Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 16. März 2018 - 5 U 191/16

bei uns veröffentlicht am16.03.2018

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.09.2016, Az. 328 O 87/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH (nachfolgend: Insolvenzschuldnerin), das aufgrund eines Gläubigerantrags vom 30.11.2012 durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 07.05.2013 eröffnet wurde (Anlage K1).

2

Der Kläger nimmt den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gemäß § 64 S. 1 GmbHG auf Ersatz von € 323.434,50 nebst Zinsen wegen Zahlungen in Anspruch, die im Zeitraum vom 11.02.2010 bis 20.05.2010 aus der Kasse bzw. von Konten der Insolvenzschuldnerin veranlasst wurden. Wegen der Einzelheiten der Zahlungsdaten wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, dort Seiten 4 bis 9 nebst Anlage K2 Bezug genommen.

3

Der Beklagte war seit der Gründung der Insolvenzschuldnerin am 20.04.2009 ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war der Import und Export von Waren aller Art. Die Insolvenzschuldnerin unterhielt eine Kasse für Bargeld sowie Geschäftskonten bei der Commerzbank AG, der Postbank AG sowie der Deutschen Bank Privat- und Geschäftskunden AG.

4

Im Juli 2009 nahm die Insolvenzschuldnerin bei Herrn S. N. (Moskau/Russland) ein Darlehen in Höhe von € 130.000,00 auf. Im September 2009 erhielt die Insolvenzschuldnerin zwei Darlehen in Höhe von jeweils USD 500.000,00 des russischen Unternehmens P. (Klageerwiderung, Seite 3).

5

Am 15.09.2009 wurde auf dem seinerzeit bei der Dresdner Bank AG in USD geführten Fremdwährungskonto der Insolvenzschuldnerin eine Gutschrift in Höhe von USD 500.000,00 (Gegenwert: € 348.845,32) aus einer Überweisung der P. (Moskau/Russland) verbucht. Am 25.09.2009 folgte eine zweite Gutschrift in Höhe von USD 500.000,00 (Gegenwert: € 340.136,05) aus einer weiteren Überweisung der P. (Moskau/Russland). Im Jahresabschluss 2009 der Insolvenzschuldnerin vom 24.01.2012 wurden das Darlehen in Höhe von € 130.000,00 und die Summe der Gegenwerte beider USD-Darlehen in Höhe von € 688.981,37 als Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin ausgewiesen. Ob diese Darlehen als Scheingeschäfte zu würdigen und daher nicht zu bilanzieren sind, ist streitig. Der Beklagte erstellte zum 31.12.2009 eine schriftliche Fortbestehensprognose der Insolvenzschuldnerin nicht.

6

Der Klage der P. gegen die Insolvenzschuldnerin und den Beklagten auf Rückzahlung des o.g. Darlehen wurde durch Urteil vom 29.12.2010 (Landgericht Hamburg, 319 O 20/10) stattgegeben. Im Berufungsverfahren (HansOLG Hamburg, 13 U 30/11) wurde sodann mit dem Teilurteil vom 18.11.2015 (Anlage B19) nur die Klage gegen den Beklagten persönlich abgewiesen, weil eine Haftung des Beklagten gegenüber den Darlehensgebern nicht in Betracht kommt.

7

Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei am 31.12.2009 überschuldet gewesen (Überschuldungsbilanz per 31.12.2009, Anlage K11) und diese Überschuldung habe zur Zeit der streitgegenständlichen Zahlungen vom 11.02.2010 bis 20.05.2010 fortbestanden.

8

Eine positive Fortführungsprognose habe nicht bestanden, weil auch im Folgejahr 2010 unstreitig ein Jahresfehlbetrag von € 207.362,57 erzielt wurde (Jahresabschluss 31.12.2010, Anlage K7).

9

Der Beklagte habe gegen seine Verpflichtung zur Prüfung einer Überschuldung und seine Insolvenzantragspflicht aus § 15a Abs. 1 S. 1 InsO verstoßen. Die Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen sei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar. Die Verletzung der Pflicht zur wirtschaftlichen Selbstkontrolle sei mindestens fahrlässig erfolgt.

10

Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 323.434,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

12

Der Beklagte hat behauptet, die Überschuldungsbilanz der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 (Anlage K11) sei unrichtig, weil sie Verbindlichkeiten i.H.v. € 130.000,00 und € 688.981,37 enthalte, die tatsächlich nicht bestünden, weil die bilanzierten Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von USD 1 Mio und € 130.000,00 auf Scheingeschäften beruhten. Die Darlehensverträge der Insolvenzschuldnerin mit beiden Darlehensgebern seien als Scheingeschäfte zu würdigen, weil die unstreitig dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin am 15.09.2009 und 25.09.2009 in Höhe von jeweils USD 500.000,00 gutgeschriebene Darlehensvaluta durch zwei Zahlungen einer Prokuristin der Insolvenzschuldnerin am 15.09.2009 in Höhe von USD 350.000,00 (Gegenwert: € 239.989,03) und am 25.09.2009 in Höhe von weiteren USD 350.000,00 (Gegenwert: € 237.014,97) veruntreut und an die E. Consulting Group, ein den/dem Darlehensgeber(n) verbundenes Unternehmen, weitergeleitet worden sei, sodass der Insolvenzschuldnerin faktisch nur ein Teilbetrag der Darlehensvaluta in Höhe von € 130.000,00 und USD 300.000,00 zur freien Verfügung gestanden habe. Der Beklagte habe unverzüglich im Herbst 2009 Ermittlungen der Staatsanwaltschaft einleiten lassen (Strafanzeige des Justiziars H. der Insolvenzschuldnerin vom 11.11.2009, Anlage B2). Auch das OLG Hamburg habe die Rechtsansicht vertreten, dass keinerlei Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin bestünden (13 U 30/11 – Teilurteil vom 18.11.2015, Anlage B19). Jedenfalls seien die Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin durch Aufrechnung erloschen.

13

Zudem seien Aktiva der Insolvenzschuldnerin nicht oder unvollständig ausgewiesen. Die Ansprüche der Insolvenzschuldnerin auf Rückzahlung der veruntreuten Darlehensvaluten vom 15.09.2009 in Höhe von USD 350.000,00 (Gegenwert: € 239.989,03) und vom 25.09.2009 in Höhe von weiteren USD 350.000,00 (Gegenwert: € 237.014,97) seien in die Überschuldungsbilanz als Forderungen der Insolvenzschuldnerin aufzunehmen.

14

Es habe auch eine positive Fortführungsprognose bestanden, die sich in der Gewährung von Darlehen verschiedener Darlehensgeber manifestiere. Das Unternehmenskonzept der Insolvenzschuldnerin habe die Anpassung einer umfangreichen Software vorgesehen, bei der eine Vorlaufzeit von 3 Jahren eingeplant gewesen sei, bevor die Gewinnzone habe erreicht werden sollen. Durch die Veruntreuung der Darlehensvaluta und technische Verzögerungen bei der Softwareentwicklung habe zum Jahreswechsel 2009/2010 eine besondere Situation bestanden, der ursprüngliche Zeitplan sei nicht mehr zu halten gewesen. Der Beklagte sei Opfer von Straftaten geworden und habe versucht, die Transaktionen aufzuklären und die Softwareprobleme zu lösen.

15

Wegen der Einzelheiten des weitergehenden erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

16

Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 23.09.2016, auf das im übrigen verweisen wird, stattgegeben und den Beklagten zur Zahlung von € 323.434,50 nebst Zinsen verurteilt, weil die Überschuldungsbilanz per 31.12.2009 (Anlage K5) auch unter Berücksichtigung der gebotenen Berichtigungen auf Aktivseite eine Überschuldung ausweise. Die Verbindlichkeiten i.H.v. € 688.981,37 und € 130.000,00 seien auf der Passivseite zutreffend berücksichtigt. Der Beklagte habe die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts i.S.d. § 117 BGB schon deshalb nicht hinreichend dargelegt, weil die Valutierung der Darlehen tatsächlich erfolgte. Das Teilurteil des HansOLG (13 U 30/11, Anlage B19) wirke nur inter partes. Ein Erlöschen der Darlehensverbindlichkeiten durch Aufrechnung sei nicht hinreichend vorgetragen.

17

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klagabweisungsantrag weiter.

18

Er wiederholt seine erstinstanzliche Rechtsansicht, eine Überschuldung habe nicht vorgelegen, weil die Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt € 818.981,37 nicht zu bilanzieren seien. Die Darlehensverträge seien aufgrund der zügigen Veruntreuung eines Teils der Darlehensvaluta zugunsten der Darlehensgeber als Scheingeschäfte zu würdigen. Es sei von den Darlehensgebern von vornherein nicht beabsichtigt gewesen, die Darlehensvaluta der Insolvenzschuldnerin endgültig zur Verfügung zu stellen.

19

Der Beklagte rügt, das Landgericht habe zu Unrecht die Beiziehung einer vom Beklagten bezeichneten Gerichtsakte - OLG Hamburg, 13 U 30/11 - und der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg - 5511 Js 315/09 - unterlassen. Die Hintergründe der Scheingeschäfte seien zentraler Gegenstand des hier geführten Rechtsstreits und nur schwer nachzuvollziehen, wenn man den Inhalt jener umfangreichen Gerichtsakte - OLG Hamburg, 13 U 30/11 - nicht kenne. Es sei dem Beklagtenvertreter unmöglich, den dortigen mehrjährigen Prozessverlauf im vorliegenden Verfahren schriftsätzlich vorzutragen. Das Landgericht hätte die Akten beiziehen müssen und dann die Hintergründe nachvollziehen können. In fünfjähriger Prozessdauer des Berufungsverfahrens hätten wechselnde Vorsitzende des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts wiederholt auf die fehlende Substantiierung des dortigen Klägervortrags zum Abschluss der Darlehensverträge hingewiesen.

20

Das Landgericht verneine zu Unrecht die zumindest indizielle Wirkung jenes Berufungsurteils (Anlage B19) für das vorliegende Verfahren und verkenne, dass es wirtschaftlich unsinnig wäre, ein sofort fälliges Darlehen bei einer nicht existierenden Firma aufzunehmen und die Gelder mit langfristiger Laufzeit weiter zu verleihen, um bei einer in Dubai ansässigen Firma eine Software in einer nicht existierenden Programmiersprache entwickeln zu lassen.

21

Zudem habe das Landgericht die Vermögenswerte der Insolvenzschuldnerin unzutreffend bewertet. Wenn die Prokuristin der Insolvenzschuldnerin die Darlehensvaluta nicht veruntreut, sondern an ein drittes Unternehmen in Dubai als Darlehen ausgereicht hätte, müsse diese Darlehensforderung der Insolvenzschuldnerin genau wie ihre Darlehensverbindlichkeiten mit 100% oder wahlweise mit 50% des Nominalbetrags der Forderung, jedenfalls nicht nur mit den im angefochtenen Urteil angesetzten Wert von 20% aktiviert werden.

22

Das Landgericht berücksichtige in der Überschuldungsbilanz per 31.12.2009 zu Unrecht auch die jüngeren Erkenntnisse des Klägers aus der Aufklärung der Transaktionen. Maßgeblich für die Prüfung der objektiven Überschuldung der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 sei der Kenntnisstand des Beklagten im Dezember 2009. Im Dezember 2009 sei der Beklagte noch mit der Aufklärung der Hintergründe beschäftigt gewesen.

23

Zu Unrecht habe das Landgericht eine positive Fortbestehensprognose der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 verneint. Es habe verkannt, dass das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin sich seinerzeit in der Aufbauphase befunden habe und die Unterschlagungen erst mühevoll aufgeklärt werden mussten. Am 31.12.2009 sei ungeklärt gewesen, was geschehen sei und welche Vermögenswerte zurückerlangt werden könnten. Hätte der Beklagte einen Insolvenzantrag gestellt, wäre dieser mangels Masse abgewiesen und die Unterschlagungen nicht verfolgt worden. Zudem verkenne das Landgericht, dass Verzögerungen bei der Softwareentwicklung immer zur Verschiebung des Zeitpunktes führten, ab dem das operative Geschäft aufgenommen werde und erste Einnahmen flössen. Wenn jede Verzögerung der Aufnahme des operativen Geschäfts nach einer Unternehmensgründung und der damit zwangsläufig verbundene Liquiditätsengpass tatsächliche eine Insolvenzantragspflicht auslösen würde, würden erheblich weniger Unternehmen existieren.

24

Auch beim Verschulden des Beklagten lege das Landgericht zu Unrecht den Kenntnisstand des Klägers zu späteren Zeitpunkten zugrunde. Die vom Landgericht geforderte Einholung von Expertenrat zur Frage der Überschuldung hätte dem Beklagten keinen Erkenntnisgewinn gebracht. Die Schwierigkeit der rechtlichen Würdigung der Darlehensverträge zeige sich in dem vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht geführten Berufungsverfahren - 13 U 30/11 -. Auch die Erfolgsaussichten einer technischen Lösung der internationalen Softwareproblematik hätte kein deutscher Experte beurteilen können.

25

Der Beklagte beantragt,

26

unter Abänderung des am 23.09.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Aktenzeichen 328 O 87/15, die Klage abzuweisen.

27

Der Kläger beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen.

29

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

30

Das Landgericht habe zutreffend eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin bejaht. Diese ergebe sich aus der aktuellen Version der klägerseits veranlassten Überschuldungsbilanz der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 (Anlage K5 statt Anlage K11).

31

Der Sachvortrag des Beklagten zu Darlehen als Scheingeschäften sei nicht entscheidungserheblich. Ausweislich einer weiteren Überschuldungsbilanz per 31.12.2009 (Anlage K 13), die auch den streitigen Beklagtenvortrag, die Darlehensvaluta von USD 1 Mio sei i.H.v. USD 700.000,00 durch eine Prokuristin der Insolvenzschuldnerin veruntreut worden, fiktiv berücksichtigt, ergebe sich gleichwohl eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin in Höhe von € 465.555,71 per 31.12.2009.

32

Die Forderungen der Insolvenzschuldnerin gegen die E. Consulting Group hätte nicht mit 20% aktiviert werden dürfen, sondern mit Null bewertet werden müssen.

33

Die Beiziehung der Akte des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 13 U 30/11 - oder eine Beweisaufnahme seien nicht geboten gewesen. Der Antrag auf Beiziehung einer Gerichtsakte könne den fehlenden Sachvortrag zu vermeintlichen Scheingeschäften nicht ersetzen.

34

Das Teilurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18.11.2015 (Anlage B19) betreffe nicht das Verhältnis zur Insolvenzschuldnerin, sondern verneine einen Anspruch gegen den Beklagten persönlich.

II.

35

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einem Rechtsfehler beruht und gemäß § 529 Abs. 1 ZPO abweichend von der ersten Instanz zugrunde zu legende Tatsachen fehlen.

36

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht den Beklagten mit dem angefochtenen Urteil zur Zahlung in Höhe von € 323.434,50 nebst tenorierter Zinsen an den Kläger verurteilt. Der Kläger hat - in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin - gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von € 323.434,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 21.05.2015. Der Anspruch ergibt sich aus § 64 S. 1 GmbHG. Gemäß § 64 Satz 1 GmbHG sind die (ehemaligen) Geschäftsführer einer Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Vorliegend war die Insolvenzschuldnerin bei Vornahme der streitgegenständlichen Zahlungen überschuldet. Die Zahlungen waren auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG vereinbar.

1.

37

Der Beklagte war seit der Gründung der Insolvenzschuldnerin am 20.04.2009 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ihr einziger und alleiniger Geschäftsführer.

2.

38

Die Insolvenzschuldnerin war per 31.12.2009 überschuldet.

39

Gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 InsO liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Für die Aufstellung der Überschuldungsbilanz sind nach § 19 Abs. 2 InsO in der Fassung aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl. I S. 2026), in Kraft getreten am 01.11.2008, stets Liquidationswerte maßgeblich. Ergibt sich danach eine rechnerische Überschuldung, liegt eine Überschuldung nach § 19 Abs. 2 S. 1, Hs. 2 InsO gleichwohl nicht vor, wenn eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist. Anderenfalls steht auch die insolvenzrechtliche Überschuldung fest. Voraussetzungen der Überschuldung sind danach die bilanzielle Überschuldung (dazu sogleich lit a) sowie eine negative Fortführungsprognose (dazu sodann lit. b).

a)

40

Die Insolvenzschuldnerin war per 31.12.2009 rechnerisch überschuldet.

41

Der darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat die haftungsbegründend geltend gemachte Überschuldung der Insolvenzschuldnerin hinreichend schlüssig dargetan, indem er nicht nur auf den Jahresabschluss und die Handelsbilanz der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 (Anlage K3) verweist, sondern die von ihm veranlasste Überschuldungsbilanz per 31.12.2009 (Anlage K11) vorlegt. Diese Überschuldungsbilanz per 31.12.2009 weist eine Überschuldung in Höhe von € 942.559,71 aus.

42

Verweist der klagende Insolvenzverwalter schlüssig auf den handelsbilanziell nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag und legt er dar, dass im Vermögen der Insolvenzschuldnerin stille Reserven nicht vorhanden sind, obliegt es dem beklagten Geschäftsführer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Wertaufhellungen nicht abgebildet sind (BGH, Urteil vom 19.11.2013 – II ZR 229/11, ZIP 2014, 168). Die Konsequenz der höchstrichterlich entwickelten Darlegungserleichterungen zu Gunsten des klagenden Insolvenzverwalters, der sich für die Darlegung der Überschuldung auf die Handelsbilanz der Gesellschaft stützen kann, ist es gerade, dass es in Ansehung der vom Geschäftsführer bei Aufstellung der Handelsbilanz noch für zutreffend gehaltenen Bewertungen dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer obliegt, darzulegen, warum im Rahmen der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung einzelne Bilanzansätze zu Gunsten der Gesellschaft nunmehr doch abweichend zu beurteilen sein sollten.

43

Der Beklagte meint im Wesentlichen, die vom Kläger aufgestellte Überschuldungsbilanz sei deshalb unzutreffend, weil sie zu Unrecht drei Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin in Höhe von insgesamt € 818.981,37 ausweise. Hinsichtlich der Darlehen behauptet der Beklagte, diese Darlehensverbindlichkeiten hätten tatsächlich nicht bestanden, weil die Darlehensvaluta der Insolvenzschuldnerin faktisch nicht länger als einen Tag zur Verfügung gestanden habe, sondern teilweise durch eine Prokuristin der Insolvenzschuldnerin an die E. Consulting Group weitergeleitet worden sei. Daher hätten die Darlehensverbindlichkeiten - entgegen seiner eigenen Bilanzierung in der Handelsbilanz per 31.12.2009 - nicht in der Überschuldungsbilanz ausgewiesen werden dürfen.

44

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht diese Rechtsverteidigung des Beklagten für unerheblich gehalten und die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin ohne Beweisaufnahme oder Beziehung vom Beklagten bezeichneter Gerichtsakten festgestellt.

45

Die Vorlage des Teilurteils des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 18.11.2015 - 13 U 30/11 - (Anlage B19) spricht nicht, auch nicht indiziell, für das Nichtbestehen der bilanzierten Darlehensforderung gegen die Insolvenzschuldnerin. Im Gegenteil, erstinstanzlich ist die Insolvenzschuldnerin mit Urteil vom 29.12.2010 (Landgericht Hamburg, 319 O 20/10) neben dem Beklagten zur Rückzahlung der Darlehen verurteilt worden. Im Berufungsverfahren ist sodann mit dem Teilurteil vom 18.11.2015 (Anlage B19) nur die Klage gegen den Beklagten persönlich abgewiesen worden, weil eine Haftung des Beklagten gegenüber den Darlehensgebern, ohne dass es auf den Bestand der Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin ankommt, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt (Anlage B19, Seite 3, letzter Absatz). Zum Bestehen der streitigen Darlehensforderung gegen die Insolvenzschuldnerin verhält sich das Teilurteil mithin ausdrücklich nicht.

46

Der Sachvortrag des Klägers zu Darlehen als (teilweisen) Scheingeschäften ist bereits nicht entscheidungserheblich, weil die bilanzielle Überschuldung das Volumen der etwa veruntreuten Darlehensvaluta weit übersteigt. Der Kläger hat mit der Berufungserwiderung eine fiktive Überschuldungsbilanz (Anlage K 13) vorgelegt, die den streitigen Beklagtenvortrag, die Darlehensvaluta in Höhe von USD 1 Mio sei teilweise i.H.v. USD 700.000,00 durch eine Prokuristin veruntreut worden und nur der Restbetrag habe dem Unternehmen der Insolvenzschuldnerin zur Verfügung gestanden, berücksichtigt und immer noch eine Überschuldung von € 465.555,71 ausweist.

47

Allerdings ist die Regressforderung der Insolvenzschuldnerin gegen die E. Consulting Group in Höhe von nominal € 477.004,00 nicht mit Null zu bewerten, wie der Kläger dies in Anlage K13 vornimmt. Ebenso erscheint die vom Beklagten vertretene Bilanzierung mit 100% des Nominalwertes der Forderung bilanzrechtlich nicht vertretbar. Die Einzelrichterin schließt sich der Würdigung des Landgerichts im angefochtenen Urteil an. Das Landgericht bewertet die Forderungen der Insolvenzschuldnerin gegen die E. Consulting Group in der angefochtenen Entscheidung überzeugend und gut nachvollziehbar wegen der zweifelhaften Erfolgsaussicht der Durchsetzung deliktischer Ansprüche aus Wirtschaftsstraftaten in Dubai und Russland mit 20% von € 477.004,00, mithin mit € 95.400,80. Denn nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraus, dass die Forderung einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist (BGH, Urteil v. 19.11.2013, a.a.O.). Das Gebot einer vorsichtigen Bewertung streitiger Forderungen im Rahmen der Überschuldungsprüfung wird auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten (OLG Schleswig, Urteil vom 11.02.2010, 5 U 60/09 - zitiert nach beck-online.de), es deckt sich im Übrigen auch mit der Rechtsprechung des BGH, wonach eine Bilanzierung auch handelsbilanziell nur dann und insoweit zulässig ist, als Bestehen und Durchsetzbarkeit des Anspruchs nicht ernstlich zweifelhaft sind (BGH, Urteil vom 23.4.2012, II ZR 252/10). Für die im Rahmen der Prüfung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung entsprechende Anwendung der Grundsätze vorsichtiger Bewertung spricht namentlich, dass es im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß § 19 InsO erst Recht um die realistische Beurteilung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft und insofern in erster Linie um den Gläubiger- und Verkehrsschutz geht. Mit Blick hierauf muss eine Überbewertung von Vermögensgegenständen vermieden werden, die eine unzutreffende Verneinung der Insolvenzreife zur Folge hätte. Ziel der insolvenzrechtlichen Überschuldungsprüfung ist vielmehr eine realistische Einschätzung der bilanziellen Verhältnisse, was insofern im Rahmen des § 19 InsO dazu führt, dass im Falle einer streitigen, nicht durchsetzbaren oder im Ausland zu vollstreckenden Forderung auch die reale Möglichkeit eines vollständigen Forderungsausfalls zu berücksichtigen ist. Für eine geringere prozentuale Wertberichtigung fehlt jede praktikable Grundlage, vielmehr kann durch eine derartige Wertberichtigung gerade die zweifelhafte wirtschaftliche Werthaltigkeit der Forderung abgebildet werden. Schließlich kann es unter der Zielsetzung des Gläubiger- und Verkehrsschutzes auch nicht allein der eigenen Einschätzung des Geschäftsführers überlassen werden, eine der Sache nach gebotene Wertberichtigung abzulehnen und hierdurch über die Insolvenzreife der Gesellschaft zu disponieren.

48

Hiernach ergibt sich - unter Zugrundelegung der entsprechenden Korrektur der Anlage K13 um € 95.400,80 - eine bilanzielle Überschuldung der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 in Höhe von mindestens € 465.555,71 - € 95.400,80 = € 370.154,91. Auf die zwischen den Parteien weiter streitigen Bilanzansätze zum 31.12.2009 kommt es nach alledem nicht mehr entscheidungserheblich an.

49

Zu Recht hat das Landgericht auch die Beziehung der Gerichtsakte des vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg geführten Verfahrens - 13 U 30/11 - und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte - 5511 Js 315/09 - unterlassen. Der Verweis des Beklagten auf das dortige Aktenzeichen ersetzt auch bei umfangreichen Gerichtsakten den substantiierten Sachvortrag des Beklagten nicht.

b)

50

Eine positive Fortführungsprognose, für die im Anwendungsbereich des § 64 S. 1 GmbHG der Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig ist (BGH, Urt. v. 18.10.2010 – II ZR 151/09 - zitiert nach beck-online.de), setzt grundsätzlich voraus, dass der Geschäftsführer davon ausgehen darf, dass das Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Krise nach dem Willen der Gesellschafter fortgeführt werden soll und dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten jedenfalls in der nächsten Zeit, im Allgemeinen mindestens bis zum Ende des laufenden und des folgenden Geschäftsjahrs, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wird erfüllen können. Die Fortführungsprognose ist danach im Kern eine Zahlungsfähigkeitsprognose, die einer nachvollziehbaren Vermögens, Finanz- und Ertragsplanung bedarf. Gemessen hieran liegen ausreichende Darlegungen des Beklagten nicht vor. In den Geschäftsjahren 2009 und 2010 hat die Insolvenzschuldnerin planmäßig Fehlbeträge erwirtschaftet. Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten traten zu der - für drei Jahre geplanten - Erzielung von Fehlbeträgen schwerwiegende unvorhergesehene Komplikationen hinzu, die neben der behaupteten Veruntreuung von Darlehensmitteln der Insolvenzschuldnerin i.H.v. USD 700.000,00 auch den ureigenen technischen Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin, nämlich unlösbare technische Probleme bei der beabsichtigten Anpassung einer umfangreichen Software, betrafen. Selbst wenn der Beklagte als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin einen ungebrochenen und unbefristeten Fortführungswillen besessen hätte, ergab sich aus den unvorhersehbaren und seinerzeit unlösbaren technischen Problemen der Softwareentwicklung und dem Fehlen der Liquidität i.H.v. USD 700.000,00, dass die zeitnahe Fertigstellung der Software weder technisch noch finanziell zu leisten war und sich der Zeitpunkt, zu dem die Insolvenzschuldnerin überhaupt erstmals Einnahmen aus ihrer Softwareentwicklung erzielen würde, erheblich verzögerte. Der Zeitpunkt der - ursprünglich für das 4. Geschäftsjahr prognostizierten - Gewinnerzielung verschob sich unabsehbar.

51

Somit sind objektive Anhaltspunkte für eine mögliche positive Entwicklung der Insolvenzschuldnerin seit dem 31.12.2009 nicht vorgetragen. Damit fehlte es insbesondere an einer belastbaren Planung dazu, wie die ausweislich der Handelsbilanz der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2009 aufgenommenen jedenfalls sechsstelligen Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin jemals absehbar hätten zurückgeführt werden können. Denn unstreitig war die Softwareentwicklung bereits vor der Insolvenzantragstellung ins Stocken geraten.

c)

52

Hiernach bestehen eine objektive bilanzielle Überschuldung i.H.v. € 370.154,91 per 31.12.2009 und eine negative Fortbestehensprognose. Bei der Feststellung der objektiven Überschuldung per 31.12.2009 ist die Rechtsverteidigung des Beklagten, er habe den Sachverhalt zunächst aufklären und per 31.12.2009 noch keine subjektive Kenntnis sämtlicher Umstände besessen, unerheblich.

3.

53

Die als solche im Gesamtbetrag von € 323.434,50 unstreitigen Zahlungen der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum vom 11.02.2010 bis 20.05.2010 (Klageschrift Seite 4-9 nebst Anlage K2) waren auch nicht gemäß § 64 S. 2 GmbHG mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar.

54

Privilegiert sind – zusätzlich zu Zahlungen auf strafbewehrte Zahlungsverpflichtungen des Geschäftsführers – insbesondere Zahlungen im Austausch für eine vollwertige und zeitnahe Gegenleistung sowie Zahlungen, durch die aus ex-ante-Sicht im Einzelfall größere Nachteile für die Masse abgewendet werden. Substanziierter Vortrag des insoweit darlegungsbelasteten Beklagten ist hierzu nicht erfolgt und liegt auch fern. Soweit die knappen Buchungstexte der streitgegenständlichen Zahlungen (Klageschrift Seite 4-9) überhaupt nachvollziehbar sind, handelt es sich um Bewirtungs- und Reisekosten des Beklagten persönlich sowie Anwalts- und Gerichtskosten für unbenannte Verfahren. Ein Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen aus dem zeitnahen Abschluss des Softwareentwicklungsprojekts ist nicht ansatzweise dargetan. Die Berücksichtigung solcher Zahlungen zu Lasten der Aktivmasse der Gesellschaft kommt nicht in Betracht, weil hiermit kein Massezufluss verbunden ist.

4.

55

Die Verletzung der dem Beklagten als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin obliegenden Verpflichtung zur Erhaltung der Masse erfolgte auch schuldhaft. Der Ersatzanspruch aus § 64 S. 1 GmbHG setzt ein Verschulden voraus, wobei Fahrlässigkeit genügt (BGH, Urteil vom 06.06.1994, II ZR 292/91 - zitiert nach beck-online.de). Haftungsbegründend ist deshalb bereits die Erkennbarkeit der Insolvenzreife, die ihrerseits vermutet wird, wobei die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erkennbarkeit den in Anspruch genommenen Geschäftsführer trifft (BGH, Urt. v. 29.11.1999, II ZR 273/98).

56

Das Verschulden entfällt, wenn ein Geschäftsführer sich aufgrund eingeholter, aber fehlerhafter Beratung in einem nicht vorwerfbaren Irrtum bezüglich der Insolvenzreife der Gesellschaft befunden hätte. Dabei gilt ein strenger Maßstab, nach dem der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer nur dann entschuldigt wäre, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen und für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen und hiernach keine Insolvenzreife festzustellen war. Das Prüfergebnis ist zudem nach der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters auf Plausibilität zu überprüfen (BGH, Urteil vom 27.3.2012 – II ZR 171/10), die bei der übersichtlichen Finanzlage der Insolvenzschuldnerin per 31.12.2009 eine Überschuldung deutlich erkennen ließ. Der Beklagte hat sich insofern nicht hinreichend entlastet.

57

Vorliegend war die Überschuldung der Insolvenzschuldnerin für den Beklagten bereits per 25.09.2009 erkennbar, nachdem die durch Gutschrift der Darlehensvaluta in Höhe von zweimal USD 500.000,00 auf dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin am 15.09.2009 und 25.09.2009 gewonnene Liquidität sogleich durch zweifache Belastungen von Überweisungsbeträgen in Höhe von USD 350.000,00 am 15.09.2009 und 25.09.2009 entzogen war. Die Insolvenzschuldnerin haftet für die Rückzahlung der Darlehensvaluta an den/die Darlehensgeber, kann die entzogene Liquidität jedoch nicht in ihrem Geschäftsbetrieb einsetzen, auch die Rückerlangung der entzogenen Liquidität ist zweifelhaft. Bei überschlägiger Kalkulation der Aktiva und Passiva der Insolvenzschuldnerin, die der sehr übersichtlichen Bilanz zum 31.12.2009 (Anlage K3) entsprochen hätte, hätte sich ein sechsstelliger nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag der Insolvenzschuldnerin ergeben, wobei der Beklagte jedenfalls wusste, dass die Insolvenzschuldnerin unlösbare technische Softwareprobleme hatte und ihr auf unerklärliche Weise Liquidität in Höhe von USD 700.000,00 entzogen worden war, sodass sie auch künftig über einen Zeitraum von mehreren Jahren keine Umsatzerlöse aus dem beabsichtigten Softwareentwicklungsprojekt erzielen würde. Danach spricht einiges dafür, dass der Beklagte die insolvenzrechtliche Überschuldung der Insolvenzschuldnerin nicht nur erkennen konnte, sondern sogar positiv erkannt oder jedenfalls ohne weiteres für möglich gehalten hat, die Voraussetzungen für eine fehlende Erkennbarkeit der Insolvenzreife erschließen sich jedenfalls nicht.

58

Das relevante Krisenanzeichen, das dem Beklagten als Geschäftsführer dringende Veranlassung zur Prüfung der Überschuldung und Insolvenzreife geben musste, war die - nach seiner Angabe - für ihn unerklärliche und nicht nachvollziehbare Veranlassung zweier sechsstelliger Überweisungen binnen weniger Tage zu Lasten des Geschäftskontos der Insolvenzschuldnerin.

59

Nach Kontrolle der Kontoauszüge per 15.09.2009 und 25.09.2009 hatte es sich dem Beklagten bereits im Jahresverlauf 2009 aufdrängen müssen, dass eine Krise eingetreten und die Lebensfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bereits in diesem Jahr nicht aufrechtzuerhalten war.

60

Der Beklagte kann sich auch nicht unter Hinweis darauf exkulpieren, dass um die Jahreswende 2009/2010 der Sachverhalt noch unerklärlich erschien und er daher zu diesem unklaren Sachverhalt noch keinen Rechtsrat habe einholen können.

61

Die bilanzrechtliche Bewertung der Darlehensverbindlichkeiten der Insolvenzschuldnerin zu 100% der Nominalbetrages des Darlehensbetrages lag - unter dem bilanzrechtlichen Grundsatz der kaufmännischen Vorsicht - auf der Hand und war weder tatsächlich noch rechtlich besonders schwierig. Ein hypothetisch zum Jahresende 2009 konsultierter Rechtsanwalt hätte dem Beklagten mitgeteilt, dass eine Darlehensverbindlichkeit spätestens nach Vollvalutierung des gesamten Darlehensbetrages entsteht, die hier durch Überweisung auf das Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin erfolgt und daher in deren Bilanz als Verbindlichkeit einzustellen ist, und zwar mitnichten nur zu 50% und mitnichten erst nach erstinstanzlicher Verurteilung der Insolvenzschuldnerin zur Rückzahlung des Darlehens (Berufungsbegründung, S. 23). Eine besondere Schwierigkeit der Beurteilung dieser Sach- und Rechtslage ergibt sich nicht aus der späteren Veruntreuung der Darlehensvaluta und auch nicht - ex post - aus dem späteren Verlauf des vor dem Landgericht Hamburg geführten Zivilprozesses der Darlehensgeber gegen die Insolvenzschuldnerin. Das Landgericht Hamburg hat die Insolvenzschuldnerin zur Rückzahlung der Darlehen verurteilt (Landgericht Hamburg, 319 O 2/10). Die landgerichtliche Entscheidung und das Teilurteil des HansOLG Hamburg vom 18.11.2015 (13 U 30/11, Anlage B19) sind auch nicht „im Ergebnis komplett widersprüchlich“, denn das klagabweisende Teilurteil betrifft nur die Haftung des Beklagten persönlich und verhält sich zum Bestehen der Darlehensverbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin nicht. Die im Dezember 2009 zweifelhafte Bewertung der Werthaltigkeit der Rückforderungsansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen die E. Consulting Group gebietet aus kaufmännischer Vorsicht eine zurückhaltende Bewertung dieser Forderung.

5.

62

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

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Tenor 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2015 zu zahlen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen

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Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter die Erstattung von Zahlungen, die der Beklagte nach dem Eintritt der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin geleistet haben soll.

2

Die Firma B. I. & T. GmbH (im Folgenden: die „Schuldnerin“), deren Unternehmensgegenstand der Import und Export von Waren aller Art darstellte, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 20. April 2009 mit Sitz in H. gegründet (H. 1...). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war seit der Gründung der Schuldnerin der Beklagte.

3

Am 07. Mai 2013 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Hamburg als Anlage K1). Der Kläger wurde als Insolvenzverwalter bestellt.

4

Die Schuldnerin unterhielt eine Kasse und jeweils ein Konto bei der C... Bank AG, der P... Bank sowie der D... Bank Privat- und Geschäftskunden AG.

5

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit dem 31. Dezember 2009 überschuldet gewesen und habe nichtsdestoweniger im Zeitraum vom 11. Februar 2010 bis 20. Mai 2010 aus der Kasse bzw. den Konten der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 323.434,50 EUR getätigt; hier wird auf die Aufstellungen in der Klagschrift vom 10. Februar 2015 Seite 3ff. bzw. Bl. 3ff. d. A. bzw. Anlage K2 verwiesen. Zur Darlegung der Überschuldung bezieht sich der Kläger auf einen auf seine Veranlassung von dem Dipl.-Kfm. D. v. S. erstellten Überschuldungsstatus (Anlagen K 6), der nach Ansicht des Klägers per 31. Dezember 2009 eine Überschuldung der Schuldnerin in Höhe von 942.638,27 EUR ausweise.

6

Die Einzelansätze dieses Überschuldungsstatus entsprechen im Wesentlichen dem auf Veranlassung der Schuldnerin durch den Steuerberater M. K. am 24. Januar 2012 geprüften Jahresabschluss der Schuldnerin zum 30. Dezember 2009 (Anlage K 3), in dessen Bilanz ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 128.831,92 EUR ausgewiesen werde. Dieser Jahresabschluss sei allerdings dahingehend zu korrigieren, dass die unter „sonstige Verbindlichkeiten“ in Höhe von 688.981,37 EUR ausgewiesenen Darlehen mit 4,0% p.a. hätten verzinst werden müssen (korrigierte Bilanz als Anlage K4 und korrigierte Überschuldungsbilanz als Anlage K5).

7

Eine positive Fortführungsprognose hätte nicht mehr bestanden, da der Schuldnerin in der Folgezeit nicht gelungen sei, die Überschuldung zu beseitigen. Auch im Folgejahr habe ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 207.362,57 EUR bestanden (Jahresabschluss 2007 als Anlage K7).

8

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen, da er keinen Insolvenzantrag gestellt habe.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen der von diesem zum 31. Dezember 2009 erstellten Überschuldungsbilanzen sowie in dem erstellten Jahresabschluss unberücksichtigt gelassen, dass die Verbindlichkeit „Darl. A.-n.“ der Firma P. „A.-n.“ (im Folgenden: „P.“) in Höhe von insgesamt 688.981,37 EUR – zu Grunde lagen zwei Darlehen in Höhe von jeweils 500.000,00 USD, dessen Auszahlungsbetrag die Schuldnerin unstreitig erhalten hat (Anlage K8) – tatsächlich keine Verbindlichkeit darstelle. Vielmehr bestehe eine Rückzahlungsverpflichtung der Schuldnerin nicht, da es sich bei dem Darlehen über 1.000.000,00 USD sowie bei einem weiteren Darlehen in Höhe von 130.000,00 EUR um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Das Darlehen sollte von vorne herein nicht bei der Schuldnerin verbleiben, sondern unverzüglich an die Firma E. C. G. (im Folgenden: „E.“) in Dubai weitergeleitet werden. Hierbei habe die seinerzeitige Prokuristin der Schuldnerin zwei Zahlungen in Höhe von jeweils 350.000,00 USD (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR, Darlehensverträge vorgelegt als Anlagekonvolut B21) an die E. ohne Kenntnis des Beklagten weitergeleitet. Eine dritte Zahlung an die E. sei gescheitert. Nachdem zunächst in den Darlehensverträgen eine Laufzeit von einem Jahr vereinbart worden sei, hätten die Parteien dieses Geschäfts am selben Tag eine Zusatzvereinbarung geschlossen, denen zufolge die vereinbarte Laufzeit auf 10 Tage verkürzt worden sei (Anlagenkonvolut B23). Diese Auffassung bestätige auch ein Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Anlage B19), in dem der Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburgs, mit dem der Beklagte zu Zahlung von 1.000.000,00 USD aus den Darlehensverträgen über 500.000,00 USD verurteile worden war, stattgegeben.

14

Der Beklagte meint weiter, die P. habe die vermeintliche Darlehensforderung über die gesamten 1.000.000,00 USD an die E. abgetreten (Auszug der Darlehensvereinbarung als Anlage B24 und die Übersetzung als Anlage B25). Ihm sei zudem erzählt worden, dass das damalige Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD nicht von der P., sondern vielmehr von der Chairman der E. persönlich, ausgezahlt worden sei und die Prokuristin der Schuldnerin angewiesen worden sein soll, den Betrag nach Eingang auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin direkt auf das Konto der E. zu buchen.

15

Zudem seien Forderungen in Höhe von insgesamt 700.000,00 USD, der Betrag, den die damalige Prokuristin an die E. übermittelte, nicht in der Bilanz als Aktiva ausgewiesen. Es bestünde ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft.

16

In der Überschuldungsbilanz seien Forderungen aus dem Konto 1500 mit Null bewertet worden, obgleich sich der Beklagte bemüht habe, die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse aufzuklären.

17

Im Übrigen habe Ende 2009 eine positive Fortführungsprognose bestanden, was dadurch verdeutlicht werde, dass diverse Unternehmen der Schuldnerin verschiedene Darlehen gewährt hätten (beispielsweise Anlagenkonvolut B4 und B4a) und die Schuldnerin in der Lage gewesen sei, fällige Rechnungen zu begleichen. Auch der Beklagte selbst gewährte der Schuldnerin Ende 2010 ein Darlehen (Darlehensvertrag vom 01.11.2010 als Anlage B6), was er nicht getan hätte, wenn er nicht an die Verwirklichung seines Konzepts geglaubt hätte. Der Beklagte habe sich in 2009 und 2010 stets bemüht das Firmenkonstrukt umzusetzen und sei überzeugt gewesen, dass dies wirtschaftlich erfolgreich sein würde.

18

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

20

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf 323.434,50 EUR aus § 64 Satz 1 GmbHG.

21

Nach § 64 Satz 1 GmbHG ist grundsätzlich der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nach Satz 2 nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

1.

22

Die Schuldnerin war per 31. Dezember 2009 überschuldet.

23

Ob eine Gesellschaft überschuldet ist, bestimmt sich nach § 19 Abs. 2 InsO. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

24

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Überschuldung grundsätzlich durch Vorlage einer Überschuldungsbilanz darzulegen. Die Handelsbilanz hat dabei aber eine indizielle Bedeutung. Legt der Insolvenzverwalter eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, so hat er die Ansätze dieser Bilanz daraufhin zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte vorhanden sind (BGH, Urteil vom 16. März 2009, II ZR 280/07, Rn. 10, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, m.w.N., zitiert nach juris). Ist er diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Organmitglieds, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, in welchen Punkten stille Reserven oder sonstige für eine Überschuldungsbilanz maßgebliche Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

25

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger die Überschuldung der Schuldnerin ausreichend dargelegt. Es begegnet insofern keinen Bedanken, dass der Kläger die Überschuldungsbilanz auf der Grundlage der geprüfte Handelsbilanz der Schuldnerin vom 31. Dezember 2009 (Anlage K3) erstellt hat, denn den Bilanzansätzen einer Handelsbilanz kommt nämlich auch im Rahmen der Überschuldungsprüfung eine zumindest indizielle Bedeutung zu (vgl. oben). Der Kläger hat eine Überschuldungsbilanz zu Stichtag des 31. Dezember 2009 erstellen lassen, die eine rechnerische Überschuldung von 942.638,27 EUR ausweist (Anlage K5).

2.

26

Der Beklagte kann nur teilweise mit seinen Einwendungen gegen die maßgeblichen Werte der Überschuldungsbilanz durchdringen. Die Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 688.981,37 EUR für das „Darlehen A.-n.“ (hierzu a.) und in Höhe von 130.000,00 EUR für das „Darlehen Na.“ (hierzu b.) waren auf der Passivseite zu berücksichtigen. Die Forderungen in Höhe von 239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR gegen die E. (hierzu c.) sowie die Beträge des Kontos 1500 (hierzu d.) hätte allerdings auf der Aktivseite – wenn auch nicht zu ihrem vollen Wert – Berücksichtigung finden müssen. Nichtsdestoweniger war die Schuldnerin zum Stichtag rechnerisch mit über 800.000,00 EUR rechnerisch überschuldet.

a.

27

Das Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD bzw. 688.981,37 EUR war richtigerweise in der Handelsbilanz auf der Passivseite und somit in der Überschuldungsbilanz zum 31. Dezember 2009 unter den „Sonstigen Verbindlichkeiten“ zu berücksichtigen. Die Summe der Passiva ist demnach in der Überschuldungsbilanz korrekt mit 1.178.785,56 EUR ausgewiesen. Der Beklagte hat nicht hinreichend darlegen, dass es sich bei dem gewährten Darlehen der P. an die Schuldnerin um ein Scheingeschäft gehandelt hat (hierzu aa.) oder/und ob die Forderung der P. aufgrund einer Abtretung an die E. und deren Aufrechnung in einer anderen Weise in der Bilanz hätte Berücksichtigung finden müssen (hierzu bb.).

aa.

28

Die Voraussetzungen für ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, die das Rechtsgeschäft gemäß § 125 BGB nichtig werden lassen, sind nicht gegeben.

29

Ein Scheingeschäft im Sinne der Norm liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen (BGH, Urteil vom 25. November 2008, XI ZR 413/07, Rn. 31, zitiert nach juris BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60, Rn. 30, zitiert nach juris). Die kollusiv zusammenwirkenden Parteien haben insoweit für das Rechtsgeschäft keinen Rechtsbindungswillen.

30

Diese Anforderungen sind vorliegend allerdings nicht erfüllt. Hier haben die Parteien die Rechtsfolge – die Wirksamkeit des Darlehensvertrags und somit die Verpflichtung zur Auszahlung der Darlehenssumme – gerade gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht erreicht worden wäre. Den Parteien hat ein Scheingeschäft nicht genügt, sondern sie wollten mit ihren Willenserklärungen ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft erreichen (so auch: BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60 Rn. 30, zitiert nach juris). Es spricht gegen den Scheincharakter eines Rechtsgeschäfts, wenn der mit ihm erstrebte Zweck nur bei Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erreicht werden kann (BGH, a.a.O., Rn. 30, zitiert nach juris).

31

Selbst der Tatsachenvortrag der Beklagtenseite unterstellt, der „wahre“ Darlehensgeber war nicht die P., sondern der Geschäftsführer der E., so war nichtsdestoweniger von den jeweiligen Beteiligten gewollt, dass das Geld zunächst an die Schuldnerin ausgezahlt wird, wie es letztlich unstreitig auch passiert ist. Letztlich hätte in diesem Fall der Geschäftsführer der E. lediglich auf fremde Schuld gezahlt. Unklar bleibt bei dem Beklagtenvortrag, welche Rechtsfolge die Parteien nicht eintreten lassen wollten.

32

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich vorliegend um ein echtes Strohmanngeschäft handelt, war das Rechtsgeschäft mit dem Strohmann (hier möglicherweise der Schuldnerin) tatsächlich und ernstlich gewollt. Ein Scheingeschäft wäre nur anzunehmen, wenn der Dritte sich unmittelbar an die P. gehalten hätte und der Eintritt keiner Rechtsfolge bei der Schuldnerin gewollt gewesen wäre. Dies ist aber selbst nach dem Vortrag der Beklagtenseite nicht der Fall. Hier wollte die Schuldnerin durch die Annahme des Darlehensentgeltes die damit verbundenen Pflichten auch im Außenverhältnis übernehmen. Unerheblich ist nach Ansicht der Kammer auch der vorgebrachte Umstand, dass geplant gewesen sein soll, das die Darlehenssumme nicht bei der Schuldnerin zu belassen.

33

In diesem Zusammenhang teilt die Kammer die Auffassung der Beklagtenseite nicht, die Unwirtschaftlichkeit der Darlehensgewährung, indem das Geld – angeblich – nur kurzzeitig bei der Schuldnerin verblieb, um sodann als weiteres Darlehen ausgegeben zu werden, indiziere das Scheingeschäft. Vielmehr spricht es für das gerade benannte Argument, dass die Rechtsfolge, die der Anspruch auf Auszahlung des Geldes an die Schuldnerin durch die Parteien letztlich gewollt war. Es kann diverse Gründe geben, warum eine Gesellschaft, wenn auch nur kurzfristig, einen Geldbetrag für sich vereinnahmen möchte; denkbar sind beispielsweise kurzfristige Liquiditätsengpässe.

34

Auch der Vortrag der Beklagtenseite zu den kuriosen Umständen des Softwarevertrags vermögen das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass ein Scheingeschäft vorliegt. Auch wenn die Umstände zugegebenermaßen insgesamt dubios erscheinen, lässt dies nicht den Schluss zu, dass rechtlich gesehen die Voraussetzungen des § 117 BGB erfüllt sind. Dass in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 134 BGB erfüllt sein könnten, trägt selbst der Beklagte nicht vor.

35

Insoweit hilft auch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts dem Vortrag der Beklagtenseite nicht. Dieses befand gerade nicht über die Darlehensverbindlichkeit, sondern stützte ihrer Argumentation auf Zweifel an der Authentizität von Quittungen, die als Garantieerklärungen genutzt werden sollten. Im Übrigen ist das Gericht an die Entscheidung des Obergerichts nicht gebunden, da die Rechtskraftwirkung nur inter partes besteht.

bb.

36

Der Beklagte hat zudem nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die P. die in Rede stehende Forderung in Höhe von 1.000.000,00 USD tatsächlich an die E. abgetreten hat und diese gegenüber der Schuldnerin mit ihrer Forderungen aus den Darlehensverträgen aufgerechnet hat. Nur in diesem Fall wäre die Forderung zu einem möglicherweise geringeren Teil in der Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen gewesen.

37

Bereits die Abtretung an sich ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt, worauf das Gericht den Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinwies. Der Auszug aus dem Abtretungsvertrag hat keinen Beweiswert, da er keine Unterschriften trägt und nur teilweise vorliegt. Der Zeugenbeweis dafür, dass in einem Gespräch über das Original der Abtretungsurkunde gesprochen wurde, ist untauglich und war nicht nachzugehen, denn selbst unterstellt, eine solche Abtretung hätte es gegeben, hat der Beklagte nicht weiter dazu vorgetragen, dass die E. mit der abgetretenen Forderung gegen ihrer eigenen Verpflichtung gegen die Schuldnerin aufgerechnet hätte.

cc.

38

Da die Darlehensforderung bestand, war sie unstreitig in Höhe von 4% p.a. zu verzinsen, sodass die Forderung auf der Passivseite in der Überschuldungsbilanz um einen Betrag in Höhe von 15.725,93 EUR zu erhöhen war.

b.

39

Der Beklagte hat ebenfalls nicht hinreichend vorgetragen und mit Beweisangeboten belegt, dass das „Darlehen Na.“ nicht in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden dürfen. Dies hätte ihm allerdings aufgrund seiner sekundären Beweislast obliegen.

40

Es sind keinerlei Gründe vorgetragen worden, warum dieses Geschäft als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB anzusehen wäre. Hier kann auf die Ausführungen unter a.) verwiesen werden.

c.

41

Die Forderungen der Schuldnerin gegenüber der E. in Höhe von insgesamt 477.004,00 EUR (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR) hätte in der Überschuldungsbilanz auf Aktivseite unter dem Punkt „Sonstige Vermögensgegenstände“ Berücksichtigung finden müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers war deren Wert nicht mit Null, sondern mit 95.400,80 EUR (20% der Forderung) anzusetzen.

42

Grundsätzlich müssen sämtliche Forderungen des Schuldners zum Stichtag der Bewertung in der Überschuldungsbilanz aktiviert werden, soweit diese durchsetzbar und vollwertig sind (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 18, zitiert nach juris). Die Bewertung der Aktiva hat stets zu den Liquidationswerten zu erfolgen, also zu der Summe der Preise, die sich erzielen lassen, wenn die Gegenstände des Unternehmens im Rahmen der Unternehmensauflösung veräußert werden (Mock in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 19 Rn. 126f., zitiert nach beck-online). Die maßgeblichen Liquidationswerte entsprechen daher regelmäßig dem Wert, der für das Wirtschaftsgut bei Einzelveräußerung am Markt zu erzielen wäre (Mock, a.a.O., zitiert nach beck-online). Es gilt der Grundsatz der Vorsicht, sodass innerhalb eines Bewertungsspielraums somit eher von einem vorsichtigen Wertansatz anzugehen ist.

43

Vorliegend war aufgrund der mangelnden Werthaltigkeit des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung und der geringen Aussicht auf Durchsetzbarkeit die Forderung zwar in die Bilanz einzustellen, allerdings mit einem Wert von lediglich 20% des Forderungswertes. Bei der Bestimmung des Veräußerungswerts der Forderung sind die Umstände, die in der Strafanzeige vom 11. November 2009 (Anlage B2) dargelegt sind, zu Grunde zu legen: Der Beklagte gibt an, dass er vermute, dass es sich bei den beiden Darlehen an die E. um Scheingeschäfte gehandelt habe. Er unterstellt seiner Prokuristin dubiose Geschäftspraktiken und personelle Verflechtungen. Zudem befindet sich der Darlehensnehmer im nicht europäischen Ausland, sodass Vollstreckungsschwierigkeiten bei Nichtzahlung auftreten konnten. Mit dieser Kenntnis wäre die Veräußerlichkeit der Forderung am Markt sehr schwierig, es würde nur ein geringes Entgelt gezahlt werden.

44

Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens war vorliegend hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Forderungen nicht angezeigt, da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt.

d.

45

Der Beklagte kann zwar mit seinem Argument durchdringen, dass das Guthabensaldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden müssen. Allerdings ist aufgrund des Wertberichtigungsbedarfs lediglich ein Ansatz von 10 % (32.474.58 EUR) des Werts der Forderung angemessen.

46

Der gesamt Saldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR setzte sich ursprünglich zusammen aus Restbeträgen resultierend aus Umbuchungen von drei Konten mit den Bezeichnungen „Klärungskonto 1“ (Konto 1591, Saldo: 135.945,36 EUR), „Klärungskonto 2“ (Konto 1592, Saldo: 81.475,10 EUR) und “Fremdgeld Pin’s“ (Konto 1593, Saldo: 208.530,00 EUR). Der Beklagte stützt seine Argumentation lediglich darauf, dass das ursprüngliche Konto mit der Nummer 1593 zu Unrecht nicht als Forderung aktiviert wurde.

47

Der ursprünglich im Konto 1593 („Fremdgeld Pin’s“) eingestellte Betrag war nur zu einem geringen Teil von 10% in der Überschuldungsbilanz per 31. Dezember 2009 zu aktivieren. Aufgrund der zum Stichtag bekannten Umstände, dass eine Bestellung bei der Deutsche Telekom AG durch einen vollmachtlosen Vertreter abgegeben wurde, diese ausgeführt wurde und nunmehr die Produkte verschwunden sind, ist der Wert, den man für diese Forderung am Markt erhalten würde, als sehr gering einzuschätzen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es möglicherweise zwei potentielle Schuldner gibt. Einerseits könnte eine Forderung gegenüber der Deutsche Telekom AG bestehen, dies allerdings nur, wenn die Grundsätze der Rechtsscheinshaftung nicht greifen. Nach dem als Anlage B30 vorgelegten Briefwechsel erscheint dies höchst unwahrscheinlich. Im Übrigen richtete sich auch die Strafanzeige vom 11. November 2009 nicht gegen die Deutsche Telekom AG. Als zweiter Schuldner käme Herr A. als Schuldner in Betracht, da er ohne Vertretungsmacht Verträge abschloss und die Gegenstände für sich vereinnahmte. Allerdings wird bereits aus der Strafanzeige deutlich, dass ein Verbleib der Ware sowie des Inhabers unklar ist. Eine Inanspruchnahme erscheint nahezu unmöglich. Der Werthaltigkeit und die Wahrscheinlichkeit der Veräußerung einer solchen Forderung grenzt an Null.

3.

48

Die Fortführung des Unternehmens war nach den Umständen auch nicht überwiegend wahrscheinlich, § 19 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 InsO. Das Gegenteil konnte der Beklagte nicht darlegen.

49

Der Beklagte hat weder ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept erstellt bzw. erstellen lassen, noch auf dessen Grundlage ein Finanzplan aufstellen lassen, in dem die finanzielle Entwicklung dargestellt wird (BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2006, II ZR 303/05, Rn. 3, zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 25. Juni 2010, 11 U 133/06, Rn. 36, zitiert nach juris). Diese muss nach sachgerechten Kriterien und für sachverständige Dritte nachvollziehbar erstellt werden. Der Beklagte hat insbesondere nicht dargelegt, wie angesichts der Situation per 31. Dezember 2009 die rechnerische Überschuldung systematisch ausgeräumt werden sollte. Zwar legt er im Prozess Darlehensverträge vor, die der Schuldnerin in 2010 gewährt wurden, allerdings stellen sich diese bilanziell neutral dar, weil sie sowohl auf der Passivseite als auch der Aktivseite Berücksichtigung finden.

50

Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Großhändelvertrag (Anlage B7) beruft, so stellt dies lediglich ein Rahmenvertrag dar, der keine zugesicherten Gewinne angibt. Das Gericht kann nicht erkennen, wie dieser objektive Umstand zu dem Glauben an eine positive Fortführung der Schuldnerin hätte führen können.

51

Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich größtenteils darauf, ihren subjektiven Fortführungswillen darzulegen und zu beschreiben, wie bemüht er um die Aufklärung der Vorgänge war. Dies möchte er durch Vorlage von Darlehensverträgen bzw. weiteren Kaufverträgen erreichen. Allerding ist es für die Annahme einer positiven Fortführungsprognose nicht ausreichend, lediglich den subjektiven Fortführungswillen bestätigen zu wollen.

4.

52

Der Beklagte hat die erfolgten Vermögensabflüsse auch zu vertreten.

53

Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, Rn. 22, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 14, zitiert nach juris). Nach § 64 Satz 2 GmbHG kann der Beklagte diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Dies muss im Lichte der Interessenlage, die verteilungsfähige Masse für die Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern, betrachtet werden (BGH, a.a.O., Rn.12, zitiert nach juris).

54

Der Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, dass er seiner Pflicht zur ständigen Selbstkontrolle in einem ausreichenden Maße nachgekommen ist. Er hätte bei Anzeichen einer Krise sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen. Dies hat er selbst nach eigenem Vortrag nicht getan. Der Beklagte handelte fahrlässig, weil er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft hat, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss.

55

Die von dem Beklagten vorgelegten diversen Darlehensverträge und Kaufverträgen mit Neuunternehmen sind nicht dazu geeignet, die Vermutung des schuldhaften Verhaltens zu widerlegen. Selbst wenn er sich bemühte, die Schuldnerin weiter wirtschaftlich erfolgreich zu führen, hätte er nichtsdestoweniger in der Krise sich einen Überblick über den Vermögensstand machen müssen, was er nach unstreitig gebliebenen Vortrag nicht getan hat. Eine eigene Überschuldungsbilanz hat er ebenfalls nicht erstellen lassen.

56

Soweit der Beklagte vorträgt, er habe alles getan, um die dubiosen Vorgänge aufzuklären, so kann dies ebenfalls nicht zu einer Entlastung führen. Der Beklagte war ausweislich der schriftlichen Strafanzeige (Anlage B2) der Ansicht, dass das Darlehen über 1.000.000,00 USD und über die weiteren 700.000,00 USD Scheingeschäfte gewesen seien. Selbst wenn man diese beiden Positionen in einer Überschuldungsbilanz nicht mit berücksichtigt hätte, bestand nichtsdestoweniger eine rechnerische Überschuldung. Der Beklagte hat es allerdings unterlassen, sich die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Informationen zu beschaffen, um letztlich selbst prüfen zu können, ob Insolvenzantrag zu stellen wäre.

57

Selbst nach seinem eigenen Vortrag hat er sich ebenfalls in dieser Hinsicht keinen Expertenrat eingeholt. Der Justiziar der Schuldnerin hat ihm unbestritten lediglich bei der Aufklärung der Vorgänge in 2009 geholfen. Ebenfalls unbestritten blieb der Vortrag der Klägerseite, dass sich der Beklagte nie einen Auftrag zur Prüfung der Überschuldung – weder von Herrn H. noch Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. S. – eingeholt hat.

58

5. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB.

II.

59

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

(1) Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Das Gleiche gilt für die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter oder die Abwickler bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist; dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(2) Bei einer Gesellschaft im Sinne des Absatzes 1 Satz 3 gilt Absatz 1 sinngemäß, wenn die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung der Gesellschaft ermächtigten Gesellschafter ihrerseits Gesellschaften sind, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, oder sich die Verbindung von Gesellschaften in dieser Art fortsetzt.

(3) Im Fall der Führungslosigkeit einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch jeder Gesellschafter, im Fall der Führungslosigkeit einer Aktiengesellschaft oder einer Genossenschaft ist auch jedes Mitglied des Aufsichtsrats zur Stellung des Antrags verpflichtet, es sei denn, diese Person hat von der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung oder der Führungslosigkeit keine Kenntnis.

(4) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen Absatz 1 Satz 1 und 2, auch in Verbindung mit Satz 3 oder Absatz 2 oder Absatz 3, einen Eröffnungsantrag

1.
nicht oder nicht rechtzeitig stellt oder
2.
nicht richtig stellt.

(5) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 4 fahrlässig, ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(6) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 2, auch in Verbindung mit Absatz 5, ist die Tat nur strafbar, wenn der Eröffnungsantrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde.

(7) Auf Vereine und Stiftungen, für die § 42 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt, sind die Absätze 1 bis 6 nicht anzuwenden.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter die Erstattung von Zahlungen, die der Beklagte nach dem Eintritt der von ihm behaupteten Überschuldung der Schuldnerin geleistet haben soll.

2

Die Firma B. I. & T. GmbH (im Folgenden: die „Schuldnerin“), deren Unternehmensgegenstand der Import und Export von Waren aller Art darstellte, wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 20. April 2009 mit Sitz in H. gegründet (H. 1...). Alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer war seit der Gründung der Schuldnerin der Beklagte.

3

Am 07. Mai 2013 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet (Beschluss des Amtsgerichts Hamburg als Anlage K1). Der Kläger wurde als Insolvenzverwalter bestellt.

4

Die Schuldnerin unterhielt eine Kasse und jeweils ein Konto bei der C... Bank AG, der P... Bank sowie der D... Bank Privat- und Geschäftskunden AG.

5

Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei bereits seit dem 31. Dezember 2009 überschuldet gewesen und habe nichtsdestoweniger im Zeitraum vom 11. Februar 2010 bis 20. Mai 2010 aus der Kasse bzw. den Konten der Schuldnerin Zahlungen in Höhe von insgesamt 323.434,50 EUR getätigt; hier wird auf die Aufstellungen in der Klagschrift vom 10. Februar 2015 Seite 3ff. bzw. Bl. 3ff. d. A. bzw. Anlage K2 verwiesen. Zur Darlegung der Überschuldung bezieht sich der Kläger auf einen auf seine Veranlassung von dem Dipl.-Kfm. D. v. S. erstellten Überschuldungsstatus (Anlagen K 6), der nach Ansicht des Klägers per 31. Dezember 2009 eine Überschuldung der Schuldnerin in Höhe von 942.638,27 EUR ausweise.

6

Die Einzelansätze dieses Überschuldungsstatus entsprechen im Wesentlichen dem auf Veranlassung der Schuldnerin durch den Steuerberater M. K. am 24. Januar 2012 geprüften Jahresabschluss der Schuldnerin zum 30. Dezember 2009 (Anlage K 3), in dessen Bilanz ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 128.831,92 EUR ausgewiesen werde. Dieser Jahresabschluss sei allerdings dahingehend zu korrigieren, dass die unter „sonstige Verbindlichkeiten“ in Höhe von 688.981,37 EUR ausgewiesenen Darlehen mit 4,0% p.a. hätten verzinst werden müssen (korrigierte Bilanz als Anlage K4 und korrigierte Überschuldungsbilanz als Anlage K5).

7

Eine positive Fortführungsprognose hätte nicht mehr bestanden, da der Schuldnerin in der Folgezeit nicht gelungen sei, die Überschuldung zu beseitigen. Auch im Folgejahr habe ein Jahresfehlbetrag in Höhe von 207.362,57 EUR bestanden (Jahresabschluss 2007 als Anlage K7).

8

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe gegen seine Pflichten als Geschäftsführer verstoßen, da er keinen Insolvenzantrag gestellt habe.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 323.434,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent p.a. über dem Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte behauptet, der Kläger habe im Rahmen der von diesem zum 31. Dezember 2009 erstellten Überschuldungsbilanzen sowie in dem erstellten Jahresabschluss unberücksichtigt gelassen, dass die Verbindlichkeit „Darl. A.-n.“ der Firma P. „A.-n.“ (im Folgenden: „P.“) in Höhe von insgesamt 688.981,37 EUR – zu Grunde lagen zwei Darlehen in Höhe von jeweils 500.000,00 USD, dessen Auszahlungsbetrag die Schuldnerin unstreitig erhalten hat (Anlage K8) – tatsächlich keine Verbindlichkeit darstelle. Vielmehr bestehe eine Rückzahlungsverpflichtung der Schuldnerin nicht, da es sich bei dem Darlehen über 1.000.000,00 USD sowie bei einem weiteren Darlehen in Höhe von 130.000,00 EUR um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Das Darlehen sollte von vorne herein nicht bei der Schuldnerin verbleiben, sondern unverzüglich an die Firma E. C. G. (im Folgenden: „E.“) in Dubai weitergeleitet werden. Hierbei habe die seinerzeitige Prokuristin der Schuldnerin zwei Zahlungen in Höhe von jeweils 350.000,00 USD (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR, Darlehensverträge vorgelegt als Anlagekonvolut B21) an die E. ohne Kenntnis des Beklagten weitergeleitet. Eine dritte Zahlung an die E. sei gescheitert. Nachdem zunächst in den Darlehensverträgen eine Laufzeit von einem Jahr vereinbart worden sei, hätten die Parteien dieses Geschäfts am selben Tag eine Zusatzvereinbarung geschlossen, denen zufolge die vereinbarte Laufzeit auf 10 Tage verkürzt worden sei (Anlagenkonvolut B23). Diese Auffassung bestätige auch ein Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Anlage B19), in dem der Berufung des Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Hamburgs, mit dem der Beklagte zu Zahlung von 1.000.000,00 USD aus den Darlehensverträgen über 500.000,00 USD verurteile worden war, stattgegeben.

14

Der Beklagte meint weiter, die P. habe die vermeintliche Darlehensforderung über die gesamten 1.000.000,00 USD an die E. abgetreten (Auszug der Darlehensvereinbarung als Anlage B24 und die Übersetzung als Anlage B25). Ihm sei zudem erzählt worden, dass das damalige Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD nicht von der P., sondern vielmehr von der Chairman der E. persönlich, ausgezahlt worden sei und die Prokuristin der Schuldnerin angewiesen worden sein soll, den Betrag nach Eingang auf dem Geschäftskonto der Schuldnerin direkt auf das Konto der E. zu buchen.

15

Zudem seien Forderungen in Höhe von insgesamt 700.000,00 USD, der Betrag, den die damalige Prokuristin an die E. übermittelte, nicht in der Bilanz als Aktiva ausgewiesen. Es bestünde ein Rückzahlungsanspruch der Gesellschaft.

16

In der Überschuldungsbilanz seien Forderungen aus dem Konto 1500 mit Null bewertet worden, obgleich sich der Beklagte bemüht habe, die diesbezüglichen Rechtsverhältnisse aufzuklären.

17

Im Übrigen habe Ende 2009 eine positive Fortführungsprognose bestanden, was dadurch verdeutlicht werde, dass diverse Unternehmen der Schuldnerin verschiedene Darlehen gewährt hätten (beispielsweise Anlagenkonvolut B4 und B4a) und die Schuldnerin in der Lage gewesen sei, fällige Rechnungen zu begleichen. Auch der Beklagte selbst gewährte der Schuldnerin Ende 2010 ein Darlehen (Darlehensvertrag vom 01.11.2010 als Anlage B6), was er nicht getan hätte, wenn er nicht an die Verwirklichung seines Konzepts geglaubt hätte. Der Beklagte habe sich in 2009 und 2010 stets bemüht das Firmenkonstrukt umzusetzen und sei überzeugt gewesen, dass dies wirtschaftlich erfolgreich sein würde.

18

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

20

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf 323.434,50 EUR aus § 64 Satz 1 GmbHG.

21

Nach § 64 Satz 1 GmbHG ist grundsätzlich der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nach Satz 2 nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind.

1.

22

Die Schuldnerin war per 31. Dezember 2009 überschuldet.

23

Ob eine Gesellschaft überschuldet ist, bestimmt sich nach § 19 Abs. 2 InsO. Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

24

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Überschuldung grundsätzlich durch Vorlage einer Überschuldungsbilanz darzulegen. Die Handelsbilanz hat dabei aber eine indizielle Bedeutung. Legt der Insolvenzverwalter eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, so hat er die Ansätze dieser Bilanz daraufhin zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte vorhanden sind (BGH, Urteil vom 16. März 2009, II ZR 280/07, Rn. 10, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, m.w.N., zitiert nach juris). Ist er diesen Anforderungen nachgekommen, ist es Sache des beklagten Organmitglieds, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, in welchen Punkten stille Reserven oder sonstige für eine Überschuldungsbilanz maßgebliche Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind.

25

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger die Überschuldung der Schuldnerin ausreichend dargelegt. Es begegnet insofern keinen Bedanken, dass der Kläger die Überschuldungsbilanz auf der Grundlage der geprüfte Handelsbilanz der Schuldnerin vom 31. Dezember 2009 (Anlage K3) erstellt hat, denn den Bilanzansätzen einer Handelsbilanz kommt nämlich auch im Rahmen der Überschuldungsprüfung eine zumindest indizielle Bedeutung zu (vgl. oben). Der Kläger hat eine Überschuldungsbilanz zu Stichtag des 31. Dezember 2009 erstellen lassen, die eine rechnerische Überschuldung von 942.638,27 EUR ausweist (Anlage K5).

2.

26

Der Beklagte kann nur teilweise mit seinen Einwendungen gegen die maßgeblichen Werte der Überschuldungsbilanz durchdringen. Die Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 688.981,37 EUR für das „Darlehen A.-n.“ (hierzu a.) und in Höhe von 130.000,00 EUR für das „Darlehen Na.“ (hierzu b.) waren auf der Passivseite zu berücksichtigen. Die Forderungen in Höhe von 239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR gegen die E. (hierzu c.) sowie die Beträge des Kontos 1500 (hierzu d.) hätte allerdings auf der Aktivseite – wenn auch nicht zu ihrem vollen Wert – Berücksichtigung finden müssen. Nichtsdestoweniger war die Schuldnerin zum Stichtag rechnerisch mit über 800.000,00 EUR rechnerisch überschuldet.

a.

27

Das Darlehen in Höhe von 1.000.000,00 USD bzw. 688.981,37 EUR war richtigerweise in der Handelsbilanz auf der Passivseite und somit in der Überschuldungsbilanz zum 31. Dezember 2009 unter den „Sonstigen Verbindlichkeiten“ zu berücksichtigen. Die Summe der Passiva ist demnach in der Überschuldungsbilanz korrekt mit 1.178.785,56 EUR ausgewiesen. Der Beklagte hat nicht hinreichend darlegen, dass es sich bei dem gewährten Darlehen der P. an die Schuldnerin um ein Scheingeschäft gehandelt hat (hierzu aa.) oder/und ob die Forderung der P. aufgrund einer Abtretung an die E. und deren Aufrechnung in einer anderen Weise in der Bilanz hätte Berücksichtigung finden müssen (hierzu bb.).

aa.

28

Die Voraussetzungen für ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB, die das Rechtsgeschäft gemäß § 125 BGB nichtig werden lassen, sind nicht gegeben.

29

Ein Scheingeschäft im Sinne der Norm liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen (BGH, Urteil vom 25. November 2008, XI ZR 413/07, Rn. 31, zitiert nach juris BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60, Rn. 30, zitiert nach juris). Die kollusiv zusammenwirkenden Parteien haben insoweit für das Rechtsgeschäft keinen Rechtsbindungswillen.

30

Diese Anforderungen sind vorliegend allerdings nicht erfüllt. Hier haben die Parteien die Rechtsfolge – die Wirksamkeit des Darlehensvertrags und somit die Verpflichtung zur Auszahlung der Darlehenssumme – gerade gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht erreicht worden wäre. Den Parteien hat ein Scheingeschäft nicht genügt, sondern sie wollten mit ihren Willenserklärungen ein ernstgemeintes Rechtsgeschäft erreichen (so auch: BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961, V ZR 103/60 Rn. 30, zitiert nach juris). Es spricht gegen den Scheincharakter eines Rechtsgeschäfts, wenn der mit ihm erstrebte Zweck nur bei Gültigkeit des Rechtsgeschäfts erreicht werden kann (BGH, a.a.O., Rn. 30, zitiert nach juris).

31

Selbst der Tatsachenvortrag der Beklagtenseite unterstellt, der „wahre“ Darlehensgeber war nicht die P., sondern der Geschäftsführer der E., so war nichtsdestoweniger von den jeweiligen Beteiligten gewollt, dass das Geld zunächst an die Schuldnerin ausgezahlt wird, wie es letztlich unstreitig auch passiert ist. Letztlich hätte in diesem Fall der Geschäftsführer der E. lediglich auf fremde Schuld gezahlt. Unklar bleibt bei dem Beklagtenvortrag, welche Rechtsfolge die Parteien nicht eintreten lassen wollten.

32

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich vorliegend um ein echtes Strohmanngeschäft handelt, war das Rechtsgeschäft mit dem Strohmann (hier möglicherweise der Schuldnerin) tatsächlich und ernstlich gewollt. Ein Scheingeschäft wäre nur anzunehmen, wenn der Dritte sich unmittelbar an die P. gehalten hätte und der Eintritt keiner Rechtsfolge bei der Schuldnerin gewollt gewesen wäre. Dies ist aber selbst nach dem Vortrag der Beklagtenseite nicht der Fall. Hier wollte die Schuldnerin durch die Annahme des Darlehensentgeltes die damit verbundenen Pflichten auch im Außenverhältnis übernehmen. Unerheblich ist nach Ansicht der Kammer auch der vorgebrachte Umstand, dass geplant gewesen sein soll, das die Darlehenssumme nicht bei der Schuldnerin zu belassen.

33

In diesem Zusammenhang teilt die Kammer die Auffassung der Beklagtenseite nicht, die Unwirtschaftlichkeit der Darlehensgewährung, indem das Geld – angeblich – nur kurzzeitig bei der Schuldnerin verblieb, um sodann als weiteres Darlehen ausgegeben zu werden, indiziere das Scheingeschäft. Vielmehr spricht es für das gerade benannte Argument, dass die Rechtsfolge, die der Anspruch auf Auszahlung des Geldes an die Schuldnerin durch die Parteien letztlich gewollt war. Es kann diverse Gründe geben, warum eine Gesellschaft, wenn auch nur kurzfristig, einen Geldbetrag für sich vereinnahmen möchte; denkbar sind beispielsweise kurzfristige Liquiditätsengpässe.

34

Auch der Vortrag der Beklagtenseite zu den kuriosen Umständen des Softwarevertrags vermögen das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass ein Scheingeschäft vorliegt. Auch wenn die Umstände zugegebenermaßen insgesamt dubios erscheinen, lässt dies nicht den Schluss zu, dass rechtlich gesehen die Voraussetzungen des § 117 BGB erfüllt sind. Dass in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen des § 134 BGB erfüllt sein könnten, trägt selbst der Beklagte nicht vor.

35

Insoweit hilft auch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts dem Vortrag der Beklagtenseite nicht. Dieses befand gerade nicht über die Darlehensverbindlichkeit, sondern stützte ihrer Argumentation auf Zweifel an der Authentizität von Quittungen, die als Garantieerklärungen genutzt werden sollten. Im Übrigen ist das Gericht an die Entscheidung des Obergerichts nicht gebunden, da die Rechtskraftwirkung nur inter partes besteht.

bb.

36

Der Beklagte hat zudem nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die P. die in Rede stehende Forderung in Höhe von 1.000.000,00 USD tatsächlich an die E. abgetreten hat und diese gegenüber der Schuldnerin mit ihrer Forderungen aus den Darlehensverträgen aufgerechnet hat. Nur in diesem Fall wäre die Forderung zu einem möglicherweise geringeren Teil in der Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen gewesen.

37

Bereits die Abtretung an sich ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt, worauf das Gericht den Beklagten in der mündlichen Verhandlung hinwies. Der Auszug aus dem Abtretungsvertrag hat keinen Beweiswert, da er keine Unterschriften trägt und nur teilweise vorliegt. Der Zeugenbeweis dafür, dass in einem Gespräch über das Original der Abtretungsurkunde gesprochen wurde, ist untauglich und war nicht nachzugehen, denn selbst unterstellt, eine solche Abtretung hätte es gegeben, hat der Beklagte nicht weiter dazu vorgetragen, dass die E. mit der abgetretenen Forderung gegen ihrer eigenen Verpflichtung gegen die Schuldnerin aufgerechnet hätte.

cc.

38

Da die Darlehensforderung bestand, war sie unstreitig in Höhe von 4% p.a. zu verzinsen, sodass die Forderung auf der Passivseite in der Überschuldungsbilanz um einen Betrag in Höhe von 15.725,93 EUR zu erhöhen war.

b.

39

Der Beklagte hat ebenfalls nicht hinreichend vorgetragen und mit Beweisangeboten belegt, dass das „Darlehen Na.“ nicht in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden dürfen. Dies hätte ihm allerdings aufgrund seiner sekundären Beweislast obliegen.

40

Es sind keinerlei Gründe vorgetragen worden, warum dieses Geschäft als Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB anzusehen wäre. Hier kann auf die Ausführungen unter a.) verwiesen werden.

c.

41

Die Forderungen der Schuldnerin gegenüber der E. in Höhe von insgesamt 477.004,00 EUR (239.989,03 EUR und 237.014,97 EUR) hätte in der Überschuldungsbilanz auf Aktivseite unter dem Punkt „Sonstige Vermögensgegenstände“ Berücksichtigung finden müssen. Entgegen der Ansicht des Klägers war deren Wert nicht mit Null, sondern mit 95.400,80 EUR (20% der Forderung) anzusetzen.

42

Grundsätzlich müssen sämtliche Forderungen des Schuldners zum Stichtag der Bewertung in der Überschuldungsbilanz aktiviert werden, soweit diese durchsetzbar und vollwertig sind (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 18, zitiert nach juris). Die Bewertung der Aktiva hat stets zu den Liquidationswerten zu erfolgen, also zu der Summe der Preise, die sich erzielen lassen, wenn die Gegenstände des Unternehmens im Rahmen der Unternehmensauflösung veräußert werden (Mock in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Auflage 2015, § 19 Rn. 126f., zitiert nach beck-online). Die maßgeblichen Liquidationswerte entsprechen daher regelmäßig dem Wert, der für das Wirtschaftsgut bei Einzelveräußerung am Markt zu erzielen wäre (Mock, a.a.O., zitiert nach beck-online). Es gilt der Grundsatz der Vorsicht, sodass innerhalb eines Bewertungsspielraums somit eher von einem vorsichtigen Wertansatz anzugehen ist.

43

Vorliegend war aufgrund der mangelnden Werthaltigkeit des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung und der geringen Aussicht auf Durchsetzbarkeit die Forderung zwar in die Bilanz einzustellen, allerdings mit einem Wert von lediglich 20% des Forderungswertes. Bei der Bestimmung des Veräußerungswerts der Forderung sind die Umstände, die in der Strafanzeige vom 11. November 2009 (Anlage B2) dargelegt sind, zu Grunde zu legen: Der Beklagte gibt an, dass er vermute, dass es sich bei den beiden Darlehen an die E. um Scheingeschäfte gehandelt habe. Er unterstellt seiner Prokuristin dubiose Geschäftspraktiken und personelle Verflechtungen. Zudem befindet sich der Darlehensnehmer im nicht europäischen Ausland, sodass Vollstreckungsschwierigkeiten bei Nichtzahlung auftreten konnten. Mit dieser Kenntnis wäre die Veräußerlichkeit der Forderung am Markt sehr schwierig, es würde nur ein geringes Entgelt gezahlt werden.

44

Einer Einholung eines Sachverständigengutachtens war vorliegend hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Forderungen nicht angezeigt, da es sich hierbei um eine Rechtsfrage handelt.

d.

45

Der Beklagte kann zwar mit seinem Argument durchdringen, dass das Guthabensaldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR in die Überschuldungsbilanz hätte eingestellt werden müssen. Allerdings ist aufgrund des Wertberichtigungsbedarfs lediglich ein Ansatz von 10 % (32.474.58 EUR) des Werts der Forderung angemessen.

46

Der gesamt Saldo des Kontos 1500 in Höhe von 324.745,79 EUR setzte sich ursprünglich zusammen aus Restbeträgen resultierend aus Umbuchungen von drei Konten mit den Bezeichnungen „Klärungskonto 1“ (Konto 1591, Saldo: 135.945,36 EUR), „Klärungskonto 2“ (Konto 1592, Saldo: 81.475,10 EUR) und “Fremdgeld Pin’s“ (Konto 1593, Saldo: 208.530,00 EUR). Der Beklagte stützt seine Argumentation lediglich darauf, dass das ursprüngliche Konto mit der Nummer 1593 zu Unrecht nicht als Forderung aktiviert wurde.

47

Der ursprünglich im Konto 1593 („Fremdgeld Pin’s“) eingestellte Betrag war nur zu einem geringen Teil von 10% in der Überschuldungsbilanz per 31. Dezember 2009 zu aktivieren. Aufgrund der zum Stichtag bekannten Umstände, dass eine Bestellung bei der Deutsche Telekom AG durch einen vollmachtlosen Vertreter abgegeben wurde, diese ausgeführt wurde und nunmehr die Produkte verschwunden sind, ist der Wert, den man für diese Forderung am Markt erhalten würde, als sehr gering einzuschätzen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass es möglicherweise zwei potentielle Schuldner gibt. Einerseits könnte eine Forderung gegenüber der Deutsche Telekom AG bestehen, dies allerdings nur, wenn die Grundsätze der Rechtsscheinshaftung nicht greifen. Nach dem als Anlage B30 vorgelegten Briefwechsel erscheint dies höchst unwahrscheinlich. Im Übrigen richtete sich auch die Strafanzeige vom 11. November 2009 nicht gegen die Deutsche Telekom AG. Als zweiter Schuldner käme Herr A. als Schuldner in Betracht, da er ohne Vertretungsmacht Verträge abschloss und die Gegenstände für sich vereinnahmte. Allerdings wird bereits aus der Strafanzeige deutlich, dass ein Verbleib der Ware sowie des Inhabers unklar ist. Eine Inanspruchnahme erscheint nahezu unmöglich. Der Werthaltigkeit und die Wahrscheinlichkeit der Veräußerung einer solchen Forderung grenzt an Null.

3.

48

Die Fortführung des Unternehmens war nach den Umständen auch nicht überwiegend wahrscheinlich, § 19 Abs. 2 Satz 1 HS. 2 InsO. Das Gegenteil konnte der Beklagte nicht darlegen.

49

Der Beklagte hat weder ein aussagekräftiges und plausibles Unternehmenskonzept erstellt bzw. erstellen lassen, noch auf dessen Grundlage ein Finanzplan aufstellen lassen, in dem die finanzielle Entwicklung dargestellt wird (BGH, Beschluss vom 09. Oktober 2006, II ZR 303/05, Rn. 3, zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 25. Juni 2010, 11 U 133/06, Rn. 36, zitiert nach juris). Diese muss nach sachgerechten Kriterien und für sachverständige Dritte nachvollziehbar erstellt werden. Der Beklagte hat insbesondere nicht dargelegt, wie angesichts der Situation per 31. Dezember 2009 die rechnerische Überschuldung systematisch ausgeräumt werden sollte. Zwar legt er im Prozess Darlehensverträge vor, die der Schuldnerin in 2010 gewährt wurden, allerdings stellen sich diese bilanziell neutral dar, weil sie sowohl auf der Passivseite als auch der Aktivseite Berücksichtigung finden.

50

Soweit sich der Beklagte in diesem Zusammenhang auf den Großhändelvertrag (Anlage B7) beruft, so stellt dies lediglich ein Rahmenvertrag dar, der keine zugesicherten Gewinne angibt. Das Gericht kann nicht erkennen, wie dieser objektive Umstand zu dem Glauben an eine positive Fortführung der Schuldnerin hätte führen können.

51

Der Vortrag des Beklagten beschränkt sich größtenteils darauf, ihren subjektiven Fortführungswillen darzulegen und zu beschreiben, wie bemüht er um die Aufklärung der Vorgänge war. Dies möchte er durch Vorlage von Darlehensverträgen bzw. weiteren Kaufverträgen erreichen. Allerding ist es für die Annahme einer positiven Fortführungsprognose nicht ausreichend, lediglich den subjektiven Fortführungswillen bestätigen zu wollen.

4.

52

Der Beklagte hat die erfolgten Vermögensabflüsse auch zu vertreten.

53

Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 GmbHG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGH, Urteil vom 08. Januar 2001, II ZR 88/99, Rn. 22, zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010, II ZR 151/09, Rn. 14, zitiert nach juris). Nach § 64 Satz 2 GmbHG kann der Beklagte diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen, dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Dies muss im Lichte der Interessenlage, die verteilungsfähige Masse für die Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern, betrachtet werden (BGH, a.a.O., Rn.12, zitiert nach juris).

54

Der Beklagte hat vorliegend nicht dargelegt, dass er seiner Pflicht zur ständigen Selbstkontrolle in einem ausreichenden Maße nachgekommen ist. Er hätte bei Anzeichen einer Krise sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen. Dies hat er selbst nach eigenem Vortrag nicht getan. Der Beklagte handelte fahrlässig, weil er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft hat, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss.

55

Die von dem Beklagten vorgelegten diversen Darlehensverträge und Kaufverträgen mit Neuunternehmen sind nicht dazu geeignet, die Vermutung des schuldhaften Verhaltens zu widerlegen. Selbst wenn er sich bemühte, die Schuldnerin weiter wirtschaftlich erfolgreich zu führen, hätte er nichtsdestoweniger in der Krise sich einen Überblick über den Vermögensstand machen müssen, was er nach unstreitig gebliebenen Vortrag nicht getan hat. Eine eigene Überschuldungsbilanz hat er ebenfalls nicht erstellen lassen.

56

Soweit der Beklagte vorträgt, er habe alles getan, um die dubiosen Vorgänge aufzuklären, so kann dies ebenfalls nicht zu einer Entlastung führen. Der Beklagte war ausweislich der schriftlichen Strafanzeige (Anlage B2) der Ansicht, dass das Darlehen über 1.000.000,00 USD und über die weiteren 700.000,00 USD Scheingeschäfte gewesen seien. Selbst wenn man diese beiden Positionen in einer Überschuldungsbilanz nicht mit berücksichtigt hätte, bestand nichtsdestoweniger eine rechnerische Überschuldung. Der Beklagte hat es allerdings unterlassen, sich die erforderlichen betriebswirtschaftlichen Informationen zu beschaffen, um letztlich selbst prüfen zu können, ob Insolvenzantrag zu stellen wäre.

57

Selbst nach seinem eigenen Vortrag hat er sich ebenfalls in dieser Hinsicht keinen Expertenrat eingeholt. Der Justiziar der Schuldnerin hat ihm unbestritten lediglich bei der Aufklärung der Vorgänge in 2009 geholfen. Ebenfalls unbestritten blieb der Vortrag der Klägerseite, dass sich der Beklagte nie einen Auftrag zur Prüfung der Überschuldung – weder von Herrn H. noch Herrn Rechtsanwalt Prof. Dr. S. – eingeholt hat.

58

5. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB.

II.

59

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1, 2 ZPO.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 229/11 Verkündet am:
19. November 2013
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Hat der Insolvenzverwalter durch Vorlage einer Handelsbilanz und den Vortrag,
dass keine stillen Reserven sowie aus der Bilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte
vorhanden sind, die Überschuldung einer GmbH dargelegt, genügt
der wegen Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch genommene Geschäftsführer
seiner sekundären Darlegungslast nicht, wenn er lediglich von der Handelsbilanz
abweichende Werte behauptet. Der in Anspruch genommene Geschäftsführer
hat vielmehr substantiiert zu etwaigen stillen Reserven oder in der
Bilanz nicht abgebildeten Werten vorzutragen.
BGH, Urteil vom 19. November 2013 - II ZR 229/11 - OLG Jena
LG Erfurt
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. November 2013 durch den Vorsitzenden RichterProf. Dr. Bergmann
und den Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter
Dr. Drescher und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 22. September 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Verwalter in dem am 25. März 2009 über das Vermögen der a. GmbH eröffneten Insolvenzverfahren. Die Schuldnerin betrieb in E. eine Modeboutique. Die Beklagte war Geschäftsführerin der Schuldnerin. Die Bilanz der Schuldnerin wies seit Ende des Jahres 2004 bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens stets einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag aus. Nachdem die Schuldnerin erstmals im August 2005 ihre Miete nicht mehr bezahlen konnte, erhöhten sich bis August 2008 die unbezahlten Mietverbindlichkeiten der Schuldnerin auf ca. 30.000 €. Die Vermieterin kündigte das Mietverhältnis zum 26. September 2008 fristlos. Die Beklagte führte den Geschäftsbetrieb bis 17. Dezember 2008 fort.
2
Der Kläger behauptet, die Schuldnerin sei spätestens seit 31. Dezember 2007 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen. Gestützt auf § 64 Abs. 2 GmbHG aF verlangt er von der Beklagten in Höhe von 91.038,90 € Ersatz wegen Zahlungen im Jahr 2008. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 88.842,09 € stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung begehrt.

Entscheidungsgründe:


3
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Verfahren des ersten Rechtszugs leide an einem wesentlichen Fehler, auf dem das Urteil beruhe. Dem Verfahren mangele es insbesondere an der Durchführung der notwendigen Beweiserhebung und einer vollständigen Berücksichtigung des von der Beklagten vorgebrachten Sachvortrags. Aus der Handelsbilanz der Schuldnerin ergebe sich zwar zum 31. Dezember 2007 ein durch Eigenkapital nicht gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 47.806,99 € und damit eine rechnerische Überschuldung. Der Kläger habe auch zunächst seiner Darlegungslast dadurch genügt , dass er vorgetragen habe, es seien keine stillen Reserven und auch keine sonstigen aus der Handelsbilanz nicht ersichtlichen Veräußerungswerte bei der Schuldnerin vorhanden gewesen. Das Landgericht sei aber unzutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht genügt habe. Das habe zur Folge, dass der Kläger nunmehr hätte beweisen müssen, dass keine stillen Reserven bei der Schuldnerin vorhanden gewesen seien. Diesen Beweis habe der Kläger nicht geführt, da das Landgericht keine Feststellungen zu der Höhe des Liquiditätswerts der stillen Reserven getroffen habe. Darin sei ein Verfahrensverstoß des erstinstanzlichen Gerichts zu sehen, da von einer rechnerischen Überschuldung nur ausgegangen werden könne, wenn der Insolvenzverwalter beweise, dass stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte nicht vorhanden gewesen seien.
5
Das Urteil stelle sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Der Erstattungsanspruch könne derzeit nicht darauf gestützt werden, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin bestanden hätte. Die Beklagte habe behauptet, dass am 31. Dezember 2007 keine Verbindlichkeiten der Schuldnerin fällig gewesen seien und durch die von der Schuldnerin monatlich erzielten Umsätze in Höhe von 22.000 € sämtliche Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen hätten beglichen werden können. Diesen Vortrag habe das Landgericht übergangen, da es keine Feststellungen hierzu getroffen habe.
6
II. Das Urteil hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Sache verfahrensfehlerhaft gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach dieser Vorschrift an das erstinstanzliche Gericht sind in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt.
7
1. Die Voraussetzungen einer Zurückverweisung liegen schon deshalb nicht vor, weil das Berufungsgericht zu Unrecht einen Verfahrensfehler des Landgerichts angenommen hat.
8
a) Eine Zurückverweisung an das Erstgericht gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn das erstinstanzliche Verfahren an einem so wesentlichen Mangel leidet, dass es keine Grundlage für eine die Instanz beendende Entscheidung sein kann. Ob ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt, ist allein aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts zu beurteilen, auch wenn das Berufungsgericht ihn für verfehlt erachtet (BGH, Urteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 11 mwN).
9
b) Nach diesen - vom Berufungsgericht verkannten - Grundsätzen liegt kein Verfahrensfehler des Erstgerichts vor. Das Berufungsgericht hat dies zu Unrecht angenommen, weil es die Frage, ob dem Erstgericht ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen ist, rechtsfehlerhaft nicht aufgrund des allein maßgeblichen materiell-rechtlichen Standpunkts des Erstgerichts beantwortet, sondern dieser Beurteilung seinen eigenen materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt zugrunde gelegt hat. Das Berufungsgericht sieht den Fehler des Landgerichts in dessen Annahme, die Beklagte habe - mangels hinreichender Substantiierung ihres Vortrags - ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Es hält demgegenüber das Vorbringen für ausreichend substantiiert und sieht darin, dass das Landgericht deshalb eine noch nicht spruchreife Sachentscheidung getroffen hat, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
10
Dadurch, dass das Landgericht andere Anforderungen an den Grad der Substantiierung gestellt hat, hat es jedoch nicht im Sinne des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO verfahrensfehlerhaft gehandelt. Bewertet das Berufungsgericht - wie hier - das Parteivorbringen materiell-rechtlich anders als das Erstge- richt, indem es z.B. an die Schlüssigkeit oder die Substantiierungslast andere Anforderungen als das Erstgericht stellt, liegt ein zur Aufhebung und Zurückverweisung berechtigender wesentlicher Verfahrensmangel des Erstgerichts auch dann nicht vor, wenn infolge der abweichenden Beurteilung eine Beweisaufnahme erforderlich wird (BGH, Urteil vom 14. März 1988 - II ZR 302/87, ZIP 1988, 1000, 1001; Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 141/92, NJW 1993, 2318; Urteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 14 mwN; Urteil vom 14. Mai 2013 - II ZR 76/12, ZIP 2013, 1642 Rn. 10). Das Landgericht hat auch nicht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Der Sachvortrag der Beklagten zu den angeblichen stillen Reserven blieb nicht unbeachtet, sondern wurde zur Kenntnis genommen und als nicht ausreichend substantiiert angesehen.
11
2. Die Zurückverweisung durch das Berufungsgericht leidet an einem weiteren Mangel. Es fehlt an einer hinreichenden Begründung im Berufungsurteil , weshalb das Berufungsgericht die nach seiner Auffassung erforderliche Beweisaufnahme nicht selbst durchgeführt, sondern die Sache an das Landgericht zurückverwiesen hat.
12
a) Voraussetzung der Zurückverweisung ist, dass aufgrund des Verfahrensmangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO; vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - II ZR 76/12, ZIP 2013, 1642 Rn. 9). Das Berufungsgericht ist gehalten, nachprüfbar darzulegen, inwieweit eine noch ausstehende Beweisaufnahme so aufwändig oder umfangreich ist, dass sie eine Zurückverweisung rechtfertigt. Dabei hat es eine Abwägung zwischen der mit einer Zurückverweisung verbundenen Verzögerung und Verteuerung des Verfahrens auf der einen und dem Interesse an der Wahrung des vollen Instanzenzuges auf der anderen Seite vorzu- nehmen (BGH, Urteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 16; Urteil vom 20. Juli 2011 - IV ZR 291/10, VersR 2011, 1392 Rn. 23).
13
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Beweisaufnahme wäre umfangreich und würde zu einer mit der Neukonzeption des Berufungsverfahrens unvereinbaren, erstmaligen Beweisaufnahme an Stelle der ersten Instanz führen. Eine hinreichende Darlegung des Berufungsgerichts, warum die nach seiner Auffassung erforderliche Beweisaufnahme umfangreich sein werde, sowie eine darauf gestützte Abwägung fehlen jedoch. Eine Beweisaufnahme kann aufgrund der Zahl der Zeugen oder Sachverständigen oder des Umfangs der Fragen umfangreich sein (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 15). Allein der Umstand, dass nach Auffassung des Berufungsgerichts ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, rechtfertigt die Annahme einer umfangreichen oder aufwändigen Beweisaufnahme nicht (BGH, Urteil vom 1. Februar 2010 - II ZR 209/08, ZIP 2010, 776 Rn. 16).
14
Eine Beweisaufnahme auf der Grundlage der Würdigung des Berufungsgerichts , die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, und eines nach einem Hinweis auf die insoweit gegenüber dem Landgericht geänderte Einschätzung gegebenenfalls ergänzten und unter Beweis gestellten Vorbringens des Klägers zum Fehlen stiller Reserven beträfe allein die Bewertung von zwei Bilanzposten, nämlich der Ladeneinrichtung und des Warenbestands , dessen Einkaufswert bekannt ist. Es ist nicht ersichtlich, dass der Liquidationswert dieser Vermögensgegenstände sich bei dieser Ausgangslage durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht leicht klären ließe, sondern insoweit eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme erforderlich würde.
15
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner fehlerhaften Rechtsauffassung folgerichtig keine tatrichterlichen Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 64 Abs. 2 GmbHG aF getroffen hat, wird es dies nachzuholen haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
16
1. Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts im Rahmen der Überschuldungsprüfung rechtfertigen nicht die Annahme, die Beklagte sei ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen.
17
a) Im Ausgangspunkt richtig hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass bei der Prüfung, ob eine Überschuldung nach § 19 InsO gegeben ist, einer vom Insolvenzverwalter vorgelegten Handelsbilanz lediglich indizielle Bedeutung zukommt. Legt der Anspruchsteller für seine Behauptung, die Gesellschaft sei überschuldet gewesen, nur eine Handelsbilanz vor, aus der sich ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag ergibt, hat er jedenfalls die Ansätze dieser Bilanz darauf zu überprüfen und zu erläutern, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang stille Reserven oder sonstige aus ihr nicht ersichtliche Vermögenswerte vorhanden sind. Dabei muss er nicht jede denkbare Möglichkeit ausschließen, sondern nur naheliegende Anhaltspunkte - beispielsweise stille Reserven bei Grundvermögen - und die von dem Geschäftsführer insoweit aufgestellten Behauptungen widerlegen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 9; Beschluss vom 26. April 2010 - II ZR 60/09, ZIP 2010, 1443 Rn. 11; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn.33; Beschluss vom 31. Mai 2011 - II ZR 106/10, ZIP 2011, 1410 Rn. 4). Nach der Feststellung des Berufungsgerichts weist die vom Kläger vorgelegte Handelsbilanz der Schuldnerin zum 31. Dezember 2007 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 47.806,99 € auf. Das Berufungsgericht geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass der Kläger seiner Darlegungslast durch den Vortrag genügt habe, es seien keine stillen Reserven und auch keine sonstigen aus der Handelsbilanz nicht ersichtlichen Vermögenswerte bei der Schuldnerin vorhanden gewesen.
18
b) In dieser Situation ist es Sache des beklagten Geschäftsführers, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10; Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 9; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 33; Beschluss vom 31. Mai 2011 - II ZR 106/10, ZIP 2011, 1410 Rn. 4). Hierzu reicht es indes nicht aus, lediglich von der Handelsbilanz abweichende Werte zu behaupten. Der in Anspruch genommene Geschäftsführer hat vielmehr substantiiert zu stillen Reserven oder sonstigen in der Handelsbilanz nicht abgebildeten Werten vorzutragen.
19
Die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen ausreichend substantiierten Vortrag der Beklagten nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat es ausreichen lassen, dass die Beklagte behauptet hat, den aus der Handelsbilanz ersichtlichen Verbindlichkeiten in Höhe von 28.555,06 € hätten Waren (Kleidungsstücke) in einem Gesamteinkaufswert in Höhe von 38.816,44 € gegenübergestanden. Der bilanzierte Einkaufswert der Ware lag indes bei 34.026,30 €, so dass sich insoweit nur eine für die Feststellung der Überschuldung unerhebliche Differenz von 4.790,44 € ergibt. Sollte das Berufungsgericht an dieser Stelle - was sich seiner Begründung nicht entnehmen lässt - den von der Revisionserwiderung aufgezeigten Vortrag der Beklagten im Blick gehabt haben, der wahre Wert der Kleidungsstücke habe bei 83.364 € gelegen, hätte es näherer Erläuterung bedurft, wie ein der allgemeinen Lebenserfahrung widersprechender Aufschlag von 145 % auf den bilanzierten Wareneinkaufswert als Liquidationswert hätte realisiert werden sollen. Soweit das Berufungsgericht die Behauptung der Beklagten, hinsichtlich des Werts der Ladeneinrichtung habe eine weitere stille Reserve in Höhe von 20.000 € bestanden, als ausreichend substantiiert angesehen hat, ist dies nicht nachvollziehbar. Insbesondere angesichts des Umstands, dass die Einrichtungsgegenstände unter Verantwortung der Beklagten letztlich für 500 € veräußert wurden, wäre eine nähere Darlegung zu deren Zeitwert erforderlich gewesen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben werden müssen, hierzu ergänzend vorzutragen.
20
2. Sollte das Berufungsgericht eine Überschuldung verneinen, wird es sich mit den Ausführungen der Parteien in der Revisionsinstanz zur Zahlungsunfähigkeit auseinanderzusetzen haben. Der Senat weist vorsorglich auf Folgendes hin:
21
Nachdem die Schuldnerin erstmals im August 2005 ihre Miete nicht mehr hat bezahlen können, waren bis August 2008 offene Mietverbindlichkeiten in Höhe von 30.000 € aufgelaufen. Der Entwicklung dieser Außenstände wird gegebenenfalls Beachtung zu schenken sein, da die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in Betracht kommen kann. Danach ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Dafür reicht ein nach außen hervortretendes Verhalten, in dem sich typischerweise ausdrückt, dass der Schuldner nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus, auch wenn noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Sogar die Nichtzahlung einer einzigen Verbindlichkeit kann eine Zahlungseinstellung begründen, wenn die Forderung von insgesamt nicht unbeträchtlicher Höhe ist. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten erheblichen Umfangs bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden sind, ist regelmäßig von einer Zahlungseinstellung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juni 2012 - II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 Rn. 24; Urteil vom 18. Juli 2013 - IX ZR 143/12, ZIP 2013, 2015 Rn. 9).
Bergmann Strohn Reichart Drescher Born
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 07.01.2011 - 9 O 924/10 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.09.2011 - 1 U 41/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 252/10
Verkündet am:
23. April 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Veräußern die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in der Liquidation das Gesellschaftsvermögen
an eine Gesellschaft, die von ihnen abhängig ist, kann darin nur dann ein existenzvernichtender
Eingriff liegen, wenn die Vermögensgegenstände unter Wert übertragen werden.

b) Führt eine Ausschüttung an den Gesellschafter einer GmbH zu einer Unterbilanz, weil ein Darlehensrückzahlungsanspruch
der Gesellschaft gegen den Gesellschafter nach bilanzrechtlichen
Grundsätzen wertberichtigt werden muss, erlischt der Anspruch aus § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 1
GmbHG nicht schon durch die Rückzahlung des Darlehens.

c) Von § 43a GmbHG wird nur die Ausreichung eines Darlehens erfasst. Gerät die Gesellschaft später
in eine Unterbilanz, ist § 43a GmbHG nicht anwendbar.
BGH, Urteil vom 23. April 2012 - II ZR 252/10 - OLG Düsseldorf
LG Wuppertal
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Februar 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den
Richter Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart und den Richter
Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers und unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. November 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 237.966,07 € nebst Zinsen als Gesamtschuldner abgewiesen worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


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Der Kläger ist Verwalter in dem am 10. Januar 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. mbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die drei Beklagten sind die Gesellschafter und Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin. Diese führte Bildungsmaßnahmen im Auftrag der Arbeitsverwaltung durch. Im Jahr 2003 erzielte sie auf der Grundlage eines - zunächst vorläufigen - Jahresabschlusses einen Bilanzgewinn in Höhe von 490.609,31 €. Die Beklagten beschlossen eine Vorabgewinnausschüttung in Höhe von 480.000 € und zahlten am 16. Januar 2004 den entsprechenden Nettobetrag an sich und die damit verbundenen Steuern an das Finanzamt aus.
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Durch die sog. Hartz-Gesetze in den Jahren 2003 und 2004 änderte sich das Vergabeverfahren für die Bildungsmaßnahmen der Insolvenzschuldnerin. Im März 2004 gelang es ihr nicht, in dem neuen Verfahren oder freihändig entsprechende Aufträge zu erhalten. Daraufhin beschlossen die Beklagten am 1. Juni 2004, die Insolvenzschuldnerin zum 31. August 2004 aufzulösen.
3
Am 4. Juni 2004 veräußerten die Beklagten die Geschäftsausstattung der Insolvenzschuldnerin an eine Verwertungsgesellschaft und schlossen darüber einen Leasingvertrag ab (Sale-and-lease-back). Am 1. Juli 2004 gründeten sie die Wirtschaftsakademie K. AG & Co. KG (im Folgenden: Wirtschaftsakademie ), deren Kommanditisten sie - zunächst neben der Insolvenzschuldnerin - wurden und an deren Komplementärin, der J. AG, sie ebenfalls mehrheitlich beteiligt waren. Die Wirtschaftsakademie trat - bis auf eine Ausnahme - in die Mietverträge der Insolvenzschuldnerin, in den Leasingvertrag über die Geschäftsausstattung und in einen Leasingvertrag über das Geschäftsfahrzeug ein und übernahm die Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin.
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Am 6. Dezember 2004 beantragten die Beklagten die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit.
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Der Kläger ist der Auffassung, die Maßnahmen der Beklagten stellten insgesamt einen existenzvernichtenden Eingriff in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin dar. Deshalb seien die Beklagten verpflichtet, Schadensersatz in Höhe der voraussichtlich zu berücksichtigenden Forderungsanmeldungen von 258.454,77 € und der Kosten des Insolvenzverfahrens von 70.305,57 € zu zahlen, zusammen 328.760,34 €.
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Hilfsweise macht der Kläger geltend, die Gewinnausschüttung im Januar 2004 sei in Höhe von 237.966,07 € unzulässig gewesen, weil insoweit kein freies , die Stammkapitalziffer von 205.539,34 € übersteigendes Vermögen der Insolvenzschuldnerin vorhanden gewesen sei. Insoweit ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung Darlehen der Insolvenzschuldnerin an ihre Gesellschafter in Höhe von zusammen 136.058,34 € und an die J. AG in Höhe von 112.516,54 € offen standen und in dem vorläufigen Jahresab- schluss 2003 ausgewiesen waren. Diese Darlehen sind später in Höhe von 120.000,00 € und 112.516,54 € zurückgezahlt worden. Der Kläger meint, die Darlehensrückzahlungsansprüche hätten im Rahmen der Gewinnausschüttung bei der Prüfung, ob dadurch eine Unterbilanz entstanden sei, nicht berücksichtigt werden dürfen. Damit verringere sich der ausschüttungsfähige Betrag auf 242.033,93 € (= 696.148,65 € in der Bilanz ausgewiesenes Eigenkapital abzüglich 205.539,34 € Stammkapital abzüglich 248.575,38 € Darlehen an Gesell- schafter bzw. mit ihnen verbundene Unternehmen). Von der Gewinnausschüt- tung in Höhe von 480.000 € seien also 237.966,07 € zu Unrecht erfolgt.
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Das Landgericht hat der auf gesamtschuldnerische Zahlung von 328.760,34 € gerichteten Klage in Höhe von 39.322,02 € pro Beklagten als Ein- zelschuldner - zusammen 117.966,06 € - stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil auf die Berufung der Beklagten dahin abgeändert, dass die Beklagten als Einzelschuldner jeweils nur 5.352,95 € zu zahlen haben, zusammen 16.058,85 €. Im Übrigen hat es die weitergehende Berufung der Beklagten sowie die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
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Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, der sein Klagebegehren in vollem Umfang aufrechterhält.

Entscheidungsgründe:


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Die Revision des Klägers hat nur teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht durfte die Klage aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abweisen, soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 237.966,07 € nebst Zinsen zu verurteilen. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
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I. Dem Kläger steht kein Anspruch in Höhe von 328.760,34 € aus § 826 BGB in der Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs zu.
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1. Das Berufungsgericht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. November 2010 - 16 U 71/09, juris) hat zur Begründung seiner Entscheidung insoweit ausgeführt: Ein für die Annahme eines existenzvernichtenden Eingriffs erforderlicher missbräuchlicher Entzug von Vermögen könne nicht festgestellt werden. Jedenfalls fehle es an einem Verschulden der Beklagten. Zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung am 16. Januar 2004 sei ein finanzielles Scheitern der Insolvenzschuldnerin für die Beklagten nicht absehbar gewesen. Die Insolvenzschuldnerin habe im Gegenteil gute Umsätze erzielt, weil sie die nach den Reformgesetzen erforderliche Qualifizierung bereits besessen habe. Für die Folgezeit sei zwar zu berücksichtigen, dass eine Verlagerung des Geschäftsbe- triebs auf eine den Gesellschaftern nahestehende andere Gesellschaft den Schluss auf eine "Selbstbedienung" zulassen könne. Hier fehle es aber an ausreichendem Vortrag des Klägers. Weder sei dargetan, dass eine Liquidation in der von den Beklagten durchgeführten Weise von vornherein wirtschaftlich aussichtslos gewesen sei. Noch reiche der Umstand, dass die Betriebsausstattung für einen geringeren Betrag als den Buchwert veräußert und für den Gebrauch des Firmenbestandteils "K. " kein Entgelt von der Wirtschaftsakademie gefordert worden sei. Der Kläger habe nicht dargelegt, welche Beträge insoweit hätten erzielt werden können. Auch die Übertragung der Miet- und Arbeitsverhältnisse auf die Wirtschaftsakademie belege einen Eingriff im Sinne des § 826 BGB nicht. Im Gegenteil sei die Insolvenzschuldnerin dadurch von weiteren Verbindlichkeiten entlastet worden.
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2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsfehlern.
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a) Nach der Senatsrechtsprechung liegt ein zum Schadensersatz nach § 826 BGB verpflichtender existenzvernichtender Eingriff dann vor, wenn der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern in sittenwidriger Weise das zur Tilgung ihrer Schulden erforderliche Vermögen entzogen und damit eine Insolvenz verursacht wird (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 Rn. 23 ff. - Trihotel) - wobei im Liquidationsstadium ausreicht, dass der Vermögensentzug gegen § 73 Abs. 1 GmbHG verstößt (BGH, Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 39 f. - Sanitary). Dabei müssen die Gesellschafter mit zumindest bedingtem Vorsatz handeln. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 Rn. 41 - Trihotel). Ob im Einzelfall diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Tatrichter festzustellen. Das Revisionsgericht kann nur überprüfen, ob der Tatrichter von unzutreffenden Rechtsbegriffen ausgegangen ist, ob er den Sachvortrag der Parteien nicht umfassend berücksichtigt hat oder ob seine Wertung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.
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b) Derartige Rechtsfehler vermag die Revision hier nicht aufzuzeigen.
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aa) Das gilt zum einen für die Ausschüttung im Januar 2004. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Beklagten nach der rechtsfehlerfreien - und von der Revision auch nicht angegriffenen - Feststellung des Berufungsgerichts noch davon ausgehen, dass die Insolvenzschuldnerin die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Beauftragung nach den Hartz-Gesetzen erfüllte und daher der Geschäftsbetrieb fortgesetzt werden konnte.
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bb) Aber auch bezüglich der Würdigung der nach dem Auflösungsbeschluss getroffenen Maßnahmen der Beklagten zeigt die Revision keine durchgreifenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts auf.
17
Infolge des Auflösungsbeschlusses vom 1. Juni 2004 waren die Beklagten als Liquidatoren gemäß § 70 GmbHG verpflichtet, die laufenden Geschäfte der Insolvenzschuldnerin zu beenden, die Vermögensgegenstände der Insolvenzschuldnerin zu veräußern und mit dem Erlös die Gläubiger zu befriedigen. Dass sie damit sofort begannen und nicht erst das Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses zum 31. August 2004 abwarteten, ist unschädlich. Die Beklagten waren jedenfalls nicht verpflichtet, den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin fortzuführen. Sie durften auch einen im Wesentlichen gleichartigen Geschäftsbetrieb in der Rechtsform einer anderen Gesellschaft, nämlich der Wirtschaftsakademie, aufnehmen. Beschränkungen ergeben sich in der Liquidation der Altgesellschaft lediglich insoweit, als keine Maßnahmen getroffen werden dürfen, die gegen die gläubigerschützenden Vorschriften der §§ 70, 73 GmbHG oder - im Zusammenhang mit dem Eintritt der Insolvenzreife - gegen § 15a InsO, § 64 GmbHG verstoßen oder sonst die Gläubiger der Altgesellschaft benachteiligen. Das Gesellschaftsvermögen darf nicht unter Wert auf die Neugesellschaft übertragen werden mit der Folge, dass die Gläubiger der Altgesellschaft leer ausgehen. Diese Voraussetzungen hat der Insolvenzverwalter darzulegen.
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Das ist hier nicht in ausreichendem Maße geschehen, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat. Die Veräußerung der Geschäftsausstattung im Rahmen des Sale-and-lease-back-Verfahrens an die Verwertungsgesellschaft B. GmbH und die Übertragung der Miet-, Leasing - und Dienstverhältnisse auf die Wirtschaftsakademie bzw. den Interessenten für das Mietverhältnis in R. dienten dem Liquidationszweck, den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldner zu beenden. Das Berufungsgericht hat zutreffend gesehen, dass eine Verlagerung des Geschäftsbetriebs mit seinen Vermögenswerten auf eine von den Gesellschaftern abhängige andere Gesellschaft den Schluss auf eine "Selbstbedienung" im Sinne der Existenzvernichtungshaftung nahelegt. Es hat aber aufgrund des Vortrags des Klägers nicht festzustellen vermocht, dass die Verwertung der Vermögensgegenstände der Insolvenzschuldnerin kompensationslos erfolgt oder eine geordnete Abwicklung der Insolvenzschuldnerin auf diese Weise von vornherein nicht möglich und damit betriebswirtschaftlich unvertretbar gewesen wäre.
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Die Übernahme der Miet-, Leasing- und Mitarbeiterverträge hat schon deshalb nicht zu einem Schaden der Insolvenzschuldnerin geführt, weil sie dadurch von der Pflicht zur weiteren Zahlung der Mieten und Vergütungen entlastet worden ist. Der Vorwurf, die Beklagten hätten nur die "günstigen" Mietverhältnisse auf die Wirtschaftsakademie übertragen, den "ungünstigen" Vertrag für R. dagegen bei der Insolvenzschuldnerin belassen, ist unbe- gründet, weil die Beklagten auch für das Objekt in R. einen Nachmietinteressenten gefunden haben.
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Dass die Geschäftsausstattung in der Bilanz zum 31. Dezember 2003 mit 200.498 € verbucht war, aber nur für 70.000 € an die B. GmbH veräußert worden ist, reicht für die Annahme eines Verkaufs unter Wert nicht aus. Das Berufungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger nicht vorgetragen hat, welcher Preis bei einer Verwertung im Rahmen einer Liquidation hätte erzielt werden können. Dieser Preis entspricht nicht zwingend dem Buchwert.
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Ohne Erfolg beanstandet die Revision weiter, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Firmenwert der Insolvenzschuldnerin in der Bilanz zum 31. Dezember 2003 mit 86.711 € angegeben sei, die Beklagten für die Übertragung des good will und insbesondere des Firmenbestandteils "K. " auf die Wirtschaftsakademie aber keine Gegenleistung vereinbart hätten. Auch insoweit zeigt die Revision nicht auf, dass der Kläger einen Preis behauptet hätte , der für den Geschäftsbetrieb einschließlich des Firmenbestandteils in der konkreten wirtschaftlichen Lage hätte erzielt werden können.
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II. Der Kläger hat aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts möglicherweise einen Anspruch in Höhe von 237.966,07 € aus § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG (vgl. zur Anspruchsgrundlagenkonkurrenz mit dem Anspruch aus existenzvernichtendem Eingriff BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246 Rn. 40 - Trihotel), für den die Beklagten als Gesamtschuldner haften.
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1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zu dem Anspruch aus § 31 GmbHG im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Darlehen, welche die Insolvenzschuldnerin den Beklagten und der von ihnen beherrschten J. AG in Höhe von 136.058,34 € und 112.516,54 € gewährt habe, dürften nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24. November 2003 - II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 - "Novemberurteil") bei der Prüfung, ob die Gewinnausschüttung vom 16. Januar 2004 das Gesellschaftsvermögen unter die Stammkapitalziffer abgesenkt habe, nicht berücksichtigt werden. Denn die Gesellschaft habe ihren Gesellschaftern nach damaligem Recht keine Darlehen zu Lasten des Stammkapitals gewähren dürfen, selbst wenn der Darlehensrückzahlungsanspruch vollwertig gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe seien die Darlehen hier zwar nicht zu beanstanden gewesen. Durch die Gewinnausschüttung vom 16. Januar 2004 sei die Insolvenzschuldnerin aber, wenn man die Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Beklagten und die J. AG in der Handelsbilanz der Insolvenzschuldnerin nicht aktiviere, in Höhe von 237.966,07 € in eine Unterbilanz geraten. Damit sei ein Erstattungsanspruch aus § 31 GmbHG in dieser Höhe entstanden. Da aber die Beklagten und die J. AG die Darlehen später in Höhe von 120.000,00 € und 112.516,54 € zurückgezahlt hätten, sei auch der Erstattungs- anspruch aus § 31 GmbHG insoweit erloschen. So verbleibe noch ein Restanspruch aus § 31 GmbHG in Höhe von insgesamt 16.058,34 €, der zu einer anteiligen Haftung der Beklagten in Höhe von jeweils 5.352,95 € führe.
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2. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf Rechtsfehlern.
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a) Unzutreffend ist die Annahme des Berufungsgerichts, nach der Rechtsprechung des Senats seien Darlehensrückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter in der Handelsbilanz nicht zu aktivieren, soweit es darum gehe festzustellen, ob eine weitere Ausschüttung an die Gesellschafter zu Lasten der Stammkapitalziffer gehe und damit gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verstoße. Rückzahlungsansprüche aus Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter sind in der Handels- wie in der Überschuldungsbilanz mit ihren wahren Werten zu aktivieren. Ob aus der Entscheidung des Senats vom 24. November 2003 (II ZR 171/01, BGHZ 157, 72 - "Novemberurteil") etwas anderes folgt, wie das Berufungsgericht gemeint hat, kann offen bleiben. Denn der Senat hat die in diesem Urteil zur Zulässigkeit von Darlehensvergaben an Gesellschafter aufgestellten Grundsätze - auch für Altfälle - aufgegeben (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 12 - MPS). Ein Darlehen der Gesellschaft an einen Gesellschafter kann danach - wie es der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG nF klargestellt hat - nur dann als verbotene Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens gewertet werden, wenn das Darlehen nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. In diesem Fall kann der Darlehensrückzahlungsanspruch aber schon deshalb nicht mit seinem vollen Nennwert in die Handelsbilanz eingestellt werden, weil er in dem Umfang, in dem eine Rückzahlung ernstlich zweifelhaft ist, nach allgemeinen bilanzrechtlichen Regeln in seinem Wert berichtigt werden muss. Danach kommt es für die Anwendung der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG darauf an, ob bei bilanziell zutreffender Bewertung der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Gesellschafter durch die weitere Ausschüttung eine Unterbilanz entstand oder vertieft wurde.
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Nichts anderes gilt für das der J. AG gewährte Darlehen. Es ist unabhängig von der Frage, ob die Beklagten auf die J. AG einen beherrschenden Einfluss ausüben konnten, mit seinem wahren Wert zu bilanzieren.
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b) Da die Beklagten nicht nur Gesellschafter, sondern auch Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin waren, haften sie nicht nur nach § 31 Abs. 1, sondern auch nach § 43 Abs. 3 Satz 1 GmbHG und insoweit als Gesamt- schuldner. Diese zusätzliche Haftung besteht gemäß § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG - da die Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer so zu behandeln sind, als hätten sie in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung gehandelt - aber nur dann, wenn der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich war (vgl. dazu Scholz/Winter/Veil, GmbHG, 10. Aufl., § 9b Rn. 8), wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Dass der Ersatzbetrag jedenfalls später zur Gläubigerbefriedigung erforderlich geworden ist, reicht dagegen nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 193/02, ZIP 2003, 945, 946; Urteil vom 18. Februar 2008 - II ZR 62/07, ZIP 2008, 736 Rn. 11).
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c) Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die (teilweise) Rückzahlung der Darlehen durch die Beklagten und die J. AG zu einem Erlöschen des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG geführt hat.
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Nach der Rechtsprechung des Senats entfällt der Anspruch gegen den Gesellschafter aus § 31 Abs. 1 GmbHG - und damit auch die Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG - nicht von Gesetzes wegen, wenn das Gesellschaftskapital später anderweit bis zur Höhe der Stammkapitalziffer nachhaltig wiederhergestellt ist (BGH, Urteil vom 29. Mai 2000 - II ZR 118/98, BGHZ 144, 336, 340 ff.). Der Senat hat dazu auf die funktionale Nähe des Anspruchs aus § 31 GmbHG zu dem Einlageanspruch der Gesellschaft abgestellt, der ebenfalls nicht dadurch erlischt, dass der Gesellschaft anderweitig Kapital zugeführt wird. Ferner hat er berücksichtigt, dass die Gesellschaft die Möglichkeit haben muss, den Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG durch eine Abtretung wirtschaftlich zu verwerten, und dass diese Möglichkeit vereitelt oder jedenfalls erschwert wird, wenn die Zahlung des Kaufpreises für den Anspruch dazu führen könnte, dass er in Höhe der Kaufpreiszahlung erlischt.

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Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben würden. Wenn die Darlehensrückzahlungsansprüche der Insolvenzschuldnerin - wie hier zu unterstellen ist - zum Zeitpunkt der Ausschüttung der 480.000 € an die Beklagten nicht werthaltig waren, führte die Ausschüttung zu einem Erstattungs- bzw. Schadensersatzanspruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagten nach § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG. Daneben hatte die Insolvenzschuldnerin weiterhin die zwar nicht werthaltigen , aber doch weiter bestehenden Ansprüche aus den Darlehensverträgen. Wenn diese Ansprüche dann später - wider Erwarten - erfüllt worden sind, wirkt sich das nur auf die Darlehensverhältnisse aus. Der daneben und unabhängig von diesen Darlehensverhältnissen bestehende Anspruch aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG wird davon ebenso wenig berührt wie durch eine Verbesserung der Vermögenssituation infolge einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit.
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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem entscheidenden Punkt von dem der Senatsentscheidung vom 26. Januar 2009 (II ZR 217/07, BGHZ 179, 285) zugrunde liegenden Fall einer Kapitalaufbringung bei einem sogenannten Her- und Hinzahlen. Dort ging es um eine Zahlung, die dem Gesellschafter unter Verstoß gegen die Eigenkapitalbindung nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln gewährt worden war und die demgemäß einen Rückzahlungsanspruch entsprechend § 31 Abs. 1 GmbHG ausgelöst hatte. Da der Einlageanspruch mit Beträgen, die gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften an den Gesellschafter ausgezahlt worden sind, nicht erfüllt werden kann, bestand unabhängig von der Tilgungsbestimmung des Gesellschafters in jenem Fall nur eine Forderung, die durch die Gesellschafterzahlung erfüllt werden konnte, nämlich der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG analog. Im vorliegenden Fall dagegen waren die Darlehen an die Beklagten und die J. AG gerade nicht unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln ausgezahlt worden. Es bestanden somit voneinander unabhängige Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen und gegebenenfalls auf Erfüllung des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG. Deshalb konnte die Rückzahlung der Darlehen auch nur zum Erlöschen der Darlehensansprüche , nicht aber auch des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG führen.
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d) Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt ausfolgerichtig - nicht festgestellt, dass die Darlehensrückzahlungsansprüche nach den bilanzrechtlichen Grundsätzen nicht hätten in voller Höhe aktiviert werden dürfen. Das wird es in der wiedereröffneten mündlichen Verhandlung nachzuholen haben. Gegebenenfalls wird es im Hinblick auf die beantragte gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten weiter prüfen müssen, ob der unter Verstoß gegen § 30 Abs. 1 GmbHG ausgezahlte Betrag zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich war.
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3. Der wahre Wert der bilanzierten Forderungen kann auch nicht aus anderen Gründen offen bleiben. Entgegen der Ansicht der Revision führt eine Berücksichtigung des § 43a GmbHG nicht zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch nach § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG in Höhe von 237.966,07 € unabhängig von der Werthaltigkeit der Darlehensansprüche bestehen würde.
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a) Die Revision meint, die Darlehensrückzahlungsansprüche der Insolvenzschuldnerin seien bei der Feststellung der Unterbilanz zum Zeitpunkt der Gewinnausschüttung im Januar 2004 deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die Beklagten zugleich Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin gewesen seien und daher dem Kreditverbot des § 43a GmbHG unterlegen hätten. Danach sei bei einem Darlehen an einen Geschäftsführer von Gesetzes wegen zu unter- stellen, dass der Rückzahlungsanspruch nicht werthaltig sei. Zwar dürfe das Darlehen ausgereicht werden, wenn genügend ungebundenes Vermögen vorhanden sei. Wenn es später jedoch zu einer Ausschüttung an die Gesellschafter komme, sei der Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer bei der Prüfung, ob die Stammkapitalziffer durch die Ausschüttung an die Gesellschafter unterschritten werde, nicht zu berücksichtigen.
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b) Daran ist richtig, dass § 43a GmbHG nicht nur auf Fremdgeschäftsführer , sondern auch auf - wie hier - Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar ist (BGH, Urteil vom 24. November 2003 - II ZR 171/01, BGHZ 157, 72, 73 f. - "Novemberurteil") und dass nach dieser Vorschrift - abweichend von § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG - der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer bei der Prüfung, ob die an ihn zu zahlende Darlehensvaluta aus ungebundenem Vermögen geleistet werden kann, als nicht werthaltig zu unterstellen ist und damit - insoweit - nicht aktiviert werden darf (allg. Meinung, s. etwa Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 43a Rn. 24 m.w.N.). Verboten ist nach § 43a GmbHG aber nur ein Darlehen, das bei - unter Berücksichtigung dieser Berechnungsweise - bestehender Unterbilanz ausgereicht wird oder durch dessen Ausreichung eine Unterbilanz entsteht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf auch einem Geschäftsführer oder einer anderen der in § 43a GmbHG erwähnten Führungskräfte ein Darlehen gewährt werden.
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c) Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob der Darlehensrückzahlungsanspruch auch dann außer Ansatz bleiben muss, wenn es um eine weitere Zahlung an den (Gesellschafter-)Geschäftsführer geht, insbesondere um eine Gewinnausschüttung.
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aa) Das käme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich § 43a GmbHG, wie eine Meinung im Schrifttum annimmt, nur auf den Zeitpunkt der Ausreichung des Darlehens bezieht (so Geßler, BB 1980, 1385, 1389; Lutter, DB 1980, 1317, 1322; Paefgen in Ulmer/Habersack/Winter, GmbHG, § 43a Rn. 27; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43a Rn. 10; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 43a Rn. 2; Oetker in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, GmbHG § 43a Rn. 11; Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 43a Rn. 4; Koppensteiner in Rowedder/ Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 43a Rn. 7; MünchKommGmbHG/Löwisch, § 43a Rn. 16, 32). War zu diesem Zeitpunkt genug freies Vermögen vorhanden, bleibt nach dieser Meinung das Darlehen mit dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt unabhängig von der weiteren Vermögensentwicklung der Gesellschaft zulässig. Es ist wie jedes andere von der Gesellschaft ausgegebene Darlehen zu behandeln. Dann besteht aber auch kein Anlass, den Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Beurteilung weiterer Ausschüttungen außer Ansatz zu lassen.
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Etwas anderes könnte gelten, wenn man der Meinung folgt, nach der der Rückzahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer aus einem unter Beachtung des § 43a GmbHG geschlossenen Darlehensvertrag nachträglich nach § 43a GmbHG zur sofortigen Rückzahlung fällig wird, wenn eine Unterbilanz entsteht (so Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl., § 43a Rn. 43 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht , 4. Aufl., § 37 III 6 a; Peltzer, Festschrift Rowedder, 1994, S. 325, 342; Sotiropoulos, GmbHR 1996, 653, 656; Fromm, GmbHR 2008, 537, 540). Nach dieser Meinung könnte es folgerichtig sein, den Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Feststellung einer Unterbilanz dauerhaft außer Betracht zu lassen.
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bb) Zutreffend ist die zuerst genannte Meinung.
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Dafür spricht schon der Wortlaut des § 43a, wo allein davon die Rede ist, dass ein Darlehen nicht "gewährt" werden darf. Dem entspricht der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vom 16. April 1980 zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, auf dessen Vorschlag § 43a in das GmbH-Gesetz eingefügt worden ist (BTDrucks. 8/3908, S. 20, 74 f.). Darin heißt es, die Vorschrift erfasse ihrem Wortlaut nach nur Kredite, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gewährt würden. Das wäre anders, wenn man unter den Begriff der Kreditgewährung auch ein Belassen von Liquidität fassen würde (so K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 37 III 6 a).
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Auch der Zweck der Vorschrift gebietet keine Ausdehnung auf Vermögensverschlechterungen nach der Auszahlung des Darlehens. Durch § 43a GmbHG wird der Anwendungsbereich des Rechts der Kapitalerhaltung auf die Geschäftsführer und die ihnen gleichgestellten Führungspersonen erweitert. Dabei soll nicht nur ein Absinken des Gesellschaftsvermögens unter die bilanzielle Stammkapitalziffer verhindert, sondern - im Gegensatz zu Darlehen an (Nur-)Gesellschafter nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG - schon der Gefahr eines solchen Absinkens vorgebeugt werden. Das erscheint deswegen gerechtfertigt, weil bei einer derartigen Kreditvergabe die (übrigen) Geschäftsführer die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers beurteilen müssen - bei einer Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB sogar der kreditnehmende Geschäftsführer selbst. Damit besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die Kreditwürdigkeit nicht mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit geprüft wird, gerade auch weil der kreditnehmende Geschäftsführer im Regelfall für etwaige "Gegengeschäfte" mit den prüfenden Geschäftsführern zuständig ist, sich die Adressaten des § 43a GmbHG also gegenseitig (zweifelhafte) Kredite gewähren könnten (Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 43a Rn. 1; Koppensteiner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl., § 43a Rn. 1; Drygala/Kremer, ZIP 2007, 1289, 1296). Diese Situation verändert sich, wenn es im Anschluss an die Kreditvergabe um eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter geht. Der Gewinnanspruch leitet sich nach § 29 GmbHG aus der Handelsbilanz ab, und darin ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer genauso zu aktivieren wie jeder andere Anspruch der Gesellschaft. Zwar besteht auch dann noch die Gefahr, dass die Geschäftsführer den gegen einen von ihnen gerichteten Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Aufstellung des Jahresabschlusses in voller Höhe aktivieren , obwohl er wegen zwischenzeitlich aufgetretener Zahlungsprobleme wertberichtigt werden müsste. Dieser Gefahr wird aber dadurch vorgebeugt, dass die Gesellschafter im gesetzlichen Regelfall des § 46 Nr. 1 GmbHG den Jahresabschluss feststellen und daher Anlass haben, sich selbst ein Bild von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des darlehensnehmenden Geschäftsführers oder der gleichgestellten Führungsperson zu verschaffen (Cahn, Kapitalerhaltung im Konzern, 1998, S. 258). Angesichts dessen erscheint es nicht angemessen , den Anwendungsbereich des im Verhältnis zur bilanziellen Betrachtungsweise des § 30 GmbHG strengeren § 43a GmbHG auch noch auf die Zeit nach der Darlehensgewährung zu erstrecken.
42
Die von der Revision aufgezeigte Gefahr einer Umgehung des Verbots aus § 43a GmbHG gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Diese Gefahr sieht die Revision darin, dass zuerst ein Darlehen an den Gesellschafter -Geschäftsführer ausgereicht wird, das die Stammkapitalziffer noch nicht berührt und deshalb zulässig ist, und danach eine gleich hohe (Gewinn-) Ausschüttung an den Gesellschafter vorgenommen wird, die bei einer Aktivierung des Darlehensrückzahlungsanspruchs ebenfalls nicht gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstößt. Bei der umgekehrten Reihenfolge wäre das Darlehen dagegen unzulässig, weil nach § 43a Satz 1 GmbHG zu unterstellen wäre, dass der Rückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist und dadurch eine Unterbilanz entsteht. In derartigen Fallgestaltungen kann es geboten sein, von den oben dargestellten Grundsätzen eine Ausnahme zuzulassen. Das ändert aber nichts an dem für die Normalfälle angemessenen Ergebnis. Dass hier ein solcher Umgehungsfall vorliegen würde, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, und die Revision macht nicht geltend, dass es dabei Vortrag des Klägers übergangen hätte.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder

Vorinstanzen:
LG Wuppertal, Entscheidung vom 06.03.2009 - 4 O 252/08 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.11.2010 - 16 U 71/09 -

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 151/09
Verkündet am:
18. Oktober 2010
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fleischgroßhandel

a) Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Ersatzanspruch nach
§ 64 Abs. 2 GmbHG aF (= § 64 Satz 1 GmbHG nF) geltend und beruft er sich dabei auf eine Überschuldung
der Gesellschaft i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung, hat
er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs
- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose - mit der Folge einer Bewertung des
Vermögens zu Fortführungswerten - obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; BGH, Urteil vom 27. April 2009
- II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).

b) Die Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt
voraus, dass der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2010 durch den Richter Dr. Strohn, die Richterin Caliebe
und die Richter Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. Fleischgroßhandel GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde am 24. Oktober 2007 auf Eigenantrag vom 28. September 2007 eröffnet.
2
Der Kläger begehrt von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG aF Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe von 118.280,01 € zzgl. Zinsen, die der Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 13. September 2007 vom Geschäftskonto (29.258,72 €) und aus Kassenbeständen (89.021,29 €) der Schuldnerin geleistet hat.
3
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin ab dem 1. Juli 2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per 1. Juli 2007 jedenfalls 60.967,13 € betrugen, ist umstritten, ob Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der Schuldnerin ebenfalls - zumindest teilweise - zu passivieren sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva der Schuldnerin zum Stichtag 1. Juli 2007, und zwar zum einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 2.436 € sowie eine Mietkaution in Höhe von 9.400 € im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.
4
Das Landgericht hat den Beklagten unter Vorbehalt seiner Rechte im Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger habe eine Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan. Auszugehen sei von einem Forderungsbestand der Schuldnerin per 1. Juli 2007 von 39.361,15 € der sich einer vom Kläger nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Aufstellung des Beklagten entnehmen lasse. Zu aktivieren sei zudem ein Betriebskostenguthaben i.H.v. 2.436 €, so dass unter Berücksichtung der weiteren Aktiva wie Bar- und Guthabenvermögen sowie des Wertes der Betriebs- und Geschäftsausstattung eine rechnerische Unterdeckung von nur noch 1.169,98 € gegeben sei. Ob diese verbleibende Deckungslücke objektiv durch die Aktivierung des Mietkautionsguthabens i.H.v. 9.400 € zu schließen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls könne dem Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, wenn er dieses Kautionsguthaben zumindest zu einem Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe. Eine Passivierung von zukünftigen Mietforderungen komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe und deshalb eine Erwirtschaftung der jeweils fälligen Miete aus den Erträgen der Gesellschaft nicht in Betracht gekommen sei.
8
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Das Berufungsgericht ist sowohl bei der Verneinung einer Überschuldung i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung (nachfolgend: InsO aF; zur Anwendbarkeit auf Altfälle vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10) als auch bei den Feststellungen zum Verschulden des Beklagten von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.

10
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan.
11
a) Gemäß § 19 Abs. 2 InsO aF liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO aF folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortführungsprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).
12
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Kläger auferlegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten aus schwebenden - d.h. zum Stichtag der Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllten - Verträgen , zu denen insbesondere auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 98; K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43), im Überschuldungsstatus zu passivieren sind (vgl. K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 125, Temme, Die Er- öffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997, S. 173 f. mwN; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 63 Rn. 45). Das Berufungsgericht ist jedoch der Frage , ob die noch nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt 196.800 € zumindest teilweise zu passivieren seien, mit der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen , der Kläger habe nicht dargelegt, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.
13
c) Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass per 1. Juli 2007 eine positive Fortführungsprognose bestand, so dass die Entscheidung des Berufungsgerichts sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Dem Vorbringen des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags- und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 44 ff. mwN). Es sind auch im Übrigen keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen könnten. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass die Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem 1. Juli 2007 "von der Hand in den Mund" gelebt, d.h. die nur geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben , indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden von Wirtschaftsprü- fern oder Wirtschaftsberatern erstellt, kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei Wochen zu haben gewesen. Der Beklagte hat im Übrigen ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, "dass es nicht mehr weitergehe", Verhandlungen mit Gläubigern geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus dem Kreise der Familie über 30.000 € unter der Voraussetzung erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde. Aus dem Schreiben der G. GmbH & Co. KG ergibt sich lediglich , dass dieser Gläubiger (erst) am 1. Oktober 2007 einem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der Beklagte lediglich "bestritten", dass "keine Sanierungsbemühungen stattgefunden hätten".
14
2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob die nach seinen Feststellungen per 1. Juli 2007 bestehende rechnerische Unterdeckung in Höhe von 1.169,98 € bei zutreffender Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird. Die Begründung, es könne dem Beklagten jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit in Höhe von 9.400 € jedenfalls mit einem geringen Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am 1. Juli 2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass "die Insolvenz in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig aufgezehrt werden würde", verkennt wiederum die Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG aF die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH, Urteil vom 20. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 mwN; BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15). Entsprechende Feststellungen , die eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen könnten , hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zugrunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse darlegen und beweisen, dass der Beklagte mit dem unabänderlichen Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose habe rechnen müssen.
15
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).
16
In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden - nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die noch fehlenden Feststellungen zur Fortführungsprognose und den dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden des Beklagten sowie - soweit erheblich - zur noch zwischen den Parteien als Zahlung umstrittenen Position in Höhe von 694,45 € zu treffen sein.
17
Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.

19
2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die bis zum Ende der festen Laufzeit des Mietvertrages (30. Juni 2011) anfallende Miete anzusetzen ist oder aber - wie es der Kläger selbst vertritt - nur eine Rückstellung mit einem Teilwert angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit letztlich nur eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO realistisch war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch des Vermieters zu bilden waren. Insoweit wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 109 Rn. 11).
20
3. Soweit die Revision als Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO rügt, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten handschriftlich erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung des Forderungsbestandes der Schuldnerin angesehen hat, sind Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend substantiiert ist, um den grundsätzlich für den Nachweis einer Überschuldung darlegungs - und beweisbelasteten Kläger in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und zu den Angaben des Beklagten im Einzelnen Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kläger befindlichen Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde. Dies hat auch das Berufungsgericht festgestellt. Es obliegt deshalb dem Kläger, diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert vorzutragen, welche von dem Beklagten aufgelisteten Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen haben.

21
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass eine teleologische Korrektur des Zahlungsbegriffs des § 64 Abs. 2 GmbHG aF dahingehend, dass es auf einen Vergleich des Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung und deren Ende ankommt, nicht der Rechtsprechung des Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen, weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006 mwN). Dass diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben sind, ist nicht festgestellt.
Strohn Caliebe Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.01.2009 - 419 O 35/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 11 U 40/09 -

Bundesgerichtshof

Urteil, 6. Juni 1994 

Az.: II ZR 292/91

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Geschäftsführer und seit 1985 Alleingesellschafter der im Mai 1981 mit einem Stammkapital von 50000 DM gegründeten S. Handels-GmbH (im folgenden: GmbH). Im Dezember 1985 und Januar 1986 bestellte er im Namen der GmbH bei der Klägerin Waren im Gesamtwert von 98236,22 DM. Die Klägerin lieferte die Gegenstände unter Eigentumsvorbehalt im Januar und Februar 1986. Auf Antrag des Beklagten vom 27. März 1986 wurde am 25. April 1986 das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Klägerin, die auf die Warenlieferungen keine Bezahlung erhielt, 126,182 [ 17. Konkursverschleppung ] erlangte durch Aussonderung Waren im Wert von 7960,11 DM zurück. Wegen der Restforderung von 90276,11 DM, mit der sie nach ihrer Behauptung im Konkurs ausfallen wird, nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat behauptet, die GmbH sei bereits 1985 überschuldet und zahlungsunfähig gewesen; der Beklagte habe dies, als er die Waren bestellte, gewußt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

 Gründe:

I.

1.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten mit der Begründung zur Schadensersatzleistung verurteilt, er habe unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß als Vertreter der GmbH persönlich dafür einzustehen, daß er die Klägerin nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, darüber aufgeklärt habe, daß angesichts der damaligen angeschlagenen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft die Zahlung des Kaufpreises nicht gesichert sei. Die GmbH sei bereits seit 1984 überschuldet gewesen und der Beklagte habe dies bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt erkennen können. Seine persönliche Haftung ergebe sich daraus, daß er ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse am Vertragsschluß gehabt und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt habe. Dieses Interesse sei über seine Beteiligung an der GmbH mit dem damit verbundenen Gewinnbezugsrecht hinausgegangen. Denn er habe - unstreitig - zur Absicherung von Bankverbindlichkeiten der Gesellschaft in den Jahren bis 1985 aus seinem privaten Vermögen die Rechte an einer Lebensversicherung abgetreten, ein Festgeldguthaben von rund 48000 DM verpfändet und sich in Höhe von 250000 DM verbürgt. Dadurch habe er seine wirtschaftliche Existenz weitgehend mit dem Erfolg der Gesellschaft verknüpft. 126,183 [ 17. Konkursverschleppung ]

2.

Diesem rechtlichen Ausgangspunkt, der allerdings im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht, vermag der Senat nicht zu folgen. Für die Folgen einer Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungs- und Obhutspflichten haftet, wenn bei den Vertragsverhandlungen ein Vertreter tätig wird, nach allgemeinen Grundsätzen der Vertretene. Ausnahmsweise kann aber auch der Vertreter selbst schadensersatzpflichtig sein, wenn er 2 persönlich in besonderem Maße das Vertrauen des Verhandlungspartners in Anspruch genommen hat. Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vertreter auch dann für ein Verschulden bei den Vertragsverhandlungen haften, wenn er dem Verhandlungsgegenstand besonders nahesteht, weil er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsschluß interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt.

a)

Der letztgenannte, vom Berufungsgericht herangezogene Gesichtspunkt rechtfertigt die von ihm angenommene Haftung des Beklagten nicht.

aa)

Die Rechtsprechung zur Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses geht im Grundsatz auf Entscheidungen des Reichsgerichts zurück, bei denen es sich zunächst um Fälle handelte, in denen der Vertreter der eigentliche Vertragsinteressent war und nur aus formalen Gründen nicht selbst als Vertragspartei, sondern als Vertreter auftrat (»procurator in rem suam«; grundlegend RGZ 120,249,252 f. , wo der Käufer eines Grundstücks, bevor das Eigentum an diesem auf ihn übergegangen war, es im Namen des Verkäufers weiterverkaufte; vgl. die weiteren Nachweise bei Steininger, Die Haftung des Geschäftsführers und/oder des Gesellschafter-Geschäftsführers aus culpa in contrahendo bei wirtschaftlicher Bedrängnis der Gesellschaft mbH, 1986, S. 53 ff.; Soergel/Wiedemann, BGB 12. Aufl. vor § 275 Rdn. 220). Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung weiterentwickelt und die Haftung seit BGHZ 14,313,318 in dem oben bereits dargestellten Sinne ausgeweitet (eingehend zu dieser Entwicklung Steininger aaO S. 60 ff.; vgl. auch Wiedemann NJW 1984,2226 f.). Im Schrifttum ist dies vom Grundsätzlichen her auf verbreitete Kritik gestoßen (vgl. nur Ballerstedt AcP 151 [1950/51], 501,524; weitere Nach[1]126,184 [ 17. Konkursverschleppung ] weise bei Hachenburg/Ulmer, HGB 8. Aufl. § 64 Rdn. 71 Fußn. 112).

bb)

Auf die die dogmatische Begründbarkeit der Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Interesses insgesamt in Zweifel ziehende Kritik ist hier nicht weiter einzugehen. Für die Entscheidung des vorliegenden Falles ist nur von Bedeutung, ob sich unter diesem Gesichtspunkt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH begründen läßt. Das ist jedenfalls unter den hier gegebenen Voraussetzungen zu verneinen.

(1)

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang ein die Haftung begründendes Eigeninteresse zunächst bereits in Fällen angenommen, in denen ein GmbH-Geschäftsführer maß[1]geblich, vor allem als Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, an der GmbH, in deren Namen er die Vertragsverhandlungen führte, beteiligt war (BGHZ 87,27,33 f.; Urt. v. 27. Oktober 1982 - VIII ZR 187/81, WM 1982,1322,1323; anders aber Urt. v. 5. Juli 1977 - VI ZR 268/75, VersR 1978,59,60; vgl. auch Urt. v. 3. November 1976 - I ZR 156/74, WM 1977,73,76 für den Treugeber eines Gesellschafter[1]Geschäftsführers). Gegen diese Rechtsprechung ist eingewandt worden, sie setze sich in einen Wertungswiderspruch zu § 13 Abs. 2 GmbHG, wonach eine persönliche Haftung des GmbH[1]Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausgeschlossen ist; denn sie knüpfe die Haftung an eine den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht persönlich, sondern nur in seiner Stellung als Vertretungsorgan der Gesellschaft treffende Pflichtverletzung an und begründe damit eine Durchgriffshaftung ohne Vorliegen der Durchgriffsvoraussetzungen (u. a. Rehbinder, FS Robert Fischer, 1979, S. 579,599). Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 1985 (VIII ZR 210/84, ZIP 1986,26,29) ist die maßgebliche Beteiligung des Vertreters an der Gesellschaft für sich allein nicht als ausreichend angesehen worden, um eine Haftung wegen unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen (vgl. auch BGH, Urt. v. 5. Oktober 1988 - VIII ZR 325/87, ZIP 1988,1543,1544 für den Kommanditisten und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG). Es ist vielmehr das Vorliegen zusätzlicher Umstände gefordert worden, die die Annahme rechtfertigen können, der Vertre[1]126,185 [ 17. Konkursverschleppung ] ter habe »gleichsam in eigener Sache« gehandelt. Um derartige Umstände soll es sich handeln, wenn der Gesellschafter- Geschäftsführer der Gesellschaft zusätzlich zu seiner Kapitalbeteiligung zur Absicherung von Gesellschaftsverbindlichkeiten persönliche Bürgschaften oder dingliche Sicherheiten zur Verfügung stellt (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1985 aaO S. 30, v. 8. Oktober 1987 - IX ZR 143/86, WM 1987,1431,1432 und v. . März 1988 - VIII ZR 380/86, ZIP 1988,505,507; für den Kommanditisten einer GmbH & Co. KG bereits Urt. v. 25. Januar 1984 - VIII ZR 227/82, ZIP 1984,439,441 f.), ferner, wenn seine Tätigkeit auf die Beseitigung von Schäden abzielt, für die er anderenfalls von der Gesellschaft in Anspruch genommen werden könnte (Urt. v. 23. Oktober 1985 aaO S. 30 und v. 8. Oktober 1987 aaO S. 1432), und schließlich, wenn er bei Abschluß des Vertrages die Absicht hat, die vom Vertragspartner zu erbringende vertragliche Leistung nicht ordnungsgemäß an die Gesellschaft weiterzuleiten, sondern sie zum eigenen Nutzen dafür geeigneten Zwecken zuzuführen (Urt. v. 23. Oktober 1985 aaO S. 30). In einem nicht gesellschaftsrechtlichen Fall ist allerdings die Bürgschaftsübernahme in Verbindung mit einer Darlehensgewährung und dem Bestehen von 3 Leibrentenansprüchen gegen den Vertretenen nicht als ausreichend angesehen worden, um die Haftung des Vertreters wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses zu begründen (Urt. v. 11. Oktober 1988 - X ZR 57/87, ZIP 1988,1576,1577). Auch mit diesem eingeschränkten Inhalt wird die Rechtsprechung zur Haftung des Gesellschafter[1]Geschäftsführers im Schrifttum überwiegend abgelehnt; allenfalls wird ihr unter Vorbehalten zugestimmt (vgl. u. a. Hommelhoff EWiR 1986, S. 165 f.; Grunewald ZGR 1986,580,584 ff.; K. Schmidt ZIP 1988,1497,1503; Medicus, FS Steindorff, 1990, S. 725,733). Manche Autoren sprechen sich dafür aus, zu den von der Reichsgerichtsrechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen zurückzukehren und die Eigenhaftung wegen wirtschaftlichen Interesses nur für die Fälle einer Art »mittelbarer Stellvertretung des Vertretenen für den Vertreter« zu bejahen (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 72; Soergel/Wiedemann aaO vor § 275 Rdn. 227). Roth (GmbHR 1985,137,139 ff.; ZGR 1986,371,380 f.; 126,186 [ 17. Konkursverschleppung ] GmbHG aaO § 64 Anm. 4.1) hat vorgeschlagen, das von der Rechtsprechung erzielte Ergebnis teilweise - soweit es um die Zeit nach Konkursreife geht - mit einer dann einsetzenden Haftung des unternehmerisch tätigen, beherrschenden Gesellschafters wegen Erschöpfung des Haftungsfonds der Gesellschaft zu begründen. Der erkennende Senat hat bereits in einem Urteil vom 4. Mai 1981 (II ZR 193/80, ZIP 1981,1076,1077) die Eigenschaft als Alleingesellschafter der am Vertrag beteiligten GmbH zur Begründung der persönlichen Haftung des Geschäftsführers nicht genügen lassen. In späteren Urteilen ist er gelegentlich von der Möglichkeit einer Haftung des Vertreters, insbesondere des Geschäftsführers, wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses ausgegangen; im jeweiligen konkreten Fall ist aber das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen verneint worden (Urt. v. 9. Oktober 1986 - II ZR 241/85, ZIP 1987,175,177, v. 17. Juni 1991 - II ZR 171/90, WM 1991,1730 f. und v. 1. Juli 1991 - II ZR 180/90, ZIP 1991,1140,1141 f.). In anderen Urteilen hat der Senat die Frage, ob sich eine persönliche Haftung des Vertreters, insbesondere des Geschäftsführers einer GmbH, mit dessen eigenem wirtschaftlichen Interesse am Vertragsschluß begründen läßt, ausdrücklich offengelassen (Urt. v. 17. Dezember 1984 - II ZR 314/83, WM 1985,384,385; v. 10. März 1986 - II ZR 107/85, WM 1986,854,856 und v. 16. März 1992 - II ZR 152/91,ZIP 1992,694).

(2)

Im vorliegenden Fall kommt nach dem bisherigen Stand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Begründung der Haftung des Beklagten nur der Umstand in Betracht, daß er zugunsten der GmbH Sicherheiten in Form einer Bürgschaft und der Abtretung von persönlichen Forderungen zur Verfügung gestellt hat. Ein solcher Sachverhalt rechtfertigt jedoch die persönliche Inanspruchnahme des GmbH-Geschäftsführers nicht. Der Senat ist durch die frühere, insoweit abweichende Rechtsprechung des VIII. und des IX. Zivilsenats nicht gehindert, diesen Standpunkt einzunehmen; denn diese Senate haben auf Anfrage (Sen.Beschl. v. 1. März 1993, ZIP 1993,763) mitgeteilt, daß sie insoweit an ihrer bisherigen Rechtsauffassung nicht festhalten. 126,187 [ 17. Konkursverschleppung ] Die Beteiligung des Geschäftsführers an der GmbH ist, wie heute unbestritten ist, keine tragfähige Grundlage für seine persönliche Haftung. Setzt der Gesellschafter neben seiner Kapitalbeteiligung teilweise sein Privatvermögen durch Gewährung von Darlehen an die Gesellschaft oder in Form von persönlichen oder dinglichen Sicherheiten für der GmbH gewährte Drittkredite ein, so muß ihm zwar daran gelegen sein, seinen sich daraus ergebenden Erstattungsanspruch gegen die Gesellschaft nicht zu gefährden. Dieses Interesse gibt aber keinen Anlaß, ihn deswegen persönlich für die sonstigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen zu lassen. Solange diese wirtschaftlich gesund ist, ist die Gefahr, daß das zusätzlich für deren Zwecke eingesetzte Privatvermögen verlorengeht, nicht vorhanden. Gerät die Gesellschaft in die Krise, dann werden derartige Gesellschafterleistungen, wenn sie nicht rechtzeitig abgezogen werden, den Kapitalersatzregeln unterworfen (§§ 32 a, 32 b GmbHG sowie §§ 30 f. GmbHG analog). Sie sind dann in gleicher Weise wie die übernommene Stammeinlage und damit so, wie wenn sie der Gesellschaft auch formal als eine solche zur Verfügung gestellt worden wären, zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger bestimmt, soweit die Mittel dazu benötigt werden. Darin erschöpft sich aber die zu der gezeichneten Einlage hinzutretende Belastung für den Gesellschafter; sein über die eingesetzten Mittel hinaus vorhandenes Privatvermögen bleibt dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger entzogen. Das gilt auch für eine zugunsten der Gesellschaft übernommene Bürgschaft. Sie begründet zwar eine persönliche Schuld des Bürgen, aber diese ist auf die durch die Bürgschaft gesicherte Verbindlichkeit begrenzt; andere Gesellschaftsgläubiger können aus ihr keine Rechte herleiten. Derartige zusätzliche Gesellschafterleistungen werden damit in der Krise der Gesellschaft der gezeichneten Einlage gleichgestellt. Vermag diese selbst die Haftung mit dem sonstigen Privatvermögen nicht zu begründen, so kann ihr Ersatz, nämlich die Unterstützung der GmbH durch sonstige Mittel des Gesellschafters, keine weitergehende Wirkung haben. 4 Der Hinweis auf den Kapitalersatzcharakter erfaßt allerdings nicht Kredite und Kreditsicherheiten, die ein Geschäftsführer, der weder formal noch wirtschaftlich an der Gesellschaft betei[1]126,188 [ 17. Konkursverschleppung ] ligt ist, dieser zur Verfügung stellt (zutreffend Medicus GmbHR 1993,533,536). Aber abgesehen davon, daß solche Fälle selten vorkommen, zeigt der für den Gesellschafter geltende Grundsatz der Beschränkung der Haftung auf das für die GmbH eingesetzte Vermögen, daß es beim außenstehenden Kreditgeber - auch wenn er gleichzeitig deren Geschäftsführer ist - erst recht nicht anders sein kann. Der Einsatz von Vermögensteilen für Zwecke der Gesellschaft ist mit dem Risiko behaftet, bei ungünstiger Entwicklung des von dieser betriebenen Unternehmens verlorenzugehen. Hierin erschöpft sich dieses Risiko. Der - an der Gesellschaft beteiligte oder außenstehende - Kreditgeber ist gewiß in einem dem Umfang seines Engagements entsprechenden Maße daran interessiert, daß sich das Unternehmen positiv entwickelt und nicht in die Insolvenz gerät. Daß darin wegen der Geschäftsführungsbefugnis des Kreditgebers ein höheres Gefährdungspotential für die bereits vorhandenen oder die durch neue Vertragsabschlüsse hinzukommenden Gesellschaftsgläubiger zu sehen wäre (Ulmer ZIP 1993,770), kann indessen nicht zugegeben werden. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Werden die Geschäfte so geführt, daß das Unternehmen floriert, so haben die Gläubiger nichts zu befürchten; deren Interessen werden dadurch am wirksamsten gefördert (Medicus GmbHR 1993,533,535; ders. WuB II C. § 64 GmbHG 1.94). Sobald die Gesellschaft in den Bereich der Insolvenz gerät, liegen die Dinge freilich anders. Jetzt besteht das Interesse des Kredit- oder Sicherungsgebers darin, die noch vorhandenen Gesellschaftsmittel und damit auch die Erlöse aus noch in diesem Stadium für die Gesellschaft abgeschlossenen Geschäften zu seiner Befriedigung oder zur Rückführung der abgesicherten Fremdkredite zu verwenden (Canaris JZ 1993,649,650). Da er jetzt von der Gesellschaft nicht mehr viel zu erwarten hat, treten die eigenen Belange des Geschäftsführers, der naturgemäß auf die Befriedigung seiner gegen die Gesellschaft gerichteten Ansprüche bedacht sein muß, in den Vordergrund (so zutreffend Flume ZIP 1994,337,338 f.). Dies zeigt jedoch nur, daß ein Bedürfnis, die Gläubiger durch zusätzliche Zugriffsmöglichkeiten zu schützen, erst in der Insolvenznähe besteht (Soergel/Wiedemann aaO vor § 275 Rdn. 227). Diesem Bedürfnis ist mit Mitteln Rech[1]126,189 [ 17. Konkursverschleppung ] nung zu tragen, die auf die Besonderheiten dieser Situation zugeschnitten sind (siehe dazu unten II). Eine Haftung des Geschäftsführers für die Schulden einer wirtschaftlich gesunden GmbH ist weder gerechtfertigt noch nötig.

b)

Die Verurteilung des Beklagten läßt sich auch nicht auf den Gesichtspunkt der Vertreterhaftung wegen Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens stützen. Der Geschäftsführer einer GmbH nimmt, wenn er für diese in Vertragsverhandlungen eintritt, grundsätzlich nur das normale Verhandlungsvertrauen in Anspruch, für dessen Verletzung der Vertragspartner, in diesem Fall also die GmbH, einzustehen hat; von einem persönlichen Vertrauen läßt sich nur sprechen, wenn der Vertreter beim Verhandlungspartner ein zusätzliches, von ihm selbst ausgehendes Vertrauen auf die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Erklärungen hervorgerufen hat (Sen.Urt. v. 1. Juli 1991 - II ZR 180/90, ZIP 1991,1140,1142 f. m. w.Nachw.). Es wird sich dabei im allgemeinen um Erklärungen im Vorfeld einer Garantiezusage handeln (Hachenburg/ Ulmer aaO § 64 Rdn. 70). An diesen Voraussetzungen fehlt es, wenn das Verhalten des Geschäftsführers sich darin erschöpft, eine Aufklärung über die finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft, zu der er angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage verpflichtet wäre, zu unterlassen; daß im vorliegenden Fall der Beklagte mehr getan hätte, ist nicht festgestellt. Allerdings bleibt die sorgfaltswidrige Verletzung der Offenbarungspflicht, die sich auf die finanzielle Unfähigkeit der Gesellschaft, die vereinbarte Vertragsleistung zu erbringen, bezieht, ohne Sanktion, wenn nur die Gesellschaft selbst dafür einzustehen hat. Deshalb ist vorgeschlagen worden, den Geschäftsführer einer GmbH als deren Repräsentanten immer als »Vertrauensträger« anzusehen, wenn er eine die Solvenz der Gesellschaft betreffende Informationspflicht schuldhaft verletzt (K. Schmidt ZIP 1988,1497,1503; ders. , GesR 2. Aufl. § 36 II 5c S. 907; ihm folgend Flume ZIP 1994,337,338). Eine solche »Repräsentantenhaftung« hätte mit der Haftung des Vertreters wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens nichts mehr zu tun. Sie wäre, da sie im praktischen Ergebnis die Konkursreife zur Haftungsvoraussetzung 126,190 [ 17. Konkursverschleppung ] macht und die vorvertragliche Warnpflicht des Geschäftsführers im wesentlichen mit der Konkursantragspflicht gleichlaufen läßt (K. Schmidt NJW 1993,2934,2935), ein im Wege der Rechtsfortbildung geschaffener Haftungstatbestand zum Zweck der Sanktion für die Fortführung einer konkursreifen GmbH. Dafür besteht neben der gesetzlichen Haftungsgrundlage der §§ 64 5 GmbHG,823 Abs. 2 BGB weder ein Bedürfnis noch eine Legitimation. Bei einer derartigen Ähnlichkeit, wenn nicht Gleichheit der Haftungsvoraussetzungen können nicht durch Richterrecht Haftungsfolgen geschaffen werden, die sich von denen der gesetzlichen Regelung unterscheiden.

II.

Die Klage ist gleichwohl nicht abweisungsreif, weil sich die Haftung des Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG ergeben kann. 1. Nach § 64 Abs. 1 GmbHG hat der Geschäftsführer die Eröffnung des Konkursverfahrens bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft unverzüglich (»ohne schuldhaftes Zögern«) zu beantragen. Die Vorschrift ist, worüber seit langem Einigkeit besteht, ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGH zugunsten der Gesellschaftsgläubiger. Die sich daraus ergebende Haftung des Geschäftsführers ist jedenfalls gegenüber denjenigen Gläubigern, die ihre Forderung bereits vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, auf den Betrag beschränkt, um den sich die Konkursquote, die sie bei rechtzeitiger Konkursanmeldung erhalten hätten, durch Verzögerung der Antragstellung verringert (sog. Quotenschaden; grundlegend BGHZ 29,100,102 ff.). Der Geschäftsführer hat den auf diese Weise errechneten Gesamtgläubigerschaden zu ersetzen, und zwar, wenn ein Konkursverfahren stattfindet, durch Zahlung in die Konkursmasse (vgl. K. Schmidt, GesR aaO § 36 II 5 b S. 903). Da hierbei auf den Zeitpunkt des Eintritts der Konkursantragspflicht abgestellt wird, war zunächst zweifelhaft, ob auch Gläubiger, die ihre Forderung erst später erworben haben, in den Schutzbereich der Vorschrift einbezogen sind. Diese 126,191 [ 17. Konkursverschleppung ] Frage ist, wie seit der genannten Grundsatzentscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 1958 außer Streit ist, zu bejahen. Auch die Neugläubiger, die, jedenfalls soweit es sich um Vertragsgläubiger handelt, bei rechtzeitiger Konkursanmeldung gar keinen Schaden erlitten hätten, sollen danach indessen nur den Quotenschaden ersetzt erhalten; für dessen Berechnung soll der Zeitpunkt maßgebend sein, in dem die jeweilige Forderung entstanden ist (BGHZ 29,100,104 ff., 107; BGHZ 100,19,23 ff.; BGH, Urt. v. 22. Januar 1962 - III ZR 198/60, WM 1962,527,530; v. 18. Juni 1979 - VII ZR 84/78, NJW 1979,2198, insoweit in BGHZ 75,23 nicht abgedruckt, und v. 8. Oktober 1987 - IX ZR 143/86, WM 1987,1431,1432; ferner beiläufig das eine Aktiengesellschaft betreffende Urteil des erkennenden Senats vom 11. November 1985, BGHZ 96,231,237; vgl. aber auch BGHZ 75,96,106: »Schutzgesetz ... jedenfalls insoweit ..., als sich durch die Verzögerung der Konkurseröffnung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verringert haben«). Auch das Bundesarbeitsgericht ist dieser Rechtsprechung gefolgt (Urt. v. 24. September 1974 - 3 AZR 589/73, NJW 1975,708 und v. 17. September 1991 - 3 AZR 521/ 90, soweit ersichtlich, nicht veröffentlicht). Das gleiche gilt für den überwiegenden Teil des Schrifttums (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 48 f.; Scholz/ K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdn. 35 f.; Rowedder, GmbHG 2. Aufl. § 64 Rdn. 24 - ohne eigene Stellungnahme -; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 13. Aufl. § 64 Rdn. 13; Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 64 Rdn. 26 m. w.Nachw.; zu § 92 Abs. 2 AktG: Mertens, KK 2. Aufl. § 92 Rdn. 52; Meyer-Landrut, GroßKomm. [1973] § 92 Anm. 9; unklar dagegen Hefermehl in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1973-74, § 92 Rdn. 24; zweifelnd Roth, GmbHG 2. Aufl. § 64 Anm. 3.1). Auch die Gegenansicht - Ersatz des vollen den »Neugläubigern« infolge des Kontrahierens mit einer konkursreifen GmbH entstandenen Schadens - ist aber immer vertreten worden und bis zur Wiederaufnahme der kontroversen Diskussion im Anschluß an die die jetzige Entscheidung vorbereitenden Beschlüsse des Senats vom 1. März 1993 (aaO) und vom 20. September 1993 (ZIP 1993,1543) nicht verstummt 126,192 [ 17. Konkursverschleppung ] (Winkler MDR 1960,185,186 f.; Lambsdorff/Gilles NJW 1966,1551 f.; Kühn NJW 1970,589,590 ff.; Lindacher DB 1972,1424 f.; Gilles/Baumgart JuS 1974,226,227 f.; Uhlenbruck, Die GmbH & Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, 2. Aufl. , 1988, S. 403 ff.; Stapelfeld, Die Haftung des GmbH[1]Geschäftsführers für Fehlverhalten in der Gesellschaftskrise, 1990, S. 166 ff.). Auch zu den dem § 64 GmbHG entsprechenden Konkursantragsvorschriften für die anderen juristischen Personen mit beschränktem Haftungsvermögen wird teilweise eine Pflicht zu vollem Schadensausgleich gegenüber den Neugläubigern angenommen (Staudinger/Coing, BGB 12. Aufl. § 42 Rdn. 10; Müller, GenG, 1976, § 99 Rdn. 9; zu § 92 Abs. 2 AktG: Meyer-Landrut, FS Barz, 1974, S. 271,277 ff.; zweifelnd Medicus, Bürgerliches Recht 16. Aufl. Rdn. 622; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG 12. Aufl. § 99 Rdn. 4). Hopt (Baumbach/ Duden/Hopt, HGB 28. Aufl. § 130a Anm. 3 A) sieht in dem auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung eingeschränkten Haftungsumfang »eine wesentliche Schwäche« der Haftungsregelung des § 130a HGB. 2. Der erkennende Senat, auf den die Zuständigkeit zur Entscheidung über Ansprüche aus unerlaubter Handlung durch Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Schutzgesetzen vom V I. 6 Zivilsenat übergegangen ist, hält mit Zustimmung der von dieser Rechtsprechungsänderung betroffenen Zivilsenate des Bundesgerichtshofs - nämlich des III., des VII. und des IX. Zivilsenats - sowie des 3. Senats des Bundesarbeitsgerichts den Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht des § 64 Abs. 1 GmbHG für verpflichtet, den Gläubigern, die infolge des Unterbleibens des Konkursantrags mit der GmbH in Geschäftsbeziehung treten und ihr Kredit gewähren, den ihnen dadurch entstehenden Schaden über den sogenannten Quotenschaden hinaus zu ersetzen.

a)

Durch die dem Geschäftsführer einer GmbH auferlegte Konkursantragspflicht werden, wie gesagt, nicht nur die bei Eintritt der Konkursreife bereits vorhandenen Gesellschaftsgläubiger (die »Altgläubiger«), sondern auch die erst später neu hinzukommenden (die »Neugläubiger«) geschützt. Diese wären, wenn der Geschäftsführer seiner Pflicht nachgekommen wäre, 126,193 [ 17. Konkursverschleppung ] nicht in die Gläubigerstellung gelangt; sie hätten mit der Gesellschaft keinen Vertrag mehr geschlossen, ihr keinen Kredit gewährt und damit keinen Schaden erlitten. Die Ursache für diesen Schaden liegt in dem Verstoß gegen die Schutzvorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG. Das hat nach allgemeinen Schadensersatzregeln zur Folge, daß der dem Vertragspartner auf diese Weise rechtswidrig und schuldhaft zugefügte Schaden zu ersetzen ist (vgl. Staudinger/Coing aaO § 42 Rdn. 10). Daß demgegenüber die Altgläubiger nur bis zur Höhe der bei rechtzeitiger Konkursantragstellung erzielbaren Konkursquote entschädigt werden, ist kein Grund dafür, die Neugläubiger ebenso zu behandeln. Bis zu dem nach § 64 Abs. 1 GmbHG maßgebenden Zeitpunkt ist kein Konkursdelikt begangen worden; eine vorher eingetretene Entwertung der zu diesem Zeitpunkt bereits begründeten Forderungen fällt, soweit ein Anspruch nicht auf einer anderen Rechtsgrundlage besteht, in den Risikobereich der davon betroffenen Gläubiger. Insoweit ist diesen kein auf dem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht beruhender Schaden entstanden. Eine Ungleichbehandlung beider Gläubigergruppen (Fleck GmbHR 1974,224,235; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 49) läßt sich darin, daß jedem Gläubiger der gerade ihm entstandene Schaden ersetzt wird, nicht erkennen. Die Begrenzung des Ersatzanspruchs auf den Quotenschaden wird - auch - damit begründet, daß die Neugläubiger, weil sie erst durch die Anbahnung von vertraglichen Beziehungen zur GmbH zu Gläubigern werden, mit ihrem Einzelschaden keine individuell abgrenzbare Gruppe von Betroffenen, sondern Teil des Rechtsverkehrs und damit der Allgemeinheit seien, die als solche in den von § 64 Abs. 1 GmbHG gewährten Schutz nicht einbezogen sei (so Ulmer ZIP 1993,771; dagegen Wiedemann EWiR 1993,583,584; K. Schmidt NJW 1993,2934; Lutter DB 1994,129,135). Es geht indessen hier nicht um den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG - daß die Neugläubiger von ihm erfaßt werden, steht außer Streit -, sondern um den Umfang des den Neugläubigern zu ersetzenden Schadens. Wenn dieser Ersatzanspruch hinter dem zurückbleiben soll, was sich aus allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen ergibt, so läßt sich das allenfalls damit begründen, daß ein sol[1]126,194 [ 17. Konkursverschleppung ] cher Individualschaden nicht vom objektiven Schutzzweck des § 64 Abs. 1 GmbHG erfaßt werde.

b)

Der Normzweck der gesetzlichen Konkursantragspflichten besteht darin, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden (Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 1). Daran hat der Gesetzgeber in schadensersatzrechtlicher Hinsicht zunächst nur die Sanktion geknüpft, daß die Geschäftsführer nach § 64 Abs. 2 GmbHG verpflichtet sind, »Zahlungen«, die sie nach Eintritt der Konkursreife unter Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet haben, der Gesellschaft zu ersetzen. Nach herrschender Meinung sind damit über reine Geldzahlungen hinaus alle Leistungen gemeint, die das Gesellschaftsvermögen schmälern, wobei streitig ist, ob auch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten dazu gehört (vgl. Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 39 f. und Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 22, jeweils m. w.Nachw.; im hier interessierenden Zusammenhang ausführlich Wilhelm ZIP 1993,1833,1835 f.). Der Bundesgerichtshof hat aus dieser sich unmittelbar aus dem GmbH[1]Gesetz ergebenden Rechtslage geschlossen, daß ein weitergehender Schutz der Gläubiger nicht gewollt gewesen sei; das Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit und die Kreditwürdigkeit eines anderen werde, so ist im Urteil vom 16. Dezember 1958 ausgeführt, im Geschäfts- und Wirtschaftsleben nicht besonders geschützt (BGHZ 29,100,106). Für Gläubiger einer Rechtsperson, deren Gesellschafter nicht mit ihrem ganzen Vermögen haften, bestehe zwar ein Bedürfnis nach einem weitergehenden Schutz der Gläubiger. Es gebe jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber durch § 64 Abs. 1 GmbHG über das Ziel hinaus, das zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderliche Gesellschaftsvermögen zu erhalten, die Gläubiger auch davor habe bewahren wollen, einer 7 überschuldeten Gesellschaft noch Kredit zu geben oder überhaupt noch mit ihr in Geschäftsbeziehungen zu treten. Aus den Materialien zum GmbH-Gesetz läßt sich insoweit wenig herleiten. Der Deutsche Handelstag hatte im Gesetzge[1]126,195 [ 17. Konkursverschleppung ] bungsverfahren gefordert, die im Hinblick auf »das kapitalistische Moment der neuen Gesellschaftsform« befürwortete Konkursantragspflicht dadurch sicherzustellen, daß der Zuwiderhandelnde mit seinem gesamten Vermögen in die Haftung für die Gesellschaftsschulden eintrete bzw. daß er den Gesellschaftsgläubigern persönlich für jeden einzelnen Ausfall an ihren Forderungen hafte (Amtl. Ausgabe des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung nebst Begründung und Anlagen, 1891, S. 136,137). Auch die preußischen Handelskammern hatten als Sanktion für die verspätete Stellung des Konkursantrags eine direkte Haftung für alle Ausfälle, die die Gläubiger im Konkurs erleiden, verlangt. Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen zwar nicht nachgekommen, sondern hat es bei dem durch § 64 Abs. 2 GmbHG geschaffenen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Geschäftsführer belassen (vgl. dazu auch Flume ZIP 1994,337,339). Indessen war bei Erlaß des GmbH-Gesetzes im Jahre 1892 das Bürgerliche Gesetzbuch noch nicht in Kraft getreten, und die Vorschrift des § 823 Abs. 2 BGB existierte noch nicht (darauf weisen Medicus WuB II C. § 64 GmbHG 1.94, und Wilhelm ZIP 1993,1834,1835 zutreffend hin). Die Frage, welche Schadensersatzansprüche sich aus dieser Bestimmung für die durch verspätete Konkursantragstellung geschädigten Gläubiger ergeben, kann nicht ohne weiteres mit dem Hinweis auf die - begrenzten - Ansprüche beantwortet werden, die vor der Einführung jener Vorschrift gesetzlich vorgesehen waren. Die bisherige Rechtsprechung und der Teil des Schrifttums, der ihr folgt, sehen als das »den Schutz eines anderen bezweckende Gesetz« (§ 823 Abs. 2 BGB) ausdrücklich oder der Sache nach nur Absatz 2, nicht dagegen Absatz 1 des § 64 GmbHG an, und zwar auch, soweit diese letztere Bestimmung als Schutzgesetz bezeichnet wird (nachdrücklich in diesem Sinne Gerd Müller GmbHR 1994,209: Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 2 GmbHG; vgl. auch Canaris JZ 1993,649,650); jedenfalls sollen beide Absätze der Vorschrift eine »einheitliche Schutzrichtung« haben (K. Schmidt NJW 1993,2934). Unter dieser Voraussetzung ist in der Tat nur der allen Gläubigern gleichmäßig entstandene Masseverkürzungsschaden zu erset[1]126,196 [ 17. Konkursverschleppung ] zen, und die Neugläubiger werden dann tatsächlich nur insoweit zu in den Schutz einbezogenen »Gläubigern«, als sie sich der GmbH gegenüber schon vertraglich gebunden haben (Ulmer ZIP 1993,771); denn nur in dieser Eigenschaft haben sie ein Anrecht auf Befriedigung aus dem als Konkursmasse zu erhaltenden Gesellschaftsvermögen. Eigentliches und ausschließliches Schutzgut des § 64 GmbHG ist aus dieser Sicht das Vermögen der Gesellschaft, dessen Erhaltung durch Absatz 2 dieser Vorschrift gesichert werden soll (zutreffend Flume ZIP 1994,337,339). Die von der Verkürzung der Masse betroffenen Gesellschaftsgläubiger erleiden danach lediglich einen »Reflexschaden«, und die Bedeutung des § 823 Abs. 2 BGB besteht dann in diesem Zusammenhang lediglich darin, daß sie jenen mittelbaren Schaden - zudem auch dort, wo im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer § 43 Abs. 2 GmbHG versagt, wie insbesondere beim Alleingesellschafter - außerhalb des Konkurses selbständig geltend machen können (Gerd Müller ZIP 1993,1531,1536; ders. GmbHR 1994,209,210). Dem über § 64 Abs. 2 GmbHG hinausreichenden Zweck des Absatzes 1 der Vorschrift, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsvermögen aus dem Rechtsverkehr zu entfernen, wird damit eine Schutzwirkung zugunsten der mit einer solchen Gesellschaft in Rechtsbeziehungen tretenden Personen versagt. Jener weitergehende Zweck des § 64 Abs. 1 GmbHG schützt dann überhaupt nicht den einzelnen Geschäftspartner einer konkursreifen GmbH, sondern ausschließlich die Allgemeinheit in ihrem - öffentlichen - Interesse an der Beseitigung einer solchen Gesellschaft. Dies ist gemeint, wenn gesagt wird, die Neugläubiger fielen nicht in den persönlichen Schutzbereich des § 64 GmbHG (Ulmer ZIP 1993,771). c) Eine solche Begrenzung des mit den Konkursantragspflichten bewirkten Schutzes wird deren Bedeutung nicht gerecht. Für juristische Personen mit beschränkter Haftungsmasse besteht nicht nur der zusätzliche Konkursgrund der Überschuldung; nur für sie gibt es auch überhaupt eine - von ihren Organen zu erfüllende - Pflicht zur Konkursanmeldung. Das beruht darauf, daß die Beschränkung der Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ihre Legitimation verlo[1]126,197 [ 17. Konkursverschleppung ] ren hat, wenn dieses Vermögen vollständig verwirtschaftet ist. Die Konsequenz besteht nach dem Gesetz nicht in einer nunmehr einsetzenden persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern darin, daß die für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen durch Konkursanmeldung für eine 8 rechtzeitige Beseitigung der Gesellschaft zu sorgen haben. Die Konkursantragspflicht ergänzt damit den mit den Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften bewirkten Gläubigerschutz; zusammen mit diesen stellt sie die Rechtfertigung für das Haftungsprivileg der Gesellschafter dar (K. Schmidt ZIP 1988,1497; ders. NJW 1993,2934; Stapelfeld aaO S. 171). Wegen dieses Zusammenhangs ist es verfehlt, eine über den Quotenschaden hinausgehende Haftung des Geschäftsführers - der im übrigen nicht notwendig auch Gesellschafter sein muß - gerade als dem Prinzip der Haftungsbeschränkung widersprechend zu bezeichnen (so Bauder BB 1993,2473 f.). Als Instrument des Gläubigerschutzes muß das Gebot der rechtzeitigen Konkursantragstellung schadensersatzrechtlich - und nicht nur strafrechtlich - so sanktioniert sein, daß dieser Schutz wirksam ist. Das ist bei Begrenzung der Geschäftsführerhaftung auf den Quotenschaden und Ausschluß der Ersatzpflicht für darüber hinausgehende Individualschäden nicht der Fall. Die Berechnung jenes Quotenschadens bereitet »beängstigende Schwierigkeiten der Schadensschätzung« (K. Schmidt JZ 1978,661,665), die sich, soweit es um die erst nach dem Zeitpunkt der Konkursreife hinzukommenden Gläubiger geht, noch verstärken (vgl. dazu Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 54). Der damit zusammenhängende Aufwand ist so groß, daß er in der Praxis als nicht lohnend angesehen wird. Die Quotenberechnung ist als eine »juristische Spielerei« (Gerd Müller GmbHR 1994,209,212) bezeichnet worden, die »ebenso ästhetisch anziehend wie praktisch undurchführbar« sei (Schanze AG 1993,380). Die Frage, ob eine die Konkursanmeldung betreffende Pflichtverletzung vorlag, war deshalb auf der Grundlage der bisherigen Rechtspraxis zu § 64 GmbHG, soweit es um unmittelbare Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger ging, »nicht bedeutsam« (Bauder BB 1993,2472,2473). Die Begrenzung der Haftung auf den Quotenschaden hat die Konkursan[1]126,198 [ 17. Konkursverschleppung ] tragsvorschriften als Haftungsnormen weitgehend außer Kraft gesetzt; es ist, soweit ersichtlich, kein Prozeß bekannt geworden, in dem von vornherein ein auf den Ersatz des Quotenschadens begrenzter Anspruch jemals ernstlich verfolgt worden wäre (Mertens, FS Hermann Lange, 1992, S. 561,577). Auf der anderen Seite besteht, wie schon der VI. Zivilsenat im Urteil vom 16. Dezember 1958 zum Ausdruck gebracht hat - darauf ist weiter oben bereits hingewiesen worden - ein Bedürfnis nach einem individuellen Schutz der durch Konkursverschleppungen geschädigten Gläubiger (BGHZ 29,100,106). Rechtsprechung und Wissenschaft haben versucht, diesem Bedürfnis durch Haftungstatbestände außerhalb der Konkursantragsvorschriften Rechnung zu tragen. Dazu gehören die jedenfalls in diesem Zusammenhang dogmatisch nicht haltbare, an der falschen Stelle ansetzende und die in Betracht kommenden Fälle nicht richtig erfassende Vertreterhaftung wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses (oben I) und der in unmittelbarer Nähe der Konkursverschleppungstatbestände ansetzende Vorschlag, eine Vertrauenshaftung des Geschäftsführers im Stadium der Insolvenz der Gesellschaft einzuführen (s. dazu oben I 2 b). Es ist ferner, wie bereits erwähnt (oben I 2a bb unter 1), erwogen worden, in den Fällen der Fortführung einer konkursreifen GmbH eine Haftung der die Gesellschaft beherrschenden, an ihr unternehmerisch beteiligten Gesellschafter anzunehmen (Roth GmbHR 1985,137,139 ff.). Dies alles zeigt, daß die gläubigerschützende Bedeutung des § 64 Abs. 1 GmbHG unter dem Aspekt der Haftungsnorm des § 823 Abs. 2 BGB zu gering eingestuft wird, wenn man annimmt, die Gesellschaftsgläubiger seien, soweit sie über den »Gesamtgläubigerschaden« hinausgehende individuelle Schäden erleiden, als Teil der Allgemeinheit durch die Konkursantragspflicht nicht geschützt. Den Neugläubigern ist deshalb gegen die Geschäftsführer bei schuldhaftem Verstoß gegen die Konkursantragspflicht ein Anspruch auf Ausgleich des Schadens zuzubilligen, der ihnen dadurch entsteht, daß sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (ebenso für das österreichische Recht OGH, Beschl. v. 10. Dezember 1992, ZIP 1993,1871,1874; vgl. auch Karollus, Recht der Wirtschaft [österr.] 126,199 [ 17. Konkursverschleppung ] 1994,100 f.). Die neueren Vorschriften der §§ 130 a, 177a HGB für offene Handelsgesellschaften und Kommanditgesellschaften, an denen keine unbeschränkt haftende natürliche Person beteiligt ist, stehen einem solchen Verständnis der Konkursantragsvorschriften nicht entgegen; der sich aus § 823 Abs. 2 BGB ergebende Schadensersatzanspruch der Gläubiger besteht neben demjenigen der Gesellschaft, der in § 130a Abs. 3 HGB geregelt ist (Baumbach/Duden/Hopt aaO § 130a Anm. 3 C). d) Die Haftung des Geschäftsführers für die durch die Konkursverschleppung verursachten Gläubigerschäden bedeutet für diesen keine unzumutbare Belastung. Die Haftung setzt Verschulden voraus; fahrlässiges Verhalten genügt (BGHZ 75,96,111; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 52 m. w.Nachw.; a. A. Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck aaO § 64 Rdn. 27). Der Geschäftsführer hat die Entscheidung darüber, ob er die Konkurseröffnung beantragen muß, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters zu treffen. Als solcher ist er verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise wird er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen müssen (Hachenburg/Ulmer 9 aaO § 64 Rdn. 52; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 28). Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muß er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt (BGHZ 119,201,214; vgl. dazu auch Schüppen DB 1994, 197, 199). Gibt es begründete Anhaltspunkte, die eine solche Prognose rechtfertigen, so kann das Unternehmen weiterbetrieben werden. Hierbei ist dem Geschäftsführer ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen; vor allem kommt es nicht auf nachträgliche Erkenntnisse, sondern auf die damalige Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Notfalls muß sich der Geschäftsführer fachkundig beraten lassen (Lutter DB 1994,129,135). Hält er sich an diese Anforderungen, die für den Geschäftsführer einer mit einem beschränkten Haftungsvermögen ausgestatteten Gesellschaft eigentlich selbstverständlich sind, dann ist das Risiko, wegen verspäteter Konkursantragstellung belangt zu werden, nicht unzumutbar groß. Die Gefahr, daß sich ein seriöser Geschäftsleiter durch die drohende Haf[1]126,200 [ 17. Konkursverschleppung ] tung von aussichtsreichen Sanierungsbemühungen abhalten läßt, braucht nicht ernstlich befürchtet zu werden. Für solche Sanierungsversuche gilt, soweit sie vertretbar sind, die Dreiwochenfrist des § 64 Abs. 1 GmbHG (vgl. dazu BGHZ 75,96,107 ff.; Scholz/K. Schmidt aaO § 64 Rdn. 15). Die Quote der masselosen GmbH-Konkurse, die bei etwa 75% liegen soll ( K. Schmidt NJW 1993,2935), zeigt, daß in vielen Fällen eine frühere Konkursanmeldung geboten wäre und keine voreilige Unternehmensbeendigung bedeuten würde. Den Beweis für das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Konkursantragspflicht hat grundsätzlich der Gläubiger zu erbringen. Steht fest, daß die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt rechnerisch überschuldet war, so ist es allerdings Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen. Hierzu ist er weit besser in der Lage als ein außenstehender Gläubiger, der in aller Regel von den für die Zukunftsaussichten der Gesellschaft maßgebenden Umständen keine Kenntnis haben wird. Dem Geschäftsführer ist die Darlegung dieser Umstände zumutbar, weil er, wie bereits gesagt, ohnehin zu einer laufenden Prüfung der Unternehmenslage verpflichtet ist. Ob über diese Verteilung der Darlegungslast hinaus der Geschäftsführer hinsichtlich der Fortbestehensprognose auch die Beweislast trägt (so Scholz/K. Schmidt aaO § 63 Rdn. 12 und § 64 Rdn. 38; Hachenburg/Ulmer aaO § 64 Rdn. 19), ist dagegen zweifelhaft; das ist hier indessen nicht zu entscheiden. Mangelndes Verschulden hat freilich der Geschäftsführer zu beweisen (Sen.Urt. v. 1. März 1993 - II ZR 61/93 [81/94] unter II 2a m. w.Nachw. , zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch § 130a Abs. 3 Satz 2 HGB). e) Da es sich bei dem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG um einen Schadensersatzanspruch handelt, kann er nach Maßgabe des § 254 BGB durch ein Mitverschulden des Vertragspartners gemindert sein. Eine solche Mitverantwortung des Geschädigten für den bei ihm eingetretenen Schaden wird anzunehmen sein, wenn für ihn bei Abschluß des Vertrages erkennbare Umstände vorlagen, die die hierdurch begründete Forderung gegen die Gesellschaft als 126,201 [ 17. Konkursverschleppung ] gefährdet erscheinen lassen mußten. Der Ansicht, daß als Anzeichen hierfür schon allein die Höhe des Stammkapitals der GmbH ausreichen könnte (vgl. dazu Flume ZIP 1994,337,341), kann jedoch nicht zugestimmt werden. Denn damit würde das Risiko einer materiellen Unterkapitalisierung der Gesellschaft zumindest teilweise dem Gläubiger aufgebürdet. Das wäre im Hinblick auf die deliktische Haftung des Geschäftsführers nicht angemessen. f) Der Anspruch des »Neugläubigers« entspricht der Höhe nach seinem Vertrauensschaden, soweit dieser durch eine auf den Gläubiger entfallende Konkursquote nicht gedeckt ist. Zur Geltendmachung des Anspruchs ist auch während eines Konkursverfahrens der Gläubiger selbst befugt. Ob dazu daneben auch der Konkursverwalter nach § 64 Abs. 2 GmbHG berechtigt ist (vgl. Wilhelm ZIP 1993,1833,1836, der offenbar eine ausschließliche Einziehungsbefugnis des Konkursverwalters, bezogen auf den Erfüllungsschaden des Gläubigers, annimmt, insoweit ebenso Wellkamp DB 1994,869,873), ist hier nicht zu entscheiden.

III.

Der Rechtsstreit ist unter dem Gesichtspunkt der unter II erörterten Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG nicht entscheidungsreif. Die Feststellung des Berufungsgerichts, die GmbH sei seit 1984 überschuldet gewesen und der Beklagte habe dies bei Anwendung der von ihm zu fordernden kaufmännischen Sorgfalt erkennen können, ist, wie die Revision zu Recht rügt, nicht verfahrensfehlerfrei getroffen worden.


1.

Die Revision beanstandet allerdings zu Unrecht, daß das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen F. verwertet hat. F. war Steuerberater der GmbH und sodann ihr Konkursverwalter. In seiner ersteren - früheren - Eigenschaft hatte er im Hinblick auf seine Verschwiegenheitspflicht ein Aussageverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Von dieser Verschwiegenheitspflicht hatte ihn der Beklagte als Geschäftsführer der GmbH befreit. Das war - insoweit hat die Revision recht - jedenfalls nicht ausreichend; denn mit Konkurseröffnung war die Dispositionsbefugnis des "Geheimnisherrn" in Angelegenheiten der Konkursmasse grundsätzlich auf den Konkursverwalter übergegangen (vgl. BGHZ 109, 260, 270). Die Revision ist offenbar der Ansicht, an einer durch den Zeugen in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter gegenüber sich selbst als ehemaligem Steuerberater erteilten Befreiung habe es gefehlt. Sie verkennt zwar nicht, daß nach der Rechtsprechung ein Verstoß des Gerichts gegen S 383 Abs. 3 ZPO - danach dürfen die in § 383 Abs. 1 Nr. 4-6 genannten Personen von vornherein nicht über offensichtlich unter die Verschwiegenheitspflicht fallende Tatsachen befragt werden - die Aussage nicht unverwertbar macht (BGH, Urt. v. 23. Februar 1990 - V ZR 188/88, NJW 1990, 1734, 1735; a.A. Gießler, NJW 1977, 1185, 1186; Thomas/Putzo, ZPO 18. Aufl. § 383 Rdn. 11). Sie meint aber, das gelte hier deswegen nicht, weil der Zeuge durch eine verfahrenswidrige Maßnahme des Gerichts zu seiner Aussage bestimmt worden sei (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urt. v. 23. Februar 1990 a.a.O.); das Berufungsgericht habe dadurch, daß es auf die Befreiungserklärung durch den Beklagten hingewirkt habe, zum Ausdruck gebracht, der Zeuge müsse, nachdem der Beklagte die Befreiung erteilt hatte, aussagen.

Diese Ansicht ist nicht richtig. Die Zuständigkeit des Zeugen als Konkursverwalter, über seine eigene Befreiung von der Schwelgepflicht als früherer Steuerberater der GmbH zu entscheiden, lief auf ein Aussageverweigerungsrecht unter dem Gesichtspunkt des Konkursinteresses hinaus. Daß dieses durch den Gegenstand der Aussage hätte berührt sein können, war nicht erkennbar. Auch in den Fällen des § 383 Abs. 3 ZPO darf der Zeuge nur über solche Tatsachen nicht befragt werden, "in Ansehung welcher erhellt", daß sie von dem Verweigerungsrecht erfaßt werden.

2.

Die Feststellungen des Berufungsgerichts, um die es hier geht, sind jedoch in anderer Hinsicht Verfahrensfehlerhaft. Das Berufungsgericht hat maßgeblich darauf abgestellt, daß die Warenvorräte schon in der Bilanz zum 31. Dezember 1984 zu hoch angesetzt worden seien. Dieser Fehler habe sich in die Zwischenbilanz auf den 31. August 1985 hinein fortgesetzt, weil unstreitig auf diesen Stichtag der Warenvorrat nicht durch Inventur, sondern rechnerisch durch Fortschreibung des Bestands vom 31. Dezember 1984 ermittelt worden ist. Das Berufungsgericht hat sich dabei auf die vom Sachverständigen U. hervorgehobene Tatsache gestützt, daß der bilanzielle Warenbestand Ende 1984 im Vergleich zu Ende 1983 um 490.000,- DM gestiegen war, und, auch insoweit dem Sachverständigen folgend, ausgeführt, für eine solche Aufblähung des Vorratsvermögens habe betriebswirtschaftlich keine Notwendigkeit bestanden; der zu hohe Warenbestandswert hätte dem Beklagten auch deswegen auffallen müssen, weil trotz des im Jahre 1984 eingetretenen unvorhergesehenen Ausfalls einer Kundenforderung von gut 120.000,- DM das bilanzielle Jahresergebnis lediglich von + 42.000,- DM im Jahre 1983 auf - 8.000,- DM im Jahre 1984 zurückgegangen sei. Das Berufungsgericht hat sich schließlich dadurch in seiner Annahme bestätigt gesehen, daß der Zeuge F. in der Konkurseröffnungsbilanz vom 20. Juni 1986 durch buchmäßige Fortschreibung des Warenvorfahrtswerts vom 31. Dezember 1984 auf einen Betrag von 666.000,- DM gekommen sei, tatsächlich aber, wie eine körperliche Inventur ergeben habe, nur Waren im Wert von rund 300.000,- DM vorhanden gewesen seien.

a)

Die Revision wendet sich gegen den im Berufungsurteil enthaltenen Satz, "der im Jahre 1984 aufgetretene Kreditorenverlust von weit mehr als 100.000,- DM (finde) im Jahresergebnis ... keinen Ausdruck". Das Berufungsgericht hat damit jedoch nicht, wie die Revision offenbar meint, sagen wollen, der Forderungsausfall sei nicht ordentlich verbucht worden, sondern nur, das Jahresergebnis hätte bei richtigem Ansatz der Warenvorräte im Hinblick auf jenen Forderungsverlust schlechter ausfallen müssen.

b)

Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, daß sich das Berufungsgericht mit wesentlichem Vorbringen des Beklagten nicht oder jedenfalls unzureichend befaßt hat. Für die Würdigung des Berufungsgerichts war die auf den Erwägungen des Sachverständigen beruhende Annahme ausschlaggebend, die Warenvorräte seien in der Bilanz zum 31. Dezember 1984 zu hoch angesetzt worden. Dazu hat der Beklagte, worauf die Revision zutreffend hinweist, vorgetragen, bis Oktober 1984 habe die GmbH nur eine geringfügige eigene Lagerhaltung zu betreiben brauchen, weil sie auf den Lagerbestand der bis dahin im selben Gebäude befindlichen, vom Mitgesellschafter des Beklagten betriebenen P. GmbH habe zurückgreifen können. Nach dem Auszug dieses Unternehmens habe sie, um kurzfristig lieferfähig zu bleiben, ihr eigenes Lager erheblich aufstocken müssen; dies erkläre den am Jahresende 1984 im Vergleich zum Vorjahr deutlich erhöhten Warenbestand.

Das Berufungsgericht hat sich damit, abgesehen von einer kurzen Erwähnung ("trotz der vom Beklagten dargelegten Umstellung der Lagerhaltung"), nicht auseinandergesetzt. Es hat lediglich auf die Ausführungen im schriftlichen Sachverständigengutachten verwiesen, wonach "die Aufblähung des Vorratsvermögens ... keinen betriebswirtschaftlichen Sinn" ergebe, sondern es gerade im Hinblick auf den im Jahre 1984 eingetretenen beträchtlichen Forderungsausfall angebracht gewesen sei, den Warenbestand möglichst niedrig zu halten.

Der Sachverständige hatte sich mit jenem - späteren - Vorbringen des Beklagten aber noch nicht befassen können. Für die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts mußte es im Grundsatz unerheblich sein, ob der Beklagte sich in betriebswirtschaftlicher Hinsicht vernünftig verhalten hatte oder nicht. Hatte er das Warenlager tatsächlich aufgestockt, dann war der Ansatz in der Bilanz berechtigt, und der vom Berufungsgericht angenommene verdeckte Verlust lag nicht vor. Die Ausführungen des Berufungsgerichts könnten freilich auch so zu verstehen sein, daß es dem Beklagten wegen der angeblichen betriebswirtschaftlichen Sinnlosigkeit des behaupteten Vorgehens nicht geglaubt hat. Eine solche Würdigung seines Vorbringens wäre aber, was die Revision zu Recht rügt, ohne Erhebung des dazu angetretenen Beweises nicht zulässig gewesen.

In diesem Zusammenhang hätte sich das Berufungsgericht auch mit der offenbar unstreitigen Tatsache auseinandersetzen müssen, daß der Warenansatz in der Bilanz zum 31. Dezember 1984 nicht lediglich rechnerisch ermittelt worden ist, sondern auf einer Inventur beruht; der Beklagte hat dazu in der Beweisaufnahme Unterlagen vorgelegt.. Der Beklagte müßte deshalb, wenn die Feststellung des Berufungsgerichts zum überhöhten Bilanzansatz richtig wäre, die Bilanz bewußt gefälscht haben. Die Ausführungen im Berufungs-urteil lassen nicht erkennen, ob das Berufungsgericht eine dahingehende Feststellung hat treffen wollen.

c)

Das Berufungsgericht hat sich auch, wie die Revision ebenfalls zu Recht beanstandet, nicht mit dem Vortrag des Beklagten und der entsprechenden Aussage des Zeugen Um. befaßt, wonach das Warenlager am 31. Dezember 1985 ausweislich einer zu diesem Zeitpunkt vorgenommenen Inventur so voll gewesen sein soll, daß es noch für eine Produktion von vier bis fünf Monaten ausgereicht hätte, und es sich in der Folgezeit bis März 1986 durch weitere Verkäufe verringert habe. Die Klägerin selbst hat dazu vorgetragen, das Lager sei im April 1986 weitgehend entleert gewesen. Trifft das alles zu, dann läßt die Differenz zwischen dem vom Konkursverwalter ermittelten Fortschreibungsbuchwert von 666.000,- DM und dem tatsächlich vorhandenen Warenwert von rund 300.000,- DM den daraus vom Berufungsgericht gezogenen Schluß auf einen überhöhten Warenansatz in den Bilanzen ab 1984 nicht zu.

3.

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung läßt sich das Berufungsurteil nicht allein im Hinblick auf die vom Berufungsgericht gegebene zusätzliche Begründung halten, es seien keine Umstände ersichtlich, die die Annahme rechtfertigten, die am 27. März 1986 vorhandene Überschuldung von 518.056,- DM sei erst nach der ersten Warenbestellung bei der Klägerin im Dezember 1985 eingetreten. Der vom Berufungsgericht angenommene zu niedrige Warenansatz war für seine Feststellung zum Zeitpunkt des Oberschuldungseintritts von so zentraler Bedeutung, daß nicht davon ausgegangen werden kann, daß es auch ohne jenen Umstand zum selben Ergebnis gelangt wäre. Die danach zur Frage der Überschuldung noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen müssen sich auch auf die Fortbestehensprognose und den Fahrlässigkeitsvorwurf erstrecken; hierbei wird das Berufungsgericht die oben unter II 2 d dargelegten Grundsätze zu berücksichtigen haben.

IV.

Damit die noch zu treffenden tatsächlichen Feststellungen nachgeholt werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.


Boujong
Dr. Hesselberger
Röhricht
Stodolkowitz
Dr. Goette

 

 

Bundesgerichtshof

Urteil vom 29.11.1999 

Az.: II ZR 273/98

 

a) Für den Beginn des mit der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bewehrten Zahlungsverbots gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG genügt die für ihn erkennbare Überschuldung (oder Zahlungsunfähigkeit) der GmbH. Die Beweislast für fehlende Erkennbarkeit trifft den Geschäftsführer.

b) Der von dem Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH veranlaßte Einzug eines Kundenschecks auf ein debitorisches Bankkonto der GmbH ist grundsätzlich als eine zur Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG führende "Zahlung" (an die Bank) zu qualifizieren.

 

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter

Dr. h. c. Röhricht, die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. August 1998 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 2. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs und des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. August 1996 eröffneten Konkurs über das Vermögen der K. GmbH, deren geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Beklagte war. Er reichte in der Zeit zwischen dem 27. November 1995 und dem 12. Juni 1996 acht Schecks von Kunden der Gemeinschuldnerin in Höhe eines Gesamtbetrages von 68.147,69 DM zur Gutschrift auf das debitorisch geführte Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin bei der V. bank B. ein.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von dem Beklagten aus § 64 Abs. 2 GmbHG Erstattung der auf dem debitorischen Konto verrechneten Scheckbeträge, weil dadurch die Haftungsmasse der nach seinem Vortrag schon längere Zeit vor Einreichung des ersten der acht Schecks konkursreifen Gemeinschuldnerin zum Nachteil ihrer übrigen Gläubiger geschmälert worden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

I.

Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger Ersatz der auf das debitorische Konto der Gemeinschuldnerin eingezogenen Scheckbeträge gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG.

1. a) Die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Gemeinschuldnerin spätestens Anfang November 1995 bei Ansatz von Liquidationswerten (rechnerisch) überschuldet war, der Beklagte die Fortführung ihres Unternehmens rechtfertigende Umstände nicht dargetan hat und er deshalb schon vor Einreichung des ersten der acht Schecks hätte Konkursantrag stellen müssen (§ 64 Abs. 1 GmbHG; vgl. BGHZ 126, 181, 199 f.), nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Nach diesen Feststellungen befand sich die Gemeinschuldnerin im November 1994 in einer wirtschaftlichen Situation, in der ein GmbH-Geschäftsführer bei Meidung seiner Ersatzpflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich keine masseschmälernden "Zahlungen" mehr leisten darf. Für den Beginn dieses Verbots genügt die bestehende Konkursreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Auf eine positive "Feststellung" der Überschuldung durch den Geschäftsführer kommt es nicht an. Die scheinbar anderslautende Formulierung in § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ist nur ein inzwischen überholtes Relikt aus der vor dem 1. August 1986 geltenden Fassung des Absatz 1, wonach es bei der Überschuldung auf deren bilanziellen Ausweis ankam (vgl. OLG Hamburg, ZIP 1995, 913; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 25). Für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 u n d 2 genügt die Erkennbarkeit der Konkursreife für den Geschäftsführer, wobei ein entsprechendes Verschulden zu vermuten ist (vgl. Sen. Urt. v. 1. März 1994 II ZR 61/92 bzw. II ZR 81/94, WM 1994, 1030, 1031 zu II 2. a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl. § 64 Rdn. 10; a. A. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rdn. 18). Diese Vermutung ist von dem Beklagten nicht widerlegt.

2. Das Berufungsgericht meint indessen, der Beklagte hafte deshalb nicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Erstattung der Scheckbeträge, weil mit der Einreichung von Kundenschecks auf ein debitorisches Konto der GmbH deren Vermögen nicht geschmälert, sondern ihr finanzielle Mittel zugeführt würden. Zwar werde durch den Scheckeinzug und die Gutschrift auf dem Konto der GmbH auch ihre Schuld gegenüber der Bank vermindert, was aber bei dem vorliegenden Kontokorrentkonto nur vorübergehend sei, weil die GmbH bzw. ihr Geschäftsführer über den zugeflossenen Betrag im Rahmen des ihr eingeräumten Kreditlimits sogleich wieder verfügen und damit z. B. gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erlaubte, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns in Einklang stehende Zahlungen leisten könne.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie die Revision mit Recht rügt.

a) Sinn und Zweck des mit der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bewehrten Zahlungsverbots gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG ist es, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer konkursreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. Sen. Urt. v. 18. März 1974 II ZR 2/72, WM 1974, 412 = NJW 1974, 1088; Fleck, GmbHR 1974, 224, 230; Scholz/K. Schmidt aaO, § 64 Rdn. 35). Diesem Normzweck wird die Ansicht des Berufungsgerichts nicht gerecht, weil der auf das debitorische Konto eingezogene Scheckbetrag aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet wird und damit im Ergebnis ebenso an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt wird wie in dem Fall, daß der Geschäftsführer mit dem von einem Schuldner der GmbH erhaltenen Barbetrag die Forderung eines ihrer Gläubiger begleicht. Da der Begriff der "Zahlungen" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG dem Zweck der Vorschrift entsprechend weit auszulegen ist (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 40), besteht kein rechtserheblicher Unterschied zwischen diesen beiden Zahlungsvorgängen. In beiden Fällen wird der Insolvenzmasse zugunsten der Befriedigung eines Gläubigers ein Betrag entzogen, der anderenfalls zur (teilweisen) Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Dementsprechend wird in Rechtsprechung und Schrifttum, soweit dort zu der vorliegenden Frage Stellung genommen wird, durchweg der Scheckeinzug auf ein debitorisches Konto als "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG angesehen (vgl. OLG Hamburg ZIP 1995, 913 mit zustimmender Anm. Bähr EWiR 1995, 587; vgl. auch LG Itzehoe ZIP 1996, 797; Baumbach/Hueck aaO, § 64 Rdn. 13; v. Gerkan in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB § 130 a Rdn. 10; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 64 Rdn. 25).

b) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, daß die Verminderung des Debets infolge der Scheckeinlösung eventuell nur vorübergehend ist, weil dadurch der Spielraum des Kontokorrentkredits wieder erweitert und der GmbH die Möglichkeit gegeben wird, über den zugeflossenen Betrag sogleich bis zur Höhe ihres Kreditlimits wieder verfügen zu können. Denn dies ändert nichts daran, daß der Scheckbetrag im Ergebnis zum Nachteil der Gläubigergesamtheit in der Masse fehlt, der ihr ohne die Verrechnung mit dem Debet sei es als offene Forderung gegenüber dem Schuldner, sei es als vom Geschäftsführer unmittelbar eingezogener und von ihm zu thesaurierender Betrag zur Verfügung stünde, worauf es für § 64 Abs. 2 GmbHG entscheidend ankommt (vgl. Sen. Urt. v. 18. März 1974 aaO). Auf die Möglichkeit weiterer Kreditschöpfung mit Mitteln des debitorischen Kontos kann zumindest nach Entstehung der Konkursantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG schon deshalb nicht abgestellt werden, weil das dem Zweck dieser Pflicht widerspräche. Die durch den Scheckeinzug eventuell ermöglichte Befriedigung anderer Gläubiger mit Mitteln des debitorischen Kontos ist zwar ihrerseits nicht als erneute "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG zu qualifizieren, weil dies lediglich zu einem Gläubigeraustausch bzw. zu einer Umschuldung führt, durch die weder die Masse noch die Quote der Gläubiger berührt werden, abgesehen von der dadurch entstehenden Zinsschuld gegenüber der Bank, deren Begründung keine "Zahlung" darstellt (vgl. BGHZ 138, 211, 217). Auch das ändert aber nichts daran, daß die in das debitorische Konto eingegangene Schecksumme am Ende in der Masse fehlt und dies auf die von dem Geschäftsführer veranlaßte Scheckeinziehung als "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG zurückzuführen ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Verrechnung mit dem Debet jeweils sofort im Sinne eines Tagessaldo oder erst nach einer längeren Abrechnungsperiode erfolgt (vgl. dazu Heymann/Horn, HGB 2. Aufl. § 355 Rdn. 31).

Ebensowenig kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darauf an, ob das Kreditlimit der Gemeinschuldnerin zur Zeit der jeweiligen Scheckeinlösungen noch unterschritten oder wie die Revision unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Vortrag des Klägers geltend macht bereits überzogen war. Die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 3. Dezember 1990 II ZR 215/89, ZIP 1991, 445 m. w. N.), wonach die Einzahlung einer Bareinlage auf ein debitorisches Konto der GmbH dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft über den Betrag im Rahmen ihres Kreditlimits frei verfügen kann (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), weist keinen Bezug zu der vorliegenden Problematik des § 64 Abs. 2 GmbHG auf. Denn hier geht es nicht um die Kapitalaufbringung und das Interesse der GmbH an der freien Verfügbarkeit des betreffenden Betrages, sondern im Gegensatz dazu um die Masseerhaltung der nicht mehr überlebensfähigen Gesellschaft.

c) Nicht stichhaltig ist auch das eher pragmatische Argument des Berufungsgerichts, von dem Geschäftsführer könne nicht verlangt werden, zum Zwecke der Scheckeinziehung ein neues Konto bei einer anderen Bank einzurichten, weil sich dies namentlich in kleineren Gemeinden "herumsprechen" könne und dadurch die finanzielle Situation der Gesellschaft noch weiter verschlechtert werde. Eine derartige Rücksichtnahme liefe darauf hinaus, dem Geschäftsführer im Widerspruch zu § 64 Abs. 1 GmbHG eine weitere Konkursverschleppung zu ermöglichen. Was für den in § 64 Abs. 2 GmbHG miterfaßten Zeitraum von höchstens drei Wochen zwischen dem Eintritt der Konkursreife und dem Entstehen der Konkursantragspflicht (§ 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) gilt, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon vor Einreichung des ersten Schecks zur Konkursantragstellung verpflichtet gewesen wäre. Zumindest für die Zeit von da an hatte er der Masseerhaltung Priorität einzuräumen und deshalb den Scheckeinzug auf das debitorische Konto zu unterlassen. Da sonach schon die von dem Beklagten durch den Scheckeinzug bewirkte Zahlung an die Bank der Gemeinschuldnerin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht mehr vereinbar war (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), hat auch die vom Berufungsgericht nur abstrakt und ohne konkrete Feststellungen erörterte Möglichkeit, den durch den Scheckeinzug erweiterten Kreditspielraum zu gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG privilegierten Zahlungen an andere Gläubiger der Gemeinschuldnerin zu nutzen, außer Betracht zu bleiben.

 3. Nach allem schuldet der Beklagte dem Kläger Ersatz der eingezogenen Scheckbeträge gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Ein Abzug einer fiktiven Konkursquote, die auf die Bank der Gemeinschuldnerin ohne die Scheckeinzüge entfallen wäre (vgl. Sen. Urt. v. 1. März 1994 aaO zu II 2. a; Roth/Altmeppen aaO, § 64 Rdn. 26 m. w. N.), kommt hier nicht in Betracht, weil die Bank nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wegen bevorrechtigter Gläubiger ohnehin keine Aussicht auf eine Quote hat.

III.

Da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und auf die Revision des Klägers das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 171/10 Verkündet am:
27. März 2012
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
GmbHG § 64; GmbHG i.d.F. bis 31. Oktober 2008 § 64 Abs. 2

a) Verfügt der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche
Kenntnisse, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag
stellen muss, hat er sich bei Anzeichen einer Krise der Gesellschaft unverzüglich
unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung
der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden
Fragestellungen fachlich qualifizierten Person beraten zu lassen.

b) Der Geschäftsführer darf sich nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung
begnügen, sondern muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses
hinwirken.
BGH, Urteil vom 27. März 2012 - II ZR 171/10 - OLG Koblenz
LG Mainz
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. März 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann und die
Richterin Caliebe, die Richter Dr. Drescher, Born und Sunder

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 19. August 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der G. F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte war deren alleiniger Geschäftsführer. Im August 2003 beauftragte der Beklagte auf Veranlassung der Hausbank der Schuldnerin die Zeugin E. als Unternehmensberaterin mit der Prüfung der Vermögenslage der Schuldnerin sowie etwaiger Sanierungsmöglichkeiten. Die Zeugin überreichte unter dem 9. November 2003 eine gutachterliche Stellungnahme. Am 12. Dezember 2003 stellte der Beklagte Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am 1. Februar 2004 eröffnet.
2
Der Kläger verlangt mit der Behauptung, die Schuldnerin sei spätestens seit dem 31. August 2003 zahlungsunfähig gewesen, nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF Ersatz von Zahlungen in Höhe von 44.245,06 €, die der Beklagte in der Zeit vom 1. September 2003 bis 30. November 2003 aus der Kasse der Schuldnerin , unter anderem an Lieferanten und Arbeitnehmer, veranlasst hat. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Klägers, mit der er seinen Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:


3
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
4
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
5
Dem Landgericht sei nicht darin zu folgen, dass die Schuldnerin in der Zeit vom 1. September 2003 bis zum 30. November 2003 noch zahlungsfähig gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten behaupteten Stundungen, Stillhalteabkommen und Geldzuflüsse habe seit September 2003 eine Liquiditätslücke von erheblich mehr als 10 % bestanden. Die Aussage des vom Landgericht vernommenen Zeugen Ge. , seit 1987 Vorstand der Hausbank der Schuldnerin, diese habe „die Liquidität der Schuldnerin aufrechterhalten“ , widerlege die Zahlungsunfähigkeit in der fraglichen Zeit nicht. Unstrei- tig hätten gegen die Schuldnerin über Monate hinweg fällige Forderungen in ganz erheblicher Höhe bestanden, deren Erfüllung von der Hausbank nicht ermöglicht worden sei. Es liege deshalb nahe, dass der Zeuge unter „Liquidität“ etwas anderes verstanden habe als fehlende Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne oder dass der Bank nicht sämtliche Verbindlichkeiten der Schuldnerin bekannt gewesen und deshalb nicht beglichen worden seien.
6
Der Beklagte sei trotz Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gleichwohl nicht zum Ersatz der Zahlungen verpflichtet. Ihm sei keine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen, da er nicht habe erkennen müssen, dass für die Schuldnerin Insolvenzreife schon vor Dezember 2003 bestanden habe. Der Beklagte sei seinen Kontrollpflichten als Geschäftsführer durch den Auftrag an die Zeugin E. nachgekommen, die auf Empfehlung und zugleich im Interesse der Hausbank zur Prüfung der Vermögenslage der Gesellschaft sowie etwaiger Fortführungsmöglichkeiten hinzugezogen worden sei. Nicht erforderlich sei es, einen Fachmann gezielt mit der Prüfung zu betrauen, ob Insolvenzantrag zu stellen sei. Der an die Zeugin E. erteilte Auftrag habe diese Prüfung zwangsläufig mit umfasst. Die Zeugin E. als Unternehmensberaterin mit abgeschlossenem betriebswirtschaftlichen Studium und achtjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Bonitätsprüfung und der Erstellung von Fortführungsprognosen sei auch fachlich geeignet gewesen, das relativ kleine Unternehmen der Schuldnerin auf dessen Insolvenzreife hin zu überprüfen. Nach Vorlage der gutachtlichen Stellungnahme der Zeugin E. vom 9. November 2003 mit der darin enthaltenen positiven Fortführungsprognose habe für den Beklagten kein Anlass mehr bestanden anzunehmen, dass Insolvenzreife bestehe und er deshalb Zahlungen aus dem Vermögen nicht vornehmen dürfe.
7
II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat ein Verschulden des Beklagten mit rechtsfehlerhaften Erwägungen verneint.
8
1. Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG in der bis 31. Oktober 2008 gültigen Fassung war der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistet wurden. Nach dem für die Revisionsinstanz zu Gunsten des Klägers zu unterstellenden Sachverhalt sind diese (objektiven) Voraussetzungen der Ersatzpflicht des Beklagten im Streitfall erfüllt.
9
Der Beklagte hat als Geschäftsführer der Schuldnerin in der Zeit von September 2003 bis einschließlich November 2003 Zahlungen in Höhe der Klageforderung aus der Kasse der Gesellschaft in bar veranlasst. Die Schuldnerin war nach dem für die Revisionsinstanz zu Gunsten des Klägers zu unterstellenden Sachverhalt in dieser Zeit zahlungsunfähig im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG aF.
10
Die GmbH ist zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Kann sie sich innerhalb von drei Wochen die zur Begleichung ihrer fälligen Forderungen benötigten finanziellen Mittel nicht beschaffen, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Zahlungsunfähigkeit und nicht mehr eine nur rechtlich unerhebliche Zahlungsstockung vor. Beträgt die innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke der Schuldnerin allerdings weniger als 10 % ihrer fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig Zahlungsunfähigkeit noch nicht eingetreten , es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird. Beträgt die Liquiditätslücke der Schuldnerin 10 % oder mehr, ist dagegen regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig geschlossen wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 139 ff.; Urteil vom 12. Oktober 2006 - IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 Rn. 27; Urteil vom 21. Juni 2007 - IX ZR 231/04, ZIP 2007, 1469 Rn. 37; Beschluss vom 19. Juli 2007 - IX ZB 36/07, BGHZ 173, 286 Rn. 31).
11
Nach dem Vortrag des Klägers, der im Revisionsverfahren zu Grunde zu legen ist, bestand bei der Schuldnerin ab dem 1. September 2003 ständig eine Liquiditätslücke von deutlich mehr als 10 %. Am 12. Dezember 2003 hat der Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt.
12
2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass die durch das - für die rechtliche Prüfung in der Revisionsinstanz zu unterstellende - Vorliegen der objektiven Voraussetzungen der Ersatzpflicht des Beklagten begründete Vermutung, dass er schuldhaft gehandelt hat, mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht entkräftet werden kann. Dem Beklagten ist vorzuwerfen, dass er sich nicht rechtzeitig fachkundig hat beraten lassen, obwohl ihm nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Kenntnisse zur Beurteilung der im Revisionsverfahren zu unterstellenden Insolvenzreife der Schuldnerin fehlten.
13
a) Die Haftung des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG aF setzt Verschulden voraus. Einfache Fahrlässigkeit genügt. Maßstab ist nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG aF die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns. Zu Lasten eines Geschäftsführers, der in der in § 64 Abs. 2 GmbHG aF beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer GmbH zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264, 274 f.; Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 11, 15; Urteil vom 5. Mai 2008 - II ZR 38/07, ZIP 2008, 1229 Rn. 8; Urteil vom 8. Juni 2009 - II ZR 147/08, ZIP 2009, 1468 Rn. 7; Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09, ZIP 2010, 2400 Rn. 14 - Fleischgroßhandel). Als Ausgangspunkt des subjektiven Tatbestands des § 64 Abs. 2 GmbHG aF reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird (BGH, Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185; Urteil vom 15. März 2011 - II ZR 204/09, ZIP 2011, 1007 Rn. 38).
14
b) Nach dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt ist die Vermutung, dass für den Beklagten bei den Zahlungen ab dem 1. September 2003 die Insolvenzreife erkennbar war, nicht widerlegt.
15
aa) Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Insolvenzreife. Wenn der Geschäftsführer erkennt , dass die GmbH zu einem bestimmten Stichtag nicht in der Lage ist, ihre fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten vollständig zu bedienen, hat er die Zahlungsfähigkeit der GmbH anhand einer Liquiditätsbilanz zu überprüfen (BGH, Urteil vom 24. Mai 2005 - IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134, 140 f.). Er handelt fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die Kenntnisse verschafft, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag stellen muss. Dabei muss sich der Geschäftsführer, sofern er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, gegebenenfalls fachkundig beraten lassen (BGH, Urteil vom 6. Juni 1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 16).
16
Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer ist nur dann entschuldigt, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen , für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 18) und danach keine Insolvenzreife festzustellen war. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 18; vgl. auch BGH, Urteil vom 20. September 2011 - II ZR 234/09, ZIP 2011, 2097 Rn. 18).
17
Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich der Rechtsprechung des erkennenden Senats allerdings nicht entnehmen, dass es sich bei der zum Ausgleich unzureichender persönlicher Kenntnisse des Geschäftsführers heranzuziehenden fachlich qualifizierten Person um einen Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt handeln muss. Der Senat hat lediglich festgestellt, die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung, wie sie in dem entschiedenen Fall vorzunehmen war, stehe außer Frage (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 17). Das schließt nicht aus, dass nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls, bei denen - so das Berufungsgericht zu Recht - auch die Größe des zu beurteilenden Unternehmens zu berücksichtigen sein kann, die Beratung durch geeignete Angehörige anderer Berufsgruppen gleichfalls zur Entlastung des Geschäftsführers genügen kann.
18
bb) Da dem Beklagten selbst die Sachkunde zur zuverlässigen Beurteilung der Insolvenzreife fehlte, ist er danach nur dann entschuldigt, wenn er sich bei Auftreten der Krise der Schuldnerin rechtzeitig fachkundig hat beraten las- sen und die Schuldnerin nach dem Beratungsergebnis nicht insolvenzreif war. Das Gutachten der Zeugin E. vom 9. November 2003 ist - bei im Revisionsverfahren zu unterstellender Zahlungsunfähigkeit ab dem 1. September 2003 - nicht geeignet, diese Anforderungen zu erfüllen.
19
(1) Ist aufgrund des für die Revisionsinstanz zu unterstellenden Sachverhalts und der Verschuldensvermutung davon auszugehen, dass die Schuldnerin spätestens Ende August 2003 zahlungsunfähig und dies für den Beklagten erkennbar war, so war spätestens ab diesem Zeitpunkt das mit der Ersatzpflicht bewehrte Zahlungsverbot gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG aF zu beachten (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 f.; Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 12). Der schuldhafte Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten ist nicht deshalb zu verneinen , weil die Zeugin E. im August 2003 mit der Prüfung der Vermögenslage der Gesellschaft sowie etwaiger Sanierungsmöglichkeiten beauftragt wurde. Der Geschäftsführer kann entschuldigt sein, wenn er bei Anzeichen einer Krise unverzüglich eine fachlich qualifizierte Person mit der Prüfung beauftragt, ob die Gesellschaft insolvenzreif ist und ein Insolvenzantrag gestellt werden muss, und er sich dann nach der gebotenen Plausibilitätskontrolle dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 17). Aus dem Sinn und Zweck des Zahlungsverbots nach § 64 GmbHG und der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO („ohne schuldhaftes Zögern“) folgt aber, dass eine solche Prüfung durch einen sachkundigen Dritten unverzüglich vorzunehmen ist und dass sich der Geschäftsführer nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen darf, sondern auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses hinwirken muss.
20
Die gutachterliche Stellungnahme der Zeugin E. ist nicht unverzüglich , sondern erst zum 9. November 2003 erstellt worden und daher schon aus diesem Grunde nicht geeignet, den Beklagten hinsichtlich der Zahlungen ab dem 1. September 2003 zu entlasten, wenn die Schuldnerin schon zum 31. August 2003 zahlungsunfähig war.
21
(2) Anhaltspunkte dafür, dass die nicht unverzügliche Vorlage des Prüfergebnisses entgegen der auch insoweit eingreifenden Verschuldensvermutung nicht auf einem schuldhaften Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten beruht, lassen sich den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht entnehmen. Dagegen spricht vielmehr, dass der Beklagte die Zeugin E. nur mit der Prüfung der Vermögenslage der Gesellschaft sowie weiterer Sanierungsmöglichkeiten beauftragt und nicht gezielt mit der Prüfung betraut hat, ob Insolvenzantrag zu stellen sei.
22
Richtet sich der dem sachkundigen Dritten erteilte Auftrag auf eine anderweitige Aufgabenstellung, kann dies den Geschäftsführer nur dann entlasten , wenn er sich nach den Umständen der Auftragserteilung unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt darauf verlassen durfte, die Fachperson werde im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife vorab und unverzüglich prüfen und ihn gegebenenfalls unterrichten. Für eine solche Annahme bieten die Feststellungen zu den Umständen des im vorliegenden Fall der Zeugin E. erteilten Auftrags keine hinreichenden Anhaltspunkte.
23
III. Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden. Die Revisionserwiderung rügt zu Recht, dass auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ab dem 1. September 2003 nicht bejaht werden kann.
24
Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt, aus den vom Kläger vorgetragenen Zahlen ergebe sich, dass für die Schuldnerin seit September 2003 ständig eine Liquiditätslücke von erheblich mehr als 10 % bestanden habe. Selbst unter Berücksichtigung der vom Beklagten behaupteten Stundungen und Stillhalteabkommen seien in den Monaten September bis November 2003 über 50 % der fälligen Verbindlichkeiten offen geblieben. Diese Ausführungen sind aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Die Parteien haben zu diesem Punkt streitig vorgetragen. Die Revisionserwiderung hat hierzu Rügen erhoben, die das Berufungsgericht zu berücksichtigen haben wird.
25
Der Senat weist darauf hin, dass bei dem vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalt auch eine Zahlungseinstellung vorliegen könnte. Haben fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2012 - II ZR 119/10, ZIP 2012, 723 Rn. 13 m.w.N.). Lag eine Zahlungseinstellung vor, wird gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO gesetzlich vermutet, dass Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Keine Zahlungseinstellung liegt vor, wenn der Schuldner die Zahlungen verweigert hat, weil er die Forderungen für unbegründet hält (BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 - IX ZR 188/98, ZIP 2001, 1155). Die Behauptung des Geschäftsführers, die Gesellschaft sei lediglich zahlungsunwillig, genügt aber nicht, um die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit entfallen zu lassen. Die Zahlungsunwilligkeit ist vielmehr von dem Geschäftsführer zu beweisen. Dieser muss dann auch beweisen, dass die Gesellschaft zahlungsfähig war (BGH, Urteil vom 15. März 2012 - IX ZR 239/09, ZIP 2012, 735 Rn. 18).
26
Das Landgericht hat diesen Beweis als geführt angesehen. Es hat die Aussage des Zeugen Ge. , des Vorstands der Hausbank der Schuldnerin, dahin gewürdigt, dass die Bank trotz erkannter Liquiditätsschwäche der Schuldnerin ab August 2003 - durchgängig auch in der Folgezeit bis 30. November 2003 - die Liquidität der Schuldnerin aufrechterhalten wollte, und hat deshalb die Zahlungsunfähigkeit in diesem Zeitraum verneint. Dies ist dann richtig, wenn die Aussage des Zeugen dahin zu verstehen war, dass die Hausbank der Schuldnerin im fraglichen Zeitraum eingereichte Überweisungsaufträge des Beklagten auch in dem Umfang ausgeführt hätte, in dem Forderungen offen geblieben sind und ihr insoweit Kredit gewährt hätte. Das Berufungsgericht setzt sich über die Beweiswürdigung des Landgerichts in verfahrensfehlerhafter Weise hinweg, wenn es ausführt, es liege nahe, dass der Zeuge unter „Liquidität“ etwas anderes verstanden habe als fehlende Zahlungsunfähigkeit im Rechtssinne. Die Revisionserwiderung rügt zu Recht, dass die darin liegende abweichende Würdigung der Zeugenaussage nur zulässig gewesen wäre, wenn das Berufungsgericht den Zeugen selbst vernommen hätte (BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZR 18/11, juris Rn. 6 m.w.N.).
Bergmann Caliebe Drescher Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Mainz, Entscheidung vom 10.11.2009 - 10 HKO 32/08 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 19.08.2010 - 6 U 1432/09 -

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.