Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14

bei uns veröffentlicht am20.08.2015
vorgehend
Landgericht Würzburg, 94 O 2494/13 Ver, 15.09.2014

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Würzburg vom 15.09.2014, Az. 94 O 2494/13 Ver, aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Landgericht zurückverwiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Schadensersatz wegen Falschberatung bei Abschluss einer Lebensversicherung und auf Rückerstattung der Einmalversicherungsprämie aufgrund Widerspruchs im sog. Policenmodell geltend.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherer mit Sitz in Liechtenstein. Sie ist eine 100%ige Tochter der G. (G.) mit Sitz in Österreich. Mit dem Vertrieb ihrer Versicherungsprodukte in Deutschland beauftragte sie die - zwischenzeitlich insolvente -E. AG, die wiederum Untervermittler einsetzte.

Der Kläger, wohnhaft in X. (Landgerichtsbezirk Würzburg), schloss im Frühjahr 2006 bei der Beklagten nach Maßgabe des Policenmodells eine „Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung“ ab, wobei die Anlagestrategie für das verwaltete Anlagevermögen komplex und risikobehaftet war. Die fällige Einmalversicherungsprämie von 20.000,00 € leistete der Kläger termingerecht an die Beklagte.

Auf der zweiten, zugleich letzten Seite des Versicherungsscheins (Anl. K 18) befindet sich im vorletzten Absatz vor der Orts- und Datumsangabe und der Unterschriftenzeile folgende Überschrift in Fettdruck und folgender Fließtext in Normaldruck:

„Widerspruchsrecht gemäß § 8 Abs. 5 VVG Wurden Ihnen bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen oder die gesetzlichen Verbraucherinformationen nicht übergeben, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheines (der Police), den Versicherungsbedingungen und den für den Vertrag maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen, wenn Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Vorliegen (Erhalt) des Versicherungsscheines (der Police), der Versicherungsbedingungen und der gesetzlichen Verbraucherinformationen schriftlich widersprechen.“

§ 22 der die gegenständliche Lebensversicherung regelnden „Allgemeine(n) Versicherungsbedingungen für S.“ (Anl. BK 9) lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 22. Wo ist der Gerichtsstand?

(1) Ansprüche aus Ihrem Versicherungsvertrag können gegen uns bei dem für unseren Geschäftssitz örtlich zuständigen Gericht geltend gemacht werden. Ist Ihre Versicherung durch Vermittlung eines Versicherungsvertreters zustande gekommen, kann auch das Gericht des Ortes angerufen werden, an dem der Vertreter zur Zeit der Vermittlung seine gewerbliche Niederlassung oder, wenn er eine solche nicht unterhielt, seinen Wohnsitz hatte."

Vorausgegangen war dem Vertragsschluss eine Beratung durch den Versicherungsmakler M. aus F. als Untervermittler, der hierzu Prospekte (Anl. K 2 & 3) verwendet hatte.

Die Anlage entwickelte sich in der Folgezeit nicht, wie vom Kläger erwartet. Mittlerweile ist der fast vollständige Verlust des vom Kläger eingesetzten Kapitals eingetreten.

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 02.06.2014 erklärte der Kläger im vorliegenden Verfahren den Widerspruch nach § 5a VVG a.F.

Der Kläger hat sich erstinstanzlich auf der Beklagten zurechenbare Aufklärungspflichtverletzungen und bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung berufen. Daneben hat er - alternativ - aufgrund des Widerspruchs einen Bereicherungsausgleich in Form der Rückerstattung der Prämienzahlung begehrt; die Widerspruchserklärung sei wegen fehlerhafter Belehrung über das Widerspruchsrecht noch rechtzeitig erfolgt.

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, das Landgericht Würzburg sei international zuständig. Dies ergebe sich bereits aus § 215 VVG n.F. Die Vorschrift des Art. 1 EGVVG, die die Weitergeltung des Versicherungsvertragsgesetzes in der bis zum 31.12.2007 gültigen Fassung regele, gelte nicht für das Prozessrecht; die Regelung des § 215 VVG n.F. sei der Sache nach prozessrechtlicher Natur. Die Begriffe „Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung“ in § 215 Abs. 1 VVG n.F. seien weit auszulegen. Sie erfassten auch Ansprüche aus zurechenbarer Falschberatung bzw. bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung. Außerdem sei diese Bestimmung auch infolge des erklärten Widerspruchs anwendbar. Des Weiteren ergebe sich die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg aus Art. 9 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 EuGVVO (a.F.). Zwar habe das Fürstentum Liechtenstein die EuGVVO nicht ratifiziert; dies spiele jedoch aufgrund Art. 9 Abs. 2 EuGVVO (a.F.) keine Rolle. Die Beklagte sei nämlich eine 100%ige Tochter der G. mit Sitz in Österreich, was vom Begriff der „Niederlassung“ in Art. 9 Abs. 2 EuGVVO (a.F.) umfasst sei.

Der Kläger hat die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 20.000,-- € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Lebensversicherung, des Weiteren die Feststellung des Annahmeverzugs beantragt.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat insbesondere geltend gemacht, dass das Landgericht Würzburg international nicht zuständig sei. Die Vorschrift des § 215 VVG n.F. sei weder zeitlich noch sachlich anwendbar. Die EuGVVO sei genauso wenig einschlägig wie das Lugano-Übereinkommen, weil die Beklagte weder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union noch in einem Zeichnerstaat des Lugano-Übereinkommens ansässig sei.

Mit dem - im schriftlichen Verfahren ergangenen - angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Klage mangels internationaler Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Eine internationale Zuständigkeit ergebe sich weder aus § 215 VVG n.F. noch aus Art. 9 EuGVVO (a.F.). Die Vorschrift des § 215 VVG n.F. sei bei Altverträgen auf Versicherungsfälle, die vor dem 01.01.2009 eingetreten seien, nicht anwendbar. Dem stünde der vor dem 01.01.2009 entstandene Anspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten bei Vertragsschluss gleich. Auch ein Bereicherungsanspruch wegen unterbliebener Belehrung bei Vertragsschluss hätte bereits von Anfang an bestanden und wäre nicht etwa erst mit der Erklärung vom 21.08.2014 neu entstanden. Weil Liechtenstein weder Mitgliedstaat der Europäischen Union sei noch die EuGVVO ratifiziert habe, sei auch die Regelung des Art. 9 EuGVVO (a.F.) nicht anwendbar. Dessen Absatz 2 sei ebenso wenig einschlägig, weil es sich bei der Muttergesellschaft G. nicht um eine unselbstständige Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung handele.

Wegen der Einzelheiten, insbesondere auch des genauen Wortlauts der erstinstanzlichen Sachanträge, wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger hat gegen das ihm am 26.09.2014 zugestellte Urteil am 13.10.2014 Berufung eingelegt, die er am 26.11.2014 begründet hat.

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Würzburg. Hilfsweise verfolgt er die erstinstanzlichen Klageanträge im vollen Umfang weiter. Wiederum hilfsweise beantragt er die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Frankfurt a.M.

Die internationale Zuständigkeit ergebe sich aus Art. 9 EuGVVO (a.F.). Darüber hinaus folge sie aus § 215 VVG n.F., der nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG anwendbar sei. Einer analogen Anwendung des Art. 1 Abs. 2 EGVVG stehe bereits dessen Ausnahmecharakter entgegen. Zumindest sei aufgrund § 22 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein Gerichtsstand am Geschäftssitz des Vermittlers in F. begründet.

Der Kläger beantragt,

den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils (Az.: 94 O 2494/13) an das Landgericht Würzburg zurückzuverweisen.

Hilfsweise beantragt er:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 20.000,-- nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte und Ansprüche des Klägers an der streitgegenständlichen Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung an die Beklagte.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet. Wiederum hilfsweise beantragt der Kläger, den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Landgericht Frankfurt a.M. zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Art. 9 EuGVVO a.F. macht sie geltend, dass der Sitz der Muttergesellschaft in W. noch keine Niederlassung der Beklagten im Sinne dessen Abs. 2 begründe. Die internationale Zuständigkeit folge ebenso wenig aus § 215 VVG n.F., der analog Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht anwendbar sei. Es gebe keinen Grund, Ansprüche aus Versicherungsfällen und solche im Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages unterschiedlich zu behandeln. Jedenfalls ergebe sich aus § 22 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ein ausschließlicher Gerichtsstand in Liechtenstein. Die Gerichtsstandsklausel werde durch Art. 23 EuGVVO a.F. zugelassen. § 22 Abs. 1 der Bedingungen führe indessen nicht zur Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt a.M., weil der gegenständliche Vertrag nicht von einem Versicherungsvertreter der Beklagten, sondern einem Versicherungsmakler vermittelt worden sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf die Berufungsbegründung einerseits sowie die Berufungserwiderung und den Schriftsatz vom 15.07.2015 andererseits verwiesen.

Die zulässige Berufung hat mit dem Hauptantrag in der Sache Erfolg.

1. Die internationale Zuständigkeit, die anders als die örtliche Zuständigkeit (vgl. § 513 Abs. 2 ZPO) in der Berufungsinstanz uneingeschränkt zu überprüfen ist, ergibt sich aus § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F., der im Versicherungsrecht „für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung“ am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers einen besonderen Gerichtsstand begründet.

a) Vorrangig bestimmt sich die internationale Zuständigkeit im Anwendungsbereich der jeweiligen Regelungen nach der EuGVVO in der - hier maßgeblichen - bis zum 09.01.2015 gültigen Fassung (Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) und dem Lugano-Übereinkommen (Übereinkommen von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der revidierten Fassung vom 30.10.2007). Die EuGVVO gilt für Mitgliedstaaten der Europäischen Union, das Lugano-Übereinkommen für seine Zeichnerstaaten. Hierzu gehört Liechtenstein jedoch nicht.

Eine Anwendung von Art. 9 Abs. 2 EuGVVO a.F. im Hinblick auf die österreichische Konzernmutter scheidet aus. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Insbesondere scheitert die Anwendung daran, dass die Muttergesellschaft im Streitfall nicht aktiv war, die Beklagte vielmehr nur auf die Konzernzugehörigkeit im Prospektmaterial und in der Kundenkorrespondenz verwies.

b) Die internationale Zuständigkeit folgt danach mittelbar aus den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit. Die deutschen Gerichtsstandsvorschriften sind grundsätzlich doppelfunktional. Sie verteilen nicht nur die Rechtsprechungsaufgaben nach örtlichen Gesichtspunkten auf die einzelnen Gerichte, sondern legen daneben auch den Umfang der internationalen Zuständigkeit fest (BGH, Urt. v. 20.12.2011 - VI ZR 14/11 - juris Tz. 39; Geimer in Zöller, ZPO 30. Aufl. IZPR Rdn. 37).

aa) Die Vorschrift des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F. ist sowohl zeitlich als auch sachlich anwendbar.

(1) Der besondere Gerichtsstand am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherungsnehmers ist mit dem am 01.01.2008 in Kraft getretenen reformierten Versicherungsvertragsgesetz neu geschaffen worden. Der zeitliche Anwendungsbereich des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG richtet sich dabei nach dem intertemporalen Kollisionsrecht. Im rechtlichen Ansatz gelten neue vertragsrechtliche Bestimmungen nur für Verträge, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes geschlossen werden, da die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vertragsverhältnisse (sog. Altverträge) Bestandsschutz genießen. Für die Versicherungsverträge hat der Reformgesetzgeber jedoch eine Umkehr dieses Grundsatzes für geboten gehalten. Mit Art. 1 Abs. 1 Hs. 1 EGVVG wurde ein Übergangszeitraum von einem Jahr ab Inkrafttreten des neuen Versicherungsvertragsgesetzes geschaffen mit der Folge, dass für die bis Ende 2007 geschlossenen Altverträge das alte Recht nicht bis zur vollständigen Vertragsabwicklung, sondern grundsätzlich nur bis Ende 2008 anzuwenden ist, sofern keine Ausnahmeregeln greifen. Damit wollte der Reformgesetzgeber nicht nur einem angesichts der Langlebigkeit von Versicherungsverträgen sonst bestehenden jahrelangen Nebeneinander von altem und neuem Versicherungsvertragsgesetz entgegenwirken, sondern zugleich möglichst kurzfristig die mit der Neukodifikation insgesamt angestrebte Stärkung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers umsetzen (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 118; BGH, Urt. v. 08.02.2012 - IV ZR 223/10 - juris Tz. 20).

(a) Die Bestimmungen des Art. 1 Abs. 1, 2 VVG gelten sowohl für materiell-rechtliche als auch für prozessrechtliche Vorschriften.

Ansatzpunkte für eine Differenzierung nach Vorschriften des materiellen und des Prozessrechts sind nicht erkennbar und insbesondere nicht dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen. Weder der Begriff „Versicherungsverhältnisse“ in Art. 1 Abs. 1 EGVVG noch die Wörter „Versicherungsfall“ und „insoweit“ in Art. 1 Abs. 2 EGVVG weisen in die Richtung, dass prozessuale Normen ausgeklammert sein könnten. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 117 f.) folgt ebenfalls nicht zwingend ein entsprechender Wille des Gesetzgebers. Zu Art. 1 Abs. 2 EGVVG wird dort ausgeführt, dass „das Inkrafttreten des VVG zum 31. Dezember 2008 für Altverträge … im Hinblick auf bereits laufende Schadensfälle problematisch“ sei. Eine Unterscheidung zwischen materiellen und prozessualen Normen enthält diese Aussage nicht; sie folgt auch nicht daraus, dass der Gesetzgeber die Problematik im Anschluss daran anhand der Neuregelung der materiellrechtlichen Bestimmungen zu den Obliegenheitsverletzungen erläutert und dieses Problem durch die Weitergeltungsanordnung beseitigt sieht. Wie bereits der Blick in Art. 111 FGG-RG (Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) zeigt, sind Übergangsvorschriften auch im Verfahrensrecht nicht unüblich. Eine Abweichung von dem aus Sicht des Senats klaren Gesetzeswortlaut ist daher nicht gerechtfertigt (Senatsbeschl. v. 21.09.2010 - 1 W 39/10 - juris Tz. 11 m. umfangr. Nachw. zur Gegenmeinung; a.A. nunmehr auch OLG München, Urt. v. 04.03.2015 - 27 U 4374/14 = Anl. BK 12).

Ergänzend bemerkt der Senat, dass die Gegenmeinung, der zufolge Art. 1 Abs. 1, 2 EGVVG nicht für prozessrechtliche Vorschriften, also auch nicht für § 215 VVG n.F., gilt, zur Folge hätte, dass diese Bestimmung schon ab dem 01.01.2008 gelten würde, was hier am Ergebnis nichts ändern würde.

(b) Nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG gilt ab dem 01.01.2009 auch für Altverträge grundsätzlich das neue Versicherungsvertragsgesetz, soweit in Art. 1 Abs. 2 EGVVG oder in den Art. 2 bis 6 EGVVG nichts anderes bestimmt ist. Nach dem oben Gesagten ist daher grundsätzlich auch § 215 VVG n.F. anzuwenden, falls keine Ausnahmebestimmung greift.

Der - hier allein ernstlich in Betracht kommende - Art. 1 Abs. 2 EGVVG erfasst die vorliegende Fallkonstellation nicht. Hiernach bleibt das alte Versicherungsvertragsgesetz anwendbar, wenn bei Altverträgen ein Versicherungsfall bis zum 31.12.2008 eingetreten ist. Unmittelbar anwendbar ist Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht. Die Abwicklung eines Versicherungsfalls steht hier nicht in Rede.

Aber auch eine analoge Anwendung scheidet aus (so aber für Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB Klimke in Prölss/Martin, VVG 29. Aufl. § 215 Rdn. 3a, der allerdings - anders als der Senat - davon ausgeht, dass Art. 1 Abs. 2 EGVVG nicht für prozessuale Regelungen wie § 215 VVG n.F. gilt). Schon der Ausnahmecharakter der Bestimmung spricht gegen eine Analogie. Darüber hinaus steht ihr die vom Gesetzgeber mit dem intertemporalen Kollisionsrecht angestrebte Stärkung der Rechtsstellung des Versicherungsnehmers entgegen, wenn er noch in weiteren als den ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen daran gehindert wäre, den besonderen Gerichtsstand an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu wählen. Schließlich bedarf es auch nicht der Anwendung des Art. 1 Abs. 2 EGVVG, um sicherzustellen, dass bei Altverträgen das alte Versicherungsvertragsgesetz für den Vertragsschluss und das dabei zu beachtende Pflichtenprogramm fortgilt. In den Gesetzesmaterialien ist rechtlich zutreffend ausgeführt, dass auf Altverträge - schon kraft Natur der Sache - solche Vorschriften des neuen Versicherungsvertragsgesetzes nicht zur Anwendung kommen können, welche beim Abschluss des Vertrages zu beachten sind, und dass es insoweit keiner gesetzlichen Klarstellung bedarf, dass in diesen Fällen stattdessen die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Vorschriften einschlägig sind (BT-Drucks. 16/3945 S. 118). Das ist evident. Insbesondere die Wirksamkeit des Vertragsschlusses gemäß § 5a VVG a.F. kann sich naturgemäß nicht nach dem neuen Versicherungsvertragsgesetz richten, das den Vertragsschluss nach dem Policenmodell gar nicht mehr vorsieht. Gleiches gilt für von den Vertragsparteien zu beachtende Pflichten. So ist etwa anerkannt, dass bei vor dem 01.01.2008 vollendetem Vertragsschluss für die Frage, ob eine vorvertragliche Anzeigepflicht vorliegt, das alte Versicherungsvertragsgesetz, für die Rechtsfolgen hingegen das neue Versicherungsvertragsgesetz gilt (sog. Spaltungsmodell; vgl. Armbrüster in Prölss/Martin a.a.O. Art. 1 EGVVG Rdn. 11 m.w.N.). Einer (Teil-)Analogie zu Art. 1 Abs. 2 EGVVG bedarf es hierfür nicht. Eine Anwendbarkeit des § 215 VVG n.F. im Streitfall kraft Natur der Sache steht indessen nicht zur Debatte (vgl. - für § 5a VVG a.F. - OLG München, Urt. v. 08.01.2015 - 14 U 2110/14 - juris Tz. 14 ff.).

Darauf, ob der geltend gemachte Bereicherungsanspruch erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts entstanden ist (so - für die verjährungsrechtliche Anspruchsentstehung i.S. von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, die freilich Fälligkeit voraussetzt - BGH, Urt. v. 08.04.2015 - IV ZR 103/15 - juris Tz. 19 ff.), was insoweit ebenfalls gegen einen „Altfall“ spräche, kommt es infolgedessen nicht an.

(2) In sachlicher Hinsicht stellt die Vorschrift des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F. auf Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ab. Diese Begriffe sind weit auszulegen. Erfasst werden alle mit der Begründung und Durchführung des Versicherungsverhältnisses verbundenen Streitigkeiten. Hierzu gehören Ansprüche aus vorvertraglichem Verschulden ebenso wie bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Rückerstattung der Prämie nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. (vgl. OLG München, Urt. v. 08.01.2015 a.a.O. Tz. 18; Klimke a.a.O. Rdn. 4 m.w.N.). Bei der Frage der Anwendung des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F. ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Begriff der „Versicherungsvermittlung“ explizit in dessen Wortlaut aufgenommen wurde.

Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Klageantrag in erster Instanz und der hilfsweise gestellte Berufungsantrag (Zug-um-Zug-Leistung mit Feststellung des Annahmeverzugs) nicht mit der Geltendmachung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs nach Widerspruch zu korrespondieren scheinen.

bb) Aus § 22 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen folgt kein ausschließlicher Gerichtsstand. Daher kann dahinstehen, inwieweit hier die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach Widerspruch im Sinne von § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. überhaupt Verwendung fänden. Die Gerichtsstandsklausel verstößt nämlich gegen § 215 Abs. 3 VVG n.F. und ist somit unbeachtlich. Sie wird auch nicht durch Art. 23 EuGVVO a.F. zugelassen, da gerade kein Gericht eines Mitgliedstaats bestimmt wurde (OLG München, Urt. v. 08.01.2015 a.a.O. Tz. 19). Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig.

Dem von der Beklagten mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.07.2015 gestellten Antrag, dem Gerichtshof der Europäischen Union - im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens (Art. 265 AEUV) - unter anderem die Frage vorzulegen, ob unter Art. 23 EUGVVO a.F. auch die Derogation der Gerichte der Mitgliedstaaten verbunden mit der Prorogation des Gerichts eines Nichtmitgliedstaat fällt, gibt der Senat keine Folge.

Diese Frage hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits mit Urteil vom 09.11.2000 entschieden (Rs. C-387/98); es handelt sich mithin um einen sog. acte éclairé. Dort (zit. nach juris Tz. 19) heißt es zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des Europäischen Rechts in Art. 17 EuGVÜ (Brüsseler Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen und Handelssachen):

„Artikel 17 des Übereinkommens (ist) nicht auf eine Klausel anwendbar die als zuständiges Gericht ein Gericht eines Drittstaats bezeichnet. Wird ein Gericht im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats einer solchen Vereinbarung zum Trotz angerufen, so muss es die Wirkung der Abrede nach dem Recht - einschließlich dem Kollisionsrecht -beurteilen, das an seinem Sitz gilt …“

c) Darauf, inwieweit sich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten eine Gerichtsstandvereinbarung (§ 36 ZPO) ergibt, nach der der Kläger wahlweise das Landgericht Frankfurt a.M. anrufen könnte, kommt es nicht mehr an, wenngleich der Senat eine solche örtliche Zuständigkeit in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Regelung in § 22 Abs. 1 der Bedingungen („durch Vermittlung eines Versicherungsvertreters [im Gegensatz zum Versicherungsmakler] zustande gekommen“) nur schwerlich zu erkennen vermag.

2. Der Senat hebt das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache an das Landgericht Würzburg zurück. Es liegen die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO vor. Der Kläger hat Aufhebung und Zurückverweisung beantragt. Der Senat übt sein Ermessen mit dem diesem Antrag entsprechenden Ergebnis aus. Es wird voraussichtlich eine durchaus umfangreiche Beweisaufnahme zu den vom Kläger geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzungen und der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung erforderlich werden. Der klägerseits erhobene bereicherungsrechtliche Anspruch dürfte nach bisherigem Sach- und Streitstand dem Grunde nach gegeben sein; zur Anspruchshöhe ist nach der Erfahrung des Senats mit umfangreichem Parteivorbringen zu rechnen, was, sollte es hierauf ankommen, ebenfalls die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme zur Folge haben dürfte.

III.

Von einer Kostenentscheidung ist abzusehen (vgl. Heßler in Zöller a.a.O. § 538 Rdn. 58). Das aufhebende und zurückverweisende Urteil ist aber gemäß § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil nur so gewährleistet ist, dass aus der Kostenentscheidung erster Instanz nicht mehr vollstreckt werden kann (vgl. Heßler a.a.O. Rdn. 59 m.w.N.).

Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 ZPO). Die Frage der internationalen Zuständigkeit scheint ungeklärt. Es liegt eine Vielzahl von Entscheidungen anderer Gerichte vor, die in gleichartigen Fällen die internationale Zuständigkeit ablehnen, darunter zumindest auch eine Entscheidung eines Oberlandesgerichts, nämlich des Oberlandesgerichts Hamm (Hinweisbeschl. v. 12.11.2014 - I-20 U 120/14 [Anl. BB 8]).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14 zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 540 Inhalt des Berufungsurteils


(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen


(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem1.der Anspruch entstanden ist und2.der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des S

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 513 Berufungsgründe


(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. (2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt we

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 311 Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse


(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt. (2) Ein Schuldverhä

Zivilprozessordnung - ZPO | § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit


(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt: 1. wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;2. wenn es mit Rücksich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 538 Zurückverweisung


(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. (2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an d

FGG-Reformgesetz - FGG-RG | Art 111 Übergangsvorschrift


(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Ref

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 8 Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers; Verordnungsermächtigung


(1) Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und muss keine Begründung enthalten; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 215 Gerichtsstand


(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnliche

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 20. Aug. 2015 - 1 U 106/14 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Dez. 2011 - VI ZR 14/11

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VI ZR 14/11 Verkündet am: 20. Dezember 2011 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk:

Oberlandesgericht München Endurteil, 04. März 2015 - 27 U 4374/14

bei uns veröffentlicht am 04.03.2015

Tenor I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 07.10.2014 - samt dem Verfahren - aufgehoben und der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten de

Oberlandesgericht München Schlussurteil, 08. Jan. 2015 - 14 U 2110/14

bei uns veröffentlicht am 08.01.2015

Tenor 1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 09.04.2014, Az. 32 O 651/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.080,10 € nebst

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Apr. 2015 - IV ZR 103/15

bei uns veröffentlicht am 08.04.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR103/15 Verkündet am: 8. April 2015 Heinekamp Amtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VVG a.F. § 5a,

Referenzen

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VI ZR 14/11 Verkündet am:
20. Dezember 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Durch die Gewährung einer Nachlassstundung nach Art. 295 Abs. 1 Satz 1 des
Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbeitreibung und Konkurs wird ein inländischer
Rechtsstreit nicht unterbrochen.
BGH, Versäumnisurteil vom 20. Dezember 2011 - VI ZR 14/11 - OLG München
LG Landshut
Gegen das Urteil ist
Einspruch eingelegt
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Wellner, Pauge und Stöhr und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Zwischenurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Dezember 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der beklagten Aktiengesellschaft mit Sitz in Zürich Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrags.
2
Anfang 2003 rief ein Vertriebsbeauftragter der Beklagten den in Deutschland ansässigen Kläger unaufgefordert an und traf sich mit ihm am 20. März 2003 in Moosburg in Bayern. Der Kläger unterschrieb einen Anlageauftrag in Form einer Einmalanlage über 70.000 CHF "unter Anerkennung der AGB" der Beklagten "aufgrund des erteilten Vermögensverwaltungsauftrags". Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sehen Zürich als Gerichtsstand und Schweizer Recht als anwendbares Recht vor. Mit Schreiben vom 27. März 2003 teilte die Beklagte mit, dass sie sich freue, für den Kläger als schweizerische Vermögensverwaltung tätig zu sein. Sie lud den Kläger "für die Realisierung der Vermögensanlage" nach Zürich ein, um die Anlage auf seine "persönlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten" abzustimmen.
3
Am 7. April 2003 unterzeichneten der Kläger und ein Vertreter der Beklagten bei einem Gespräch in Zürich, bei dem auch die Anlagestrategie festgelegt wurde, einen Vermögensverwaltungsauftrag sowie einen Anlageauftrag über 248.000 CHF, auf dem vermerkt ist: "ersetzt Anlageauftrag vom 20. März 2003". In dem Vermögensverwaltungsauftrag ist erneut als Gerichtsstand Zürich und die Anwendbarkeit schweizerischen Rechts vorgesehen. Am 16. Mai 2003 erteilte der Kläger einen weiteren Auftrag für eine Einmalanlage von 50.000 CHF.
4
Im Jahr 2006 ließ sich der Kläger von der Beklagten sein Kapital auszahlen. Er wäre keine vertraglichen Beziehungen zur Beklagten eingegangen, wenn er gewusst hätte, dass die Beklagte keine Erlaubnis zur Vermögensverwaltung nach § 32 KWG besitzt. Er hätte stattdessen sein Kapital anderweitig angelegt und hierfür einen Zinssatz von jährlich 5 % erlöst.
5
Mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 gewährte das Bezirksgericht Zürich der Beklagten eine definitive Nachlassstundung, die es zuletzt bis zum 12. Dezember 2011 verlängerte. Die Gläubigerversammlung nahm einen Nachlassvertrag an. Das Bezirksgericht Zürich hat Termin zur Verhandlung über die Bestätigung des Nachlassvertrages bestimmt auf den 11. Januar 2012.
6
Der Kläger hat von der Beklagten zunächst 36.019,94 € Schadensersatz verlangt. Das Landgericht hat sich als international nicht zuständig angesehen und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Der Kläger hat im Berufungsrechtszug die Klage teilweise zurückgenommen und noch 34.812,44 € verlangt. Das Berufungsgericht hat durch Zwischenurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit seit 11. Oktober 2010 unterbrochen sei. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren aus der Berufungsinstanz weiter; hilfsweise beantragt er festzustellen, dass der Rechtsstreit nicht unterbrochen ist.

Entscheidungsgründe:

I.

7
Das Berufungsgericht bejaht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Es bestehe der internationale Gerichtsstand für Verbrauchersachen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, Art. 14 Abs. 1 Fall 2 des Luganer Übereinkommens vom 16. September 1988 (BGBl. II 1994, S. 2658, im Folgenden : LugÜ I). Der Kläger habe im Inland die zum Abschluss des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen, indem er beim Besuch des Vertriebsbeauftragten am 20. März 2003 in Moosburg alles getan habe, um den Vertragsschluss sowie die getätigte Anlage herbeizuführen. Der Kläger habe einen Vermögensverwaltungsauftrag, der Grundlage des Anlageauftrags sein sollte, zumindest mündlich erteilt. Der am 7. April 2003 in Zürich unterschriebene Vermögensverwaltungsvertrag sei eine Konkretisierung des Vermögensverwaltungsvertrages vom 20. März 2003 und keine Neubegründung des Schuldverhältnisses. Ebenso sei der am 7. April 2003 in Zürich erteilte Anlageauftrag, der den Anlageauftrag vom 20. März 2003 "ersetzen" sollte, eine Änderung des früheren Anlageauftrags, die ihre Grundlage im Vermögensverwaltungsvertrag habe, und keine Novation. Auch soweit der Kläger seinen Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 Abs. 1 KWG stützte, mache er einen Anspruch "aus einem Vertrag" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 LugÜ I geltend. Es reiche aus, dass sich der Schadensersatzanspruch allgemein auf einen Vertrag beziehe und die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhende Klage eine so enge Verbindung zu dem Vertrag aufweise, dass sie von ihm nicht getrennt werden könne. Dies sei bei dem hier geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Verstoßes gegen die Erlaubnispflicht des § 32 KWG, die sich an den Finanzdienstleister als Vertragsschließenden richte, der Fall. Der Gerichtsstand für Verbrauchersachen sei nicht wirksam durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten abbedungen worden, weil Art. 15 Nr. 1 LugÜ I Gerichtsstandvereinbarungen erst nach Entstehung der Streitigkeit zulasse.
8
Das Berufungsgericht hält den Rechtsstreit durch die definitive Nachlassstundung gemäß § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO für unterbrochen. Das Nachlassverfahren nach Art. 293 ff. des Schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) sei als Insolvenzverfahren im Sinne von § 352 Abs. 1, § 343 Abs. 1 InsO zu qualifizieren. Die Unterbrechungswirkung trete unabhängig davon ein, dass der Insolvenzschuldner nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats seine Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis verliere. Auch der Umstand, dass die Gewährung der Nachlassstundung nach schweizerischem Recht zu keiner Unterbrechung von Prozessen führe, sei unerheblich. Der Wortlaut der §§ 352, 343 InsO lasse nicht erkennen, dass die Unterbrechungswirkung im Inland davon abhänge, dass eine solche Wirkung auch im Staat der Insolvenzeröffnung eintrete. Die Bedeutung des § 352 InsO bestehe gerade darin, dass die Unterbrechungswirkung eines inländischen Rechtsstreits unabhängig vom Recht des Insolvenzeröffnungsstaats eintrete. Die Unterbrechung diene - ebenso wie die Unterbrechung nach § 240 ZPO im Fall der Eigenverwaltung nach § 270 InsO - auch bei ausländischen Insolvenzverfahren der Ermöglichung eines störungsfreien Ablaufs des Verfahrens. So habe auch im Streitfall die Unterbrechung den Sinn, im Nachlassverfahren dem Schuldner unter Aufsicht und eventuell Mitwirkung des Sachwalters eine Prüfungs - und Überlegungsfrist einzuräumen, wie er sich im betroffenen Rechtsstreit verhält.

II.

9
Über die Revision des Klägers ist, da die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden , das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81).
10
Die Revision ist statthaft und auch ansonsten zulässig. Ein Zwischenurteil , das die Unterbrechung des Rechtsstreits feststellt, hat die Wirkung, dass der Kläger auf unbestimmte Zeit - während der Dauer der Nachlassstundung in der Schweiz - seine Ansprüche gegen die Beklagte in dem anhängigen Rechtsstreit nicht weiterverfolgen kann. Ein solches Urteil ist wie ein Endurteil anfechtbar , da es die rechtssuchende Partei in vergleichbarer Weise beschwert (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2004 - IX ZR 281/03, ZIP 2004, 2024; vom 21. Oktober 2004 - IX ZB 205/03, ZIP 2004, 2399, 2400 und vom 10. November 2005 - IX ZB 204/04, WM 2006, 202, 203; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rn. 3).
11
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht Stand.
12
1. Es ist allerdings nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Unterbrechungswirkung durch Zwischenurteil festgestellt hat. Entgegen der Auffassung der Revision steht der Umstand, dass die Parteien zuletzt übereinstimmend der Ansicht waren, dass keine Unterbrechung eingetreten sei und deshalb kein Zwischenstreit, wie ihn § 303 ZPO voraussetzt, bestanden habe, einer solchen Entscheidung nicht entgegen. Denn die Frage der Unterbrechung eines Rechtsstreits betrifft eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., vor § 239 Rn. 5). Sie wirkt unabhängig vom Vortrag der Parteien und den von ihnen geäußerten Rechtsansichten. Anderenfalls wäre es den Parteien verwehrt, die Auffassung des Gerichts , ein Rechtsstreit sei unterbrochen, zur Überprüfung durch die höhere Instanz zu stellen.
13
Das von der Revision herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. Oktober 1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209 vermag keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen. Dort wurde die Zulässigkeit des Zwischenurteils bejaht, weil die Frage der Unterbrechung unter den dortigen Parteien im Streit stand (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1981 - II ZR 129/80, BGHZ 82, 209, 218). Daraus lässt sich jedoch nicht der Umkehrschluss ziehen, dass ein Zwischenurteil unzulässig ist, wenn die Parteien über eine Unterbrechung nicht streiten.
14
2. Die Revision wendet sich nicht gegen die zutreffende Annahme des Berufungsgerichts, dass die deutschen Gerichte international zuständig seien, was auch im Revisionsrechtszug von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. Senatsurteil vom 2. März 2010 - VI ZR 23/09, BGHZ 184, 313 Rn. 7).
15
a) Zwar bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nicht nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (LugÜ I). Vielmehr ist bereits das Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (LugÜ II), anwendbar. Gemäß Art. 63 Abs. 1 LugÜ II sind die Vorschriften dieses Übereinkommens auf Klagen anzuwenden, die erhoben worden sind, nachdem dieses Übereinkommen im Ursprungsstaat in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen ist für die Europäische Gemeinschaft am 1. Januar 2010 in Kraft getreten (BGBl. I 2009 S. 2862; vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 16). Im Streitfall wurde Klage am 17. Januar 2010 erhoben.
16
Das Übereinkommen findet gemäß Art. 64 Abs. 2 Buchst. a LugÜ II mit Vorrang vor dem nationalen Prozessrecht Anwendung (vgl. zu Art. 54b Abs. 2 Buchst. a LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 9; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 16; BGH, Urteil vom 21. November 1996 - IX ZR 264/95, BGHZ 134, 127, 133).
17
Für die Auslegung gelten dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ), der EuGVVO und des LugÜ I, da sich die Unterzeichnerstaaten zu einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen verpflichtet haben (vgl. Art. 1 Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss; vgl. zum LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; vgl. EuGH, Gutachten vom 7. Februar 2006 - 1/03, Slg. 2006 S. I-1145 Rn. 19). Dabei ist zu beachten, dass die im Übereinkommen verwendeten Begriffe grundsätzlich autonom, d.h. ohne Rückgriff auf die lex fori oder lex causae auszulegen sind, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens zu berücksichtigen sind, um die einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu gewährleisten (vgl. Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 11; vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 10; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 Rn. 17; vgl. zum EuGVÜ: EuGH, Urteile vom 11. Juli 2002 - Rs. C-96/00, Slg. 2002 S. I-6367, Gabriel Rn. 37; vom 20. Januar 2005 - Rs. C-27/02, Slg. 2005 S. I-499, Engler, Rn. 33; zur EuGVVO: EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 55).
18
b) Für das vom Kläger verfolgte Schadensersatzbegehren aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG ergibt sich die internationale Zuständigkeit der deut- schen Gerichte aus Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II (Zuständigkeit für Verbrauchersachen).
19
aa) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ausgeschlossen. Dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten Zürich als Gerichtsstand vorsehen, schließt die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Wohnsitzstaat des Verbrauchs hier nicht wirksam aus. Denn gemäß Art. 17 LugÜ II (früher Art. 15 LugÜ I) kann von den Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen im Wege der Vereinbarung nur dann abgewichen werden, wenn die Vereinbarung nach der Entstehung der Streitigkeit getroffen wird, dem Verbraucher lediglich zusätzliche Klagemöglichkeiten eröffnet oder die Gerichte des Staats für zuständig erklärt, in dem beide Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. So liegt der Streitfall nicht.
20
bb) Die Voraussetzungen der Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II sind hier erfüllt. Danach kann ein Verbraucher eine Klage vor den Gerichten des Vertragsstaats erheben, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, wenn der andere Vertragspartner im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt.
21
(1) Der Kläger schloss den Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten als Verbraucher im Sinne von Art. 15 Abs. 1 LugÜ II ab. Unter einem Verbraucher ist dabei eine Person zu verstehen, die zu einem Zweck tätig wird, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Vertrag diente der Anlage und Verwaltung des privaten Vermögens des Klägers und kann deshalb nicht seiner gewerblichen oder beruflichen Tä- tigkeit zugerechnet werden (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 22).
22
(2) Der auf § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG gestützte Anspruch ist als Anspruch aus einem solchen Vertrag zwischen Verbraucher und seinem Vertragspartner zu qualifizieren. Art. 15 Abs. 1 LugÜ II, der Art. 15 Abs. 1 EuGVVO nachgebildet ist, ist anwendbar, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch mit einem Verbrauchervertrag in Verbindung steht; der Vertrag muss im Gegensatz zur Rechtslage nach Art. 13 Abs. 1 EuGVÜ bzw. Art. 13 Abs. 1 LugÜ I keine synallagmatischen Verpflichtungen mehr begründen (EuGH, Urteil vom 14. Mai 2009 - Rs. C-180/06, Slg. 2009 S. I-3961, Ilsinger, Rn. 51 f.). Für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands gemäß Art. 15 Abs. 1 LugÜ II ist nicht die Geltendmachung eines vertraglichen Anspruchs im engeren Sinn erforderlich. Vielmehr genügt es, dass sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. zu Art. 13 LugÜ I Senatsurteile vom 5. Oktober 2010 - VI ZR 159/09, BGHZ 187, 156 Rn. 23; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10, NJW 2011, 2809 Rn. 32).
23
Im Streitfall weist der geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB, § 32 KWG die für die Begründung des Verbrauchergerichtsstands erforderliche enge Verbindung zu dem mit der Beklagten geschlossenen Vertrag auf. Der Kläger macht geltend, ihm sei dadurch ein Vermögensschaden entstanden, dass er sich auf einen Vertrag mit der Beklagten eingelassen habe, den er nicht geschlossen hätte, wenn er gewusst hätte, dass der Vertrag gegen ein ihn schützendes gesetzliches Verbot verstoße. Das Klagebegehren kann vom Vertrag nicht getrennt werden.
24
(3) Ob die Beklagte ihre berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in Deutschland ausgeübt hat, kann offen bleiben, denn sie hat ihre Tätigkeit zumindest auf irgendeinem Wege auf Deutschland ausgerichtet. Kernstück der Neuregelung in Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO, dem Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II nachgebildet ist, ist der Begriff des Ausrichtens einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Der Gewerbetreibende richtet seine Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers aus, wenn er seinen Willen zum Ausdruck bringt, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern in diesem Staat herzustellen (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 75; BGH, Urteil vom 29. November 2011 - XI ZR 172/11, z.V.b. WM 2012, 36, Rn. 21, zu Art. 15 EuGVVO). Erfasst werden sollte unter anderem die gezielt auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers gerichtete Werbung. Deshalb kommt es - anders als nach bisherigem Recht (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EuGVÜ bzw. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b LugÜ I) - auf den Ort des Vertragsschlusses oder der Vornahme der dafür erforderlichen Rechtshandlungen nicht an (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2010 - Rs. C-585/08, NJW 2011, 505 Rn. 60; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht , 3. Aufl., Art. 15 Rn. 35). Denn nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. c EuGVVO bzw. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II wird die notwendige Verbindung zum Staat des Verbrauchers schon dadurch geschaffen, dass dessen Vertragspartner seine Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 71/08, NJW 2009, 298 Rn. 8). Weiter setzt das "Ausrichten" der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers voraus, dass der Verbraucher dort zum Vertragsschluss zumindest motiviert worden ist, auch wenn der Vertragsschluss selbst nicht in dem Wohnsitzstaat erfolgt (BGH, Beschluss vom 17. September 2008 - III ZR 71/08, NJW 2009, 298 Rn. 11).
25
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts rief ein Vertriebsbeauftragter der Beklagten den Kläger unaufgefordert an und besuchte ihn am 20. März 2003 in Deutschland. Hierin kommt der Wille der Beklagten, Kunden in Deutschland zu gewinnen, zum Ausdruck. Diese Tätigkeit war auch die entscheidende Ursache für den Entschluss des Klägers, vertragliche Beziehungen mit der Beklagten einzugehen. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob am 7. April 2004 in Zürich ein neuer Vertrag geschlossen wurde. Jedenfalls war die vorangegangene Tätigkeit des Vertriebsbeauftragten der Beklagten in Deutschland ursächlich dafür, dass sich der Beklagte am 7. April 2004 in die Schweiz begab und dort einen Vertrag mit der Beklagten unterzeichnete.
26
(4) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag fällt in den Bereich der von der Beklagten auf Deutschland ausgerichteten Tätigkeit. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c LugÜ II kommt nur zur Anwendung, wenn der konkret geschlossene Vertrag in den Bereich der Tätigkeit fällt, die der Vertragspartner in dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausübt oder auf diesen ausrichtet (Geimer in Geimer /Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., Art. 15 Rn. 39).
27
Davon ist im Streitfall auszugehen. Die Beklagte wurde in Deutschland aktiv, um Vermögensverwaltungsverträge zu schließen oder zumindest anzubahnen.
28
c) Für das Luganer Übereinkommen II besteht - im Gegensatz zum Luganer Übereinkommen I (vgl. dazu Senatsurteile vom 27. Mai 2008 - VI ZR 69/07, BGHZ 176, 342 Rn. 9; vom 31. Mai 2011 - VI ZR 154/10 Rn. 17; EuGH, Gutachten vom 7. Februar 2006 - 1/03, Slg. 2006 S. I-1145 Rn. 19) - eine Auslegungszuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (Präambel zum Protokoll 2 nach Art. 75 LugÜ II über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens und den ständigen Ausschuss, ABl. EU 2007, L 339, S. 27; Rauscher /Staudinger, 2011, Einl. LugÜ II Rn. 29; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., Art. 1 EUGVVO Rn. 17). Eine Vorlage an diesen nach Art. 267 Abs. 2, 3 AEUV ist aber hier nicht geboten, weil die richtige Anwendung des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1 Fall 2 LugÜ II, das Teil des Gemeinschaftsrechts ist, derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34; Urteil vom 13. Januar 2011 - III ZR 146/10, NJW 2011, 1509 Rn. 35).
29
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , der Rechtsstreit sei infolge der Nachlassstundung unterbrochen. Denn die Annahme einer Unterbrechungswirkung im Inland ist nicht gerechtfertigt , wenn das ausländische Insolvenzverfahren, wie hier, nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaates keinerlei Wirkungen auf einen anhängigen Rechtsstreit entfaltet.
30
Für die Entscheidung des Zwischenstreits über die Unterbrechung sind die prozessualen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel maßgeblich (vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 8). Die Nachlassstundung dauert derzeit noch an. Mit Verfügung vom 11. Oktober 2010 hat das Bezirksgericht Zürich der Beklagten eine definitive Nachlassstundung gewährt, die es zuletzt bis zum 12. Dezember 2011 verlängert hat. Die Gläubigerversammlung hat einen Nachlassvertrag angenommen. Das Bezirksgericht Zürich hat Termin zur Verhandlung über die Bestätigung des Nachlassvertrages auf den 11. Januar 2012 bestimmt. Auch nach Ablauf der Frist wirkt die Nachlassstundung noch bis zur Publikation des Entscheids über die Bestätigung des Nachlassvertrages fort (Art. 308 Abs. 2 SchKG), wenn der Sachwalter vor Ablauf der Frist die Akten mit seinem Gutachten dem Nachlassgericht vorlegt (Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 25. Oktober 1958, BGE 84 III 117, 118 f.; Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 295 Rn. 11; Jaeger, SchKG, 4. Aufl., Art. 295 Rn. 6; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 297 Rn. 4).
31
a) Die Frage, ob eine Nachlassstundung nach schweizerischem Recht zur Unterbrechung eines inländischen Rechtsstreits führt, bestimmt sich nach §§ 343, 352 Abs. 1 Satz 1 InsO und nicht nach der Übereinkunft zwischen dem schweizerischen Kanton Zürich u. a. und dem Königreich Bayern über gleich- mäßige Behandlung der gegenseitigen Staatsangehörigen in Konkursfällen vom 11. Mai / 27. Juni 1834. Diese Übereinkunft gilt zwar für das Gebiet des heutigen Freistaats Bayern und der beteiligten Kantone bis heute (vgl. Blaschczok, ZIP 1983, 141; Bürgi, Festschrift 100 Jahre SchKG, 1989, S. 175, 181 f.; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003, S. 171 f.; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 20 Rn. 19). Die Übereinkunft enthält aber keine für die Entscheidung der Streitfrage maßgeblichen Regelungen. Die im Übereinkommen geregelten Konkursfälle umfassen nicht die hier in Rede stehende Nachlassstundung.
32
b) Zutreffend hat das Berufungsgericht das Nachlassverfahren als Insolvenzverfahren im Sinne von §§ 343, 352 Abs. 1 Satz 1 InsO qualifiziert.
33
aa) Der Eintritt der Unterbrechung (§ 352 Abs. 1 Satz 1 InsO) bzw. die Anerkennung des ausländischen Verfahrens nach § 343 InsO setzen voraus, dass ein "Insolvenzverfahren" vorliegt. Als ein solches Verfahren werden Auslandsverfahren nicht völlig schrankenlos anerkannt, sondern nur, wenn damit in etwa die gleichen Ziele verfolgt werden wie mit den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Verfahren (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8; vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 19; BT-Drucks. 15/16, S. 21). Den in § 1 InsO formulierten Zielen des Insolvenzverfahrens dienen neben Verfahren, die in erster Linie auf alsbaldige Liquidation des Schuldnervermögens angelegt sind, auch solche, durch die - wie bereits im früheren deutschen Vergleichsverfahren - der Bestand eines Unternehmens trotz bestehender Insolvenzgründe erhalten werden soll, sofern mit diesem Verfahren auch das Ziel der Befriedigung der Gläubiger verfolgt wird (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8; BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 20; Anders in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 240 Rn. 4; vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 236; vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1996 - IX ZR 339/95, BGHZ 134, 79, 82 ff.).
In der Insolvenzordnung ist diese Zielsetzung durch Anerkennung solcher Verfahren als Insolvenzverfahren verwirklicht, bei denen die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger nicht nur in der Weise bewirkt wird, dass das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird, sondern auch dadurch, dass in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 InsO; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 8).
34
bb) Das in Art. 293 ff. des Schweizerischen Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelte Nachlassverfahren bezweckt die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger und entfaltet Wirkungen, wie sie für ein Insolvenzverfahren typisch sind.
35
Das Nachlassverfahren ist in der schweizerischen Rechtsordnung ein Sanierungsverfahren, das darauf abzielt, das Vermögen des Schuldners bestmöglich zu erhalten und dadurch die Gläubiger besser zu stellen als im Konkursverfahren (vgl. Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 293 Rn. 2; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 293 Rn. 1).
36
Die Bewilligung der Nachlassstundung, durch die das Verfahren eröffnet wird, hat ähnliche Wirkungen wie die Konkurseröffnung und der Pfändungsvollzug (vgl. Spühler/Dolge, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht II, 5. Aufl., Rn. 404 ff.): Es sind unverzüglich die zur Erhaltung des schuldnerischen Vermögens notwendigen Anordnungen zu treffen (Art. 293 Abs. 3 SchKG); es muss ein Sachwalter bestimmt werden, der die Handlungen des Schuldners, insbesondere die Fortführung der Geschäftstätigkeit, falls und soweit sie dem Schuldner überhaupt überlassen wird, überwacht (Art. 295 Abs. 1, Abs. 2, Art. 298 Abs. 1 SchKG); eine Betreibung (Zwangsvollstreckung) gegen den Schuldner kann weder eingeleitet noch fortgesetzt werden, Verjährungs- und Verwirkungsfristen stehen still, der Zinsenlauf für alle nicht pfandgesicherten Forderungen hört auf, und für die Verrechnung gelten die Vorschriften des Kon- kursverfahrens, wobei an die Stelle der Konkurseröffnung die Bekanntmachung der Nachlassstundung tritt (Art. 297 SchKG); weder darf Anlagevermögen vom Schuldner veräußert oder belastet, noch dürfen Pfänder bestellt, Bürgschaften eingegangen oder unentgeltliche Verfügungen getroffen werden (Art. 298 Abs. 2 SchKG); für die Berechnung der Frist zur Anfechtung von Rechtshandlungen ist nach Art. 331 Abs. 2 SchKG anstelle der Konkurseröffnung oder der Pfändung die Bewilligung der Nachlassstundung maßgeblich (Schweizerisches Bundesgericht, Urteil vom 15. Dezember 1998, BGE 125 III 154, 157 f.; Jaeger, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., Art. 297 Rn. 7).
37
c) Voraussetzung für die Inlandswirkung eines ausländischen Insolvenzverfahrens ist, dass das ausländische Insolvenzverfahren eine extraterritoriale Geltung beansprucht (BT-Drucks. 12/2443, S. 241; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht , 6. Aufl., Rn. 3512a; Graf, Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen , 2003, S. 286 ff.). Nach schweizerischem Recht hat die Nachlassstundung ebenso wie der Konkurs Auslandswirkung (Spühler/Dolge, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht II, 5. Aufl., Rn. 408).
38
d) Die in § 343 Abs. 1 Satz 2 InsO genannten Hindernisse für eine Anerkennung liegen nicht vor.
39
Die schweizerischen Gerichte sind nach deutschem Recht für Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zuständig (vgl. § 343 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO). In Ermangelung vorrangiger Kollisionsnormen ist zu fragen, ob unter gleichsam "spiegelbildlicher" Zugrundelegung deutscher Zuständigkeitsnormen ein Gericht des Staats, in dem die Entscheidung ergangen ist, international zuständig wäre (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - IX ZR 229/91, BGHZ 120, 334, 337 mwN; Kemper/Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 343 Rn. 11 (Stand August 2008); Lüer in Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 343 Rn. 7). Grundsätzlich verteilen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht nur die Rechtsprechungsaufgaben auf die einzelnen deutschen Gerichte nach örtlichen Gesichtspunkten, sondern legen mittelbar auch den Umfang der internationalen Zuständigkeit fest (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 20; BAG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06, ZIP 2007, 2047 Rn. 24). Die internationale Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte für Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten ergibt sich hier entsprechend § 3 InsO, denn sie hat ihren Sitz in der Schweiz.
40
e) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Unterbrechung des Rechtsstreits sei nicht davon abhängig, dass nach dem ausländischen Recht die Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis vom Schuldner auf eine dritte Person übergeht, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Eine Ansicht macht zwar eine Unterbrechung von einem solchen Übergang der Prozessführungsbefugnis abhängig (FK-InsO/Wenner/Schuster, 5. Aufl., § 352 Rn. 6; Geimer , Internationales Zivilprozessrecht, 6. Aufl., Rn. 3529; MünchKommBGB /Kindler, 5. Aufl., § 352 InsO Rn. 13; MünchKommZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 240 Rn. 11; Saenger/Wöstmann, ZPO, 4. Aufl., § 240 Rn. 5; Wenner in Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8. Aufl., § 20 Rn. 238). Nach überwiegender Ansicht soll aber ein in Deutschland geführter Rechtsstreit auch dann unterbrochen werden, wenn nach dem Recht des Staats der Insolvenzeröffnung ein Wechsel der Prozessführungsbefugnis nicht erfolgt (BT-Drucks. 12/2443, S. 244; BGH, Urteil vom 13. Oktober 2009 - X ZR 79/06, ZIP 2009, 2217 Rn. 13; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20. Februar 2007 - 5 U 24/05, ZIP 2007, 932, 934; Dahl in Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl., § 352 Rn. 3; Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht, 7. Aufl., Rn. 2680; Gottwald /Kolmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 133 Rn. 53; Holzer in Wimmer/Dauernheim/Wagner/Gietl, Handbuch des Fachanwalts Insolvenzrecht , 2010, Kapitel 11 Rn. 96; Kolmann, Kooperationsmodelle im Internationalen Insolvenzrecht, 2001, S. 191 ff.; Kreft/Stephan, InsO, 6. Aufl., § 352 Rn. 5; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrens- rechts, 2004, S. 102 f.; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 240 Rn. 4; Stephan in Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 352 Rn. 5; vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Oktober 2007 - 16 W 24/07, ZIP 2007, 2287, 2288). Diese Ansicht trifft zu.
41
Schon der Wortlaut des § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO setzt einenWechsel der Prozessführungsbefugnis nicht voraus. Auch nach dem Willen des Gesetzgebers erfordert die Unterbrechung nach § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO keinen Wechsel der Prozessführungsbefugnis im Insolvenzeröffnungsstaat. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345) eingeführt. Der Gesetzgeber lehnte sich dabei eng an die im Regierungsentwurf zur Insolvenzordnung vorgesehenen Regelungen zum internationalen Insolvenzrecht an (BT-Drucks. 15/16, S. 13 f.). In der Gesetzesbegründung zu § 391 des Entwurfs, der hinsichtlich der hier relevanten Frage dem geltenden § 352 Abs. 1 Satz 1 InsO entspricht, wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Unterbrechung des inländischen Verfahrens auch eintrete, wenn die ausländische Rechtsordnung dem Schuldner die Befugnis zur Fortführung eines anhängigen Prozesses belässt (BT-Drucks. 12/2443, S. 244).
42
Dass es auf einen Wechsel der Prozessführungsbefugnis nicht ankommt, wird weiter dadurch bestätigt, dass eine Unterbrechung nach § 240 ZPO nicht zwingend einen Wechsel der Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis voraussetzt. So wird ein Prozess auch im Fall der Eigenverwaltung gemäß § 270 InsO unterbrochen (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff.). Die durch die Unterbrechung bewirkte Überlegungsfrist benötigt auch ein Insolvenzschuldner, der sein Vermögen selbst verwaltet. Denn er darf sein bisheriges Prozessverhalten nicht ohne weiteres beibehalten; vielmehr hat er nach der Insolvenzeröffnung ausschließlich die Interessen seiner Gläubiger zu wahren und eigene Interessen zurückzustellen; zudem kann eine Abstimmung mit dem Sachwalter (vgl. § 274 Abs. 2, § 279 InsO) erforderlich werden (BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 8).
43
f) Soweit das Berufungsgericht allerdings eine Unterbrechung des vorliegenden Rechtsstreits selbst dann annehmen will, wenn das ausländische Insolvenzverfahren , wie hier, nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats weder einen Übergang der Prozessführungsbefugnis vorsieht noch eine Unterbrechungswirkung beansprucht oder sich in sonstiger Weise auf den Fortgang anhängiger Prozesse auswirkt, kann dem nicht gefolgt werden.
44
Die Frage, ob im Inland eine Unterbrechungswirkung angenommen werden kann, wenn das ausländische Insolvenzrecht eine solche nicht kennt, wird unterschiedlich beantwortet. Eine Ansicht lehnt eine Unterbrechung des in Deutschland geführten Rechtsstreits dann ab, wenn das ausländische Recht eine Unterbrechung nicht vorsieht (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 240 Rn. 3a; Musielak/Stadler, ZPO, 8. Aufl., § 240 Rn. 4). Nach der Gegenansicht soll es auf die Frage, ob das ausländische Insolvenzverfahren eine solche Wirkung hat, generell nicht ankommen (Braun/Liersch, InsO, 4. Aufl., § 352 Rn. 2; FK-InsO/Wenner/Schuster, 5. Aufl., § 352 Rn. 6; Gottwald/Kohlmann, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 133 Rn. 53; Liersch, NZI 2003, 302, 308; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts , 2004, S. 101 f.; Pannen in Blersch/Goetsch/Haas, InsO, § 352 Rn. 4 (Stand April 2008); Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 240 Rn. 6).
45
Die Frage kann im Streitfall letztlich offen bleiben. Zwar kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob das ausländische Prozessrecht seinerseits gerade eine automatische Unterbrechungswirkung wie § 240 ZPO vorsieht, denn die Unterbrechung des Verfahrens ist keine Frage des Insolvenzrechts, sondern des Prozessrechts und wird deswegen grundsätzlich durch das Recht des jeweiligen Prozessgerichts beantwortet (BGH, Beschluss vom 26. Novem- ber 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, S. 101). So kann eine Unterbrechungswirkung oft die unvermeidliche Folge eines Übergangs der Prozessführungsbefugnis sein, auch wenn das ausländische Insolvenzrecht keine automatische Unterbrechungswirkung vorsieht (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660). Im Streitfall liegt nach dem ausländischen Recht jedoch auch kein Übergang der Prozessführungsbefugnis vor. Die Bewilligung der Nachlassstundung hat in der Schweiz keinen Einfluss auf die Fortsetzung von Zivilprozessen (vgl. Hunkeler/Hardmeier, SchKG, 2008, Art. 297 Rn. 7; Jaeger, SchKG, 4. Aufl., Art. 297 Rn. 24; Vollmar in Staehelin/Bauer/Staehelin, SchKG, 1998, Art. 297 Rn. 10). Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Schweizer Nachlassstundung im Ausland eine Unterbrechungswirkung beansprucht (vgl. zur Auslandswirkung fremden Insolvenzrechts BGH, Urteil vom 27. Mai 1993 - IX ZR 254/92, BGHZ 122, 373, 376). Jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaats das Insolvenzverfahren keinerlei Einfluss auf anhängige Rechtsstreitigkeiten haben soll, ist die Annahme einer Unterbrechung in Deutschland nicht gerechtfertigt.
46
g) Schließlich erfordern auch die Interessen der Parteien im nationalen Zivilprozess keine Unterbrechung. § 352 Abs. 1 InsO soll wie § 240 ZPO dem infolge der Insolvenzeröffnung eintretenden Wechsel der Prozessführungsbefugnis Rechnung tragen und sowohl dem Insolvenzverwalter als auch den Parteien Gelegenheit geben, sich auf die durch die Insolvenz veränderte rechtliche und wirtschaftliche Lage einzustellen (BGH, Beschluss vom 26. November 1997 - IX ZR 309/96, ZIP 1998, 659, 660, Kempter/Paulus in Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 352 Rn. 1 (Stand August 2008)). Soweit, wie hier, ein Wechsel in der Prozessführungsbefugnis nicht erfolgt, beschränkt sich das Interesse der Parteien darauf, sich auf die infolge der Insolvenz des Schuldners geänderte Situation einzustellen. Diesem Interesse muss aber nicht zwingend durch eine Un- terbrechung, die unabhängig vom Willen der Parteien eintritt, Rechnung getragen werden. Eine ausreichende Überlegungszeit kann regelmäßig auch durch die Gewährung von Fristverlängerungen (§ 224 Abs. 2 ZPO) und Terminsverlegungen (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO) erreicht werden. Galke Wellner Pauge Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 31.05.2010 - 23 O 2478/09 -
OLG München, Entscheidung vom 22.12.2010 - 20 U 3526/10 -

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhebungsverfahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren in Familiensachen, die am 1. September 2009 ausgesetzt sind oder nach dem 1. September 2009 ausgesetzt werden oder deren Ruhen am 1. September 2009 angeordnet ist oder nach dem 1. September 2009 angeordnet wird, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

(4) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, die am 1. September 2009 vom Verbund abgetrennt sind oder nach dem 1. September 2009 abgetrennt werden, die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Alle vom Verbund abgetrennten Folgesachen werden im Fall des Satzes 1 als selbständige Familiensachen fortgeführt.

(5) Abweichend von Absatz 1 Satz 1 sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen am 31. August 2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen ab dem 1. September 2010 die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.

Tenor

I.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 07.10.2014 - samt dem Verfahren - aufgehoben und der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

II.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche aufgrund behaupteter Falschberatung im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung geltend und begehrt die Rückzahlung einer Versicherungsprämie in Höhe von 16.000,- Euro.

Am 25.08.2004 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann bei der Beklagten, die ihren Sitz in Liechtenstein hat, die Versicherung in der Anlagevariante „Prime Life One Portfolio 124 Dynamic“ ab.

Die zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 13.12.2013 im Landgerichtsbezirk Augsburg wohnhafte Klägerin erhob Klage zum Landgericht Augsburg.

Mit Urteil des Landgerichts Augsburg vom 07.10.2014 wurde die Klage als unzulässig abgewiesen, da das Landgericht Augsburg international und örtlich nicht zuständig sei. Eine Zuständigkeit ergebe sich weder aus § 215 VVG n. F. noch Artikel 9 Abs. 2 EuGVVO noch aus § 32 ZPO.

Die Klägerin beantragt,

Der Rechtsstreit wird unter Aufhebung des angefochtenen Urteils (Az.: 22 O 4730/13) an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

Die Beklagte beantragt,

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Im Übrigen ist das Urteil abgekürzt gemäß § 540 Abs. 2 i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

ii. Die zulässige Berufung ist begründet. Der Rechtsstreit war gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.

1. Die Klage zum Landgericht Augsburg ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Augsburg international und örtlich zuständig gemäß § 215 VVG n. F..

a. Nach § 215 Abs. 1 VVG n. F. ist für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung (auch) das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der 27 U 4374/14 - Seite 3 Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz hat.

b. Die Gerichtsstandsbestimmung des § 215 Abs. 1 VVG n. F. ist auch anwendbar auf sogenannte Altfälle, deren Abschluss des Versicherungsvertrages oder deren Versicherungsvermittlung vor dem Inkrafttreten der Neuregelung zum 01.01.2008 lag. Bei der Norm des § 215 Abs. 1 VVG n. F. handelt es sich um eine zivilprozessuale Zuständigkeitsregelung, bei der das Stichtagsprinzip gilt. Das Problem der Rückwirkung stellt sich nur bei Regelungen zum materiellen Recht. Der Gesetzgeber hat bei der auf Verbraucherschutzgesichtspunkten beruhenden Norm des § 215 Abs. 1 VVG n. F. keinerlei Ausnahme aufgenommen, so dass sich schon deswegen eine Unterscheidung in Alt- und Neufälle verbietet. Aus den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 16/3945, 20.12.2006) ergibt sich sowohl zu § 215 VVG als auch zu Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG, dass eine Einschränkung von § 215 VVG auf „Neufälle“ nicht gewollt war und dass die Regelung in Art. 1 EGVVG rein materiell-rechtliche Fragestellungen betrifft. Es ergibt sich aus Wortlaut und Regelungskontext von Art. 1 EGVVG keine Einschränkung von § 215 Abs. 1 VVG n. F.. Schon die Überschrift „Altverträge, Allgemeine Versicherungsbedingungen“ belegt, dass sich Art. 1 EGVVG nur auf materielles Recht bezieht. In Prölss/Martin (VVG, 28. Aufl., § 215, Rn. 3) ist dementsprechend kommentiert, dass die Übergangsregelung in Artikel 1 EGVVG einer verfassungsrechtlich problematischen Rückwirkung vorbeugen und deshalb verhindern will, dass durch das neue VVG durch den Versicherungsfall bereits entstandene Ansprüche verändert werden; eine solche Rückwirkung gehe von einer neuen Gerichtsstandsregelung (§ 215 VVG n. F.) nicht aus. Eine Einschränkung der Zuständigkeitsnorm kann im Übrigen schon deswegen nicht aus Art. 1 Abs. 2 EGVVG hergeleitet werden, weil die dortige Altfallregelung sich nur auf eingetretene Versicherungsfälle bezieht. Unstreitig ist vorliegend kein Versicherungsfall eingetreten.

In der Anwendung von § 215 Abs. 1 VVG n. F. für vorliegenden Fall sieht der Senat auch keinerlei Anhalt für einen Verfassungsverstoß, den die Beklagte bei einer Ungleichbehandlung von primären Versicherungsansprüchen nach altem Recht einerseits und weiteren Ansprüchen (z. B. Beratungspflichtverletzung) nach neuem Recht andererseits mutmaßt. Für die Zuständigkeitsfrage ergibt sich keine Ungleichbehandlung, da für sämtliche Klageerhebungen nach Inkrafttreten von § 215 VVG n. F. die in § 215 Abs. 1 VVG n. F. getroffene Zuständigkeitsregelung Geltung hat.

2.3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision wurde gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zugelassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die gesetzliche Lage ist eindeutig.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.

(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch

1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.

(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 09.04.2014, Az. 32 O 651/13, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.080,10 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.08.2013 zu bezahlen.

b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 42%, die Beklagte 58%. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 6%, die Beklagte 94%.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht die Rückerstattung restlicher Beitragszahlungen geltend, die er für eine von der Beklagten vertriebene Lebensversicherung geleistet hat. Er beruft sich auf ein ewiges Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a. F. wegen unzureichender Belehrung.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen. Der vom Landgericht in Bezug genommene Versicherungsantrag vom 09.03.2006 (Anlage B 1) enthält oben in der Mitte Felder für die Eintragung des Vermittlers und seiner Partnernummer. Beide Felder sind handschriftlich ausgefüllt. Am unteren Rand des Formulars bestätigt der Vermittler noch durch seine Unterschrift, dass er das Original des die Identität des Antragstellers belegenden Ausweises eingesehen hat. Diese Angabe ist durch den handschriftlichen Eintrag der Ausweisnummer ergänzt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Parteien unstreitig gestellt, dass der Wert des Risikoschutzes, den der Kläger bis zu seinem Widerspruch genossen hat, mit 3% der bezahlten Beiträge bzw. 390 € anzusetzen ist (Bl. 121 d. A.).

Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 10.473,31 € zu verurteilen (nicht zurückbezahlte Beitragsleistungen: 6.470,10 €; entgangene anderweitige Rendite in Form einer Verzinsung in Höhe von 7%: 4.003,21 €). Daneben verlangte er die Bezahlung von Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 6.470,10 € nebst Zinsen und anteiligen Anwaltskosten stattgegeben und im Übrigen hinsichtlich der entgangenen Rendite in Höhe von 4.003,21 € die Klage abgewiesen.

Zur Begründung führte es aus, dass die deutsche internationale Gerichtsbarkeit gegeben und deutsches Versicherungsvertragsrecht anzuwenden sei. Den danach maßgeblichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 VVG a. F. entspreche die von der Beklagten erteilte Belehrung über die bestehenden Rücktrittsrechte nicht. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung von EuGH und BGH habe der Kläger deshalb dem mit der Beklagten abgeschlossenen Versicherungsvertrag auch noch 2011 widersprechen können mit der Folge, dass er die Rückerstattung aller auf diesen Vertrag bezahlten Prämien fordern könne, nicht nur den von der Beklagten zugestandenen und ausbezahlten Rückkaufswert.

Soweit die Klage abgewiesen wurde, ist das angefochtene Urteil rechtskräftig.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage, während der Kläger das Urteil, soweit es angefochten wurde, verteidigt und Zurückweisung der Berufung beantragt.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass das Landgericht Memmingen international unzuständig gewesen sei. § 215 VVG sei nicht anwendbar, weil erst nach Vertragsabschluss in Kraft getreten und der im Versicherungsvertrag getroffenen Rechtswahl entgegenstehend. Das deutsche materielle Recht sei aufgrund der vertraglichen Rechtswahl ebenfalls nicht anwendbar. Die den Vertrag vermittelnde Maklerin sei keine Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG, so dass die dort vorgesehene freie Rechtswahl, von der die Parteien Gebrauch gemacht hätten, zu berücksichtigen sei. Nach dem danach anzuwendenden liechtensteinischen Recht sei der Vertrag wirksam zustande gekommen.

Bei der Auslegung des Begriffs der „Mittelsperson“ seien die europäischen Richtlinien zur Liberalisierung des Versicherungsmarktes zu berücksichtigen. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung verkenne die mit diesen Richtlinien umgesetzte Reichweite der Dienstleistungsfreiheit, die auch für Liechtenstein als Mitglied des EWR gelte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat seine vorläufige Rechtsansicht mit Verfügung vom 21.08.2014 (Bl. 100/104 d. A.) dargelegt.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begründet.

1. Der dem Landgericht unterbreitete Sachverhalt unterliegt der internationalen Zuständigkeit der deutschen Zivilgerichtsbarkeit. Auf ihn ist zwingend deutsches Versicherungsvertragsrecht anzuwenden mit der Folge, dass der Kläger unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch noch im Jahr 2011 zum Widerspruch gegen den Vertrag nach § 5a VVG a. F. berechtigt war und die Rückzahlung aller eingezahlten Prämien verlangen konnte. Die Beklagte hat mit ihrer Berufung nur insoweit Erfolg, als sie nur die Differenz zwischen dem Gegenwert des bis zum Widerspruch geleisteten Versicherungsschutzes und den vom Kläger bezahlten Beiträgen schuldet. Der Wert des Versicherungsschutzes beläuft sich auf 390 €. Um diesen Betrag war daher der dem Kläger zuzusprechende Hauptsachebetrag zu kürzen.

1.1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 215 Abs. 1 VVG in Verbindung mit Art 1 Abs. 1 EGVVG.

1.1.1 Die lex fori, hier das deutsche Verfahrensrecht, ist für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich. Dies gilt auch für die Beurteilung der Zulässigkeit und Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen. Die Frage des Zugangs zur deutschen Gerichtsbarkeit kann nur durch das deutsche Recht, nicht aber durch eine ausländische Rechtsordnung bestimmt werden (Zöller-Geimer, ZPO, 29. A., Rn. 1 ff und 25c zum IZPR, abgedruckt vor § 1 ZPO). Insoweit geht es um die Bestimmung der Voraussetzungen und Grenzen hoheitlichen Handelns deutscher Institutionen im Inland. Dies ist kein Regelungsgegenstand, der einer ausländischen Rechtsordnung zur Disposition steht.

1.1.2 Danach ist § 215 Abs. 1 VVG anzuwenden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Zuständigkeitsregelung, auch wenn diese ihren Sitz in einem Gesetz hat, das ansonsten materiellrechtliche Fragen regelt. Da sich nach deutschem Recht die internationale Zuständigkeit nach der örtlichen Zuständigkeit richtet, sofern keine eigene Regelung existiert, folgt aus der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Memmingen auch die internationale (Grundsatz der Doppelfunktionalität, Looschelders in MüKo, VVG, 2009, Rn. 68 zu § 215 VVG, Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 2014, Vorbem. zu § 1 ZPO, Rn.. 6).

Da Liechtenstein weder Mitglied der EU, noch dem Luganer Übereinkommen beigetreten ist, kommt eine vorrangige Anwendung der in der EuGVVO und im LugÜ enthaltenen Bestimmungen nicht in Betracht.

1.1.3 Nach Art. 1 Abs. 1 EGVVG ist § 215 VVG seit 01.01.2009 auch auf dieses seit 2006 schwebend bestehende Versicherungsverhältnis anwendbar. Das vom Kläger geltend gemachte Widerspruchsrecht ist kein vertragsfremder Umstand (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 28. A., Rn. 6 zu Art. 1 EGVVG).

1.1.4 Die in Ziffer 14 der AGB zum streitgegenständlichen Vertrag (Anlage B 1, letzte Seite) enthaltene Gerichtsstandsklausel verstößt gegen § 215 Abs. 3 VVG und ist daher unbeachtlich. Sie wird auch nicht durch Art 23 EuGVVO zugelassen, da gerade kein Gericht eines Mitgliedstaats bestimmt wurde.

1.2. Auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag ist deutsches Recht anwendbar.

1.2.1. Auch für die Bestimmung des anwendbaren Rechts ist zunächst das deutsche IPR maßgeblich. Nur wenn dieses im Rahmen einer Gesamtverweisung auf eine ausländische Rechtsordnung verweisen würde, wäre diese zu berücksichtigen.

Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 8 EGVVG in der bis 16.12.2009 gültigen Fassung schreiben für den im Jahr 2006 abgeschlossenen Versicherungsvertrag zwischen den Parteien die Anwendung deutschen Rechts zwingend vor.

1.2.2. Den Parteien stand auch nicht die Möglichkeit einer Rechtswahl nach Art. 9 Abs. 4 EGVVG zur Verfügung. Diese ist nur dann eröffnet, wenn das Versicherungsunternehmen in Deutschland überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Letzteres ist aber bereits dann der Fall, wenn Maklern Vermittlungsprovisionen versprochen und die für eine Vertragsanbahnung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Hier hat die Beklagte dem eingeschalteten Makler ausweislich des Versicherungsantrags zudem die Identitätsprüfung des Antragstellers übertragen (Anlage B 1 unten) und ihm auch eine eigene Partnernummer zugewiesen.

Der Senat teilt hier die Auffassung von Armbrüster (in Prölss/Martin, VVG, 28. A., Rn. 21 zu Art. 9 EGVVG), weil auch er die Regelungen in Art. 7 bis 9 EGVVG dahingehend interpretiert, dass dem im Inland angeworbenen Versicherungsnehmer der vom deutschen Versicherungsvertragsrecht gewährte Mindestschutz erhalten bleiben soll.

Dies ist im Übrigen der gemeinsame Grundgedanke der Regelungen in Art. 37 Nr. 4 EGBGB a. F. (der den in Art. 27 EGBGB a. F. verankerten Grundsatz der freien Rechtswahl bei Versicherungen wie der streitgegenständlichen ausschließt) und in Art. 7 der Rom I VO.

Auf S. 24 der Bundestagsdrucksache 11/6341 wird der mit der Wahl des Begriffs der „Mittelsperson“ in § 105 VAG verfolgte Zweck näher erläutert und klargestellt, dass nach wie vor „insbesondere“ der Versicherungsmakler von der Vorschrift erfasst sein solle. Nur die sogenannte „Korrespondenzversicherung“ solle weiterhin von der Aufsicht befreit sein. Passend dazu ist auf S. 38 derselben Drucksache zu Art. 9 EGVVG unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zu § 105 VAG ausgeführt, dass dessen Absatz 4 nur die Korrespondenzversicherungen betreffe. Dass für diese schon vor Einführung der Art. 7 ff EGGVG die Freiheit der Rechtswahl bestand, machte die Regelung in Art. 9 Abs. 4 EGGVG auch nicht überflüssig. Ohne diese Norm hätte die Rechtswahlfreiheit bei Korrespondenzversicherungen nicht fortbestanden. Ihre Einführung ist daher auch kein Indiz für eine weitergehende Liberalisierung.

Es besteht demnach kein Zweifel, dass der Gesetzgeber Fallkonstellationen, wie sie hier vorliegen, der zwingenden Anwendung deutschen Rechts unterwerfen wollte.

1.2.3. Die Europäischen Richtlinien über Lebensversicherungen stehen dem nicht entgegen.

Maßgeblich für den hier betroffenen Bereich der Lebensversicherungsverträge ist die am 20.12.2002 in Kraft getretene RL 2002/83/EG, die die von der Beklagten zitierte RL 92/96/EWG aufgehoben und ersetzt hat (Art. 72 der RL 2002/83/EG und Erwägungsgrund Nr. 1).

Diese Richtlinie enthält in Art. 32 Bestimmungen über das anwendbare Versicherungsvertragsrecht. Danach ist grundsätzlich das Recht jenes Landes anwendbar, in dem das versicherte Risiko belegen ist (Art. 32, Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie). Diese Vorgabe ist in Art. 8 EGVVG umgesetzt. In Erwägungsgrund Nr. 44 wird ausdrücklich ausgeführt, dass „die den Mitgliedstaaten belassene Möglichkeit, die Anwendung ihres eigenen Rechts für Versicherungsverträge vorzuschreiben, bei denen Versicherungsunternehmen Verpflichtungen in ihrem Hoheitsgebiet eingehen“ dazu dient, den Versicherungsnehmer abzusichern, so dass eine Harmonisierung des materiellen Rechts keine Vorbedingung für die Verwirklichung des Binnenmarktes auf diesem Gebiet ist.

Soweit Art. 32 Absatz 2 der Richtlinie noch ein Wahlrecht zwischen dem Recht des Belegenheitsstaates und dem Heimatstaat des Versicherten vorsieht, ist dies in Art. 9 Abs. 5 EGVVG umgesetzt.

Weitere Rechtswahlmöglichkeiten eröffnet Art. 32 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie nur unter dem Vorbehalt, dass das Recht des Risikobelegenheitsstaates dies zulässt. Diesen Rahmen füllt Art. 9 Abs. 1, 2 und 4 EGVVG in richtlinienkonformer Weise aus, indem er zum einen aus Sicht des Versicherten sachnahe andere Rechtsordnungen zur Auswahl stellt und zum anderen im eng begrenzten Bereich der Korrespondenzversicherungen die Wahl einer beliebigen Rechtsordnung ermöglicht.

Die grundsätzlichen Erwägungen der Beklagten zu den Prinzipien der Dienstleistungsfreiheit führen zu keinem anderen Ergebnis. Die Schaffung des europäischen Binnenmarktes erfolgt von Anfang an schrittweise und mit Einschränkungen. Erwägungsgrund Nr. 5 der Richtlinie spricht daher auch nur von einem „bedeutenden Abschnitt bei der Verschmelzung der einzelstaatlichen Märkte zu einem einheitlichen Binnenmarkt“, der noch durch „weitere Gemeinschaftsabschnitte ergänzt werden“ müsse.

Soweit auf diesem Weg unterschiedliche Gesetzeslagen in den Mitgliedstaaten hinderlich sind, haben die europäischen Institutionen nicht den Weg eines freien Wettbewerbs bei der Rechtswahl, sondern den der (teilweisen) Harmonisierung der Rechtsordnungen beschritten, so auch hier, wo Kapitel 4 der RL 2002/83/EG einerseits Regelungen zum anwendbaren nationalen Recht enthält und andererseits z. B. in Art. 35 eine teilweise Harmonisierung der nationalen Rechtsordnungen vorschreibt.

Zur Dienstleistungsfreiheit gehört damit gerade nicht das Recht, mit dem eigenen Angebot von Diensten auch die eigene Rechtsordnung exportieren zu dürfen. Vielmehr besteht diese Freiheit darin, die eigenen Dienstleistungen in jedem Mitgliedstaat zu den gleichen rechtlichen Bedingungen anbieten zu dürfen wie ein dort ansässiges Versicherungsunternehmen.

Schließlich ist noch festzuhalten, dass das eigentliche Ziel der Richtlinie nicht die materielle Ausgestaltung des internationalen Versicherungsvertragsrechts war, sondern die Harmonisierung der Zulassungsvorschriften und Aufsichtssysteme als Grundlage für die gegenseitige Anerkennung der in diesem Bereich getroffenen nationalen Zulassungsentscheidungen, die damit einheitlich innerhalb der ganzen Gemeinschaft gültig sind (Erwägungsgrund Nr. 7 der RL 2002/83/EG).

1.2.4. Die Anwendung deutschen Versicherungsvertragsrechts steht auch im Einklang mit der Europäische Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt vom 12.12.2006 (RL 2006/123/EG).

In Erwägungsgrund Ziffer 18 und Art. 2 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie sind Finanzdienstleistungen, darunter Versicherungen, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen. Art. 3 Abs. 2 stellt klar, dass die Richtlinie nicht die Regeln des internationalen Privatrechts betrifft, insbesondere nicht die Regeln des vertraglichen und außervertraglichen Schuldrechts., In Art. 3 Abs. 1 ist zudem der Vorrang der bereichsspezifischen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, hier der oben genannten Richtlinie vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen, ausdrücklich angeordnet. Eine Kollision der nationalen Regelungen in Art. 7 bis 9 EGVVG mit gemeinschaftsrechtlichen Normen ist somit nicht gegeben.

1.3. Dem Kläger stand ein unbefristetes Widerspruchsrecht nach § 5a VVG a. F. zu, von dem er Gebrauch machte, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen.

1.3.1 Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der streitgegenständliche Vertrag nach dem Antragsmodell zustandegekommen ist. Sie hat auch den ihr nach § 5a Abs. 2 Satz 2 VVG a. F. obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass dem Kläger alle relevanten Unterlagen zugegangen sind.

1.3.2 Weder die Belehrung im Rahmen der Antragstellung (Anlage K 1, S. 3), noch die Regelung in Ziffer 2 der AGB entsprechen den Anforderungen des § 5a VVG a. F.. So soll allein der Zugang der Police die Frist in Lauf setzen. Die Belehrung ist drucktechnisch nicht deutlich hervorgehoben. Es ist auch unklar, in welchem Verhältnis die „beiden Rücktrittsrechte“ zueinander stehen. Beim allgemeinen Rücktrittsrecht wird Schriftform gefordert, während § 5a VVG a. F. in der seit dem 01.08.2001 gültigen Fassung Textform genügen lässt. Beim besonderen Rücktrittsrecht finden sich keine Angaben zur Form der Rechtsausübung.

Danach hat die Frist des § 5a Abs. 1 Satz 2 VVG a. F. nicht zu laufen begonnen. § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a. F. ist wegen Verstoßes gegen europäisches Recht auf Lebensversicherungen nicht anzuwenden mit der Folge, dass zugunsten des Klägers ein unbefristetes Widerrufsrecht bestand (BGH, Urteil vom 07.05.2014, Az.: IV ZR 76/11, Leitsätze 2 und 3, Rn. 17 ff, zitiert nach Juris).

1.3.3 Dieses Recht hat der Kläger auch nicht verwirkt. Die im Widerspruchsschreiben ebenfalls ausgesprochene Kündigung erfolgte nur hilfsweise (Anlage K 2) und kann schon deshalb nicht als nachträgliche Bestätigung des Vertrags, die einen Vertrauenstatbestand hätte schaffen können, angesehen werden.

Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte ebenfalls nicht geltend machen, weil sie zuvor keine ordnungsgemäße Belehrung erteilt hat. Daher stellt der erst nach fünf Jahren erklärte Widerspruch auch keine unzulässige, weil widersprüchliche Rechtsausübung dar (BGH, a. a. O., Rn. 39/40).

1.3.4 Nachdem kein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen ist, fehlt es für die beiderseitigen Leistungen an einem Rechtsgrund. Diese sind daher beiderseits zurückzugewähren (BGH, a. a. O., Rn. 41, 45). Hinsichtlich des gewährten Versicherungschutzes hat die Beklagte nach § 818 Abs. 2 BGB Anspruch auf Wertersatz, den die Parteien übereinstimmend mit 390 € beziffern.

Der Kläger hat umgekehrt Anspruch auf Rückzahlung aller von ihm geleisteten Beiträge, nicht nur auf den bereits ausgekehrten Rückkaufswert.

Beide Ansprüche sind, da auf Geld gerichtet, zu saldieren (Palandt-Sprau, BGB, 2014, Rn. 48 zu § 818 BGB). Dies hat zur Folge, dass der noch nicht ausgekehrte Restbetrag der vom Kläger bezahlten Beiträge in Höhe von 6.470,10 € um 390 € zu reduzieren ist. Dies ergibt eine berechtigte Klageforderung in Höhe von 6.080,10 €, der gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen ist.

2. Soweit der Kläger noch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend macht, war die Berufung ebenfalls erfolgreich und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat zwar in ihrer Erwiderung auf den mit anwaltlicher Hilfe formulierten Widerspruch dieses Recht des Klägers in Abrede gestellt. Diese Stellungnahme war aber nicht ursächlich für die Einschaltung des Klägervertreters. Vielmehr hat dieser, ohne dass die Beklagte zuvor den Wünschen des Klägers bis dahin nicht entsprochen hätte, erstmals die Rechte aus § 5a VVG a. F. geltend gemacht. Es fehlt daher am Kausalzusammenhang zwischen der vorgerichtlichen Tätigkeit des Klägervertreters und der unzutreffenden Rechtsauslegung durch die Beklagte.

Zudem führt nicht jede letztlich erfolglos geltend gemachte Rechtsposition ohne weiteres zu Schadenersatzansprüchen bezüglich außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Eine vertretbare, plausible rechtliche Beurteilung löst insoweit keine Ersatzansprüche aus (Palandt-Grüneberg, BGB, 2014, Rn. 29 zu § 280 BGB). Die von der Beklagten vertretene Rechtsansicht war nicht unvertretbar. Sie entsprach bis zur Entscheidung des EuGH vom 19.12.2013 (VersR 2014, 225) und dem Urteil des BGH vom 07.05.2014 (Az. IV ZR 76/11) der Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte, darunter auch der des erkennenden Senats. Sie war daher im Februar 2012, als die Beklagte den Vertrag nach Rücktrittsgrundsätzen abrechnete, gut vertretbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Die Revision war zuzulassen, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Frage, ob auch ein Makler Mittelsperson im Sinne des Art. 9 Abs. 4 EGVVG sein kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Sie betrifft nach glaubhafter Auskunft der Beklagten eine Vielzahl von Versicherungsverhältnissen.

Höchstrichterliche oder obergerichtliche Entscheidungen zu dieser Frage sind, soweit der Senat dies überblicken kann, bislang nicht ergangen.

(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1.
der Anspruch entstanden ist und
2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren

1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und
2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
Maßgeblich ist die früher endende Frist.

(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.

(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.

(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR103/15 Verkündet am:
8. April 2015
Heinekamp
Amtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch
ist nicht schon mit jeder einzelnen Prämienzahlung, sondern erst mit
Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden.
BGH, Urteil vom 8. April 2015 - IV ZR 103/15 - LG Stuttgart
AG Stuttgart
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, die Richter
Dr. Karczewski, Lehmann und die Richterin Dr. Brockmöller auf die
mündliche Verhandlung vom 8. April 2015

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 18. April 2012 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Leibrentenversicherung.
2
Diese wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Vertragsbeginn zum 1. April 1998 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Mit dem Versicherungsschein erhielt der Kläger die Versicherungsbedingungen und eine Verbraucherinformation gemäß § 10a VVG a.F. mit Belehrung über das Widerspruchsrecht. Von April 1998 bis Mai 2008 zahlte er monatlich Prämien in Höhe von insgesamt 9.356,18 €. Mit Schreiben vom 5. Juni 2008 erklärte er den "Widerspruch gemäß § 5a VVG/den Widerspruch nach § 8 VVG, vorsorglich die Anfechtung nach § 119 BGB, hilfsweise die Kündigung". Die Beklagte bestätigte die Kündigung und zahlte dem Kläger einen Rückkaufswert von 9.331,60 €. Mit Schreiben vom 11. August 2009 wiederholte der Kläger den Widerspruch.
3
Mit der im April 2011 erhobenen Klage verlangt der Kläger Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, insgesamt 4.580,82 €.
4
Nach seiner Auffassung ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Die Widerspruchsbelehrung in der Verbraucherinformation sei mangels drucktechnischer Hervorhebung und zudem inhaltlich fehlerhaft. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe er den Widerspruch noch erklären können.
5
Die Beklagte hält den Widerspruch für verfristet und erhebt die Einrede der Verjährung.
6
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
8
I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Selbst wenn mit der Übersendung der Unterlagen die 14-tägige Widerspruchsfrist nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. mangels ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung nicht in Lauf gesetzt worden wäre, sei der Vertrag jedenfalls gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nach Ablauf eines Jahres nach der ersten Prämienzahlung wirksam geworden.
9
II. Die Revision ist begründet.
10
1. Ein - mit der Revision allein in der Hauptsacheweiterverfolgter - Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann dem Kläger mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
11
a) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass der von dem Kläger erklärte Widerspruch - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig war und infolgedessen der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen ist.
12
aa) Das Berufungsgericht hat ebenso wie das Amtsgericht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die in der dem Kläger mit dem Versicherungsschein übersandten Verbraucherinformation enthaltene Widerspruchsbelehrung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. in drucktechnisch deutlicher Form hervorgehoben war.
13
bb) Wenn die Widerspruchsbelehrung - was für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - nicht ordnungsgemäß war, bestand das Widerspruchsrecht nach Ablauf der Jahresfrist des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
14
Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier zu unterstellen - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
15
b) Die hilfsweise Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
16
c) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
17
2. Der Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB war bei Erhebung der Klage im April 2011 nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB) regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen.
18
Die Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Hier begann die Verjährung erst Ende 2008.
19
a) Der auf Rückgewähr der Prämien gerichtete Bereicherungsanspruch entstand erst mit dem Widerspruch, den der Kläger mit Schreiben vom 5. Juni 2008 erklärte. Die Widerspruchserklärung ist entscheidend für die Entstehung des Bereicherungsanspruchs im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
20
aa) In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob der nach einem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch bereits mit jeder einzelnen Zahlung entstanden ist (so LG Wiesbaden, Urteil vom 23. Dezember 2014 - 7 S 14/14, nicht veröffentlicht , S. 5 f.; LG Heidelberg, Urteile vom 25. September 2014 - 1 S 15/13, juris Rn. 43; 1 S 8/14, juris Rn. 44; LG Aurich, Urteil vom 5. Juni 2014 - 2 O 1164/12, nicht veröffentlicht, unter III 3; Armbrüster, NJW 2014, 497, 498 und VersR 2012, 513, 522; Heyers, NJW 2014, 2619, 2622; Jacob, jurisPR-VersR 8/2014 Anm. 2 unter D) oder erst mit der Ausübung des Widerspruchsrechts (so OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 7 U 54/14, juris Rn. 125; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 12. September 2014 - I-4 U 116/13, nicht veröffentlicht, unter I 1; OLG Köln, Urteil vom 5. September 2014 - 20 U 88/14, juris Rn. 38; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 1. Dezember 2014 - 16 S 240/12, nicht veröffentlicht , unter II 3; LG Kiel r+s 2014, 446 Rn. 41; Koch, LMK 2014, 359159 unter 2; Reiff, r+s 2015, 105, 114).
21
bb) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 24. April 2013 - IV ZR 23/12, VersR 2013, 899 Rn. 16).
22
(1) Entstanden ist ein Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (BGH, Urteile vom 16. September 2010 - IX ZR 121/09, WM 2010, 2081 Rn. 22 m.w.N.; Beschluss vom 19. Dezember 1990 - VIII ARZ 5/90, BGHZ 113, 188, 191; vom 17. Februar 1971 - VIII ZR 4/70, BGHZ 55, 340, 341 m.w.N.). Voraussetzung dafür ist grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs, die dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1990 aaO Rn. 191 f.; MünchKomm-BGB/Grothe, 6. Aufl. § 199 BGB Rn. 4; Palandt/Ellenberger, BGB 74. Aufl. § 199 BGB Rn. 3; Staudinger /Peters/Jacoby [2014], § 199 BGB Rn. 7). Der Bereicherungsanspruch wurde erst fällig, als der Kläger den Widerspruch erklärte und damit dem bis dahin schwebend unwirksamen Versicherungsvertrag (vgl.
hierzu Senatsurteile vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 14; vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 15) endgültig die Wirksamkeit versagte.
23
(2) Auch wenn während der schwebenden Unwirksamkeit (noch) kein Rechtsgrund für die Prämienzahlung des Versicherungsnehmers bestand, wurde erst durch den Widerspruch der Schwebezustand beendet und Klarheit geschaffen, dass dem Versicherer die geleisteten Prämien nicht zustanden. Erst nach der Entscheidung des Versicherungsnehmers , den Widerspruch zu erklären, stand fest, dass der Vertrag, den die Parteien bis dahin wie einen wirksamen Vertrag durchgeführt hatten, endgültig unwirksam war (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 7 U 54/14, juris Rn. 125; OLG Köln, Urteil vom 5. September 2014 - 20 U 88/14, juris Rn. 38; Reiff r+s 2015, 105, 114). Dies gilt auch für ein fortdauerndes Widerspruchsrecht, das demjenigen Versicherungsnehmer zusteht, der nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und/oder die AVB und/oder die Verbraucherinformation nicht erhalten hat. Auch wenn ihm nach Maßgabe des Senatsurteils vom 7. Mai 2014 (aaO) eine zeitlich unbegrenzte Widerspruchsmöglichkeit zustand, war von ihm spätestens bei Rückforderung der Prämien eine Erklärung abzugeben , dass er den Vertrag nicht wirksam zustande kommen lassen wollte. Ausgehend davon ist der Widerspruch als Voraussetzung für die klageweise Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs und damit für die Entstehung des Anspruchs und den daran geknüpften Beginn der Verjährungsfrist anzusehen.
24
(3) Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass der Verjährungsbeginn in das Belieben des Versicherungsnehmers gestellt werde. Insoweit ist die Beurteilung nicht anders als in dem Fall vorzunehmen, in dem die Entstehung des Anspruchs von einer Anfechtung, einem Rücktritt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 17. Dezember 2014 - IV ZR 260/11, r+s 2015, 60 Rn. 34) oder einer Kündigung abhängt. Auch da beginnt die Verjährung erst mit der wirksamen Erklärung.
25
b) Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners - der Beklagten - im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hatte der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung, so dass die Verjährung mit dem Schluss des Jahres 2008 begann. Vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist Ende 2011 erhob der Kläger die Klage im April 2011.
26
3. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich der Versicherungsnehmer bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
27
Da es auch hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
Mayen Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
AG Stuttgart, Entscheidung vom 01.07.2011- 3 C 1079/11 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 18.04.2012- 5 S 173/11 -

(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.

(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.

(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.

(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:

1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist;
2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei;
3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist;
4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist;
5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben;
6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.

(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.

(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.

(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,

1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist,
2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist,
3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist,
4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist,
5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist,
6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder
7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist
und eine Partei die Zurückverweisung beantragt. Im Fall der Nummer 3 hat das Berufungsgericht sämtliche Rügen zu erledigen. Im Fall der Nummer 7 bedarf es eines Antrags nicht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.