Oberlandesgericht Hamm Urteil, 04. Nov. 2015 - 31 U 64/15
Tenor
Das am 29.01.2015 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen (Aktenzeichen 6 O 357/14) wird auf die Berufung der Klägerin wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.804,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % vom 17.08.2012 bis zum 25.11.2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 26.11.2014 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von den Kosten für die vorgerichtliche Inanspruchnahme der Kanzlei C in Höhe von 2.099,76 Euro freizustellen.
Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2 3A)
4Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Vorfälligkeitsentschädigungen i.H.v. 48.804,63 € zurückzuerstatten, die von der Klägerin an sie für die im Jahr 2012 erfolgte vorzeitige Ablösung dreier Darlehensverträge gezahlt wurden.
5Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2014 hat die Klägerin die Darlehensverträge widerrufen.
6Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, ein etwaiges Widerrufsrecht der Klägerin sei dadurch erloschen, dass die Parteien im Jahr 2012 Aufhebungsverträge abgeschlossen hätten.
7Im Übrigen hat die Beklagte die Auffassung vertreten, ein etwaiges Widerrufsrecht der Klägerin sei verwirkt. Die Klägerin habe mehrere Jahre bis zur Geltendmachung des Widerspruchs verstreichen lassen. Zudem habe sie die Darlehensverträge erst 2 Jahre nach vollständiger Vertragsaufhebung widerrufen und eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt. Bei dieser Sachlage habe sie sich darauf einrichten dürfen, dass die Klägerin von einem etwaig ihr zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen wird. Zudem hat sich die Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen.
8Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich verfolgten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
9Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten Vorfälligkeitsentschädigungen. Das Widerrufsrecht der Klägerin sei mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung zwar nicht verfristet gewesen. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie nicht die Musterbelehrungen zu § 14 BGB-InfoVO verwandt habe. Die Klägerin habe gleichwohl ihr Widerrufsrecht nicht mehr wirksam ausüben können, weil es verwirkt gewesen sei.
10Das Zeitmoment sei gegeben, weil seit Abschluss der Darlehensverträge am 23./25.07.2007 bis zum Widerruf am 04.07.2014 bereits 6 ¾ Jahre vergangen gewesen seien.
11Das Umstandsmoment sei durch den Abschluss der Aufhebungsverträge im Juli bzw. August 2012 und der unmittelbar darauf von der Klägerin vorgenommenen Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen erfüllt worden. Insoweit setzt sich das Landgericht eingehend mit den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Rechtsausführungen auseinander.
12Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klägerin mit der Berufung.
13Sie ist der Auffassung, ihr Widerrufsrecht sei nicht verwirkt. Insbesondere sei ihr Widerrufsrecht nicht durch den Aufhebungsvertrag erloschen. Sie habe schließlich nichts von ihrem Widerrufsrecht gewusst. Zudem habe die Beklagte arglistig gehandelt, weil sie ihr in dem Schreiben vom 20.06.2012 nicht mitgeteilt habe, dass sie die Darlehensverträge auch ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hätte beenden können.
14Im Übrigen ist die Klägerin der Meinung, dass die Beklagte nicht schutzbedürftig sei. Denn es sei schließlich die Beklagte gewesen, die ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung der Klägerin über das ihr zustehende Widerrufsrecht verletzt habe. Die Beklagte habe daher zu keiner Zeit davon ausgehen dürfen, dass sie den Vertrag nicht doch noch widerrufen werde.
15Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
161. die Beklagte zu verurteilen, an sie 48.804,63 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 2 % p.a. seit dem 17.08.2012 bis zum 25.11.2014 sowie weitere Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 26.11.2014 zu zahlen;
172. die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten für die vorgerichtliche Inanspruchnahme der Kanzlei C i.H.v. 2.099,76 € freizustellen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
20Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Tatsachenvortrag. Sie bleibt bei ihrer Meinung, dass der Widerruf der Klägerin verwirkt gewesen sei, da er erst 7 Jahre nach Vertragsabschluss und 2 Jahre nach vollständiger Vertragsaufhebung ihr gegenüber erklärt worden sei.
21Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Partei nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
22B)
23Die Berufung ist begründet. Die Klage ist begründet.
24I. Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 346 ff., 357 Abs. 1 S. 1, 355 Abs. 1, 495 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von 48.804,63 € zu, weil sie mit anwaltlichem Schreiben vom 04.07.2004 die im Jahre 2007 geschlossenen Darlehensverträge wirksam widerrufen hat.
251. Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht ausgeführt, dass die Klägerin die Darlehensverträge aus dem Jahr 2007 mit Schreiben vom 04.07.2014 wirksam widerrufen konnte, weil die Widerrufsbelehrungen fehlerhaft waren. Dieser Darstellung der Rechtslage tritt auch die Beklagte im Rahmen ihrer Berufungserwiderung nicht entgegen.
262. Die Beklagte kann sich entgegen ihrer Auffassung auch nicht auf § 14 Abs. 1 BGB-InfV berufen, weil sie in der Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag vom 30.01.2008 von der Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zur BGB-InfoV abgewichen ist. Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich ein Unternehmer nur dann auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV berufen kann, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az.; XI ZR 349/10, Juris Rz. 37). Dies ist vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die Belehrung für finanzierte Grundstücksgeschäfte abweichend von der Musterbelehrung umgesetzt wurde. Zudem enthält die Widerrufsbelehrung Zusätze. Weiterhin findet sich in der Überschrift - abweichend von der Musterwiderrufsbelehrung - ein Hinweis auf eine Fußnote, in der die Aufforderung enthalten ist „Bitte Frist im Einzelfall prüfen.“ Schließlich ist auch der Klammerzusatz betreffend mögliche Angaben zum Widerrufsadressaten in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen in Fußnote 1 in der verwendeten Form zumindest gestalterisch in der Musterbelehrung nicht vorgesehen.
273. Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Beklagten, durch den Jahr 2012 abgeschlossenen Aufhebungsvertrag seien die Widerrufsrechte der Klägerin erloschen. Ist eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt, so entspricht es ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, dass die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt wird. Der Widerruf kann daher - unbefristet - erfolgen. Dies kann sogar dann geschehen, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. nur Senat, Urteil vom 11.12.2013, 31 U 127/13, Juris Rz. 26; Senat, Urteil vom Urteil vom 25.03.2015; 31 U 155/14; OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
284. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Widerrufsrecht der Klägerin auch nicht verwirkt.
29Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 Rz. 39). Außerdem fehlt es an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die – anders als die Klägerin – hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigterweise darauf eingerichtet haben will, dass Anleger Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und gegebenenfalls auch dann noch widerrufen, wenn der betreffende Darlehensvertrag zwischenzeitlich einvernehmlich aufgehoben worden ist. Dies gilt erst Recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte in der Lage gewesen wäre, die Klägerin in wirksamer Form nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, das Widerrufsrecht nicht nach einem bestimmten Zeitraum erlöschen zu lassen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehlt. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung durch die Berufung auf § 242 BGB zu entziehen.
30Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 25.01.2012 (13 U 30/11), des KG, Urteil vom 16.08.2012 (8 U 101/2012) und des OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2014 (14 U 55/13). Diese Entscheidungen beruhen jeweils auf die von den genannten Gerichten getroffen Feststellungen tatsächlicher Art und können daher nicht einschränkungslos auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden (Senat, Hinweisschreiben vom 25.08.2014, 31 U 74/14).
315. Infolge des Widerrufs der auf Abschluss des Darlehensverträge im Jahr 2007 und der Restschuldversicherungen gerichteten Willenserklärungen der Klägerin sind die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge gemäß § 358 Abs. 1 i.V.m. §§ 358 Abs. 4, 347, 346 BGB rückabzuwickeln. Der Klägerin steht daher ein Anspruch auf Erstattung der von ihr an die Beklagte gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung zu
32II. Schließlich kann die Klägerin auch gemäß § 280 Abs. 1 BGB die Freistellung von den von ihr zu zahlenden vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren verlangen. Dadurch, dass die Beklagte der Klägerin eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung erteilt hat, hat sie eine Pflichtverletzung begangen, die sie zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB). Der Höhe nach hat die Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch nicht angegriffen.
33III. Bis zum 25.11.2014 einschließlich kann die Klägerin die geltend gemachten Zinsen i.H.v. 2 % als Nutzungsersatz verlangen (§ 346 Abs. 1 BGB). Mit Rechtshängigkeit der Klageforderung steht der Klägerin ab dem 26.11.2014 gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu.
34IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Z. 10, 711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Rückzahlung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigungen nach Widerruf dreier Darlehensverträge.
3Die Parteien schlossen am 23.10.2007 einen Verbraucherdarlehensvertrag (Nr. …) über einen Betrag von 120.000 € zu einem bis zum 30.09.2017 gebundenen Zinssatz von 5,5 %. Am 25.10.2007 schlossen die Parteien einen zweiten Verbraucherdarlehensvertrag (Nr. …) über einen Betrag von 115.000 € zu einem bis zum 30.09.2017 gebundenen Zinssatz von 5,95 % sowie einen dritten Verbraucherdarlehensvertrag (Nr. …) über einen Betrag von 50.000 € zu einem bis zum 30.12.2017 gebundenen Zinssatz von 5,05 %. Alle Darlehen wurden zur Finanzierung von Immobilien aufgenommen. Wegen der näheren Einzelheiten der Verträge wird auf die in der Akte befindlichen Kopien (Anl. K1, Bl. 10 ff. d.A.; Anl. K2, Bl. 14 ff. d.A.; Anl. K3, Bl. 22 ff. d.A.) Bezug genommen. Den Darlehensverträgen war jeweils eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Auch insoweit wird wegen des näheren Inhaltes auf die in der Akte befindlichen Kopien (Bl. 13, 17, 26 d.A.) Bezug genommen.
4Die Darlehen wurden durch Grundschulden zum Grundbuch der zu erwerbenden Grundstücke gesichert.
5In drei Schreiben vom 20.06.2012, die jeweils auf die o.g. Darlehensverträge bezogen waren, erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass sie bereit sei, deren Wunsch nach vorzeitiger Ablösung der Darlehen zu entsprechen. Hierfür forderte die Beklagte jeweils die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Diese sollte für das Darlehen mit der Endnummer … insgesamt 22.731,12 € betragen, für das Darlehen mit der Endnummer … insgesamt 19.282,98 € und für das Darlehen mit der Endnummer … insgesamt 6.790,53 €.
6Dementsprechend erteilte die Beklagte der Klägerin am 04.07.2012 eine Abrechnung über die Darlehensverträge, in welcher sie auch die jeweils für die Darlehensverträge zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung auswies (vgl. Anl. K4, Bl. 27 d.A.).
7Am 16.08.2012 zahlte die Klägerin die Vorfälligkeitsentschädigungen an die Beklagte.
8Mit Schriftsatz vom 04.07.2014 (Anl. K6, Bl. 31 ff. d.A.) erklärten die Klägervertreter den Widerruf der auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Klägerin und forderten die Rückzahlung der von der Klägerin gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen i.H.v. insgesamt 48.804,63 € nebst 2 % Zinsen seit dem 17.08.2012 sowie eine Erstattung der angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2.514,95 €, jedoch erfolglos.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass die ihr gegenüber erteilten Widerrufsbelehrungen fehlerhaft gewesen seien, so dass sie mit Erklärung vom 04.07.2014 wirksam alle Darlehensverträge habe widerrufen können. In diesem Zusammenhang meint die Klägerin, dass die Belehrungen hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist durch Verwendung der Formulierung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht hinreichend deutlich seien. Zudem fehle der erforderliche Hinweis, dass der Beginn der Widerrufsfrist auch davon abhänge, dass dem Verbraucher über die Widerrufsbelehrung hinaus auch eine Vertragsurkunde oder sein eigener schriftlicher Antrag im Original bzw. in Abschrift zur Verfügung gestellt werde.
10Die Klägerin vertritt ferner die Auffassung, dass die Beklagte sich nicht auf die Schutzwirkung der Musterwiderrufsbelehrung i.S.v. Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO berufen könne, weil die streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen sowohl inhaltlich als auch der äußeren Gestaltung nach von der Musterbelehrung abwichen, indem sie Zusätze in der Überschrift und Fußnotenverweise sowie Klammerzusätze enthielten.
11Darüber hinaus meint die Klägerin, dass keine auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages gerichteten Willenserklärungen vorgelegen hätten. Sie ist der Ansicht, auch eine konkludente Willenserklärung ihrerseits zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages sei nicht zu erkennen. Zudem führe die Annahme eines Aufhebungsvertrages zu einer unangemessenen Benachteiligung und indiziere einen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 511, 361 n.F. BGB. Ein Verbraucher könne nicht auf sein Widerrufsrecht verzichten. Ferner ist die Klägerin der Ansicht, dass selbst bei Annahme eines Aufhebungsvertrages dieser die Möglichkeit der Ausübung des Widerrufsrechtes nicht beseitigen würde. Nach ihrer Meinung liege zudem eine Verwirkung schon deshalb nicht vor, weil die Beklagte angesichts der fehlerhaft erteilten Widerrufsbelehrung nicht schutzwürdig sei. Ein schutzwürdiges Vertrauen sei von der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich.
12Die Klägerin behauptet, dass sie vielmehr aufgrund besonderer Kündigungsgründe von der Beklagten aus den Darlehensverträgen entlassen worden sei.
13Die Klägerin meint außerdem, dass die Beklagte sie – die Klägerin – arglistig darüber getäuscht habe, dass sie ein Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung nur besitzen würde, wenn sie die Vorfälligkeitsentschädigung zahlen würde. Die arglistige Täuschung liege – so die Ansicht der Klägerin – darin, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 20.06.2012 ausgeführt habe, dass nach den Vertragsbedingungen eine Rückzahlung des Darlehens vor Ablauf der Festzinsvereinbarung nicht möglich sei. Tatsächlich habe sie sich, so behauptet die Klägerin, im Jahre 2009 in einer wirtschaftlichen Notlage befunden und alles versucht, um eine Insolvenz zu vermeiden. Dies habe die Beklagte gewusst. Ebenso habe die Beklagte davon gewusst, dass sie – die Klägerin – ihre Wohnung habe verkaufen müssen, um ihre Schulden begleichen zu können. Die Klägerin meint, dass sie angesichts dieser Zwangslage nach der einschlägigen Rechtsprechung und Rechtsliteratur wie auch den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht besessen habe, durch welches sie sich – ohne Zustimmungserfordernis seitens der Beklagten – vom Vertrag hätte lösen können.
14Darüber hinaus ist die Klägerin der Ansicht, dass die Vorfälligkeitsentschädigung unter dem Gesichtspunkt einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuzahlen sei.
15Schließlich meint die Klägerin, dass die Erteilung einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung seitens der Beklagten eine Verletzung von Schutzpflichten darstelle, die die Beklagte zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens, konkret zur Freistellung von vorprozessualen Kosten, verpflichte.
16Die Klägerin beantragt,
17- 18
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – 48.804,63 € zzgl. Zinsen in Höhe von 2 % p.a. seit dem 17.08.2012 bis zur Rechtshängigkeit sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 19
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, sie – die Klägerin – von den Kosten für die vorgerichtliche Inanspruchnahme der Kanzlei C Rechtsanwälte in Höhe von 2.099,76 € bei einer 1,5 Geschäftsgebühr zu einem Streitwert von 48.804,63 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Widerruf nicht fristgerecht erklärt worden sei. Ferner meint sie, dass das Widerrufsrecht – selbst wenn ein solches bestehen sollte – jedenfalls durch einvernehmliche Aufhebung der Darlehensverträge gegen Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen erloschen sei. In diesem Zusammenhang behauptet die Beklagte, dass die Klägerin nicht aufgrund besonderer Kündigungsgründe aus den Verträgen entlassen worden sei, sondern weil man im Juli 2014 Aufhebungsverträge geschlossen habe, wonach die Klägerin die Darlehen vorzeitig gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sollte zurückzahlen dürfen.
23Die Beklagte meint außerdem, dass sich der Zweck des Widerrufsrechts, den Verbraucher vor übereilten vertraglichen Bindungen zu schützen, nach vollständiger Abwicklung sowohl der Darlehens- wie auch der Aufhebungsverträge nicht mehr erreichen lasse und dass ein Widerrufsrecht deshalb nicht mehr erfolgreich ausgeübt werden könne.
24Zudem sei ein etwaiges Widerrufsrecht der Klägerin unter dem Aspekt unzulässiger Rechtsausübung verwirkt, weil sie – unstreitig – den Widerruf erst 6 Jahre nach Abschluss der Darlehensverträge und 2 Jahre nach deren vollständiger Aufhebung erklärt habe.
25Hinsichtlich einer etwaigen Schadensersatzpflicht bestreitet die Beklagte, dass eine möglicherweise fehlerhafte Widerrufsbelehrung schadensursächlich gewesen sei. Zudem meint die Beklagte, dass sie insoweit ohne Verschulden gehandelt habe, weil sie auch bei Anspannung der erforderlichen Sorgfalt davon habe ausgehen dürfen, sich auf allgemein gebräuchliche Widerrufsbelehrungen verlassen zu können.
26Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, dass etwaige Forderungen der Klägerin infolge Verjährung nicht mehr durchsetzbar seien.
27Entscheidungsgründe:
28Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
29A.
30Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der von ihr gezahlten Vorfälligkeitsentschädigungen.
31I.
32Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 48.804,63 € aus §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1, 357 Abs. 1 S. 1, 346 ff. BGB.
33Die Klägerin hat zwar mit anwaltlichem Schreiben vom 04.07.2014 den Widerruf der mit der Beklagten wirksam geschlossenen Darlehensverträge erklärt, dieser Widerruf ist jedoch nicht wirksam.
341.
35Die Klägerin hatte grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Nach Art. 229 § 5 S. 2, § 9 Abs. 1, 22 Abs. 2 EGBGB ist § 495 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010 anzuwenden, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag zwar um ein Dauerschuldverhältnis handelt, dieses jedoch vor dem 11.06.2010 geschlossen wurde. Nach § 495 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis zum 10.06.2010 steht dem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu.
36Nach § 355 Abs. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010, der wegen Art. 229 § 5 S. 2, § 9 Abs. 1, § 22 Abs. 2 EGBGBG anzuwenden ist, war der Widerruf innerhalb von 2 Wochen zu erklären. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist, vgl. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010. Die Widerrufsbelehrung muss den Anforderungen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010 genügen.
372.
38Ihr Widerrufsrecht konnte die Klägerin grundsätzlich noch durch die Widerrufserklärung im anwaltlichen Schreiben vom 04.07.2014 ausüben, weil der Lauf der Widerrufsfrist jeweils mangels korrekter Widerrufsbelehrungen nicht wirksam in Gang gesetzt worden ist. Denn ein Widerrufsrecht kann ein Verbraucher auch nach - längst eingetretenem - Ablauf der in der Widerrufsbelehrung genannten zweiwöchigen Widerrufsfrist noch wirksam ausüben, wenn der Lauf der Frist nicht wirksam in Gang gesetzt wurde. Die Widerrufsfrist beginnt erst zu laufen, sobald dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis 10.06.2010. Dabei muss die Widerrufsbelehrung umfassend, unmissverständlich und für Verbraucher eindeutig sein, damit der Verbraucher in die Lage versetzt wird, das Widerrufsrecht auszuüben. Er ist deshalb eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist zu informieren (vgl. BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10; OLG Hamm, Urt. v. 19.11.2012, Az. 31 U 97/12). Läuft die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht, gilt grundsätzlich keinerlei Frist, so dass ein Kläger vorbehaltlich anderer Einwendungen und Einreden seine Willenserklärung auf Abschluss des Darlehensvertrages unbegrenzt widerrufen kann. Voraussetzung hierfür ist indes, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war. Die von der Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrungen (vgl. Bl. 13, 17, 26 d.A.) waren fehlerhaft und konnten daher grundsätzlich auch außerhalb der üblichen Zweiwochenfrist widerrufen werden. Dazu im Einzelnen:
39Die der Klägerin erteilten Widerrufsbelehrungen genügen nicht den Erfordernissen des § 355 Abs. 2 S. 1 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis zum 10.06.2010. Denn sie enthalten den Hinweis, dass die Frist für den Widerruf „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ (vgl. 13, 17, 26 d.A.) beginne. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine solche Belehrung unzureichend, da sie den Verbraucher nicht eindeutig über den Beginn der Widerrufsfrist belehrt. Sie ist nicht umfassend, sondern irreführend. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne weiteres zu erkennen. Er kann lediglich entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ beginnen, der Beginn des Fristablaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird im Unklaren gelassen, welche weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteil vom 01.03.2012, Az.: III ZR 83/11, Rn. 15).
40Die Widerrufsbelehrungen sind ferner deshalb fehlerhaft, weil jeweils nicht darauf hingewiesen wird, dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 S. 3 BGB in der Fassung vom 08.12.2004 bis 10.06.2010 nicht zu laufen beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt wird. Dieser Hinweis war zur vollständigen Belehrung über den Fristbeginn erforderlich, weil es sich bei den streitgegenständlichen Verbraucherdarlehensverträgen um solche Verträge handelt, die gemäß § 492 Abs. 1 S. 1 BGB in der Fassung vom 01.08.2002 bis 18.08.2008 schriftlich abzuschließen waren. § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. sieht aber vor, dass bei einem schriftlich abzuschließenden Vertrag die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. Um dem Verbraucher korrekt über den Beginn der Widerrufsfrist aufzuklären, war ein Hinweis auf diese Regelung insoweit erforderlich.
41Überdies sind die Widerrufsbelehrungen hinsichtlich des Fristbeginns insoweit irreführend, als sie an der Stelle, an der die Dauer der Widerrufsfrist („zwei Wochen“) genannt wird, einen Fußnoten-Zusatz enthalten, der die Anweisung beinhaltet, die Frist im Einzelfall noch einmal zu prüfen. Dies ist geeignet, bei dem Verbraucher eine Unsicherheit dahingehend zu erzeugen, ob die genannte 2 Wochen-Frist tatsächlich einschlägig sein soll oder nicht. Es ist nicht ohne weiteres ersichtlich, dass dieser Fußnoten-Zusatz sich nur an die Bank richten soll.
42Bedenken gegen die Ordnungsgemäßheit der Belehrung ergeben sich außerdem auch aus dem Gesichtspunkt, dass in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen allgemeine Hinweise zu finanzierten Geschäften mit den speziellen Hinweisen zu dem finanzierten Erwerb von Grundstücken vermischt werden. So wird unter der Überschrift „finanzierte Geschäfte“ der nach dem Muster der BGB-InfoVO für allgemeine finanzierte Geschäfte vorgesehene Satz 2 mit folgendem Inhalt aufgeführt:
43„Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch Ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrags sind oder wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung Ihres Vertragspartners bedienen.“
44Dieser Satz ist bei einem finanzierten Erwerb von Grundstücken ausweislich des Gestaltungshinweises Nr. 9 zum Muster der Widerrufsbelehrung in der BGB-InfoVO durch folgenden Satz zu ersetzen:
45„Dies ist nur anzunehmen, wenn die Vertragspartner in beiden Verträgen identisch sind oder wenn der Darlehensgeber über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinausgeht und Ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.“
46Eine solche Ersetzung hat in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen jedoch nicht stattgefunden; vielmehr ist der spezielle, für finanzierte Grundstückserwerbe vorgesehene Satz in modifizierter Form direkt hinter den für allgemeine finanzierte Geschäfte vorgesehenen Satz 2 ergänzt worden. Dies hat die Folge, dass der Verbraucher eine eigene Subsumtionsleistung dahingehend erbringen muss, welche Art von Geschäft in seinem speziellen Fall vorliegt und welche Regelung damit für ihn einschlägig ist. Dies entspricht nicht dem Erfordernis der Unmissverständlichkeit und Eindeutigkeit. Zudem handelte es sich im vorliegenden Fall bei allen Darlehen um solche, die der Finanzierung eines Immobilienerwerbs dienten, so dass die Ersetzung gemäß dem Gestaltungshinweises Nr. 9 zwingend hätte vorgenommen werden müssen.
47Die Beklagte kann sich diesem Zusammenhang auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Denn die Widerrufsbelehrungen weichen – wie bereits gezeigt – teilweise von der Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zur BGB-InfoVO in der Fassung mit Geltung vom 08.12.2004 bis 31.03.2008 ab. Ein Unternehmer kann sich aber auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoVO nur berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoVO in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az.: XI ZR 349/10, Rn. 37; OLG Hamm, Urteil vom 19.11.2012, Az. 31 U 97/12). Maßgeblich ist, ob der Wortlaut der Belehrung in jeder Hinsicht vollständig dem Muster in Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO entspricht. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ist die Belehrung für finanzierte Grundstücksgeschäfte abweichend von der Musterbelehrung umgesetzt worden. Ferner sind Zusätze dergestalt gemacht worden, dass die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ konkret um den Hinweis „zu Darlehens- /Kreditvertrag vom ...“ ergänzt wurde und dass der Widerrufsfrist ein Fußnoten-Hinweis mit der Aufforderung zur konkreten Überprüfung im Einzelfall beigefügt wurde. Auch der Klammer-Zusatz betreffend mögliche Angaben zum Widerrufs-Adressaten ist in den streitgegenständlichen Widerrufsbelehrungen vorhanden, in dieser Form zumindest gestalterisch in der Musterbelehrung aber nicht vorgesehen.
483.
49Das Widerrufsrecht konnte jedoch gleichwohl nicht mehr wirksam ausgeübt werden, weil die Klägerin, indem sie mit der Beklagten die streitgegenständlichen Darlehensverträge einvernehmlich aufhob, ihr Widerrufsrecht verwirkt hat (§ 242 BGB). Dazu im Einzelnen:
50Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGHZ 97, 212 ff., Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2014, § 242 Rn. 87).
51a)
52Das Zeitmoment ist gegeben, denn seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Widerspruchsrechtes sind mehrere Jahre vergangen. Die Klägerin konnte ihr Widerrufsrecht seit Abschluss der Darlehensverträge am 23.10.2007 bzw. 25.10.2007 ausüben. Den Widerruf erklärte sie jedoch erst mit Schreiben vom 04.07.2014, mithin etwa 6 ¾ Jahre später. Diese Zeitspanne ist insbesondere mit Blick auf die vom Gesetz bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung vorgesehene Widerrufsfrist von 2 Wochen ausgesprochen lang. Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahe kommt, die erforderliche Zeitspanne mindert, so etwa die Nichtgeltendmachung des Anspruchs bei einer Abrechnung oder bei Verhandlungen (Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2014, § 242 Rn. 93). Ein derartiges Verhalten lag im Abschluss der Aufhebungsverträge (hierzu näher sogleich).
53b)
54Das Umstandsmoment wurde durch den Abschluss der Aufhebungsverträge zwischen der Klägerin und der Beklagten im Juli bzw. August 2012 erfüllt.
55aa)
56Die Parteien schlossen im Juli/August 2012 einvernehmlich Verträge zur Aufhebung der Darlehensverträge, die sodann vollständig abgewickelt wurden. Die Beklagte hat unter Vorlage ihrer Schreiben vom 20.06.2012 an die Klägerin schlüssig dargelegt, dass die Klägerin lediglich den Wunsch geäußert habe, vorzeitig aus den Verträgen entlassen zu werden. Indem die Beklagte sich hiermit gegen Zahlung einer jeweiligen Vorfälligkeitsentschädigung einverstanden erklärt hat, hat sie der Klägerin konkludent ein Angebot auf Abschluss der jeweiligen Aufhebungsverträge unterbreitet. Dieses Angebot hat die Klägerin durch Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen am 16.08.2012 konkludent angenommen.
57In diesem Zusammenhang kann die Klägerin nicht damit gehört werden, dass die Beklagte sie aufgrund besonderer Kündigungsgründe aus den Verträgen entlassen habe. Eine solche Kündigung ist weder aus den Umständen ersichtlich noch konkret von der Klägerin vorgetragen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 S. 1 u. 2 BGB seitens der Klägerin erfüllt worden wären. Denn bei der Ausübung dieses Kündigungsrechtes hätte die Klägerin die in §§ 490 Abs. 2 S. 1, 488 Abs. 3 S. 2 BGB normierte dreimonatige Kündigungsfrist einhalten müssen. Sie ist von der Beklagten aber bereits vor Ablauf dieser Frist aus dem Vertrag entlassen worden. Dies zeigt sich schon darin, dass die Klägerin die Vorfälligkeitsentschädigung bereits am 16.08.2012 und damit weniger als 2 Monate nach dem Schreiben der Beklagten vom 20.06.2012 gezahlt hat. Eine Kündigungserklärung hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt vorgelegt oder behauptet.
58Andere Kündigungsgründe legt die Klägerin nicht ansatzweise dar. Angesichts des substantiierten Vortrages der Beklagten zum Abschluss der Aufhebungsverträge wäre ein vergleichbar substantiierter Vortrag der Klägerin zu angeblichen Kündigungsgründen aber erforderlich und der Klägerin auch zumutbar gewesen (vgl. Zöller/Greger, 30. Auflage, § 138 Rn. 8 ff.).
59Für das Umstandsmoment ist neben dem Abschluss der Aufhebungsverträge weiter beachtlich, dass die Klägerin die Vorfälligkeitsentschädigungen bereits am 16.08.2012 zahlte und damit nur 6 Wochen, nachdem die Beklagte ihr am 04.07.2012 die Abrechnung der verschiedenen Darlehen erteilt hatte. Aufgrund des Verhaltens der Klägerin in den Vertragsverhandlungen, der Abgabe ihrer Willenserklärung auf Abschluss der Aufhebungsverträge sowie der raschen Zahlung der vereinbarten Vorfälligkeitsentschädigungen konnte und durfte die Beklagte sich darauf einrichten, die Klägerin werde ihr vermeintliches Widerrufsrecht nicht mehr geltend machen. Die Klägerin wählte unter mehreren ihr grundsätzlich zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Beendigung des Darlehensvertrages den Aufhebungsvertrag. Um die weitere – zumindest denkbare – Gestaltungsmöglichkeit eines Widerrufs des Darlehensvertrages wusste die Klägerin, weil sie die - wenngleich nicht ordnungsgemäßen – Widerrufsbelehrungen unstreitig erhalten hatte. Diese Belehrungen ließen die Klägerin über das Bestehen eines Widerrufsrechtes als solchem nicht im Unklaren. Gleichwohl entschied sie sich für den Abschluss von Aufhebungsverträgen. Vor diesem Hintergrund musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass die Klägerin Jahre später versuchen würde, die durch die Aufhebungsverträge längst beendeten und abgewickelten Darlehensverträge noch nachträglich zu widerrufen.
60Die Klägerin kann in diesem Zusammenhang auch nicht damit gehört werden, dass die Annahme eines Aufhebungsvertrages zu einer unangemessenen Benachteiligung führe und gegen wesentliche gesetzliche Grundgedanken i.S.d. §§ 511, 361 BGB n.F. verstoße. Denn eine Belehrung über das Widerrufsrecht ist – wenngleich falsch – bei Vertragsschluss erteilt worden, so dass der Klägerin das grundsätzliche Bestehen eines Widerrufsrechtes bekannt war. Eine nachträgliche Vereinbarung kann insoweit keine Umgehung darstellen, sondern ist Teil der der Klägerin verbleibenden Privatautonomie. Auch ein Verzicht auf das Widerrufsrecht ist dementsprechend nachträglich ohne Weiteres möglich.
61Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die Beklagte den Verzicht seitens der Klägerin durch eine arglistige Täuschung herbeigeführt hätte. Eine arglistige Täuschung darüber, dass eine vorzeitige Vertragsauflösung nur gegen Vorfälligkeitsentschädigung möglich sei, ist jedoch nicht ersichtlich:
62Es besteht schon keine Hinweispflicht der Bank auf eine bestehende Kündigungsmöglichkeit – und entsprechend auch auf ein Widerrufsrecht (vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 09.12.1998, Az. 9 U 177/98, WM 1999, 1007). Dies gilt umso mehr, als es sich bei den Aufhebungsverträgen um privatautonom getroffene Entscheidungen handelt, die erst lange nach Abschluss der Darlehensverträge zu einem Zeitpunkt getroffen wurden, als das Widerrufsrecht grundsätzlich schon längst begründet war und es somit allein in das Ermessen der Klägerin gestellt war, ob sie von diesem Widerrufsrecht Gebrauch machen wollte oder nicht.
63Im Übrigen ist weder aus den Umständen ersichtlich noch von der Klägerin schlüssig vorgetragen, dass die Beklagte arglistig gehandelt hätte. Denn es kann nicht unterstellt werden, dass die Beklagte Kenntnis hatte, dass die Klägerin bei wahrheitsgemäßer Erklärung den Vertrag nicht oder in anderer Form abgeschlossen hätte. Arglist erfordert aber die Kenntnis des Handelnden, dass der andere Teil durch die Täuschung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt wird, d.h. dass dieser bei wahrheitsgemäßer Erklärung nicht oder nur zu anderen Bedingungen abgeschlossen hätte. Eine solche Kenntnis auf Seiten der Beklagten ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargetan. Denn auch bei einer Kündigung gemäß § 490 Abs. 2 BGB hätte die Klägerin gemäß § 490 Abs. 2 S. 3 BGB eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen müssen. Sie stand durch den Aufhebungsvertrag also nicht schlechter als bei Wahrnehmung ihres Kündigungsrechtes. Vielmehr stand sie mit dem Aufhebungsvertrag sogar besser, weil sie nicht die gemäß §§ 490 Abs. 2 S. 1, 488 Abs. 3 S. 2 BGB einschlägige dreimonatige Kündigungsfrist einhalten musste, sondern sofort von der Beklagten aus dem Vertrag entlassen wurde. Vor diesem Hintergrund ist der Aufhebungsvertrag sogar als Entgegenkommen der Beklagten zu werten. Für die Annahme einer Arglist verbleibt insofern kein Raum.
64Hinzu kommt, dass man angesichts der häufig wechselnden Gesetzeslage zur Widerrufsbelehrung – insbesondere im Hinblick auf die Musterbelehrung – der Beklagten nicht unterstellen kann, dass sie von der Fehlerhaftigkeit ihrer Widerrufsbelehrung Kenntnis hatte und vor diesem Hintergrund bewusst das Bestehen eines Widerrufsrechts verschwieg. Dies gilt umso mehr, als der Bundesgerichtshof bereits wiederholt festgestellt hat, dass selbst die vom Gesetzgeber entworfene Musterbelehrung fehlerhaft ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 28.06.2011, Az. XI ZR 349/10, m.w.N.). Man kann von der Beklagten keine bessere Rechtskenntnis erwarten als vom Gesetzgeber.
65Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 20.01.2015 bestreitet, eine arglistige Täuschung begangen zu haben, war der Klägerin keine Frist zu einer diesbezüglichen Stellungnahme einzuräumen, weil der Vortrag der Beklagten nicht entscheidungserheblich war (vgl. insoweit Zöller/Greger, 30. Aufl., § 283 Rn. 2a). Vielmehr war schon der Vortrag der Klägerin zum Vorliegen einer arglistigen Täuschung nach den obigen Ausführungen unschlüssig, so dass es auf den diesbezüglichen Schriftsatz der Beklagten für die Entscheidung nicht ankam.
66bb)
67Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Normen über das Widerrufsrecht stehen einer Verwirkung des Widerrufsrechts durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht entgegen.
68(1)
69Es ist ohnehin zweifelhaft, ob nach Ausübung von Gestaltungsrechten wie der Kündigung eines Vertrages oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages überhaupt noch die Möglichkeit des Widerrufs besteht: So führte das OLG Hamm im Beschluss vom 31.08.2011 (20 U 81/11, zitiert nach juris, dort Rn. 15f.) aus, ein Widerruf sei nach vollständiger Vertragsbeendigung und -abwicklung nicht mehr möglich. Das Widerspruchs- bzw. Widerrufsrecht solle vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt, ohne gründliche Abwägung des Für und Wider eingegangen sei. Mache der Verbraucher aber von seinem Wahlrecht zwischen mehreren Gestaltungsrechten Gebrauch und entscheide sich für ein anderes Gestaltungsrecht als den Widerruf, sei diese Wahl für ihn bindend. So bringe ein Verbraucher beispielsweise durch Erklärung der Kündigung zum Ausdruck, dass er die vertragliche Bindung nicht ex tunc (also rückwirkend), sondern nur ex nunc (also für die Zukunft) beseitigen wolle bzw. im Umkehrschluss eine Bindung für die Vergangenheit gerade anerkenne. Bei dieser Sachlage bestehe auch im Sinne des wohlverstandenen Verbraucherschutzes für die rückwirkende Zulassung eines Widerspruchs- bzw. Widerrufsrechts kein Raum.
70Ebenso entschied das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 18.01.2012, 6 W 221/11, BeckRS 2012, 08128): Schließlich und vor allem handele es sich bei dem in Betracht kommenden Widerrufsrecht seiner Natur nach um ein besonders ausgestaltetes Rücktrittsrecht. Wie letzteres diene das Widerrufsrecht daher der Umgestaltung eines noch bestehenden Schuldverhältnisses und könne deshalb keine Anwendung finden, wenn der Vertrag, um dessen Widerruf es gehe, bereits auf andere Weise zum Wegfall gekommen sei. Dies sei indes durch nachfolgende Verträge geschehen, die die ursprünglichen Verträge nicht nur erweitert, sondern vollständig ersetzt hätten.
71Im Ergebnis übereinstimmend entschied das OLG Köln (Urteil vom 25.01.2012, 13 U 30/11, BKR 2012, 162), das ebenfalls von einer Verwirkung des Widerrufsrechts ausging. Im Hinblick auf das Zeitmoment komme es nicht darauf an, ob der Verbraucher von dem trotz Fristablaufs tatsächlich - d.h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis gehabt habe. Das sei jedenfalls dann unbedenklich, wenn es nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsfrist gehe. Angesichts der vollständigen, beiderseitigen Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag sei auch das sog. Umstandsmoment erfüllt. Dieser Wertung stehe nicht entgegen, dass § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB a.F. dem Verbraucher im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht einräume. Dies bedeute lediglich, dass das Widerrufsrecht des nicht ordnungsgemäß belehrten Verbrauchers keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist unterliege, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könne. Auch habe die Beklagte selbst dann auf die Nichtgeltendmachung des Widerrufsrechts vertrauen dürfen, wenn der Kläger keine Kenntnis vom noch bestehenden Widerrufsrecht gehabt habe. Denn der Kläger habe eine - wenn auch nicht ordnungsgemäße - Widerrufsbelehrung erhalten. Diese habe einen durchschnittlichen Verbraucher aber über das Bestehen eines befristeten Widerrufsrechts als solches nicht im Unklaren gelassen.
72Die Kammer verkennt nicht, dass in der Rechtsprechung die wirksame Ausübung eines Widerrufsrechts auch nach Abwicklung des zu Grunde liegenden Vertrages für möglich gehalten wird: So entschied der BGH in einem Urteil vom 07.05.2014 (Az. IV ZR 76/11, zitiert nach juris, dort Rn. 35 ff.), die vom dortigen Kläger ausgesprochene Kündigung des Vertrages stehe dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt worden sei, könne er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben. Verwirkung sei nicht eingetreten, da es am Umstandsmoment fehle. Ein schutzwürdiges Vertrauen könne die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchserklärung erteilte.
73Ähnlich führt das OLG Hamm (Urteil vom 11.12.2013, 31 U 127/13, zitiert nach juris, dort Rn. 26) aus, dem Widerruf des Vertrags stehe nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden sei. Sei eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt worden, so werde die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Widerruf könne daher unbefristet erfolgen, dies sogar dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt sei. Die gegenteilige Ansicht werde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht. Ebenso entschied das Landgericht Mönchengladbach, Urteil vom 24. April 2014,10 O 272/13 (Blatt 133 ff. d.A.).
74(2)
75Die Kammer schließt sich gleichwohl der erstgenannten Auffassung an, wonach ein Widerrufsrecht jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Verbraucher eine - wenn auch nicht vollständig ordnungsgemäße - Widerrufsbelehrung erhalten und vor dem Widerruf mit dem Kreditinstitut einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat und dieser Aufhebungsvertrag vollständig abgewickelt worden ist.
76Sinn und Zweck des Widerrufsrechts ist es, den Verbraucher vor übereilten Entscheidungen zu schützen und ihm selbst nach Abschluss des Vertrages noch eine gewisse Bedenkzeit zur gründlichen Abwägung des Für und Wider zu gewähren (Palandt/Grüneberg, 74. Aufl. 2014, § 355 Rn. 2). Vor diesem Hintergrund ist die grundsätzlich immerhin, aber auch nur zwei Wochen betragende Widerrufsmöglichkeit zu sehen. Die Bestimmung, wonach der Lauf der Widerrufsfrist erst bei ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung beginnt und das Widerrufsrecht sonst unbefristet besteht, dient dabei nicht originär dazu, dem Verbraucher eine unbefristete Bedenkzeit zu ermöglichen, sondern stellt eine scharfe Sanktionierung des Verwenders der Widerrufsbelehrung dar, um ihn zur Verwendung ordnungsgemäßer Belehrungen zu bewegen. Keinesfalls ist es Sinn und Zweck dieser Norm, dem Verbraucher den Widerruf eines Vertrages aus rein wirtschaftlichen Motiven auch nach langen Jahren der vertragsgemäßen Erfüllung durch beide Seiten zu ermöglichen. Gerade dies wird jedoch derzeit in den Print- und sonstigen Medien gerichtsbekanntermaßen umfangreich propagiert.
77Gerade im vorliegenden Fall gebietet es das Verbraucherschutzrecht aus mehreren Gründen nicht, der Klägerin noch ein Widerrufsrecht nach Abschluss und Abwicklung der Aufhebungsverträge einzuräumen. Zum einen durfte die Beklagte aufgrund des Abschlusses der Aufhebungsverträge schutzwürdig auf das Bestehen dieser Verträge vertrauen, da durch die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss eine Zäsur herbeigeführt wurde, die in der vollständigen Beendigung der Darlehensverträge ex nunc bestand. Indem die Klägerin die Aufhebung der Darlehensverträge vereinbarte, machte sie von einer im Zuge der Privatautonomie bestehenden Möglichkeit Gebrauch, die Verträge gerade nicht durch einen Widerruf in ein Abwicklungsschuldverhältnis umzuwandeln. Vielmehr erkannte die Klägerin durch Abschluss der ex nunc wirkenden Aufhebungsverträge eigenverantwortlich ihre Bindung aus den Darlehensverträgen für die Vergangenheit an. Anders als bei einseitigem Ausüben eines Wahlrechtes zwischen zwei einseitigen Gestaltungsrechten – wie der Kündigung und dem Widerruf (dazu BGH, Urteil vom 16.10.2013, IV ZR 52/12, zitiert nach juris, dort Rn. 24 mit weiteren, auch abweichenden Nachweisen) – hat die Klägerin hier eine einvernehmliche zweiseitige Regelung mit der Beklagten zur Beendigung der Darlehensverträge getroffen und damit einen Vertrauenstatbestand bei der Beklagten geschaffen. Dies gilt umso mehr, als die Aufhebungsverträge vollständig durch Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen und Entlassung der Klägerin aus den Darlehensverbindlichkeiten abgewickelt worden sind. Eine einseitige Widerrufsmöglichkeit nach einvernehmlich vertraglich vereinbarter Aufhebung der Darlehensverträge ist auch aus Gründen des Verbraucherschutzes nicht geboten. Über die bereits oben weiter ausgeführten Argumente hinaus, denen sich die Kammer vollumfänglich anschließt, ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Klägerin ersichtlich nicht handelte, um sich von einem übereilt abgeschlossenen Darlehensvertrag zu lösen, sondern um die Vorfälligkeitsentschädigungen - wie hier beantragt – zurück zu erhalten, nachdem sie zuvor die Darlehensverträge aufgehoben hat.
78cc)
79Die Beklagte hat sich im Vertrauen auf die mit der Klägerin abgeschlossenen Aufhebungsverträge auch so in ihren Maßnahmen eingerichtet, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Widerrufsrechtes der Klägerin ein unzumutbarer Nachteil entstünde. Die Beklagte hat nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen dergestalt getroffen, dass sie die ausgehandelten und erhaltenen Vorfälligkeitsentschädigungen in ihr Finanzsystem eingebucht und die Darlehensverträge bei sich ausgebucht hat. Es ist der Beklagten nicht zuzumuten, die bereits seit zwei Jahren wieder in ihrem Finanzkreislauf befindlichen Vorfälligkeitsentschädigungen auszubuchen und an die Klägerin zurückzuzahlen.
80Entgegen der Ansicht der Klägerin verliert die Beklagte ihre Schutzwürdigkeit auch nicht unter dem Aspekt der nach Auffassung der Klägerin verübten arglistigen Täuschung, weil eine arglistige Täuschung weder hinreichend von der Klägerin dargetan noch sonst aus den Begleitumständen ersichtlich ist. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
81II.
82Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der mit der Klageforderung geltend gemachten Beträge aus einer anderen Rechtsgrundlage ist nicht ersichtlich. Insbesondere liegt keine ungerechtfertigte Bereicherung der Beklagten vor, da sowohl die Darlehensverträge als auch die Aufhebungsverträge Rechtsgründe für die Zahlungen der Klägerin darstellen (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alternative BGB). Das von der Klägerin in diesem Zusammenhang angeführte BGH-Urteil bezieht sich ersichtlich auf eine andere Fallgestaltung, nämlich diejenige, dass die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung die tatsächlich für die damalige Beklagte aus der vorzeitigen Darlehensabwicklung entstandenen Nachteile überstieg. Dafür, dass die Vorfälligkeitsentschädigung im vorliegenden Falle die seitens der Beklagten erlittenen Nachteile übersteigen würde, bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Dies wird von der Klägerin auch gar nicht behauptet.
83B.
84Mangels Anspruchs auf Rückzahlung gegen die Beklagte hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf etwaige Zinszahlungen, §§ 280, 286, 288 BGB.
85C.
86Aus denselben Gründen entfallen auch etwaige Ansprüche auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Nur ergänzend merkt die Kammer in diesem Zusammenhang an, dass die Ansicht der Klägerin, wonach in der fehlenden Anerkennung des Widerrufsrechtes eine Vertragsverletzung seitens der Beklagten liege, fernliegend ist. Eine – zudem nach obigen Ausführungen durchaus vertretbare – Rechtsauffassung kann keine Vertragsverletzung darstellen. Es besteht keine Vertragspflicht der Beklagten, der Klägerin im Hinblick auf die juristische Bewertung von Sachverhalten nach dem Munde zu reden.
87D.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Kläger begehren die Feststellung, aus einem Darlehen, das ihnen die beklagte Bank zur Finanzierung der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds gewährt hat, zu keinen Zahlungen mehr verpflichtet zu sein. Darüber hinaus verlangen sie die Rückabtretung von sicherungshalber abgetretenen Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
- 2
- Die Kläger wurden im Jahre 1994 von einem Vermittler geworben, sich an dem " Immobilien-Fonds Nr. " (G. GbR ) - im Folgenden: Fondsgesellschaft - zu beteiligen. Mit dem Vermittler hatten sie eine vom 3. Dezember 1994 datierende "Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung" geschlossen. Mit notariell beurkundeter Beitrittserklärung vom 13. Dezember 1994 erklärten sie den Eintritt in die Fondsgesellschaft mit einer drei Fondsanteilen entsprechenden Kapitalbeteiligung von 91.950 DM. Zur Finanzierung des Fondsbeitritts schlossen sie am 13./20. Dezember 1994 mit der Beklagten einen formularmäßigen Darlehensvertrag über 105.720 DM, der eine Widerrufsbelehrung mit unter anderem folgendem Inhalt enthielt: "Hat der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen, gilt der Widerruf als nicht erfolgt, wenn er das Darlehen nicht binnen zweier Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt."
- 3
- Zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs traten die Kläger ihre Rechte aus zwei Lebensversicherungsverträgen an die Beklagte ab und verpfändeten zudem ihre Geschäftsanteile an der Fondsgesellschaft.
- 4
- Nach Ablauf der Zinsbindungsfrist aus dem Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 vereinbarten die Parteien unter dem 12. Oktober/ 15. Dezember 2004 einen geänderten Zinssatz für die Zeit ab dem 1. Januar 2005. Bereits am 16. Dezember 2003 hatten die Kläger eine ihnen von der Beklagten zugeleitete "Nachträgliche Widerrufsbelehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB" unterzeichnet, die unter anderem lautet: "Widerrufsrecht Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an: (…) Widerrufsfolgen (…) Finanzierte Geschäfte Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem Sie Ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. (…). Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert , gilt Folgendes: Wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht zurückgeben können, haben Sie dafür ggf. Wertersatz zu leisten. (…) Nicht paketversandfähige Ware wird bei Ihnen abgeholt. (…)."
- 5
- Mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerriefen die Kläger den "Darlehensvertrag" unter anderem nach dem Haustürwiderrufsgesetz.
- 6
- Mit ihrer Klage machen sie geltend, in einer Haustürsituation durch den Vermittler zum kreditfinanzierten Erwerb der Fondsbeteiligung bestimmt worden zu sein. Weder die ursprüngliche Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 noch die von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete nachträgliche Belehrung entsprächen den gesetzlichen Anforderungen, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe. Ihre Widerrufserklärung sei daher nicht verfristet. Darüber hinaus tragen sie vor, durch evident falsche Angaben zu den Flächen und den Mieterträgen des Fondsobjekts, zur Innenprovision sowie zur Mietgarantiegebühr getäuscht worden zu sein, weshalb ihnen ein Schadensersatzanspruch zustehe, den sie auch der Beklagten entgegen halten könnten.
- 7
- Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vermittlers, des Zeugen O. , der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist unbegründet.
I.
- 9
- Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 10
- Die Kläger hätten ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärungen wirksam mit Anwaltsschreiben vom 20. Juni 2008 widerrufen. Zu diesem Widerruf seien sie nach §§ 1 HWiG, 312, 355 BGB berechtigt gewesen, da sie - wie das Landgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme zutreffend und ohne Beweiswürdigungsfehler festgestellt habe - in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden seien. Insoweit reiche es aus, dass die in der Privatwohnung der Kläger geführten mündlichen Verhandlungen für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages mitursächlich gewesen seien, auch wenn der Vertrag selbst nicht in der Wohnung unterzeichnet worden sei und anlässlich des ersten Besuchstermins des Vermittlers in der Wohnung der Kläger auch die Fondsbeteiligung nicht unterzeichnet worden sei. Der geringe zeitliche Abstand von 10 Tagen zwischen der Vorstellung des Fonds Nr. bei den Klägern und dem von ihnen am 13. Dezember 1994 unterzeichneten Darlehensvertrag indiziere das Fortwirken der Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages.
- 11
- Im Ergebnis zutreffend habe das Landgericht darüber hinaus die Widerrufserklärung der Kläger vom 20. Juni 2008 nicht für verfristet erachtet, da mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
- 12
- Die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung sei aus mehreren Gründen fehlerhaft und daher nicht geeignet gewesen, die einmonatige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB in Lauf zu setzen. Zwar sei gemäß § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine Nachbelehrung auch für einen Altvertrag, der - wie vorliegend - aus der Zeit vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes stamme, möglich gewesen. Die tatsächlich erteilte Nachbelehrung sei aber aus mehreren Gründen nicht wirksam erfolgt.
- 13
- Bereits das Landgericht habe, wenn auch nur im Ergebnis zutreffend, angenommen, dass die nachträgliche Widerrufsbelehrung hinsichtlich des Frist- beginns fehlerhaft sei. Die Fehlerhaftigkeit folge zwar noch nicht daraus, dass aus der Belehrung die Wirkung des § 187 Abs. 1 BGB nicht hervorgehe, wonach eine Frist, für deren Anfang auf ein Ereignis abzustellen sei, frühestens am folgenden Tage beginne. Wenngleich der Inhalt einer Widerrufsbelehrung nicht nur zutreffend, sondern auch unmissverständlich sein und den Fristbeginn umfassen müsse, dürften an die Belehrung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Als ausreichend sei es anzusehen, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benenne, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöse, das heißt hier die Aushändigung der Belehrung in Textform. Eine zusätzliche Belehrung über den Inhalt der § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB sei nicht erforderlich.
- 14
- Allerdings sei die Formulierung in der nachträglichen Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 hinsichtlich der notwendigen Belehrung über das den Fristbeginn auslösende Ereignis insoweit zu ungenau, als es dort heiße, die Frist beginne "frühestens" mit Erhalt der Belehrung in Textform. Diese Formulierung sei zu ungenau, um dem Verbraucher den Fristbeginn deutlich vor Augen zu führen, da hieraus nicht entnommen werden könne, dass die Widerrufsfrist hier nicht nur "frühestens" an dem betreffenden Tag zu laufen beginne, sondern der Fristenlauf tatsächlich ausnahmslos mit dem Erhalt der Belehrung in Gang gesetzt werden solle. Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang für ihren gegenteiligen Standpunkt auf verschiedene höchst- und obergerichtliche Entscheidungen berufe, stünden diese den dargelegten Bedenken nicht entgegen , weil sie sämtlich mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar seien.
- 15
- Die nachträgliche Widerrufsbelehrung vom 16. Dezember 2003 sei aber auch noch aus anderen Gründen unwirksam. So fehle es an dem nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis, dass die Frist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde , sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB sei gemäß Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB auf die vom 16. Dezember 2003 datierende Nachbelehrung anwendbar. Außerdem folge die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung daraus, dass die Kläger darin entgegen § 358 Abs. 5 BGB nicht auf die sich aus § 358 Abs. 1 BGB ergebenden Widerrufsfolgen hingewiesen worden seien. Vorliegend seien die Kläger nur darüber belehrt worden, dass der Widerruf der Darlehensvertragserklärung zu einer Beendigung der Bindung an den Beitrittsvertrag führe, nicht aber auch umgekehrt darüber, dass ein wirksamer Widerruf der Beitrittserklärung die Bindung an das Darlehen beende.
- 16
- Die den Klägern ursprünglich bei Abschluss des Darlehensvertrages vom 13. Dezember 1994 erteilte Widerrufsbelehrung habe ebenfalls keine Widerrufsfrist in Lauf gesetzt. Die darin enthaltene Belehrung, wonach dann, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen empfangen habe, der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn er das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahle, enthalte einen nach § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG unzulässigen und unrichtigen Zusatz.
- 17
- Da es mithin insgesamt an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gegenüber den Klägern fehle, sei die Widerrufsfrist niemals wirksam in Lauf gesetzt worden.
- 18
- Dabei werde nicht verkannt, dass die den Klägern am 16. Dezember 2003 erteilte nachträgliche Widerrufsbelehrung wörtlich der unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV abgedruckten Musterbelehrung in der im Jahre 2003 geltenden Fassung entsprochen habe und § 14 BGB-InfoV eine Fiktion dahingehend enthalte , dass die Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs genüge, wenn das Muster der Anlage 2 in Textform verwandt werde. Dies könne aber nicht gelten, wenn die Musterbelehrung, wie auch hier, hinter den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe. Wenngleich der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden, hier also der Beklagten, Berücksichtigung verdiene, dürfe sich dies nicht zu Lasten des Verbrauchers auswirken, was aber der Fall sei, wenn eine tatsächlich unzutreffende Widerrufsbelehrung aus Vertrauensschutzgesichtspunkten als zutreffend fingiert werde. Denn auch das - umgekehrte - Vertrauen des Verbrauchers darauf , dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verordnungsgeber herabgesetzt werden könnten, sei gleichermaßen schützenswert. Insoweit sei der auch in anderen Teilen der Rechtsprechung sowie im Schrifttum vertretenen Auffassung zu folgen, dass der Verordnungsgeber keine Ermächtigung zur Abänderung der Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs als höherrangigem Recht besitze. Soweit die Musterbelehrung hinter den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückbleibe, sei sie deshalb wegen Überschreitens der Ermächtigungsgrundlage nichtig. Vertrauensschutz in Bezug auf eine höherrangiges Recht verletzende Norm könne nicht bestehen.
II.
- 19
- Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.
- 20
- 1. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Kläger i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung (jetzt § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB) in einer Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertrages bestimmt worden sind. Das angefochtene http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1vz1/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 10 - Urteil beruht insoweit weder auf einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf einer unzureichenden Berücksichtigung des Prozessstoffs (§ 286 ZPO).
- 21
- a) Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Kausalitätserwägungen außer Acht gelassen, dass auf der Grundlage der Bekundungen des vom Landgericht vernommenen Zeugen O. bereits vor dem 3. Dezember 1994 ein (erster) Hausbesuch des Vermittlers erfolgt sein müsse, auf den hinsichtlich des Fortwirkens der Haustürsituation abzustellen sei, zu dessen Zeitpunkt indes die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger nicht näher vorgetragen hätten.
- 22
- aa) Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt eine Haustürsituation bei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertragsschluss jedenfalls mit ursächlich ist. Es reicht aus, dass der Kunde durch die Kontaktaufnahme in der Privatwohnung in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1 HWiG und der Vertragserklärung ist nicht erforderlich, indiziert aber die Ursächlichkeit der Haustürsituation für den späteren Vertragsschluss. Die Indizwirkung für die Kausalität nimmt allerdings mit zunehmendem zeitlichem Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen , insbesondere dem nicht erfolgten Widerruf der auf den Fondsbeitritt gerichteten Willenserklärung im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Sache der tatrichterlichen Würdigung des konkreten Einzelfalls, die in der Revisi- onsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann (Senatsurteile vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 17 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 18).
- 23
- bb) Das Berufungsgericht ist danach mit Recht davon ausgegangen, dass für die Frage des Fortwirkens der Haustürsituation auf den - geringen - zeitlichen Abstand von lediglich zehn Tagen zwischen dem 3. Dezember 1994 einerseits und der Unterzeichnung des Darlehensantrags durch die Kläger am 13. Dezember 1994 andererseits abzustellen sei. Diese tatrichterliche Würdigung beruht insbesondere nicht auf verfahrenswidriger Tatsachenfeststellung.
- 24
- (a) Allerdings hatte nach dem Vortrag in der Klageschrift der Kläger den ihm persönlich bekannten Zeugen O. im November 1994 bei einem Volksfest in Ge. zufällig getroffen. Der Zeuge habe bei dieser Gelegenheit erklärt, er berate "auch zum Steuern sparen", und vorgeschlagen, anlässlich eines Hausbesuchs bei den Klägern zu überprüfen, ob bei den bestehenden Anlagen und Versicherungen vielleicht Verbesserungen möglich seien. Während des kurz darauf telefonisch für den 3. Dezember 1994 vereinbarten Termins bei den Klägern zu Hause sei die Wirtschaftsberater-Servicevereinbarung unterzeichnet sowie unter anderem auf Vorschlag des Vermittlers ein Antrag auf Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung unterzeichnet worden, über die später die Rückzahlung des Darlehens habe erfolgen sollen. Nach Prüfung der Einkommensverhältnisse sei der Zeuge O. zum Thema "Steuern sparen" zu dem Ergebnis gekommen, dass man da "etwas machen" könne; unvermittelt habe er die Beteiligung an der Fondsgesellschaft durch Erwerb von drei Anteilen noch im Jahre 1994 vorgeschlagen. Am 13. Dezember 1994 sei zunächst der Darlehensvertrag nebst Abtretungserklärungen hinsichtlich der Lebensversicherungen in den Geschäftsräumen des Vermittlers unterzeichnet worden; hieran habe sich der Notartermin angeschlossen.
- 25
- (b) Abweichend hiervon hat der Zeuge O. , worauf die Revision im Ausgangspunkt zu Recht hinweist, anlässlich seiner Vernehmung durch das Landgericht auf Vorhalt des vom 3. Dezember 1994 datierenden Antrags des Klägers auf Abschluss der fondsgebundenen Lebensversicherung bekundet, der betreffende Antrag sei zwar in der Tat an diesem Tage aufgenommen worden. Dann aber könne der 3. Dezember 1994 nicht der erste Termin bei den Klägern gewesen sein, da die Aufnahme solcher Anträge nicht anlässlich eines Ersttermins erfolgt sei. Vielmehr müsse der 3. Dezember 1994 der zweite Termin gewesen sein, dem ein erster Termin vorangegangen sein müsse, bei dem er eine Finanzdiagnose erstellt habe. Insgesamt habe es vor Abschluss des Darlehensvertrages in seinen - des Zeugen - Geschäftsräumen zwei Termine bei den Klägern zu Hause gegeben.
- 26
- (c) Aus dieser Abweichung im Tatsächlichen gegenüber der Sachdarstellung der Kläger folgt jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass für das Fortwirken der Haustürsituation auf den Abstand zwischen dem Darlehensvertragsschluss am 13. Dezember 1994 und dem in zeitlicher Hinsicht nicht weiter konkretisierten Ersttermin abzustellen ist.
- 27
- Selbst wenn nämlich mit dem Zeugen O. davon auszugehen sein sollte , dass dem Termin vom 3. Dezember 1994 ein früherer Hausbesuch vorausgegangen war, so verbleibt es doch auch auf der Grundlage seiner Bekundungen dabei, dass er den streitgegenständlichen Fonds erstmals anlässlich des Hausbesuchs am 3. Dezember 1994 angesprochen hat. Der Zeuge hat ausdrücklich ausgeschlossen, bei dem ersten Termin den Klägern den Erwerb von Anteilen am Fonds vorgeschlagen zu haben; dies sei erst im zweiten Termin, der ebenfalls bei den Klägern zu Hause stattgefunden habe, geschehen. Beim ersten Termin habe er sich lediglich "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Diesem ersten Termin sei keine konkrete Abrede, um was es hierbei detailliert gehen solle, vorausgegangen. Von der Firma Op. , für die er - der Zeuge - seinerzeit tätig gewesen sei und an die er die Finanzdiagnose weitergeleitet habe, sei dann die Mitteilung gekommen, dass ein Erwerb von Fondsanteilen durch die Kläger "machbar" sei, um ihnen Steuervorteile bzw. Mieteinnahmen zu verschaffen. Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht mit Recht für die Kausalität der Haustürsituation nicht auf einen etwaigen früheren Termin, sondern auf den Hausbesuch am 3. Dezember 1994 abgestellt, weil auch nach der Aussage des Zeugen O. - im Anschluss an noch völlig vage Erörterungen anlässlich des Ersttermins - erstmals bei dieser Gelegenheit konkrete Verhandlungen in Bezug auf eine bestimmte Beteiligung, nämlich den Fonds , stattfanden (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2009 - XI ZR 456/07, WM 2009, 1028 Rn. 23).
- 28
- b) Entgegen der Auffassung der Revision bietet die Aussage des Zeugen O. auch keine Grundlage anzunehmen, dass dem Hausbesuch am 3. Dezember 1994 eine vorangehende Bestellung des Vermittlers i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG (jetzt § 312 Abs. 3 Nr. 1 BGB) durch die Kläger zugrunde lag, die zum Ausschluss des Widerrufsrechts führt. Eine vorhergehende Bestellung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sie den Gegenstand der Verhandlung hinreichend konkret bezeichnet und sich auf eine bestimmte Art von Leistungen bezieht, damit der Verbraucher in der Lage ist, sich auf das Angebot des Unternehmers vorzubereiten und nicht der für "Haustürsituationen" typischen "Überrumpelungsgefahr" ausgesetzt wird (Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 348/07, WM 2008, 1593 Rn. 19; BGH, Urteil vom 15. April 2010 - III ZR 218/09, WM 2010, 980 Rn. 15; jeweils mwN). Dass der Termin vom 3. Dezember 1994 "in dem Wissen, dass es nunmehr um eine Fondsanlageberatung gehen sollte" erfolgte, ist entgegen der Darstellung der Revision der Zeugenaussage gerade nicht zu entnehmen. Nach der Bekundung des Zeugen O. gab es vor dem von ihm geschilderten ersten Termin bei den Klägern http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1div/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001220986BJNE000102305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001104305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/1dye/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=2&numberofresults=64&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR128400990BJNE001302305&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 14 - - wenn überhaupt - eine allgemeine Abrede, dass "eine Steuerersparnis … untersucht" werden solle. Im ersten Termin hat der Zeuge sich seiner Aussage zufolge "alles Finanzielle angeschaut" und eine sogenannte Finanzdiagnose erstellt. Die Anregung, den Klägern den Erwerb von Anteilenam Fonds vorzuschlagen, wurde erst anschließend aufgrund der "Finanzdiagnose" von der Firma Op. gegenüber dem Zeugen ausgesprochen und von diesem sodann in dem Termin vom 3. Dezember 1994 in die Tat umgesetzt. Die Annahme, die Kläger hätten sich mit diesem Hausbesuch in der Gewissheit einverstanden erklärt, dass dabei der Erwerb von Anteilen an einem geschlossenen Immobilienfonds, geschweige denn an dem konkret betroffenen Fonds , erörtert werden würde, liegt auf dieser Tatsachengrundlage fern.
- 29
- 2. Zutreffend und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die einwöchige Widerrufsfrist des § 1 Abs. 1 HWiG nicht mit Unterzeichnung der im Darlehensvertrag vom 13./20. Dezember 1994 enthaltenen Widerrufsbelehrung durch die Kläger am 13. Dezember 1994 in Gang gesetzt wurde und deshalb zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung am 20. Juni 2008 nicht abgelaufen war. Denn diese Widerrufsbelehrung enthielt insoweit einen unzulässigen Zusatz i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG, als danach der Widerruf des Darlehensvertrags als nicht erfolgt gilt, wenn der Darlehensnehmer das Darlehen nicht binnen zwei Wochen nach Erklärung des Widerrufs oder nach Auszahlung des Darlehens zurückzahlt (st. Rspr., vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 24 mwN). Ob der Fondsbeitritt der Kläger, wozu entgegen der Darstellung der Revisionserwiderung keine Feststellungen vorliegen, mit dem seiner Finanzierung dienenden Darlehensvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 9 Abs. 1 VerbrKrG in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung bildete und der Zusatz gemäß § 7 Abs. 3 VerbrKrG deshalb auch § 9 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG widersprach, kann hiernach dahinstehen. http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/ft2/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006049896BJNE230901377&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 15 -
- 30
- 3. Schließlich ist, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, durch die den Klägern nachträglich erteilte, von ihnen am 16. Dezember 2003 unterzeichnete Widerrufsbelehrung auch nicht die einmonatige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der vom 1. August 2002 bis zum 7. Dezember 2004 geltenden Fassung in Gang gesetzt worden. Denn diese Nachbelehrung genügte nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.
- 31
- a) Allerdings ist gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB eine nachträgliche Widerrufsbelehrung auch in Bezug auf - wie hier - vor dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) geschlossene Altverträge möglich (Senatsurteile vom 13. Juni 2006 - XI ZR 94/05, WM 2006, 1995 Rn. 13 und vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 25 mwN). Die Nachbelehrung unterliegt dabei denselben gesetzlichen Anforderungen wie eine rechtzeitige Belehrung. Sie muss umfassend, inhaltlich richtig, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben (Senatsurteil vom 26. Oktober 2010 - XI ZR 367/07, WM 2011, 23 Rn. 26; Senatsbeschluss vom 15. Februar 2011 - XI ZR 148/10, WM 2011, 655 Rn. 10).
- 32
- b) Eine diesen Maßgaben entsprechende Nachbelehrung hat die Beklagte , wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, nicht erteilt. Aufgrund dessen konnten die Kläger ihr Widerrufsrecht am 20. Juni 2008 nochwirksam ausüben.
- 33
- aa) Hierbei kann dahinstehen, ob der - von der Revision unter Hinweis darauf, dass vorliegend nicht eine beim Vertragsschluss erfolgende Erstbeleh- http://www.juris.de/jportal/portal/t/f6z/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=5&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001950896BJNE261804140&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 16 - rung in Rede steht, bekämpften - Auffassung des Berufungsgerichts zu folgen ist, die den Klägern erteilte Nachbelehrung habe den nach § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB bei schriftlichen Verträgen erforderlichen Hinweis enthalten müssen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginne, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, sein schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werde. Keiner Entscheidung bedarf ferner, ob sich die Fehlerhaftigkeit der Nachbelehrung - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auch aus einem entgegen § 358 Abs. 5 BGB fehlenden Hinweis auf die Widerrufsfolgen nach § 358 Abs. 1 BGB ergibt oder aber der vom Berufungsgericht vermisste Hinweis - wie die Revision meint - mit Rücksicht auf die unstreitig erfolgte notarielle Beurkundung des Fondsbeitritts (vgl. § 312 Abs. 3 Nr. 3 BGB) entbehrlich war.
- 34
- bb) Unzureichend war die den Klägern erteilte Nachbelehrung jedenfalls hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist, über den der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB ebenfalls eindeutig zu informieren ist (vgl. Senatsurteil vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, BGHZ 180, 123 Rn. 14 mwN). Die von der Beklagten verwendete Formulierung, die Frist beginne "frühestens mit Erhalt dieser Belehrung", belehrt den Verbraucher, wie der Bundesgerichtshof bereits wiederholt entschieden hat, nicht richtig über den nach § 355 Abs. 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" (Marx/Bäuml, WRP 2004, 162, 164; s. auch Dörrie, ZfIR 2002, 685, 690) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also ggf. noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteile vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 13, 15, vom 29. April 2010 - I ZR 66/08, http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint - 17 - WM 2010, 2126 Rn. 21, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 12 und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 14).
- 35
- Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus den Senatsurteilen vom 13. Januar 2009 (XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 19, XI ZR 508/07, juris Rn. 17) nichts anderes. Soweit der erkennende Senat dort in der Verwendung des Formulierungszusatzes "frühestens" in einer Widerrufsbelehrung keinen Verstoß gegen das Deutlichkeitsgebot gesehen hat, enthielten die betreffenden Belehrungstexte jeweils weitere klarstellende Zusätze über einen hinausgeschobenen Beginn der Widerrufsfrist ("jedoch nicht bevor …"). Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend jedoch nicht (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 15).
- 36
- c) Eine Berufung auf § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959) ist der Beklagten schon deshalb verwehrt, weil sie - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Darstellung der Revision - gegenüber den Klägern für die Nachbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entspricht. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Ansicht der Revision zutrifft, die vollständige Verwendung des in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Musters für die Widerrufsbelehrung in der hier geltenden ursprünglichen Fassung begründe einen Vertrauensschutz zu Gunsten des Verwenders mit der Folge, dass der Verbraucher sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, die Widerrufsfrist sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden. http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR034200002BJNE001801377&doc.part=s&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE302572010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/v8u/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=3&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE306522010&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 18 -
- 37
- aa) Nach § 14 Abs. 1 BGB-InfoV genügt eine Widerrufsbelehrung den Anforderungen des § 355 Abs. 2 und den diesen ergänzenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in Textform verwandt wird. Wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, kann ein Unternehmer sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteile vom 12. April 2007 - VII ZR 122/06, BGHZ 172, 58 Rn. 12, vom 9. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, WM 2010, 721 Rn. 20, vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21; Senatsurteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 156/08, WM 2009, 1497 Rn. 15). Ob das in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelte Muster für die Widerrufsbelehrung nichtig ist, weil die Musterbelehrung den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht in jeder Hinsicht entspricht, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang bislang offen gelassen (BGH, Urteile vom 1. Dezember 2010 - VIII ZR 82/10, WM 2011, 86 Rn. 14 f. und vom 2. Februar 2011 - VIII ZR 103/10, WM 2011, 474 Rn. 21). Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung.
- 38
- bb) Die den Klägern erteilte formularmäßige Nachbelehrung der Beklagten entspricht, wie der Senat durch einen Vergleich beider Texte ohne Weiteres selbst feststellen kann, ihrem Wortlaut nach nicht in jeder Hinsicht dem Muster in Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der seinerzeit geltenden Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der BGB-InformationspflichtenVerordnung vom 1. August 2002 (BGBl. I S. 2958, 2959). Zum einen enthält Satz 2 des mit "Widerrufsrecht" überschriebenen ersten Abschnitts der Nachbelehrung am Ende - nach den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung" - den Zusatz "in Textform", der in der hier maßgeblichen Ursprungsfassung der Musterbelehrung noch nicht vorhanden war; Satz 2 endete dort vielmehr mit den Worten "mit Erhalt dieser Belehrung". Den zusätzlichen Passus "in Textform" enthielt die Musterbelehrung erstmals in der Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom 4. März 2008 (BGBl. I S. 292, 293). Zum anderen befinden sich, worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist, zwei weitere textliche Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung in dem mit "Finanzierte Geschäfte" überschriebenen Teil der Nachbelehrung. So fehlt im zweiten Satz des zweiten Absatzes dieses Abschnitts in der Nachbelehrung der Beklagten nach den Worten "im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht" die - im Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung des Verordnungsgebers enthaltene - Passage "oder nur in verschlechtertem Zustand". Darüber hinaus weicht auch der vorletzte Satz des betreffenden Absatzes der Nachbelehrung vom Mustertext in Gestaltungshinweis (8) - "Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt." - ab.
- 39
- cc) Dass es sich bei den ergänzenden Worten "in Textform" in der Nachbelehrung der Beklagten um einen Zusatz handelt, den der Verordnungsgeber mehrere Jahre später an der betreffenden Stelle selbst aufgenommen hat, ist in diesem Zusammenhang ebenso unerheblich wie der Umstand, dass mit dem streitgegenständlichen Darlehen nicht die Überlassung einer Sache, sondern der Erwerb von Fondsanteilen finanziert wurde. Ohne Belang ist auch, ob es sich bei dem von den Klägern aufgenommenen Darlehen um ein verbundenes Geschäft handelt, bei dessen Nichtvorliegen der Gestaltungshinweis (8) der Musterbelehrung in ihrer hier maßgeblichen ursprünglichen Fassung dem Unternehmer anheim gibt, die Hinweise für finanzierte Geschäfte wegzulassen. Entscheidend ist vielmehr allein, dass die Beklagte den vom Verordnungsgeber entworfenen Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Nachbelehrung ersichtlich einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat. Greift der Unternehmer aber in den ihm zur Verfügung gestellten Mustertext selbst ein, kann er sich schon deshalb auf eine etwa mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung nicht berufen. Das muss unabhängig vom konkreten Umfang der von ihm vorgenommenen Änderungen gelten, zumal sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll.
- 40
- dd) An die - unzutreffende - Auffassung des Berufungsgerichts sowie der Revision, die Nachbelehrung der Beklagten entspreche vollständig der Musterbelehrung , ist der erkennende Senat nicht gebunden. Ob zwischen der in einem Streitfall vom Unternehmer dem Verbraucher konkret erteilten Widerrufsbelehrung und der Musterbelehrung nach der BGB-Informationspflichten-Verordnung in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung eine vollständige inhaltliche und äußere Übereinstimmung besteht, an die die Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 BGBInfoV anknüpft, ist eine (Rechts-)Frage, bei deren Beantwortung - entsprechend den allgemeinen Grundsätzen zur Revisibilität der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl. nur BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919, 2921) - der Revisionsrichter an das tatrichterliche Verständnis nicht gebunden ist und deren Beantwortung ihm durch einen Vergleich der jeweiligen Belehrungen ohne weiteres selbst möglich ist.
- 41
- 4. Da die Kläger ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung hiernach wirksam widerrufen haben, hat ihr Klagebegehren schon aus diesem Grunde Erfolg, ohne dass es auf das weitere Klagevorbringen zu etwaigen Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ankommt.
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 14.12.2009 - 2 O 1780/08 -
OLG Jena, Entscheidung vom 28.09.2010 - 5 U 57/10 -
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.05.2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az.: 12 O 483/12) abgeändert.
Die Beklagten bleiben als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 24.677,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 54 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 46 %, von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 56% und die Beklagten als Gesamtschuldner 44%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite zuvor ihrerseits in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Ansprüche aus einem Darlehensvertrag geltend.
4Mit Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nahmen die Beklagten bei der Klägerin ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 45.660,00 Euro auf. Die Laufzeit des Darlehens betrug 84 Monate, der Zinssatz 12,45 % p.a. und der effektive Jahreszins 14,3 %. Die Klägerin schloss vereinbarungsgemäß für die Beklagten als versicherte Personen bei der M Lebensversicherung eine Restschuldversicherung auf den Todesfall ab. Die Versicherungsprämie betrug einmalig 10.454,86 Euro und wurde von den Beklagten mit o.g. Darlehen mitfinanziert. Die Klägerin zahlte diesen Betrag direkt an die Versicherung aus.
5Aufgrund eines weiteren Barbedarfs wandten sich die Beklagten im Jahr 2008 erneut an die Klägerin, die ihnen eine Aufstockung des bereits laufenden Darlehens anbot. Die Parteien schlossen am 07.10.2008 einen Kreditvertrag über ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 67.450 Euro und einer Laufzeit von 84 Monaten zu einem Zinssatz von 11,22 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 12,90 %. Ein Teilbetrag in Höhe von 43.862,90 Euro diente dabei der Ablösung des Darlehens vom 06.07.2007. Ein weiterer Betrag in Höhe von 3.242,60 Euro wurde den Beklagten ausgezahlt. Der Restbetrag in Höhe von 20.914,91 Euro wurde als Versicherungsbeitrag an die M2 Lebensversicherungs-Gesellschaft überwiesen, bei der die Klägerin für die Beklagten als versicherte Personen erneut vereinbarungsgemäß einen entsprechenden Restschuldversicherungsvertrag für den Todesfall abschloss.
6Beide Kreditverträge enthielten eine Widerrufbelehrung, die nicht auf die Folgen des Widerrufs eines verbundenen Geschäfts hinwies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kreditverträge (Anlage K 1 - Bl. 4 d.A. und A 1 Bl. 25 d.A.) Bezug genommen.
7Mit Schreiben vom 30.06.2009 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrags vom 07.10.2008 sowie des entsprechenden Restschuldversicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung und widerriefen die Verträge vorsorglich. Mit Schreiben vom 18.01.2012 (Anlage 4, Bl. 39 d.A.) erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin, dass bei der Berechnungen des klägerischen Anspruchs auch die Kosten der Restschuldversicherung aus dem Jahr 2007 einzubeziehen seien.
8Die Klägerin macht mit der Klage einen Anspruch auf Rückzahlung des Nettodarlehensbetrags aus dem Darlehen vom 07.10.2008 nebst Zinsen abzüglich gezahlter Raten sowie einen anteiligen Versicherungsbeitrag geltend. Sie hat behauptet, der marktübliche effektive Zinssatz der Deutschen Bundesbank habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 8,70 % betragen.
9Die Klägerin hat beantragt,
10die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 53.302,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2011 zu zahlen.
11Die Beklagten haben beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie sind der Ansicht, der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da unter Berücksichtigung der Kosten für die Restschuldversicherung ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Vertragszins und dem marktüblichen Effektivzins bestehe. Dazu haben sie behauptet, die Klägerin habe im Jahr 2008 auf einer „Aufstockung“ des alten Kreditvertrages bestanden und durch ihren zuständigen Mitarbeiter im Hinblick auf beide Darlehensverträge jeweils erklärt, der Abschluss der Restschuldversicherung sei für den Abschluss des Darlehensvertrages zwingend. Sie, die Beklagten, seien zudem nicht über die Kosten des Vertrages aufgeklärt worden.
14Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
15Das Landgericht hat die Beklagten in Höhe von 43.747,28 Euro nebst Zinsen zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, der Darlehensvertrag vom 07.10.2008 sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Da es sich bei dem Kreditvertrag und dem Restschuldversicherungsvertrag aber um verbundene Geschäfte handele, und die Widerrufbelehrung insoweit nicht vollständig gewesen sei, sei der Vertrag wirksam widerrufen worden. Infolgedessen hätten die Beklagten an die Klägerin den Nettokreditbetrag - soweit er nicht zur Finanzierung des Versicherungsvertrages diente - nebst Verzinsung zu einem marktüblichen Zins (8,70%), zurückzuzahlen sowie Wertersatz für den Versicherungsschutz für die Zeit bis zum Widerruf zu leisten. Im Wege der Verrechnung seien hiervon die von den Beklagten geleisteten Ratenzahlungen zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.
16Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie rügen, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrags die Kosten der Restschuldversicherung nicht berücksichtigt habe. Zudem habe das Landgericht bei der Berechnung der Rückabwicklungsansprüche aus dem widerrufenen Darlehen nicht die Kosten der Restschuldversicherung für das Darlehen aus dem Jahr 2007 einbezogen. Die Beklagten erklären den Widerruf des Darlehensvertrags aus dem Jahr 2007.
17Die Beklagten beantragen,
18unter Abänderung des Urteils des LG Dortmund vom 23.05.2013 (Az. 12 O 483/12) die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Sie meint, ein etwaiger Widerruf des Vertrages aus dem Jahr 2007 sei rechtsmissbräuchlich und ein etwaiges Widerrufsrecht verwirkt.
22Wegen des weiteren Vortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
23II.
24Die zulässige Berufung der Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in dieser Höhe ein Anspruch aus §§ 346, 347, 357 Abs. 1, 358 BGB zu.
251. Die Beklagten haben sowohl den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 als auch den Darlehensvertrag vom 07.10.2008 gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB wirksam widerrufen.
26a) Den Darlehensvertrag vom 7.10.2008 haben die Beklagten mit Schreiben vom 30.6.2009 ausdrücklich widerrufen. Ein Widerruf des Darlehensvertrages vom 06.07.2007 ist konkludent mit Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2012 und dem - als Anlage 4 zu diesem Schriftsatz vorlegten - Schreiben der Beklagten vom 18.01.2012 erfolgt. Die Beklagten geben in den genannten Schriftsätzen zu erkennen, dass sie eine Rückabwicklung beider Darlehensverträge wünschen, indem sie geltend machen, dass auch die Kosten für die Restkreditversicherung des Vorläuferdarlehens aus dem Jahr 2007 bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen seien. Aus dieser Äußerung ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Beklagten auch den ersten Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nicht mehr gegen sich geltend lassen wollen.
27Die erklärten Widerrufe sind nicht verfristet. Die Widerrufsfrist wurde jeweils nicht in Lauf gesetzt, weil die Widerrufsbelehrung beider Darlehensverträge nicht ordnungsgemäß war. Es fehlte in beiden Fällen der nach § 358 Abs. 5 BGB erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs für die mit den Darlehensverträgen verbundenen Restschuldversicherungsverträge. Dass der jeweilige Darlehensvertrag und der Restschuldversicherungsvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 1 BGB sind, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit Bezug genommen (vgl. hierzu auch BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09).
28Hieran vermag auch die von der Klägerin als Verwenderin der Vertragsformulare gewählte Konstruktion nichts zu ändern, wonach die Beklagten nicht Versicherungsnehmer im Verhältnis zur jeweiligen Versicherung wurden, sondern nur versicherte Personen. Die Interessenlage wird hierdurch in keiner Weise anders, als dies bei der klassischen Vertragskonstruktion der Fall ist. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der gewählten Konstruktion um eine unzulässige Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften handelt, oder um ein Auftragsverhältnis, innerhalb dessen die Klägerin den Versicherungsvertrag als einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich der Beklagten, abgeschlossen hat. In letzterem Fall wäre der Auftrag vom Widerruf erfasst, mit der Folge, dass der Versicherungsvertrag von der Klägerin ohne Auftrag für die Beklagten abgeschlossen wurde. Die Klägerin kann auch dann nicht die Versicherungsprämie verlangen
29Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Klägerin meint – das Widerrufsrecht im Hinblick auf den Vertrag vom 06.07.2007 verwirkt ist oder der Widerruf rechtsmissbräuchlich ist, bestehen nicht. Insbesondere steht dem Widerruf des Vertrags vom 06.07.2007 nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch den Vertrag vom 07.10.2008 abgelöst wurde. Ist eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt, so wird die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Widerruf kann daher – unbefristet – erfolgen. Dies sogar dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde auch dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. auch OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
30b) Gemäß §§ 357 Abs. 1, 358 Abs. 4 BGB hat damit die Rückabwicklung beider Darlehensverträge nach den §§ 346 ff. BGB zu erfolgen. Wobei die Klägerin gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 im Verhältnis zu den Beklagten hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten der Versicherungsunternehmen aus den Restschuldversicherungsverträgen eintritt (vgl. BGH Urteil vom 18.1.2011, Az. XI ZR 356 / 09, Rz. 25).
31(1) Die Klägerin kann von den Beklagten daher die Rückzahlung des an die Beklagten aus den beiden Darlehensverträgen insgesamt ausgezahlten Nettokreditbetrags in Höhe von 38.447,74 Euro (35.205,14 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 06.07.2007 zzgl. 3.242,60 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 07.10.2008) verlangen. Davon sind von den Beklagten an die Klägerin geleistete Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 19.885,14 Euro (12.624,30 Euro auf den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 und 7.260,84 Euro auf den Darlehensvertrag vom 07.10.2008) in Abzug zu bringen, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 18.562,60 Euro ergibt.
32(2) Die Klägerin hat zudem gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Nutzungsersatz für das jeweils zur Verfügung gestellte Kapital in Höhe der marktüblichen Zinsen. Auf die Vorschrift des § 358 Abs. 4 S. 2 BGB können sich die Beklagten insoweit, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht berufen, da der an die Beklagten ausgezahlte Darlehensbetrag nicht zur Finanzierung der Restschuldversicherung diente. Nur insoweit muss sich aber die Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten so behandeln lassen, als wäre auch das verbundene Geschäft widerrufen worden.
33Die Beklagten schulden daher - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes von 8,92 % - für das Darlehen vom 06.07.2007 für die Zeit 06.07.2007 bis zur Umschuldung am 07.10.2008 Zinsen in Höhe von insgesamt 2.534,22 Euro.
34Für das Darlehen vom 07.10.2008 stehen der Klägerin - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes in Höhe von 8,70 % - für die Zeit ab dem 07.10.2008 bis zum erfolgten Widerruf am 30.09.2009 Zinsen in Höhe von insgesamt 1.587,36 Euro zu.
35(3) Schließlich kann die Klägerin Wertersatz für den Versicherungsschutz jeweils für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf am 30.09.2009 verlangen, § 346 Abs. 2 BGB. Zwar gelten die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt gemäß § 346 ff. BGB nach §§ 358 Abs. 4 S. 1 357 Abs. 1 S. 1 BGB nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH beurteilen sich daher die Rechtsfolgen, die sich aus einem Widerruf des Darlehensvertrags für den Restschuldvertrag als verbundenes Geschäft ergeben, auch nach dem VVG (§§ 8, 9 VVG in der Fassung vom 01.01.2008 bzw. §§ 8, 48c VVG a.F. - vgl. BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09 Rz. 15). Dies führt vorliegend indes bereits deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil die Beklagten den Restschuldversicherungsvertrag gerade nicht nach dem VVG gegenüber dieser widerrufen haben.
36Durch die Restschuldversicherung waren die Zahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Darlehensvertrag abgesichert, so dass die Beklagten für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf Versicherungsschutz und damit einen Vermögensvorteil erlangt haben (vgl. BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81 Rz. 1 a), dessen Wert sie nach § 346 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB zu ersetzen haben. Der Senat legt der Berechnung des Werts dieses Vermögensvorteils die vertraglich vereinbarte Versicherungsprämie, anteilig für den Zeitraum der tatsächlichen Vertragslaufzeit, zugrunde. Bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 10.454,86 Euro für eine Laufzeit von 84 Monaten bezüglich der Versicherung der Restschuld aus dem Darlehen vom 06.07.2007 ergibt sich ein monatlicher Betrag in Höhe von 124,46 Euro. Für die Zeit vom 06.07.2007 bis zur Ablösung des Darlehens am 07.10.2008 (15 Monate) sind damit anteilig 1.866,90 Euro anzusetzen. Für den zweiten Vertrag vom 07.10.2008 ergibt sich bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 20.334,50 Euro für 84 Monate (d.h. 242,08 Euro/Monat) für die Zeit bis zum Widerruf am 30.06.2009 (8,75 Monate) ein anteiliger Wert von 2.119,25 Euro.
37Da aber auch die Klägerin durch die Restschuldversicherung aufgrund der damit verbundenen Absicherung ihrer Ansprüche gegen die Beklagten einen Vermögensvorteil erlangt hat, der in etwa dem der Beklagten als Darlehensnehmer entspricht, erscheint es dem Senat angemessen, bei der Rückabwicklung der Darlehensverträge den zu ersetzenden Vermögensvorteil der Beklagten auf die Hälfte der Restschuldversicherungsprämie zu begrenzen (vgl. dazu BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81). Der Klägerin steht daher insgesamt Wertersatz in Höhe von 1.993,08 Euro für die Restschuldversicherung zu.
38Nach Saldierung der wechselseitigen Rückabwicklungsansprüche beträgt der der Klägerin gemäß §§ 358 Abs. 4, 357, 346, 347 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zustehenden Rückzahlungsanspruch insgesamt 24.677,26 Euro.
392. a) Eine abweichende Beurteilung insbesondere des Zinsanspruchs der Klägerin folgt nicht daraus, dass der Vertrag aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen gemäß § 138 BGB nichtig wäre. Es liegen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen vor. Zutreffend stellt das Landgericht hierzu fest, dass der vereinbarte Zinssatz den marktüblichen nicht um 100% überschreitet. Die Kosten für die Restschuldversicherung haben insoweit unberücksichtigt zu bleiben. Die Kosten der Restschuldversicherung könnten nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Bank die Gewährung des Darlehens von dem Abschluss der Restschuldversicherung abhängig gemacht hätte. Dies steht vorliegend aber nicht fest, da die Beklagten für ihre entsprechende Behauptung beweisfällig geblieben sind. Im Übrigen müssten dann aber auch entsprechende Vergleichsparameter herangezogen werden.
40b) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Restschuldversicherungsprämie selbst sittenwidrig überteuert und daher ggf. auch der Darlehensvertrag nach § 139 BGB nichtig ist, sind nicht vorgetragen. Es fehlt insbesondere an der Vergleichbarkeit der von den Beklagten zum Beleg für die Überteuerung herangezogenen Versicherungen. Soweit die Beklagten vortragen, unter Zugrundelegung des Nettokreditbetrages des Darlehens vom 7.10.2008 sowie der Laufzeit von 84 Monaten habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits für 55 Euro monatlich eine Restschuldversicherung abgeschlossen werden können, ist dies schon deshalb nicht mit der abgeschlossenen Versicherung vergleichbar, weil damit nicht der Gesamtbetrag des Darlehens versichert wäre. Auch bleibt auf entsprechenden Hinweis der Klägerin offen, ob eine Versicherung zu dem von den Beklagten angegebenen Preis auch unter Berücksichtigung der Tatsache hätte abgeschlossen werden können, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bereits über 60 Jahre alt war.
41Soweit die Beklagten behaupten, für eine Kapitallebensversicherung wären selbst bei ungünstigen Voraussetzungen nur Kosten in Höhe von 9.000 Euro entstanden stellt dies für die Gegenüberstellung mit der im Streitfall zu beurteilenden Restschuldversicherung keine taugliche Vergleichsgrundlage dar, da die beiden Versicherungsarten sich auf vielfältige Weise voneinander unterscheiden; insbesondere nach Maßgabe ihrer jeweiligen Risikoabdeckung, altersbezogener Prämienstrukturen, zu erwartende Rückerstattungsverluste bei vorzeitigen Vertragsbeendigung und möglicher Steuervorteile (vergleiche BGH Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 220/10, Rz. 25).
42Zudem steht aber vor allem nicht fest, dass nach dem Parteiwillen zur Zeit des Darlehensabschlusses das Darlehen und die Restschuldversicherung im Sinne des § 139 BGB miteinander stehen und fallen sollten. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten sind für diese Behauptung ebenfalls beweisfällig geblieben.
433. Der streitgegenständliche Kreditvertrag ist nicht gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB nichtig. Die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Unabhängig vom Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin über die Freiwilligkeit des Abschlusses einer Restschuldversicherung und die Angemessenheit der Konditionen fehlt es an Vortrag zum darauf bezogenen Vorsatz der Klägerin.
444. Die Beklagten können der Klägerin schließlich auch keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH war die Klägerin nicht verpflichtet, die Beklagten über etwaige Innenprovisionen und/oder etwa von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aufzuklären. Eine entsprechende Aufklärungspflicht gilt nach der Rechtsprechung des BGH nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank (BGH Urteil vom 29.11.2011 Az. XI ZR 220/ 10 Rz. 39). Die Kosten für die Versicherung, über deren Abschluss auch nach dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich gesprochen wurde, ergeben sich deutlich aus dem Vertrag. Dass die Beklagten diesen ggf. ungelesen unterschrieben, führt nicht zu einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Klägerin.
455. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 und 2 BGB.
466. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10,711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.10.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.999,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2 3A)
4Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte im Hinblick auf die vorzeitige Beendigung der Darlehensverträge mit der Nr. #### und #### ein Anspruch auf Rückzahlung von dem Kläger geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 5.999 € zusteht.
5Wegen des weiteren Tatsachenvortrags einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
7Mit dieser Entscheidung ist der Kläger nicht einverstanden. Fehlerhaft sei die Auffassung des Landgerichts, dass das ihm zustehende Widerrufsrecht verwirkt sei. Für die Beurteilung des Argumentes könne nicht auf den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Darlehensverträge und der Erklärung des Widerrufs abgestellt werden, da die Beklagte den Kläger habe ordnungsgemäß nachbelehren können und müssen. Zudem sei auch das Umstandsmoment nicht gegeben, da die Beklagte die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie ihm keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt habe.
8Der Kläger beantragt,
9das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.999 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2011 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
12Sie verteidigt die angefochtene scheint Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.
13Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Partei nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
14B)
15Die Berufung ist begründet. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 346, 357, 355 Abs. 3 S. 3 BGB Zahlung eines Teilberags von 5.999 € verlangen.
16I. Der Kläger hat die Darlehensverträge vom 07.05.2009 mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2013 wirksam widerrufen. Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB 6 Monate nach Vertragsschluss erloschen, weil der Kläger von der Beklagten nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB). Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entsprochen hat. Insbesondere hätten entsprechend der Nr. 10 der Gestaltungshinweise die allgemeinen Hinweise zu finanzierten Geschäften durch die speziellen Hinweise zu dem finanzierten Erwerb von Grundstücken ersetzt werden müssen. Ebenso hat das Landgericht mit zutreffender Begründung darauf hingewiesen, dass nach dem Gestaltungshinweises Nr. 10 bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks von den für allgemeine finanzierte Geschäfte einschlägigen Hinweisen die Paranthese in Satz 9 sowie die Sätze 11 und 12 zwingend hätten entfernt werden müssen.
17II. Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Weicht nämlich die Widerrufsbelehrung – wie aufgezeigt – teilweise von der Belehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der Fassung vom 01.04.2008 bis zum 03.08.2009 ab, kann sich ein Unternehmer nicht mehr auf die Schutzwirkung des §§ 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV berufen (vgl. BGH NJW 2011, 1061; BGH NJW-RR 2012, 183).
18III. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass das Widerrufsrecht des Klägers durch die im Jahr 2009 erfolgte Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht einem Widerruf des Vertrags nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden ist (vgl. Urteil vom 11.12.2013, 31 U 127/13). Da dem Kläger keine korrekte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist, kann der Widerruf – unbefristet – erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. auch OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
19IV. Die Forderung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 Rz. 39). Außerdem fehlt es an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die ohne weiteres hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigterweise darauf eingerichtet haben will, dass Anleger Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und gegebenenfalls auch dann noch widerrufen, wenn der betreffende Darlehensvertrag zwischenzeitlich einvernehmlich aufgehoben worden ist. Dies gilt erst Recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, den Kläger in wirksamer Form nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, das Widerrufsrecht nicht nach einem bestimmten Zeitraum erlöschen zu lassen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehlt. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung unter Hinweis auf § 242 BGB zu entziehen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 25.01.2012 (13 U 30/11), KG, Urteil vom 16.08.2012 (8 U 101/2012) und OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2014 (14 U 55/13). Diese Entscheidungen beruhen jeweils auf die von den genannten Gerichten getroffen Feststellungen tatsächlicher Art und können daher nicht einschränkungslos auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden (Senat, Hinweisschreiben vom 25.08.2014, 31 U 74/14).
20V. Die begehrten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz kann der Kläger - wie zuletzt beantragt - als Nutzungsersatz nach § 818 I BGB ab dem 05.12.2011 verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anspruch aus § 818 I BGB zwar grundsätzlich auf die Herausgabe der vom Leistungsempfänger tatsächlich gezogenen Zinsen beschränkt. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/123, Juris Rz. 71).
21VI. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
22BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
- 3
- Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
- 7
- Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
- 10
- Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 11
- B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
- 12
- C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
- 13
- I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
- 14
- 1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
- 15
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
- 16
- Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 17
- b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 18
- aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
- 19
- (1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
- 20
- (2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
- 21
- (3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
- 22
- (a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
- 23
- (aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
- 24
- (bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
- 25
- Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
- 26
- Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
- 27
- (b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
- 28
- (aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
- 29
- (bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
- 30
- Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
- 31
- (cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.
- 32
- Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
- 33
- Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
- 34
- Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
- 35
- bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
- 36
- (1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
- 37
- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
- 38
- cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
- 39
- (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
- 40
- (2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
- 41
- 2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
- 42
- a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 43
- Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
- 44
- b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.
- 45
- II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
- 46
- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung durch einen Unternehmer gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen, so ist er auch an seine auf den Abschluss eines mit diesem Vertrag verbundenen Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden.
(2) Hat der Verbraucher seine auf den Abschluss eines Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung auf Grund des § 495 Absatz 1 oder des § 514 Absatz 2 Satz 1 wirksam widerrufen, so ist er auch nicht mehr an diejenige Willenserklärung gebunden, die auf den Abschluss eines mit diesem Darlehensvertrag verbundenen Vertrags über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung gerichtet ist.
(3) Ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder über die Erbringung einer anderen Leistung und ein Darlehensvertrag nach den Absätzen 1 oder 2 sind verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Eine wirtschaftliche Einheit ist insbesondere anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst dem Verbraucher das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt.
(4) Auf die Rückabwicklung des verbundenen Vertrags sind unabhängig von der Vertriebsform § 355 Absatz 3 und, je nach Art des verbundenen Vertrags, die §§ 357 bis 357c entsprechend anzuwenden. Ist der verbundene Vertrag ein Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, hat der Verbraucher abweichend von § 357a Absatz 3 unter den Voraussetzungen des § 356 Absatz 5 Nummer 2 Wertersatz für die bis zum Widerruf gelieferten digitalen Inhalte zu leisten. Ist der verbundene Vertrag ein im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Ratenlieferungsvertrag, sind neben § 355 Absatz 3 auch die §§ 357 und 357a entsprechend anzuwenden; im Übrigen gelten für verbundene Ratenlieferungsverträge § 355 Absatz 3 und § 357d entsprechend. Im Falle des Absatzes 1 sind jedoch Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen. Der Darlehensgeber tritt im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist.
(5) Die Absätze 2 und 4 sind nicht anzuwenden auf Darlehensverträge, die der Finanzierung des Erwerbs von Finanzinstrumenten dienen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.