Oberlandesgericht Hamm Urteil, 25. März 2015 - 31 U 155/14
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.10.2014 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.999,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2 3A)
4Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte im Hinblick auf die vorzeitige Beendigung der Darlehensverträge mit der Nr. #### und #### ein Anspruch auf Rückzahlung von dem Kläger geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung i.H.v. 5.999 € zusteht.
5Wegen des weiteren Tatsachenvortrags einschließlich der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
7Mit dieser Entscheidung ist der Kläger nicht einverstanden. Fehlerhaft sei die Auffassung des Landgerichts, dass das ihm zustehende Widerrufsrecht verwirkt sei. Für die Beurteilung des Argumentes könne nicht auf den Zeitraum zwischen dem Abschluss der Darlehensverträge und der Erklärung des Widerrufs abgestellt werden, da die Beklagte den Kläger habe ordnungsgemäß nachbelehren können und müssen. Zudem sei auch das Umstandsmoment nicht gegeben, da die Beklagte die Situation selbst herbeigeführt habe, indem sie ihm keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt habe.
8Der Kläger beantragt,
9das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Essen abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.999 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2011 zu zahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
12Sie verteidigt die angefochtene scheint Entscheidung und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Sachvortrag.
13Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Partei nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
14B)
15Die Berufung ist begründet. Die Klage ist begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 346, 357, 355 Abs. 3 S. 3 BGB Zahlung eines Teilberags von 5.999 € verlangen.
16I. Der Kläger hat die Darlehensverträge vom 07.05.2009 mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 05.11.2013 wirksam widerrufen. Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB 6 Monate nach Vertragsschluss erloschen, weil der Kläger von der Beklagten nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist (§ 355 Abs. 3 S. 3 BGB). Mit zutreffender Begründung hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung nicht dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV entsprochen hat. Insbesondere hätten entsprechend der Nr. 10 der Gestaltungshinweise die allgemeinen Hinweise zu finanzierten Geschäften durch die speziellen Hinweise zu dem finanzierten Erwerb von Grundstücken ersetzt werden müssen. Ebenso hat das Landgericht mit zutreffender Begründung darauf hingewiesen, dass nach dem Gestaltungshinweises Nr. 10 bei dem finanzierten Erwerb eines Grundstücks von den für allgemeine finanzierte Geschäfte einschlägigen Hinweisen die Paranthese in Satz 9 sowie die Sätze 11 und 12 zwingend hätten entfernt werden müssen.
17II. Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen. Weicht nämlich die Widerrufsbelehrung – wie aufgezeigt – teilweise von der Belehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in der Fassung vom 01.04.2008 bis zum 03.08.2009 ab, kann sich ein Unternehmer nicht mehr auf die Schutzwirkung des §§ 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV berufen (vgl. BGH NJW 2011, 1061; BGH NJW-RR 2012, 183).
18III. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass das Widerrufsrecht des Klägers durch die im Jahr 2009 erfolgte Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats steht einem Widerruf des Vertrags nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch einen weiteren Vertrag abgelöst worden ist (vgl. Urteil vom 11.12.2013, 31 U 127/13). Da dem Kläger keine korrekte Widerrufsbelehrung erteilt worden ist, kann der Widerruf – unbefristet – erfolgen. Dies gilt selbst dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. auch OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
19IV. Die Forderung des Klägers ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verwirkt. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2014, IV ZR 76/11 Rz. 39). Außerdem fehlt es an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die ohne weiteres hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigterweise darauf eingerichtet haben will, dass Anleger Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und gegebenenfalls auch dann noch widerrufen, wenn der betreffende Darlehensvertrag zwischenzeitlich einvernehmlich aufgehoben worden ist. Dies gilt erst Recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, den Kläger in wirksamer Form nachzubelehren (§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F.). Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, das Widerrufsrecht nicht nach einem bestimmten Zeitraum erlöschen zu lassen, wenn es an einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung fehlt. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung unter Hinweis auf § 242 BGB zu entziehen. Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln vom 25.01.2012 (13 U 30/11), KG, Urteil vom 16.08.2012 (8 U 101/2012) und OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2014 (14 U 55/13). Diese Entscheidungen beruhen jeweils auf die von den genannten Gerichten getroffen Feststellungen tatsächlicher Art und können daher nicht einschränkungslos auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden (Senat, Hinweisschreiben vom 25.08.2014, 31 U 74/14).
20V. Die begehrten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz kann der Kläger - wie zuletzt beantragt - als Nutzungsersatz nach § 818 I BGB ab dem 05.12.2011 verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Anspruch aus § 818 I BGB zwar grundsätzlich auf die Herausgabe der vom Leistungsempfänger tatsächlich gezogenen Zinsen beschränkt. Bei Zahlungen an eine Bank besteht aber eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat, die sie als Nutzungsersatz herausgeben muss (vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, XI ZR 348/123, Juris Rz. 71).
21VI. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Ziffer 10, 711, 713 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des §§ 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Die empfangenen Leistungen sind spätestens nach 14 Tagen zurückzugewähren.
(2) Der Unternehmer muss auch etwaige Zahlungen des Verbrauchers für die Lieferung zurückgewähren. Dies gilt nicht, soweit dem Verbraucher zusätzliche Kosten entstanden sind, weil er sich für eine andere Art der Lieferung als die vom Unternehmer angebotene günstigste Standardlieferung entschieden hat.
(3) Für die Rückzahlung muss der Unternehmer dasselbe Zahlungsmittel verwenden, das der Verbraucher bei der Zahlung verwendet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn ausdrücklich etwas anderes vereinbart worden ist und dem Verbraucher dadurch keine Kosten entstehen.
(4) Bei einem Verbrauchsgüterkauf kann der Unternehmer die Rückzahlung verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat. Dies gilt nicht, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(5) Der Verbraucher trägt die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche von dieser Pflicht unterrichtet hat. Satz 1 gilt nicht, wenn der Unternehmer sich bereit erklärt hat, diese Kosten zu tragen.
(6) Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die Waren zurückzusenden, wenn der Unternehmer angeboten hat, die Waren abzuholen.
(7) Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
(8) Für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte gilt ferner § 327p entsprechend.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23.05.2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az.: 12 O 483/12) abgeändert.
Die Beklagten bleiben als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 24.677,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 54 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 46 %, von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin 56% und die Beklagten als Gesamtschuldner 44%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite zuvor ihrerseits in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.
3Die Klägerin macht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner Ansprüche aus einem Darlehensvertrag geltend.
4Mit Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nahmen die Beklagten bei der Klägerin ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 45.660,00 Euro auf. Die Laufzeit des Darlehens betrug 84 Monate, der Zinssatz 12,45 % p.a. und der effektive Jahreszins 14,3 %. Die Klägerin schloss vereinbarungsgemäß für die Beklagten als versicherte Personen bei der M Lebensversicherung eine Restschuldversicherung auf den Todesfall ab. Die Versicherungsprämie betrug einmalig 10.454,86 Euro und wurde von den Beklagten mit o.g. Darlehen mitfinanziert. Die Klägerin zahlte diesen Betrag direkt an die Versicherung aus.
5Aufgrund eines weiteren Barbedarfs wandten sich die Beklagten im Jahr 2008 erneut an die Klägerin, die ihnen eine Aufstockung des bereits laufenden Darlehens anbot. Die Parteien schlossen am 07.10.2008 einen Kreditvertrag über ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 67.450 Euro und einer Laufzeit von 84 Monaten zu einem Zinssatz von 11,22 % p.a. und einem effektiven Jahreszins von 12,90 %. Ein Teilbetrag in Höhe von 43.862,90 Euro diente dabei der Ablösung des Darlehens vom 06.07.2007. Ein weiterer Betrag in Höhe von 3.242,60 Euro wurde den Beklagten ausgezahlt. Der Restbetrag in Höhe von 20.914,91 Euro wurde als Versicherungsbeitrag an die M2 Lebensversicherungs-Gesellschaft überwiesen, bei der die Klägerin für die Beklagten als versicherte Personen erneut vereinbarungsgemäß einen entsprechenden Restschuldversicherungsvertrag für den Todesfall abschloss.
6Beide Kreditverträge enthielten eine Widerrufbelehrung, die nicht auf die Folgen des Widerrufs eines verbundenen Geschäfts hinwies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Kreditverträge (Anlage K 1 - Bl. 4 d.A. und A 1 Bl. 25 d.A.) Bezug genommen.
7Mit Schreiben vom 30.06.2009 erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin die Anfechtung des Darlehensvertrags vom 07.10.2008 sowie des entsprechenden Restschuldversicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung und widerriefen die Verträge vorsorglich. Mit Schreiben vom 18.01.2012 (Anlage 4, Bl. 39 d.A.) erklärten die Beklagten gegenüber der Klägerin, dass bei der Berechnungen des klägerischen Anspruchs auch die Kosten der Restschuldversicherung aus dem Jahr 2007 einzubeziehen seien.
8Die Klägerin macht mit der Klage einen Anspruch auf Rückzahlung des Nettodarlehensbetrags aus dem Darlehen vom 07.10.2008 nebst Zinsen abzüglich gezahlter Raten sowie einen anteiligen Versicherungsbeitrag geltend. Sie hat behauptet, der marktübliche effektive Zinssatz der Deutschen Bundesbank habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 8,70 % betragen.
9Die Klägerin hat beantragt,
10die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 53.302,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.07.2011 zu zahlen.
11Die Beklagten haben beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie sind der Ansicht, der Vertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da unter Berücksichtigung der Kosten für die Restschuldversicherung ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem Vertragszins und dem marktüblichen Effektivzins bestehe. Dazu haben sie behauptet, die Klägerin habe im Jahr 2008 auf einer „Aufstockung“ des alten Kreditvertrages bestanden und durch ihren zuständigen Mitarbeiter im Hinblick auf beide Darlehensverträge jeweils erklärt, der Abschluss der Restschuldversicherung sei für den Abschluss des Darlehensvertrages zwingend. Sie, die Beklagten, seien zudem nicht über die Kosten des Vertrages aufgeklärt worden.
14Wegen des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.
15Das Landgericht hat die Beklagten in Höhe von 43.747,28 Euro nebst Zinsen zur Zahlung verurteilt. Zur Begründung führt das Landgericht im Wesentlichen aus, der Darlehensvertrag vom 07.10.2008 sei nicht wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Da es sich bei dem Kreditvertrag und dem Restschuldversicherungsvertrag aber um verbundene Geschäfte handele, und die Widerrufbelehrung insoweit nicht vollständig gewesen sei, sei der Vertrag wirksam widerrufen worden. Infolgedessen hätten die Beklagten an die Klägerin den Nettokreditbetrag - soweit er nicht zur Finanzierung des Versicherungsvertrages diente - nebst Verzinsung zu einem marktüblichen Zins (8,70%), zurückzuzahlen sowie Wertersatz für den Versicherungsschutz für die Zeit bis zum Widerruf zu leisten. Im Wege der Verrechnung seien hiervon die von den Beklagten geleisteten Ratenzahlungen zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.
16Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie rügen, dass das Landgericht bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit des Vertrags die Kosten der Restschuldversicherung nicht berücksichtigt habe. Zudem habe das Landgericht bei der Berechnung der Rückabwicklungsansprüche aus dem widerrufenen Darlehen nicht die Kosten der Restschuldversicherung für das Darlehen aus dem Jahr 2007 einbezogen. Die Beklagten erklären den Widerruf des Darlehensvertrags aus dem Jahr 2007.
17Die Beklagten beantragen,
18unter Abänderung des Urteils des LG Dortmund vom 23.05.2013 (Az. 12 O 483/12) die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vortrags. Sie meint, ein etwaiger Widerruf des Vertrages aus dem Jahr 2007 sei rechtsmissbräuchlich und ein etwaiges Widerrufsrecht verwirkt.
22Wegen des weiteren Vortrags der Parteien nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
23II.
24Die zulässige Berufung der Beklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in dieser Höhe ein Anspruch aus §§ 346, 347, 357 Abs. 1, 358 BGB zu.
251. Die Beklagten haben sowohl den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 als auch den Darlehensvertrag vom 07.10.2008 gemäß §§ 495 Abs. 1, 355 BGB wirksam widerrufen.
26a) Den Darlehensvertrag vom 7.10.2008 haben die Beklagten mit Schreiben vom 30.6.2009 ausdrücklich widerrufen. Ein Widerruf des Darlehensvertrages vom 06.07.2007 ist konkludent mit Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2012 und dem - als Anlage 4 zu diesem Schriftsatz vorlegten - Schreiben der Beklagten vom 18.01.2012 erfolgt. Die Beklagten geben in den genannten Schriftsätzen zu erkennen, dass sie eine Rückabwicklung beider Darlehensverträge wünschen, indem sie geltend machen, dass auch die Kosten für die Restkreditversicherung des Vorläuferdarlehens aus dem Jahr 2007 bei der Rückabwicklung zu berücksichtigen seien. Aus dieser Äußerung ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Beklagten auch den ersten Darlehensvertrag vom 06.07.2007 nicht mehr gegen sich geltend lassen wollen.
27Die erklärten Widerrufe sind nicht verfristet. Die Widerrufsfrist wurde jeweils nicht in Lauf gesetzt, weil die Widerrufsbelehrung beider Darlehensverträge nicht ordnungsgemäß war. Es fehlte in beiden Fällen der nach § 358 Abs. 5 BGB erforderliche Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs für die mit den Darlehensverträgen verbundenen Restschuldversicherungsverträge. Dass der jeweilige Darlehensvertrag und der Restschuldversicherungsvertrag verbundene Verträge im Sinne des § 358 Abs. 1 BGB sind, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit Bezug genommen (vgl. hierzu auch BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09).
28Hieran vermag auch die von der Klägerin als Verwenderin der Vertragsformulare gewählte Konstruktion nichts zu ändern, wonach die Beklagten nicht Versicherungsnehmer im Verhältnis zur jeweiligen Versicherung wurden, sondern nur versicherte Personen. Die Interessenlage wird hierdurch in keiner Weise anders, als dies bei der klassischen Vertragskonstruktion der Fall ist. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der gewählten Konstruktion um eine unzulässige Umgehung der Verbraucherschutzvorschriften handelt, oder um ein Auftragsverhältnis, innerhalb dessen die Klägerin den Versicherungsvertrag als einen echten Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich der Beklagten, abgeschlossen hat. In letzterem Fall wäre der Auftrag vom Widerruf erfasst, mit der Folge, dass der Versicherungsvertrag von der Klägerin ohne Auftrag für die Beklagten abgeschlossen wurde. Die Klägerin kann auch dann nicht die Versicherungsprämie verlangen
29Anhaltspunkte dafür, dass – wie die Klägerin meint – das Widerrufsrecht im Hinblick auf den Vertrag vom 06.07.2007 verwirkt ist oder der Widerruf rechtsmissbräuchlich ist, bestehen nicht. Insbesondere steht dem Widerruf des Vertrags vom 06.07.2007 nicht entgegen, dass dieser Vertrag durch den Vertrag vom 07.10.2008 abgelöst wurde. Ist eine Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erteilt, so wird die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Widerruf kann daher – unbefristet – erfolgen. Dies sogar dann, wenn der Vertrag vollständig erfüllt ist. Die gegenteilige Ansicht würde auch dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht (vgl. auch OLG Zweibrücken Beschluss vom 10.5.2012 Az. 7 U 84/09).
30b) Gemäß §§ 357 Abs. 1, 358 Abs. 4 BGB hat damit die Rückabwicklung beider Darlehensverträge nach den §§ 346 ff. BGB zu erfolgen. Wobei die Klägerin gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 im Verhältnis zu den Beklagten hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten der Versicherungsunternehmen aus den Restschuldversicherungsverträgen eintritt (vgl. BGH Urteil vom 18.1.2011, Az. XI ZR 356 / 09, Rz. 25).
31(1) Die Klägerin kann von den Beklagten daher die Rückzahlung des an die Beklagten aus den beiden Darlehensverträgen insgesamt ausgezahlten Nettokreditbetrags in Höhe von 38.447,74 Euro (35.205,14 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 06.07.2007 zzgl. 3.242,60 Euro aus dem Darlehensvertrag vom 07.10.2008) verlangen. Davon sind von den Beklagten an die Klägerin geleistete Ratenzahlungen in Höhe von insgesamt 19.885,14 Euro (12.624,30 Euro auf den Darlehensvertrag vom 06.07.2007 und 7.260,84 Euro auf den Darlehensvertrag vom 07.10.2008) in Abzug zu bringen, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 18.562,60 Euro ergibt.
32(2) Die Klägerin hat zudem gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 BGB einen Anspruch auf Nutzungsersatz für das jeweils zur Verfügung gestellte Kapital in Höhe der marktüblichen Zinsen. Auf die Vorschrift des § 358 Abs. 4 S. 2 BGB können sich die Beklagten insoweit, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht berufen, da der an die Beklagten ausgezahlte Darlehensbetrag nicht zur Finanzierung der Restschuldversicherung diente. Nur insoweit muss sich aber die Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten so behandeln lassen, als wäre auch das verbundene Geschäft widerrufen worden.
33Die Beklagten schulden daher - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes von 8,92 % - für das Darlehen vom 06.07.2007 für die Zeit 06.07.2007 bis zur Umschuldung am 07.10.2008 Zinsen in Höhe von insgesamt 2.534,22 Euro.
34Für das Darlehen vom 07.10.2008 stehen der Klägerin - unter Zugrundelegung eines marktüblichen Zinssatzes in Höhe von 8,70 % - für die Zeit ab dem 07.10.2008 bis zum erfolgten Widerruf am 30.09.2009 Zinsen in Höhe von insgesamt 1.587,36 Euro zu.
35(3) Schließlich kann die Klägerin Wertersatz für den Versicherungsschutz jeweils für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf am 30.09.2009 verlangen, § 346 Abs. 2 BGB. Zwar gelten die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt gemäß § 346 ff. BGB nach §§ 358 Abs. 4 S. 1 357 Abs. 1 S. 1 BGB nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH beurteilen sich daher die Rechtsfolgen, die sich aus einem Widerruf des Darlehensvertrags für den Restschuldvertrag als verbundenes Geschäft ergeben, auch nach dem VVG (§§ 8, 9 VVG in der Fassung vom 01.01.2008 bzw. §§ 8, 48c VVG a.F. - vgl. BGH Urteil v. 15.12.2009, Az.: XI ZR 45/09 Rz. 15). Dies führt vorliegend indes bereits deshalb nicht zu einer abweichenden Beurteilung, weil die Beklagten den Restschuldversicherungsvertrag gerade nicht nach dem VVG gegenüber dieser widerrufen haben.
36Durch die Restschuldversicherung waren die Zahlungsverpflichtungen der Beklagten aus dem Darlehensvertrag abgesichert, so dass die Beklagten für die Zeit von Vertragsbeginn bis zur Umschuldung bzw. bis zum Widerruf Versicherungsschutz und damit einen Vermögensvorteil erlangt haben (vgl. BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81 Rz. 1 a), dessen Wert sie nach § 346 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB zu ersetzen haben. Der Senat legt der Berechnung des Werts dieses Vermögensvorteils die vertraglich vereinbarte Versicherungsprämie, anteilig für den Zeitraum der tatsächlichen Vertragslaufzeit, zugrunde. Bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 10.454,86 Euro für eine Laufzeit von 84 Monaten bezüglich der Versicherung der Restschuld aus dem Darlehen vom 06.07.2007 ergibt sich ein monatlicher Betrag in Höhe von 124,46 Euro. Für die Zeit vom 06.07.2007 bis zur Ablösung des Darlehens am 07.10.2008 (15 Monate) sind damit anteilig 1.866,90 Euro anzusetzen. Für den zweiten Vertrag vom 07.10.2008 ergibt sich bei einer Versicherungsprämie in Höhe von 20.334,50 Euro für 84 Monate (d.h. 242,08 Euro/Monat) für die Zeit bis zum Widerruf am 30.06.2009 (8,75 Monate) ein anteiliger Wert von 2.119,25 Euro.
37Da aber auch die Klägerin durch die Restschuldversicherung aufgrund der damit verbundenen Absicherung ihrer Ansprüche gegen die Beklagten einen Vermögensvorteil erlangt hat, der in etwa dem der Beklagten als Darlehensnehmer entspricht, erscheint es dem Senat angemessen, bei der Rückabwicklung der Darlehensverträge den zu ersetzenden Vermögensvorteil der Beklagten auf die Hälfte der Restschuldversicherungsprämie zu begrenzen (vgl. dazu BGH Urteil v. 02.12.1982, Az.: III ZR 90/81). Der Klägerin steht daher insgesamt Wertersatz in Höhe von 1.993,08 Euro für die Restschuldversicherung zu.
38Nach Saldierung der wechselseitigen Rückabwicklungsansprüche beträgt der der Klägerin gemäß §§ 358 Abs. 4, 357, 346, 347 BGB gegen die Beklagten als Gesamtschuldner zustehenden Rückzahlungsanspruch insgesamt 24.677,26 Euro.
392. a) Eine abweichende Beurteilung insbesondere des Zinsanspruchs der Klägerin folgt nicht daraus, dass der Vertrag aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen gemäß § 138 BGB nichtig wäre. Es liegen insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung aufgrund sittenwidrig überhöhter Zinsen vor. Zutreffend stellt das Landgericht hierzu fest, dass der vereinbarte Zinssatz den marktüblichen nicht um 100% überschreitet. Die Kosten für die Restschuldversicherung haben insoweit unberücksichtigt zu bleiben. Die Kosten der Restschuldversicherung könnten nur dann Berücksichtigung finden, wenn die Bank die Gewährung des Darlehens von dem Abschluss der Restschuldversicherung abhängig gemacht hätte. Dies steht vorliegend aber nicht fest, da die Beklagten für ihre entsprechende Behauptung beweisfällig geblieben sind. Im Übrigen müssten dann aber auch entsprechende Vergleichsparameter herangezogen werden.
40b) Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Restschuldversicherungsprämie selbst sittenwidrig überteuert und daher ggf. auch der Darlehensvertrag nach § 139 BGB nichtig ist, sind nicht vorgetragen. Es fehlt insbesondere an der Vergleichbarkeit der von den Beklagten zum Beleg für die Überteuerung herangezogenen Versicherungen. Soweit die Beklagten vortragen, unter Zugrundelegung des Nettokreditbetrages des Darlehens vom 7.10.2008 sowie der Laufzeit von 84 Monaten habe zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits für 55 Euro monatlich eine Restschuldversicherung abgeschlossen werden können, ist dies schon deshalb nicht mit der abgeschlossenen Versicherung vergleichbar, weil damit nicht der Gesamtbetrag des Darlehens versichert wäre. Auch bleibt auf entsprechenden Hinweis der Klägerin offen, ob eine Versicherung zu dem von den Beklagten angegebenen Preis auch unter Berücksichtigung der Tatsache hätte abgeschlossen werden können, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bereits über 60 Jahre alt war.
41Soweit die Beklagten behaupten, für eine Kapitallebensversicherung wären selbst bei ungünstigen Voraussetzungen nur Kosten in Höhe von 9.000 Euro entstanden stellt dies für die Gegenüberstellung mit der im Streitfall zu beurteilenden Restschuldversicherung keine taugliche Vergleichsgrundlage dar, da die beiden Versicherungsarten sich auf vielfältige Weise voneinander unterscheiden; insbesondere nach Maßgabe ihrer jeweiligen Risikoabdeckung, altersbezogener Prämienstrukturen, zu erwartende Rückerstattungsverluste bei vorzeitigen Vertragsbeendigung und möglicher Steuervorteile (vergleiche BGH Urteil vom 29.11.2011, Az. XI ZR 220/10, Rz. 25).
42Zudem steht aber vor allem nicht fest, dass nach dem Parteiwillen zur Zeit des Darlehensabschlusses das Darlehen und die Restschuldversicherung im Sinne des § 139 BGB miteinander stehen und fallen sollten. Die insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten sind für diese Behauptung ebenfalls beweisfällig geblieben.
433. Der streitgegenständliche Kreditvertrag ist nicht gemäß §§ 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB nichtig. Die Voraussetzungen der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Unabhängig vom Bestehen einer Aufklärungspflicht der Klägerin über die Freiwilligkeit des Abschlusses einer Restschuldversicherung und die Angemessenheit der Konditionen fehlt es an Vortrag zum darauf bezogenen Vorsatz der Klägerin.
444. Die Beklagten können der Klägerin schließlich auch keinen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB entgegenhalten. Nach der Rechtsprechung des BGH war die Klägerin nicht verpflichtet, die Beklagten über etwaige Innenprovisionen und/oder etwa von ihr vereinnahmte Rückvergütungen aufzuklären. Eine entsprechende Aufklärungspflicht gilt nach der Rechtsprechung des BGH nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank (BGH Urteil vom 29.11.2011 Az. XI ZR 220/ 10 Rz. 39). Die Kosten für die Versicherung, über deren Abschluss auch nach dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich gesprochen wurde, ergeben sich deutlich aus dem Vertrag. Dass die Beklagten diesen ggf. ungelesen unterschrieben, führt nicht zu einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Klägerin.
455. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 und 2 BGB.
466. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10,711 ZPO. Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Übrigen sowie im Kostenpunkt wird das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens und des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von der Beklagten Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und Schadensersatz.
- 2
- Er beantragte bei der Beklagten den Abschluss eines Rentenversicherungsvertrages mit Vertragsbeginn zum 1. Dezember 1998. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhielt er erst mit dem Versicherungsschein. Er wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in drucktechnisch deutlicher Form über sein Widerspruchsrecht nach § 5a des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz - VVG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) belehrt.
- 3
- Diese mehrfach geänderte und mit Ablauf des Jahres 2007 außer Kraft getretene Vorschrift hatte in der bis zum 31. Juli 2001 gültigen Fassung folgenden Wortlaut: "(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen , wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterla- gen schriftlich widerspricht. … (2) Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Absatz 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht , den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist. Der Nachweis über den Zugang der Unterlagen obliegt dem Versicherer. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Ab- weichend von Satz 1 erlischt das Recht zum Widerspruch jedoch ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie."
- 4
- Von Dezember 1998 bis Dezember 2002 zahlte der Kläger Versicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 51.129,15 €. Nachdem er den Vertrag am 1. Juni 2007 gekündigt hatte, kehrte ihm die Beklagte im September 2007 einen Rückkaufswert von 52.705,94 € aus. Mit Schreiben vom 31. März 2008 erklärte der Kläger den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. gegenüber der Beklagten und forderte sie zur Rückzahlung aller Beiträge nebst Zinsen auf.
- 5
- Der Kläger meint, der Rentenversicherungsvertrag sei nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen die unten genannten Richtlinien verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch erklären können. Außerdem sei ihm die Beklagte zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie ihn vor Vertragsschluss nicht über Abschlusskosten, Provisionen, Stornokosten und deren Verrechnung nach dem Zillmerverfahren, die damit verbundenen Nachteile im Falle einer Kündigung sowie über die Berechnung der Überschussbeteiligung informiert habe.
- 6
- Das Landgericht hat die Klage, mit der der Kläger in der Hauptsache unter Verrechnung des Rückkaufswerts weitere 22.272,56 € von der Beklagten verlangt hat, abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese Forderung verfolgt der Kläger mit der Revision weiter.
- 7
- Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 28. März 2012 (VersR 2012, 608) dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zwei- ten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (Zweite Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 330 S. 50) unter Berücksichtigung des Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung, ABl. L 360 S. 1) dahin auszulegen ist, dass er einer Regelung - wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - entgegensteht , nach der ein Rücktritts- oder Widerspruchsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie erlischt, selbst wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt oder W iderspruch belehrt worden ist. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat durch Urteil vom 19. Dezember 2013 (C-209/12, VersR 2014, 225) die Vorlagefrage bejaht.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision ist bezüglich der Schadensersatzforderung als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- A. Dieses hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Rückerstattungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Da er bei Antragstellung die Versicherungs- bedingungen und die Verbraucherinformation noch nicht von der Beklagten erhalten habe, sei trotz der übereinstimmenden Willenserklärungen beider Vertragsparteien der Versicherungsvertrag zunächst schwebend unwirksam gewesen und hätte durch den Widerspruch des Klägers endgültig unwirksam werden können. Die Beklagte habe den Kläger nicht in drucktechnisch hervorgehobener Form über sein Widerspruchsrecht belehrt , so dass die Widerspruchsfrist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht in Gang gesetzt worden sei. Der Vertrag sei gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. erst ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie, d.h. spätestens mit Ablauf des Monats Januar 2000, rückwirkend endgültig wirksam geworden. Der lange nach Ablauf der Jahresfrist erklärte Widerspruch des Klägers habe hieran nichts mehr ändern können. Die Regelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
- 10
- Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der Prämien und Erstattung entgangener Zinsvorteile wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsschluss.
- 11
- B. Die unbeschränkt eingelegte Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig. Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht ein Widerspruchsrecht des Klägers und einen daraus abgeleiteten Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verneint hat. Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage, ob die Vorschriften des § 5a VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entsprechen , zugelassen. Diese im Tenor und in den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebrachte Beschränkung der Revisionszulassung ist wirksam. Es geht nicht um eine - unzulässige - Beschränkung auf einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen oder auf bestimmte Rechtsfragen. Die zum Anlass für die Zulassung genommene Frage betrifft einen tatsächlich und rechtlich selbständigen , abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 7; BGH, Urteile vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 9; vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, WM 2011, 2223 Rn. 18; Beschluss vom 16. Dezember 2010 - III ZR 127/10, WM 2011, 526 Rn. 5; jeweils m.w.N.). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für die Schadensersatzforderung maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Der - auf Vertragsaufhebung und Rückzahlung der Prämien gerichtete - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung, über den das Berufungsgericht entschieden hat, bestünde ungeachtet der Entscheidung zum Zustandekommen des Vertrags nach § 5a VVG a.F. und konnte daher von der Zulassung ausgenommen werden.
- 12
- C. Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann dem Kläger ein Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht versagt werden.
- 13
- I. Der Kläger kann dem Grunde nach aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der an die Beklagte gezahlten Prämien verlangen, weil er diese rechtsgrundlos geleistet hat.
- 14
- 1. Ein Rechtsgrund ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrag. Dieser ist auf der Grundlage des § 5a VVG a.F. nicht wirksam zustande gekommen, weil der Kläger mit seinem Schreiben vom 31. März 2008 rechtzeitig den Widerspruch erklärt hat.
- 15
- a) Da die Beklagte dem Kläger bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte, hätte ein wirksamer Vertrag nur nach Maßgabe des § 5a VVG a.F. zustande kommen können. Diese Vorschrift regelte den Vertragsschluss nach dem so genannten Policenmodell. Der Antrag des Versicherungsnehmers stellte das Angebot zum Abschluss des Vertrages dar. Dieses nahm der Versicherer dadurch an, dass er dem Versicherungsnehmer mit der Versicherungspolice die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die für den Vertragsschluss maßgebliche Verbraucherinformation übersandte. Durch die Annahme kam der Vertrag aber noch nicht zustande; vielmehr galt er gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erst dann als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassen der Unterlagen widersprach. Bis zum Ablauf dieser Frist war von einem schwebend unwirksamen Vertrag auszugehen (vgl. dazu nur Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 10; Senatsurteil vom 24. November 2010 - IV ZR 252/08, VersR 2011, 337 Rn. 22; jeweils m.w.N.).
- 16
- Hier kann dahinstehen, ob das Policenmodell als solches mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist und ob sich ein Versicherungs- nehmer, der ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden ist und die Versicherungsbedingungen sowie eine Verbraucherinformation erhalten hat, darauf nach Durchführung des Vertrages berufen könnte. Jedenfalls wurde die 14-tägige Widerspruchsfrist gegenüber dem Kläger nicht in Lauf gesetzt. Nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte die Beklagte den Kläger auch im Zuge der Annahme des Antrags und Übersendung des Versicherungsscheins nicht in drucktechnisch deutlicher Form i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht.
- 17
- b) Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Nachdem der Kläger die erste von ihm geschuldete Prämie im Dezember 1998 gezahlt hatte, wäre nach dieser Bestimmung sein Recht zum Widerspruch längst erloschen gewesen, als er diesen im März 2008 erklärte. Indes bestand sein Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
- 18
- aa) Das ergibt sich aus einer richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225).
- 19
- (1) Dieser hat entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des Art. 31 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. entgegensteht, nach der ein Rücktrittsrecht spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver- sicherungsprämie erlischt, wenn der Versicherungsnehmer nicht über das Recht zum Rücktritt belehrt worden ist (aaO Rn. 32).
- 20
- (2) An dieses Auslegungsergebnis sind die nationalen Gerichte gebunden. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgrund des in Art. 288 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankerten Umsetzungsgebots und des aus Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) folgenden Grundsatzes der Unionstreue zudem verpflichtet , die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des ihnen dadurch eingeräumten Beurteilungsspielraums soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 113 - Pfeiffer u.a.; Slg. 1984, 1891 Rn. 26, 28 - von Colson u.a., jeweils m.w.N.). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt von den nationalen Gerichten mehr als bloße Auslegung im engeren Sinne entsprechend dem Verständnis in der nationalen Methodenlehre. Er erfordert auch, das nationale Recht, wo dies nötig und nach der nationalen Methodenlehre möglich ist, richtlinienkonform fortzubilden (BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 10; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 30; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 21 m.w.N.; Riesenhuber /Roth, Europäische Methodenlehre 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 17 m.w.N.). Terminologisch unterscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union nicht zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung (Riesenhuber/Neuner aaO § 13 Rn. 2; Riesenhuber/Roth aaO § 14 Rn. 17; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 m.w.N.; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.). Allerdings findet die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege zugleich ihre Grenzen an dem nach innerstaatlicher Rechtstradition methodisch Erlaubten (BVerfG, NJW 2012, 669 Rn. 47 m.w.N.).
- 21
- (3) Einer Auslegung im engeren Sinne ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht zugänglich. Dem steht der eindeutige Wortlaut der Vorschrift entgegen. Sie bestimmte ein Erlöschen des Widerspruchsrechts unabhängig davon, ob der Versicherungsnehmer über dieses Recht belehrt war. Die Regelung ist aber richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung (Art. 1 Ziffer 1 A bis C der Ersten Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierungder Rechtsund Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992) grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Hingegen ist § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - innerhalb seiner zeitlichen Geltungsdauer - für alle Versicherungsarten außerhalb des Bereichs der Richtlinien unverändert anwendbar.
- 22
- (a) Die Vorschrift weist die für eine teleologische Reduktion erforderliche verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes auf (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 31; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 22 m.w.N.).
- 23
- (aa) Eine solche liegt vor, wenn das ausdrücklich angestrebte Ziel einer richtlinienkonformen Umsetzung durch die Regelung nicht erreicht worden ist und ausgeschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber die Regelung in gleicher Weise erlassen hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass sie nicht richtlinienkonform ist (BGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 34; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 25 m.w.N.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris Rn. 11). Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht nur dann gegeben, wenn Wertungswidersprüche zwischen zwei innerstaatlichen Normen bestehen (so aber: OLG München VersR 2013, 1025, 1029 m.w.N.; Höpfner, RdA 2013, 16, 22 unter Berufung auf BGH, Urteil vom 26. November 2008 aaO). Dies lässt sich der genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen und entspricht auch nicht etwa einem zwingenden Verständnis der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat sich im Sinne einer Vermutungsregel geäußert, dass ein Mitgliedstaat , der von einem mit einer Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat, die Verpflichtungen aus der Richtlinie auch in vollem Umfang umsetzen wollte (EuGH, Slg. 2004, I-8835 Rn. 112 - Pfeiffer u.a.). Der Normzweck ist daher - außer im Falle einer ausdrücklichen Umsetzungsverweigerung - unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Willens zu bestimmen, eine Richtlinie korrekt umzusetzen. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er sehenden Auges einen Richtlinienverstoß in Kauf nehmen wollte (vgl. zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 257). Die Richtlinie dient dabei gleichzeitig als Maßstab der Lückenfeststellung sowie der Lückenschließung (Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1415 m.w.N.).
- 24
- (bb) § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. steht in Widerspruch zu dem mit dem Gesetz verfolgten Grundanliegen, die Dritte Richtlinie Lebensversicherung ordnungsgemäß umzusetzen. Bei § 5a VVG a.F. handelt es sich insgesamt um eine Umsetzungsnorm. Aus der Begründung des Regierungsentwurfs des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG ergibt sich, dass der in diesem Gesetz enthaltene neue § 10a u.a. Art. 31 i.V.m. Anhang II. A. der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie über die Verbraucherinformation vor Abschluss und während der Laufzeit des Versicherungsvertrages in deutsches Recht umsetzt (BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Die Verbraucherinformation sollte eingeführt werden, weil bei den unter die Dritte Richtlinie fallenden Versicherungsunternehmen die Bedingungen und Berechnungsgrundlagen nicht mehr Teil des vorab zu genehmigenden Geschäftsplanes waren (Begr. Ausschussempfehlung BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Der aufgrund der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses hinzugekommene neue § 5a VVG stellt eine Einschränkung des § 10a VAG dar. Er beruht ausweislich der Begründung dieser später umgesetzten Anregung darauf, dass die im Regierungsentwurf des § 10a VAG geplanten, vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationsverpflichtungen "in der Praxis auf z.T. unüberwindbare Schwierigkeiten stießen" (BT-Drucks. 12/7595 aaO). Vor diesem Hintergrund stellen § 10a VAG und § 5a VVG einen einheitlich zu betrachtenden Komplex dar, mit dem die Dritte Richtlinie Lebensversicherung in deutsches Recht umgesetzt wurde (ebenso Brand, VersR 2014, 269, 274). Dies ist auch der Begründung der Ausschussempfehlung zu entnehmen, die ausdrücklich von einer Verknüpfung der Vorschriften des § 10a VAG und § 5a VVG spricht. Die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen beruhe lediglich darauf, dass die Konkretisierung der Verbraucherinformation im VAG verbleiben müsse, weil es sich um eine gewerberechtliche Frage handele und die Ansiedlung im VAG Voraussetzung für eine Kontrolle durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen sei (BT-Drucks. 12/7595 aaO).
- 25
- Der nationale Gesetzgeber bezweckte danach mit § 5a VVG a.F. nicht primär eine Harmonisierung des Aufsichtsrechts. Diese - in der Instanzrechtsprechung immer wieder vertretene - These lässt sich aus dem für die Verbraucherinformation maßgeblichen 23. Erwägungsgrund zur Dritten Richtlinie Lebensversicherung, die der nationale Gesetzgeber umsetzen wollte, nicht entnehmen. Dort wird das Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers so umschrieben: "Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarkts wird dem Verbraucher eine größere und weiter gefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muss er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen." Ein Bezug zum Aufsichtsrecht ist daraus nicht zu entnehmen.
- 26
- Die zu der Ausnahmeregelung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. gegebene Begründung, die Ausschlussfrist sei im Interesse des Rechtsfriedens erforderlich (BT-Drucks. 12/7595 S. 111), ändert nichts am Zweck des gesamten Regelungskomplexes, die Richtlinie umzusetzen. Strebt der Gesetzgeber eine richtlinienkonforme Umsetzung an, ist diesem - wenn auch möglicherweise unvollkommen verwirklichten - Zweck Vorrang vor der mit der Einzelnorm verfolgten Zielrichtung zu geben (vgl. Riesenhuber/Roth, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 14 Rn. 59; so im Ergebnis auch BGH; Beschluss vom 8. Januar 2014 - V ZB 137/12, juris; Urteile vom 21. Dezember 2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148; vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27; vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248; a.A. Brand, VersR 2014, 269, 274).
- 27
- (b) Die Regelungslücke des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ist richtlinienkonform dergestalt zu schließen, dass die Vorschrift im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung und der Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung nicht anwendbar ist, aber auf die von der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nicht erfassten Versicherungsarten uneingeschränkt Anwendung findet (so auch OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 - 8 U 192/13, juris Rn. 42 ff.).
- 28
- (aa) Die Ausfüllung einer Regelungslücke durch die Gerichte muss den allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen entsprechen und in möglichst enger Anlehnung an das geltende Recht vorgenommen werden (BVerfGE 37, 67, 81). Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union sind im Rahmen einer interpretatorischen Gesamtabwägung (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 § 15 Rn. 37) hinreichend umzusetzen. Dabei dürfen die Grenzen des den Gerichten im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden (vgl. hierzu Palandt/ Sprau, BGB 73. Aufl. Einl. Rn. 56). Weder das Gemeinschaftsrecht noch das nationale Recht fordern eine einheitliche Auslegung des europäischen und des national-autonomen Rechts (Riesenhuber/Habersack/ Mayer aaO § 15 Rn. 24 ff., 36; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1416 m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Das Gebot richtlinienkonformer Auslegung des nationalen Rechts reicht nur so weit wie der in Art. 288 Abs. 3 AEUV verankerte Umsetzungsbefehl der entsprechenden Richtlinie (Mörsdorf aaO). Zulässig ist demnach eine gespaltene Auslegung dergestalt, dass eine nationale Norm durch richtlinienkonforme Auslegung nur insoweit korrigiert wird, als sie mit den Anforderungen der Richtlinie nicht übereinstimmt , und im überschießenden - nicht europarechtlich determinierten - Teil unverändert bleibt (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 36 f.).
- 29
- (bb) Der gegenüber der allgemeinen, für alle Versicherungen geltenden Regelung des § 5a VVG a.F. engere Anwendungsbereich der Dritten Richtlinie Lebensversicherung nur für Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung rechtfertigt eine gespaltene Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. Auf diese Weise wird zum einen dem Willen des Gesetzgebers zur Umsetzung der Richtlinie Rechnung getragen und zum anderen für die übrigen, nicht davon erfassten Versicherungsarten die Ausschlussfrist im Interesse der angestrebten Rechtssicherheit beibehalten. Der Gesetzgeber wollte im allgemeinen Teil des VVG eine einheitliche Bestimmung für alle Versicherungsarten treffen. Dies ergibt sich daraus, dass er auf eine Definition des genauen Zeitpunktes der Informationserteilung verzichtet hat, um bei der Frage, wann eine Information noch vor Abschluss des Vertrages erfolgt, den Besonderheiten der einzelnen Versicherungsarten und Vertriebsformen Rechnung tragen zu können und Raum für vertragliche Vereinbarungen zu lassen (Begr. RegE BT-Drucks. 12/6959 S. 55). Der Gesetzgeber hat zwei Entscheidungen getroffen: eine Strukturentscheidung , das Widerspruchsrecht und sein Erlöschen einheitlich für alle Versicherungen zu regeln, und eine Sachentscheidung mit dem Inhalt des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. (vgl. zu dieser Differenzierung grundsätzlich Riesenhuber/Habersack/Mayer, Europäische Methodenlehre, 2. Aufl. 2010 aaO § 15 Rn. 38). Die Richtlinienwidrigkeit der Sachentscheidung im Bereich der von der Richtlinie erfassten Versicherungsarten war ihm nicht bekannt. Dass er an der Strukturentscheidung festgehalten hätte, wenn er eine abweichende Sachentscheidung für Lebens- und Rentenversicherungen hätte treffen müssen, ist nicht anzunehmen (vgl. Riesenhuber /Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 38 m.w.N.; Mayer/Schürnbrand, JZ 2004, 545, 551). Eine Vermutung, der Gesetzgeber hätte für den gesamten Anwendungsbereich der Vorschrift eine richtlinienkonforme Auslegung gewollt, lässt sich aus der Gleichbehandlung im Wortlaut der Norm nicht herleiten (vgl. Herdegen, WM 2005, 1921, 1930 zu § 5 Abs. 2 HWiG a.F.). In einem Großteil der Anwendungsfälle der Norm kann der gesetzgeberische Wille Geltung erlangen, ohne den Anwendungsbereich der Richtlinie zu berühren (vgl. Herdegen aaO). Im überschießend geregelten Bereich der Nicht-Lebensversicherung sind abweichende Auslegungsgesichtspunkte zu beachten (vgl. Riesenhuber/Habersack/Mayer aaO § 15 Rn. 43). Insoweit bestehen keine entsprechenden Richtlinienvorgaben.
- 30
- Die mit dem Dritten Durchführungsgesetz/EWG zum VAG ebenfalls umgesetzte Dritte Richtlinie Schadenversicherung (Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung ) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG; ABl. L 228 S. 1) fordert zwar auch Verbraucherinformationen , sieht jedoch - anders als die Dritte Richtlinie Lebensversicherung - nicht vor, dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Vertrages "mindestens" die "Modalitäten der Ausübung des Widerrufs und Rücktrittsrechts" mitzuteilen. Zudem hält das nationale Recht den Versicherungsnehmer außerhalb der Lebensversicherung im Hinblick auf die zu erteilenden Informationen für weniger schützenswert. Darauf deutet das in der Empfehlung des Finanzausschusses zu § 5a VVG a.F. genannte Beispiel des Rückkaufswertes in der Lebensversicherung hin (Begr. Aus- schussempfehlung, BT-Drucks. 12/7595 S. 102). Den Produkten der Lebensversicherung wird große Komplexität beigemessen, was die Bedeutung des Verbraucherschutzes erhöht. Hinzu kommt, dass sich der Versicherungsnehmer einer Lebens- oder Rentenversicherung, anders als bei Versicherungen mit jährlicher Wechselmöglichkeit, regelmäßig über einen langen Zeitraum an das Produkt und den Versicherer bindet. Die Entscheidung für einen Vertrag hat hier weiter reichende Folgen und größere wirtschaftliche Bedeutung als bei den meisten anderen Versicherungsarten. Dies findet Ausdruck in § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG in der Fassung vom 2. Dezember 2004, der die Widerspruchsfrist für Lebensversicherungsverträge entsprechend der Vorgabe des Art. 17 der Fernabsatzrichtlinie II (Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. L 271 S. 16) auf 30 Tage verlängert und damit mehr als verdoppelt hat. Mit Blick auf die besondere Bedeutung der Lebens- und Rentenversicherungen gebietet Art. 3 Abs. 1 GG keine Gleichbehandlung von Lebensund Rentenversicherungen mit anderen Versicherungen.
- 31
- (cc) Das gegen eine gespaltene Auslegung angeführte Argument der Abgrenzungsschwierigkeiten (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 261 f.) greift bei § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nicht. Eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Versicherungsarten ist ohne weiteres möglich und hängt - anders als die Unterscheidung zwischen verschiedenen Haustürsituationen - nicht von Zufällen des Geschehensablaufes ab.
- 32
- Die gespaltene Auslegung verstößt auch nicht gegen das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Prinzip der Rechtssicherheit, das Vertrauensschutz für den Bürger gewährleistet. Durfte die betroffene Partei mit der Fortgeltung der bisherigen Rechtslage rechnen und verdient dieses Interesse bei einer Abwägung mit den Belangen des Vertragspartners und den Anliegen der Allgemeinheit den Vorzug, liegt ein Eingriff in rechtlich geschützte Positionen vor (BGH, Urteil vom 26. November 2008 - VIII ZR 200/05, BGHZ 179, 27 Rn. 33 m.w.N.). Die uneingeschränkte Anwendung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. konnte nicht als gesichert angesehen werden, weil ihre Richtlinienkonformität im Schrifttum von Anfang an bezweifelt wurde (Berg, VuR 1999, 335, 341 f.; Lorenz, VersR 1997, 773, 782; vgl. Vorlagebeschluss vom 28. März 2012 - IV ZR 76/11, VersR 2012, 608 Rn. 16 m.w.N.).
- 33
- Die richtlinienkonforme Reduktion des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bedeutet keine gesetzeswidrige (contra legem) Rechtsschöpfung (so aber OLG München, Urteil vom 10. Oktober 2013 - 14 U 1804/13, juris Rn. 52 ff.; VersR 2013, 1025, 1028). Wie ausgeführt, kann § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar nicht im engeren Sinne ausgelegt, jedoch im Wege der nach nationalem Recht zulässigen und erforderlichen teleologischen Reduktion richtlinienkonform fortgebildet werden, so dass ein ausreichender Anwendungsbereich der gesetzgeberischen Sachentscheidung verbleibt.
- 34
- Schließlich lässt sich der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung nicht entgegenhalten, sie laufe auf eine - in ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abgelehnte (EuGH, NJW 1994, 2473 Rn. 20 - Dori/Recreb; NJW 1986, 2178 Rn. 48 - Marshall) - horizon- tale Drittwirkung der Richtlinie hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2002 - XI ZR 91/99, BGHZ 150, 248, 259 f.). Zur Anwendung kommt vielmehr im Rahmen des national methodologisch Zulässigen fortgebildetes nationales Recht.
- 35
- bb) Das Widerspruchsrecht des Klägers ist nicht aus anderen Gründen entfallen.
- 36
- (1) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen. Da der Kläger über sein Widerspruchsrecht nicht ausreichend belehrt wurde, konnte er sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerspruch nicht sachgerecht ausüben (vgl. Senatsurteil vom 16. Oktober 2013 - IV ZR 52/12, VersR 2013, 1513 Rn. 24).
- 37
- (2) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt - anders als in der Sache IV ZR 52/12 (aaO) - schon deshalb nicht in Betracht, weil eine entsprechende Anwendung der Regelungen in den §§ 7 Abs. 2 VerbrKrG, 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach Außerkrafttreten dieser Gesetze nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 2009 - XI ZR 260/08, WM 2010, 34 Rn. 16).
- 38
- cc) Der Kläger verstößt mit seiner Rechtsausübung nicht gegen Treu und Glauben.
- 39
- (1) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat er sein Recht zum Widerspruch nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und be- sondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - VII ZR 177/13, NJW 2014, 1230 Rn. 13 m.w.N.). Es fehlt hier jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen , weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. dazu unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit EuGH, VersR 2014, 225 Rn. 30).
- 40
- (2) Aus demselben Grund liegt in der Geltendmachung des bereicherungsrechtlichen Anspruchs keine widersprüchliche und damit unzulässige Rechtsausübung (vgl. dazu Brand, VersR 2014, 269, 276). Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - IX ZR 103/11, NJW-RR 2013, 757 Rn. 12 m.w.N.). Die Beklagte kann keine vorrangige Schutzwürdigkeit für sich beanspruchen, nachdem sie es versäumt hat, den Kläger über sein Widerspruchsrecht zu belehren.
- 41
- 2. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind entgegen der Ansicht der Beklagten nicht - etwa in Anlehnung an die Rechtsfigur des faktischen Vertragsverhältnisses - auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken.
- 42
- a) Allein eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (effet utile). Stünde dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener oder unzureichender Widerspruchsbelehrung nur ein Lösungsrecht mit Wirkung ex nunc zu, bliebe der Verstoß gegen die Belehrungspflicht sanktionslos. Dies würde dem Gebot des Art. 4 Abs. 3 EUV nicht gerecht, der verlangt, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen. Daher darf die Anwendung des nationalen Rechts die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen. Dies bedeutet auch, die Vorgaben der Richtlinien und des Gerichtshofs der Europäischen Union im nationalen Recht möglichst vollständig durchzusetzen (EuGH, NZA 2013, 891 Rn. 71 - Asociatia ACCEPT). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, regelten die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung nicht den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde, und damit auch nicht die Folgen, die das Unterbleiben der Belehrung für dieses Recht haben konnte. Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 3 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung sah vor, dass "die [für den Rücktritt erforderlichen Voraus- setzungen … gemäß dem auf den Versicherungsvertrag … anwendbaren [nationalen] Recht geregelt [wurden]" (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-209/12, VersR 2014, 225 Rn. 22). Die Mitgliedstaaten mussten jedoch dafür sorgen, dass die praktische Wirksamkeit der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung unter Berücksichtigung des mit diesen verfolgten Zwecks gewährleistet ist (EuGH aaO Rn. 23). Aus der Struktur und aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Dritten Richtlinie Lebensversicherung hat der Gerichtshof der Europäischen Union eindeutig geschlossen, mit ihr habe sichergestellt werden sollen, dass der Versicherungsnehmer insbesondere über sein Rücktrittsrecht genau belehrt wird (EuGH aaO Rn. 25).
- 43
- Eine nationale Bestimmung wie § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., wonach das Recht des Versicherungsnehmers, von dem Vertrag zurückzutreten , zu einem Zeitpunkt erlischt, zu dem er über dieses Recht nicht belehrt war, läuft daher nach Ansicht des Gerichtshofs der Europäischen Union der Verwirklichung eines grundlegenden Ziels der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und damit deren praktischer Wirksamkeit zuwider (EuGH aaO Rn. 26). Diese kann nur gewährleistet werden , wenn der nicht ordnungsgemäß belehrte Versicherungsnehmer im Falle eines Widerspruchs die von ihm gezahlten Prämien grundsätzlich zurückerhält. Das gilt umso mehr, als es bei dem in § 5a VVG a.F. vorgesehenen Widerspruch nicht um den Rücktritt von einem bereits zustande gekommenen Vertrag geht, sondern darum, das Zustandekommen des Vertrages zu verhindern. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung. Danach soll der Versicherungsnehmer für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen befreit werden. Dies betrifft aber nur den Fall, dass er ordnungsgemäß belehrt wurde. Der nicht oder nicht ausreichend belehrte Versicherungsnehmer muss hingegen so gestellt werden, als ob er ordnungsgemäß belehrt worden wäre. Dann hätte er sein Widerspruchsrecht ausüben können und mangels wirksamen Vertrages keine Prämien gezahlt.
- 44
- b) Eine Einschränkung der bereicherungsrechtlichen Abwicklung ist nicht etwa geboten, um Widersprüche zu den §§ 9 Abs. 1 und 152 Abs. 2 VVG n.F. zu vermeiden. Danach erhält der Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung den auf die Zeit nach Zugang des Widerrufs entfallenden Teil der Prämien, wenn er auf sein Widerrufsrecht, die Rechtsfolgen des Widerrufs und den zu zahlenden Betrag hingewiesen worden ist und zugestimmt hat, dass der Versicherungsschutz vor Ende der Widerrufsfrist beginnt, und bei Unterbleiben des Hinweises zusätzlich den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder - falls dies günstiger ist - die für das erste Jahr des Versicherungsschutzes gezahlten Prämien zurück. Einer rückwirkenden analogen Anwendung der genannten Vorschriften steht Art. 1 Abs. 1 EGVVG entgegen, nach dem auf Altverträge grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2008 das Versicherungsvertragsgesetz in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung anzuwenden ist. Unabhängig davon, ob man im Vertragsschluss bereits einen abgeschlossenen Sachverhalt sieht, in den wegen des Verbotes der echten Rückwirkung nicht eingegriffen werden darf (so Looschelders/Pohlmann/Brand, VVG 2. Aufl. Art. 1 EGVVG Rn. 14), können auf Altverträge Vorschriften des neuen VVG, die vor oder bei Abschluss des Vertrages zu beachten sind, auch nach dem 31. Dezember 2008 keine Anwendung finden (Begr. RegE BT-Drucks. 16/3945 S. 118 zu Art. 1 Abs. 1 EGVVG). Das gilt auch für das Widerrufsrecht des § 8 Abs. 1 VVG n.F., das den Vertragsparteien bei Vertragsschlüssen vor 2008 nicht bekannt sein konnte, sowie für die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß den §§ 9 Abs. 1, 152 Abs. 2 VVG n.F., die an die vorvertragliche Belehrungspflicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VVG n.F. anknüpfen.
- 45
- II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle Prämien, die er an die Beklagte gezahlt hat, ohne hierzu durch einen wirksamen Versicherungsvertrag verpflichtet zu sein. Im Rahmen einer gemeinschaftsrechtlich geforderten rechtsfortbildenden Auslegung einer nationalen Norm darf bei der Regelung der Rechtsfolgen des Widerspruchs nach nationalem Recht ein vernünftiger Ausgleich und eine gerechte Risikoverteilung zwischen den Beteiligten hergestellt werden (vgl. EuGH, NJW 2010, 1511 Rn. 48; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2010 - II ZR 250/09, juris unter 1). Eine einschränkungslose Ausgestaltung des W iderspruchsrechts auch auf der Rechtsfolgenseite wäre nicht sachgerecht. Der Versicherungsnehmer hat während der Prämienzahlung Versicherungsschutz genossen. Es ist davon auszugehen, dass er diesen im Versicherungsfall in Anspruch genommen und sich - selbst bei zwischenzeitlich erlangter Kenntnis von seinem Widerspruchsrecht - gegen eine Rückabwicklung entschieden hätte. Mit Blick darauf führte eine Verpflichtung des Versicherers zur Rückgewähr sämtlicher Prämien zu einem Ungleichgewicht innerhalb der Gemeinschaft der Versicherten (so auch OLG München, VersR 2013, 1025 Rn. 28). Daher muss sich der Kläger im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den Versicherungsschutz anrechnen lassen, den er jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossen hat. Erlangter Versicherungsschutz ist ein Vermögensvorteil , dessen Wert nach den §§ 812 Abs. 1 Satz 1, 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen sein kann (BGH, Urteile vom 30. Juni 1983 - III ZR 114/82, NJW 1983, 2692 unter III 3; vom 2. Dezember 1982 - III ZR 90/81, NJW 1983, 1420 unter IV 1 b). Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wer- den; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen.
- 46
- Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben. Das gilt auch für die vom Kläger geltend gemachten und von der Beklagten in Abrede gestellten Nutzungszinsen, mit denen sich das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht befasst hat.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.07.2010- 22 O 587/09 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 31.03.2011- 7 U 147/10 -
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.