barkasse des Klägers durch die Drittwiderbeklagte im Jahr 2010 in Höhe von 21.409,64 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 31.12.2010 zu zahlen,
51s) Schadensersatz für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung gegen die Drittwiderbeklagte in Höhe von 1,3 Geschäftsgebühr (2.667,60 EUR) zuzüglich Aktenpauschale (20,00 EUR), i. e. Nettobetrag von 2.687,60 EUR zu zahlen,
52soweit die Forderungen zu Ziffer 3. nicht durch Aufrechnung mit den Forderungen Ziffer 2. erloschen sind.
53Hilfsweise beantragt er die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges.
54Der Kläger beantragt,
55die Berufung zurückzuweisen.
56Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere sei das Teilurteil zu Recht ergangen; eine Beteiligung des Klägers an ev. strafbaren Handlungen der Drittwiderbeklagten und ihres Sohnes – die im Übrigen nicht stattgefunden hätten – sei nicht dargetan.
57II.
58Die zulässige Berufung ist in Bezug auf den Hilfsantrag begründet, da bereits eine Entscheidung durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO nicht hätte ergehen dürfen.
59Das Urteil ist einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
601.
61Die Entscheidung durch Teilurteil war unzulässig, da vorliegend die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht.
62a)
63Aus der Voraussetzung der Entscheidungsreife i. S. v. § 300 Abs. 1 ZPO folgert die Rechtsprechung, dass ein Teilurteilnur zulässig ist, wenn die Entscheidung über den Teil unabhängig davon ist, wie der Streit über den Rest ausgehen wird, und damit die (auch nur theoretische) Gefahr sich widersprechender Teilurteile ausgeschlossen ist (BeckOK ZPO/Elzer, Stand: 01.03.2015, ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Jedes nach § 301 Abs. 1 ZPO i. Ü. an sich zulässige Teilurteil ist danach grds. unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren noch einmal stellt oder stellen kann, weil dann die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Die Gefahr der Widersprüchlichkeit ist dabei nicht nur als Rechtskraftkonflikt zu verstehen. Die Gefahr der Widersprüchlichkeit ist bereits dann gegeben, wenn durch das Teilurteil eine Vorfrage entschieden wird, die sowohl für den entschiedenen Teil als auch für den nicht erledigten Teil tatsächlich oder rechtlich erheblich ist (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.). Ein Teilurteil darf wegen des Grundsatzes der Unabhängigkeit nur ergehen, wenn die Beurteilung des durch das Teilurteil entschiedenen Anspruchs, auch unter Berücksichtigung einer abweichenden Beurteilung durch ein Rechtsmittelgericht im Instanzenzug, vom Ausgang des Streits über die weiteren Ansprüche vollständig unabhängig ist (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 8 m. w. N.).
64Der Erlass eines Teilurteils ist unzulässig, wenn die Entscheidung sich auf eine zur Aufrechnung gestellte Forderung bezieht, deren Verpflichtungsgrund von dem weiter anhängig gebliebenen Streitgegenstand berührt werden kann (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 25 m. w. N.).
65Im Hinblick auf Klage und Widerklage gilt der Grundsatz, dass ein Teilurteil über die Klage oder ein Teilurteil über die Widerklage nur dann zulässig ist, wenn die Entscheidung unabhängig davon ist, wie das Schlussurteil über den noch anhängigen Teil des Rechtsstreits entscheidet, die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Teilurteil und im Schlussurteil also nicht besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 22 m. w. N.).
66Der Grundsatz der Unabhängigkeit gilt auch bei mehreren Beklagten in einfacher Streitgenossenschaft (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 12 m. w. N.; BGH, Urteil vom 01.10.2013 - VI ZR 409/12 = BeckRS 2014, 00531; BGH, Urteil vom 12. 1. 1999 - VI ZR 77–98 (Frankfurt a.M.) = NJW 1999, 1035). Ein Teilurteil ist auch im Fall der subjektiven Klagehäufung schon dann unzulässig, wenn sich durch die bloße Möglichkeit einer abweichenden Entscheidung im Instanzenzug die Gefahr widersprechender Entscheidungen ergeben kann (BGH, Urteil vom 12. 1. 1999 - VI ZR 77–98 (Frankfurt a.M.) = NJW 1999, 1035; BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 12 m. w. N.). Diese Gefahr ist insbes. dann gegeben, wenn mehrere aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitete prozessuale Ansprüche im Klagegrund übereinstimmen. Ferner, wenn zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen eine materiell-rechtliche Verzahnung besteht (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 13 m. w. N.) oder die Ansprüche prozessual in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt sind (BeckOK ZPO/Elzer, a. a. O., ZPO § 301 Rn. 13 m. w. N.).
67b)
68Vorliegend besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen, dies insbesondere im Instanzenzug.
69aa)
70Soweit das Berufungsgericht (oder die Revision) – entgegen der landgerichtlichen Entscheidung - eine Beweisaufnahme über die Frage der Beteiligung des Klägers an ev. Straftaten der Drittwiderbeklagten für erforderlich hält, besteht die Möglichkeit, dass im Zuge dieser Beweisaufnahme die Feststellung getroffen wird, dass der Kläger über die Handlungen der Drittwiderbeklagten informiert war bzw. ihm eigene Straftaten (insbes. Hehlerei) zur Last fallen.
71Ein Schadenersatzanspruch des Beklagten bestünde gegen den Kläger nur dann, wenn der Drittwiderbeklagten tatsächlich Straftaten gegen den Beklagten zur Last fielen.
72Denn der Schadenersatzanspruch gegen den Kläger ergäbe sich nur dann, wenn
73t) die Drittwiderbeklagte (ggf. gemeinsam mit ihrem Sohn) zu Lasten des Beklagten Eigentums- oder Vermögensdelikte wie vom Beklagten behauptet begangen hätte und der Kläger hieran – ggf. in Form der Beihilfe – teilgenommen hätte
74oder
75 der Kläger sich durch das Behalten von Vermögenswerten (Geld / Sachen, ggf. gemeinsam mit der Drittwiderbeklagten (unmittelbarer Mitbesitz genügt, vgl.: Schönke/Schröder/Hecker/Stree StGB § 259 Rn. 17 m. w. N.), die die Drittwiderbeklagte durch strafbare Handlungen erlangt hat (Betrug / Unterschlagung genügen, vgl.: Schönke/Schröder/Stree/Hecker StGB § 259 Rn. 6 m. w. N.), der Hehlerei schuldig gemacht hat.
76Im Rahmen des Berufungsverfahrens müssten dementsprechend zur Entscheidung über die Klage (wegen der erklärten Aufrechnung) und Widerklage ggf. dieselben Tatsachenfragen durch Beweisaufnahme geklärt werden, wie im verbliebenen (nicht durch Teilurteil entschiedenen) Verfahren gegen die Drittwiderbeklagte.
77Es bestünde dann die Gefahr, dass bzgl. derselben Handlungen der Drittwiderbeklagten und der daraus resultierenden Schadenersatzansprüche aufgrund unterschiedlicher Beweisergebnisse / Beweiswürdigung sich widersprechende Urteile ergehen.
78bb)
79Zwar hat das Landgericht eine Beweisaufnahme über die Frage der Beteiligung des Klägers nicht für erforderlich gehalten, da der Vortrag des Beklagten hierzu unsubstantiiert sei.
80Es bestand – und besteht – jedoch die Gefahr, dass diese Frage im Instanzenzug anders beurteilt wird.
81Nach der Rechtsauffassung des Senats hätte das Landgericht auch tatsächlich Beweis erheben müssen.
82Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH genügt eine Partei ihrer Darlegungslast bereits dadurch, dass sie Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die geltend gemachte Rechtslage als entstanden erscheinen zu lassen (BGH, Urteil vom 28.02.2013 - I ZR 180/11 = BeckRS 2013, 10649 m. w. N.). Dabei muss das Gericht auf Grund dieser Darstellung beurteilen können, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der an eine Behauptung geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N.; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Unerheblich ist dabei, wie wahrscheinlich die Darstellung ist und ob sie auf eigenem Wissen oder auf einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.). Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, welche Angaben einer Partei zumutbar und möglich sind. Falls sie keinen Einblick in die maßgeblichen Geschehensabläufe hat und die Darlegung und die Beweisführung deshalb erschwert sind, kann sie auch nur vermutete Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen (BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Der Pflicht zur Substantiierung ist nur dann nicht genügt, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass das Gericht auf Grund ihrer Darstellung nicht beurteilen kann, ob die Behauptung überhaupt erheblich ist, also die gesetzlichen Voraussetzungen der daran geknüpften Rechtsfolge erfüllt sind (BGH, Urt. v. 2. 2. 2012 − I ZR 81/10 (OLG Hamburg) = GRUR 2012, 945; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.); zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird der Beweisantrag erst, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich und rechtsmissbräuchlich Behauptungen „aufs Geratewohl” oder „ins Blaue hinein” aufstellt (BGH, Urteil vom 28. 9. 2011 - I ZR 188/09 (KG) Landgut Borsig = GRUR 2012, 534 m. w. N.; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 24. 5. 2007 - III ZR 176/06 (OLG Düsseldorf) = NJW 2007, 2043 m. w. N; BeckOK ZPO/Bacher ZPO § 284 Rn. 39-40 m. w. N.; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 79 f. m. w. N.). Darauf, wie wahrscheinlich das behauptete Beweisergebnis ist, kommt es gerade nicht an (BGH, Urteil vom 28.02.2013 - I ZR 180/11 = BeckRS 2013, 10649; BGH, Urteil vom 28. 9. 2011 - I ZR 188/09 (KG) Landgut Borsig = GRUR 2012, 534; BGH, Beschluss vom 11. 5. 2010 - VIII ZR 212/07 (OLG Köln) = NJW-RR 2010, 1217 m. w. N.; BGH, Urteil vom 20. 9. 2002 - V ZR 170/01 (KG) = NJW-RR 2003, 69; MüKoZPO/Prütting ZPO § 284 Rn. 62-80; Musielak ZPO/Foerste ZPO § 284 Rn. 18).
83Da der Beklagte keinen Einblick in die persönlichen Beziehungen des Klägers und der Drittwiderbeklagten hat, aber Indizien vorgetragen hat, die aus seiner Sicht eine Kenntnis / Beteiligung des Klägers an den (vermeintlichen) Straftaten der Drittwiderbeklagten nahelegen (insbesondere Vermögenszuwachs und Lebensführung), wäre das Landgericht unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßstäbe gehalten gewesen, über die Behauptungen des Klägers Beweis zu erheben.
84Jedenfalls besteht aber die Gefahr einer abweichenden Beurteilung der hinreichenden Substantiierung und damit der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im Instanzenzug.
85c)
86Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist auch nicht wegen offenkundiger Unzulässigkeit der Drittwiderklage ausgeschlossen.
87Soweit die von dem Beklagten erhobene (jetzt noch in erster Instanz rechtshängige) Drittwiderklage offenkundig unzulässig und daher abzuweisen wäre, könnte sich zwar auch hieraus eine Zulässigkeit des Teilurteils ergeben, da in diesem Fall die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in demselben Verfahren nicht gegeben wäre.
88Die Drittwiderklage ist hier aber nicht offensichtlich und schlechterdings unzulässig. Dies gilt jedenfalls für die nunmehr parteierweiternd erhobene Drittwiderspruchsklage.
89Eine (parteierweiternde) unbedingte Widerklage gegen Dritte, die bislang am Rechtsstreit nicht beteiligt waren, ist zulässig, wenn sie sich auch gegen den Kläger richtet („streitgenössische Drittwiderklage“), wenn ein rechtlicher Zusammenhang mit der Klage i. S. d. § 33 Abs. 1 ZPO besteht und wenn entweder der Drittwiderbeklagte einwilligt oder das Gericht die Widerklage für sachdienlich erklärt (BeckOK ZPO/Toussaint ZPO § 33 Rn. 15-16 m. w. N.).Der erforderliche rechtliche Zusammenhang von Klage und Widerklage i. S. d. § 33 Abs. 1 ZPO besteht, wenn der Beklagte sich mit der Aufrechnung verteidigt und mit der Widerklage der überschießende Teil seiner Gegenansprüche geltend gemacht wird (BGH, Urteil vom 21.04.1997 - II ZR 221/95 (OLG Naumburg) = VIZ 1997, 548; BeckOK ZPO/Toussaint, Stand: 01.03.2015, ZPO § 33 Rn. 12-13).
902.
91Der Senat macht von der wegen der Unzulässigkeit des Teilurteils bestehenden Zurückverweisungsbefugnis aus § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO Gebrauch.
92a)
93Ein entsprechender Hilfsantrag des Beklagten liegt vor.
94Ein Antrag ist gemäß § 538 Abs. 2 S. 3 ZPO im Fall eines unzulässigen Teilurteils aber auch nicht erforderlich. Die Frage der Zulässigkeit des Erlasses eines Teilurteils i. S. v. § 301 ZPO betrifft einen von Amts wegen zu prüfenden Verfahrensmangel (OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533; vgl.: Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 301 ZPO, Rn. 13 m. w. N.). Das Berufungsgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO demnach auch ohne eine entsprechende Rüge durch den Berufungsführer zu prüfen (vgl.: BGH, Urt. v. 11. 5. 2011 − VIII ZR 42/10 (OLG Dresden) = NJW 2011, 2736; OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533).
95b)
96Von einer eigenen Sachentscheidung sieht der Senat ab.
97Zwar kann das Berufungsgericht im Falle eines unzulässigen Teilurteils den ganzen Rechtsstreit an sich ziehen und durch einheitliches Urteil entscheiden (vgl.: OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533). Regelmäßig ist es jedoch nötig zurückzuverweisen, damit nicht der gesamte nach dem Teilurteil anhängig gebliebene Prozess erst in der zweiten Instanz beginnt (OLG Naumburg, Urteil vom 21.12.2012 - 10 U 14/12 = BeckRS 2013, 10533; vgl.: BGH, Urteil vom 12-01-1994 - XII ZR 167/92 (Düsseldorf) = NJW-RR 1994, 379). Vorliegend spricht für die Zurückverweisung auch, dass zur Entscheidung über den nicht in der Berufungsinstanz befindlichen Teil des Rechtsstreits (die Drittwiderklage) eine umfangreiche Beweisaufnahme mit einer Vielzahl von Zeugen zu den einzelnen, vom Beklagten behaupteten Taten erforderlich sein wird. Das Interesse an einer schnelleren Erledigung überwiegt auch vorliegend nicht den Verlust einer Tatsacheninstanz. Die Erhebung der Tatsachenfeststellungen ist der ersten Instanz vorzubehalten. Dies entspricht der Ausgestaltung des Berufungsverfahrens im Sinne von § 529 ZPO. Danach ist die Berufungsinstanz nicht mehr eine Wiederholung der Tatsacheninstanz, sondern dient lediglich der Fehlerkontrolle und -beseitigung (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 529 ZPO, Rn. 1). Zudem ist eine Entscheidung durch das Berufungsgericht bereits deshalb nicht angezeigt, weil die Drittwiderbeklagte, gegen die allein sich der in der ersten Instanz noch anhängige Teil des Rechtsstreits richtet, am Berufungsverfahren gar nicht beteiligt ist.
983.
99Bei der ohnehin nach § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO erforderlichen Aufhebung und Zurückverweisung war auch das Verfahren aufzuheben, da die tatsächlichen Feststellungen, auf denen das Urteil beruht, nicht verfahrensfehlerfrei zu Stande gekommen sind.
100Ein mangelhaftes Verfahren oder ein mangelhafter Teil des Verfahrens, auf dem das Urteil beruht, ist mit aufzuheben, wenn eine Neuvornahme im ersten Rechtszug unter Vermeidung des Verfahrensfehlers geboten ist (Musielak ZPO/Ball, 12. Auflage 2015, ZPO § 538 Rn. 6).
101Vorliegend stellt zwar die fehlerhafte Nichtdurchführung einer Beweisaufnahme (s. o.) für sich keinen Verfahrensmangel dar (vgl. Musielak ZPO/Ball, a. a. O., ZPO § 538 Rn. 14 m. w. N.).
102Allerdings hat der Beklagte unter Beweisantritt vorgetragen, dass er einen Schriftsatznachlass zu den Hinweisen des Gerichts auf die mangelnde Substantiierung seines Vorbringens über die Beteiligung des Klägers beantragt habe. Sein Antrag auf Protokollberichtigung wurde insoweit zurückgewiesen, seine Widerklage mangels Substantiierung abgewiesen.
103Wegen mangelnder Substantiierung darf jedoch nie abgewiesen werden, bevor auf Ergänzung des Sachvortrages hingewirkt worden ist (Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 538 ZPO, Rn. 20 m. w. N.). Weist das Gericht gem. § 139 Abs. 1 ZPO auf die Ergänzungsbedürftigkeit der Klage hin, so muss es dem Kläger eine angemessene Frist zur Ergänzung seines Vortrags einräumen (OLG Schleswig, Urteil vom 03-09-1982 - 11 U 22/82 = NJW 1983, 347). Auch im Anwaltsprozess hat das Gericht auf für erforderlich gehaltene Ergänzungen des Sachvortrags und auf Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken; es genügt dabei nicht, erst im Termin Hinweise zu geben, die der Prozessbevollmächtigte – jedenfalls bei so umfangreichen Sachverhalten wie vorliegend - erfahrungsgemäß nicht erledigen kann (OLG Schleswig, Urteil vom 27.06.1986 - 14 U 171/85 = NJW 1986, 3146). Eine solche Handhabung der zivilprozessualen Vorschriften zu Lasten einer Partei verstößt zugleich gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess. Nach diesem Grundsatz muss der Zivilrichter die “verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor dem Richter” dadurch realisieren, dass er beiden Prozessparteien die Möglichkeit einräumt, “alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen" (BVerfG, Beschluss vom 25. Juli 1979 – 2 BvR 878/74 – Rz. 96 m. w. N. = BVerfGE 52, 131, -juris; OLG Schleswig, Urteil vom 27.06.1986 - 14 U 171/85 = NJW 1986, 3146 m. w. N.). Diesen verfassungsrechtlichen Auswirkungen auf das zivilprozessuale Erkenntnisverfahren genügt die Verfahrensgestaltung durch das Landgericht auch dann nicht, wenn die von ihm vertretene Rechtsauffassung, der Vortrag des Beklagten sei nicht hinreichend substantiiert, zuträfe. Denn der Beklagte hatte keine Möglichkeit, die aus der Sicht des Landgerichts noch fehlenden erheblichen Tatsachen vorzutragen. Das Landgericht hätte dem Beklagten auch ohne Antrag auf Schriftsatznachlass Gelegenheit zur Stellungnahme und Substantiierung seines Vorbringens innerhalb einer angemessenen Frist geben müssen.
1044.
105Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens ist nach Zurückverweisung dem Landgericht vorzubehalten (vgl. MüKoZPO/Schulz, 4. Auflage 2013, ZPO § 97 Rn. 17; BeckOK ZPO/Wulf, Stand: 01.03.2015, ZPO § 538 Rn. 33).
106Die Entscheidung über die Niederschlagung der Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 21 GKG.
107Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
108Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Entscheidung beruht auf den besonderen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung.
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.
(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.
(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.
(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:
- 1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden; - 2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte; - 3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.
(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack, Sacher und Wimmer
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung einer restlichen Vergütung aus einem gekündigten Bauvertrag.
- 2
- Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung am 3. November 2009 mit den Rohbauarbeiten an einer Wagenhalle für das Zollkriminalamt K. Die VOB/B wurde in Bezug genommen. Innerhalb der unter Denkmalschutz stehenden Halle sollte ein Technikgebäude errichtet werden.
- 3
- Bei Besichtigung des Bestandsgebäudes wurden Schäden festgestellt. Die Klägerin legte der Beklagten ein Nachtragsangebot vor, das diese nicht annahm. Mit Schreiben vom 2. Juni 2010 kündigte die Beklagte den Bauvertrag mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin erteilte der Beklagten am 8. Juli 2010 eine Schlussrechnung über 90.527,75 € brutto. Die Beklagte leistete hierauf eine Zahlung in Höhe von 35.107,15 €. In einem Schreiben vom 27. September 2010 wies sie weitere Ansprüche der Klägerin als nicht ausreichend begründet zurück und wies zugleich auf die Ausschlusswirkung der Schlusszahlung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B hin. Mit Anwaltsschreiben vom 1. Oktober 2010 teilte die Klägerin der Beklagten daraufhin mit, dass der von dieser ermittelte Betrag von 35.107,15 € nicht ansatzweise nachvollzogen werden könne, und machte gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B einen Vorbehalt gegen die Schlusszahlung geltend.
- 4
- Mit der Klage hat die Klägerin zunächst nur den sich nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlung ergebenden Betrag aus der ursprünglichen Schlussrechnung in Höhe von 55.420,60 € geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 hat die Klägerin eine um kalkulierte Lohnkosten korrigierte zweite Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 über einen Betrag von 194.149,93 € vorgelegt. Auf dieser Grundlage hat sie ihre Klage erweitert und zuletzt die Zahlung einer restlichen Vergütung in Höhe von 155.552,22 € zuzüglich Zinsen gefordert. Die Klägerin hat behauptet, sie habe kein Wagnis kalkuliert. Die Beklagte geht demgegenüber davon aus, dass von dem angegebenen Prozentsatz von 5 % für "Wagnis und Gewinn" ein Anteil von 2,5 % auf den Zuschlag für Wagnis entfällt, der als ersparte Aufwendung in Abzug zu bringen sei.
- 5
- Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 150.747,73 € zuzüglich anteiliger Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 149.033,87 € zuzüglich anteiliger Zinsen zu zahlen.
- 6
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision der Beklagten führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht führt - soweit für die Revision von Interesse - im Wesentlichen aus, der Klägerin stehe nach der freien Kündigung des zwischen den Parteien im November 2009 geschlossenen Werkvertrags gegen die Beklagte aus § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) ein Zahlungsanspruch in Höhe von 149.033,87 € zu. Die Parteien hätten unstreitig unter Einbeziehung der VOB/B einen Werkvertrag über Rohbauarbeiten an einer Wagenhalle geschlossen. Die Beklagte könne sich hinsichtlich der aus der zweiten Schlussrechnung der Klägerin geltend gemachten Nachforderungen nicht mit Erfolg auf die Schlusszahlungseinrede berufen. Die Klägerin habe am 1. Oktober 2010 eine wirksame Vorbehaltserklärung abgegeben, die die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung auch hinsichtlich der zweiten Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 ausschließe. Nachdem die Klägerin am 1. Oktober 2010 den Vorbehalt gegen die Schlusszahlung geltend gemacht habe und eine prüfbare Schlussrechnung bereits vorgelegen habe, sei ihr die Geltendmachung weiterer Forderungen nicht verwehrt gewesen. Anhaltspunkte für einen Verzicht auf eine Nachforderung seien nicht dargetan. Die Beklagte habe nach der Vorbehaltserklärung der Klägerin nicht darauf vertrauen dürfen, dass diese keine nicht in der ersten Schlussrechnung enthaltenen Nachforderungen geltend machen werde. Es habe von der Klägerin nicht verlangt werden können, mit Vorlage der zweiten Schlussrechnung ihren Vorbehalt zu wiederholen, da aufgrund der Vorbehaltserklärung vom 1. Oktober 2010 überhaupt kein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten geschaffen worden sei. Hätte die Beklagte erreichen wollen, dass die Klägerin die in der zweiten Schlussrechnung eingestellten Forderungen nicht würde durchsetzen können , hätte sie auch gegen die Nachforderungen die Schlussrechnungserklärung abgeben und abwarten müssen, ob die Klägerin rechtzeitig den dann erforderlichen Vorbehalt erklärt oder eine Vorbehaltsbegründung abgegeben hätte. Das habe die Beklagte nicht getan. Vor diesem Hintergrund komme es auf die weitere Frage, ob § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B überhaupt wirksam seien, nicht an.
- 9
- Im Hinblick auf den Zuschlag für Wagnis habe die Klägerin durch die freie Kündigung der Beklagten keine Aufwendungen erspart. Hierbei handele es sich nicht um Kosten im baubetrieblichen Sinn. Das sogenannte Wagnis sei vielmehr dem Gewinn zuzurechnen, da es die Belohnung für das allgemeine unternehmerische Risiko darstelle. Selbst wenn man dies als spezielles Wagnis des konkreten Bauvertrages ansähe, sei festzustellen, dass sich dieses Wagnis durch die grundlose Kündigung des Auftraggebers gerade verwirklicht habe. Das zeige sich schon durch die erhöhten Kosten für die schwierige Abrechnung und Durchsetzung des Vergütungsanspruches, so dass der damit verbundene Mehraufwand als Risiko entstanden und nicht erspart sei.
II.
- 10
- Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
- 11
- 1. Die Revision der Beklagten ist insgesamt zulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten nicht wirksam beschränkt.
- 12
- Das Berufungsgericht hat die Revision zugunsten der Beklagten im Tenor uneingeschränkt zugelassen. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - VII ZR 190/14, BauR 2015, 1515 Rn. 13 ff. = NZBau 2015, 477; Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, ZfBR 2014, 671 Rn. 31; Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NZBau 2011, 354 Rn. 11; jeweils m.w.N.). Das bedeutet nicht, dass stets allein aus der Begründung der Zulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann in solchen Fällen vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, aaO; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
- 13
- Das Berufungsgericht hat die Revision im Hinblick auf die Frage, ob das Wagnis als ersparte Aufwendung anzusehen sei, und zu der von der Beklagten erhobenen Schlussrechnungseinrede mit der Begründung zugelassen, dass es insoweit um das grundsätzliche Verständnis der Reichweite des Vorbehalts gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B gehe. Eine Revisionszulassung zur Klärung abstrakter Rechtsfragen ist unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision jedoch auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden , auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, aaO Rn. 33; Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, aaO; Beschluss vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NZBau 2010, 105 Rn. 5, jeweils m.w.N.). Nach diesen Maßgaben ist die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten nicht wirksam auf einen Teil des Streitstoffs beschränkt worden. Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, welche Reichweite der gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B erklärte Vorbehalt hat, ist zwar ausschließlich für die von der Klägerin mit der zweiten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 geltend gemachte weitere Nachforderung im Umfang von 93.613,27 € zuzüglich geltend gemachter anteiliger Zinsen von Bedeutung. Insoweit steht jedoch kein tatsächlich und rechtlich selbständiger Teil des Gesamtstreitstoffes in Rede, auf den die Revisionszulassung wirksam beschränkt werden könnte. Die Klägerin hat unter Einbeziehung weiterer Lohnkosten eine neue einheitliche Schlussrechnung über einen Betrag von 194.149,93 € erstellt. Welche Positionen den Mehrbetrag im Umfang von 93.613,27 € ergeben, ist der Schlussrechnung nicht zu entnehmen. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich ebenfalls nicht, welche Nachforderungen im Einzelnen von diesem weiteren in die Abrechnung einbezogenen Betrag erfasst sind.
- 14
- 2. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer restlichen Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB in Höhe von 149.033,87 € zuzüglich anteiliger Zinsen nicht bejaht werden.
- 15
- a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte den Bauvertrag gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt hat und der Klägerin infolgedessen ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zusteht. Dies greift die Revision nicht an. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
- 16
- b) Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin vorgelegten Schlussrechnungen für prüfbar. Dies nimmt die Revision ebenfalls hin. Auch dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
- 17
- c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen dagegen nicht seine Annahme, die Klägerin habe auch im Hinblick auf die zweite Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 einen wirksamen Vorbehalt erklärt und sei mit der sich aus dieser ergebenden Mehrforderung nicht aufgrund der von der Beklag- ten am 27. September 2010 erhobenen Schlussrechnungseinrede nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen.
- 18
- aa) Nach den in der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart. Maßgeblich ist die VOB/B in der seit dem 1. November 2006 geltenden Fassung. Das Berufungsgericht hat allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob die VOB/B als Ganzes vereinbart worden und die Regelung in § 16 Nr. 3 VOB/B danach gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogen ist. Zugunsten der Beklagten ist für das Revisionsverfahren daher davon auszugehen, dass dies der Fall ist.
- 19
- bb) Zu Recht geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass die Klägerin mit der in der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechneten Vergütungsforderung trotz der von der Beklagten erhobenen Schlussrechnungseinrede nicht nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen ist, weil sie sich diese Forderung wirksam nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B vorbehalten hat.
- 20
- (1) Nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B schließt die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung Nachforderungen aus, wenn der Auftragnehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen wird. Nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B ist ein Vorbehalt innerhalb von 24 Werktagen nach Zugang der Mitteilung nach Absatz 2 über die Schlusszahlung zu erklären. Er wird hinfällig, wenn nicht innerhalb von weiteren 24 Werktagen eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn das nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird. Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin die von der Beklagten auf die erste Schlussrech- nung vom 8. Juli 2010 erbrachte Zahlung in Höhe von 35.107,15 €, die die Be- klagte in ihrem Schreiben vom 27. September 2010 als Schlusszahlung ge- kennzeichnet und mit dem Hinweis auf die Ausschlusswirkung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B verbunden hatte, nicht vorbehaltlos angenommen.
- 21
- (2) Der von der Klägerin im Schreiben vom 1. Oktober 2010 hierzu erklärte Vorbehalt ist der Beklagten innerhalb der hierfür bestimmten Frist und damit rechtzeitig zugegangen. Die Klägerin war nach den Umständen nicht verpflichtet , innerhalb von weiteren 24 Werktagen eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltene Forderung aus der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 einzureichen oder den hierauf gestützten Vorbehalt zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es der Begründung des Vorbehalts nicht, wenn sich die streitige Forderung aus einer prüfbaren Rechnung ergibt und der Auftraggeber ihr entnehmen kann, in welchem Umfang er über seine Schlusszahlung hinaus noch Ansprüche zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 324/83, BauR 1985, 576, juris Rn. 8; Urteil vom 28. Juni 1984 - VII ZR 278/82, BauR 1984, 645, 646, juris Rn. 19; Urteil vom 8. November 1979 - VII ZR 113/79, BauR 1980, 178, 179, juris Rn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, soweit es um die sich aus der ersten Schlussrechnung der Klägerin vom 8. Juli 2010 ergebende Vergütungsforderung geht. Die von der Klägerin vorgelegte erste Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 war prüfbar. Die Beklagte konnte dieser Schlussrechnung auch entnehmen, welche Forderung sich die Klägerin durch ihre Erklärung im Schreiben vom 1. Oktober 2010 vorbehalten wollte.
- 22
- cc) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts , die von der Klägerin am 1. Oktober 2010 abgegebene Vorbehaltserklärung erfasse auch die von ihr mit der zweiten, ebenfalls auf den 8. Juli 2010 datierten, allerdings erst im Laufe des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 vorgelegten Schlussrechnung geltend gemachte weitere Vergütungsforderung , die über die in der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 geltend gemachte Forderung hinausgeht. Die Beklagte kann sich hinsichtlich der mit der zweiten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechneten Vergütung mit Erfolg auf die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B berufen, soweit damit eine Vergütung abgerechnet wird, die über die mit der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechnete Werklohnforderung hinausgeht.
- 23
- Diese weitere Forderung hat sich die Klägerin nicht innerhalb der nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B maßgeblichen Frist von weiteren 24 Werktagen nach Erklärung des Vorbehalts und damit nicht rechtzeitig vorbehalten. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein aus der Erteilung einer Schlussrechnung für den VOB-Vertrag ein Vertrauenstatbestand nicht hergeleitet werden. Vielmehr steht es dem Auftragnehmer grundsätzlich frei, weitere Forderungen geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 16/87, BGHZ 102, 392, 394, juris Rn. 9). Hat der Auftraggeber jedoch nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B wirksam die Einrede der Schlusszahlung erhoben , kann der Auftragnehmer nur innerhalb der Fristen des § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B noch Nachforderungen stellen, die nicht in der bereits überreichten Schlussrechnung enthalten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 16/87, aaO, S. 396 f., juris Rn. 15; Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 324/83, BauR 1985, 576 f., juris Rn. 10).
- 24
- Die Klägerin hat im Streitfall binnen der in § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B bestimmten Frist weder die ebenfalls auf den 8. Juli 2010 datierte zweite Schlussrechnung vorgelegt noch die darin abgerechnete weitere Vergütungsforderung begründet. Die zweite Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 ist der Beklagten vielmehr erst im Laufe des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 übersandt worden. Hinsichtlich der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Mehrforderung im Umfang von 93.613,27 € hat die Klägerin danach einen Vor- behalt nicht rechtzeitig erklärt mit der Folge, dass sie mit dieser Forderung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen ist.
- 25
- d) Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht dagegen davon aus, dass es sich bei dem im Rahmen der Einheitspreise für Wagnis und Gewinn kalkulierten Zuschlag nicht um eine infolge der Kündigung der Beklagten ersparte Aufwendung im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B handelt.
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- aa) Der Auftragnehmer ist im Falle der Kündigung des Auftraggebers gemäß § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Erspart sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die infolge der Kündigung entfallen sind (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83, juris Rn. 13; Urteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94, BGHZ 131, 362, 365, juris Rn. 14). Eine Ersparnis kommt vor allem bei den projektbezogenen Herstellungskosten und den variablen, projektbezogenen Gemeinkosten in Betracht. Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten , die nicht projektbezogen anfallen, sind nicht erspart (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, aaO; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, juris Rn. 13 = NZBau 2000, 140; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, juris Rn. 25).
- 27
- (1) Nach diesen Grundsätzen ist der vom Auftragnehmer neben dem Gewinn kalkulierte Zuschlag für Wagnis im Falle der Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht als ersparte Aufwendung von der vereinbarten Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Abzug zu bringen, wenn mit diesem Zuschlag das allgemeine unternehmerische Risiko für die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers allgemein begründete Verlustgefahr abgesichert werden soll (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, VOB/B, 5. Aufl., § 8 Rn. 38; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 19. Aufl., § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 70; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl., Rn. 2845; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, 5. Aufl., Band 2 Rn. 1372; Groß, BauR 2007, 631, 636; Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung beim Bau- und Anlagenbauvertrag, 2. Aufl., 3.2.1 Rn. 34 f.; OLG München, BauR 2013, 1868, 1874 = NZBau 2013, 495). Dieser vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschlag ist wie der von ihm kalkulierte Gewinn im Falle einer Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht erspart. Denn es handelt sich nicht um Kosten des Auftragnehmers, die infolge der Kündigung des Vertrags entfallen. Die zur Abgeltung des allgemeinen Unternehmerwagnisses kalkulierte Kostenposition dient vielmehr zur Absicherung von Risiken, die mit dem Geschäftsbetrieb als solchem verbunden sind. Ihr stehen keine tatsächlichen Kosten des Auftragnehmers gegenüber. Es kommt demnach auch nicht darauf an, ob sich das Risiko, das mit diesem Wagniszuschlag abgedeckt werden soll, im konkreten Fall verwirklicht hat oder nicht. Der Wagniszuschlag zur Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos steht dem Auftragnehmer vielmehr unabhängig davon zu, ob die vertraglich vereinbarte Leistung infolge der Kündigung des Vertrags durch den Auftraggeber nicht mehr zur Ausführung gelangt. Denn das durch den Geschäftsbetrieb im Allgemeinen begründete Risiko des Auftragnehmers besteht unabhängig davon, ob im Einzelfall der Vertrag ausgeführt wird. Soweit der Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 1997 (VII ZR 222/96, BauR 1998, 185) diesbezüglich etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
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- (2) Anders zu beurteilen sind dagegen vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschläge für Einzelwagnisse, die die mit der Leistungserstellung in den einzelnen Tätigkeitsgebieten des Betriebs verbundenen Verlustgefahren abgelten sollen. Die für solche Einzelwagnisse kalkulierten Kosten des Auftragnehmers können im Sinne von § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B erspart sein, wenn sie mit der Leistung oder Teilen von ihr verbunden sind, die infolge der Kündigung des Auftraggebers nicht mehr zur Ausführung kommen. Der Auftragnehmer hat sich diese kalkulierten Kosten dann als ersparte Aufwendungen nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B anrechnen zu lassen. Denn er ist das mit dieser Kostenposition vergütete Risiko tatsächlich nicht eingegangen , wenn es nicht zur Ausführung der mit diesem Risiko verbundenen Vertragsleistung kommt (vgl. Dornbusch/Plum, Jahrbuch Baurecht 2000, 160, 170; Groß, BauR 2007, 631, 636).
- 29
- bb) Nach diesen Grundsätzen sind die von der Klägerin in dem ihrem Angebot beigefügten Formblatt 221 (VHB 2008) ausgewiesenen Zuschläge für Wagnis und Gewinn insgesamt nicht als ersparte Aufwendungen im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B anzusehen und daher nicht von der Vergütungsforderung der Klägerin in Abzug zu bringen. Sie betreffen das Wagnis für das allgemeine Unternehmerrisiko sowie den kalkulierten Gewinn. Die Klägerin durfte die Überschrift in dem von der Beklagten vorgeschriebenen Formblatt 221 "Wagnis und Gewinn" dahin verstehen, dass mit dieser Kostenposition der für das allgemeine Unternehmerrisiko kalkulierte Zuschlag angegeben werden sollte. Hierfür spricht insbesondere, dass in dem Formblatt zwischen Wagnis und Gewinn nicht gesondert unterschieden wird und die so ermittelten Zuschläge zur Ermittlung der Einheitspreise im Formblatt 223 auf die für die angebotenen Teilleistungen ermittelten Herstellungskosten jeweils aufzuschlagen waren. Daraus folgt, dass es sich bei der Position "Wagnis und Gewinn" nicht um Kosten handelt, die lediglich ein im Hinblick auf eine bestimmte Teilleistung bestehendes Wagnis abgelten sollen. Die hierfür kalkulierten Kosten der Klägerin sind damit infolge der Kündigung der Beklagten nicht im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B erspart.
- 30
- Auf den zwischen den Parteien streitigen Umstand, wie der Zuschlag für Wagnis und Gewinn im vorliegenden Fall weiter aufzuschlüsseln wäre, kommt es nicht entscheidend an. Anhaltspunkte dafür, dass in die Vergütung der Klägerin ein auf eine Vertragsleistung bezogenes Einzelwagnis einkalkuliert gewesen ist, das bei Nichtausführung der Leistung als ersparte Aufwendung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Abzug zu bringen wäre, bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
III.
- 31
- Das angefochtene Urteil kann aus den unter II. 2. c) genannten Gründen keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Parteien die VOB/B als Ganzes vereinbart haben und § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB damit einer Inhaltskontrolle entzogen sind. Ist dies nicht der Fall und die Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet,sind die Bestimmungen in § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 226/05, BauR 2007, 1404, 1406, juris Rn. 21 = NZBau 2007, 581; Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346, 347 f., juris Rn. 9; Urteil vom 9. Oktober 2001 - X ZR 153/99, BauR 2002, 775, 776, juris Rn. 10; Urteil vom 19. März 1998 - VII ZR 116/97, BGHZ 138, 176, 178, juris Rn. 14; Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86, BGHZ 101, 357, 363 ff., juris Rn. 21 ff.). Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 25.04.2014 - 18b O 30/14 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.07.2015 - I-5 U 53/14 -
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.