Landessozialgericht NRW Urteil, 25. Juni 2015 - L 9 SO 24/13
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.11.2012 abgeändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für Leistungen, die die Beigeladene zu 1) gegenüber dem Kläger im Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2012 erbracht hat.
31. Die Beigeladene zu 1) ist eine gemeinnützige GmbH und bietet unter der Firma "T - Betreutes Wohnen" Betreuungsleistungen an. Sie beschäftigt insoweit mehrere Mitarbeiter, vornehmlich Sozialpädagogen.
4Sie schloss am 26.01.2009 bzw. 02.02.2009 mit Wirkung zum 01.01.2009 mit dem Beklagten eine "Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für den Leistungsbereich Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung" (im Folgenden: Leistungs- und Prüfungsvereinbarung) ab. Diese Vereinbarung sollte ausdrücklich die Bestimmungen des ambulanten Rahmenvertrages NRW nach § 79 SGB XII insbesondere im Hinblick auf den Leistungstyp (LT) I "Betreutes Wohnen" konkretisieren. Nach § 1 Abs. 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung leistet die Beigeladene ambulante Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen (Ambulant Betreutes Wohnen) für dauerhaft wesentlich behinderte Menschen im Rahmen der §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX. Es handele sich um ein gemeindeintegriertes Hilfeangebot, das der betreuten Person ein selbst bestimmtes Leben in einer Wohnung in der Gemeinde ermögliche. Das Ambulant Betreute Wohnen sei zu verstehen als ein am Bedarf der betreuten Person orientiertes und verbindlich vereinbartes Betreuungsangebot, das sich auf ein breites Spektrum an Hilfestellungen im Bereich Wohnen beziehe und der sozialen Integration diene. In den folgenden Absätzen des § 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung werden Ziele und Inhalte der Leistungen näher beschrieben. Nach § 2 Abs. 2 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung richtet sich das Angebot des Leistungserbringers an den speziellen/eingegrenzten Personenkreis u.a. der Menschen mit psychischer Behinderung im Einzugsgebiet der Stadt L. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Leistungs- und Prüfungsvereinbarung Bezug genommen.
5Darüber hinaus schloss die Beigeladene zu 1) zeitgleich mit der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung eine Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten ab. Nach der bis zum 30.06.2012 geltenden Fassung der Vergütungsvereinbarung sollte die Vergütung durch einen Stundensatz in Höhe von 50,40 Euro pro Fachleistungsstunde erfolgen (§ 1 Satz 1 der Vergütungsvereinbarung). Nach der vom 01.07.2012 bis zum 28.02.2014 gültigen Fassung der Vergütungsvereinbarung sollte die Vergütung durch einen Stundensatz von 51,50 Euro, ab dem 01.04.2013 in Höhe von 52,30 Euro pro Fachleistungsstunde erfolgen. Die Fachleistungsstunde setzt sich nach § 1 Satz 2 der Vergütungsvereinbarungen aus 50 Minuten direkter Betreuungsleistung und 10 Minuten mittelbarer, klientenbezogener Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 4 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung zusammen. Bei den zuletzt genannten mittelbaren, klientenbezogenen Tätigkeiten handelt es sich um Tätigkeiten ohne direkten Kontakt zur betreuten Person. Mit dem Stundensatz sollten alle direkten, mittelbaren und indirekten Leistungen abgegolten sein (§ 1 Satz 3 der Vergütungsvereinbarung). Nach § 2 Abs. 5 der Vergütungsvereinbarung erfolgt die Vergütung der Leistung aufgrund gegenüber den Klienten erlassener Bewilligungsbescheide durch monatliche Abschlagszahlungen auf Basis der Anzahl der bewilligten Fachleistungsstunden. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes erfolgt eine Verrechnung der Abschlagszahlungen mit den quittierten Fachleistungsstunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Vergütungsvereinbarung Bezug genommen.
6Entsprechende Verträge ebenfalls für den Bereich des Betreuten Wohnens schloss die Beigeladene zu 1) mit der Stadt L als Trägerin der Jugendhilfe. Für andere Tätigkeitsbereiche und mit anderen Sozialhilfeträgern schloss die Beigeladene zu 1) keine Verträge.
72. Der im Mai 1970 geborene Kläger ist britischer Staatsangehöriger. Er absolvierte eine Ausbildung zum Koch, arbeitete jedoch vornehmlich in verschiedenen Tätigkeiten (Animation, Catering) in der Tourismusbranche in unterschiedlichen Ländern sowie als Aushilfe im Gastronomiebereich. Er ist Vater einer im Februar 2006 geborenen Tochter aus einer nach der Geburt der Tochter gescheiterten Beziehung zu einer Deutschen. Wegen der Tochter zog der Kläger im Januar 2009 nach Deutschland und ging hier zunächst einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einer Zeitarbeitsfirma nach. Er bewohnt seit Februar 2010 eine 40 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in L.
8Am 09.11.2009 begann der Kläger eine ambulante Verhaltenstherapie bei der Diplom-Psychologin und Ärztin I, die er im Dezember 2012 beendete. Seit dem 04.06.2010 war er arbeitsunfähig und bezog nach Auslaufen der Lohnfortzahlung Krankengeld und seit dem 01.09.2010 auch Wohngeld. Vom 08.06.2010 bis zum 06.08.2010 befand er sich in stationärer psychiatrischer Behandlung in der Klinik des Beklagten in L. Dort wurde eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und ein Abhängigkeitssyndrom Cannabinoide diagnostiziert. Vom 08.02.2011 bis zum 13.05.2011 befand sich der Kläger in teilstationärer psychiatrischer Behandlung in der Tagesklinik der Klinik des Beklagten in L, wo u.a. eine Dialektisch-Behaviorale Therapie durchgeführt wurde.
9Der Kläger bezog nach Erschöpfung seines Anspruchs auf Krankengeld jedenfalls bis Anfang 2013 Leistungen nach dem SGB II. Seit Mitte April 2013 geht er einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Kölner Uni-Mensa nach, die er zunächst in Vollzeit ausübte und später dann zeitlich beschränkte. Er erhält aus dieser Tätigkeit ein Nettogehalt in Höhe von 1.030,- Euro.
103. Am 09.08.2010 suchte der Kläger erstmals die Beigeladene zu 1) auf. Am 16.08.2010 unterschrieb er einen von der Beigeladenen zu 1) vorformulierten, unbefristeten "Betreuungsvertrag über ambulante Hilfen zum selbständigen Wohnen", der ab dem 09.08.2010 gelten sollte. Nach § 1 Nr. 2 des Betreuungsvertrages sollten u.a. die Leistungs- und Vergütungsvereinbarung der Beigeladenen zu 1) mit dem Beklagten Grundlage des Vertrages sein. Als Entgelt war gemäß § 4 Nr. 1 des Betreuungsvertrages eine Vergütung aufgrund der Vergütungsvereinbarung zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten in Höhe von 49,90 Euro pro Fachleistungsstunde vereinbart, die mit dem Abrechnungsfaktor 1,2 zu multiplizieren sein sollte. Zur Fälligkeit und Zahlung des Entgelts enthielt § 4 Nr. 3 des Betreuungsvertrages folgende Regelung:
11"Die Vergütung ist monatlich nach Rechnungstellung fällig. Sofern die Vergütung von einem zuständigen Kostenträger übernommen wird, rechnet der Leistungserbringer direkt mit dem Kostenträger ab. Die Zahlungsverpflichtung des Klienten entfällt im Umfang der Leistung durch den zuständigen Kostenträger."
12Aufgrund des Betreuungsvertrages erbrachte die Beigeladene zu 1) überwiegend durch Einsatz ihrer Mitarbeiter, vor allem ihres Geschäftsführers, Betreuungsleistungen, u.a. durch Hausbesuche, individuelle Gespräche mit dem Kläger, dessen Begleitung zu Ämtern und selbstständige Kontaktaufnahme zu Ämtern und Behörden, und zwar im Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2011 im Umfang von 63,67 Stunden und im Zeitraum 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 im Umfang von 36,00 Stunden. Allerdings stellte die Beigeladene zu 1) dem Kläger die Kosten für diese Betreuungsleistungen zunächst nicht in Rechnung. Eine Rechnung an den Kläger erging erstmals im Juni 2012 über bis zum 22.06.2012 erbrachte 96,50 Fachleistungsstunden zum Stundensatz von 50,40 Euro, multipliziert mit 1,2, d.h. über einen Gesamtbetrag von 5.836,32 Euro. Weitere Rechnungen erhielt der Kläger nicht.
13In inhaltlicher Hinsicht befassten sich die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) zum einen mit Behördenangelegenheiten des Klägers. Es ging dabei um die Gewährung von Krankengeld, die Befreiung von der Zuzahlungspflicht bei der Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die Gewährung von Wohngeld und von Leistungen der Agentur für Arbeit oder des Jobcenters L zur beruflichen Rehabilitation des Klägers. Zum anderen unterstützten die Mitarbeiter der Beigeladenen den Kläger in Sorgerechtsangelegenheiten in Bezug auf seine Tochter. Hierzu versuchten sie in Gesprächen mit dem Kläger und der Kindsmutter zu vermitteln und eine einvernehmliche Regelung herbei zu führen. Weiterhin stellten sie den Kontakt zum Jugendamt und zu einem Rechtsanwalt her und begleiteten den Kläger dorthin. Darüber hinaus ging es auch um die berufliche Zukunft des Klägers. Die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) erörterten mit dem Kläger die Möglichkeiten einer beruflichen Rehabilitation und stellten den Kontakt zu zwei Rehabilitationsträgern (Diakonie N und Berufliches Trainings Zentrum (BTZ) L) her. Eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nahm der Kläger aber letztlich nicht auf. Der letzte persönliche Kontakt des Klägers mit dem Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) fand am 06.07.2012 statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Tätigkeitsdokumentationen der Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) Bezug genommen.
144. Bereits am Tag der erstmaligen Kontaktaufnahme mit der Beigeladenen, am 09.08.2010, beantragte diese für den Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die durch sie erfolgende Betreuung im "Ambulant Betreuten Wohnen" und fügte die fachärztliche Stellungnahme der Klinik des Beklagten vom 14.07.2010 bei. Darin wurde dem Kläger eine seelische Behinderung aufgrund einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ und ein Abhängigkeitssyndrom Cannabinoide bescheinigt. Mit Datum vom 23.11.2010 legte die Beigeladene einen individuellen Hilfeplan für den Kläger vor. Als Ziele, die durch sie verwirklicht werden sollten, gab die Beigeladene dabei an, der Kläger solle einen Deutschkurs belegen (Ziel 1), einen Arbeits- bzw. Maßnahmeplatz dauerhaft besetzen (Ziel 2) und es solle die Besuchsregelung zu seiner Tochter aufrecht erhalten (Ziel 3) sowie ein weiterer Klinikaufenthalt vermieden werden (Ziel 5). Für Maßnahmen, die zur Erreichung dieser Ziele dienen sollten, veranschlagte die Beigeladen zu 1) wöchentlich 10 Minuten für Ziel 1, jeweils 20 Minuten für die Ziele 2 und 5 und 30 Minuten für Ziel 3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 39 ff. ff. der Verwaltungsakte Bezug genommen.
15Mit Bescheid vom 29.12.2010 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, das Störungsbild des Klägers erfordere eine medizinische Behandlung. Bei unzureichendem Erfolg der angestrebten Dialektisch-Behavioralen Therapie wäre zunächst eine Intensivierung der psychiatrisch-therapeutischen Krankenbehandlung nach § 27 SGB V beispielsweise in einer (Rehabilitations-) Klinik erforderlich. Das beschriebene Störungsbild des Klägers entspreche insgesamt nicht dem einer wesentlichen seelischen Behinderung im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII.
16Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und machte geltend, er nehme sehr wohl umfangreiche und adäquate Leistungen der Krankenbehandlung in Anspruch, diese seien jedoch nicht ausreichend, um die in dem eingereichten Hilfeplan genannten Ziele zu erreichen.
17Der Beklagte wies den Widerspruch nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Dritter mit Widerspruchsbescheid vom 13.04.2011 zurück. Der Kläger gehöre nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe, weil er nicht wesentlich behindert sei. Eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit sei nicht erkennbar. Die im Hilfeplan dargestellten Bedarfe seien auch keine Bedarfe, welche Leistungen des ambulant Betreuten Wohnens bedingten. Der Kläger sei ausweislich des eingereichten Hilfeplans offensichtlich in der Lage, seinen Haushalt selbst zu führen und auch Termine bei seiner Therapeutin pünktlich und regelmäßig wahrzunehmen. Bezüglich der im Hilfeplan dargelegten Überforderung mit der Erledigung von Schriftverkehr, Behörden- und formellen Kontakten sei hier vorrangig die Hilfe einer freiwilligen gesetzlich bestellten Betreuung angezeigt. Die Steigerung des Selbstbewusstseins stelle keinen Bedarf dar, welchem mit Leistungen des ambulant Betreuten Wohnens zu begegnen sei. Bei dem angemeldeten Bedarf, einen Deutschkurs zu besuchen, handele es sich nicht um behinderungsbedingte Einschränkungen. Der Bedarf zur Unterstützung im Bereich der Arbeit mit dem Ziel der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt gehöre zu den Leistungen der Bundesagentur für Arbeit. Auch bei der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber der Tochter handele es sich nicht um Leistungen im Rahmen einer behinderungsbedingten Einschränkung. Im Bereich der Freizeitgestaltung sei eine wesentliche Einschränkung der Teilhabe nicht gegeben. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Abstinenz könne der Unterstützungsbedarf u.a. durch den (mit Adresse angegebenen) Sozialpsychiatrischen Dienst abgedeckt werden.
185. Der Kläger hat am 17.01.2011 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat vorgetragen, das Ambulant Betreute Wohnen sei von der Klinik des Beklagten während seines stationären Aufenthaltes im Jahre 2010 angeregt worden. Im Übrigen hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
19Das SG hat als Antrag des Klägers aufgenommen,
20den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung bis zum 08.08.2012 Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zum betreuten Wohnen in einem Umfang von höchstens 1 1/3 Fachleistungsstunden wöchentlich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
21Der Beklagte hat beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er hat auf seine Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden Bezug genommen.
24Das SG hat den Entlassungsbericht der Klinik des Beklagten über die teilstationäre Behandlung des Klägers dort vom 23.05.2011 beigezogen. Sodann hat es den Kläger am 08.12.2011 von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H untersuchen lassen. In seinem schriftlichen Gutachten vom gleichen Tage hat der Sachverständige bei dem Kläger eine schwere Persönlichkeitsstörung auf Borderline-Niveau (ICD-10 F 60.3) festgestellt und eine posttraumatische Belastungsstörung ausgeschlossen. Der Kläger sei in seinem gesamten Sozialleben erheblich eingeschränkt und nicht in der Lage, seiner Tätigkeit als Koch nachzugehen. Die Einschränkungen bezögen sich aber nicht auf die Bereiche der Selbstversorgung, das häusliche Leben, staatsbürgerliche Leben, sondern mehr auf die Lebensbereiche der Kommunikation und der interpersonellen Interaktionen sowie der Aufnahme einer adäquaten Berufstätigkeit. Eine Indikation für ein Betreutes Wohnen sei aus nervenärztlicher Sich nicht gegeben. Der Kläger unterhalte einen intakten Kontakt zu ehemaligen Mitpatienten. Darüber hinaus sollte dringend eine Eingliederung in das BTZ erfolgen. Zudem befinde er sich in einer regelmäßigen Psychotherapie. Durch dieses Gesamtsetting sei eine psychosoziale Betreuung in umfassender Weise gegeben. Darüber hinaus gehende Betreuungen würden den Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach überfordern. Die sozialen bürokratischen Belange, mit denen der Kläger völlig überfordert sei, des Weiteren der Umgang mit Ämtern und Behörden, die juristische Auseinandersetzungen mit der Mutter seines Kindes, allgemeine soziale Fragen könnten über die eingerichtete Betreuung, die gutachterlicherseits als angemessen betrachtet werde, bewältigt werden.
25Im Anschluss an die Begutachtung hat der Kläger ein Attest von Frau I zu den Akten gereicht. Darin hat die behandelnde Psychotherapeutin ausgeführt, der Sachverständige habe ihr in einem persönlichen Gespräch bestätigt, dass der bisherige Betreuungsrahmen aufrechterhalten werden sollte, jedoch die Aufnahme in ein Heim oder eine Wohngemeinschaft für psychisch Kranken nicht erforderlich sei. Auch aus ihrer Sicht sei die weitere Betreuung im Rahmen des Bewo dringend erforderlich.
26In einer daraufhin vom SG eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 23.01.2012 hat der Sachverständige ausgeführt, er sei nicht davon ausgegangen, dass hier ein gesetzlicher Betreuer zu Seite gestellt worden sei. Er sei ebenso wie Frau I der Auffassung, dass der Kläger unbedingt weiterhin der Betreuung bei allen Problemen, die mit Ämtern, Behörden und sozialen Diensten zu tun hätten, bedürfe. Diese Betreuung könne natürlich auch über das Betreute Wohnen vermittelt werden und sollte auch dieser Institution übertragen werden, da dort eine sehr vertrauensvolle Anbindung bestehe.
27Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf Bl. 55 ff., 76 und 84 der Gerichtsakte Bezug genommen.
28Der Kläger hat am 15.07.2011 einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Leistungen des Ambulant Betreuten Wohnens für die Zeit vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 gestellt und einen zweiten Hilfeplan für diesen Zeitraum eingereicht. Über diesen Antrag hat der Beklagte im Hinblick auf das anhängige Verfahren nicht entschieden.
29Der Beklagte hat den Abschlussbericht der Beigeladenen zu 1) vom 18.12.2012 für die Zeit vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 zu den Akten gereicht. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 108 ff. GA Bezug genommen.
30Mit Urteil vom 09.11.2012 hat das SG der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.04.2011 verurteilt, "dem Kläger ab Antragstellung bis zum 08.08.2012 Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zum betreuten Wohnen in einem Umfang von höchstens 1 1/3 Fachleistungsstunden wöchentlich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren." Zur Begründung hat es ausgeführt, streitgegenständlich sei ungeachtet des im Juli 2011 gestellten Folgeantrags der gesamte Zeitraum ab Antragstellung bis zum 08.08.2012. Die Voraussetzung von § 53 Abs. 1 und 3 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX lägen vor. Der Kläger benötige nach den Feststellungen von Dr. H Betreuung bei allen Problemen, die mit Ämtern, Behörden und sozialen Diensten zu tun hätten. Die erforderlichen Hilfen seien nach Auffassung der Kammer dem Bereich des selbstständigen Wohnens zuzuordnen, da hierzu auch die Bewältigung rechtlicher und sozialer Beziehungen gehöre. Ferner müsse sich der Kläger nicht auf eine rechtliche Betreuung verweisen lassen. Anders als bei einer Betreuung nehme der Betreute im Rahmen des Betreuten Wohnens seine Angelegenheiten weiterhin selbst wahr. Er werde durch das betreute Wohnen lediglich bei der Regelung seiner Angelegenheiten unterstützt. Die tatsächlich geleistete Unterstützung entspreche auch nicht einer rechtlichen Betreuung, sondern dem Betreuten Wohnen. Nach dem Abschlussbericht des Anbieters hätten die Ziele des Ambulant Betreuten Wohnens auch weitgehend erreicht werden können.
316. Gegen das ihm am 18.12.2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 14.01.2013 Berufung eingelegt. Er meint im Falle des Klägers liege kein erforderlicher Betreuungsbedarf vor, der dem Bereich des Betreuten Wohnens gemäß § 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zugeordnet werden könne. Nach den Ausführungen seiner behandelnden Psychotherapeutin liege der Schwerpunkt der Problematik des Klägers auf dem anstehenden Berufswechsel, der durch eine berufsbildende Maßnahme herbeigeführt werden müsse. Ein regelmäßiger quantitativer erheblicher Betreuungsbedarf in diesem Bereich lasse sich nicht feststellen. Das gleiche gelte für die Zielsetzung, einen Deutschkurs zu belegen. Die Stärkung des Selbstbewusstseins sei bereits Gegenstand der therapeutischen Versorgung. Lebenspraktische Bereiche, die nach der Hilfeplanung gestärkt werden sollten, würden nicht einzeln benannt. Der Kläger habe seine Wohnung, seine leibliche Versorgung und auch dem Umgang mit seiner Tochter im Griff. Die Betreuungsbedürftigkeit des Klägers im Bereich des Sorgerechts für seine Tochter seien vorrangig dem Bereich einer gesetzlichen Betreuung zuzuordnen. Auch ein gesetzlicher Betreuer sei verpflichtet, den Wünschen des Betreuten soweit wie möglich Rechnung zu tragen. Allenfalls bestünde hier ein sporadischer, situativer Bedarf. Soweit der Hilfeplan schließlich als Ziele des Betreuten Wohnens auch die Erhaltung der Abstinenz und die Vermeidung neuer Klinikaufenthalte aufzähle, handele es sich um allgemein unspezifische Formeln ohne konkreten Gehalt. Auch die tatsächlichen Leistungen der Beigeladenen zu 1) wiesen keinen nachvollziehbaren Bezug zum selbstständigen Wohnen in der eigenen Wohnung auf. Vielmehr habe es sich ganz überwiegend um Unterstützungsleistungen gehandelt, die dem Bereich der gesetzlichen Betreuung zuzuordnen seien.
32Der Beklagte beantragt,
33das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 09.11.2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
34Der Kläger beantragt,
35die Berufung zurückzuweisen.
36Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
37Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
38Sie ist der Auffassung, die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung sei im Falle des Klägers kontraindiziert gewesen. Soweit, wie im Falle des Klägers, eine Verselbständigung des Betreuten und die Entwicklung von Handlungskompetenzen möglich sei, seien hierzu dienende pädagogische Maßnahmen einer gesetzlichen Betreuung, die allein auf die Vertretung des Betreuten ausgerichtet sei, vorzuziehen. Sie habe dem Kläger z.B. aufgezeigt, wie er mit Hilfe seiner Anwältin seine Rechte als Vater adäquat einfordern könne. Sie habe ihm geholfen, die Anforderungen, die an ihn gestellt worden seien, zu verstehen und zu bewältigen. Das gleiche habe bei Behördenangelegenheiten, bei der Berufsfindung und auch bei der formellen Lebensführung allgemein gegolten. Hier hätten motivierende und reflektierende Gespräche stattgefunden. Solche Leistungen wären bei einer gesetzlichen Betreuung nicht erfolgt und auch nicht möglich gewesen. Die Zwecksetzung von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei auch nicht mit der Zwecksetzung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung identisch. Lediglich Teilbereiche, wie die Psychoedukation hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation, seien nicht gänzlich abzugrenzen. Bei den erbrachten Leistungen handele es sich auch um typische Bewo-Leistungen, was sich auch aus der Leistungsvereinbarung mit dem Beklagten ergebe. Allerdings blieben die Aufgaben des Betreuten Wohnens naturgemäß unübersichtlich und für Außenstehende oftmals diffus. Sie sei jedoch stets auch dann erreichbar, wenn die Therapeutin oder Ärztin nicht erreichbar sei, insbesondere wenn sich krisenauslösende Begebenheiten manifestierten. Die dann erbrachten krisenintervenierenden Maßnahmen und Entlastungsgespräche hätten keinen therapeutischen Ansatz, sondern seien von einem "Pack-An"-Ansatz geprägt. Dass ihre Leistungen sinnvoll und notwendig gewesen seien, werde auch dadurch belegt, dass der Kläger nunmehr selbstständig lebe und einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehe.
39Der Senat hat den Kläger am 23.05.2014 durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H1 untersuchen lassen. In seinem schriftlichen Gutachten vom gleichen Tage hat der Sachverständige zunächst folgende Diagnosen gestellt:
40- Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ (ICD-10: F 60.31G) - Rezidivierende depressive Störung derzeit mittelgradige Episode (ICD-10: F 31.1G) - Zustand nach schädlichem Konsum von Cannabinoide, derzeit weitgehende Abstinenz (ICD-10: F 12.20G)
41Eine posttraumatische Belastungsstörung hat der Sachverständige demgegenüber ausgeschlossen.
42Vor allem durch die bestehende emotional-instabile Persönlichkeitsstörung bestehe eine deutliche Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten und der seelischen Gesundheit, welche von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweiche und mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate bestehe. Hierdurch sei der Kläger seit August 2010 im Verhältnis zu einem gleichaltrigen nicht behinderten Menschen eingeschränkt gewesen. Zu allererst seien hierbei die erheblichen sozialen Kontaktschwierigkeiten des Klägers zu benennen. Zudem bestünden wegen des als einengend empfundenen Aufenthalts in Deutschland weiterhin erhebliche Spannungszustände. Es komme immer wieder zu krisenhaften Zuspitzungen bis hin zu suizidalen Impulsen. Hinsichtlich der selbstbestimmten Lebensführung und Mobilität hätten sich hingegen keine wesentlichen Einschränkungen ergeben. Im Hinblick auf die hochgradigen Einschränkungen seiner Beziehungsfähigkeit habe im Zeitraum vom 08.08.2010 bis zum 08.08.2012 eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit des Klägers vorgelegen. Er zähle zum Kreis der seelisch wesentlich behinderten Menschen mit Neurosen respektive Persönlichkeitsstörungen. Er habe in dem genannten Zeitraum Unterstützung bei der Erlernung einer verbesserten Impulskontrolle, der Affektkontrolle, seiner langfristigen Lebensziele, seiner sozialen Fähigkeiten und hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation benötigt. Auch habe er der Unterstützung bei Behördenangelegenheiten und insbesondere auch hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten mit der Mutter seiner Tochter bedurft. Bei der Körperpflege, beim Anziehen, beim Zubereiten von Nahrung, beim Essen und Trinken, beim Aufräumen und Reinigen der Wohnung und der Wäsche sowie beim Einkaufen habe er hingegen keiner Hilfe benötigt. Dies gelte auch hinsichtlich der Planung eines strukturierten Tagesablaufs und bei der Planung und Durchführung von Freizeitaktivitäten.
43Die durchgeführten Leistungen der Beigeladenen seien geeignet gewesen, den Hilfebedarf des Klägers teilweise abzudecken, als hierdurch die Folgen der seelischen Behinderung hätten gemildert werden und somit eine verbesserte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft hätten ermöglicht werden können. Ohne entsprechende Unterstützung wäre es dem Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gelungen zu erreichen, dass er alle zwei Wochen ein Wochenende gemeinsam mit seiner Tochter verbringen könne. Weiterhin zu nennen sei die Anknüpfung an die berufliche Tätigkeit als Küchenhilfe, welche er ohne fremde Hilfe mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls nicht hätte leisten können.
44Die Leistungen der Beigeladenen seien allerdings insofern nicht erforderlich gewesen, als andere Behandlungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten. Hinsichtlich der Unterstützung bei Behördenangelegenheiten, der Berufsfindung sowie des Rechtsstreits mit der Mutter seiner Tochter wäre eine Unterstützung durch einen gesetzlichen Betreuer möglich und geeignet gewesen. Hinsichtlich der Einschränkung der sozialen Teilhabefähigkeit wäre eine Intensivierung der ambulanten Psychotherapie sinnvoll und geeignet gewesen. Eine Notwendigkeit zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung habe im Zeitraum vom 08.08.2010 bis zum 08.08.2012 nicht bestanden.
45Im Anschluss an die Begutachtung hat der Senat einen Befundbericht der Diplom-Psychologin und Ärztin I vom 19.09.2014 beigezogen. Diese hat u.a. ausgeführt, eine höherfrequente wöchentliche Stundenplanung sei kontraindiziert gewesen, die ambulante Therapie sei bei der Schwere der Symptomatik nicht ausreichend gewesen. Die in Anspruch genommenen Leistungen des Betreuten Wohnens seien im Sinne eines komplexen, multimodalen und soziotherapeutischen Ansatzes dringend notwendig gewesen. Die Therapie habe im Wesentlichen zur Strukturierung seines Lebens beigetragen. Das Betreute Wohnen sei besonders hilfreich gewesen, um ihn aus seiner sozialen Isolation herauszuführen und die Vermeidung alltäglicher Notwendigkeiten (Ämtergänge, Bezahlung von Rechnungen etc.) abzubauen.
46Der Senat hat sodann noch eine ergänzende Stellungnahme von Dr. H1 vom 26.09.2014 eingeholt. Darin hat der Sachverständige u.a. ausgeführt, die Geltendmachung juristischer Ansprüche stelle eine typische Indikation für eine gesetzliche Betreuung dar, die auch zeitlich befristet eingerichtet werden könne. Das selbstständige Wohnen des Klägers habe nie in Frage gestanden. Im Hinblick auf die Störungen im sozialen Bereich hätten Defizite im Sinne eine affektiven und Impulskontrollstörung bestanden, wie sie psychiatrisch und psychotherapeutisch zu behandeln seien. Hier habe auch die Möglichkeit einer ambulanten psychiatrischen Pflege bestanden. Es falle nicht in den Kompetenzbereich von Sozialpädagogen oder anderer therapeutischer Mitarbeiter eines Anbieters von Betreutem Wohnen, die bei dem Kläger bestehenden strukturellen Defizite therapeutisch zu bearbeiten. Einschränkungen der selbstbestimmten Lebensführung und der Tagesstruktur hätten sich nicht explorieren lassen. Die Behauptung, dass es dem Kläger nur so gut gehe, weil der die Leistungen der Beigeladenen zu 1) erhalten habe, sei aus fachärztlicher Sicht nicht haltbar. Gerade bei emotional instabilen Persönlichkeitsstörungen bestehe ein sehr schwankender Verlauf. Entgegen der Einschätzung von Frau I sei selbstverständlich bei unzureichendem Ansprechen und einer schwerwiegenden strukturellen Störung eine Intensivierung der Frequenz der Psychotherapie indiziert, ggf. dann in einem anderen, also tiefenpsychologisch fundierten Setting.
47Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf Bl. 257 ff., 319 f. und 322 ff. der GA Bezug genommen.
48Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
49Entscheidungsgründe:
50Die zulässige Berufung des Beklagten ist begründet. Das SG hat der zulässigen Klage zu Unrecht stattgegeben, denn die Klage ist unbegründet.
51I. 1. Das Urteil des SG leidet zunächst unter Verfahrensfehlern, weil es das Begehren des Klägers im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zutreffend erfasst und zudem unzulässigerweise ein Grundurteil erlassen hat.
52Das Begehren des Klägers im Sinne von § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist nach dem wohlverstanden Interesse inhaltlich auf die Gewährung einer Sachleistung in Gestalt der Sachleistungsverschaffung gerichtet. Der Beklagte hätte die begehrte Leistung nicht durch Zahlung von Geld, sondern dadurch zu erbringen, dass er durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung der Schuld beitritt, die der Kläger durch Beauftragung der Beigeladenen zu 1), die ihrerseits Leistungen gegen Entgelt bereitstellt und mit dem Beklagten als Sozialhilfeträger Verträge nach § 76 SGB XII geschlossen hat, begründet hat (vgl. insoweit z.B. BSG, Urt. v. 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R -, juris Rn. 10; sog. sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis; hierzu ebenso für Leistungen des Ambulanten Betreuten Wohnens LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 45). Dementsprechend scheidet auch eine Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG aus, da keine Geldleistung im Streit steht (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 12). Die Beiladung des Leistungserbringers ist nach § 75 Abs. 2 1. Alt. SGG notwendig (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 10).
53Richtigerweise hätte das SG deshalb genau ausurteilen müssen, welche Verbindlichkeiten des Klägers wem gegenüber in welcher Höhe der Beklagte durch Schulbeitritt zu übernehmen hat. Ausgehend von den Rechnungen, die die Beigeladene zu 1) dem Beklagten erteilt hat, geht es um die Übernahme von Kosten in Höhe von insgesamt 3.850,76 Euro für den Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2011 (63,67 Fachleistungsstunden multipliziert mit 1,2 = 76,40 Fachleistungsstunden zu je 50,40 Euro) und in Höhe von insgesamt 2.179,26 Euro für den Zeitraum vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 (36,00 Fachleistungsstunden multipliziert mit 1,2 = 43,20 Fachleistungsstunden, davon 41,40 Fachleistungsstunden bis zum 30.06.2012 zu je 50,40 Euro und 1,80 Fachleistungsstunden ab dem 01.07.2012 zu je 51,50 Euro), also insgesamt 6030,02 Euro.
542. Zutreffend ist das SG demgegenüber davon ausgegangen, dass in zeitlicher Hinsicht die gesamten Leistungen der Beigeladenen zu 1), die diese dem Kläger gegenüber im Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2012 erbracht hat, zulässiger Gegenstand der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5, 56 SGG sind. Insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Kläger für die Zeit ab dem 09.08.2011 einen weiteren Anträge auf Übernahme der Kosten für die durch die Beigeladene zu 1) erbrachten Leistungen bei dem Beklagten gestellt und insoweit einen weiteren individuellen Hilfeplan eingereicht hat. Ebenso wenig ist entscheidend, ob die verwaltungsinternen Verfahrensbestimmungen des Beigeladenen eine Individuelle Hilfeplanung (IHP) nur für einen jeweils zeitlich begrenzten Zeitraum (ein Jahr oder sechs Monate) vorsehen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der angefochtene Bescheid vom 29.12.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.04.2011, die gemäß § 95 SGG den Gegenstand der Klage bilden, keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Beschränkung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung erkennen lassen. Bei zeitlich unbeschränkter Ablehnung ist der gesamte Zeitraum bis letzten mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren streitgegenständlich (vgl. BSG Urt. v. 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R -, juris Rn. 8 m.w.N; Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -, juris Rn. 9). Eine zeitliche Beschränkung ergibt sich hier lediglich in tatsächlicher Hinsicht daraus, dass die Beigeladene zu 1) nach dem 08.08.2012 keine Leistungen mehr für den Kläger erbracht hat.
55II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte die von der Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Kosten wegen der von ihr dem Kläger gegenüber im Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2012 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.030,02 Euro durch Schuldbeitritt übernimmt.
561. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX.
57a) Für Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) wäre der Beklagte nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Buchstabe a) AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 2 1. Halbsatz AV-SGB XII NRW (Leistungen der Eingliederungshilfe für volljährige behinderte Menschen außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern) sachlich und gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 SGB XII wegen des unveränderten Aufenthalts des Klägers in L auch örtlich zuständig. Auf § 14 SGB IX käme es insoweit nicht an.
58b) Ein Anspruch aus § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX scheitert nicht von vornherein an einem fehlenden Bedarf des Klägers in Gestalt einer bestehenden, beitrittsfähigen zivilrechtlichen Schuld im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) (zu diesem Erfordernis in dem hier streitgegenständlichen sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis vgl. BSG, Urt. v. 25.09.2014 - B 8 SO 8/13 R -, juris Rn. 13 ff.).
59aa) In dem Betreuungsvertrag vom 16.08.2010, den der Kläger mit der Beigeladenen zu 1) geschlossen hat, war in § 4 Nr. 1 eindeutig geregelt, dass der Kläger - unabhängig von etwaigen Leistungen eines Sozialleistungsträgers - für die Leistungen der Beigeladenen ein Entgelt zu zahlen hatte. Gerade auch die Regelung des § 4 Nr. 3 zeigt, dass diese Zahlungspflicht nicht davon abhängig, ob und in welchem Umfang ein Sozialleistungsträger die Kosten übernahm. Vielmehr sollte die Zahlungspflicht des Klägers gemäß § 4 Nr. 3 Satz 3 des Betreuungsvertrages lediglich im Umfang der Leistung durch den Träger der Sozialhilfe entfallen. Diese Regelung setzt mithin eine grundsätzlich bestehende Zahlungspflicht des Klienten, d.h. hier des Klägers, voraus.
60bb) An der Wirksamkeit der vereinbarten Zahlungspflicht des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) bestehen im Hinblick auf die hier zunächst erörterten Leistungen im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX keine Zweifel. Zwar ist ein Sozialhilfeträger zur Übernahme der Vergütung eines Erbringers ambulanter Dienstleistungen gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 SGB XII nur verpflichtet, wenn er mit dem Leistungserbringer oder seinem Verband eine Vereinbarung über Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen (Leistungsvereinbarung), die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträgen für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzt (Vergütungsvereinbarung) und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen (Prüfungsvereinbarung) geschlossen hat. Solche Vereinbarungen hat die Beigeladene aber mit dem Beklagten für den Leistungsbereich Ambulant Betreutes Wohnen für Menschen mit Behinderung geschlossen.
61Die Beigeladene zu 1) wäre, soweit sie Leistungen des Ambulant betreuten Wohnens erbracht hätte (siehe dazu unten e)), auch innerhalb der zwischen ihr und dem Beklagten geschlossenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung geblieben. Der Kläger gehörte zu dem Personenkreis der Menschen mit psychischer Behinderung, für die die Beigeladene zu 1) nach § 2 Abs. 2 der Leistungsvereinbarung Leistungen erbringen darf.
62cc) Die Forderungen der Beigeladenen zu 1) gegen den Kläger sind allerdings teilweise nicht fällig. Nach § 4 Nr. 3 Satz 1 des Betreuungsvertrages, wonach die Vergütung gemäß § 4 Nr. 1 des Vertrages monatlich durch Rechnungstellung fällig ist, bedurfte es für die Fälligkeit der Vergütung - abweichend vom Regelfall (vgl. hierzu Kerwer, in: jurisPK-BGB, § 271 Rn. 19 mit zahlreichen w.N.) - einer Rechnung. Eine solche ist dem Kläger im Juni 2012 nur für die bis zum 22.06.2012 angefallene Vergütung (96,50 Fachleistungsstunden zum Stundensatz von 50,40 Euro, multipliziert mit 1,2, d.h. über einen Gesamtbetrag von 5.836,32 Euro) erteilt worden. Für den weiteren streitgegenständlichen Betrag (bis zum 30.06.2012 1,8 Fachleistungsstunden multipliziert mit 1,2 = 2,16 Fachleistungsstunden zu je 50,40 Euro = 108,86 Euro + ab dem 01.07.2012 1,5 Fachleistungsstunden multipliziert mit 1,2 = 1,8 Fachleistungsstunden zu je 51,50 Euro = 92,70 Euro; also insgesamt 201,56 Euro) fehlt es bislang an einer an den Kläger adressierten Rechnung.
63Die damit insoweit fehlende Fälligkeit führt aber nicht dazu, dass es insoweit an einem sozialhilferechtlichen Bedarf fehlt. Vielmehr kann die Beigeladene zu 1) dem Kläger jederzeit eine Rechnung erteilen und dadurch die Fälligkeit herbeiführen. Es besteht also bereits gegenwärtig eine hinreichend bestimmte und sicher zu erwartende zukünftige Verbindlichkeit. Insoweit kommt der Beitritt des Beklagten zu einer künftigen Schuld in Betracht (vgl. zu dieser Möglichkeit BSG, Urt. v. 18.11.2014 - B 8 SO 23/13 R -, juris Rn. 16).
64c) Ebenso wenig fehlt es an den Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 SGB XII. Im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Fälligkeit der Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber der Beigeladenen zu 1) (vgl. BSG, Urt. v. 20.09.2012 - B 8 SO 20/11 R -, juris Rn. 17 m.N.), d.h. mit Zugang der Rechnung aus Juni 2012 und den zukünftig zu erwartenden Rechnungen im Hinblick auf den weiteren streitigen Betrag von 201,56 Euro, verfügte bzw. verfügt der alleinstehende Kläger nicht über Vermögen, das den Freibetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b), Nr. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (DV § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII) in Höhe von 2.600,- Euro überstieg bzw. übersteigt. Im Juni 2012 floss dem Kläger lediglich Wohngeld und Krankengeld in Höhe von 725,10 Euro zu, dass die Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII offensichtlich nicht überstieg. Mit dem aus seiner Teilzeitbeschäftigung aktuell erzielten Gehalt von 1.030,- Euro netto überschreitet der Kläger diese Grenze ebenfalls nicht. Das nach § 82 Abs. 1 und 2 SGB XII berücksichtigungsfähige Nettoeinkommen ist geringer als der Grundbetrag nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII (aktuell 798,- Euro) zuzüglich der tatsächlichen und auch angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung von 336,40 Euro monatlich. Ein Einkommenseinsatz unterhalb der Einkommensgrenze kommt nach § 88 SGB XII ebenfalls offensichtlich nicht in Betracht.
65d) Der Kläger gehört auch zum Kreis der wesentlichen behinderten Menschen, die gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe als Pflichtleistung haben. Nach § 3 Nr. 4 der Verordnung nach § 60 SGB XII - Eingliederungshilfe-Verordnung (EinglHV) gehören Neurosen und Persönlichkeitsstörungen, wozu auch die beim Kläger vorliegende emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ gehört, zu den seelischen Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben können. Ob die seelische Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung des Einzelfalles, ausgerichtet an den Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabemöglichkeiten (so zur geistigen Behinderung BSG, Urt. v. 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R -, juris Rn. 14 m.w.N., und zur seelischen Behinderung LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 59). Danach ist die seelische Behinderung des Klägers wesentlich. Nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. H1 litt der Kläger im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung an erheblichen sozialen Kontaktschwierigkeiten und Spannungszuständen. Er benötigte Unterstützung bei der Erlernung einer verbesserten Impulskontrolle, der Affektkontrolle, seiner langfristigen Lebensziele, seiner sozialen Fähigkeiten und hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation sowie bei Behördenangelegenheiten und insbesondere auch hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten mit der Mutter seiner Tochter. Dies stellen erhebliche Einschränkungen der Teilhabemöglichkeiten dar.
66e) Allerdings liegen die Voraussetzungen für Leistungen nach 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX nicht vor. Die von der Beigeladenen gegenüber dem Kläger erbrachten Leistungen stellen keine Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX dar. Leistungen im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX waren auch für den Kläger nicht notwendig im Sinne von § 4 Abs. 1 (hier Nr. 4) SGB IX, denn sie waren bei Anwendung eines individueller Prüfungsmaßstabs bei vorausschauender Betrachtung zum Erreichen der Ziele der Eingliederungshilfe im Sinne von § 53 Abs. 3 SGB XII nicht unentbehrlich (vgl. zur generellen Voraussetzung der Notwendigkeit von Eingliederungshilfeleistungen und zum Prüfungsmaßstab siehe BSG, Urt. v. 22.03.2012 - B 8 SO 30/10 R -, juris Rn. 23; Urt. v. 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R -, juris Rn. 14).
67aa) Was unter "Hilfen zu selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht definiert und ergibt sich auch nicht aus den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. insoweit auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 61). Aus diesen geht lediglich hervor, dass sich der in § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII verwandte Begriff der "Formen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten" an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX orientieren soll (vgl. BT-Drucks 15/1514, S. 67 zu § 93 (Örtliche Zuständigkeit)). Die Rechtsprechung hat hieraus abgeleitet, dass die sowohl in § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX als auch in § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII verwandten Begriffe "betreute Wohnmöglichkeiten" inhaltlich identisch sind (vgl. BSG, Urt. v. 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R -, juris Rn. 15; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
68Das BSG hat insoweit konstatiert, dass die von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erfassten Leistungen ihrer Art nach äußerst vielfältig sind und unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder Wohngemeinschaften erfassen (BSG, a.a.O., Rn. 16 m.w.N.). Ebenso wie bereits zuvor der Senat (vgl. Urt. v. 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 -, juris Rn. 31) hat das BSG klargestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt wird. Vielmehr können Hilfen in "betreuten Wohnmöglichkeiten" auch in der selbst angemieteten Wohnung erbracht werden. Das BSG hat weiterhin entschieden, dass die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen hat. Sinn der Betreuungsleistungen beim Betreuten Wohnen ist nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach darf es sich bei der Betreuung nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen muss die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein (BSG, a.a.O., Rn. 15).
69Entsprechende, teilweise aber auch weitergehende Konkretisierungsansätze hat auch der Senat entwickelt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist das Selbstbestimmungspostulat wesentlicher Bestandteil des gesetzlichen Selbstverständnisses in §§ 1 und 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX und bedingt eine angemessene Berücksichtigung der Wohn- und Lebensvorstellungen des behinderten Menschen nebst der hierauf bezogenen berechtigten Wünsche im Sinne des § 9 SGB IX bei der Konkretisierung der Leistungen und ihrer Voraussetzungen. Der Sache nach soll der behinderte Mensch durch Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX so weit wie möglich befähigt werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohnbereich selbstständig vornehmen zu können, sich im Wohnumfeld zu orientieren oder zumindest dies alles mit sporadischer Unterstützung Dritter zu erreichen. Hierzu kann auch die Motivierung des Betroffenen gehören, die für ihn gegebenenfalls neue Lebenssituation anzunehmen und konstruktiv zu bewältigen. Eine betreute Wohnmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei darf es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln, sondern diese müssen in einer regelmäßigen Form erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, die auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein muss. Die möglichen Hilfeleistungen, die das erforderliche Merkmal der Betreuung erfüllen, umfassen insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurechtzufinden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interessen zu artikulieren und adäquat zu vertreten. Auch die Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen kann beispielsweise der Hilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolgt, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen kann (Urt. v. 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 -, juris Rn. 32 f.).
70Diese Ansätze aufgreifend hat der 20. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII die Auffassung vertreten, die Leistungen des Betreuten Wohnens müssten wohnungsbezogen sein und final auf die Selbstständigkeit "beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 61, 65). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an. Die Verknüpfung der Betreuung mit dem Wohnen in § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX macht deutlich, dass nicht jede Form von sozialer oder psychischer Unterstützung unter diese Vorschrift subsumiert werden kann. Sonst würde auch die besondere Vorschrift über die örtliche Zuständigkeit nach § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XI, die, wie bereits ausgeführt, ebenso wie § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX auszulegen ist, übermäßig erweitert. Vielmehr müssen Hilfen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX eine konzeptionelle Ausrichtung auf das Wohnen und das Wohnumfeld und auf die Förderung der Selbstbestimmung des Wohnens in der gewählten Wohnform (§ 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) im Rahmen der individuellen Möglichkeiten des behinderten Menschen aufweisen. Ohne eine solche konzeptionelle Ausrichtung wäre auch der Schutzzweck des § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII nicht einschlägig (so das Urt. des Senats v. 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 -, juris Rn. 34; die Notwendigkeit eines Gesamtkonzeptes demgegenüber offen lassend LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 65). Die erforderliche finale Ausrichtung auf die Selbstbestimmtheit des Wohnens kommt auch in der landesrechtlichen Zuständigkeitsvorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XIII NRW deutlich zum Ausdruck.
71Daran anknüpfend können Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX nur dann im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig sein, wenn bei dem Leistungsempfänger ein spezifischer individueller Bedarf für Hilfeleistungen in Bezug auf die Aufrechterhaltung der von ihm gewählten, selbstbestimmten Wohnform besteht. Dies ist dann der Fall, wenn die vom Leistungsempfänger gewählte, dem ihm möglichen Niveau an Selbstständigkeit entsprechende Wohnform gefährdet ist und der Leistungsempfänger ohne Unterstützung Dritter in eine weniger selbstbestimmte Wohnform, insbesondere in eine stationäre Einrichtung, wechseln müsste. Demgegenüber sind Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX nicht erforderlich im Sinne von unerlässlich, wenn der behinderte Mensch zwar in diverser Hinsicht bei seiner Lebensführung der Hilfe bedarf, dieser Hilfebedarf jedoch nicht mit der von ihm gewählten Wohnform im Zusammenhang steht oder sich nicht auf die Aufrechterhaltung einer selbstbestimmten Wohnform bezieht. Gleiches gilt, wenn die Aufrechterhaltung des selbstbestimmten Wohnens durch Angehörige, insbesondere solche, deren Einkommen und Vermögen nach § 19 Abs. 3 SGB XII zu berücksichtigen ist, sicher gestellt wird. Dann stehen nämlich andere gleich geeignete und zumutbare Maßnahmen zur Erreichung des Ziels der Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zur Verfügung (vgl. insoweit zu den Voraussetzungen der Erforderlichkeit auch BSG, Urt. v. 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R -, juris Rn. 17 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 74).
72bb) Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX nicht vor.
73(1) Zum einen hat die Beigeladene zu 1) gegenüber dem Kläger jedenfalls im Schwerpunkt keine Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnformen im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX geleistet. Sie hat zwar diverse Betreuungsleistungen gegenüber dem Kläger erbracht. Unabhängig davon, ob es sich bei diesen Betreuungsleistungen überhaupt im Schwerpunkt um erforderliche Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben gehandelt hat, fehlt diesen Betreuungsleistungen jedoch in jedem Fall der erforderliche finale Bezug und die konzeptionelle Ausrichtung auf das Wohnen und dessen Selbstbestimmtheit. Ein auf die Aufrechterhaltung der vom Kläger gewählten Wohnform und den von ihm erstrebten Grad der Selbstständigkeit des Wohnens gerichtetes Konzept ist und war nicht erkennbar. Haushaltsführung, Lebensgestaltung in der Wohnung und das Zurechtfinden in der Umgebung war zu keinem Zeitpunkt Gegenstand der Bemühungen der Beigeladenen zu 1). Dies sollte auch bei ex-ante-Betrachtung nach den beim Beklagten eingereichten Hilfeplänen nicht der Fall sein. Die Beigeladene zu 1) hat dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt.
74Ein Schwerpunkt der Bemühungen der Beigeladenen zu 1) bestand ausweislich der zu den Akten gereichten Dokumentationen der Mitarbeit der Beigeladenen zu 1) darin, den schriftlichen und persönlichen Verkehr zu Behörden, namentlich der Krankenkasse, dem Wohnungsamt, der Unterhaltsvorschusskasse, dem Jobcenter bzw. der Agentur für Arbeit, dem Jugendamt und dem Amtsgericht abzuwickeln und zu begleiten. Es ging dabei vor allem um die Gewährung von Sozialleistungen (Wohngeld, Krankengeld, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) sowie um Sorgerechtsangelegenheiten. So telefonierten die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) mit den genannten Behörden, verfassten Schriftstücke an diese bzw. unterstützten den Kläger hierbei und begleiteten ihn zu Vorsprachen und Terminen bei den genannten Institutionen. Hiermit befassten sich die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) jedenfalls im Schwerpunkt bei den Kontakten bzw. Tätigkeiten am 16.08.2010, 24.08.2010, 31.08.2010, 16.09.2010, 29.09.2010, 14.10.2010, 08.11.2010, 15.11.2010, 09.12.2010, 15.02.2011, 02.05.2011, 16.05.2011, 26.05.2011, 27.05.2011, 17.06.2011, 30.06.2011, 06.09.2011, 13.09.2011, 25.11.2011, 12.12.2011, 30.12.2011, 27.02.2011, 19.03.2011, 20.04.2012, 08.05.2012, 29.05.2012, 22.06.2012, 27.06.2012, 29.06.2012 und 06.07.2012, d.h. für die Dauer von insgesamt 43,80 Stunden. Hinzu kommen insoweit auch die Termine am 09.05.2011, 04.07.2011, 15.07.2011, 28.07.2011, 05.08.2011, 13.10.2011, 10.01.2012, 14.02.2012 (insgesamt weitere 10,33 Stunden), bei denen in den Tätigkeitsdokumentationen lediglich "formelle Lebensführung" eingetragen wurden. Nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat meint "formelle Lebensführung" den Kontakt zu Behörden und Ämtern.
75Bei diesen Kontakten etc. ging es nicht um das selbstständige Wohnen des Klägers, sondern im Wesentlichen um die Wahrung seiner Rechte, insbesondere im Verhältnis zu den Sozialbehörden. Die Beigeladene hat insoweit allgemeine Lebenshilfe geleistet. Diese Hilfe war jedoch nicht spezifisch und konzeptionell auf die Selbstbestimmtheit des Wohnens ausgerichtet. Ob Leistungen im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bei einer entsprechenden gesamtkonzeptionellen Ausrichtung auf das selbstbestimmte Wohnen auch im weiteren Sinne verwaltungsmäßige Handlungen, wie die Begleitung zu Ämtern und Behörden und insbesondere die Beantragung von Leistungen, die, wie insbesondere das Wohngeld, zur Sicherung der Unterkunft bestimmt sind, umfassen können (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 88), kann dahinstehen. Für sich genommen, d.h., wenn, wie hier, keine schwerpunktmäßige Ausrichtung auf die Förderung des selbstbestimmten Wohnens erkennbar ist, stellen diese Handlungen jedoch keine Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnformen im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX dar, weil es an der spezifischen Zielsetzung dieser Leistungen fehlt.
76Einen weiteren Schwerpunkt der Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) bildete die Problematik des Sorgerechts und des Umgangs des Klägers mit seiner Tochter. Zusätzlich zu den bereits im vorstehenden Absatz behandelten, insoweit notwendigen behördlichen Kontakte fanden hierzu Gespräche und Kontakte mit dem Kläger allein, aber auch zusammen mit der Mutter der Tochter und der Rechtsanwältin, die den Kläger im familienrechtlichen Verfahren vertreten hat, statt, und zwar am 02.09.2010, 06.10.2010, 17.12.2010, 12.01.2011, 14.01.2011, 15.01.2011, 28.02.2011, 10.03.2011, 14.03.2011, 15.04.2011, 14.09.2011 und 29.06.2012. Insoweit ist ein Zeitaufwand von 8,67 Stunden entstanden. Ein Bezug zum selbstständigen Wohnen des Klägers ist bei diesen Leistungen nicht erkennbar. Die Beigeladene zu 1) hat insoweit vielmehr Beratungs- und Unterstützungsleistungen im Bereich familienrechtlicher Angelegenheiten, nicht aber Hilfen zum selbstbestimmten Leben des Klägers in seiner Wohnung geleistet.
77Darüber hinaus befassten sich die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) mit der beruflichen Zukunft des Klägers. Insoweit führten sie Gespräche mit dem Kläger, (potentiellen) Arbeitgebern (I) und Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation (Diakonie N und BTZ), verkehrten mit den zuletzt genannten Einrichtungen auch schriftlich und begleiteten den Kläger dorthin. Dies war Schwerpunkt der am 05.11.2010, 11.11.2010, 28.12.2010, 06.01.2011, 11.01.2011, 19.01.2011, 31.05.2011, 07.06.2011, 30.01.2011, 02.03.2012, 27.03.2012, 11.04.2012 und 13.06.2012 erbrachten Leistungen (insgesamt 16,33 Stunden). Auch insoweit ist eine finale Ausrichtung der Leistungen auf das selbstständige Wohnen des Klägers nicht erkennbar. Zwar können Anleitungen zur Tagesstrukturierungen wesentlichen Bestandteil der Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sein, wenn sie in das Gesamtkonzept eingebunden sind. An einem solchen, auf die Förderung des selbstbestimmten Wohnens ausgerichteten Gesamtkonzept fehlt es hier jedoch. Zudem und vor allem ging es bei den auf die berufliche Zukunft gerichteten Leistungen der Beigeladenen zu 1) nicht um eine sinnvolle Tagesstrukturierung, sondern allein darum, wie der Kläger künftig seinen Lebensunterhalt verdienen und eine dauerhafte berufliche Perspektive entwickeln kann. Insoweit fehlt jeglicher Bezug zum Wohnen.
78Gleiches gilt für die Befassung mit der Gesundheit des Klägers (02.11.2010, 17.01.2011, 08.12.2011, 30.12.2011 und 12.06.2012 = 0,8 Stunden) und die Führung sog. Entlastungsgespräche (02.02.2011, 26.07.2011, 11.08.2011 und 05.09.2011 = 2 Stunden). Letztere wurden zudem offensichtlich im Hinblick auf die Probleme des Klägers hinsichtlich des Sorgerechts für seine Tochter und seine berufliche Zukunft geführt (vgl. insoweit vor allem die Dokumentationen zu den Terminen am 26.06.2012 und 15.04.2011, in denen ausdrücklich Entlastungsgespräche im Zusammenhang mit der Sorgerechtsangelegenheit erwähnt werden), und stellen deshalb auch nach den vorstehenden Ausführungen keinen Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX dar.
79Ein Wohnungsbezug ist allenfalls denkbar, soweit sich die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) am 13.12.2010, 17.12.2010, 25.01.2011, 19.04.2011 und 07.06.2011 für die Dauer von insgesamt 3,33 Stunden mit dem Mietvertrag und die Stromversorgung der Wohnung des Klägers befasst haben. Abgesehen davon, dass diese Themen offensichtlich nicht den Schwerpunkt der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) bildeten, handelt es sich hierbei um rein verwaltungsmäßige Tätigkeiten, die mit den eingangs zu diesem Abschnitt behandelten Unterstützungshandlungen im Kontakt mit Behörden vergleichbar und nicht in ein spezifisch auf die Sicherung der Selbstbestimmtheit des Wohnens ausgerichtetes Gesamtkonzept eingebettet sind.
80Die übrigen dokumentierten Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) betrafen organisatorische Fragen im Hinblick auf den hier streitigen Sozialhilfeanspruch und können als Annexleistungen nur dann unter § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX subsumiert werden, wenn die Hauptleistungen selbst als Leistungen zum selbstbestimmten Wohnen in betreuten Wohnmöglichkeiten einzuordnen wären. Dies ist jedoch nach vorstehenden Ausführungen nicht der Fall.
81Ausgehend von den bei dem Beklagten eingereichten Hilfeplänen ergibt sich keine andere Bewertung.
82Wenn, wie hier, bereits Leistungen erbracht worden sind, kommt es für einen Anspruch auf Leistungen nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX auf die tatsächlich erbrachten Leistungen und nicht auf die Angaben im Hilfeplan an. Bei der hier vorliegenden kombinierten Anfechtungs-, Leistungs- und Verpflichtungsklage ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich, so dass etwaige Änderungen bis zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen sind. Wenn tatsächlich keine Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erbracht worden sind, kann ein Anspruch auf eben diese Leistungen nicht dadurch begründet werden, dass diese ursprünglich einmal beabsichtigt waren.
83Unabhängig davon lassen auch die im ersten Hilfeplan angegebenen beabsichtigten Leistungen der Beigeladenen zu 1) keine finale Ausrichtung auf die Sicherung des selbstständigen Wohnens des Klägers in seiner Wohnung erkennen. Die durch Leistungen der Beigeladenen zu 1) nach den Hilfeplänen zu erreichenden Ziele (Deutschkurs belegen, einen Arbeits- bzw. Maßnahmeplatz dauerhaft besetzen, Besuchsregelung zu seiner Tochter aufrecht erhalten sowie einen weiteren Klinikaufenthalt vermeiden) haben mit Aufrechterhaltung des selbstbestimmten Wohnens nichts zu tun. Der Senat folgt insoweit in vollem Umfang der Auffassung des Beklagten und nimmt auf dessen Ausführungen Bezug. Was die Vermeidung eines weiteren stationären Aufenthaltes anbetrifft, ging es offensichtlich nicht darum, die selbstständige Wohnform zu erhalten und einen Wechsel in eine stationäre Wohnform zu verhindern. Eine solche stationäre Wohnform stand für den Kläger auch nach dem Hilfeplan nie zur Debatte. Der Hilfeplan formulierte insoweit lediglich das Ziel, eine nochmalige Verschlimmerung der psychischen Erkrankung und einen dann u.U. notwendigen kurativen und von vornherein zeitlich begrenzten stationären Aufenthalt zur Behandlung dieser Erkrankung zu verhindern. Ein etwaiger krankheitsbedingter stationärer Aufenthalt stellt aber die Aufrechterhaltung einer selbstständigen Wohnform nicht grundsätzlich in Frage. Zudem weist die Vermeidung eines weiteren Krankenhausaufenthaltes primär eine medizinische Zielrichtung auf und dient damit im Schwerpunkt nicht der Teilhabe am Gemeinschaftsleben.
84Der zweite Hilfeplan für die Zeit vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 enthält zwar ausweislich des auf Bl. 108 ff. der GA befindlichen Abschlussberichtes insoweit einen gewissen Wohnungsbezug, als die Problematik einer nicht schließenden Wohnungstür angegangen werden und im Rahmen der Gewährleistung der formellen Lebensführung auch ein Finanzplan aufgestellt werden sollte. Insoweit handelt es sich aber um vereinzelte Bedarfslagen, die nicht in ein Gesamtkonzept zur Aufrechterhaltung des selbstbestimmten Wohnens eingebettet sind. Die betreffenden Probleme sind auch im zweiten Hilfeplan letztlich Ausprägung der grundsätzlichen Schwierigkeiten des Klägers im Umgang mit Behörden und privaten Dritten. Dass die beabsichtigten Hilfen im Schwerpunkt auf die Aufrechterhaltung der Selbstbestimmtheit des Wohnens ausgerichtet sind, ist auch im zweiten Hilfeplan nicht erkennbar. Bezeichnenderweise werden für das Ziel "Meine Wohnung bleibt mir erhalten und es gelingt mir, entstehenden Probleme selbst zu regeln" lediglich 10 Minuten pro Woche veranschlagt.
85(2) Zum anderen und vor allem bestand bei dem Kläger auch aus ex-ante-Sicht kein spezifischer individueller Bedarf für Hilfeleistungen in Bezug auf die Aufrechterhaltung der von ihm gewählten selbstbestimmte Wohnform, so dass Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX als solche auch nicht im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig waren. Die vom Kläger gewünschte Wohnform, das selbstständige Alleinleben in einer angemieteten Wohnung, war zu keinem Zeitpunkt aufgrund der Behinderung des Klägers gefährdet. Der Kläger bedurfte zur Aufrechterhaltung der von ihm gewählten Wohnform keiner Hilfe.
86Der Sachverständige Dr. H1 hat festgestellt, der Kläger habe im Zeitraum vom 08.08.2010 bis zum 08.08.2012 keine Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen, beim Zubereiten von Nahrung, beim Essen und Trinken, beim Aufräumen und Reinigen der Wohnung und der Wäsche sowie beim Einkaufen benötigt. Dies gelte auch hinsichtlich der Planung eines strukturierten Tagesablaufs und bei der Planung und Durchführung von Freizeitaktivitäten. Eine Notwendigkeit zur Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung habe im Zeitraum vom 08.08.2010 bis zum 08.08.2012 nicht bestanden. Unterstützung habe der Kläger lediglich bei der Erlernung einer verbesserten Impulskontrolle, der Affektkontrolle, seiner langfristigen Lebensziele, seiner sozialen Fähigkeiten und hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Abstinenzmotivation sowie bei Behördenangelegenheiten und insbesondere auch hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten mit der Mutter seiner Tochter benötigt.
87Der Sachverständige hat damit den spezifischen Bedarf, der durch Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX abgedeckt werden soll, ausdrücklich verneint. Der von ihm bejahte Hilfebedarf weist keinen Bezug zum Wohnen und dessen Selbstbestimmtheit auf. Wie der Sachverständige selbst ausdrücklich festgestellt hat, stand die Aufrechterhaltung der vom Kläger gewählten Wohnform nie zur Debatte.
88Der Senat schließt sich dieser Beurteilung des Sachverständigen an. Der Sachverständige hat den Kläger ausführlich exploriert und insbesondere eine ausführliche Anamnese erhoben. Er hat in seiner ergänzenden Stellungnahme noch einmal schlüssig und im Hinblick auf die im Gutachten wiedergegebenen Äußerungen des Klägers auch zutreffend betont, Einschränkungen der selbstbestimmten Lebensführung und der Tagesstruktur hätten sich nicht explorieren lassen. Solche Einschränkungen wären bei Erkrankung des Klägers auch nicht plausibel. Anders als beispielsweise bei Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis, bei denen erhebliche Schwierigkeiten in der Planung der Tagesstruktur vorlägen, habe der Kläger aus der Längsschnittanamnese diesbezüglich keine höhergradigen Defizite gezeigt. Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar und überzeugend.
89Anhaltpunkte dafür, dass die Einschätzung des Sachverständigen unzutreffend sein könnte, sind nicht erkennbar. Soweit die Diplom-Psychologin und Ärztin I in ihrem Befundbericht vom 19.09.2014 ausgeführt hat, die "Therapie" (gemeint sind wohl die Maßnahmen der Beigeladenen zu 1)) habe im Wesentlichen zur Strukturierung seines Lebens beigetragen, hat sie nicht begründet, dass und warum der Kläger einer solchen Tagesstrukturierung bedurft hätte. Sie hat lediglich pauschal die in Anspruch genommenen "Leistungen des Betreuten Wohnens" für dringend notwendig erachtet. Was sie dabei unter dem Begriff des "betreuten Wohnens" versteht, hat sie nicht offen gelegt. Es liegt nahe, dass sie sämtliche Leistungen, die die Beigeladene zu 1) erbringt und dem Kläger gegenüber erbracht hat, als Leistungen des betreuten Wohnens ansieht, weil die Beigeladene zu 1) eben ein Anbieter solcher Leistungen ist. In jedem Fall geht sie, im Übrigen ebenso wie das SG, von einem anderen Begriffsverständnis aus als der Senat. Dass und warum der Kläger einen Bedarf für Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX im Sinne der hier vertretenen Auffassung gehabt soll, geht aus ihren Ausführungen nicht hervor.
90Die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H1 deckt sich im Übrigen auch mit den Feststellungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Dr. H. Auch dieser hat Einschränkungen des Klägers bezogen auf die Bereiche der Selbstversorgung und das häusliche Leben und eine Indikation für ein Betreutes Wohnen ausdrücklich verneint. Er hat in seiner ergänzenden Stellungnahme lediglich die Auffassung vertreten, der bestehende Bedarf des Klägers nach Unterstützung bei allen Problemen, die mit Ämtern, Behörden und sozialen Diensten zu tun hätten, könne auch über das Betreute Wohnen vermittelt werden. Damit hat er aber keinen spezifischen Bedarf im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX bejaht, sondern lediglich gemeint, dass auch die Beigeladene zu 1), die eben (auch) Leistungen des Betreuten Wohnens anbiete, den Bedarf des Klägers decken könne. An seiner Auffassung, dass der Kläger zur Aufrechterhaltung eines selbstbestimmten Wohnens keiner Hilfe bedarf, hat Dr. H erkennbar festgehalten.
91Aus den aktenkundigen Entlassungsberichten im Anschluss an den stationären und den teilstationären Aufenthalte in der Klinik des Beklagten ergibt sich ebenfalls keine andere Bewertung. Dass und warum der Kläger einen Hilfebedarf im Hinblick auf die Aufrechterhaltung seiner selbstbestimmten Wohnform haben sollte, wird in den Entlassungsberichten nicht dargelegt. Soweit während des stationären Aufenthaltes des Klägers Mitte 2010 tatsächlich eine Empfehlung für die Inanspruchnahme von Leistungen des Ambulant Betreuten Wohnen ausgesprochen worden sein sollte, was durch den Akteninhalt nicht belegt ist, ist nicht erkennbar, dass und warum eine Indikation für eine Hilfe zum selbstbestimmten Wohnen gesehen wurde. Vermutlich waren die in der Klinik des Beklagten angestellten Sozialarbeiter der Überzeugung, der Kläger benötige bei seiner praktischen Lebensführung, z.B. bei Kontakten nach außen zu Behörden und Dritten, nach Beendigung des stationären Aufenthaltes weiterhin der Unterstützung. Dies entspricht durchaus der Einschätzung des Sachverständigen. Ein solcher allgemeiner Hilfebedarf stellt jedoch keinen spezifischen Bedarf im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX dar.
92Gegen die Einschätzung des Sachverständigen Dr. H1, wonach der Kläger keiner Hilfe zum selbstbestimmten Wohnen bedurfte, haben der Kläger und die Beigeladene zu 1) letztlich auch keine Einwände erhoben. Die Beigeladene zu 1) hat vielmehr selbst in der Sache klargestellt, dass der Kläger im Hinblick auf die Aufrechterhaltung seines häuslichen Umfeldes keinen Bedarf hatte. Sie geht vielmehr auch nach ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat von einem weiteren Begriff des "Betreuten Wohnens" aus als der Sachverständige und rechnet in der Sache sämtliche Leistungen, die unabhängig von einer finalen Ausrichtung auf das Wohnen auf die Teilhabe am Gemeinschaftsleben und eine selbstständige Lebensführung ausgerichtet sind, zu den Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Damit legt sie ein Begriffsverständnis zugrunde, dass auch der Senat nicht teilt und dass den durch den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX und die Systematik von § 54 SGB XII und § 55 SGB IX vorgegeben Rahmen überschreitet. Die Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX stellen lediglich einen speziellen Teil der Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben dar. Nicht alle Leistungen, die der Teilhabe am Gemeinschaftsleben dienen, sind Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX.
93Fehlt es damit bereits an einem spezifischen Bedarf des Klägers für Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen medizinische Maßnahmen, wie z.B. die hier vom Sachverständigen Dr. H1 empfohlene Intensivierung der ambulanten Psychotherapie, der Notwendigkeit von Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX entgegenstehen können (hierzu im Schwerpunkt LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 74 ff.).
942. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus anderen Rechtsgrundlagen.
95a) Dem Anspruch steht insoweit bereits entgegen, dass die Beigeladene zu 1) nach den vorstehenden Ausführungen dem Kläger gegenüber keine Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erbracht hat und solche Leistungen für den Kläger auch nicht erforderlich waren und die Beigeladene zu 1) damit außerhalb der in § 1 Abs. 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung zwischen ihr und dem Beklagten festgelegten Leistungsart tätig geworden ist und mit anderen Sozialhilfeträgern für deren Zuständigkeitsbereich und für andere Leistungen als die nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX keine entsprechenden Verträge geschlossen hat.
96aa) Auch wenn die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX in der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung nicht ausdrücklich genannt ist, ergibt die Auslegung der Vereinbarung, dass nur diese Leistungen erfasst sind. Mit ambulanter "Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen" im Sinne von § 1 Abs. 1 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung können nur Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX gemeint sein, da sich die Vertragsparteien offensichtlich an gesetzlich vorgesehenen Leistungen orientieren wollten. Im Übrigen bringen die Formulierungen der Vereinbarung auch deutlich zum Ausdruck, dass die Hilfen, die die Beigeladenen erbringt, wohnungsbezogen sein müssen, d.h. final auf die Förderung des selbstbestimmten Wohnens ausgerichtet sein müssen. Unabhängig von der fehlenden Nennung des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX geht die Leistungs- und Prüfungsvereinbarung damit von dem Begriffsverständnis aus, dass nach der hier vertretenen Auslegung auch für § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX maßgeblich ist.
97Hierfür spricht auch entscheidend, dass der Beklagte als der in der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung allein genannte Sozialhilfeträger nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW als überörtlicher Träger nur für solche Leistungen außerhalb von stationären und teilstationären Einrichtungen sachlich zuständig ist, die mit dem Ziel geleistet werden, ein selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern. Für Leistungen ohne finale Ausrichtung auf das Wohnen und dessen Selbstbestimmtheit hätte der Beklagte gar keine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung schließen dürfen.
98Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1) ergibt sich aus den in § 1 Abs. 2 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung aufgeführten Einzelzielen (u.a. Beseitigung, Milderung oder Verhütung von Verschlimmerung einer vorhanden Behinderung und deren Folgen, möglichst selbstständige Lebensführung und Ausübung einer angemessenen Tätigkeit/eines angemessenen Berufs) kein weitergehender Geltungsbereich der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung. Wie sich bereits aus der Bezeichnung "Einzelziele" ergibt, sind diese im Lichte des Gesamtziels zu betrachten und zudem auf die Maßnahme des Ambulant Betreuten Wohnens bezogen. Sie sind im Rahmen einer auf die Selbstbestimmtheit des Wohnens ausgerichteten Maßnahme anzustreben. Ihre Verfolgung als solche vermag aber eine Maßnahme ohne entsprechende finale Ausrichtung auf das Wohnen nicht zu einer "Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen" zu machen. Die in § 1 Abs. 2 der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung genannten Einzelziele beschreiben zudem in der Sache allgemein die Ziele von Leistungen der Eingliederungshilfe (vgl. insoweit auch § 53 Abs. 3 SGB XII) und sind damit fast jeder Maßnahme der Eingliederungshilfe zu Eigen. Sie sind deshalb nicht geeignet, den Geltungsbereich der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung zu bestimmen. Entscheidend bleibt insoweit allein, ob die Maßnahme final auf die Aufrechterhaltung und Gewährleistung eines selbstbestimmten Wohnens gerichtet und hierfür erforderlich ist. Dies ist bei den von Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall.
99Schließlich ergäbe sich auch dann nichts anderes, wenn der Beklagte in vergleichbaren Fällen die Kosten für Leistungen der Beigeladenen zu 1) oder eines anderen Anbieters von Leistungen des Ambulant Betreuten Wohnens aus den Mitteln der Sozialhilfe übernommen hätte, obwohl den Leistungen eine finale Ausrichtung auf das Wohnen und dessen Selbstbestimmtheit, wie hier, gefehlt hat. Der Beklagte hätte dann seinerseits außerhalb der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung und im Übrigen auch außerhalb seines sachlichen Zuständigkeitsbereichs und damit rechtswidriger Weise Leistungen erbracht. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht nicht. Auf keinen Fall entspricht das von der Beigeladenen zu 1) vertretene weitergehende Verständnis der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung einer ständigen Übung zwischen den Vertragsparteien. Wie dem Senat aus anderen bei ihm anhängig gewesenen Verfahren bekannt ist, vertritt der Beklagte grundsätzlich die - nach Auffassung des Senats zutreffende - Auffassung, dass er für Betreuungsleistungen ohne finale Ausrichtung auf die Selbstbestimmtheit des Wohnens keine Leistungen zu erbringen hat.
100bb) Ist die Beigeladene zu 1) damit außerhalb ihrer mit dem Beklagten vereinbarten vertraglichen "Zulassung" tätig geworden, ist die Übernahme der Vergütung durch den Beklagten nach § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII grundsätzlich ausgeschlossen, weil die Beigeladene über andere Leistungen als solche nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX keine Vereinbarung mit dem Beklagten oder einem anderen Sozialhilfeträger getroffen hat und es damit an Vereinbarungen im Sinne von § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII in Bezug auf die konkret erbrachte Leistung insgesamt fehlt.
101Eine "Einzelfallzulassung" nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII kommt vorliegend nicht in Betracht.
102§ 75 Abs. 4 SGB XII enthält eine Ausnahmevorschrift und setzt einen vertragslosen Zustand ("Vereinbarungen nicht abgeschlossen") voraus. Im Sinne einer funktionsdifferenten Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals kann ein vertragsloser Zustand i.S.d. § 75 Abs. 4 SGB XII richtigerweise nur dann angenommen werden, wenn feststeht, dass eine Einigung auf vertraglicher Ebene nicht (mehr) möglich oder zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn der Abschluss einer Vereinbarung zwischen Sozialhilfeträger und Leistungserbringer zu keiner Zeit angestrebt wurde, endgültig gescheitert ist, wenn die zu erbringende Leistung von einer bestehenden Vereinbarung nicht erfasst wird und eine Vereinbarungsergänzung endgültig gescheitert ist oder wenn eine Vereinbarung gekündigt wurde. § 75 Abs. 4 SGB XII gilt nicht für eine beabsichtigte Änderung oder Anpassung des Vertrages. Insbesondere bildet § 75 Abs. 4 SGB XII keine Grundlage für die Geltendmachung einer höheren als der vereinbarten Vergütung (so zum Ganzen Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 133 m.w.N.).
103Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII nicht vor. Über sonstige Leistungen als solche nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX haben keine Verhandlungen zwischen der Beigeladenen zu 1) und dem Beklagten stattgefunden. Die Beigeladene hat vielmehr, ohne den Versuch einer Ergänzung der bestehenden Leistungs- und Prüfungsvereinbarung zu unternehmen, (bewusst oder unbewusst) ihren vertraglich festgelegten Tätigkeitsrahmen überschritten und sich damit außerhalb der bestehenden Vereinbarung gestellt. Wäre auch in einer solchen Konstellation eine Einzelfallentscheidung nach § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XI möglich, würde das gesetzlich vorgesehene Vereinbarungssystem insgesamt ausgehebelt. Die Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII könnten ihre Funktion nicht mehr erfüllen, wenn ein Leistungserbringer seinen vertraglich festgelegten Leistungsbereich nach Belieben überschreiten und auf eine Einzelfallzulassung nach § 75 Abs. 4 SGB XII spekulieren könnte. Durch den Abschluss der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für den Bereich des Ambulant Betreuten Wohnens hat die Beigeladene zu 1) implizit erklärt, dass sie (nur) in dem vertraglich vereinbarten Tätigkeitsfeld Leistungen erbringen möchte. Nur für dieses Tätigkeitsfeld hat sie auch eine Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten geschlossen. An diesen Erklärungen muss sie sich festhalten lassen und kann nicht durch tatsächliches Überschreiten des vertraglich fixierten Tätigkeitsrahmens über § 75 Abs. 4 SGB XII eine Ausweitung ihrer vertraglichen Zulassung erzwingen.
104cc) Bei Überschreiten der in der Leistungs- und Prüfungsvereinbarung geregelten inhaltlichen Grenzen der Tätigkeit des Leistungserbringers scheidet ein Sozialhilfeanspruch im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis insgesamt aus.
105Das BSG hat das Fehlen einer Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zum Schutze des Leistungsempfängers bislang nur dann für unschädlich gehalten, wenn der Leistungsempfänger die Kosten für die Inanspruchnahme des Leistungserbringers aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter bereits beglichen hat und nunmehr einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX geltend macht (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2008 - B 8/9b SO 10/07 R -, juris Rn. 12). Ist dies, wie hier, nicht der Fall, regelt § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII eindeutig, dass der Sozialhilfeträger zur Übernahme der Vergütung nicht verpflichtet ist.
106Darüber hinaus scheidet auch der Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem Hilfeempfänger in (entsprechender) Anwendung von § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) aus, so dass kein sozialhilferechtlicher Bedarf im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses besteht (vgl. zur Anwendung von § 32 SGB I im Verhältnis zwischen Hilfeempfänger und Leistungserbringer Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 53; BSG, Urt. v. 02.02.2012 - B 8 SO 5/10 R -, juris Rn. 15; zum Charakter der Vereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII als Normverträge, die Vergütungsansprüchen im Verhältnis zwischen dem Hilfebedürftigen und dem Leistungserbringer entgegenstehen können, BSG, Urt. v. 25.09.2014 - B 8 SO 8/13 R -, juris Rn. 20 f.). Die Beigeladene zu 1) hat in dem Betreuungsvertrag mit dem Kläger die Vereinbarungen mit dem Beklagten ausdrücklich zum Gegenstand des Betreuungsvertrags gemacht. Für eine Tätigkeit außerhalb dieser Vereinbarungen hat sie dementsprechend mit dem Kläger keine Vergütung vereinbart. Durch die Anwendung der Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag oder von §§ 812 ff. BGB darf das durch die Vereinbarungen nach §§ 75 ff. SGB XII austarierte Verhältnis von Rechten und Pflichten nicht unterlaufen werden (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 25.09.2014 - B 8 SO 8/13 R -, juris Rn.20 a.E.).
107b) Im Übrigen sind auch die Voraussetzungen weiterer in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt.
108aa) Ein Anspruch auf Übernahme der durch die Beauftragung der Beigeladenen entstandenen Kosten ergibt sich nicht unter dem Gesichtspunkt sonstiger (unbenannter) Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben als Teil der Eingliederungshilfe gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX bzw. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX (zum möglichen Charakter von § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX als Auffangvorschrift und zum fehlenden abschließenden Charakter von § 55 Abs. 2 SGB IX vgl. BSG, Urt. v. 29.09.2009 - B 8 SO 19/08 R -, juris Rn. 18), für deren Erbringung die Beigeladene zu 2) als örtlicher Sozialhilfeträger nach § 97 Abs. 1 und 3 SGB XII in Ermangelung einer Zuweisung an den Beklagten durch die AV-SGB XII NRW eigentlich sachlich zuständig wäre, die der Beklagte jedoch mangels Weiterleitung des Antrags an die Beigeladene zu 2) nach § 14 SGB IX als erstangegangener Rehabilitationsträger zu erbringen hätte.
109(1) Jedenfalls teilweise handelt es sich bei den in den Hilfeplänen aufgeführten und den von der Beigeladenen zu 1) tatsächlich erbrachten Leistungen nicht um Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt von Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben.
110(a) Dies gilt zunächst für alle sog. Entlastungsgespräche und im weitesten Sinne seelische Unterstützungshandlungen anlässlich psychischer Krisen des Klägers sowie für solche Maßnahmen, die darauf ausgerichtet gewesen sind, den Kläger auch weiterhin dazu anzuhalten, auf Cannabis-Produkte zu verzichten. Letztere sind zwar in den vorlegten Tätigkeitsdokumentationen nicht explizit aufgeführt, sollen aber nach den Angaben der Beigeladenen zu 1) stattgefunden haben sollen. Alle genannten Maßnahmen sind dem Bereich der medizinischen (Rehabilitations)Leistungen zuzuordnen.
111Zur Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben hat das BVerwG zuletzt Folgendes ausgeführt (Urt. v. 18.10.2012 - 5 C 15/11 -, juris Rn. 17 ff.):
112"Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, d.h. zur sozialen Rehabilitation, und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sind anhand der Bedürfnisse, die mit der Leistung befriedigt werden sollen, voneinander abzugrenzen (vgl. BSG, Urteile vom 19. Mai 2009 - B 8 SO 32/07 R - SozR 4-3500 § 54 SGB XII Nr. 5 Rn. 17 und vom 29. September 2009 - B 8 SO 19/08 R - SozR 4-3500 § 54 SGB XII Nr. 6 Rn. 21). Entscheidend ist, welches konkrete Ziel mit der fraglichen Leistung in erster Linie verfolgt wird, d.h. welcher Leistungszweck im Vordergrund steht (BSG, Urteile vom 31. März 1998 - B 1 KR 12/96 - FEVS 49, 184 (188) und vom 3. September 2003 - B 1 KR 34/01 R - SozR 4-2500 § 18 SGB V Nr. 1 Rn. 10). Dies ist aufgrund einer Gesamtwürdigung der Bedürfnisse und Heilungschancen des einzelnen Behandlungsfalles zu bestimmen, wobei die Art der Erkrankung und ihr Bezug zu den eingesetzten Mitteln sowie die damit verbundenen Nah- und Fernziele eine Rolle spielen (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1998 a.a.O.).
113Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 1 SGB IX setzen an den sozialen Folgen einer Krankheit bzw. Behinderung an und dienen deren Überwindung (vgl. BSG, Urteil vom 31. März 1998 a.a.O.). Sie sollen die Auswirkungen der Krankheit bzw. Behinderung auf die Lebensgestaltung auffangen oder abmildern (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2003 a.a.O. Rn. 11). Ihr Ziel ist es einerseits, den Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung in (Teil-)Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgegrenzt sind, den Zugang zur Gesellschaft zu ermöglichen, andererseits aber auch den Personen, die in die Gesellschaft integriert sind, die Teilhabe zu sichern, wenn sich abzeichnet, dass sie von gesellschaftlichen Ereignissen und Bezügen abgeschnitten werden. Dem behinderten Menschen soll der Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben ermöglicht und hierdurch die Begegnung und der Umgang mit nichtbehinderten Menschen gefördert werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 a.a.O. Rn. 16 f.). Des Weiteren zielen die Leistungen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft darauf, den behinderten Menschen soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (vgl. § 55 Abs. 1 SGB IX).
114Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX knüpfen an der Krankheit selbst und ihren Ursachen an. Sie dienen dazu, Behinderungen, einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten (Abs. 1 Nr. 1) oder Einschränkungen der Erwerbstätigkeit und Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern, eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern (Abs. 1 Nr. 2). Für die Einordnung als medizinische Behandlung ist nicht entscheidend, ob die gestellten Ziele objektiv erreichbar sind (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 2003 a.a.O.)."
115Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat folgt, sind sämtliche Gespräche und Maßnahmen der Beigeladenen zu 1), die sich unmittelbar auf den akuten Gesundheitszustand des Klägers und sein Gesundheitsverhalten bezogen, als medizinische Maßnahmen und nicht als Leistungen zur sozialen Rehabilitation zu bewerten. Ziel der Leistungen der Beigeladenen zu 1) konnte insoweit nur sein, die psychischen Krankheiten des Klägers und ihre unmittelbaren psychischen Auswirkungen zu bekämpfen. Die entsprechenden Maßnahmen der Beigeladenen knüpften damit an die Krankheit selbst und ihre Ursachen an (vgl. zur Abstinenzmotivation auch das Urteil des Senats vom 28.05.2015 - L 9 SO 231/12 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Beigeladene zu 1) "therapeutisch" gearbeitet hat oder ihre Maßnahmen von einem "Pack-An-Ansatz" getragen sind, wie sie selbst vorträgt. Entscheidend ist, dass die entsprechenden Gespräche etc. unmittelbar auf die Linderung der unmittelbaren Krankheitsfolgen ausgerichtet sind. Der Kläger soll sich durch die "Entlastungsgespräche" etc. besser fühlen. Auf diese Weise soll eine akute psychische Krise überwunden werden. Es geht damit eindeutig im Schwerpunkt um die Verhütung der Verschlimmerung der Erkrankungen des Klägers.
116Ob entsprechende gesundheitsunterstützende Leistungen dann zu den Leistungen der Teilhabe am Gemeinschaftsleben gerechnet werden können, wenn solche eigentlich dem medizinischen Bereich zuzuordnenden Maßnahmen unselbstständiger Bestandteil einer insgesamt schwerpunktmäßig auf die Teilhabe am Gemeinschaftsleben ausgerichteten Maßnahme, z.B. nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sind (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 87), kann dahinstehen. Leistungen nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX liegen nicht vor und waren auch nicht erforderlich (siehe dazu oben 1. e) bb)). Soweit die tatsächlichen Unterstützungshandlungen im persönlichen und schriftlichen Verkehr mit Behörden etc. den Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben zuzuordnen wären, waren diese ebenfalls nicht erforderlich (dazu sogleich unten (3)).
117Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die sog. Entlastungsgespräche und im weitesten Sinne seelische Unterstützungshandlungen anlässlich psychischer Krisen des Klägers im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig waren, oder ob insoweit medizinische Maßnahmen (Intensivierung von Psychotherapie, ambulante psychiatrische Pflege) indiziert und auch verfügbar waren, was der Sachverständige Dr. H1 einerseits und der Kläger, die Beigeladene zu 1) und Frau I unterschiedlich beurteilen.
118(b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die im Hilfeplan immerhin mit 20 Minuten wöchentlich veranschlagten Maßnahmen zur Vermeidung eines weiteren Klinikaufenthalts. Allerdings gehen aus den eingereichten Tätigkeitsdokumentationen auch keine entsprechenden, über die vorstehend erörterten Entlastungsgespräche etc. hinausgehenden Maßnahmen hervor.
119(c) Bei dem im Hilfeplan mit einem Aufwand von 10 Minuten pro Woche angegebenen Ziel, einen Deutschkurs zu belegen, handelt es sich bereits nicht um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe, denn fehlende Sprachkenntnisse sind keine Behinderung und die Behebung fehlender Sprachkenntnisse ist kein behinderungsspezifischer Bedarf (vgl. hierzu BSG, Urt. v. 24.03.2015 - B 8 SO 22/13 R -, gegenwärtig nur als Terminmitteilung vorliegend). Allerdings lassen die Tätigkeitsdokumentationen der Beigeladenen zu 1) insoweit keinen tatsächlichen Aufwand erkennen.
120(2) Soweit die Beigeladene zu 1) entsprechend den Angaben im zweiten Hilfeplan für den Zeitraum vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012 Leistungen im Hinblick auf die Planung von Handlungen und Finanzen des Klägers erbracht haben sollte, wären diese ohne Zweifel als Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu bewertenden Leistungen nicht im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig gewesen. Wie bereits ausgeführt (siehe oben 1. e) bb (2)) folgt der Senat der Einschätzung des Sachverständigen, wonach der Kläger hinsichtlich der selbstbestimmten Lebensführung und der Tagesstruktur nicht der Hilfe Dritter bedurfte. Für eine irgendwie geartete Tages- und Handlungsplanung bestand daher kein Bedürfnis. Für die Finanzplanung gilt nichts anderes. Es ist weder in den Akten dokumentiert, noch wird es von den Beteiligten vorgetragen, dass der Kläger aufgrund seiner Behinderung Schwierigkeiten hatte, "mit seinem Geld auszukommen". Über etwaige Schulden des Klägers ist nichts bekannt. Auch die vom SG und vom Senat beauftragten Sachverständigen haben in Bezug auf die Verwaltung der verfügbaren Finanzmittel keinen Hilfebedarf des Klägers festgestellt. Entsprechend der bei ihm vorliegenden strukturellen Persönlichkeitsstörung lagen die Schwierigkeiten des Klägers vielmehr darin, in Beziehung zu Dritten zu treten, und damit in der Verfolgung seiner rechtlichen und finanziellen Angelegenheiten nach außen. Einer Finanzplanung bedurfte er deshalb nicht.
121(3) Die übrigen in den Hilfeplänen angegebenen und auch tatsächlich erfolgten lebenspraktischen Leistungen der Beigeladenen zu 1), d.h. die Unterstützungshandlungen im Hinblick auf die Regelung des Sorgerechts des Klägers für seine Tochter, die Bemühungen in Bezug auf die berufliche Zukunft des Klägers und die Hilfen bei der Erledigung des persönlichen und schriftlichen Verkehrs mit Behörden und privaten Vertragspartnern (Stromversorger, Vermieter, sonstige Gläubiger), waren als Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt von Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben jedenfalls nicht im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig.
122Insoweit kann dahinstehen, ob die Bemühungen der Beigeladenen zu 1) im Hinblick auf die Regelung des Sorgerechts des Klägers für seine Tochter bereits deshalb aus dem Kreis der Leistungen nach § 55 SGB IX auszuscheiden sind, weil Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben grundsätzlich darauf ausgerichtet sind, die Kontakte über den Bereich der Familie hinaus zu fördern (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 19.05.2009 - B 8 SO 32/07 R-, juris Rn. 16 f.). Ebenso kann dahinstehen, ob die Bemühungen der Beigeladenen in Bezug auf die berufliche Zukunft des Klägers nicht den Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben, sondern den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne von §§ 33 ff. SGB IX zuzuordnen sind. Schließlich braucht auch nicht entschieden zu werden, ob und in welchem Umfang die Hilfe bei der Erledigung behördlicher Angelegenheiten etc. überhaupt den Leistungen der Eingliederungshilfe zuzuordnen ist, weil der Kläger ausweislich des Hilfeplans zur die Zeit vom 09.08.2011 bis zum 08.08.2012, wie er in dem Abschlussbericht auf Bl. 108 ff. GA wiedergegeben wird, Hilfe insoweit jedenfalls auch aufgrund seiner unzureichenden Sprachkenntnisse begehrt hat und es damit möglicherweise zumindest teilweise gar nicht um Deckung eines behinderungsspezifischen Bedarfs ging.
123In jedem Fall standen dem Kläger zur Erreichung der Ziele dieser Bemühungen der Beigeladenen zu 1) andere gleich geeignete und zumutbare Maßnahmen, die nicht aus den Mitteln der Sozialhilfe zu finanzieren sind und nicht zu den Leistungen der Eingliederungshilfe und der Teilhabe im Übrigen gehören, zur Verfügung (vgl. insoweit zu den Voraussetzungen der Notwendigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX BSG, Urt. v. 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R -, juris Rn. 17 f.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 74).
124Bei dem Kläger bestand zwar insoweit nach Feststellungen des Sachverständigen Dr. H1, denen der Senat folgt und denen die Beteiligten insoweit auch nicht entgegengetreten sind, auch ein behinderungsbedingter Bedarf, weil er in krisenhaften Zuspitzungen seiner Persönlichkeitsstörung mit behördlichen Angelegenheiten überfordert ist und im streitgegenständlichen Zeitraum war und Schwierigkeiten hat und hatte, mit Fremden in Kontakt zu treten. Die genannten Leistungen der Beigeladenen zu 1) haben diesen Bedarf des Klägers, was der Sachverständige ebenfalls nicht in Abrede gestellt hat, auch tatsächlich - mit durchaus erheblichem Kostenaufwand - gedeckt. Dieser Bedarf hätte aber auch durch die Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nach §§ 1896 ff BGB mit dem Aufgabenkreis der Erledigung von Vermögens-, familienrechtlichen und behördlichen Angelegenheiten vollständig abgedeckt werden können, weil es bei den genannten Leistungen der Beigeladenen zu 1) um die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten und die Wahrung insbesondere sozialer Rechte des Klägers geht. Das Rechtsinstitut der Betreuung schließt im Falle des Klägers Leistungen der Eingliederungshilfe in Gestalt der Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben aus oder führt jedenfalls dazu, dass diese im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Sinne von § 4 Abs. 1 SGB IX notwendig waren.
125(a) Zwar kann auch die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten begrifflich unter Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben als Teil der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen subsumiert werden, weil ein behinderter Mensch nur dann gleichberechtigt wie ein nicht behinderter Mensch leben kann, wenn er wie nicht behinderte Menschen die ihm zustehenden Leistungen erhalten bzw. seine Rechte verwirklichen kann und hierdurch nicht durch seine Behinderung abgehalten wird. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der Betreuung gerade für solche Menschen geschaffen hat, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen können (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB).
126Die Frage nach einer Abgrenzung der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB und der Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben als Teil der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX stellt sich einerseits deshalb, weil sich die Leistungen zumindest in Teilbereichen überlagern können. Grundsätzlich beschränkt § 1901 Abs. 1 BGB den Aufgabenkreis eines Betreuers auf die Tätigkeiten, die zur rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten erforderlich sind. Allerdings ist ein gewisses Maß an vertrauensbildenden bzw. erhaltenden Maßnahmen und persönlicher Zuwendung, soweit sie für die rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten geeignet und erforderlich sind, faktisch notwendiger Bestandteil jeder Betreuung (vgl. BT- Drucks 13/7158, S. 33; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 80). Andererseits handelt es sich sowohl bei der Betreuung als auch bei den Leistungen nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX um jeweils nachrangige Maßnahmen. Ein Betreuer darf nach § 1896 Abs. 2 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist u.a. nicht erforderlich, soweit die Angelegenheiten des Betreuten durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können. Leistungen der Eingliederungshilfe sind wie alle Sozialhilfeleistungen nach § 2 SGB XII grundsätzlich nachrangig. Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben sind zudem gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX gegenüber sonstigen Teilhabeleistungen nachrangig. Vor allem stehen auch sie gemäß § 4 Abs. 1 SGB IX unter dem Vorbehalt der Notwendigkeit.
127Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass Tätigkeiten Dritter, die sich in der tatsächlichen Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpfen, ohne für dessen Rechtsfürsorge erforderlich zu sein, aus den Mitteln der Sozialhilfe als Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Leistungen zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben zu finanzieren sind, falls sie wegen der Behinderung erforderlich sind. Die Bestellung eines Betreuers wegen solcher Tätigkeiten ist nicht im Sinne von § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlich sind, denn der Betreuer hat solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren, nicht jedoch selbst zu leisten (so BGH, Urt. v. 02.12.2010 - III ZR 19/10 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Umgekehrt ist der spezifische Anwendungsreich des Betreuungsrechts eröffnet, wenn der Schwerpunkt der notwendigen Hilfe Dritter darin besteht, den Hilfebedürftigen rechtlich zu unterstützen und seine Angelegenheiten rechtlich zu besorgen, was auch die Organisation tatsächlicher Hilfen umfasst (ähnlich wohl auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.12.2014 - L 20 SO 236/13 -, juris Rn. 83). Für Leistungen der Eingliederungshilfe bleibt dann insoweit kein Raum.
128Für diese Abgrenzung spricht auch, dass die Wahrung der rechtlichen Interessen von im Sinne von § 19 SGB XII bedürftigen Personen und die Besorgung ihrer rechtlichen Angelegenheiten auch im Übrigen grundsätzlich nicht Gegenstand des im SGB XII geregelten Sozialhilferechts sind. Vielmehr wird dieser Bedarf abschließend außerhalb des Sozialhilferechts nach dem SGB XII in anderen Rechtsvorschriften geregelt. So stellt sich die Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO (ggf. i.V.m. § 73 SGG) als spezialgesetzlich geregelte Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar (BVerwG, Beschl. v. 06.12.1991 - 5 B 127/90 -, juris Rn. 3 m.N.), wobei es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfGE 81, 347 (357)). Prozesskosten können deshalb generell nicht aus den Mitteln der Sozialhilfe übernommen werden (vgl. BVerwG, a.a.O.). Für Kosten eines verwaltungsmäßigen Rechtsschutzverfahrens kann nichts anderes gelten, da bedürftigen Personen insoweit Beratungshilfe zu gewähren ist (vgl. dazu BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats v. 11.05.2009 - 1 BvR 1517/08 -, juris Rn. 26 ff.). Dem System der Prozesskosten- und der Beratungshilfe entsprechend werden die Kosten für die Tätigkeit eines gesetzlichen Betreuers bei mittellosen Betreuten gemäß § 4 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - VBVG) aus der Staatskasse getragen. Es existiert damit außerhalb des SGB XII ein System, dass die Übernahme von Kosten für die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten für Menschen, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen und die nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen diese Kosten nicht selbst tragen können, abschließend regelt. Dies schließt Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für den behinderungsbedingten Hilfebedarf, der durch einen gesetzlichen Betreuer gedeckt werden kann, aus.
129(b) Nach diesen Grundsätzen stellen die in den Hilfeplänen und den Dokumentationen der Mitarbeiter aufgeführten praktischen Unterstützungsleistungen (zu den psychischen Hilfestellungen siehe oben (1) (a)) in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen (Wohngeld, Krankengeld, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben), bei der Sorgerechtsangelegenheit bezüglich der Tochter des Klägers, im Verhältnis zum Stromversorger und zum Vermieter des Klägers sowie bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung bzw. einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben für den Kläger keine nach §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX aus den Mitteln der Sozialhilfe zu deckenden erforderlichen Leistungen der Eingliederungshilfe dar, weil insoweit die Einrichtung eine gesetzlichen Betreuung angezeigt und vorrangig gewesen wäre.
130Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H1, wonach der Kläger wegen seiner seelischen Behinderung bei Behördenangelegenheiten und insbesondere auch hinsichtlich der Rechtsstreitigkeiten mit der Mutter seiner Tochter der Hilfe Dritter bedurfte, und denen der Senat folgt, lagen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers nach § 1896 Abs. 1 BGB im Zeitraum vom 09.08.2010 bis zum 08.08.2012 vor. Medizinische Gründe gegen die Bestellung eines Betreuers hat der Sachverständige nicht festgestellt.
131Der notwendige Hilfebedarf insoweit konnte auch vollständig durch einen gesetzlichen Betreuer abgedeckt werden. Es ging schwerpunktmäßig eindeutig um die rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Klägers, nämlich um die Verwirklichung seiner sozialrechtlichen Ansprüche auf Wohngeld, Krankengeld und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, um die Wahrung seiner Rechte im Verhältnis zum Vermieter, z.B. hinsichtlich der im zweiten Hilfeplan genannten defekten Wohnungstür, und zum Stromversorger (Anpassung des Tarifs und der Abschläge) und vor allem auch die Verwirklichung seines Sorgerechts für seine Tochter. Die Besorgung dieser Angelegenheiten und die Unterstützung des Klägers insoweit wäre originäre Aufgabe eines gesetzlichen Betreuers mit dem Aufgabenbereich Vermögens-, familienrechtliche und behördliche Angelegenheiten gewesen. Gleiches gilt für die Suche nach einer neuen Beschäftigung und einer geeigneten Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Insoweit geht es um die Organisation der angestrebten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die als Vorbereitung für die Leistungsgewährung ebenfalls in den Verantwortungs- und Aufgabenbereich eines Betreuers gefallen wäre. Die in den eingereichten Tätigkeitsdokumentationen aufgeführten Handlungen und Leistungen der Beigeladenen zu 1) gehen, soweit es um die tatkräftige Unterstützung geht (zu psychischen Unterstützungsleistungen siehe oben (1)), auch nicht über die rechtliche Besorgung der Angelegenheiten des Klägers hinaus. Die Begleitung zu Behörden, Ärzten, Rechtsanwälten und Gerichten ist ebenso wie das Telefonieren mit diesen Personen und sonstigen Dritten und das Verfassen von schriftlichen Eingaben nichts anderes als die rechtliche Besorgung von Angelegenheiten und deshalb auch typische Aufgabe eines gesetzlichen Betreuers.
132Soweit die Beigeladene zu 1) behauptet hat, sie habe auch darauf hingewirkt, dass der Kläger die genannten Angelegenheiten künftig selbstständig und ohne Hilfe erledigen kann, und die Auffassung vertreten hat, bei einer Betreuung werde demgegenüber nur stellvertretend gehandelt, so dass im Falle des Klägers eine Betreuung auch nicht indiziert gewesen wäre, folgt der Senat diesen Einlassungen nicht.
133Die Beigeladene zu 1) verkennt zunächst ebenso wie das SG in rechtlicher Hinsicht, dass die gesetzliche Vertretung des Betreuten gemäß § 1902 BGB nur eine von vielen Aufgaben eines gesetzlichen Betreuers ist. Die Betreuung umfasst nach § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten nach Maßgabe der folgenden Vorschriften rechtlich zu besorgen. Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht, wobei zum Wohl des Betreuten auch die Möglichkeit gehört, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 BGB). Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist, und insoweit auch eine wichtige Angelegenheit vor ihrer Erledigung mit dem Betreuten zu besprechen (§ 1901 Abs. 3 Satz 1 und 3 BGB). Innerhalb seines Aufgabenkreises hat der Betreuer dazu beizutragen, dass Möglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§ 1901 Abs. 4 Satz 1 BGB), und bei Besserung des Zustands ggf. auch eine Aufhebung der Betreuung anzuregen (vgl. § 1901 Abs. 5 Satz 1 BGB). Die Aktivierung und Förderung der Möglichkeiten des Betreuten, selbstständig ohne Hilfe des Betreuers zu handeln, ist danach originäre gesetzliche Aufgabe eines Betreuers. Dies hat im Übrigen auch der Sachverständige Dr. H1 seinem Gutachten zutreffend zugrunde gelegt.
134Darüber hinaus lassen die Tätigkeitsdokumentationen der Beigeladenen zu 1) nicht ansatzweise erkennen, was ihre Mitarbeiter genau und im Einzelnen unternommen haben, um die selbstständige Erledigung von behördlichen Angelegenheiten durch den Kläger zu fördern. Ausweislich der Tätigkeitsdokumentationen haben die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1), namentlich der Geschäftsführer, schriftliche Eingaben an Behörden etc. selbst verfasst und entsprechende Telefonate selbst geführt. Eine irgendwie geartete pädagogische Anleitung des Klägers zu selbstständigem Agieren ist nicht erkennbar. Die Beigeladene zu 1) hat auch selbst eingeräumt, dass ihre Tätigkeiten für Außenstehende teilweise diffus erscheinen. Diesen Eindruck kann der Senat nur bestätigen. Diffuse Leistungen können aber keinen Anspruch auf Kostenübernahme aus den Mitteln der Sozialhilfe begründen.
135Vor diesem Hintergrund vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass die praktischen Unterstützungshandlungen der Beigeladenen zu 1) geeignet waren, die Selbstständigkeit des Klägers zu fördern. Der Sachverständige Dr. H1 hat dies gerade nicht angenommen. Er hat die Leistungen der Beigeladenen zu 1) ausdrücklich nur insoweit für geeignet gehalten, als sie tatsächlich dazu beigetragen hätten, eine für den Kläger angenehme Umgangsregelung und eine Anknüpfung an die berufliche Tätigkeit als Küchenhilfe herbei zu führen. In dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist allerdings bereits die Einschätzung des Sachverständigen zweifelhaft, weil sich die Bemühung der Beigeladenen zu 1) im Schwerpunkt auf die Aufnahme einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichtet haben, eine solche Maßnahme aber letztlich nicht aufgenommen wurde und sich der Kläger seine im Jahre 2013 aufgenommenen Beschäftigung ohne Hilfe der Beigeladenen zu 1) nach dem Ende ihrer Tätigkeit gesucht hat. In jedem Fall hat der Sachverständige nicht festgestellt, dass die Leistungen der Beigeladenen zu 1) zur Steigerung der Selbstständigkeit des Klägers geführt hätten. Vielmehr hat er ausdrücklich ausgeführt, dass die Bekämpfung der überdauernden Defizite des Klägers im Hinblick auf die Beziehungsfähigkeit sowie die Affekt- und Impulskontrolle, die den Bedarf hinsichtlich Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten etc. auslösen, nicht in den Kompetenzbereich von Sozialpädagogen oder anderer therapeutischer Mitarbeiter eines Anbieters von Betreutem Wohnen fallen würden. Vor allem hat er der Einschätzung der Beigeladenen zu 1), der Umstand, dass der Kläger aktuell keine weitere Hilfe benötige, belege die Geeignetheit und die Erforderlichkeit ihrer Leistungen, ausdrücklich widersprochen und ausgeführt, es handele sich um eine bloße, nicht durch Tatsachen untermauerte Vermutung. Dieser Einschätzung schließt sich der Senat an. Es spricht viel dafür, dass ein etwaiger, aktuell fehlender Bedarf des Klägers im Wesentlichen darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger zur Zeit nichts bzw. wenig mit Behörden und sonstigen rechtlichen Angelegenheiten zu tun hat. Die Sorgerechtsangelegenheit ist geregelt, auf Sozialleistungen zur Deckung des Lebensbedarfs ist der Kläger wegen der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nicht mehr angewiesen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nicht beantragt worden.
136bb) Hinsichtlich der nach den Ausführungen zu aa) (1) (a) und (b) dem Bereich medizinischer Leistungen zuzuordnen Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) ergibt sich ein Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als Teil der Eingliederungshilfe gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26 und 14 SGB IX. Abgesehen davon, dass die Leistungen der Beigeladenen insoweit keine Rehabilitationsmaßnahmen, sondern unmittelbare Behandlungsmaßnahmen gewesen sein dürften (vgl. insoweit das Urteil des Senats vom 28.08.2014 - L 9 SO 286/12 -, juris Rn. 61 ff. m.w.N.), scheitert der Anspruch insoweit an den Schranken von § 52 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 SGB XII. Hilfeempfänger dürfen danach nur solche Erbringer von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation wählen, die von den gesetzlichen Krankenkassen zur Leistungserbringung nach den §§ 107 ff. SGB V zugelassen sind (vgl. zum Ganzen ausführlich Senat, a.a.O., Rn. 68). Die Beigeladene zu 1) gehört nicht dazu. Mit ihr ist auch für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kein Vertrag nach §§ 75 ff. SGB XII geschlossen worden (zu dieser Möglichkeit siehe Jaritz/Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 25.1).
137cc) Entsprechend den vorstehenden Ausführungen besteht auch kein Anspruch nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung i.V.m. § 14 SGB IX.
138dd) Schließlich begründen die auf die Aufnahme einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichteten Vorbereitungshandlungen der Beigeladenen zu 1) auch keinen Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 33 IX oder nach dem Recht eines anderen Trägers solcher Leistungen. Insoweit gelten die Ausführungen zu aa) (3) (b) entsprechend.
139III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
140IV. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
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(1) Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen (vereinbarten) Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen herzustellen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 77 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(2) Der Kürzungsbetrag ist an den Träger der Sozialhilfe bis zu der Höhe zurückzuzahlen, in der die Leistung vom Träger der Sozialhilfe erbracht worden ist, und im Übrigen an den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.
(3) Der Kürzungsbetrag kann nicht über die Vergütungen refinanziert werden. Darüber hinaus besteht hinsichtlich des Kürzungsbetrags kein Anspruch auf Nachverhandlung gemäß § 77a Absatz 2.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
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asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) In der schriftlichen Vereinbarung mit Erbringern von Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel sind zu regeln:
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Inhalt, Umfang und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der Leistungen (Leistungsvereinbarung) sowie - 2.
die Vergütung der Leistung (Vergütungsvereinbarung).
(2) In die Leistungsvereinbarung sind als wesentliche Leistungsmerkmale insbesondere aufzunehmen:
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die betriebsnotwendigen Anlagen des Leistungserbringers, - 2.
der zu betreuende Personenkreis, - 3.
Art, Ziel und Qualität der Leistung, - 4.
die Festlegung der personellen Ausstattung, - 5.
die Qualifikation des Personals sowie - 6.
die erforderliche sächliche Ausstattung.
(3) Die Vergütungsvereinbarung besteht mindestens aus
Förderungen aus öffentlichen Mitteln sind anzurechnen. Die Maßnahmepauschale ist nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf sowie bei Leistungen der häuslichen Pflegehilfe für die gemeinsame Inanspruchnahme durch mehrere Leistungsberechtigte zu kalkulieren. Abweichend von Satz 1 können andere geeignete Verfahren zur Vergütung und Abrechnung der Leistung unter Beteiligung der Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen vereinbart werden.Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. Februar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme bislang nicht gezahlter Kosten für eine systemische Bewegungstherapie nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab 1.1.2008.
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Der im Landkreis E wohnende Kläger ist 1996 geboren und leidet seit der Geburt am Lowe-Syndrom, einer unheilbaren Stoffwechselerkrankung. Bei ihm besteht eine hochgradige beidseitige Sehbehinderung, eine geistige Behinderung, ein hirnorganisches Anfallsleiden, eine Niereninsuffizienz, eine allgemeine Muskelhypotonie, eine Entwicklungsstörung, eine Sprachentwicklungsstörung sowie ein Zustand nach Linsenentfernung beider Augen bei Katarakt beidseits. Von 2000 bis Mitte 2004 hatte der Beklagte die Kosten von zuletzt 43,35 Euro wöchentlich für eine systemische Bewegungstherapie übernommen. Mit Aufnahme des Klägers in die Freie Waldorfschule zum Schuljahr 2004/2005 - das Schulamt F hatte der Erfüllung der Schulbesuchspflicht dort zugestimmt (bestandskräftiger Bescheid vom 8.7.2004) - machte der Beklagte die Übernahme der Kosten für die systemische Bewegungstherapie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern des Klägers abhängig (Schreiben vom 16.9.2004); ein "Extra-Schulgeld" für Assistenzdienste im Rahmen der Eingliederungshilfe von monatlich 235,05 Euro zahlte der Beklagte jedoch (Bescheid vom 19.11.2004). Nachdem die Eltern zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen keine Angaben gemacht hatten, versagte der Beklagte die Kostenübernahme für die Bewegungstherapie wegen fehlender Mitwirkung (bestandskräftiger Bescheid vom 15.11.2004; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2005).
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Den Antrag des Klägers auf Kostenübernahme ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen der Eltern vom 12.4.2007 lehnte der Beklagte unter Hinweis auf fehlenden schulischen Förderbedarf ab (Bescheid vom 1.10.2007; Widerspruchsbescheid vom 4.12.2007). Die beim Sozialgericht (SG) Freiburg auf die Übernahme dieser Kosten ab Januar 2008 beschränkte Klage - die Forderung ist von der Therapeutin gestundet - war erst- und zweitinstanzlich im Sinne eines Grundurteils erfolgreich (Urteil des SG vom 14.12.2009; Urteil des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg vom 23.2.2012) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf Freistellung von den Kosten für die Zeit vom 1.1.2008 bis 22.2.2012 in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten und ab 23.2.2012 auf Übernahme künftig entstehender Kosten von bis zu zwei Stunden wöchentlich als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Neben den durch die Waldorfschule geleisteten Integrationshilfen bestehe zusätzlicher Bedarf für eine derartige heilpädagogische Maßnahme, um Auffälligkeiten des Klägers im Sozialverhalten, die auf einer Überreizung im Schulalltag beruhen könnten, entgegenzuwirken.
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Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und des § 2 SGB XII. Er ist der Ansicht, das LSG verkenne, dass Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der Eingliederungshilfe nur für den Besuch der allgemeinen Schule in Betracht komme; darunter sei die Grundschule und eine auf ihr aufbauende Schule zu verstehen, nicht aber eine Sonderschule. Dieser sei die Freie Waldorfschule im Sinne einer Schule für Geistigbehinderte gleichzusetzen, die der Kläger besucht habe, weil er aufgrund seiner Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, dem gemeinsamen Bildungsgang in einer allgemeinen Schule zu folgen. Dies habe das LSG verkannt und habe damit zugleich den Nachrang der Sozialhilfe missachtet. Es hätte zudem die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde zur Beschulung des Klägers auf ihre Richtigkeit hin überprüfen müssen; der Besuch der Freien Waldorfschule sei keine angemessene Schulausbildung. Im Übrigen sei die Therapie nicht geeignet und erforderlich, den Schulbesuch zu ermöglichen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) ; das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.12.2007 (§ 95 SGG), bei dessen Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 SGB XII iVm § 9
Gesetz zur Ausführung des SGB XII , inhaltlich begrenzt auf die vom Vermögenseinsatz gänzlich und vom Einkommenseinsatz bis auf die Aufbringung der Kosten des Lebensunterhalts - insoweit hier nicht einschlägig - freigestellte (Eingliederungs-) Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (dazu später). Zwar könnte die systemische Bewegungstherapie ggf auch als Hilfe zum Erwerb praktischer Fähigkeiten, die geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) ) förderfähig sein bzw eine Hilfe zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 4 SGB IX)oder eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 26 SGB IX) darstellen. Unabhängig davon, dass dem Senat eine Einordnung der systemischen Bewegungstherapie schon mangels tatsächlicher Feststellungen des LSG zum Inhalt der Therapie nicht möglich ist (dazu später), sind derartige Leistungen jedoch nicht nach § 92 Abs 2 SGB XII vom Einkommens- und Vermögenseinsatz des Klägers und seiner Eltern freigestellt, sodass dem Klageziel entsprechend derartige Leistungen nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind. Dem stünde auch die Bestandskraft des Versagungsbescheids (wegen fehlender Mitwirkung bei der Einkommens- und Vermögensermittlung) vom 15.11.2004 entgegen (vgl § 77 SGG). Der Beklagte hat mit dem angegriffenen Bescheid gerade keinen neuen Verwaltungsakt erlassen, der den Versagungsbescheid vom 15.11.2004 als sog Zweitbescheid ersetzt hätte, sondern entgegen der früheren Prüfung über einen einkommens- und vermögensunabhängigen Anspruch entschieden.
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Das Verfahren leidet jedoch an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensfehler, weil das LSG nicht die Therapeutin, Frau S, gemäß § 75 Abs 2 1. Alt SGG beigeladen hat. Nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG sind Dritte nämlich dann beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung); diese Voraussetzungen sind in Person der Therapeutin erfüllt, weil ein Anspruch auf Kostenübernahme als Sachleistung im weiten Sinne (Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung) im Streit steht, wegen der Stundung der Forderung also nicht ein Anspruch auf Kostenerstattung. Der Schuldbeitritt hat einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Sozialhilfeträger und einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge (BSGE 102, 1 ff RdNr 25 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9 mwN); folglich kann die Entscheidung über die Verpflichtung des Beklagten zur Kostenübernahme gegenüber dem Kläger und der Therapeutin nur einheitlich ergehen (anders beim Streit um die Erstattung von Kosten als reiner Geldleistung, vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; anders auch bei dem - der späteren Kostenübernahme ggf vorgeschalteten - Streit um die Erteilung einer Zusicherung oder auf Erlass eines Grundlagenbescheids: vgl Jaritz/Eicher in juris PraxisKommentar
SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 119.5 f) . Das Unterlassen einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG ist bei einer zulässigen Revision von Amts wegen als Verfahrensfehler zu beachten (vgl nur: BSGE 102, 1 ff RdNr 28 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9; BSG SozR 1500 § 75 Nr 21; BSG, Urteil vom 12.2.2003 - B 9 VS 6/01 R -, USK 2003-90; anders bei der unechten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG: BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 4 und BSG, Urteil vom 26.1.2005 - B 12 P 9/03 R -, USK 2005-3 mwN).
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Zwar kann nach § 168 Satz 2 SGG die Beiladung noch im Revisionsverfahren nachgeholt werden; der Senat ist hierzu allerdings nicht verpflichtet (vgl nur: BSG SozR 4-3500 § 65 Nr 5 RdNr 10; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 18 mwN) und hat davon abgesehen, weil tatsächliche Feststellungen, insbesondere zum konkreten Inhalt der mit dem Kläger durchgeführten Therapie und ihrer Auswirkungen auf dessen Schulbildung, fehlen (§ 163 SGG); dies stünde einer Sachentscheidung des Senats ohnedies entgegen.
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SG und LSG haben außerdem verfahrensfehlerhaft ein Grundurteil erlassen. Dem steht § 130 Abs 1 Satz 1 SGG entgegen, der ein Grundurteil nur bei einer Leistung in Geld vorsieht(vgl auch zur Unzulässigkeit des Grundurteils im Zivilprozess bei einem Anspruch auf Schuldbefreiung: BGH, Urteil vom 30.1.1987 - V ZR 7/86 -, NJW-RR 1987, 756 f). Da es sich bei der Kostenübernahme um einen Schuldbeitritt, verbunden mit einem Anspruch auf Befreiung von der Schuld gegenüber dem Leistungserbringer, handelt, lagen die Voraussetzungen des § 130 Abs 1 Satz 1 SGG mithin nicht vor. Dieser in der Revisionsinstanz fortwirkende Verstoß gegen einen verfahrensrechtlichen Grundsatz, der im öffentlichen Interesse zu beachten und dessen Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist und (deshalb) die Grundlagen des weiteren Verfahrens berührt (vgl zur vergleichbaren Situation bei Erlass eines Urteils unter Missachtung der Voraussetzungen des § 131 Abs 5 SGG BSG, Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 21/11 R - RdNr 10 ff), ist ebenfalls im Revisionsverfahren von Amts wegen als Verfahrensfehler zu beachten.
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Ohne Verfahrensfehler hat das LSG hingegen von der Beiladung der Krankenkasse (KK) und des Jugendhilfeträgers nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG (echte notwendige Beiladung) abgesehen (vgl dazu umfassend BSGE 110, 301 ff RdNr 10 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der systemischen Bewegungstherapie um ein von der KK zu gewährendes Heilmittel iS der §§ 32, 92, 138 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) handelt. Denn als Heilmittel wäre die Therapie wohl keine Leistung zur Teilhabe iS des § 14 SGB IX(zu dieser Problematik BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 15) und schon aus diesem Grund eine Beiladung der KK nach der 1. Alt nicht erforderlich (BSG aaO). Jedenfalls fehlt es an der nach § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V erforderlichen ärztlichen Verordnung. Auch der Träger der öffentlichen Jugendhilfe war in diesem Zusammenhang nicht beizuladen, ohne dass darauf einzugehen ist, ob der Beklagte nicht auch als Jugendhilfeträger für die in Betracht kommende Leistung nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) zuständig wäre. Denn ohnedies besteht eine vorrangige Leistungspflicht des beklagten Sozialhilfeträgers (Leistungen der Eingliederungshilfe für ua geistig behinderte junge Menschen) gemäß § 10 Abs 4 SGB VIII(in der seit 1.10.2005 geltenden Fassung; vgl zum Ganzen BSGE 110, 301 ff RdNr 15 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Da beim Kläger jedenfalls eine wesentliche geistige Behinderung vorliegt, kann dahinstehen, ob sich eine Maßnahmenotwendigkeit auch aufgrund einer seelischen (= psychischen) Behinderung ergeben würde. Anhaltspunkte dafür liegen jedenfalls nicht vor. Ob die KK nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG (unechte notwendige Beiladung) als anderer möglicher Leistungsträger hätte beigeladen werden müssen, ist mangels entsprechender Rüge vom Senat nicht zu prüfen (zur Rügepflicht im Revisionsverfahren nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN).
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Vor einer Beiladung der Therapeutin ist der Senat indes gehindert, über die von der Revision aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen für das LSG bindend (§ 170 Abs 5 SGG) zu entscheiden, weil anderenfalls das rechtliche Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention)der Beizuladenden verletzt würde (vgl: BSGE 97, 242 ff RdNr 17 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSGE 103, 39 ff RdNr 14 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1). Die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen stellen damit lediglich Entscheidungshilfen für das LSG dar.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Kostenübernahme durch den zuständigen (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 AG-SGB XII)Beklagten - zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG entgegen § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung (ZPO) befugt(vgl BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1) - bilden § 19 Abs 3(in den Normfassungen des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - und des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022), § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII(in den Normfassungen des Gesetzes vom 27.12.2003 und des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) und § 12 Abs 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung - Eingliederungshilfe-VO -(in der Fassung, die diese durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat) iVm § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(in den Normfassungen des Gesetzes vom 27.12.2003 und vom 24.3.2011).
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Ob der Kläger nach diesen Vorschriften für die Zeit ab 1.1.2008 einen Anspruch auf Übernahme der Kosten hat, lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Der Kläger hätte einen Anspruch auf Kostenübernahme - ohne Berücksichtigung von Vermögen und ohne Berücksichtigung seines Einkommens und des Einkommens seiner Eltern (§ 92 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB XII) - nur dann, wenn es sich bei der systemischen Bewegungstherapie um eine privilegierte Maßnahme nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII handeln würde, also eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung. Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Danach werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor, weil der Kläger nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG durch seine Sehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO), vor allem aber in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 10 RdNr 14 mwN) beeinträchtigt ist (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).
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Der geltend gemachte Anspruch bestünde nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 92 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB XII, wenn es sich um eine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht) handeln würde. Eine abschließende Beurteilung dazu ist nicht möglich. Die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung umfasst nach § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahme erforderlich und geeignet ist, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
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Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde(BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Grundsätzlich kommen alle Maßnahmen in Betracht, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1), soweit es sich nicht um solche handelt, die dem Kernbereich der eigentlichen Schulbildung zuzurechnen sind (vgl zuletzt BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 10 RdNr 15 f). Zu diesem Kernbereich gehört die lediglich unterstützende Tätigkeit der Therapeutin außerhalb des Schulbetriebs nicht.
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Jedoch hat das LSG weder den konkreten Inhalt der mit dem Kläger durchgeführten Therapie festgestellt noch dazu Ausführungen gemacht, wie sich die Therapie im Einzelnen auf seine Lernfähigkeit auswirkt. Das LSG hat nur begründet, weshalb aus seiner Sicht beim Kläger neben den durch die Schule geleisteten Integrationshilfen weiterer Förderbedarf bestehe. Inwieweit die Therapie jedoch die Verbesserung schulischer Fähigkeiten des Klägers zum Ziel hat, kann anhand der Ausführungen des LSG nicht nachvollzogen werden; zumindest genügen allgemein gehaltene Bewertungen der Therapie und ihrer Ziele sowie eine allgemein gehaltene Umschreibung der angewandten Methoden anhand von Internetrecherchen oder anderen Publikationen für die notwendige individuelle Beurteilung nicht (BSGE 110, 301 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8); denn daraus lassen sich weder Schlüsse auf konkrete Inhalte noch auf erfolgversprechende Therapieansätze im konkreten Einzelfall ziehen.
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Anders als der Beklagte meint, kann dem Kläger allerdings nicht entgegengehalten werden, er besuche eine seiner Behinderung nicht angemessene Schule und dieser Bildungsgang vermittele keine angemessene Schulbildung. Dies würde im Ergebnis zu einer unzulässigen inzidenten Prüfung der Entscheidung der Schulbehörde über die Erfüllung der Schulbesuchspflicht durch den Sozialhilfeträger im Rahmen der §§ 53 ff SGB XII führen.
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Eine allgemeingültige Definition dessen, was unter einer angemessenen Schulbildung zu verstehen ist, findet sich weder im SGB XII noch im SGB IX; auch in § 12 Eingliederungshilfe-VO sind nur beispielhaft ("umfasst auch") Maßnahmen benannt, die Gegenstand der möglichen Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung sein können. Die Entscheidung darüber, was im Einzelfall für das behinderte Kind eine angemessene Schulbildung ist, beurteilt sich, wie der Verweis in § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 2. Halbsatz SGB XII deutlich macht, wonach die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht unberührt bleiben, nach den Schulgesetzen der Länder. Der Sozialhilfeträger ist folglich an die Entscheidung der Schulverwaltung über die Erfüllung der Schulpflicht eines behinderten Kindes in einer Schule bzw über eine bestimmte Schulart gebunden (BVerwGE 123, 316 ff; 130, 1 ff; BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 5; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 54 SGB XII RdNr 48; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 54 SGB XII RdNr 45 und 55; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 54 RdNr 43 a, Stand Februar 2010; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Aufl 2012, § 54 SGB XII RdNr 40; Bieritz-Harder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 9. Aufl 2012, § 54 SGB XII RdNr 55; vgl zur Letztverantwortlichkeit der Schulbehörde über die Form des Schulbesuchs für förderungsbedürftige Kinder auch BVerfGE 96, 288 ff). Deshalb verfängt auch, solange die Schulbehörde an ihrem Bescheid vom 8.7.2004 festhält, der auf das sog Nachrangprinzip des § 2 SGB XII gestützte weitere Einwand des Beklagten nicht, der Kläger hätte der Schulbesuchspflicht eigentlich in einer Sonderschule genügen müssen, weil er aufgrund seiner Behinderung gar nicht in der Lage sei, dem Schulbetrieb an der Waldorfschule zu folgen. Soweit der Beklagte mit seiner Revision in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Auslegung des Landesschulrechts durch das LSG rügt, kommt es darauf - unabhängig davon, ob der Senat diese Auslegung überhaupt überprüfen dürfte (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO) -für die Entscheidung nicht an.
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Bei seiner Entscheidung wird das LSG zu berücksichtigen haben, dass das SG zu Unrecht nur ein Grundurteil erlassen hat (vgl zu den Konsequenzen BSG, Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 21/11 R RdNr 18); sollten die Kosten bezahlt werden, wäre die Klage umzustellen (§ 99 Abs 3 Nr 3 SGG). Nur dann wären der Umfang der Maßnahme und die Höhe der Vergütung nicht näher zu prüfen, weil der Kläger dann einen einem Grundurteil zugänglichen Erstattungsanspruch geltend machen würde.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Für das erstinstanzliche Verfahren verbleibt es bei der dortigen Kostenentscheidung. Im Übrigen findet eine Erstattung von Kosten nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten, ob bzw. in welchem Umfang dem Kläger gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Oktober 2010 bis Juli 2011 Leistungen der Eingliederungshilfe (insbesondere) in Form des sog. ambulant betreuten Wohnens (Bewo) zustehen.
3Der am 00.00.1987 geborene Kläger, der durchgehend im Raum C bzw. in L lebte, leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Sein Heranwachsen war begleitet von einem häufigen Wechsel der Bezugspersonen. Bereits im Jugendalter kam es zu delinquentem Verhalten und Drogenmissbrauch (im Wesentlichen in Form von Cannabiskonsum). In den Jahren 2006/2007 unternahm er mehrere Suizidversuche. Das Krankheitsbild ist geprägt einerseits von starken Stimmungsschwankungen sowie impulsivem und provozierendem Verhalten, andererseits von einer gewissen Blockadehaltung dann, wenn von außen versucht wird, den Kläger zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Der Umgang mit Geld bereitet dem Kläger große Probleme; ihm zur freien Verfügung stehende finanzielle Mittel gibt er nach dem Lustprinzip aus, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ein Grad der Behinderung von 50 ist zuerkannt.
4Im Oktober 2007 richtete das Amtsgericht C (5 XVII S 000/07) eine rechtliche Betreuung für den Kläger ein. Diese wird von einem Berufsbetreuer durchgeführt und erstreckt sich auf die Bereiche alle Vermögensangelegenheiten, Postkontrolle, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Gesundheitsfürsorge sowie in deren Rahmen die Aufenthaltsbestimmung". Im Juni 2008 ordnete das Betreuungsgericht zusätzlich einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich Vermögensangelegenheiten an.
5Nach der Trennung seiner von den Philippinen stammenden Mutter von seinem (an einer schweren Alkoholkrankheit leidenden) Vater lebte der Kläger seit seinem siebten Lebensjahr zunächst bei seiner Mutter. Da diese im Schichtdienst arbeitete, war er parallel in wechselnden Pflegefamilien untergebracht. Weder innerhalb noch außerhalb der Herkunftsamilie konnte man dem Kläger jedoch erzieherisch gerecht werden, sodass er zu verwahrlosen drohte. Ab Februar 1996 wurde daher versucht, ihn in eine Kinderhausgruppe zu integrieren, was allerdings misslang. Anschließend erfolgte bis Dezember 1999 eine schrittweise Rückführung in den Haushalt der Mutter. Dort kam es im Laufe der Zeit wieder zu massiven Problemen, was die Unterbringung des Klägers in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung zur Folge hatte. Von April 2001 bis Januar 2004 lebte er in der Außenwohngruppe eines Kinderdorfes in C. Auch dort gestaltete sich das Zusammenleben schwierig; die Verhaltensauffälligkeiten konnten trotz Einsatzes eines zusätzlichen Einzelbetreuers nicht erfolgreich bearbeitet werden. Der Kläger entzog sich häufig dem Einfluss der Einrichtung und suchte den regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter. Anschließend lebte er wechselnd teils bei Freunden, Bekannten oder seiner Mutter, teils aber auch in Notunterkünften oder auf der Straße.
6Seit 1993 besuchte der Kläger verschiedene Grundschulen. 1999 wechselte er an eine Hauptschule in C, die er vor Abschluss des zweiten Halbjahres der Klasse 9 im Sommer 2002 verlassen musste. Ab Herbst 2002 schloss sich der Besuch einer Vorklasse zum Berufsgrundschuljahr an. 2004 oder 2005 holte der Kläger in Eigenregie den Hauptschulabschluss nach. Eine Lehrstelle oder eine feste Arbeit fand er in der Folgezeit nicht, sondern arbeitete in verschiedenen Aushilfsjobs, insbesondere auf dem Bau und im Malerbereich. Im Februar 2010 meldete er sich bei der Tages- und Abendrealschule L an; wegen hoher Fehlzeiten und Unzuverlässigkeit musste er die Schulausbildung im Herbst 2010 abbrechen. Nach Beginn der im vorliegenden Verfahren fraglichen Bewo-Maßnahme meldete sich der Kläger erneut zur Nachholung des Realschulabschlusses bei einer L Abendrealschule an, die er etwa seit Februar 2011 besuchte. Auch dieser Versuch scheiterte jedoch; bereits im Mai 2011 war absehbar, dass er den Abschluss wegen hoher Fehlzeiten nicht schaffen würde.
7Das Jugendamt C gewährte dem Kläger zweimal Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 KJHG i.V.m. § 35a SGB VIII). Der erste Leistungszeitraum begann am 02.01.2007 und umfasste fünf Fachleistungsstunden (FLS) pro Woche. Die Maßnahme brach der Kläger nach etwa sechs Monaten ab. Auf Initiative des zwischenzeitlich für ihn bestellten Betreuers bewilligte die Stadt C erneut Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige in einem Umfang von vier FLS pro Woche, beginnend ab dem 14.12.2007. Diese Leistungen wurden im Oktober 2008 eingestellt, weil der Kläger sich nicht kooperativ verhielt; er pflanzte Cannabis an und trat gegenüber den Bewo-Mitarbeitern aggressiv auf.
8Der Betreuer brachte den Kläger anschließend vorübergehend in einer Privatwohnung unter. Von dort zog der Kläger in eine Wohnung in L, die er sich selber gesucht und zum 01.05.2010 von einem privaten Vermieter angemietet hatte. Die Kosten für diese etwa 36 m² große Einzimmer-Wohnung beliefen sich einschließlich Heiz- und Nebenkostenvorauszahlung auf 280 EUR monatlich. Seinerzeit hatte der Kläger eine Freundin, die allerdings nicht bei ihm wohnte, und zu der er vorwiegend nur an den Wochenenden Kontakt hatte.
9Am 06.10.2010 schloss der Kläger mit der Gesellschafterin G der Beigeladenen, die damals Bewo-Leistungen noch als Einzelperson anbot, einen bis zum 05.10.2011 befristeten "Betreuungsvertrag". Zwischen Frau G und dem Beklagten bestand eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 SGB XII nach Maßgabe des Rahmenvertrages NRW auf der Grundlage von § 79 SGB XII.
10Ziffer 1 des Vertrages enthält unter der Überschrift "Ziel der Betreuung" folgende Regelung:
11"Grundsätzliches Ziel des betreuten Wohnens ist es, jede(n) Betreute(n) bei seiner/ihrer Lebensbewältigung gemäß seiner/ihrer Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern. Die Ausgestaltung der Betreuung erfolgt in beiderseitigem Einvernehmen und soll den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen möglichst weitgehend Rechnung tragen."
12Unter Ziffer 3 des Vertrages (Überschrift: "Grundsätzliche Betreuungsregelungen") findet sich folgender Passus:
13"3.1) die Betreuung erfolgt durch unsere/n Mitarbeiter Fr./Hr. S. Bei Krankheit und Urlaub wird sie/er durch eine/n Kolleginnen des betreuten Wohnens vertreten.
14[ ...]
153.3) Damit die erbrachten Leistungen mit dem Leistungsträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich Fr./Hr. T die von uns erbrachten Leistungen zu quittieren.
163.4) Sofern sich durch wirtschaftliche Prüfung des Sozialhilfeträgers herausstellt, dass aufgrund des von Fr./Hr. T vorhandenen Einkommens und/oder Vermögens eine Finanzierung der Betreuungsleistungen durch den Sozialhilfeträger nur teilweise oder gar nicht übernommen wird, verpflichtet sich Fr./Hr. T hiermit, alle sich aus diesem Vertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen unverzüglich aus eigenen Mitteln an uns zu leisten.
17Sollte dieser Fall vorliegen, so wird Fr./Hr. T ein Sonderkündigungsrecht von 14 Tagen nach Bekanntwerden eingeräumt. Die Kündigung bedarf der Schriftform.
18Die Zahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln gilt auch, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung (z.B. fehlender Quittierung) eine Kostenübernahme durch den Kostenträger versagt wird."
19Darüber hinausgehende Regelungen zur Vergütung bzw. zum Inhalt der Betreuungsleistungen enthält der Vertrag nicht.
20Ab dem 06.10.2010 nahm der Zeuge S, der Sozialarbeiter ist, die Betreuung des Klägers auf. Bis zum 25.07.2011 wurden Betreuungsleistungen von insgesamt 31,33 FLS erbracht. Hinsichtlich des Inhalts dieser Leistungen im Einzelnen wird auf die Verlaufsdokumentation (Blatt 110 f. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Unter Zugrundelegung der Vergütungsvereinbarung der Frau G mit dem Beklagten ergab sich nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Vergütungsforderung i.H.v. 1.894,84 EUR; diese ist nach wie vor nicht beglichen.
21Der vermögenslose Kläger verfügte in der Vergangenheit über Einkünfte durch Halbwaisenrente nach seinem 2005 verstorbenen Vater (unter 120 EUR monatlich), Kindergeld (184 EUR monatlich) und (zeitweise) BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich). Zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts bezog er zusätzlich für gewisse Zeiträume aufstockende Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II.
22Am 01.10.2010 zeigte Frau G dem Beklagten an, dass sie den Kläger ab dem 04.10.2010 betreue. In der Folgezeit übersandte sie als Beleg für die Notwendigkeit von Bewo-Leistungen eine fachärztliche Stellungnahme des den Kläger behandelnden Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. I vom 01.12.2010, bei dem sich der Kläger einmalig in Behandlung befunden hatte, sowie einen Hilfeplan vom 30.10.2010 für den Zeitraum vom 06.10.2010 bis 05.10.2011. In dem Hilfeplan waren 1,75 FLS pro Woche vorgesehen; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Hilfeplan (Blatt 9 bis 14 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten) Bezug genommen.
23Der medizinisch-psychosoziale Dienst (MPD) des Beklagten führte in einer fachlichen Stellungnahme vom 21.02.2011 aus, es sei von einer wesentlichen seelischen Behinderung des Klägers auszugehen. Mit Blick auf den Hilfebedarf bleibe zu prüfen, welche Aufgaben der gesetzliche Betreuer übernehmen könne, und welche Aufgaben nachrangig der Eingliederungshilfe zuzurechnen seien. Zudem sollten die Möglichkeiten einer Anbindung an ein Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ) sowie die Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle geprüft werden.
24Mit (an den Kläger gerichtetem) Bescheid vom 31.03.2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Bewo-Leistungen ab. Nach § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer die erforderlichen Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen bzw. Organisationen erhalten könne. Aus dem Hilfeplan vom 30.10.2010 ergebe sich kein Hilfebedarf, der nicht vorrangig von anderen Leistungsträgern zu decken wäre. So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche rechtliche Betreuung einschließlich eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge umfasse die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten im Zusammenhang mit dem geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer schließlich auch die Aufgabe wahr, den Umgang des Klägers mit seinen finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile. Sinnvoll wäre zudem eine Anbindung an ein SPZ und eine Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle.
25Dagegen wandte der Kläger im Widerspruchsverfahren ein, sein Eingliederungshilfebedarf sei durch die sachverständige Hilfeplankonferenz festgestellt. Die gesetzliche Betreuung diene dem Rechtsverkehr, nicht der Eingliederung. Hilfen des betreuten Wohnens würden auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch eine gesetzliche Betreuung abgedeckt.
26Nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011). Zur Begründung führte er ergänzend aus, der im Hilfeplan genannte Bedarf an Sichtung der Post und deren Bearbeitung, die Begleitung zu Behördenterminen, die Erstellung eines Haushaltsplanes sowie Gespräche über das Konsumverhalten würden bereits durch die rechtliche Betreuung abgedeckt. Einer Aufstellung eines Reinigungsplanes, Anleitung bei der Reinigung der Wohnung sowie Motivation des Klägers zur Reinigung und Überprüfung des Zustandes der Wohnung bedürfe es nicht; aus dem Hilfeplan gehe hervor, dass es der Kläger im Großen und Ganzen allein schaffe, in seiner Wohnung Ordnung zu halten. Zum selbständigen Wohnen sei es nicht nötig, dass sich die Wohnung immer in einem makellosen Zustand befinde, zumal jeder das Ausmaß von Sauberkeit und Ordnung unterschiedlich definiere. Durch Unsauberkeit und Unordnung werde selbständiges Wohnen erst dann gefährdet, wenn die Wohnung zu vermüllen drohe; davon sei im Hilfeplan jedoch nicht die Rede. Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder eine Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon in der Vergangenheit bei der Nachholung des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu bewältigen und selbständig eine Schule zu besuchen. Nach seinen eigenen Angaben scheitere der Schulbesuch auch nicht an mangelnder Motivation, sondern daran, dass ihm von einem Bekannten aufgelauert werde, der ihn verprügeln wolle. Der unregelmäßige Schulbesuch sei demnach nicht auf die (seelische) Behinderung, sondern auf die Bedrohung durch Dritte zurückzuführen.
27Am 13.08.2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Hilfebedarf sei durch die fachärztliche Stellungnahme des Dr. I, den Hilfeplan und ein im Betreuungsverfahren erstelltes Gutachten des Psychiaters Dr. P vom 20.09.2007 erwiesen. Dieser Bedarf sei nicht durch seinen Betreuer zu decken. Der Betreuer könne weder zur Unterstützung bei der Führung des Haushalts noch im Bereich der sozialen Lebensführung herangezogen werden. Dabei sei der Hilfebedarf des Klägers wegen seines Alters und der Art seiner seelischen Behinderung gerade auf diesem Gebiet besonders umfangreich. Hinsichtlich einer therapeutischen Anbindung habe er sich zwar unsicher gezeigt, diese aber mehrfach gewünscht. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es in solchen Fällen, den Betroffenen zu motivieren, sich psychiatrisch behandeln zu lassen, um eine Verbesserung des Erkrankungsbildes und somit eine größere Selbständigkeit bzw. Handlungsfähigkeit zu erlangen. Eine bloße Weiterleitung der Post an den Betreuer sei der Verselbständigung des Klägers nicht dienlich. Motivation und Anleitung zum Aufräumen und Säubern der Wohnung sei selbstverständlich erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass diese in einen desolaten Zustand geriet. Wenn es erkrankungsbedingt Phasen gegeben habe, in denen der Kläger die Schule vernachlässigt habe, so habe dies durch Motivation und Unterstützung aufgefangen werden müssen. Bei seinem Behinderungsbild seien Schwankungen in sämtlichen Lebensbereichen üblich.
28Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
29den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 zu verurteilen, dem Kläger vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten von insgesamt 31,33 FLS im Rahmen des betreuten Wohnens zu gewähren.
30Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Einer Motivation zu einer psychiatrischen Behandlung habe es nicht bedurft, weil der Kläger - was zu respektieren sei - eine solche nicht gewünscht habe. Nach dem Hilfeplan sei er motiviert gewesen, die Realschule zu besuchen. Wenn er sie anschließend nur unregelmäßig besucht habe, so sei daraus zu folgern, dass er seinen Entschluss geändert habe und ihm ein weiterer Schulabschluss offenbar nicht mehr wichtig gewesen sei. Sein Bedarf an Gesprächen über den Umgang mit Geld habe vorrangig durch Gespräche mit seinem rechtlichen Betreuer gedeckt werden können.
33In einem Erörterungstermin vom 29.06.2012 hat das Sozialgericht den für den Kläger im Rahmen des Bewo tätig gewordenen Sozialarbeiter S als Zeugen vernommen und den gesetzlichen Betreuer des Klägers zu dessen damaligen Lebensumständen befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
34Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 03.05.2013 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger für den fraglichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für insgesamt 24,33 FLS im Rahmen des Bewo zu gewähren, und der Beklagten vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Der Kläger leide unstreitig unter einer wesentlichen (seelischen) Behinderung. Seinem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX stehe die eingerichtete rechtliche Betreuung nicht entgegen. Betreuung und Bewo-Leistungen folgten unterschiedlichen Zielsetzungen. Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur) der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§ 1901 BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä. gehörten allerdings nicht zum Aufgabenbereich eines Betreuers. Der neben der rechtlichen Betreuung bestehende und durch sie nicht zu deckende Bedarf des Klägers sei vom Zeugen S anschaulich erläutert worden. Dass dieser Bedarf etwa durch Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können, sei nicht ersichtlich. Die dem Kläger durch den Zeugen zuteil gewordene Unterstützung stelle sich auch inhaltlich überwiegend nicht als rechtliche Betreuung, sondern als Bewo-Leistung dar. Allerdings gehöre zum Aufgabenbereich des Betreuers angesichts seiner Befugnis zum Empfang der Post deren Bearbeitung mit dem Kläger; die hierauf vom Zeugen verwandte Zeit habe der Beklagte nicht zu vergüten. Dabei sei es - abweichend von den Angaben des Zeugen im Termin am 29.06.2012 - sachgerecht, den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung von Post mit wöchentlich zehn Minuten anzusetzen. In dem streitigen Zeitraum von rund 42 Wochen seien damit insgesamt sieben von 31,33 erbrachten FLS nicht vom Beklagten zu vergüten.
35Gegen das ihm am 28.05.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass der Bedarf vorrangig durch eine Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können. Auch wenn der Kläger im Hilfeplan das Ziel benannt habe, sich wieder in eine regelmäßige psychiatrische Behandlung begeben zu wollen, rechtfertige dies keinesfalls den Ansatz von (wöchentlich) 25 Betreuungsminuten. Im Übrigen habe die Vernehmung des Zeugen S ergeben, dass es lediglich zu zwei Besuchen bei einem Psychiater gekommen sei. Dem könne entnommen werden, dass der Kläger letztlich keine psychiatrische Behandlung habe durchführen wollen. Selbst wenn er diese doch gewünscht hätte, wäre hierfür eine Anbindung an ein SPZ ausgereichend gewesen; von dort hätte dann auch Hilfestellung bei der Suche nach einem geeigneten Psychiater geleistet werden können.
36Der Beklagte beantragt,
37das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
40Die Anbindung an ein SPZ oder an eine Drogenberatungsstelle wäre im streitigen Zeitraum nicht förderlich gewesen. Neben dem Chaos in seiner Wohnung habe es auch Probleme mit dem Vermieter gegeben, der ihn aus der Wohnung habe weisen wollen.
41Die mit Beschluss des Senats vom 10.07.2014 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene äußert sich inhaltlich nicht zum Verfahren und stellt auch keinen Antrag.
42Der Senat hat Befundberichte bei dem den Kläger behandelnden Allgemeinmediziner I1 sowie bei Dr. I eingeholt. Herr I1 hat im Wesentlichen mitgeteilt, ihm sei eine langjährige psychische Instabilität des Klägers bekannt; er habe ihn jedoch ausschließlich wegen somatischer Beschwerden behandelt. Dr. I hat ausgeführt, bei einer "Borderline-Persönlichkeitsstörung" sei von einer lang anhaltenden Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auszugehen. Den Cannabiskonsum des Klägers schätze er eher als sekundär ein. Eine alleinige Anbindung an eine Drogenberatungsstelle wäre nicht ausreichend gewesen. Das Bewo sei gerade für junge Patienten eine sehr wirksame und sinnvolle Hilfe. Eine Empfehlung zum zeitlichen Umfang von Bewo-Maßnahmen hat Dr. I nicht abgegeben.
43Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Verwaltungsvorgänge der Stadt C, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts C - 5 XVII S 000/07 [= Amtsgericht L - 53 XVII Sch 000]), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
44Entscheidungsgründe:
45I. Führt einzig der Beklagte Berufung, ist Gegenstand der zweitinstanzlichen Prüfung allein, ob ihn das Sozialgericht zu Recht verurteilt hat, Kosten für 24,33 FLS im Bewo des Klägers zu tragen. Ob der Kläger für den betroffenen Zeitraum vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 - entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag - darüber hinaus einen für sieben weitere FLS höheren Anspruch gehabt hat, hat der Senat mangels klägerseitiger Berufung nicht zu beurteilen.
46II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn die Klage ist zulässig (dazu 1.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht ausgesprochenen Umfang begründet (dazu 2.).
471. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 (§ 95 SGG) ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; 56 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Forderung der Beigeladenen für die von ihr erbrachten FLS ist nach wie vor nicht beglichen. Ausgehend vom sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Sozialhilfeträger (vgl. dazu näher etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 12) geht es deshalb nicht um eine Kostenerstattung an den Kläger (im Sinne einer Geldleistung des Sozialhilfeträgers an den Leistungsempfänger), sondern um einen Schuldbeitritt des Beklagten (Sozialhilfeträger) zu einer Zahlungsverpflichtung, welche der Kläger (Leistungsempfänger) gegenüber der Beigeladenen (Leistungserbringer) hat.
48In diesem Dreiecksverhältnis war die Beigeladene nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG notwendig beizuladen (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 54, 193 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 13). Andere natürliche oder juristische Personen waren nicht zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Insbesondere kam eine Beiladung des Trägers der Jugendhilfe nicht in Betracht. Zwar kann der Jugendhilfeträger nach den §§ 41, 35a SGB VIII ebenso wie der Beklagte zur Eingliederungshilfe und somit auch zu Leistungen des Bewo verpflichtet sein; seine sachliche Zuständigkeit endet jedoch grundsätzlich mit der Vollendung des 21. Lebensjahres der leistungsberechtigten Person (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Der Kläger war zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 jedoch bereits 23 Jahre alt.
492. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) begründet. Die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Der Kläger ist damit beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Er hat (zumindest) im Umfang von 24,33 FLS Anspruch auf Leistungen des Bewo (dazu d); dies führt zur vollständigen Zurückweisung der Berufung des Beklagten.
50a) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
51Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII, § 2 Abs. 1 lit. a AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AV-SGB XII. Danach ist für alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII für behinderte Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern, der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Neben den Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII umfasst die Zuständigkeit insbesondere auch die Hilfen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 SGB IX und andere im Einzelfall notwendige Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII, ohne die ein selbstständiges Wohnen nicht erreicht oder gesichert werden kann; die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers erstreckt sich in diesen Fällen auch auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
52Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII (vgl. dazu Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 51 und 56). Der Kläger hat sich zeitlebens in C bzw. L und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten (vgl. dazu § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom 07.09.2005) tatsächlich aufgehalten.
53b) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116a Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beteiligt worden.
54c) Der Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich "dem Grunde nach" (im Wesentlichen) aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX; z.T. möglicherweise (was der Senat offen lassen kann; dazu d) zudem aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV.
55aa) Ein Leistungsanspruch scheidet nicht schon deshalb aus, weil bereits keine Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen bestünde, welcher der Beklagte beitreten könnte.
56Innerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses bedarf es für die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum Schuldbeitritt (welche vorliegend allein im Streit steht; s.o. II.1.) allerdings notwendigerweise des Bestehens einer Schuld im sog. Erfüllungsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem (Kläger) und Leistungserbringer (Beigeladene); ein Schuldbeitritt ist ohne das Bestehen einer Schuld nicht denkbar (vgl. dazu Eicher in SGb 2013, 127 ff., 128; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 34, 193 m.w.N.). Eine solche Schuld des Klägers begründet der von ihm mit der Beigeladenen geschlossene Betreuungsvertrag vom 06.10.2010. Aus ihm geht hinreichend deutlich eine (zivil-) rechtliche Zahlungsverpflichtung des Klägers im Erfüllungsverhältnis hervor.
57Zwar enthält dieser Vertrag keine eindeutig formulierte Regelung zu einer vorrangingen Vergütungspflicht des Klägers für die von der Beigeladenen zu erbringenden Bewo-Leistungen. In Ziff. 3.3) scheinen die Vertragsparteien mit dem Abstellen auf eine Abrechnung mit dem Leistungsträger vielmehr von einer regelhaften Vergütungszahlung durch den Beklagten auszugehen. Dass dem Vertrag gleichwohl die Vorstellung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung der Vergütung zugrunde liegt, ergibt sich aus Ziff. 3.4). Denn die dort vereinbarte Zahlungspflicht des Klägers für den Fall, dass (abweichend vom ersichtlich angenommenen Regelfall) wegen einsatzpflichtigen Einkommens oder Vermögens des Klägers eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ganz oder teilweise nicht bestehen sollte, erscheint nur sinnvoll, wenn sie von einer grundsätzlichen (zivilrechtlichen) Einstandspflicht des Klägers für die Vergütung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen ausgeht. Letztlich stimmt diese dem Vertrag zugrundeliegende Vorstellung der Vertragsparteien überein mit der rechtsdogmatischen Erfassung der Leistungsbeziehungen zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und (ggf.) Sozialhilfeträger durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis. Ob sich diese Lesart derartiger Verträge - bei vom vorliegenden Fall abweichender Vertragsgestaltung - auch aus einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung zivilrechtlicher Vereinbarungen zwischen Hilfeempfängern und Leistungserbringern durch die Normverträge nach § 75 SGB XII (vgl. dazu Eicher a.a.O., sowie Eicher/Jaritz a.a.O. Rn. 34) herleiten lässt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.
58bb) Auch an den wirtschaftlichen Voraussetzungen scheitert ein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen für Bewo nicht. Von Belang sind allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen des Klägers selbst; denn er war im streitigen Zeitraum bereits volljährig und lebte allein in der von ihm angemieteten Wohnung (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Die Kontakte zu seiner damaligen Freundin beschränkten sich auf Wochenendbesuche. Greifbare Anhaltspunkte liegen weder für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft noch einer Einstandsgemeinschaft mit seiner Mutter vor.
59Über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2010 bis Juli 2011 nicht. Stimmen die Beteiligten hierin ohnehin überein, so ergibt sich dies auch aus den aktenkundigen Angaben des Betreuers, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, und die angesichts der Lebensumstände des Klägers nachvollziehbar und glaubhaft sind. Dessen Einkünfte aus Halbwaisenrente (unter 120 EUR monatlich), zeitweisen BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich) und Kindergeld (184 EUR monatlich) erreichten auch in der Summe keinen Betrag, der es dem Kläger ermöglicht hätte, sein Existenzminimum sicherzustellen, geschweige denn, sich (nach Maßgabe von §§ 82 ff. SGB XII) an den Kosten für die streitbefangenen Leistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zu beteiligen.
60cc) Die persönlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe - ohne dass insoweit ein Ermessen des Leistungsträgers bestünde - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 3 EinglHV sind seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit in diesem Sinne zur Folge haben können, u.a. Suchtkrankheiten (Nr. 3) und Persönlichkeitsstörungen (Nr. 4).
61Der Kläger weist eine wesentliche (seelische) Behinderung i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf. Denn er leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und erfüllt damit zumindest die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 EinglHV. Ob eine Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung des Einzelfalles, ausgerichtet an den Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabemöglichkeiten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.). Insbesondere aus einem Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009 und der fachlichen Stellungnahme des MPD des Beklagten vom 21.11.2011 lässt sich entnehmen, dass es dem Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung nachhaltig u.a. an Planungsfähigkeit sowie Durchhaltevermögen mangelte, und dass er sich bei gleichzeitiger Externalisierung von Verantwortlichkeit häufig selbst überschätzte. Dies beeinträchtigte nicht allein massiv seine soziale Eingliederung im Allgemeinen, sondern auch seine Fähigkeit, sich eigenständig im häuslichen Bereich zurechtzufinden. Seine erheblichen Schwierigkeiten, sich in ein geeignetes Wohnumfeld zu integrieren oder integrieren zu lassen, ziehen sich im Grunde seit seiner Kindheit durch seinen gesamten Lebenslauf. Die wesentliche Behinderung des Klägers ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
62dd) Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sind ebenfalls erfüllt.
63(1) Das Gesetz selbst benennt insoweit kaum konkretere Vorgaben. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII - der im Vergleich zu der bis zum 30.06.2011 geltenden Vorläuferregelung (§ 19 EinglHV) zwar eine eindeutige Rechtsgrundlage für Hilfen zur Verselbständigung in betreuten Wohnmöglichkeiten liefern soll (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 111), ohne dass jedoch diese gesetzgeberische Absicht die Auslegung der Vorschrift weiter befördern kann - benennt die "Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" als Beispiel für die ansonsten ihrer Art nach offenen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Der Begriff der (ambulant) betreuten Wohnmöglichkeiten findet sich sonst nur in der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII. Auch an dieser Stelle gibt das Gesetz jedoch nichts zur Präzisierung des Begriffs her (vgl. dazu auch ausführlich Dannat/Dillmann, br 2012, 1 ff., 2). Sicher erscheint allerdings, dass der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten in § 98 Abs. 5 SGB XII einerseits und in § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX andererseits inhaltlich identisch ist (vgl. BT.-Drs. 15/1514 S. 67 zu § 98 Abs. 5 SGB XII). Dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII "zu selbstbestimmtem" und "Wohnmöglichkeiten" lässt sich deshalb lediglich als Anhaltspunkt im Sinne einer Mindestvoraussetzung entnehmen, dass Leistungen des Bewo stets wohnungsbezogen sein und sich final ("zu") darauf richten müssen, ein selbstbestimmtes Leben in einer solchen Wohnmöglichkeit zu führen (vgl. dazu auch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Aus § 55 Abs. 1 SGB IX ergibt sich ferner, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Allgemeinen nicht in Betracht kommen, sofern sie bereits nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel SGB IX zu erbringen sind; ebenso wie nach § 2 SGB XII sind insofern bei der Frage, was Leistungen für betreuten Wohnmöglichkeiten sind, Subsidiaritätsgesichtspunkte zu beachten.
64(2) Die bisher - im Wesentlichen zu § 98 Abs. 5 SGB XII - vorliegende Rechtsprechung (insbesondere des BSG; vgl. Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f., bestätigt durch Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 16/11 R Rn. 17) gibt zwar Anhaltspunkte für eine inhaltliche Konkretisierung des Bewo; unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Anspruch auf Bewo-Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe besteht, legt sie jedoch nicht umfassend dar:
65(a) Das Urteil des BSG vom 25.08.2011 (a.a.O. Rn. 15, unter Hinweis auf LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 sowie OVG Bremen, Beschluss vom 26.06.2006 - S 3 B 188/06) führt zum Begriff des Bewo im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (lediglich) konkretisierend aus, es komme nicht darauf an, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt werde. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten werde im Gesetz nicht näher definiert, habe sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu orientieren. Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen habe deshalb in erster Linie anhand des Hilfezwecks zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim Bewo sei aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach dürfe es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln; Hauptzielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Die von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erfassten Leistungen seien ihrer Art nach äußerst vielfältig und erfassten unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder in Wohngemeinschaften. Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten auf solche Wohnformen zu begrenzen, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft seien, wäre mit dem Regelungszweck des § 55 SGB IX unvereinbar.
66(b) Nach dem Urteil des LSG NRW vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 (Rn. 31 bis 33 m.w.N.) steht der Gewährung von Bewo-Leistungen nicht entgegen, wenn der Leistungsberechtigte die Wohnung, in der bzw. für die die Betreuungsleistungen erbracht werden sollen, selber anmietet, ohne dass dies mit der Betreuungsleistung verknüpft ist. Beim Bewo sei weniger auf die Wohnform abzustellen als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen. Allerdings handele es sich nur dann um Bewo, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei dürfe es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; diese müssten vielmehr regelmäßig erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, welche auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein müsse. Die möglichen Hilfeleistungen umfassten insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurechtzufinden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interessen zu artikulieren und adäquat zu vertreten. Auch eine Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen könne der Hilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolge, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen könne.
67(c) Der Senat schließt sich den vorgenannten Entscheidungen dahingehend an, dass Bewo-Leistungen nicht nur dann erbracht werden können, wenn eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen vorliegt (eine ältere gegenteilige Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.06.2007 - L 13 SO 5/07 ER, des SG Oldenburg, Beschluss vom 19.12.2005 - S 2 SO 256/06 ER sowie des SG Stade, Urteile vom 21.12.2009 - S 33 SO 16/07 und S 33 SO 18/07 dürfte sich durch das Urteil des BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f. überholt haben). Allerdings müssen die fraglichen Leistungen final auf die Selbstständigkeit "beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein sowie eine gewisse Kontinuität aufweisen. Insofern besteht auch keine Differenz zur zu dieser Frage vorliegenden Literatur (vgl. z.B. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 52 bis 54, oder Dannat/Dillmann, br 2012, S. 1 ff.). Ob die Leistungen (mit dem LSG NRW a.a.O.) allein von fachlich geschultem Personal erbracht werden können und in ein Gesamtkonzept eingebunden sein müssen, oder ob hiervon je nach den Notwendigkeiten des Einzelfalls Ausnahmen möglich sind, kann der Senat im vorliegenden Zusammenhang offen lassen; denn der für die Beigeladene tätig gewordene Zeuge S besaß als Sozialarbeiter eine einschlägige fachliche Qualifikation; außerdem bestand ausweislich des Hilfeplans vom 30.12.2010 ein mit dem Betreuer des Klägers abgestimmtes Gesamtkonzept zu dessen Unterstützung.
68Davon ausgehend steht dem Leistungsanspruch des Klägers nicht entgegen, dass er im fraglichen Zeitraum in einer selbst angemieteten Wohnung gewohnt hat und die Leistungen vom Zeugen S unabhängig von der Anmietung der Wohnung erbracht wurden. Ferner waren die Leistungen auf gewisse Dauer, also auf Kontinuität angelegt und auch - zumindest teilweise unstreitig - auf das Ziel eines selbständigen Wohnens des Klägers bezogen. Eine solche Finalität der Leistungen lässt sich jedenfalls Ziffer 1 des Betreuungsvertrages vom 06.11.2010 entnehmen.
69(3) Fehlen konkretere gesetzliche Vorgaben für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewo-Leistungen im Einzelnen, so hat sich dessen weitere Prüfung am individuellen, personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe und damit an den sich daraus ergebenden konkreten Anforderungen zu orientieren. Diese hat das BSG (insbesondere in den Urteilen vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R) anknüpfend an die Vorschriften der §§ 9 Abs. 2, 53 Abs. 3 S. 2 und Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 4 Abs. 1 und 55 Abs. 1 SGB IX entwickelt (vgl. dazu ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 50 ff.). Zwar sind diese Entscheidungen zur KFZ-Hilfe (im Rahmen von § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV) ergangen; gleichwohl legen sie ausdrücklich Prüfungsschritte für jegliche Maßnahme der Eingliederungshilfe dar (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 14; im Übrigen hat das BSG selbst auf sein Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 Rn.14 Bezug genommen, in dem es jedoch um eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ging).
70Ausgehend von einem individuellen und personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe ist im Rahmen einer Prognose zu fragen, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Maßnahme verfolgt werden - dazu (a) -, ob die Maßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (b) - und ob sie erforderlich ist - dazu (c) - (vgl. dazu bereits ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 54 ff.).
71(a) Die für den Kläger vorgesehenen Maßnahmen waren ausweislich des Hilfeplanes vom 30.12.2010 und nach Ziff. 1 des Betreuungsvertrages vom 06.10.2010 - jedenfalls im Wesentlichen - auf das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung in einem eigenen Haushalt gerichtet. Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Vergleichsgruppe nicht behinderter, nicht sozialhilfebedürftiger Personen gleichen Alters (vgl. dazu näher Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 53 und 57 m.w.N.) ist dies (auch unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2 SGB XII) ein angemessenes Eingliederungshilfeziel. Denn nicht behinderte und nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesene 23-jährige Erwachsene führen, sofern sie nicht mehr im Elternhaus leben, üblicherweise ein selbständiges Leben in einem eigenen Haushalt. Die Altersgrenze von 25 Jahren in § 22 Abs. 5 SGB II steht dem nicht entgegen; denn bei den dort erfassten jungen Leistungsberechtigten nach dem SGB II geht es nicht um die hier maßgebende Vergleichsgruppe. Ohnehin war für den Kläger angesichts seiner problematischen Beziehung zur Mutter und die in der Vergangenheit gescheiterten Unterbringungen in anderen betreuten Wohnformen im hier fraglichen Zeitraum keine geeignete Unterkunftsalternative erkennbar (vgl. dazu auch § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II).
72(b) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen waren (zumindest im Wesentlichen; zu einzelnen Teilmaßnahmen siehe noch unten d) auch geeignet, das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des Klägers in einem eigenen Haushalt zu erreichen.
73Bestand zwischen Frau G und dem Beklagten ein Vertrag nach § 75 SGB XII, so ist davon auszugehen, dass die Leistungen qualitativ diesem Vertrag bzw. der Anlage I zum Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII entsprachen. Abweichungen sind denn auch weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich.
74Die Geeignetheit der von dem Kläger in Anspruch genommenen Leistungen kann jedenfalls bei der notwendigen prognostischen Ex-ante-Sicht nicht etwas deshalb verneint werden, weil von vornherein absehbar gewesen wäre, dass sie aufgrund der konkreten Umstände des Falles (insbesondere des Krankheitsbildes des Klägers) keine Aussicht auf Erfolg haben konnten. Zwar waren in der Vergangenheit zwei (z.T. sehr intensive) Bemühungen des Trägers der Jugendhilfe zur Eingliederung des Klägers in eine Bewo-Maßnahme erfolglos. Zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 lag die letzte dieser beiden Maßnahme jedoch bereits etwa zwei Jahre zurück; angesichts des damaligen Alters des Klägers war ein zwischenzeitlicher Entwicklungsfortschritt durch Nachreifung nicht ausgeschlossen. Sowohl der Hilfeplan vom 30.12.2010 als auch die fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. I vom 01.12.2010 sowie dessen Befundbericht vom 16.05.2014 befürworteten denn auch eine erneute Bewo-Maßnahme. Im Übrigen wurde in der fachlichen Stellungnahme des MPD vom 21.02.2011 nicht die Sinnhaftigkeit einer Bewo-Maßnahme bezweifelt, sondern nur die Frage aufgeworfen, ob andere Maßnahmen vorrangig sein könnten. Schließlich sprechen für eine prognostische Eignung der Maßnahme aus Ex-ante-Sicht auch die Ausführungen des Zeugen S bei seiner Vernehmung am 29.06.2012 sowie die von dem Zeugen gefertigte Verlaufsdokumentation, die hinsichtlich des genannten Eingliederungsziels positive Ansätze und Fortschritte des Klägers (etwa im Umgang mit Geld) erkennen lassen. Selbst wenn solche Fortschritte nicht erkennbar oder absehbar gewesen wären, würde dies jedoch die Eignung der Bewo-Maßnahme nicht grundsätzlich in Frage stellen. Der Senat hält es mit Blick auf § 53 Abs. 3 SGB XII vielmehr schon für ausreichend, wenn in diesem Fall die Maßnahme geeignet gewesen wäre, dem Kläger das Leben in einer eigenen Häuslichkeit im Sinne einer Zustandserhaltung zu ermöglichen (vgl. insoweit zu einer "zustandserhaltenden Beheimatung" im Rahmen stationärer Eingliederungshilfe das Urteil des erkennenden Senats vom 07.04.2008 - L 20 SO 53/06 Rn. 56 f.).
75(c) Die streitgegenständliche Bewo-Maßnahme war zudem (grundsätzlich) erforderlich.
76Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn das angestrebte Eingliederungsziel nicht auch durch andere (gleich geeignete und zumutbare) Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 17 f.; Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 63 ff.). Dies betrifft die in § 55 Abs. 1 SGB IX und § 2 SGB XII zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Eingliederungshilfe. Zur Beurteilung des Vorrang-/Nachrangverhältnisses der hier fraglichen Leistungen im Vergleich zu möglichen Alternativmaßnahmen ist jeweils danach zu differenzieren, auf welches Ziel denkbare Alternativen gerichtet sind, und ob sie mit Blick auf die Bewo-Maßnahme gleich, gleichartig, ihr entsprechend oder deckungsgleich sind (vgl. dazu Lachwitz in HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 55 Rn. 8 ff., 12; Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 22 ff., 23).
77(aa) Insofern besteht vorliegend kein Vorrang von Leistungen nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel des SGB IX (wie ihn § 55 Abs. 1 SGB IX anordnet). Denn derartige Leistungen - d.h. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Fünftes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 33) sowie die unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen (Sechstes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 44) - sind im Falle des Klägers schon begrifflich nicht einschlägig.
78Zwar ist im Vierten Kapitel des SGB IX (etwa unter § 26 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 SGB IX) die psychotherapeutische Behandlung - ggf. einschließlich der von dem Beklagten als vorrangig angesehenen Anbindung an ein SPZ - angesprochen. Ein Vorrang solcher Maßnahmen vor denen des Bewo besteht jedenfalls im vorliegenden Fall gleichwohl nicht. Denn letztlich geht es bei diesen Maßnahmen nach dem Vierten Kapitel des SGB IX um therapeutische Einwirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand im Sinne des SGB V; diese sind aber damit nicht (jedenfalls nicht primär) auf die Ermöglichung selbstbestimmten Wohnens gerichtet (vgl. dazu insb. § 1 Abs. 1 S. 1 und § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V). Solche Maßnahmen und das im Falle des Klägers fragliche Bewo fallen vielmehr schon von ihrer Zielrichtung her auseinander. Auch wenn eine etwaige Therapiemaßnahme durch eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustandes zugleich die Fähigkeit des Klägers steigern mag, sein Leben im eigenen Haushalt zu bewältigen, führt dies als bloße (mögliche) Nebenfolge der Therapiemaßnahme jedenfalls im vorliegenden Einzelfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Kläger war gegenüber regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlungen skeptisch; krankheitsbedingt war er ersichtlich nicht in der Lage, für sich den Sinn ambulanter Hilfs- bzw. Therapieangebote zu erkennen (sei es in Form einer ambulanten Psychotherapie, sei es durch eine Anbindung an ein SPZ), geschweige denn solche Angebote in Anspruch zu nehmen. Ein Gegenstand der hier streitigen Bewo-Leistung sollte es denn auch gerade sein, ihn an eine psychotherapeutische Behandlung bzw. sonstige ambulante Therapiemaßnahmen heranzuführen. Die genannten Alternativmaßnahmen bildeten deshalb - jedenfalls im hier fraglichen Zeitraum - keine naheliegende und damit vorrangige Gestaltungsmöglichkeit. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine psychotherapeutische Behandlung keine gegenüber dem Bewo vorrangige Maßnahme sein kann, wenn der Betroffene - wie der Kläger - nicht bereit oder in der Lage ist, sich einer solchen Therapie zu unterziehen.
79(bb) Für eine vom Beklagten bzw. seinem MPD ins Feld geführte Anbindung des Klägers an eine Drogenberatungsstelle gilt im Ergebnis nichts anderes. Eine Drogenberatung ist auf den Umgang von suchtkranken bzw. suchtgefährdeten Personen oder ihrer Angehörigen mit einer (drohenden) Sucht und ggf. die Initiierung entsprechender Therapiemaßnahmen gerichtet (vgl. hierzu etwa das Angebot der Caritas unter http://www.caritas.de/ onlineberatung/sucht), jedoch nicht (primär) auf die Herbeiführung oder Stärkung der Fähigkeit, sich in einer eigenen Häuslichkeit zurecht zu finden. Hinzu kommt, dass beim Kläger weder nach dem Hilfeplan noch nach den Aufzeichnungen und den Äußerungen des Zeugen S noch nach dem Befundbericht des Dr. I vom 16.05.2014 eine Suchtproblematik im Vordergrund stand; deshalb ist ohnehin zweifelhaft, ob in der damaligen Situation des Klägers für eine Drogenberatung überhaupt ein Bedürfnis bestand.
80(cc) Auch eine denkbare Inanspruchnahme von Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP) als Unterfall der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) kam -unbeschadet der Ausführungen unter (aa) - nicht als vorrangige Leistung in Betracht. Denn Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden nur als (Krankenhaus-)Vermeidungs- bzw. Behandlungssicherungspflege gewährt (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB V). Beim Kläger bestand jedoch ersichtlich weder Bedarf noch Bereitschaft für eine Krankenhausbehandlung oder für eine fachpsychiatrische Behandlung, deren Erfolg durch eine APP hätte gesichert werden können. Ob auch das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung - die im Übrigen auch nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann (vgl. dazu nur § 4 Abs. 2 der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V einschließlich Anlage unter 27a) - einen Vorrang von Leistungen der APP verhindern kann, muss der Senat deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden.
81(dd) Schließlich besteht mit Blick auf den Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen gegenüber Leistungen des Bewo. Stellt § 2 SGB XII ohnehin keine eigenständige Ausschlussnorm dar (vgl. dazu etwa Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 2 Rn. 8 ff. m.w.N.), sind Aufgaben und Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB einerseits und der Leistungen des Bewo anderseits grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen ihrer Art nach ineinander übergehen und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich jedoch komplementäre, aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende Leistungsbereiche.
82Denn die (gesetzliche) Betreuung umfasst gemäß § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die "erforderlich" sind, um die Angelegenheiten des Betreuten (nach weiterer Maßgabe der betreuungsrechtlichen Vorschriften des BGB) "rechtlich" zu besorgen. Dabei erzeugt die Voraussetzung der Erforderlichkeit einerseits und die Beschränkung der Betreuung auf allein rechtliche Besorgung von Angelegenheiten andererseits ein Spannungsverhältnis, für dessen Auflösung insbesondere die historische Gesetzesentwicklung zu beachten ist. Ausufernden Kosten für Betreuertätigkeiten sollte durch Beschränkung der Betreuung auf das rechtlich Notwendige und durch Abgrenzung von einer bloßen "sozialen Zuwendung" begegnet werden (vgl. BT-Drs. 13/7158 S. 33 f.). Im Grundsatz ist deshalb ein Betreuer - unabhängig vom Umfang seines Aufgabenkreises - nur für die Organisation erforderlicher tatsächlicher Maßnahmen verantwortlich; die tatsächlichen Hilfestellungen selbst muss er hingegen nicht erbringen (vgl. dazu z.B. Kieß in Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, § 1901 BGB Rn. 13 ff.). Andererseits kann er sich nicht auf eine bloß verwaltungsmäßige Führung der Betreuung zurückziehen; ein gewisses Maß an vertrauensbildenden bzw. -erhaltenden Maßnahmen und persönlicher Zuwendung ist vielmehr weiterhin Bestandteil jeder Betreuung, allerdings nur, soweit sie für die sachgerechte Durchführung der rechtlichen Betreuung geeignet und notwendig sind (Kieß a.a.O., Rn. 20 bis 28; BT-Drs. a.a.O.). Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Bezug zu der ihm übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind - den Gesetzesmaterialien folgend - als Ausdruck menschlicher Zuwendung zwar wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen; sie gehören gleichwohl nicht zu den dem Betreuer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. a.a.O.).
83Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die rechtliche Betreuung gerade von sozialhilfeweiser Eingliederungshilfe abgegrenzt (BGH, Urteil vom 02.12.2010 - III ZR 19/10 Rn. 19 m.w.N.). Nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB dürfe ein Betreuer nicht für Angelegenheiten bestellt werden, die durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werde, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Die Betreuung erstrecke sich vielmehr nur auf Tätigkeiten, die erforderlich seien, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen (§ 1901 Abs. 1 BGB). Hiervon seien solche Tätigkeiten nicht umfasst, die sich in der tatsächlichen Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpften, ohne zu dessen Rechtsfürsorge erforderlich zu sein. Der Betreuer habe solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren, nicht jedoch selbst zu leisten. Tätigkeiten außerhalb der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten gehörten insbesondere dann nicht zu seinem Aufgabenbereich, wenn deren Vergütung durch andere Kostenträger - etwa die der Sozialhilfe - geregelt sei. Davon ausgehend falle etwa die (tatsächliche) Verwaltung des sozialhilferechtlichen Barbetrages in einer stationären Einrichtung dem Heimpersonal als Leistung der Eingliederungshilfe zu. Die Subsidiarität der Sozialhilfe stehe der Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Verwaltung des Barbetrags nicht entgegen. Denn zwar werde Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII nur nachrangig gegenüber den Leistungen Dritter gewährt; dies wirke sich jedoch nicht aus, weil eine für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge eingerichtete Betreuung den Betreuer nicht zur tatsächlichen Verwaltung der Barbeträge verpflichte und daher entsprechende Leistungen der Sozialhilfe nicht erübrige.
84Der Senat macht sich diese vom Bundesgerichtshof erkannte Abgrenzung zu Eigen; wegen der die Erforderlichkeit einer Betreuung begrenzenden Regelung in § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB steht auch bei Überschneidungen der Aufgabenbereiche von Betreuung und Eingliederungshilfe der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII (hier insbesondere nach dessen Abs. 2) der Gewährung von Eingliederungshilfe trotz eingerichteter Betreuung nicht entgegen. Vielmehr ist - im Gegenteil - die Betreuerleistung nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ihrerseits subsidiär gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe. Wie zu verfahren wäre, wenn im Einzelfall trotz Naheliegen einer Betreuung (noch) keine gesetzliche Betreuung eingerichtet ist, hat der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.
85Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung zwischen dem Bewo zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei anderen, ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen, die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen Aktivitäten in den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt wurden und in die Abrechnung der Beigeladenen eingeflossen sind (dazu sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht ausschließlich Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht sämtliche erbrachten Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.
86d) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen fallen in einem zeitlichen Umfang von zumindest 24,33 FLS (also jedenfalls in einem Umfang, für den das Sozialgericht den Beklagten zur Kostenübernahme verpflichtet hat) als Maßnahmen der Eingliederungshilfe in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (und nicht in den des gesetzlichen Betreuers).
87Der Senat legt insoweit im Wesentlichen die Informationen zu Grunde, die sich aus der vom Zeugen S erstellten (erst im Berufungsverfahren beigezogenen) Betreuungsdokumentation ergeben. Die dortigen Einzelvermerke geben sowohl zum Inhalt als auch zur Dauer der jeweiligen Betreuungsleistungen erheblich differenzierter Aufschluss als die Angaben des Zeugen vor dem Sozialgericht am 29.06.2012. Hat der Zeuge die einzelnen Dokumentationsbeiträge (offenbar) zeitnah zur jeweiligen Betreuungsleistung gefertigt, so erscheinen sie wesentlich verlässlicher als seine protokollierten mündlichen Angaben während seiner Vernehmung, welche erst etwa 15 Monate nach Auslaufen der Leistungen nur auf dem Gedächtnis des Zeugen beruhten.
88Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen zur Abgrenzung von der gesetzlichen Betreuung stellen sämtliche Leistungen des Zeugen S, die sich auf das Erstellen von Haushaltsplänen, auf Gespräche über Einkaufs- und Konsumverhalten, auf Schulung im Umgang mit Geld usw. beziehen, ohne Weiteres Bewo-Leistungen dar. Denn ohne Kenntnisse und Fertigkeiten in der Haushaltsführung ist ein selbständiges und eigenverantwortliches Wohnen nicht denkbar. Zugleich besteht keinerlei Zusammenhang mit einer allein rechtlichen Hilfestellung.
89Auch die Anbahnung ärztlicher oder therapeutischer Behandlungen bzw. Versuche, den Kläger zu solchen Behandlungen zu motivieren, sieht der Senat jedenfalls dann als Leistungen des Bewo an, wenn sie sich - wie im Einzelfall des Klägers - in einem überschaubaren Rahmen halten und die Behandlung bzw. Therapie auf eine Stabilisierung im häuslichen Umfeld gerichtet ist. Von Letzterem ist bei psychotherapeutischen Behandlungen für das Krankheitsbild des Klägers auszugehen (ob in einem - vorliegend nicht einschlägigen - Ausnahmefall des § 37a SGB V anderes gälte, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden). Abzugrenzen ist insoweit von den rein rechtlichen Entscheidungen etwa über eine konkrete Therapieaufnahme, eine Auswahl des Therapeuten bzw. Arztes, die Abgabe von Einverständniserklärungen u.ä. Derartige rechtliche Hilfestellungen fielen im vorliegenden Fall jedoch nicht an; denn die Bemühungen des Zeugen S mündeten nicht in der konkreten Aufnahme einer (insbesondere psychotherapeutischen) Behandlung.
90Auch die Begleitung zu Ämtern und Behörden rechnet der Senat zu den Bewo-Leistungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Begleitung (hier etwa das Aufsuchen des Jobcenters) dazu dient, das Nötige zu tun, um den notwendigen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der Unterkunft sicherzustellen. Nur sofern in diesem Rahmen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben sind, fällt dies in die Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S insoweit seinen Aufgabenbereich überschritten hätte, bestehen nicht; denn der Betreuer des Klägers hat im Erörterungstermin am 29.06.2012 nachvollziehbar angegeben, in der Regel habe er Termine bei Ämtern und Behörden wahrgenommen, bei denen der Zeuge manchmal mit dabei gewesen sei.
91In entsprechender Weise sind die Aufgabenkreise auch hinsichtlich der Bearbeitung von Post abzugrenzen. Anders als das Sozialgericht sieht der Senat insoweit keine umfassende Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers, selbst wenn sich dessen Bestellung (auch) auf die Postkontrolle erstreckt. Denn rein lebenspraktische Vorgänge wie das Sichten, inhaltliche Erfassen und Vorsortieren der Post sowie das Trennen von tatsächlich Wichtigem und Unwichtigem sind der Hilfe zur selbstständigen Lebensführung im Bewo zuzurechnen. Nur rechtlich bedeutsame Handlungen (etwa eine rechtsrelevante Bearbeitung von Post durch Prüfung, ob fristgerecht Widerspruch eingelegt werden soll, etc.) wären Aufgabe des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S in Überschreitung seines Aufgabenkreises für den Kläger solche Rechtshandlungen vollzogen hätte, ergeben sich weder aus seinen Aufzeichnungen noch aus den Übrigen dem Senat vorliegenden Informationen.
92Schließlich sind auch die Aktivitäten des Zeugen S, die sich auf den Besuch einer Abendrealschule beziehen, (jedenfalls im Grundsatz) dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten zuzuweisen. Der Senat kann offenlassen, ob es sich dabei (ebenfalls) um Bewo-Leistungen handelt oder (zumindest auch) um solche zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung (gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV). Einerseits ergeben sich Zweifel an der Zuordnung dieser Aktivitäten zum Bewo insoweit, als eine finale Ausrichtung auf das Wohnen fehlen könnte. Andererseits erscheint, anknüpfend an den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, eine Hilfe zur selbstbestimmten Lebensgestaltung in einer eigenen Häuslichkeit auch durch Unterstützung des Klägers beim Schulbesuch denkbar, also wiederum als Bewo-Leistung. Hierauf kommt es jedoch nicht an; denn es sind (jedenfalls auch) die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV erfüllt. Dass der Kläger zu Beginn des fraglichen Zeitraums bereits sein 23. Lebensjahr vollendet und spätestens mit der Nachholung des Hauptschulabschlusses auch seine allgemeine Schulpflicht erfüllt hatte, steht einer Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung nicht entgegen. Die genannten Leistungen können vielmehr auch nach der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht noch erbracht werden, wenn der Unterrichtsbesuch durch unverschuldete Unterrichtsausfälle, Krankheit o.ä. hinausgezögert wurde (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, § 54 Rn. 41; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 54 Rn. 53 - beide unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.04.1992 - 5 C 1/88). Unterstützung beim bzw. Motivation zu einem Schulbesuch fällt nicht etwa in den (Eingliederungshilfeleistungen ausschließenden) Kernbereich pädagogischer Arbeit (vgl. dazu Wehrhahn a.a.O. Rn. 54). Der Besuch einer Realschule ist in § 12 Nr. 3 EinglHV zudem ausdrücklich genannt, so dass hierauf gerichtete Hilfen ohne Weiteres zum Leistungsspektrum zählen. Ein Nachholen des Realschulabschlusses kann im vorliegenden Einzelfall schließlich auch nicht (im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII) als unangemessen angesehen werden. Denn zwar hatte der Kläger ersichtlich behinderungsbedingt Schwierigkeiten, bestimmte Ziele mit dem notwendigen Durchhaltevermögen zu verfolgen. Durch Nachholung des Hauptschulabschlusses im Jahr 2005 hatte er jedoch bereits gezeigt, zu einem gewissen Durchhaltevermögen durchaus gelangen zu können. Dementsprechend hat etwa das Jobcenter der Maßnahme Erfolgsaussichten beigemessen, wenn es mit Blick auf die (Wieder-)Aufnahme der Schulausbildung (wieder) zu aufstockenden Leistungen an den Kläger bereit war. Nach den dem Senat vorliegenden Informationen, insbesondere mit Blick auf das Gutachten des Dr. P vom 20.09.2007 aus dem Betreuungsverfahren und das Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009, liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Realschulabschluss das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers überfordern würde. Insofern wäre ein solcher Abschluss eine für den Kläger angemessene Schulbildung; der Einwand des Beklagten, der Kläger verfüge bereits über einen Hauptschulabschluss, verfängt deshalb nicht. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW ist der Beklagte schließlich auch für die Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung zuständig.
93In der Gesamtschau handelt es sich bei nahezu sämtlichen laut der Verlaufsdokumentation vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Hilfestellungen um Eingliederungshilfe (i.S.v. §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX und/oder § 12 EinglHV). Zweifel könnten allenfalls bestehen, ob die am 09.11.2010 und am 31.03.2011 erbrachten Leistungen "Begleitung zur Abendrealschule wg. Anmeldung. Anschließend Unterstützung bei Besorgungen" (190 Minuten) bzw. "Information, dass Antrag auf Bewo abgelehnt wurde und Erläuterung des Widerspruchsverfahrens. Geldauszahlung" (30 Minuten) vollständig dazu zu rechnen sind. Einer abschließenden Beurteilung bedarf dies jedoch nicht; denn selbst wenn man diese beiden Hilfestellungen vollständig von den insgesamt für den Kläger erbrachten FLS in Abzug bringt, verbleibt immer noch ein Zeitraum von (deutlich) mehr als 24,33 FLS.
94III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
95Durch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten bleibt die - inhaltlich nicht zu beanstandende - Kostenentscheidung des Sozialgerichts bestehen. Da der Beklagte im Berufungsverfahren vollständig unterlegen ist, hat er die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers insoweit in vollem Umfang zu tragen.
96Es entspricht im vorliegenden Fall nicht billigem Ermessen, der Beigeladenen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; denn sie hat keinen Antrag gestellt und sich auch inhaltlich nicht am Verfahren beteiligt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 11a).
97IV. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.
(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit sind Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ab 5.8.2005.
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Der 1947 geborene Kläger bezieht eine Erwerbsminderungsrente. Er ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit einem Rückkaufswert zum 1.10.2005 in Höhe von 7938,60 Euro, für die Beiträge in Höhe von 8911,23 Euro eingezahlt wurden. Mit dem Versicherungsunternehmen wurde ab 12.9.2005 ein unwiderruflicher Verwertungsausschluss vereinbart, wonach eine "Verwertung der Ansprüche aus dem Vertrag vor dem Ruhestand in Höhe von zurzeit 11 600 Euro, maximal 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens 13 000 Euro pro Person, vertraglich ausgeschlossen" sei. Noch vor der Vereinbarung eines Verwertungsausschlusses, am 5.8.2005, hatte er bei dem Beklagten (ergänzend) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragt. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Rückkaufswert der Lebensversicherung mangels Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 20.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 6.12.2005).
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Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Fulda vom 4.9.2006; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger könne seinen notwendigen Lebensunterhalt neben der zu berücksichtigenden Erwerbsminderungsrente durch die Verwertung der Lebensversicherung decken. Der Verwertung der Lebensversicherung stehe, soweit der Rückkaufswert über den Freibetrag in Höhe von 2600 Euro hinausgehe, § 90 Abs 2 SGB XII nicht entgegen, und sie bedeute für den Kläger auch keine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII. Eine solche werde nicht durch die von dem Kläger behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung begründet, weil kein hierzu erforderlicher atypischer Lebenssachverhalt vorliege. Auch die Höhe des Rückkaufswertes im Verhältnis zu den eingezahlten Beiträgen rechtfertige nicht die Annahme einer Härte. Der Rückkaufswert zum 1.10.2005 bleibe um knapp 11 % hinter der Summe der eingezahlten Beiträge zurück. Der damit verbundene wirtschaftliche Verlust sei nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sei zu entnehmen, dass eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit noch nicht erreicht sei, wenn der Rückkaufswert um 12,9 % hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe. Ohnedies bestehe im Rahmen des SGB XII eine weiter gehende Verwertungsobliegenheit. Ob der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu folgen sei, wonach eine Härte selbst dann nicht vorliege, wenn der Rückkaufswert um mehr als die Hälfte hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe, könne offen bleiben. Soweit der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen zivilrechtlich wirksamen Verwertungsausschluss vereinbart habe, rechtfertige dies nur eine darlehensweise Gewährung von Leistungen, die der Kläger indes ausdrücklich abgelehnt habe. Das danach einzusetzende Vermögen stehe der Annahme von Hilfebedürftigkeit entgegen, bis es verbraucht sei. Die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs sei mit der Rechtsnatur der Sozialhilfe nicht vereinbar.vom 21.5.2010)
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 90 Abs 3 SGB XII. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zur Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Rahmen des SGB II sei eine Härte zu bejahen. Ein Härtefall liege vor, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsse, weil seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweise. Er habe angesichts seiner Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben können.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.12.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm ab 5.8.2005 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung als Zuschuss zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG), die es dem Senat ermöglichen, die Voraussetzung eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB XII zu prüfen. Das LSG hat sich in seiner Entscheidung allein mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Kläger verwertbares Vermögen besitzt. Auch die hierzu getroffenen Feststellungen genügen allerdings nicht, um einen Leistungsanspruch zu verneinen.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 20.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG)vom 6.12.2005 - einer Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs 2 SGB XII) bedurfte es insoweit nach § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum SGB XII (HAG/SGB XII) vom 20.12.2004 (GVBl I, 488, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Hessischen OFFENSIV-Gesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 10.6.2011 - GVBl I 302) nicht -, mit dem Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung abgelehnt wurden. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG iVm § 56 SGG). Streitbefangen ist (nur) der Zeitraum ab Antragstellung am 5.8.2005. Über den Zeitraum vom 1. bis zum 4.8.2005 ist trotz der Vorschrift des § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wonach bei der Erstbewilligung der Bewilligungszeitraum am Ersten des Monats beginnt, in dem der Antrag gestellt worden ist, nicht zu befinden, weil der Kläger seinen Klageantrag ausdrücklich auf die Zeit ab 5.8.2005 beschränkt hat. Wird eine Leistung - wie hier - ohne zeitliche Beschränkung abgelehnt, ist über die gesamte bis zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verstrichene Zeit zu befinden (BSG SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8 mwN), und zwar unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen (etwa des mit dem Versicherungsunternehmen vereinbarten Verwertungsausschlusses ab 12.9.2005, dazu s unten), es sei denn, der Kläger hat zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII gestellt. Dann hätte sich der angefochtene Bescheid für die von einem auf diesen Antrag ergangenen neuen Bescheid (der nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG würde) erfasste Zeit erledigt(BSG aaO).
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Nach § 19 Abs 2 SGB XII(ursprünglich idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 - BGBl I 453) iVm § 41 SGB XII(ursprünglich in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003 - aaO -, ab 7.12.2006 in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670, ab 1.1.2008 in der Normfassung des Gesetzes vom 20.4.2007 - aaO - und ab 1.1.2011 in der Normfassung des Gesetzes vom 24.3.2011 - aaO) können Personen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 65. Lebensjahr bzw die angehobene Altersgrenze vollendet haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert iS von § 43 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII erhalten.
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Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist schon nicht zu entnehmen, ob der Kläger, der im maßgebenden Zeitraum die für eine Leistungsberechtigung erforderliche Altersgrenze nicht erreicht hat, dauerhaft voll erwerbsgemindert ist. Entsprechende Feststellungen sind auch nicht im Hinblick auf den Bezug der Erwerbsminderungsrente entbehrlich. Allein aus dem Leistungsbezug kann weder geschlossen werden, dass das Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich gesunken ist (§ 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI), noch dass die Erwerbsminderung auf Dauer besteht. Selbst wenn der Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB XII(ursprünglich idF des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO, und ab 1.1.2008 des Gesetzes vom 20.4.2007, aaO) bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 1 und 2 SGB XII(idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom 24.9.2008 - BGBl I 1856 - und ab 1.1.2011 in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 - BGBl I 1112) mit Bindungswirkung für den Sozialhilfeträger auf dessen Ersuchen die medizinischen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung prüft oder - was ein Ersuchen des Rentenversicherungsträgers entbehrlich macht (§ 45 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB XII bzw ab 1.1.2009 § 45 Satz 3 Nr 1 SGB XII) - schon im Rahmen eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente entsprechende Feststellungen getroffen wurden, ist daran das Gericht nicht gebunden (BSGE 106, 62 ff RdNr 14 ff, insbesondere 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 6; Blüggel in juris PraxisKommentar SGB XII
, § 45 SGB XII RdNr 40) . Soweit Leistungen (allein) mangels Dauerhaftigkeit der Erwerbsminderung ausscheiden sollten, kommt bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen allerdings nachrangig (§ 19 Abs 2 Satz 3 bzw ab 1.1.2011 § 19 Abs 2 Satz 2 SGB XII) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII in Betracht (BSGE 104, 207 ff RdNr 16 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1).
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Ob der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt aus Einkommen (§§ 82 bis 84 SGB XII)und Vermögen (§ 90 SGB XII)beschaffen kann, kann der Senat anhand der Feststellung des LSG ebenfalls nur eingeschränkt prüfen. Die Erwerbsminderungsrente ist jedenfalls als einzusetzendes Einkommen zu berücksichtigen. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG kann aber keine Aussage darüber getroffen werden, ob und in welcher Höhe Absetzbeträge nach § 82 Abs 2 SGB XII (hier insbesondere nach Nr 3) Berücksichtigung finden können.
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Ob die Kapitallebensversicherung als Vermögen zu berücksichtigen ist, lässt sich ebenso wenig abschließend beurteilen. Nach § 90 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, aaO) ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Vermögen sind alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld oder Geldeswert; umfasst werden auch Forderungen bzw Ansprüche gegen Dritte (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3), soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind. Vermögen des Klägers ist damit zum einen sein Hauptleistungsanspruch gegen das Versicherungsunternehmen aus der Kapitallebensversicherung zum Zeitpunkt ihres Ablaufs am 1.8.2012, zum anderen sind Vermögen auch alle aus dieser vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach Auflösung dieses Vertrags, etwa durch eine Kündigung (zum maßgebenden Zeitpunkt s unten).
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Ob diese Ansprüche im Sinne der gesetzlichen Regelung verwertbar sind, beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten; der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Beide Aspekte verlangen darüber hinaus eine Berücksichtigung der zeitlichen Dimension, innerhalb der das Vermögen (voraussichtlich) verwertet werden kann (BSGE 100, 131 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3; Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 36 und § 91 SGB XII RdNr 11; Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 90 SGB XII RdNr 17; Brühl/Geiger in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII
§ 90 SGB XII RdNr 10) . Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel (vgl auch zum SGB II BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 21 f). Feststellungen des LSG zu der Frage der Verwertbarkeit der Lebensversicherung fehlen. Das LSG ist wegen des vereinbarten Verwertungsausschlusses offensichtlich davon ausgegangen, dass die Lebensversicherung zwar nicht sofort verwertet werden kann, dies aber im Hinblick auf die Regelung des § 91 SGB XII nichts an ihrer Berücksichtigung ändert, sondern nur zu einer darlehensweisen Gewährung der Leistungen führt. Dem ist im Hinblick auf das genannte zeitliche Moment nur dann zu folgen, wenn eine Verwertung in absehbarer Zeit erfolgen kann.
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Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ist von einer generellen Unverwertbarkeit iS des § 12 Abs 1 SGB II auszugehen, wenn völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt. Maßgebend für die Prognose, dass ein rechtliches oder tatsächliches Verwertungshindernis wegfällt, ist danach im Regelfall der Zeitraum, für den die Leistungen bewilligt werden, also regelmäßig der sechsmonatige Bewilligungszeitraum des § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II(BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 23), mit der Folge, dass nach Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts eine neue Prognoseentscheidung ohne Bindung an die vorangegangene Einschätzung zu treffen ist (BSG aaO). Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat mit der Maßgabe an, dass wegen der gesteigerten Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB XII) abzustellen ist, der dann allerdings auch bei der Hilfe zum Lebensunterhalt den Maßstab bilden muss, etwa wenn wegen eines Leistungsausschlusses nach § 41 Abs 4 SGB XII nur diese Leistung in Betracht kommt(dazu siehe unten). Darüber hinaus greift das Zeitmoment nicht nur in den Fällen, in denen völlig ungewiss ist, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintritt, sondern auch dann, wenn zwar konkret feststeht, wann über den Vermögenswert verfügt werden kann (Fälligkeit, Kündigung …), der Zeitpunkt aber außerhalb eines angemessenen Zeitrahmens liegt, in welchem noch der Einsatz bereiter Mittel angenommen werden kann. Ob in diesen Fällen ebenfalls ein Zeitraum von zwölf Monaten oder - wofür einiges spricht - abhängig vom Einzelfall ein in der Regel deutlich längerer Zeitabschnitt zugrunde zu legen ist, bedarf erst nach Feststellung entsprechender Umstände einer Entscheidung.
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Angesichts des vereinbarten Verwertungsausschlusses ist bei der Frage der Verwertbarkeit und des maßgebenden Zeitrahmens jedenfalls zwischen dem Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss und dem sich daran anschließenden Zeitraum ab 12.9.2005 zu unterscheiden. Bis zum 11.9.2005 kommt als Verwertungsalternative insbesondere die Kündigung des Versicherungsvertrages, bei der der Rückkaufswert von der Versicherung ausgekehrt wird, oder die Beleihung der Lebensversicherung in Betracht. Die Verwertung hätte insoweit wohl auch in absehbarer Zeit erfolgen können; das LSG mag dies ggf verifizieren.
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Für die Zeit ab 12.9.2005 scheidet eine Kündigung des Versicherungsvertrages aus. Der Verwertungsausschluss iS des § 165 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz(VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; jetzt § 168 VVG) erfasst aber nur die vorzeitige Kündigung der Kapitallebensversicherung vor dem Eintritt in den Ruhestand und rechtfertigt nicht den Schluss einer (generellen) Unverwertbarkeit iS des § 90 Abs 1 SGB XII; denn das Vermögen ist auch dann verwertbar, wenn seine Gegenstände übertragen oder belastet werden können (BSG SozR 4-4200 § 12 Nr 12 RdNr 20). Der Vereinbarung zwischen dem Versicherungsunternehmen und dem Kläger ist nicht zu entnehmen, dass auch eine Verwertung Dritten gegenüber - etwa durch Verkauf (privatrechtliche Abtretung der Forderung gegen die Versicherung) oder Beleihung der Lebensversicherung - ausgeschlossen ist, der Kläger also in der Verfügung über seine Forderung generell und nicht nur gegen das Versicherungsunternehmen beschränkt ist und er eine etwaige Aufhebung der Beschränkung auch nicht erreichen könnte. Das LSG wird deshalb weitere von dem Verwertungsausschluss nicht erfasste Verwertungsmöglichkeiten zu prüfen haben. Ob allerdings für solche Verwertungsmöglichkeiten die Prognose getroffen werden kann, dass die Verwertung in einem angemessenen Zeitraum (siehe oben) möglich ist, bleibt den weiteren Ermittlungen des LSG vorbehalten.
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Das Verwertungsverbot führt - anders als im Recht des SGB II (§ 12 Abs 2 Nr 3 SGB II) -auch nicht zu einer Privilegierung des der Altersvorsorge dienenden Vermögens. § 90 SGB XII kennt keine entsprechende Regelung. Es bedarf insoweit auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen zum Zwecke der Harmonisierung der beiden Grundsicherungssysteme einer Heranziehung der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 SGB XII(vgl etwa zu diesem Gesichtspunkt BSGE 100, 139 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4). Sinn und Zweck der Verschonung solchen Vermögens im SGB II ist es, erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich nur für einen (in der Regel) überschaubaren Zeitraum im Leistungsbezug befinden, davor zu schützen, dass sie Vermögen, das sie (nachweislich) für ihre Altersvorsorge bestimmt haben, vorher zum Bestreiten des Lebensunterhalts einsetzen müssen (BT-Drucks 15/1749, S 31; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 12 RdNr 47). Die Situation im SGB XII gestaltet sich schon deshalb anders, weil der Sozialhilfe - insbesondere die hier im Streit stehenden Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII - beziehende Personenkreis wegen Alters oder Behinderung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und schon deshalb (typisierend) keine Rechtfertigung existiert, gerade für solche Lebensabschnitte angespartes Vermögen zu verschonen.
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Soweit das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass wegen der mit dem Versicherungsunternehmen getroffenen Vereinbarung eine Verwertung der Lebensversicherung ausgeschlossen ist und das Vermögen auch nicht nach § 90 Abs 3 SGB XII privilegiert wäre(dazu unten), wird es zu prüfen haben, ob - unterstellt, die Voraussetzungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung liegen im Übrigen vor - ein Leistungsanspruch nach § 41 Abs 4 SGB XII ausscheidet. Die Regelung sieht einen Leistungsausschluss für Personen vor, die in den letzten zehn Jahren die Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt haben. Der vom LSG festgestellte Sachverhalt könnte es nahelegen, diese Voraussetzungen zu bejahen. Ein etwaiger Leistungsausschluss erstreckt sich allerdings nicht auf die dann ggf zu erbringende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Hier wäre dann nur zu prüfen, ob der Anspruch auf das zum Lebensunterhalt Unerlässliche nach § 26 Abs 1 Nr 1 SGB XII einzuschränken ist ("soll"). Ggf kann auch Kostenersatz nach § 103 SGB XII verlangt werden.
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Kommt das LSG zu dem Ergebnis, dass das Vermögen rechtlich und tatsächlich verwertbar ist, unterfällt es - unabhängig davon, in welcher Form eine Verwertung erfolgen kann - nicht dem Katalog geschützter Vermögensgüter des § 90 Abs 2 SGB XII. Nach § 90 Abs 2 Nr 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes dient. Die Regelung setzt schon ihrem Wortlaut nach voraus, dass das Vermögen aus öffentlichen Mitteln stammt. Hierzu zählen zB Aufbaudarlehen nach dem Lastenausgleichsgesetz. Aus öffentlichen Mitteln ist eine Zuwendung dann gewährt, wenn ihre Zahlung den Haushalt des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde oder einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts belastet (vgl nur Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 50). Hieran fehlt es.
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Die Lebensversicherung ist auch kein Schonvermögen nach § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Kapitals einschließlich seiner Erträge abhängig gemacht werden, das der zusätzlichen Altersvorsorge iS des § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Das Kapital, das der zusätzlichen Altersvorsorge dient, ist nur insoweit geschützt, als es aus staatlich geförderten Beiträgen im Sinne des Altersvermögensgesetzes gebildet wurde. Zusätzliche Kapitalanlagen folgen den allgemeinen Regelungen, dh, der Sozialhilfeträger hat zu prüfen, ob der Einsatz des Vermögens eine Härte darstellen würde (BT-Drucks 14/4595, S 72 zu Art 8 Nr 4; zur Härte siehe im Folgenden). Bei der von dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherung handelt es sich jedenfalls nicht um nach Bundesrecht ausdrücklich zur Altersvorsorge gefördertes Vermögen. Erforderlich ist insoweit nach geltendem Recht zumindest, dass der Sicherung ein nach § 5 Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz(AltZertG vom 26.6.2001 - BGBl I 1322) durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zugrunde liegt (BSG, Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 52/06 R - juris RdNr 20).
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Ob die Verwertung der Lebensversicherung eine Härte iS des § 90 Abs 3 SGB XII darstellen würde, lässt sich wiederum nicht abschließend beurteilen. Auch hier wird das LSG zwischen den Zeiträumen vor und nach Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss sowie der Form der Verwertung der Lebensversicherung unterscheiden müssen. Nach § 90 Abs 3 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Der Begriff der Härte ist zunächst im Zusammenhang mit den Vorschriften über das Schonvermögen nach § 90 Abs 2 SGB XII zu sehen, dh, das Ziel der Härtevorschrift muss in Einklang mit den Bestimmungen über das Schonvermögen stehen, nämlich dem Sozialhilfeempfänger einen gewissen Spielraum in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit zu erhalten(BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15), um ihn soweit wie möglich auch zu befähigen, unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu leben (vgl § 1 Satz 2 SGB XII). Während die Vorschriften über das Schonvermögen typische Lebenssachverhalte regeln, bei denen es als unbillig erscheint, die Sozialhilfe vom Einsatz bestimmter Vermögensgegenstände abhängig zu machen, regelt § 90 Abs 3 SGB XII atypische Fallgestaltungen, die mit den Regelbeispielen des § 90 Abs 2 SGB XII vergleichbar sind und zu einem den Leitvorstellungen des § 90 Abs 2 SGB XII entsprechenden Ergebnis führen(BSG aaO; BVerwGE 23, 149, 158 f). Eine Härte liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist (BSG aaO; BVerwGE 32, 89, 93).
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Der Einsatz einer Kapitallebensversicherung zur Bestreitung des Lebensunterhalts ist jedoch ohne das Hinzutreten weiterer besonderer Umstände kein derartiger atypischer Sachverhalt im Sinne von § 90 Abs 3 SGB XII. Hierfür genügt nicht schon der Umstand, dass die Kapitallebensversicherung der Altersvorsorge zu dienen bestimmt ist (subjektive Zweckbestimmung). Hätte der Gesetzgeber Kapitallebensversicherungen, die der Altersversorgung dienen, von einer Verwertung ausnehmen wollen, hätte er dies in § 90 Abs 2 SGB XII geregelt. Demnach sind nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen. Bei einer Kumulation von Risiken und Belastungen kann es naheliegen, vom Vorliegen einer Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII auszugehen(so zum Recht des SGB II BSGE 103, 146 RdNr 21 = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei genügt es aber nicht - wie der Kläger meint - darauf hinzuweisen, dass er wegen der Erwerbsminderung bis zum Eintritt in das Rentenalter keine Altersvorsorge mehr betreiben könne; denn dies ist für den Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII beansprucht und noch nicht die maßgebende Altersgrenze erreicht hat, nicht nur typisch, sondern sogar zwingend. Ob darüber hinaus Umstände vorliegen, die bei einer Gesamtschau den Schluss auf eine Härte zulassen, vermag der Senat angesichts fehlender Feststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Insbesondere kann bei einem langjährig Selbstständigen, der von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist und privat Vorsorge betreiben und die mit den Not- und Wechselfällen des Lebens verbundenen Risiken selbst absichern muss, der Zwang zur Verwertung der Lebensversicherung bei Häufung belastender Umstände (Versorgungslücke, Behinderung, gesundheitliche Leistungsfähigkeit, Lebensalter, Ausbildung, atypische Erwerbsbiografie) eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII darstellen(BSGE 103, 146 ff RdNr 20 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr 14). Dabei ist im Einzelfall auch die Höhe der ggf nur ergänzend zu erbringenden Sozialhilfe, deren voraussichtliche Dauer und eine etwa bestehende Möglichkeit, von Sozialhilfeleistungen unabhängig zu sein, mit einzubeziehen (Mecke in jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 105).
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Soweit es den Ertrag aus der zu verwertenden Lebensversicherung betrifft, kann auf deren Rückkaufswert nur für die Zeit bis zum Wirksamwerden der Vereinbarung über den Verwertungsausschluss abgestellt werden. Insoweit ist das LSG auch zu Recht davon ausgegangen, dass eine Härte nicht allein dadurch begründet wird, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung geringer ist als die eingezahlten Beiträge. Es ist zwar kein Grund ersichtlich, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte bei der Härteregelung gänzlich außen vor zu lassen (BSGE 100, 131 RdNr 25 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3); diese rechtfertigen aber - jedenfalls bezogen auf den Rückkaufswert - vorliegend nicht die Annahme einer Härte. Ob hierbei die Kriterien, die zum Arbeitslosenhilferecht und zum SGB II für die Verwertung von Lebensversicherungen entwickelt worden sind (BSG SozR 4-4220 § 6 Nr 2 RdNr 13; SozR 4-4200 § 12 Nr 5 RdNr 12, 20, 21 und 23 mwN), zu übernehmen sind, bedarf gegenwärtig keiner Entscheidung, weil der Verlust bei Verwertung der Lebensversicherung durch Auszahlung des Rückkaufswertes nach den Feststellungen des LSG von etwas über 10 vH - bezogen auf die eingezahlten Beträge - liegt, sodass die für die Annahme einer Härte erforderliche Schwelle auch nach der Rechtsprechung zum SGB II nicht überschritten wird. Der 14. Senat des BSG hat die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit iS des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II bei einem Verlust von 12,9 % noch nicht als erreicht angesehen(BSGE 100, 196 ff RdNr 34 = SozR 4-4200 § 12 Nr 8). Zudem ist im Rahmen des SGB XII - wovon das LSG zu Recht ausgeht - ein strengerer Maßstab beim Vermögenseinsatz als im SGB II anzulegen, weil - anders als dort - typisierend davon auszugehen ist, dass der Personenkreis, der Leistungen nach §§ 41 ff SGB XII bezieht, angesichts fehlender Erwerbsmöglichkeiten im Alter und bei dauerhafter Erwerbsminderung nicht nur vorübergehend auf die Leistungen angewiesen ist und von ihm - wie bereits ausgeführt - deshalb der Einsatz von Vermögen in gesteigertem Maß erwartet werden kann. Dies zeigen auch die im SGB II gegenüber § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII deutlich höheren Freibeträge. Deshalb hat die Rechtsprechung des BVerwG unter Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), das die Unwirtschaftlichkeit der Verwertung in § 88 Abs 3 BSHG wie auch § 90 Abs 3 SGB XII nicht ausdrücklich erwähnte, einen besonders strengen Maßstab angelegt(BVerwGE 106, 105, 110; 121, 34, 35 ff).
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Welchen Ertrag der Kläger für die Zeit ab 12.9.2005 im Falle einer möglichen Verwertung erzielen kann sowie in welcher Form eine solche Verwertung ab diesem Zeitpunkt realistischerweise erwartet werden kann, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Deshalb kann der Senat nicht beurteilen, ob jedenfalls beginnend mit der Vereinbarung des Verwertungsausschlusses eine Härte iS von § 90 Abs 3 SGB XII anzunehmen ist. Dies gilt auch deshalb, weil bei der Härtefallprüfung auch die Umstände eine Rolle spielen, die ggf zur Anwendung des § 90 Abs 3 SGB XII führen (hier der Verwertungsausschluss), und deshalb die Gewährung von Leistungen erst ermöglichen. Wie bereits erwähnt, führt das vorsätzliche bzw grob fahrlässige Herbeiführen der Leistungsvoraussetzungen (§ 103 Abs 1 SGB XII) anders als bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht zu einem Entfallen des Leistungsanspruchs, sondern nur zu einer Erstattungspflicht (aufgrund eines Bescheids). Wenn der Kläger den Verwertungsausschluss allerdings in der Absicht (direkter Vorsatz) vereinbart hätte, die Gewährung von Sozialhilfe herbeizuführen, muss die § 26 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII innewohnende Wertung des Gesetzes in die Prüfung der Härte mit einfließen, ohne dass es - wie ansonsten für eine Absenkung erforderlich - eines entsprechenden Verwaltungsaktes bedürfte(vgl dazu BSGE 100, 131 ff RdNr 23 = SozR 4-3500 § 90 Nr 3, auch zur Berücksichtigung des § 103 SGB XII im Rahmen der Unwirtschaftlichkeit als Härtefall). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (ohne die notwendigen tatsächlichen Feststellungen) ist es untunlich, darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine Härte unter Berücksichtigung eines (im Vergleich zum SGB II) im Recht des SGB XII anzulegenden strengeren Maßstabs beim Vermögenseinsatz vorliegt und inwieweit unter der Geltung des SGB XII ggf der Rechtsprechung des BVerwG zu folgen ist.
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Der Verwertbarkeit der Lebensversicherung wird allerdings - unabhängig in welcher Form sie erfolgt - durch § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII eine Grenze gesetzt. Danach darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Nach § 96 Abs 2 SGB XII kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (
, heute das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Höhe der Barbeträge oder sonstigen Geldwerte im Sinne dieser Vorschrift bestimmen. Hiervon hat das BMGS mit der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII(DV § 90 SGB XII; BGBl I 1988, 150, hier idF des Art 15 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) Gebrauch gemacht und nach § 1 DV § 90 SGB XII Grundfreibeträge vorgesehen.
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Nur soweit der (Rückkaufs-)Wert der Lebensversicherung den für den Kläger geltenden Grundfreibetrag übersteigt, unterfällt das Vermögen der Verwertung. Maßgebender Stichtag ist dabei der 5.8.2005, der Tag, ab dem Sozialhilfe geltend gemacht wird, nicht aber - wovon das LSG ausgegangen ist - der Rückkaufswert zum 1.10.2005. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben. Steht der konkrete Wert der Lebensversicherung zum Stichtag und damit auch der über den Schonbetrag des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII hinausgehende Betrag fest, scheidet für die Folgezeit nach dem 5.8.2005 ein fiktiver Verbrauch von Vermögenswerten in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage aus (BVerwGE 106, 105 ff); dies bedeutet, dass das Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, als es noch vorhanden und nicht bis zur Grenze des § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII verbraucht wurde. Spätere Änderungen (etwa das Verwertungsverbot ab 12.9.2005), die eine Verwertung erschweren oder einen geringeren bzw höheren Ertrag bei der Verwertung des Vermögens zur Folge haben, also Einfluss auf den Wert des Vermögens nehmen, sind dabei allerdings zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt im Übrigen nur, wenn im Bedarfszeitraum Sozialhilfe als Darlehen erbracht wird; dann muss die Gewährung der Sozialhilfe in Form eines Darlehens ein Ende finden, wenn die Belastungen den Verkehrswert des Vermögensgegenstandes erreichen (BVerwGE 47, 103, 113). Denn anderenfalls stünde der Darlehensnehmer schlechter als derjenige, der sein Vermögen verwertet und im Anschluss daran Hilfe zum Lebensunterhalt erhält. Ein Darlehen hat der Kläger aber nicht in Anspruch genommen, sondern ausdrücklich abgelehnt.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.
(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.
(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für
- 1.
(weggefallen) - 2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66, - 3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69, - 4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.
(5) (weggefallen)
(1) Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.
(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.
(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.
(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Dezember 2012 aufgehoben. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10. September 2010 werden zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme der Kosten für nächtliche Sitzwachen (Nachtwachen) als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1.4.2009 bis 7.12.2010 (Kläger zu 1) und vom 1.4.2009 bis 16.10.2010 (Kläger zu 2).
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Die Kläger sind Zwillingsbrüder und erheblich behindert; beide sind nahezu gehörlos und minderbegabt; es bestehen ein Aufmerksamkeitsdefizit, ein Hyperaktivitätssyndrom sowie eine emotional instabile Persönlichkeit. Sie befanden sich zunächst stationär im Landkreis T, wo sie vor dem Umzug der sie betreuenden Mutter nach M ihren ständigen Aufenthalt hatten, in einer Heimsonderschule und ab September 2002 im westfälischen Schülerinternat M ; im Juli 2005 wurden sie gemeinsam in ein Wohnheim der Beigeladenen aufgenommen. Dort vergewaltigten die Kläger im April 2006 gemeinschaftlich eine Mitbewohnerin. Nach Bekanntwerden der Tat waren sie mehrere Wochen in der W Klinik für Psychiatrie untergebracht, ab Juni 2006 wohnten sie wieder in nunmehr verschiedenen Wohnheimen der Beigeladenen (Kläger zu 1: Wohnstätte G Kinderhaus; Kläger zu 2: Wohnstätte Haus Gr ). Dort wurden Nachtwachen vor den Zimmern der Kläger aufgestellt (22 Uhr bis 6:30 Uhr), um das unbeaufsichtigte Verlassen der Zimmer zu unterbinden und die Mitbewohner zu schützen. Die in den Heimverträgen mit den Klägern vereinbarten Kosten übernahm der Beklagte. "Zur Abgeltung zusätzlicher Personalkosten" zahlte er zudem an die Beigeladene aufgrund mehrerer zeitlich befristeter Nebenabreden einen täglichen Zuschlag für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.3.2009 (Schreiben vom 16.1., 26.5. und 10.12.2008).
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Für die Zeit vom 1.4.2009 bis 31.3.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern nach Ablauf eines Leistungszeitraums erneut die bisherigen Leistungen, verwies jedoch hinsichtlich der "beantragten Verlängerung der Nebenabrede" jeweils auf ein als Anlage beigefügtes Schreiben an die Beigeladene, in dem die Übernahme weiterer Kosten für Nachtwachen abgelehnt wurde (Bescheide vom 21.1.2009; Widerspruchsbescheide vom 12.3.2009). Während die Klagen erstinstanzlich ohne Erfolg blieben (Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.9.2010), hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen den Beklagten verurteilt, die Kosten der nächtlichen Sitzwachen für den Kläger zu 1 in der Zeit vom 1.4.2009 bis 7.12.2010 und für den Kläger zu 2 in der Zeit vom 1.4.2009 bis 16.10.2010 "dem Grunde nach" zu übernehmen (Urteil vom 20.12.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Nachtwachen könnten nicht isoliert vom therapeutischen Gesamtzusammenhang gesehen werden, in dem sie stünden; ohne sie wären die Eingliederungsmaßnahmen nicht durchführbar gewesen. Daher sei ohne Bedeutung, ob die Nachtwachen selbst einem pädagogischen Zweck dienten. Sie seien zur Erreichung des Eingliederungsziels geeignet und erforderlich. Die Beigeladene sei auch berechtigt, die dadurch bedingten Kosten gegenüber den Klägern geltend zu machen, sodass diese sie beim Beklagten einfordern könnten; das Erhöhungsverlangen finde seine Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung iVm dem im Land geltenden Rahmenvertrag.
- 4
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Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Revision und rügt die Verletzung der §§ 19 Abs 3, 53, 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 55 Abs 2 Nr 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Die Teilhabe der Kläger werde durch die Nachtwachen allenfalls in sehr geringem Umfang und nur indirekt positiv beeinflusst. Im Vordergrund stehe vielmehr die Vermeidung von Gefahren und Belästigungen der Mitbewohner. Das LSG verkenne, dass nicht jede Leistung, die dem Aufenthalt eines behinderten Menschen in einer Einrichtung förderlich sei, als Teilhabeleistung durch den Sozialhilfeträger finanziert werden müsse. Die Nachtwachen seien ohnedies nicht erforderlich gewesen, wie der Umstand belege, dass nach dem Auszug der Kläger aus den Einrichtungen keine mehr eingerichtet worden seien.
- 5
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Er beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
- 7
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Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Beide erachten die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen wegen der Nachtwachen. Zwar handelt es sich bei diesen um Leistungen der Eingliederungshilfe; die Kläger sind aber insoweit keinen Zahlungsansprüchen des Beigeladenen ausgesetzt, was Voraussetzung für die von den Klägern begehrte Kostenübernahme wäre.
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Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 21.9.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.3.2009 (§ 95 SGG), vor deren Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 SGB XII iVm § 9
Gesetz zur Ausführung des SGB XII vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534) , soweit der Beklagte darin die Gewährung eines Zuschlags (Kosten der Nachtwachen) abgelehnt hat. Insoweit handelt es sich um eigenständige Verfügungen (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -) und um einen von den übrigen Leistungen der Eingliederungshilfe abtrennbaren Streitgegenstand. Davon ist der Beklagte selbst bei den früheren Vereinbarungen von "Nebenabreden" mit der Beigeladenen ausgegangen. Auch wenn der Beklagte zur Ablehnung dieser Leistungen lediglich auf die den Bescheiden als Anlagen beigefügten Schreiben an die Beigeladene verwiesen hat, mussten die Kläger dies nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts (vgl zu dieser Voraussetzung nur BSGE 89, 90, 100 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 13) nicht anders verstehen, als dass es sich hierbei (auch) um eine Ablehnung ihnen gegenüber handelt. Dagegen wenden sich die Kläger mit kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen nach §§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, 56 SGG. Einer Verpflichtungsklage bedarf es deshalb, weil die Kläger die Übernahme der Kosten der Nachtwachen durch Verwaltungsakt begehren, mit dem die Mitschuld des Beklagten gegenüber der Beigeladenen begründet werden soll (vgl: BSGE 102, 1 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9; BSG SozR 4-3500 § 53 Nr 1 und § 75 Nr 1).
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Ein Anspruch auf diese Leistungen besteht jedoch nicht. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch käme insoweit allenfalls § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII und § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX (Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) in Betracht. Die Kläger erfüllen die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25) - (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Sie sind durch ihre Gehörlosigkeit in ihrer körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 5 Eingliederungshilfe-Verordnung), aber auch in ihrer geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung).
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Die nächtlichen Sitzwachen vor den Zimmern der Kläger zählen auch als Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 2 Nr 6 SGB IX. Nur mithilfe der Nachtwachen kann nämlich das Ziel der Eingliederungshilfe erreicht werden, die Kläger in die Gesellschaft einzugliedern, ihnen insbesondere die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erst zu ermöglichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 2 SGB XII). Dadurch, dass sie die Kläger am unkontrollierten Verlassen ihres Zimmers hinderten, wurde vermieden, dass sie die Zimmer anderer Bewohner ohne deren Einwilligung aufsuchen; erst dadurch waren die Kläger (neben anderen Hilfen, die während des Tages erbracht wurden) in der Lage, in der Gemeinschaft, der jeweiligen Einrichtung, zu leben und deren Regeln einzuhalten.
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Dass die Unterstützung nachts gewährleistet wurde, ändert an dem Ziel der Maßnahme nichts. Sie wird nicht dadurch zur reinen Schutzmaßnahme zugunsten Dritter, weil diese sich nachts möglichen (Grenz-)Verletzungen durch die Kläger hätten schlechter erwehren können. Dass die Nachtwachen der Wahrung der räumlichen und persönlichen Integrität Dritter dienten, macht diese Maßnahmen also noch nicht zu einer solchen der ausschließlichen Gefahrenabwehr; vielmehr kann ein und dieselbe Maßnahme mehrere Ziele verfolgen. Dies bestätigt in besonderer Weise die Beschreibung des für die Kläger maßgeblichen Leistungstyps 10 der Leistungsvereinbarung, nach der sich die Pflichten der Beigeladenen gegenüber den Klägern bestimmen (dazu später). Dort werden als Leistungsangebot bei Bedarf ausdrücklich Nachtwachen aufgeführt. Nach den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - der Beklagte hat insoweit nicht dargelegt, zu welchen Ermittlungen sich seiner Auffassung nach das LSG hätte gedrängt fühlen müssen (vgl hierzu BSGE 94, 133 RdNr 16 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2), sondern allein Zweifel an dem vom LSG zur Beurteilung der Erforderlichkeit festgestellten Sachverhalt geäußert - waren die Nachtwachen auch erforderlich (§ 4 SGB IX). Allerdings haben die Kläger keinen Anspruch auf Übernahme zusätzlicher Kosten der Eingliederungshilfe durch den Beklagten, weil sie selbst der Beigeladenen weder aus einer gültigen Zusatzvereinbarung ("Nebenabrede") noch aus den Heimverträgen zur Zahlung dieser Kosten verpflichtet sind.
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Nach § 12 Abs 7 des "Rahmenvertrags gemäß § 79 Abs 1 SGB XII zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII, Stand 2.7.2001" (Rahmenvertrag) kann zwar, wenn der Bedarf einzelner Leistungsberechtigter Leistungen erfordert, die durch einen Leistungstyp und entsprechende Maßnahmepauschalen nicht abgedeckt werden, zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung ein "zusätzlicher Betrag" vereinbart werden. Allerdings fehlt es bereits an einer Vereinbarung für die Zeit ab 1.4.2009, sodass dahinstehen kann, ob derartige Vereinbarungen überhaupt systemgerecht sind und - etwa unter Berücksichtigung des § 17 Abs 2 SGB XII - getroffen werden dürfen und ob insbesondere daraus die Kläger verpflichtet werden könnten.
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Aus den Heimverträgen selbst sind die Kläger ebenso wenig zur Zahlung eines zusätzlichen Entgelts verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSGE 102, 1 ff, 4 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), ist das Leistungserbringungsrecht in der Sozialhilfe im Bereich stationärer Leistungen (und ambulanter Dienste) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt, das gesetzlich in den §§ 75 ff SGB XII als Sachleistungsprinzip in der Gestalt der Sachleistungsverschaffung/Gewährleistungsverantwortung ausgestaltet ist. Nach § 75 Abs 3 SGB XII ist der Sozialhilfeträger zur Vergütung von Leistungen nur verpflichtet, wenn mit dem Träger einer Einrichtung eine Vergütungsvereinbarung besteht; dies war hier hinsichtlich jeder der Einrichtungen, in denen die Kläger untergebracht waren, der Fall (Vergütungs-, Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Einrichtung Wohnstätte G Kinderhaus, gültig ab 1.1.2005 bzw 15.9.2009, und Vergütungs-, Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Einrichtung Wohnstätte Haus Gr, gültig ab 1.1.2005 bzw 1.10.2009); als Normverträge (vgl BSG SozR 4-3500 § 62 Nr 1 RdNr 15) nach § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII waren diese für den Beklagten bindend.
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Das gesetzliche Regelungskonzept geht aber davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an die Leistungsberechtigten erbringt, um diesen die Zahlung des Heimentgelts aus dem Heimvertrag zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an die Einrichtung erfolgt, die für die Maßnahme verantwortlich ist. Der Sozialhilfeträger übernimmt in diesem Zusammenhang nur die Vergütung, die der Hilfeempfänger der Einrichtung schuldet und tritt damit (lediglich) einer bestehenden Schuld (als Gesamtschuldner) bei. Dadurch wird ein unmittelbarer Zahlungsanspruch der Einrichtung gegenüber dem Sozialhilfeträger geschaffen; der Primäranspruch des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger ist auf Zahlung an den Dritten gerichtet.
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Die Beigeladene hat jedoch aus dem jeweiligen Heimvertrag, den auszulegen der Senat wegen seines Charakters als Formularvertrag berechtigt war (vgl BSG SozR 3-4220 § 11 Nr 3 S 6 f), keinen Anspruch auf ein zusätzliches Entgelt gegenüber den Klägern. Nach § 4 Abs 1 der Heimverträge setzt sich das von den Klägern gegenüber der Beigeladenen geschuldete Entgelt - ausschließlich - aus den Vergütungsbestandteilen "Pauschale für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale), Pauschale für Betreuungsleistungen gemäß den Leistungstypen und ggf Hilfebedarfsgruppen (Maßnahmepauschale)" und dem "Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag)" zusammen. § 4 Abs 2 der Heimverträge führt das kalendertäglich zu zahlende Entgelt nach diesen Pauschalen getrennt im Einzelnen auf; die entsprechenden Leistungen hat der Beklagte auch erbracht.
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Aus § 6 der Heimverträge ergibt sich kein höherer bzw weiterer Anspruch. Darin ist zwar die Möglichkeit der Entgelterhöhung durch einseitige Erklärung der Einrichtung gegenüber dem Bewohner vorgesehen. Dies wäre aber ohnehin nur zulässig, wenn sich die bisherige Bemessungsgrundlage für die vereinbarte Vergütung geändert hätte. Unabhängig davon, ob eine Änderung im individuellen Bedarf eines Hilfeempfängers überhaupt ein derartiges Erhöhungsverlangen auslösen könnte (vgl insoweit § 7 der Heimverträge), scheidet die Anwendung der Vorschrift indes schon aus, weil Nachtwachen bereits mit der Aufnahme der Kläger in die Einrichtungen eingerichtet worden waren, also gerade keine Änderung des Bedarfs eingetreten ist. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Leistungsanpassung durch die Einrichtung nach § 7 der Heimverträge bei - hier im Hinblick auf die Nachtwachen ebenfalls nicht eingetretener - Veränderung des Hilfebedarfs. Die Wirksamkeit dieser Regelungen unter Berücksichtigung des Heimgesetzes bzw des am 1.10.2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen, ist damit nicht entscheidungserheblich.
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Anders als das LSG meint, ist es für die Höhe der von den Klägern geschuldeten Vergütung ohne Belang, wenn in § 1 Abs 3 der Vergütungsvereinbarungen ausgeführt ist, dass die (tägliche) Vergütung "mindestens" aus der Grundpauschale, dem Investitionsbetrag und der Maßnahmepauschale besteht; insoweit wird lediglich die Formulierung des § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII wiederholt, ohne dass allein dadurch über die konkreten Regelungen der Heimverträge hinausgehende Vergütungsansprüche der Einrichtung begründet würden.
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Ein Anspruch der Kläger auf zusätzliche Leistungen der Eingliederungshilfe besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; §§ 683, 670 Bürgerliches Gesetzbuch). Grundsätzlich denkbar wäre zwar die Anwendung der Regelungen der GoA im Hinblick darauf, dass mit den Nachtwachen neben Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber den Klägern auch solche zum Schutz der übrigen Heimbewohner (= eigenes Geschäft der Einrichtung) im Interesse der Kläger erbracht worden sind (sog "Auch-fremdes-Geschäft"). Doch sind die Regelungen der GoA nach der Risikozuordnung der §§ 75 ff SGB XII im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nicht anwendbar(zu diesem Gedanken allgemein im Zivilrecht BGH, Urteil vom 23.9.1999 - III ZR 322/98 - RdNr 7). Rechte und Pflichten der Kläger im Verhältnis zur Einrichtung, insbesondere das Entgelt, sind in den Heimverträgen festgelegt, die durch die Normverträge nach §§ 75 ff SGB XII ergänzt und gerade im Hinblick auf die Vergütung der zu erbringenden Leistungen gestaltet werden. Dieses austarierte Verhältnis von Rechten und Pflichten würde durch das Recht, neben der Vergütung Aufwendungsersatz über das Rechtsinstitut der GoA zu verlangen, unterlaufen (vgl zu diesem Gedanken in anderem Zusammenhang BGH, Urteil vom 21.10.2003 - X ZR 66/01 - und vom 28.6.2011 - VI ZR 184/10).
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Das vertraglich geschuldete Entgelt umfasst ohnedies die Kosten für die Nachtwachen. Denn § 2 Abs 4 der Heimverträge sieht jeweils vor, dass die Bewohner die erforderlichen individuellen Maßnahmen gemäß der Leistungsvereinbarung erhalten, wofür die für die Bewohner ermittelten Leistungstypen bzw die der Hilfebedarfsgruppe entsprechenden Leistungen nach Anlage 2 des Rahmenvertrags als maßgebend vereinbart sind. Zur Auslegung dieses Rahmenvertrags ist der Senat ebenfalls befugt, gleichgültig, ob dieser als Normvertrag (so Jaritz, Sozialrecht aktuell 2012, 105, 107, und Pöld-Krämer/Fahlbusch, RsDE 46, 4, 20; aA Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 79 SGB XII RdNr 5, Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 9. Aufl 2012, § 79 SGB XII RdNr 12, und Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 79 RdNr 12, Stand August 2012) oder als formularmäßige Vereinbarung angesehen wird. Die Kläger wurden nach § 3 Abs 2 der jeweiligen Heimverträge dem Leistungstyp (LT) 10, Hilfebedarfsgruppe 3 sowie dem LT für die Tagesstruktur 25 (Werkstatt für behinderte Menschen) zugeordnet. Nach der Beschreibung des LT 10 ("Wohnangebote für Erwachsene mit geistiger Behinderung und hohem sozialen Integrationsbedarf") in Anlage 2 des Rahmenvertrags orientieren sich Art und Umfang der Angebote, zB die Sicherstellung einer "Rund-um-die-Uhr-Betreuung" einschließlich der dazugehörigen Tagesdienste, Nachtbereitschaften oder Nachtwachen an den individuellen Bedarfen der Bewohnerinnen und Bewohner. Deren Finanzierung wird folglich mit der Maßnahmepauschale bereits abgedeckt.
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Dass einige Betreute, die in LT 10 und Hilfebedarfsgruppe 3 eingruppiert sind, einen im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen Bewohner im entsprechenden LT höheren Betreuungsbedarf haben und damit ggf auch höhere Kosten verursachen, ist der pauschalierten und abstrakten Kalkulation der jeweiligen Vergütung geschuldet. Da die Maßnahmepauschale von Durchschnittswerten ausgeht (vgl insoweit § 76 Abs 2 Satz 3 SGB XII, wonach die Maßnahmepauschale nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden kann), sind Abweichungen im tatsächlichen Bedarf nach oben und unten systemimmanent, ohne dass darin ein Verstoß gegen die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung (§ 75 Abs 3 Satz 2 SGB XII; vgl dazu Jaritz/Eicher, juris PraxisKommentar SGB XII, 2. Aufl 2014, § 76 SGB XII RdNr 62 mwN) liegt. Aus diesem Grund scheidet ein weiterer Leistungsanspruch der Kläger unter dem Gedanken des Systemversagens (vgl nur BSG SozR 4-3500 § 92a Nr 1 RdNr 39) ohnedies aus.
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Besteht mithin kein Anspruch der Kläger auf weitere Leistungen ist nicht weiter von Bedeutung, dass bei einer Kostenübernahme durch Schuldbeitritt der Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen ist, weil dies nur bei einer Klage auf Leistung in Geld vorgesehen ist(vgl BSG SozR 4-1500 § 130 Nr 4 RdNr 12).
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.
(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.
(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit
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dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist, - 2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt, - 3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten, - 4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.
Tenor
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Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. September 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass lediglich der Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2011 aufgehoben wird.
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Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 440,65 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 440,65 Euro für die ambulante Pflege der im August 2011 verstorbenen Hilfeempfängerin E. S. (S).
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Die Klägerin, Betreiberin einer nach § 72 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung, erbrachte der am 11.8.2011 verstorbenen Hilfeempfängerin, die keine Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhielt, im Juli 2011 häusliche Pflege; Grundlage war die zwischen diesen abgeschlossene Vereinbarung über die Erbringung von Pflegeleistungen vom 20.7.2011. Gegenüber S hatte die Beklagte die Übernahme angemessener Kosten für die Inanspruchnahme besonderer Pflegekräfte nach § 65 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) "ab sofort bis 31.7.2011" erklärt (bestandskräftiger Bescheid vom 15.7.2011). Dem Bescheid war in Anlage ein Schreiben der Beklagten an die Klägerin beigefügt, in dem diese eine "Kostenzusage für ambulante Pflegeleistungen" erteilte (Schreiben vom 15.7.2011). Gegen die Forderung der Klägerin vom 17.8.2011, für erbrachte Leistungen in der Zeit vom 1. bis 31.7.2011 440,65 Euro zu zahlen (575,65 Euro abzüglich eines "Eigenanteils" von 135 Euro), wandte die Beklagte ein, S sei bereits am 11.8.2011 verstorben. Da mit dem Tod deren Hilfeanspruch geendet habe, sei die Rechnung nicht mehr zu begleichen. Die Klägerin sei darauf zu verweisen, ihre Forderung gegenüber den Erben geltend zu machen (Schreiben vom 19.8.2011). Nachdem sich die Klägerin hiergegen mit einer erneuten Zahlungsaufforderung (vom 2.9.2011) gewandt hatte, erließ die Beklagte (unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter) einen Widerspruchsbescheid (vom 26.10.2011), mit dem sie "den Widerspruch" zurückwies und zusätzlich darauf verwies, dass sich auch kein Anspruch der Klägerin aus § 19 Abs 6 SGB XII ergebe.
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Die auf Zahlung von 440,65 Euro gerichtete Klage, gestützt auf die im Bewilligungsbescheid enthaltene Zusage, hatte in beiden Instanzen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts
Dortmund vom 21.8.2012; Urteil des Landessozialgerichts . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung wegen des Schuldbeitritts der Beklagten im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses, das auch für Leistungsbeziehungen mit ambulanten Pflegediensten Geltung beanspruche. Dass die Hilfeempfängerin vor der Rechnungserstellung gestorben sei, lasse den Anspruch unberührt.Nordrhein-Westfalen vom 23.9.2013)
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision und rügt eine Verletzung des § 19 Abs 6 SGB XII (Sonderrechtsnachfolge nach dem Tod des Sozialhilfeberechtigten nur für Einrichtungen). Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass diese Vorschrift, die von einem grundsätzlichen Untergang des Sozialhilfeanspruchs ausgehe, davon aber für Einrichtungen eine Ausnahme mache, nicht für ambulante Dienste gelte. Mithin sei mit dem Tod der Berechtigten der Anspruch der Klägerin erloschen. § 19 Abs 6 SGB XII stelle eine iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII abweichende Regelung dar.
- 6
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
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Die vom LSG beigeladenen Rechtsnachfolger der S haben weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
). Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 440,65 Euro gegen die Beklagte aus Schuldbeitritt zu, der auch nicht mit dem Tod der S untergegangen ist. Allerdings war entgegen der Entscheidung des SG und des LSG nur der Widerspruchsbescheid aufzuheben, ohne dass dadurch die Klägerin teilweise unterliegen würde.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Widerspruchsbescheid vom 26.10.2011, mit dem die Beklagte aus der schlichten Erklärung (vom 19.8.2011) einen Verwaltungsakt gemacht hat (s zu dieser Konstellation nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 85 RdNr 7a mwN zur Rspr). Dagegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 iVm § 56 SGG) vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 SGG), auch wenn es sich bei der geltend gemachten Forderung um eine solche handelt, die ihre Grundlage im Zivilrecht findet (vgl: BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 3; Senatsbeschluss vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R). Dies hat der Senat jedoch im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zu prüfen (§ 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz), sodass auch nicht mehr darüber zu befinden ist, ob das SG den (zivilrechtlichen) Streit um die Kostenerstattung vom Anfechtungsbegehren hätte abtrennen können. Für die Anfechtung des Widerspruchsbescheids kann, unabhängig von seinem Inhalt, nur der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet sein. Mit der Aufhebung dieses Widerspruchsbescheids entfällt dessen umgestaltende Wirkung.
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Von Amts wegen zu berücksichtigende sonstige Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Ob, wie geschehen, die Erben der S noch nach der Verkündung, aber vor Zustellung des Urteils des LSG beigeladen werden konnten (zweifelnd wegen der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs <§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 Grundgesetz> BSGE 108, 206 ff RdNr 17 mwN = SozR 4-2500 § 33 Nr 34), bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls aber wären die Erben als Gesamtschuldner nicht notwendig (§ 75 Abs 2 SGG), sondern allenfalls einfach beizuladen gewesen; denn die Entscheidung hat jedem Gesamtschuldner gegenüber schon deshalb nicht einheitlich zu ergehen, weil von jedem die Begleichung der gesamten Schuld verlangt werden kann (§ 426 Bürgerliches Gesetzbuch
) . Für die Beigeladenen entstehen durch die Beiladung ohnedies keine nachteiligen Folgen, weil der Klägerin der gegen die Beklagte geltend gemachte Zahlungsanspruch zusteht (dazu gleich).
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Die Anfechtungsklage war jedoch nur erfolgreich, soweit sie den Widerspruchsbescheid betrifft. Zum Erlass dieses Bescheids war die Widerspruchsstelle wegen des Fehlens eines Ausgangsbescheids funktional und sachlich unzuständig (vgl BSG, Urteil vom 30.3.2004 - B 4 RA 48/01 R). Mit dem Schreiben vom 19.8.2011 hat die Beklagte nämlich zu Recht keinen Verwaltungsakt (§ 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -
) erlassen. Denn in dem durch den Schuldbeitritt begründeten Gleichordnungsverhältnis zur Klägerin fehlte es ihr an der Befugnis dazu. Für den Erlass eines Verwaltungsakts bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage, die sich entweder ausdrücklich aus dem Gesetz oder der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses der Beteiligten ergeben kann (vgl nur BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 4 mwN). Doch existiert hier weder eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für das Handeln durch Verwaltungsakt - was ohnehin in einem an sich zivilrechtlichen Verhältnis (dazu gleich) kaum vorstellbar wäre -, noch ergibt sich die Befugnis zum hoheitlichen Handeln aus der (zivilrechtlichen) Rechtsbeziehung beider. Das Schreiben der Beklagten vom 19.8.2011, mit dem sie abgelehnt hat, den von der Klägerin geltend gemachten zivilrechtlichen Anspruch auf Kostenerstattung zu erfüllen, ist deshalb zu Recht nicht als Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X ergangen. Gegen diese Ablehnung hat sich die Klägerin folgerichtig auch nicht mit einem Widerspruch gewandt, sondern lediglich in der Sache ausgeführt, warum sie mit der Ablehnung durch die Beklagte nicht einverstanden ist und weiter eine Zahlung verlangt. An der funktionalen und sachlichen Unzuständigkeit der Widerspruchsstelle ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte im Widerspruchsbescheid erstmals neben dem zivilrechtlichen einen Anspruch der Klägerin aus § 19 Abs 6 SGB XII abgelehnt hat. Der Tenor der SG-Entscheidung war deshalb abzuändern.
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Die Beklagte hat es in der Sache zudem zu Unrecht abgelehnt, die von der Klägerin geltend gemachten Kosten zu zahlen, denn dieser Anspruch steht der Klägerin zu. Die Beklagte ist der, nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) in dieser Höhe sachlich und rechnerisch zutreffend bezeichneten Schuld der S aus der Pflegevereinbarung (§§ 241, 421 BGB) mit der Klägerin beigetreten. Nach § 75 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB XII richten sich bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten Pflegeleistungen nach den Vorschriften des 8. Kapitels des SGB XI, wenn die Vereinbarungen - wie hier - im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind (Versorgungsvertrag im Einvernehmen mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe über ambulante Pflegeleistungen nach § 72 SGB XI zwischen der Klägerin und den Landesverbänden der Pflegekassen und den Ersatzkassen vom 28.2.2005; Vereinbarung gemäß § 89 SGB XI über die Vergütung ambulanter Pflegeleistungen in Nordrhein-Westfalen
zwischen der Klägerin und der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassen in NRW und der Ersatzkassen sowie dem örtlichen Träger der Sozialhilfe vom 28.12.2009; Rahmenvertrag über die ambulante pflegerische Versorgung gemäß § 75 SGB XI ua zwischen der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, deren Mitglied das Diakonische Werk als Träger der Klägerin ist, und den Landesverbänden der Pflegekassen in NRW vom 12.10.1995). Auch wenn unklar ist, ob S in der sozialen Pflegeversicherung versichert war, also § 75 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB XII unmittelbar zur Anwendung kommen, steht dies einer Entscheidung des Senats nicht entgegen; denn in der Pflegevereinbarung zwischen der Klägerin und S ist auf die insoweit maßgeblichen Verträge Bezug genommen worden, sodass diese jedenfalls kraft Vereinbarung Anwendung fänden, wäre S nicht pflegeversichert gewesen. Mangels entsprechender Anhaltspunkte ist nicht davon auszugehen, dass in der Erklärung vom 15.7.2011 abweichend vom Regelfall ein (öffentlich-rechtliches) Schuldanerkenntnis liegt (vgl dazu Senatsbeschluss vom 30.9.2014 - B 8 SF 1/14 R - mwN).
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Das Leistungserbringungsrecht in der Sozialhilfe ist nicht nur im Bereich stationärer Leistungen (vgl BSGE 102, 1 ff, RdNr 15 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), sondern gemäß § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII auch im Bereich der ambulanten Dienste(vgl Senatsurteil vom 25.9.2014 - B 8 SO 8/13 R -, SozR 4-3500 § 53 Nr 4) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt, das als Sachleistungsprinzip in der Gestalt der Sachleistungsverschaffung/Gewährleistungsverantwortung ausgestaltet ist. Das gesetzliche Regelungskonzept geht also auch für die ambulanten Dienste davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an den jeweiligen Hilfeempfänger erbringt, um diesem die Zahlung des vertraglichen Entgelts aus dem Vertrag über die Erbringung von ambulanten Pflegeleistungen zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an den Dienst erfolgt, der die Pflege leistet. Der Sozialhilfeträger übernimmt in diesem Zusammenhang nur die Vergütung, die der Hilfeempfänger vertraglich dem ambulanten Dienst schuldet und tritt damit (lediglich) einer bestehenden zivilrechtlichen Schuld (als Gesamtschuldner) bei. Dadurch wird ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Dienstes gegenüber dem Sozialhilfeträger geschaffen; der Anspruch des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger ist auf Zahlung an diesen Dritten gerichtet.
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S hatte mit der Klägerin am 20.7.2011 wirksam einen Vertrag über die Erbringung von Pflegeleistungen (Pflegevereinbarung) abgeschlossen, die auszulegen der Senat wegen ihres Charakters als Formularvertrag berechtigt war (vgl BSG SozR 3-4220 § 11 Nr 3 S 6 f; zu den Heimverträgen vgl die Senatsentscheidung vom 25.9.2014 - B 8 SO 8/13 R -, SozR 4-3500 § 53 Nr 4 RdNr 17). Danach hatte sich S vertraglich verpflichtet, für die im Einzelnen aufgeführten Leistungen je Wochentag an die Klägerin einen bestimmten Preis zu zahlen; zusätzlich waren die monatlichen Gesamtkosten abzüglich eines "Eigenanteils" aufgeführt. Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG hat die Klägerin die vereinbarten Leistungen im geltend gemachten Umfang auch erbracht. Der Wirksamkeit dieser Vereinbarung steht nicht entgegen, dass im Bereich der sozialen Pflegeversicherung nach dem SGB XII die ambulanten Dienstleister einen unmittelbaren öffentlich-rechtlichen Zahlungsanspruch in Höhe der gesetzlichen Pflegeleistungen gegen die Pflegekasse besitzen (vgl BSG SozR 4-3300 § 72 Nr 1). Auch lag in der Vereinbarung zwischen Klägerin und der Verstorbenen kein Verstoß gegen § 32 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I), wonach privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB abweichen, nichtig sind. Denn zumindest wenn unklar ist, ob eine Pflegeversicherung oder entsprechende Leistungsansprüche bestehen, müssen Individualvereinbarungen zulässig und wirksam sein (zum gleichartigen Problem in der gesetzlichen Krankenversicherung BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 21).
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Der Wirksamkeit des Schuldbeitritts selbst steht weder entgegen, dass er vor Abschluss des Pflegevertrags erfolgte, noch, dass im Bescheid und Schreiben vom 15.7.2011 die Schuld nicht summenmäßig aufgeführt ist. Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Schuldbeitritts ist lediglich, dass die Verpflichtung nach Inhalt und Beschaffenheit im Zeitpunkt der Entscheidung hinreichend bestimmt war, wodurch vermieden werden kann, dass die Schuld des Beitretenden durch spätere Rechtsgeschäfte des Hauptschuldners ohne sein Zutun erweitert und damit gegen das Verbot der Fremddisposition verstoßen wird (vgl BGH, Urteil vom 7.11.1995 - XI ZR 235/94 - mwN). Diese Kriterien gelten gleichermaßen für die Wirksamkeit des Beitritts zu einer künftigen Schuld (dazu BGHZ 133, 220 ff). Diesen Anforderungen genügt der Bescheid der Beklagten iVm der Erklärung vom 15.7.2011. Denn die Häufigkeit und die Art der gegenüber der S zu erbringenden Leistungen mit der Zuordnung zu den Leistungskomplexen der Vergütungsvereinbarung - die der Senat als Normvertrag ebenfalls auszulegen berechtigt ist (vgl BSG SozR 4-3500 § 62 Nr 1 RdNr 15) - sind im Einzelnen aufgeführt. Zudem ist in Anlage 1 der Vergütungsvereinbarung jedem Leistungskomplex ein konkreter Preis zugeordnet, sodass lediglich die Nennung des jeweiligen Preises der so bestimmten Leistungen fehlt. Dies macht die Bewilligung noch nicht zu einem unzulässigen Schuldbeitritt "dem Grunde nach"; denn der Umfang der Schuld ist bestimmbar.
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Der Tod der S vor der Rechnungserstellung durch die Klägerin hat die zivilrechtliche Schuld der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht entfallen lassen. Ihr Tod führte nur dazu, dass die Beigeladenen als ihre Erben (§ 1922 BGB) für ihre Schuld als Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) haften. Er lässt die Stellung der Beklagten aus dem Schuldbeitritt und damit das Recht der Klägerin unberührt, auch allein die Beklagte für die gesamte Schuld in Anspruch zu nehmen. Der zusätzliche sozialhilferechtliche Anspruch der S gegenüber der Beklagten auf Zahlung durch diese an die Klägerin mag durch deren Tod "erloschen" sein; gleichwohl hat die Beklagte gegenüber der Hilfeempfängerin ihrer Sachleistungsverschaffungspflicht bereits mit dem Schuldbeitritt genügt und damit ihre Leistung teilweise erbracht. Die daraus resultierende Zahlungspflicht unmittelbar gegenüber der Klägerin ist (nur) die Folge des Schuldbeitritts, mithin die Erfüllung dieser Schuld, die nicht mit dem Tod der S nachträglich wieder erlöschen kann.
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§ 19 Abs 6 SGB XII führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach steht der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung dem Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tod demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Mit der Norm wird nichts Abweichendes iS des § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII bestimmt. Sie schließt, anders als die Beklagte meint, nicht jeglichen Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes gegen den Sozialhilfeträger nach dem Tod des Hilfebedürftigen aus, sondern basiert nur auf der Rechtsprechung zur Unvererblichkeit sozialhilferechtlicher Ansprüche und schafft dafür in bestimmten Konstellationen ein sozialhilferechtliches Korrektiv (vgl: BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2; BSGE 110, 93 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 3). Zudem käme die Anwendung des § 19 Abs 6 SGB XII - außerhalb der Leistungsbeziehungen mit ambulanten Diensten - ohnehin nur in Betracht, wenn es, anders als hier, entweder um die Übernahme von Kosten vor der Kostenübernahme durch Bewilligungsbescheid geht(vgl BSGE 102, 1 ff RdNr 27 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9) oder wenn die Übernahme von Kosten geltend gemacht wird, die gerade nicht vom Schuldbeitritt erfasst sind (vgl BSGE 106, 264 ff = SozR 4-3500 § 19 Nr 2).
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Entgegen der Auffassung der Beklagten laufen damit die Regelungen zum Anspruchsübergang nach den §§ 93, 94 SGB XII nicht leer. Zwar ist Voraussetzung für die Überleitungsanzeige bzw den Anspruchsübergang ua, dass Leistungen erbracht worden sind. Da aber mit dem Schuldbeitritt die Leistung gegenüber dem Hilfeempfänger teilweise erbracht ist, dürfte den Bedenken der Beklagten hiermit hinreichend Rechnung getragen sein. Dies gilt für den Kostenersatzanspruch nach § 102 SGB XII gleichermaßen(zum Verhältnis beider vgl BVerwGE 85, 136, 139).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 40, 47 Abs 1, § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Übernahme weiterer Kosten, die für die stationäre Unterbringung der am 13.1.2009 verstorbenen E W (E. W.) in der Zeit vom 27.2. bis 30.9.2008 entstanden sind.
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Die in D (Kreis W) wohnhafte E. W. war seit dem 27.2.2008 in einem vom Kläger betriebenen Pflegeheim untergebracht. Sie erhielt im streitbefangenen Zeitraum Leistungen von der Pflegekasse, zuletzt ab 1.4.2008 nach der Pflegestufe III. Am 15.11.2007 war der Beklagte über die bevorstehende Heimaufnahme und darüber informiert worden, dass Sozialhilfe begehrt werde. Nach Vorlage umfangreicher Nachweise über die Einkommens- und Vermögenssituation der E. W. teilte der Beklagte der bevollmächtigten Tochter der Verstorbenen mit, dass er von einem Gesamtvermögenswert von 4362,45 Euro ausgehe, das, soweit es den Vermögensfreibetrag in Höhe von 3214 Euro überschreite, also in Höhe von 1148,45 Euro, einzusetzen sei. Im Hinblick hierauf überwies die Bevollmächtigte der Verstorbenen am 3.9.2008 einen Betrag von 1468 Euro an den Kläger.
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Dieser beantragte am 13.1.2009 beim Beklagten die Zahlung der ungedeckten Heimkosten aus Mitteln der Sozialhilfe an sich gemäß § 19 Abs 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Der Beklagte bewilligte Leistungen in Form der vollen Übernahme der Heimkosten lediglich für die Zeit ab 1.10.2008, lehnte jedoch Leistungen für Februar 2008 ganz ab, weil die Heimkosten in diesem Monat die Höhe des einzusetzenden Vermögens nicht überstiegen, und gewährte im Ergebnis Leistungen für die Zeit vom 1.3. bis 30.9.2008 nur unter monatlicher Berücksichtigung von Einkommen, Leistungen der Pflegeversicherung und Pflegewohngeld und eines einzusetzenden Vermögensbetrags von 1148,45 Euro (Bescheid vom 27.1.2009; Widerspruchsbescheid unter Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 16.10.2009).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Duisburg
vom 9.11.2010; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Voraussetzungen für weitere Pflegeleistungen seien nicht erfüllt. Dem Kläger stünden gemäß § 19 Abs 6 SGB XII nur Leistungen zu, soweit sie auch der verstorbenen E. W. zugestanden hätten, weil nach der bezeichneten Vorschrift die Ansprüche der Verstorbenen auf den Kläger nur in der auch E. W. zustehenden Höhe übergegangen seien. Zutreffend habe das SG ausgeführt, einsetzbares und verwertbares Vermögen in Höhe von 1148,45 Euro habe einem Anspruch Monat für Monat bis zum 30.9.2008 entgegengestanden, weil erst im September eine Zahlung an den Kläger aus dem Vermögen der Verstorbenen erfolgt sei. Für die Annahme eines fiktiven Vermögensverbrauchs fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage.vom 15.6.2011)
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 19 Abs 6 SGB XII. Die Vorschrift normiere eine Sonderrechtsnachfolge, bei der zwar grundsätzlich der Schuldner dem neuen Gläubiger alle Einwendungen entgegenhalten könne, die zur Zeit des Forderungsübergangs gegen den bisherigen Gläubiger begründet gewesen seien. Dies könne jedoch nicht gelten für die Beurteilung der Hilfebedürftigkeit. Er (der Kläger) habe weder Einfluss auf die Dauer des Verwaltungsverfahrens noch Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten des Heimbewohners. Gälte das Verbot des fiktiven Vermögensverbrauchs auch im Falle des § 19 Abs 6 SGB XII, würden Sinn und Zweck der Vorschrift ins Leere gehen, insbesondere wenn sich erst Monate oder Jahre nach der Heimaufnahme herausstelle, dass ein kleiner Vermögensbetrag vorhanden sei, der in der bereits verstrichenen Zeit Monat für Monat der Hilfegewährung (teilweise) entgegenstehe.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2009 zu verurteilen, für die Zeit vom 27.2. bis 30.9.2008 höhere Leistungen zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung des Senats.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 27.1.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids (§ 95 SGG) vom 16.10.2009, soweit darin für die Zeit vom 27. bis 29.2.2008 Pflegeleistungen vollständig und für die Zeit vom 1.3. bis 30.9.2008 höhere Pflegeleistungen abgelehnt worden sind. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG).
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Für die vom Kläger geltend gemachte Leistung (Pflegeleistung gemäß § 61 Abs 1 und 2 SGB XII iVm § 28 Abs 1 Nr 8, § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung -
und § 19 Abs 6 SGB XII) war und ist der Beklagte zwar sachlich und örtlich zuständig (§ 3 Abs 1 und 2, § 97 Abs 1 und 2, § 98 Abs 2 SGB XII iVm § 2 Buchst a Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt816 - iVm § 2 der Ausführungsverordnung zu diesem Gesetz vom 16.12.2004 - GVBl 816) , weil eine Heranziehung nach § 99 Abs 1 SGB XII nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nichts an der Zuständigkeit ändert(vgl dazu nur Söhngen in juris PraxisKommentarSGB XII, § 99 SGB XII RdNr 13 mwN); jedoch könnte der Beklagte den kreisangehörigen Gemeinden aufgrund landesrechtlicher Regelungen, die das LSG zu prüfen hat, die Durchführung der Aufgaben in eigenem Namen übertragen haben. Dies würde zwar nichts daran ändern, dass der richtige Beklagte nach § 70 Nr 1 SGG der Beklagte selbst ist, weil er den angefochtenen Bescheid erlassen hat; jedoch könnte der Bescheid formal rechtswidrig sein, und ggf wäre die herangezogene Stadt/Gemeinde analog § 75 Abs 2 2. Alt SGG beizuladen und entsprechend § 75 Abs 5 SGG zu höheren Leistungen zu verurteilen.
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Ansprüche der Klägerin können sich vorliegend nicht aus originärem Recht ergeben. Weder sind die Voraussetzungen des § 25 SGB XII (sog Nothilfe) erfüllt, noch haben die Erbringer besonderer Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII einen unmittelbaren Honoraranspruch gegen den Sozialhilfeträger aufgrund bestehender Vergütungsvereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII(vgl hierzu nur Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 28 ff mwN zur Rechtsprechung). Ansprüche des Klägers können sich nur aus § 19 Abs 6 SGB XII(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) ergeben. Danach steht der Anspruch der Berechtigten ua auf Leistungen für Einrichtungen, soweit diese Leistungen dem Berechtigten erbracht worden wären, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht hat. Nach der ausdrücklichen Formulierung in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/3904, S 45 zu Nr 8b) regelt die Vorschrift einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer cessio legis (BSGE 106, 264 ff RdNr 11 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 mwN; Senatsurteil vom 2.2.2012 - B 8 SO 15/10 R -, BSGE 110, 93 ff RdNr 16 = SozR 4-3500 § 19 Nr 3). Ob und in welcher Höhe dem Kläger ein über die bereits bewilligten Leistungen hinausgehender von Gesetzes wegen übergegangener Anspruch gegen den Beklagten zusteht, kann indes anhand der Entscheidung des LSG nicht entschieden werden. Es fehlen Feststellungen zur Höhe von Einkommen und Vermögen der E. W. und ihres Ehemanns. Im Urteil des LSG finden sich hierzu nur insoweit Aussagen, als mitgeteilt wird, von welchen die Bedürftigkeit der Verstorbenen E. W. beeinflussenden Faktoren der Beklagte ausgegangen ist, nicht jedoch eigene tatsächliche Feststellungen dazu. Auch der Hinweis des LSG, die Beteiligten hätten vor dem SG die Punkte im Einzelnen "unstreitig gestellt", entbindet den Senat nicht von einer eigenständigen Überprüfung; denn insoweit liegt weder ein wirksames Anerkenntnis noch ein wirksamer Prozessvergleich vor (vgl dazu das Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - RdNr 11 ff). Nicht überprüfbar ist mangels Feststellungen der zwischen den Beteiligten geltenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen und der zwischen der verstorbenen E. W. und dem Kläger getroffenen vertraglichen Regelung über die Heimvergütung (vgl zur Notwendigkeit derartiger Feststellungen nur das Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 1/11 R - RdNr 11 mwN) auch die Höhe der dem Kläger gegenüber der verstorbenen E. W. zustehenden Heimvergütung, die die Höhe des sozialhilferechtlichen Anspruchs auf Hilfe zur Pflege beeinflusst.
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Zu Recht ist das LSG in seiner Entscheidung jedoch davon ausgegangen, dass dem Kläger wegen des in § 19 Abs 6 SGB XII angeordneten gesetzlichen Anspruchsübergangs nur der Anspruch zustehen kann, der auch der verstorbenen E. W. gegenüber dem Beklagten zustand. Entgegen der Ansicht des Klägers kann er selbst also keine höheren Ansprüche geltend machen, als die Verstorbene hätte geltend machen können. Soweit der Kläger darauf verweist, entgegen §§ 412, 404 Bürgerliches Gesetzbuch könne ihm gleichwohl eine fehlende Bedürftigkeit der Verstorbenen nicht entgegengehalten werden, weil es sich um eine höchstpersönliche Einwendung handele, ist diese Rechtsansicht verfehlt. Bei der Bedürftigkeit bzw dem Umfang der Bedürftigkeit handelt es sich um eine Anspruchsvoraussetzung für den Sozialhilfeanspruch; dies bedeutet, dass ein Anspruch, soweit Bedürftigkeit abzulehnen ist, überhaupt nicht existiert und damit auch gesetzlich nicht übergehen kann.
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Zu Recht hat das LSG auch entschieden, dass vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen so lange zu berücksichtigen ist, wie es vorhanden ist (BVerwGE 106, 105 ff; Senatsurteil vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - RdNr 27; vgl auch zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -
BSG, Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 14/08 B) . In Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage hierfür scheidet mithin ein sog fiktiver Vermögensverbrauch aus (BVerwG aaO; BSG aaO).
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Die gegenteilige Auffassung des Klägers findet weder im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze (vgl im Gegensatz dazu etwa die Regelungen zur Berücksichtigung von einmaligen Einkünften in § 3 Abs 3 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII und § 2 Abs 3 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), noch lässt sie sich historisch mit der Entwicklung der Vorschriften zur Vermögensberücksichtigung im SGB XII begründen. Die Frage, ob vorhandenes oder zu verwertendes Vermögen einem Anspruch auf Sozialhilfe nur einmalig entgegengehalten werden kann, war dem Gesetzgeber bei der Schaffung des SGB XII bekannt. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der bis 31.12.2001 geltenden Regelung des § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung, die einen solchen fiktiven Vermögensverbrauch beim Recht der Arbeitslosenhilfe vorsah, aber mit Wirkung ab 1.1.2002 gestrichen wurde (vgl dazu näher Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, zu § 13 RdNr 184 ff). Dass die ursprüngliche Regelung weder in der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung noch im SGB XII aufgegriffen wurde, belegt deutlich den Willen des Gesetzgebers, einen fiktiven Vermögensverbrauch grundsätzlich nicht zuzulassen. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass dem Hilfebedürftigen bei einem mehrere Jahre andauernden Streit über Einsatz und Verwertung des Vermögens eine gewisse Unsicherheit verbleibt. Er hat es selbst in der Hand, das vorhandene Vermögen zumindest vorläufig einzusetzen und so das Risiko, sich jederzeit auf das vorhandene Vermögen zur Deckung des Bedarfs verweisen lassen zu müssen, auszuschließen (so schon BVerwGE 106, 105 ff). Rechtlich ohne Bedeutung ist, dass der Kläger, auf den der Sozialhilfeanspruch übergegangen ist, keinen Einfluss auf das Verhalten der Verstorbenen hatte.
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Notlagen des Hilfeempfängers kann über § 19 Abs 5 SGB XII (sog unechte Sozialhilfe gegen Aufwendungsersatz) Rechnung getragen werden(vgl dazu nur Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII RdNr 54 mwN). Zwar kann auch dieser Anspruch des Hilfebedürftigen - vorliegend der E. W. - auf den Kläger im Wege der cessio legis nach § 19 Abs 6 SGB XII übergehen; jedoch liegen die Voraussetzungen des § 19 Abs 5 SGB XII - unabhängig davon, ob nicht mit dem Anspruchsübergang auch die Verpflichtung zum Aufwendungsersatz auf den Kläger übergehen würde und dies überhaupt seinem Interesse entspräche - nicht vor. Denn die Gewährung unechter Sozialhilfe setzt einen tatsächlichen aktuellen Bedarf voraus, der ohne Eingreifen des Sozialhilfeträgers nicht gedeckt würde (vgl dazu Coseriu aaO); diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
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Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG unter genauer Ermittlung des vorhandenen zu verwertenden und verwertbaren Vermögens sowie Einkommens zum Zeitpunkt des Bedarfsanfalls (BSGE 104, 219 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1: Fälligkeit der Forderung des Klägers gegen die verstorbene E. W.) den ungedeckten Bedarf im Einzelnen zu ermitteln und festzustellen haben. Ob bei genauer und korrekter Berechnung für den Kläger daraus höhere Leistungen resultieren, ist für den Senat nicht absehbar. Ggf wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.
(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung
- 1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird, - 2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden, - 3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde, - 4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind, - 6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde, - 7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist, - 8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes, - 9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen, - 10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.
(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
(1) Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(2) Ist die nachfragende Person minderjährig und unverheiratet, so ist ihr und ihren Eltern die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs das monatliche Einkommen der nachfragenden Person und ihrer Eltern zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für einen Elternteil, wenn die Eltern zusammenleben, sowie für die nachfragende Person und für jede Person, die von den Eltern oder der nachfragenden Person überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(3) Die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 bestimmt sich nach dem Ort, an dem der Leistungsberechtigte die Leistung erhält. Bei der Leistung in einer Einrichtung sowie bei Unterbringung in einer anderen Familie oder bei den in § 107 genannten anderen Personen bestimmt er sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten oder, wenn im Falle des Absatzes 2 auch das Einkommen seiner Eltern oder eines Elternteils maßgebend ist, nach deren gewöhnlichem Aufenthalt. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist Satz 1 anzuwenden.
(1) Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Nicht zum Einkommen gehören
- 1.
Leistungen nach diesem Buch, - 2.
die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, - 3.
Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, - 4.
Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs kalenderjährlich bis zu dem in § 3 Nummer 26 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes genannten Betrag, - 5.
Mutterschaftsgeld nach § 19 des Mutterschutzgesetzes, - 6.
Einnahmen von Schülerinnen und Schülern allgemein- oder berufsbildender Schulen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, aus Erwerbstätigkeiten, die in den Schulferien ausgeübt werden; dies gilt nicht für Schülerinnen und Schüler, die einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung haben, - 7.
ein Betrag von insgesamt 520 Euro monatlich bei Leistungsberechtigten, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und die - a)
eine nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung durchführen, - b)
eine nach § 57 Absatz 1 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung, eine nach § 51 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähige berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme oder eine nach § 54a des Dritten Buches geförderte Einstiegsqualifizierung durchführen oder - c)
als Schülerinnen und Schüler allgemein- oder berufsbildender Schulen während der Schulzeit erwerbstätig sind,
- 8.
Aufwandsentschädigungen oder Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten, die nach § 3 Nummer 12, Nummer 26 oder Nummer 26a des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, soweit diese einen Betrag in Höhe von 3 000 Euro kalenderjährlich nicht überschreiten und - 9.
Erbschaften.
(2) Von dem Einkommen sind abzusetzen
- 1.
auf das Einkommen entrichtete Steuern, - 2.
Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, - 3.
Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind, sowie geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes nicht überschreiten, und - 4.
die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben.
(3) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28. Abweichend von Satz 1 ist bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches von dem Entgelt ein Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 50 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Entgelts abzusetzen. Im Übrigen kann in begründeten Fällen ein anderer als in Satz 1 festgelegter Betrag vom Einkommen abgesetzt werden.
(4) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag von 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten zuzüglich 30 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.
(5) Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne des Absatzes 4 ist jedes monatlich bis zum Lebensende ausgezahlte Einkommen, auf das der Leistungsberechtigte vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf freiwilliger Grundlage Ansprüche erworben hat und das dazu bestimmt und geeignet ist, die Einkommenssituation des Leistungsberechtigten gegenüber möglichen Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach den §§ 1 bis 4 des Sechsten Buches, nach § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte, aus beamtenrechtlichen Versorgungsansprüchen und aus Ansprüchen aus Zeiten einer Versicherungspflicht in einer Versicherungs- und Versorgungseinrichtung, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet ist, zu verbessern. Als Einkommen aus einer zusätzlichen Altersvorsorge gelten auch laufende Zahlungen aus
- 1.
einer betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Betriebsrentengesetzes, - 2.
einem nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Altersvorsorgevertrag und - 3.
einem nach § 5a des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifizierten Basisrentenvertrag.
(6) Für Personen, die Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Blindenhilfe oder Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch erhalten, ist ein Betrag in Höhe von 40 Prozent des Einkommens aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 65 Prozent der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.
(7) Einmalige Einnahmen, bei denen für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der Einnahme erbracht worden sind, werden im Folgemonat berücksichtigt. Entfiele der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung in einem Monat, ist die einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig zu verteilen und mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen. In begründeten Einzelfällen ist der Anrechnungszeitraum nach Satz 2 angemessen zu verkürzen. Die Sätze 1 und 2 sind auch anzuwenden, soweit während des Leistungsbezugs eine Auszahlung zur Abfindung einer Kleinbetragsrente im Sinne des § 93 Absatz 3 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes oder nach § 3 Absatz 2 des Betriebsrentengesetzes erfolgt und durch den ausgezahlten Betrag das Vermögen überschritten wird, welches nach § 90 Absatz 2 Nummer 9 und Absatz 3 nicht einzusetzen ist.
(1) Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(2) Ist die nachfragende Person minderjährig und unverheiratet, so ist ihr und ihren Eltern die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs das monatliche Einkommen der nachfragenden Person und ihrer Eltern zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus
- 1.
einem Grundbetrag in Höhe des Zweifachen der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28, - 2.
den Aufwendungen für die Unterkunft, soweit diese den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und - 3.
einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 für einen Elternteil, wenn die Eltern zusammenleben, sowie für die nachfragende Person und für jede Person, die von den Eltern oder der nachfragenden Person überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
(3) Die Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 bestimmt sich nach dem Ort, an dem der Leistungsberechtigte die Leistung erhält. Bei der Leistung in einer Einrichtung sowie bei Unterbringung in einer anderen Familie oder bei den in § 107 genannten anderen Personen bestimmt er sich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten oder, wenn im Falle des Absatzes 2 auch das Einkommen seiner Eltern oder eines Elternteils maßgebend ist, nach deren gewöhnlichem Aufenthalt. Ist ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist Satz 1 anzuwenden.
(1) Die Aufbringung der Mittel kann, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden,
- 1.
soweit von einem anderen Leistungen für einen besonderen Zweck erbracht werden, für den sonst Sozialhilfe zu leisten wäre, - 2.
wenn zur Deckung des Bedarfs nur geringfügige Mittel erforderlich sind.
(2) Bei einer stationären Leistung in einer stationären Einrichtung wird von dem Einkommen, das der Leistungsberechtigte aus einer entgeltlichen Beschäftigung erzielt, die Aufbringung der Mittel in Höhe von einem Achtel der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 zuzüglich 50 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus der Beschäftigung nicht verlangt. § 82 Absatz 3 und 6 ist nicht anzuwenden.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
- 5
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
- 6
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
- 9
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
- 10
-
Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
- 11
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Für das erstinstanzliche Verfahren verbleibt es bei der dortigen Kostenentscheidung. Im Übrigen findet eine Erstattung von Kosten nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten, ob bzw. in welchem Umfang dem Kläger gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Oktober 2010 bis Juli 2011 Leistungen der Eingliederungshilfe (insbesondere) in Form des sog. ambulant betreuten Wohnens (Bewo) zustehen.
3Der am 00.00.1987 geborene Kläger, der durchgehend im Raum C bzw. in L lebte, leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Sein Heranwachsen war begleitet von einem häufigen Wechsel der Bezugspersonen. Bereits im Jugendalter kam es zu delinquentem Verhalten und Drogenmissbrauch (im Wesentlichen in Form von Cannabiskonsum). In den Jahren 2006/2007 unternahm er mehrere Suizidversuche. Das Krankheitsbild ist geprägt einerseits von starken Stimmungsschwankungen sowie impulsivem und provozierendem Verhalten, andererseits von einer gewissen Blockadehaltung dann, wenn von außen versucht wird, den Kläger zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Der Umgang mit Geld bereitet dem Kläger große Probleme; ihm zur freien Verfügung stehende finanzielle Mittel gibt er nach dem Lustprinzip aus, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ein Grad der Behinderung von 50 ist zuerkannt.
4Im Oktober 2007 richtete das Amtsgericht C (5 XVII S 000/07) eine rechtliche Betreuung für den Kläger ein. Diese wird von einem Berufsbetreuer durchgeführt und erstreckt sich auf die Bereiche alle Vermögensangelegenheiten, Postkontrolle, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Gesundheitsfürsorge sowie in deren Rahmen die Aufenthaltsbestimmung". Im Juni 2008 ordnete das Betreuungsgericht zusätzlich einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich Vermögensangelegenheiten an.
5Nach der Trennung seiner von den Philippinen stammenden Mutter von seinem (an einer schweren Alkoholkrankheit leidenden) Vater lebte der Kläger seit seinem siebten Lebensjahr zunächst bei seiner Mutter. Da diese im Schichtdienst arbeitete, war er parallel in wechselnden Pflegefamilien untergebracht. Weder innerhalb noch außerhalb der Herkunftsamilie konnte man dem Kläger jedoch erzieherisch gerecht werden, sodass er zu verwahrlosen drohte. Ab Februar 1996 wurde daher versucht, ihn in eine Kinderhausgruppe zu integrieren, was allerdings misslang. Anschließend erfolgte bis Dezember 1999 eine schrittweise Rückführung in den Haushalt der Mutter. Dort kam es im Laufe der Zeit wieder zu massiven Problemen, was die Unterbringung des Klägers in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung zur Folge hatte. Von April 2001 bis Januar 2004 lebte er in der Außenwohngruppe eines Kinderdorfes in C. Auch dort gestaltete sich das Zusammenleben schwierig; die Verhaltensauffälligkeiten konnten trotz Einsatzes eines zusätzlichen Einzelbetreuers nicht erfolgreich bearbeitet werden. Der Kläger entzog sich häufig dem Einfluss der Einrichtung und suchte den regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter. Anschließend lebte er wechselnd teils bei Freunden, Bekannten oder seiner Mutter, teils aber auch in Notunterkünften oder auf der Straße.
6Seit 1993 besuchte der Kläger verschiedene Grundschulen. 1999 wechselte er an eine Hauptschule in C, die er vor Abschluss des zweiten Halbjahres der Klasse 9 im Sommer 2002 verlassen musste. Ab Herbst 2002 schloss sich der Besuch einer Vorklasse zum Berufsgrundschuljahr an. 2004 oder 2005 holte der Kläger in Eigenregie den Hauptschulabschluss nach. Eine Lehrstelle oder eine feste Arbeit fand er in der Folgezeit nicht, sondern arbeitete in verschiedenen Aushilfsjobs, insbesondere auf dem Bau und im Malerbereich. Im Februar 2010 meldete er sich bei der Tages- und Abendrealschule L an; wegen hoher Fehlzeiten und Unzuverlässigkeit musste er die Schulausbildung im Herbst 2010 abbrechen. Nach Beginn der im vorliegenden Verfahren fraglichen Bewo-Maßnahme meldete sich der Kläger erneut zur Nachholung des Realschulabschlusses bei einer L Abendrealschule an, die er etwa seit Februar 2011 besuchte. Auch dieser Versuch scheiterte jedoch; bereits im Mai 2011 war absehbar, dass er den Abschluss wegen hoher Fehlzeiten nicht schaffen würde.
7Das Jugendamt C gewährte dem Kläger zweimal Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 KJHG i.V.m. § 35a SGB VIII). Der erste Leistungszeitraum begann am 02.01.2007 und umfasste fünf Fachleistungsstunden (FLS) pro Woche. Die Maßnahme brach der Kläger nach etwa sechs Monaten ab. Auf Initiative des zwischenzeitlich für ihn bestellten Betreuers bewilligte die Stadt C erneut Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige in einem Umfang von vier FLS pro Woche, beginnend ab dem 14.12.2007. Diese Leistungen wurden im Oktober 2008 eingestellt, weil der Kläger sich nicht kooperativ verhielt; er pflanzte Cannabis an und trat gegenüber den Bewo-Mitarbeitern aggressiv auf.
8Der Betreuer brachte den Kläger anschließend vorübergehend in einer Privatwohnung unter. Von dort zog der Kläger in eine Wohnung in L, die er sich selber gesucht und zum 01.05.2010 von einem privaten Vermieter angemietet hatte. Die Kosten für diese etwa 36 m² große Einzimmer-Wohnung beliefen sich einschließlich Heiz- und Nebenkostenvorauszahlung auf 280 EUR monatlich. Seinerzeit hatte der Kläger eine Freundin, die allerdings nicht bei ihm wohnte, und zu der er vorwiegend nur an den Wochenenden Kontakt hatte.
9Am 06.10.2010 schloss der Kläger mit der Gesellschafterin G der Beigeladenen, die damals Bewo-Leistungen noch als Einzelperson anbot, einen bis zum 05.10.2011 befristeten "Betreuungsvertrag". Zwischen Frau G und dem Beklagten bestand eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 SGB XII nach Maßgabe des Rahmenvertrages NRW auf der Grundlage von § 79 SGB XII.
10Ziffer 1 des Vertrages enthält unter der Überschrift "Ziel der Betreuung" folgende Regelung:
11"Grundsätzliches Ziel des betreuten Wohnens ist es, jede(n) Betreute(n) bei seiner/ihrer Lebensbewältigung gemäß seiner/ihrer Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern. Die Ausgestaltung der Betreuung erfolgt in beiderseitigem Einvernehmen und soll den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen möglichst weitgehend Rechnung tragen."
12Unter Ziffer 3 des Vertrages (Überschrift: "Grundsätzliche Betreuungsregelungen") findet sich folgender Passus:
13"3.1) die Betreuung erfolgt durch unsere/n Mitarbeiter Fr./Hr. S. Bei Krankheit und Urlaub wird sie/er durch eine/n Kolleginnen des betreuten Wohnens vertreten.
14[ ...]
153.3) Damit die erbrachten Leistungen mit dem Leistungsträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich Fr./Hr. T die von uns erbrachten Leistungen zu quittieren.
163.4) Sofern sich durch wirtschaftliche Prüfung des Sozialhilfeträgers herausstellt, dass aufgrund des von Fr./Hr. T vorhandenen Einkommens und/oder Vermögens eine Finanzierung der Betreuungsleistungen durch den Sozialhilfeträger nur teilweise oder gar nicht übernommen wird, verpflichtet sich Fr./Hr. T hiermit, alle sich aus diesem Vertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen unverzüglich aus eigenen Mitteln an uns zu leisten.
17Sollte dieser Fall vorliegen, so wird Fr./Hr. T ein Sonderkündigungsrecht von 14 Tagen nach Bekanntwerden eingeräumt. Die Kündigung bedarf der Schriftform.
18Die Zahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln gilt auch, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung (z.B. fehlender Quittierung) eine Kostenübernahme durch den Kostenträger versagt wird."
19Darüber hinausgehende Regelungen zur Vergütung bzw. zum Inhalt der Betreuungsleistungen enthält der Vertrag nicht.
20Ab dem 06.10.2010 nahm der Zeuge S, der Sozialarbeiter ist, die Betreuung des Klägers auf. Bis zum 25.07.2011 wurden Betreuungsleistungen von insgesamt 31,33 FLS erbracht. Hinsichtlich des Inhalts dieser Leistungen im Einzelnen wird auf die Verlaufsdokumentation (Blatt 110 f. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Unter Zugrundelegung der Vergütungsvereinbarung der Frau G mit dem Beklagten ergab sich nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Vergütungsforderung i.H.v. 1.894,84 EUR; diese ist nach wie vor nicht beglichen.
21Der vermögenslose Kläger verfügte in der Vergangenheit über Einkünfte durch Halbwaisenrente nach seinem 2005 verstorbenen Vater (unter 120 EUR monatlich), Kindergeld (184 EUR monatlich) und (zeitweise) BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich). Zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts bezog er zusätzlich für gewisse Zeiträume aufstockende Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II.
22Am 01.10.2010 zeigte Frau G dem Beklagten an, dass sie den Kläger ab dem 04.10.2010 betreue. In der Folgezeit übersandte sie als Beleg für die Notwendigkeit von Bewo-Leistungen eine fachärztliche Stellungnahme des den Kläger behandelnden Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. I vom 01.12.2010, bei dem sich der Kläger einmalig in Behandlung befunden hatte, sowie einen Hilfeplan vom 30.10.2010 für den Zeitraum vom 06.10.2010 bis 05.10.2011. In dem Hilfeplan waren 1,75 FLS pro Woche vorgesehen; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Hilfeplan (Blatt 9 bis 14 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten) Bezug genommen.
23Der medizinisch-psychosoziale Dienst (MPD) des Beklagten führte in einer fachlichen Stellungnahme vom 21.02.2011 aus, es sei von einer wesentlichen seelischen Behinderung des Klägers auszugehen. Mit Blick auf den Hilfebedarf bleibe zu prüfen, welche Aufgaben der gesetzliche Betreuer übernehmen könne, und welche Aufgaben nachrangig der Eingliederungshilfe zuzurechnen seien. Zudem sollten die Möglichkeiten einer Anbindung an ein Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ) sowie die Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle geprüft werden.
24Mit (an den Kläger gerichtetem) Bescheid vom 31.03.2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Bewo-Leistungen ab. Nach § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer die erforderlichen Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen bzw. Organisationen erhalten könne. Aus dem Hilfeplan vom 30.10.2010 ergebe sich kein Hilfebedarf, der nicht vorrangig von anderen Leistungsträgern zu decken wäre. So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche rechtliche Betreuung einschließlich eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge umfasse die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten im Zusammenhang mit dem geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer schließlich auch die Aufgabe wahr, den Umgang des Klägers mit seinen finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile. Sinnvoll wäre zudem eine Anbindung an ein SPZ und eine Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle.
25Dagegen wandte der Kläger im Widerspruchsverfahren ein, sein Eingliederungshilfebedarf sei durch die sachverständige Hilfeplankonferenz festgestellt. Die gesetzliche Betreuung diene dem Rechtsverkehr, nicht der Eingliederung. Hilfen des betreuten Wohnens würden auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch eine gesetzliche Betreuung abgedeckt.
26Nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011). Zur Begründung führte er ergänzend aus, der im Hilfeplan genannte Bedarf an Sichtung der Post und deren Bearbeitung, die Begleitung zu Behördenterminen, die Erstellung eines Haushaltsplanes sowie Gespräche über das Konsumverhalten würden bereits durch die rechtliche Betreuung abgedeckt. Einer Aufstellung eines Reinigungsplanes, Anleitung bei der Reinigung der Wohnung sowie Motivation des Klägers zur Reinigung und Überprüfung des Zustandes der Wohnung bedürfe es nicht; aus dem Hilfeplan gehe hervor, dass es der Kläger im Großen und Ganzen allein schaffe, in seiner Wohnung Ordnung zu halten. Zum selbständigen Wohnen sei es nicht nötig, dass sich die Wohnung immer in einem makellosen Zustand befinde, zumal jeder das Ausmaß von Sauberkeit und Ordnung unterschiedlich definiere. Durch Unsauberkeit und Unordnung werde selbständiges Wohnen erst dann gefährdet, wenn die Wohnung zu vermüllen drohe; davon sei im Hilfeplan jedoch nicht die Rede. Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder eine Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon in der Vergangenheit bei der Nachholung des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu bewältigen und selbständig eine Schule zu besuchen. Nach seinen eigenen Angaben scheitere der Schulbesuch auch nicht an mangelnder Motivation, sondern daran, dass ihm von einem Bekannten aufgelauert werde, der ihn verprügeln wolle. Der unregelmäßige Schulbesuch sei demnach nicht auf die (seelische) Behinderung, sondern auf die Bedrohung durch Dritte zurückzuführen.
27Am 13.08.2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Hilfebedarf sei durch die fachärztliche Stellungnahme des Dr. I, den Hilfeplan und ein im Betreuungsverfahren erstelltes Gutachten des Psychiaters Dr. P vom 20.09.2007 erwiesen. Dieser Bedarf sei nicht durch seinen Betreuer zu decken. Der Betreuer könne weder zur Unterstützung bei der Führung des Haushalts noch im Bereich der sozialen Lebensführung herangezogen werden. Dabei sei der Hilfebedarf des Klägers wegen seines Alters und der Art seiner seelischen Behinderung gerade auf diesem Gebiet besonders umfangreich. Hinsichtlich einer therapeutischen Anbindung habe er sich zwar unsicher gezeigt, diese aber mehrfach gewünscht. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es in solchen Fällen, den Betroffenen zu motivieren, sich psychiatrisch behandeln zu lassen, um eine Verbesserung des Erkrankungsbildes und somit eine größere Selbständigkeit bzw. Handlungsfähigkeit zu erlangen. Eine bloße Weiterleitung der Post an den Betreuer sei der Verselbständigung des Klägers nicht dienlich. Motivation und Anleitung zum Aufräumen und Säubern der Wohnung sei selbstverständlich erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass diese in einen desolaten Zustand geriet. Wenn es erkrankungsbedingt Phasen gegeben habe, in denen der Kläger die Schule vernachlässigt habe, so habe dies durch Motivation und Unterstützung aufgefangen werden müssen. Bei seinem Behinderungsbild seien Schwankungen in sämtlichen Lebensbereichen üblich.
28Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
29den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 zu verurteilen, dem Kläger vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten von insgesamt 31,33 FLS im Rahmen des betreuten Wohnens zu gewähren.
30Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Einer Motivation zu einer psychiatrischen Behandlung habe es nicht bedurft, weil der Kläger - was zu respektieren sei - eine solche nicht gewünscht habe. Nach dem Hilfeplan sei er motiviert gewesen, die Realschule zu besuchen. Wenn er sie anschließend nur unregelmäßig besucht habe, so sei daraus zu folgern, dass er seinen Entschluss geändert habe und ihm ein weiterer Schulabschluss offenbar nicht mehr wichtig gewesen sei. Sein Bedarf an Gesprächen über den Umgang mit Geld habe vorrangig durch Gespräche mit seinem rechtlichen Betreuer gedeckt werden können.
33In einem Erörterungstermin vom 29.06.2012 hat das Sozialgericht den für den Kläger im Rahmen des Bewo tätig gewordenen Sozialarbeiter S als Zeugen vernommen und den gesetzlichen Betreuer des Klägers zu dessen damaligen Lebensumständen befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
34Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 03.05.2013 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger für den fraglichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für insgesamt 24,33 FLS im Rahmen des Bewo zu gewähren, und der Beklagten vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Der Kläger leide unstreitig unter einer wesentlichen (seelischen) Behinderung. Seinem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX stehe die eingerichtete rechtliche Betreuung nicht entgegen. Betreuung und Bewo-Leistungen folgten unterschiedlichen Zielsetzungen. Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur) der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§ 1901 BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä. gehörten allerdings nicht zum Aufgabenbereich eines Betreuers. Der neben der rechtlichen Betreuung bestehende und durch sie nicht zu deckende Bedarf des Klägers sei vom Zeugen S anschaulich erläutert worden. Dass dieser Bedarf etwa durch Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können, sei nicht ersichtlich. Die dem Kläger durch den Zeugen zuteil gewordene Unterstützung stelle sich auch inhaltlich überwiegend nicht als rechtliche Betreuung, sondern als Bewo-Leistung dar. Allerdings gehöre zum Aufgabenbereich des Betreuers angesichts seiner Befugnis zum Empfang der Post deren Bearbeitung mit dem Kläger; die hierauf vom Zeugen verwandte Zeit habe der Beklagte nicht zu vergüten. Dabei sei es - abweichend von den Angaben des Zeugen im Termin am 29.06.2012 - sachgerecht, den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung von Post mit wöchentlich zehn Minuten anzusetzen. In dem streitigen Zeitraum von rund 42 Wochen seien damit insgesamt sieben von 31,33 erbrachten FLS nicht vom Beklagten zu vergüten.
35Gegen das ihm am 28.05.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass der Bedarf vorrangig durch eine Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können. Auch wenn der Kläger im Hilfeplan das Ziel benannt habe, sich wieder in eine regelmäßige psychiatrische Behandlung begeben zu wollen, rechtfertige dies keinesfalls den Ansatz von (wöchentlich) 25 Betreuungsminuten. Im Übrigen habe die Vernehmung des Zeugen S ergeben, dass es lediglich zu zwei Besuchen bei einem Psychiater gekommen sei. Dem könne entnommen werden, dass der Kläger letztlich keine psychiatrische Behandlung habe durchführen wollen. Selbst wenn er diese doch gewünscht hätte, wäre hierfür eine Anbindung an ein SPZ ausgereichend gewesen; von dort hätte dann auch Hilfestellung bei der Suche nach einem geeigneten Psychiater geleistet werden können.
36Der Beklagte beantragt,
37das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
40Die Anbindung an ein SPZ oder an eine Drogenberatungsstelle wäre im streitigen Zeitraum nicht förderlich gewesen. Neben dem Chaos in seiner Wohnung habe es auch Probleme mit dem Vermieter gegeben, der ihn aus der Wohnung habe weisen wollen.
41Die mit Beschluss des Senats vom 10.07.2014 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene äußert sich inhaltlich nicht zum Verfahren und stellt auch keinen Antrag.
42Der Senat hat Befundberichte bei dem den Kläger behandelnden Allgemeinmediziner I1 sowie bei Dr. I eingeholt. Herr I1 hat im Wesentlichen mitgeteilt, ihm sei eine langjährige psychische Instabilität des Klägers bekannt; er habe ihn jedoch ausschließlich wegen somatischer Beschwerden behandelt. Dr. I hat ausgeführt, bei einer "Borderline-Persönlichkeitsstörung" sei von einer lang anhaltenden Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auszugehen. Den Cannabiskonsum des Klägers schätze er eher als sekundär ein. Eine alleinige Anbindung an eine Drogenberatungsstelle wäre nicht ausreichend gewesen. Das Bewo sei gerade für junge Patienten eine sehr wirksame und sinnvolle Hilfe. Eine Empfehlung zum zeitlichen Umfang von Bewo-Maßnahmen hat Dr. I nicht abgegeben.
43Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Verwaltungsvorgänge der Stadt C, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts C - 5 XVII S 000/07 [= Amtsgericht L - 53 XVII Sch 000]), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
44Entscheidungsgründe:
45I. Führt einzig der Beklagte Berufung, ist Gegenstand der zweitinstanzlichen Prüfung allein, ob ihn das Sozialgericht zu Recht verurteilt hat, Kosten für 24,33 FLS im Bewo des Klägers zu tragen. Ob der Kläger für den betroffenen Zeitraum vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 - entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag - darüber hinaus einen für sieben weitere FLS höheren Anspruch gehabt hat, hat der Senat mangels klägerseitiger Berufung nicht zu beurteilen.
46II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn die Klage ist zulässig (dazu 1.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht ausgesprochenen Umfang begründet (dazu 2.).
471. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 (§ 95 SGG) ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; 56 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Forderung der Beigeladenen für die von ihr erbrachten FLS ist nach wie vor nicht beglichen. Ausgehend vom sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Sozialhilfeträger (vgl. dazu näher etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 12) geht es deshalb nicht um eine Kostenerstattung an den Kläger (im Sinne einer Geldleistung des Sozialhilfeträgers an den Leistungsempfänger), sondern um einen Schuldbeitritt des Beklagten (Sozialhilfeträger) zu einer Zahlungsverpflichtung, welche der Kläger (Leistungsempfänger) gegenüber der Beigeladenen (Leistungserbringer) hat.
48In diesem Dreiecksverhältnis war die Beigeladene nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG notwendig beizuladen (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 54, 193 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 13). Andere natürliche oder juristische Personen waren nicht zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Insbesondere kam eine Beiladung des Trägers der Jugendhilfe nicht in Betracht. Zwar kann der Jugendhilfeträger nach den §§ 41, 35a SGB VIII ebenso wie der Beklagte zur Eingliederungshilfe und somit auch zu Leistungen des Bewo verpflichtet sein; seine sachliche Zuständigkeit endet jedoch grundsätzlich mit der Vollendung des 21. Lebensjahres der leistungsberechtigten Person (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Der Kläger war zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 jedoch bereits 23 Jahre alt.
492. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) begründet. Die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Der Kläger ist damit beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Er hat (zumindest) im Umfang von 24,33 FLS Anspruch auf Leistungen des Bewo (dazu d); dies führt zur vollständigen Zurückweisung der Berufung des Beklagten.
50a) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
51Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII, § 2 Abs. 1 lit. a AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AV-SGB XII. Danach ist für alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII für behinderte Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern, der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Neben den Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII umfasst die Zuständigkeit insbesondere auch die Hilfen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 SGB IX und andere im Einzelfall notwendige Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII, ohne die ein selbstständiges Wohnen nicht erreicht oder gesichert werden kann; die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers erstreckt sich in diesen Fällen auch auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
52Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII (vgl. dazu Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 51 und 56). Der Kläger hat sich zeitlebens in C bzw. L und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten (vgl. dazu § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom 07.09.2005) tatsächlich aufgehalten.
53b) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116a Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beteiligt worden.
54c) Der Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich "dem Grunde nach" (im Wesentlichen) aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX; z.T. möglicherweise (was der Senat offen lassen kann; dazu d) zudem aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV.
55aa) Ein Leistungsanspruch scheidet nicht schon deshalb aus, weil bereits keine Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen bestünde, welcher der Beklagte beitreten könnte.
56Innerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses bedarf es für die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum Schuldbeitritt (welche vorliegend allein im Streit steht; s.o. II.1.) allerdings notwendigerweise des Bestehens einer Schuld im sog. Erfüllungsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem (Kläger) und Leistungserbringer (Beigeladene); ein Schuldbeitritt ist ohne das Bestehen einer Schuld nicht denkbar (vgl. dazu Eicher in SGb 2013, 127 ff., 128; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 34, 193 m.w.N.). Eine solche Schuld des Klägers begründet der von ihm mit der Beigeladenen geschlossene Betreuungsvertrag vom 06.10.2010. Aus ihm geht hinreichend deutlich eine (zivil-) rechtliche Zahlungsverpflichtung des Klägers im Erfüllungsverhältnis hervor.
57Zwar enthält dieser Vertrag keine eindeutig formulierte Regelung zu einer vorrangingen Vergütungspflicht des Klägers für die von der Beigeladenen zu erbringenden Bewo-Leistungen. In Ziff. 3.3) scheinen die Vertragsparteien mit dem Abstellen auf eine Abrechnung mit dem Leistungsträger vielmehr von einer regelhaften Vergütungszahlung durch den Beklagten auszugehen. Dass dem Vertrag gleichwohl die Vorstellung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung der Vergütung zugrunde liegt, ergibt sich aus Ziff. 3.4). Denn die dort vereinbarte Zahlungspflicht des Klägers für den Fall, dass (abweichend vom ersichtlich angenommenen Regelfall) wegen einsatzpflichtigen Einkommens oder Vermögens des Klägers eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ganz oder teilweise nicht bestehen sollte, erscheint nur sinnvoll, wenn sie von einer grundsätzlichen (zivilrechtlichen) Einstandspflicht des Klägers für die Vergütung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen ausgeht. Letztlich stimmt diese dem Vertrag zugrundeliegende Vorstellung der Vertragsparteien überein mit der rechtsdogmatischen Erfassung der Leistungsbeziehungen zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und (ggf.) Sozialhilfeträger durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis. Ob sich diese Lesart derartiger Verträge - bei vom vorliegenden Fall abweichender Vertragsgestaltung - auch aus einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung zivilrechtlicher Vereinbarungen zwischen Hilfeempfängern und Leistungserbringern durch die Normverträge nach § 75 SGB XII (vgl. dazu Eicher a.a.O., sowie Eicher/Jaritz a.a.O. Rn. 34) herleiten lässt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.
58bb) Auch an den wirtschaftlichen Voraussetzungen scheitert ein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen für Bewo nicht. Von Belang sind allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen des Klägers selbst; denn er war im streitigen Zeitraum bereits volljährig und lebte allein in der von ihm angemieteten Wohnung (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Die Kontakte zu seiner damaligen Freundin beschränkten sich auf Wochenendbesuche. Greifbare Anhaltspunkte liegen weder für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft noch einer Einstandsgemeinschaft mit seiner Mutter vor.
59Über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2010 bis Juli 2011 nicht. Stimmen die Beteiligten hierin ohnehin überein, so ergibt sich dies auch aus den aktenkundigen Angaben des Betreuers, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, und die angesichts der Lebensumstände des Klägers nachvollziehbar und glaubhaft sind. Dessen Einkünfte aus Halbwaisenrente (unter 120 EUR monatlich), zeitweisen BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich) und Kindergeld (184 EUR monatlich) erreichten auch in der Summe keinen Betrag, der es dem Kläger ermöglicht hätte, sein Existenzminimum sicherzustellen, geschweige denn, sich (nach Maßgabe von §§ 82 ff. SGB XII) an den Kosten für die streitbefangenen Leistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zu beteiligen.
60cc) Die persönlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe - ohne dass insoweit ein Ermessen des Leistungsträgers bestünde - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 3 EinglHV sind seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit in diesem Sinne zur Folge haben können, u.a. Suchtkrankheiten (Nr. 3) und Persönlichkeitsstörungen (Nr. 4).
61Der Kläger weist eine wesentliche (seelische) Behinderung i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf. Denn er leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und erfüllt damit zumindest die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 EinglHV. Ob eine Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung des Einzelfalles, ausgerichtet an den Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabemöglichkeiten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.). Insbesondere aus einem Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009 und der fachlichen Stellungnahme des MPD des Beklagten vom 21.11.2011 lässt sich entnehmen, dass es dem Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung nachhaltig u.a. an Planungsfähigkeit sowie Durchhaltevermögen mangelte, und dass er sich bei gleichzeitiger Externalisierung von Verantwortlichkeit häufig selbst überschätzte. Dies beeinträchtigte nicht allein massiv seine soziale Eingliederung im Allgemeinen, sondern auch seine Fähigkeit, sich eigenständig im häuslichen Bereich zurechtzufinden. Seine erheblichen Schwierigkeiten, sich in ein geeignetes Wohnumfeld zu integrieren oder integrieren zu lassen, ziehen sich im Grunde seit seiner Kindheit durch seinen gesamten Lebenslauf. Die wesentliche Behinderung des Klägers ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
62dd) Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sind ebenfalls erfüllt.
63(1) Das Gesetz selbst benennt insoweit kaum konkretere Vorgaben. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII - der im Vergleich zu der bis zum 30.06.2011 geltenden Vorläuferregelung (§ 19 EinglHV) zwar eine eindeutige Rechtsgrundlage für Hilfen zur Verselbständigung in betreuten Wohnmöglichkeiten liefern soll (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 111), ohne dass jedoch diese gesetzgeberische Absicht die Auslegung der Vorschrift weiter befördern kann - benennt die "Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" als Beispiel für die ansonsten ihrer Art nach offenen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Der Begriff der (ambulant) betreuten Wohnmöglichkeiten findet sich sonst nur in der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII. Auch an dieser Stelle gibt das Gesetz jedoch nichts zur Präzisierung des Begriffs her (vgl. dazu auch ausführlich Dannat/Dillmann, br 2012, 1 ff., 2). Sicher erscheint allerdings, dass der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten in § 98 Abs. 5 SGB XII einerseits und in § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX andererseits inhaltlich identisch ist (vgl. BT.-Drs. 15/1514 S. 67 zu § 98 Abs. 5 SGB XII). Dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII "zu selbstbestimmtem" und "Wohnmöglichkeiten" lässt sich deshalb lediglich als Anhaltspunkt im Sinne einer Mindestvoraussetzung entnehmen, dass Leistungen des Bewo stets wohnungsbezogen sein und sich final ("zu") darauf richten müssen, ein selbstbestimmtes Leben in einer solchen Wohnmöglichkeit zu führen (vgl. dazu auch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Aus § 55 Abs. 1 SGB IX ergibt sich ferner, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Allgemeinen nicht in Betracht kommen, sofern sie bereits nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel SGB IX zu erbringen sind; ebenso wie nach § 2 SGB XII sind insofern bei der Frage, was Leistungen für betreuten Wohnmöglichkeiten sind, Subsidiaritätsgesichtspunkte zu beachten.
64(2) Die bisher - im Wesentlichen zu § 98 Abs. 5 SGB XII - vorliegende Rechtsprechung (insbesondere des BSG; vgl. Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f., bestätigt durch Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 16/11 R Rn. 17) gibt zwar Anhaltspunkte für eine inhaltliche Konkretisierung des Bewo; unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Anspruch auf Bewo-Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe besteht, legt sie jedoch nicht umfassend dar:
65(a) Das Urteil des BSG vom 25.08.2011 (a.a.O. Rn. 15, unter Hinweis auf LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 sowie OVG Bremen, Beschluss vom 26.06.2006 - S 3 B 188/06) führt zum Begriff des Bewo im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (lediglich) konkretisierend aus, es komme nicht darauf an, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt werde. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten werde im Gesetz nicht näher definiert, habe sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu orientieren. Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen habe deshalb in erster Linie anhand des Hilfezwecks zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim Bewo sei aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach dürfe es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln; Hauptzielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Die von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erfassten Leistungen seien ihrer Art nach äußerst vielfältig und erfassten unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder in Wohngemeinschaften. Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten auf solche Wohnformen zu begrenzen, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft seien, wäre mit dem Regelungszweck des § 55 SGB IX unvereinbar.
66(b) Nach dem Urteil des LSG NRW vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 (Rn. 31 bis 33 m.w.N.) steht der Gewährung von Bewo-Leistungen nicht entgegen, wenn der Leistungsberechtigte die Wohnung, in der bzw. für die die Betreuungsleistungen erbracht werden sollen, selber anmietet, ohne dass dies mit der Betreuungsleistung verknüpft ist. Beim Bewo sei weniger auf die Wohnform abzustellen als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen. Allerdings handele es sich nur dann um Bewo, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei dürfe es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; diese müssten vielmehr regelmäßig erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, welche auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein müsse. Die möglichen Hilfeleistungen umfassten insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurechtzufinden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interessen zu artikulieren und adäquat zu vertreten. Auch eine Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen könne der Hilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolge, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen könne.
67(c) Der Senat schließt sich den vorgenannten Entscheidungen dahingehend an, dass Bewo-Leistungen nicht nur dann erbracht werden können, wenn eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen vorliegt (eine ältere gegenteilige Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.06.2007 - L 13 SO 5/07 ER, des SG Oldenburg, Beschluss vom 19.12.2005 - S 2 SO 256/06 ER sowie des SG Stade, Urteile vom 21.12.2009 - S 33 SO 16/07 und S 33 SO 18/07 dürfte sich durch das Urteil des BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f. überholt haben). Allerdings müssen die fraglichen Leistungen final auf die Selbstständigkeit "beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein sowie eine gewisse Kontinuität aufweisen. Insofern besteht auch keine Differenz zur zu dieser Frage vorliegenden Literatur (vgl. z.B. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 52 bis 54, oder Dannat/Dillmann, br 2012, S. 1 ff.). Ob die Leistungen (mit dem LSG NRW a.a.O.) allein von fachlich geschultem Personal erbracht werden können und in ein Gesamtkonzept eingebunden sein müssen, oder ob hiervon je nach den Notwendigkeiten des Einzelfalls Ausnahmen möglich sind, kann der Senat im vorliegenden Zusammenhang offen lassen; denn der für die Beigeladene tätig gewordene Zeuge S besaß als Sozialarbeiter eine einschlägige fachliche Qualifikation; außerdem bestand ausweislich des Hilfeplans vom 30.12.2010 ein mit dem Betreuer des Klägers abgestimmtes Gesamtkonzept zu dessen Unterstützung.
68Davon ausgehend steht dem Leistungsanspruch des Klägers nicht entgegen, dass er im fraglichen Zeitraum in einer selbst angemieteten Wohnung gewohnt hat und die Leistungen vom Zeugen S unabhängig von der Anmietung der Wohnung erbracht wurden. Ferner waren die Leistungen auf gewisse Dauer, also auf Kontinuität angelegt und auch - zumindest teilweise unstreitig - auf das Ziel eines selbständigen Wohnens des Klägers bezogen. Eine solche Finalität der Leistungen lässt sich jedenfalls Ziffer 1 des Betreuungsvertrages vom 06.11.2010 entnehmen.
69(3) Fehlen konkretere gesetzliche Vorgaben für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewo-Leistungen im Einzelnen, so hat sich dessen weitere Prüfung am individuellen, personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe und damit an den sich daraus ergebenden konkreten Anforderungen zu orientieren. Diese hat das BSG (insbesondere in den Urteilen vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R) anknüpfend an die Vorschriften der §§ 9 Abs. 2, 53 Abs. 3 S. 2 und Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 4 Abs. 1 und 55 Abs. 1 SGB IX entwickelt (vgl. dazu ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 50 ff.). Zwar sind diese Entscheidungen zur KFZ-Hilfe (im Rahmen von § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV) ergangen; gleichwohl legen sie ausdrücklich Prüfungsschritte für jegliche Maßnahme der Eingliederungshilfe dar (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 14; im Übrigen hat das BSG selbst auf sein Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 Rn.14 Bezug genommen, in dem es jedoch um eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ging).
70Ausgehend von einem individuellen und personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe ist im Rahmen einer Prognose zu fragen, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Maßnahme verfolgt werden - dazu (a) -, ob die Maßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (b) - und ob sie erforderlich ist - dazu (c) - (vgl. dazu bereits ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 54 ff.).
71(a) Die für den Kläger vorgesehenen Maßnahmen waren ausweislich des Hilfeplanes vom 30.12.2010 und nach Ziff. 1 des Betreuungsvertrages vom 06.10.2010 - jedenfalls im Wesentlichen - auf das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung in einem eigenen Haushalt gerichtet. Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Vergleichsgruppe nicht behinderter, nicht sozialhilfebedürftiger Personen gleichen Alters (vgl. dazu näher Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 53 und 57 m.w.N.) ist dies (auch unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2 SGB XII) ein angemessenes Eingliederungshilfeziel. Denn nicht behinderte und nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesene 23-jährige Erwachsene führen, sofern sie nicht mehr im Elternhaus leben, üblicherweise ein selbständiges Leben in einem eigenen Haushalt. Die Altersgrenze von 25 Jahren in § 22 Abs. 5 SGB II steht dem nicht entgegen; denn bei den dort erfassten jungen Leistungsberechtigten nach dem SGB II geht es nicht um die hier maßgebende Vergleichsgruppe. Ohnehin war für den Kläger angesichts seiner problematischen Beziehung zur Mutter und die in der Vergangenheit gescheiterten Unterbringungen in anderen betreuten Wohnformen im hier fraglichen Zeitraum keine geeignete Unterkunftsalternative erkennbar (vgl. dazu auch § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II).
72(b) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen waren (zumindest im Wesentlichen; zu einzelnen Teilmaßnahmen siehe noch unten d) auch geeignet, das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des Klägers in einem eigenen Haushalt zu erreichen.
73Bestand zwischen Frau G und dem Beklagten ein Vertrag nach § 75 SGB XII, so ist davon auszugehen, dass die Leistungen qualitativ diesem Vertrag bzw. der Anlage I zum Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII entsprachen. Abweichungen sind denn auch weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich.
74Die Geeignetheit der von dem Kläger in Anspruch genommenen Leistungen kann jedenfalls bei der notwendigen prognostischen Ex-ante-Sicht nicht etwas deshalb verneint werden, weil von vornherein absehbar gewesen wäre, dass sie aufgrund der konkreten Umstände des Falles (insbesondere des Krankheitsbildes des Klägers) keine Aussicht auf Erfolg haben konnten. Zwar waren in der Vergangenheit zwei (z.T. sehr intensive) Bemühungen des Trägers der Jugendhilfe zur Eingliederung des Klägers in eine Bewo-Maßnahme erfolglos. Zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 lag die letzte dieser beiden Maßnahme jedoch bereits etwa zwei Jahre zurück; angesichts des damaligen Alters des Klägers war ein zwischenzeitlicher Entwicklungsfortschritt durch Nachreifung nicht ausgeschlossen. Sowohl der Hilfeplan vom 30.12.2010 als auch die fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. I vom 01.12.2010 sowie dessen Befundbericht vom 16.05.2014 befürworteten denn auch eine erneute Bewo-Maßnahme. Im Übrigen wurde in der fachlichen Stellungnahme des MPD vom 21.02.2011 nicht die Sinnhaftigkeit einer Bewo-Maßnahme bezweifelt, sondern nur die Frage aufgeworfen, ob andere Maßnahmen vorrangig sein könnten. Schließlich sprechen für eine prognostische Eignung der Maßnahme aus Ex-ante-Sicht auch die Ausführungen des Zeugen S bei seiner Vernehmung am 29.06.2012 sowie die von dem Zeugen gefertigte Verlaufsdokumentation, die hinsichtlich des genannten Eingliederungsziels positive Ansätze und Fortschritte des Klägers (etwa im Umgang mit Geld) erkennen lassen. Selbst wenn solche Fortschritte nicht erkennbar oder absehbar gewesen wären, würde dies jedoch die Eignung der Bewo-Maßnahme nicht grundsätzlich in Frage stellen. Der Senat hält es mit Blick auf § 53 Abs. 3 SGB XII vielmehr schon für ausreichend, wenn in diesem Fall die Maßnahme geeignet gewesen wäre, dem Kläger das Leben in einer eigenen Häuslichkeit im Sinne einer Zustandserhaltung zu ermöglichen (vgl. insoweit zu einer "zustandserhaltenden Beheimatung" im Rahmen stationärer Eingliederungshilfe das Urteil des erkennenden Senats vom 07.04.2008 - L 20 SO 53/06 Rn. 56 f.).
75(c) Die streitgegenständliche Bewo-Maßnahme war zudem (grundsätzlich) erforderlich.
76Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn das angestrebte Eingliederungsziel nicht auch durch andere (gleich geeignete und zumutbare) Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 17 f.; Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 63 ff.). Dies betrifft die in § 55 Abs. 1 SGB IX und § 2 SGB XII zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Eingliederungshilfe. Zur Beurteilung des Vorrang-/Nachrangverhältnisses der hier fraglichen Leistungen im Vergleich zu möglichen Alternativmaßnahmen ist jeweils danach zu differenzieren, auf welches Ziel denkbare Alternativen gerichtet sind, und ob sie mit Blick auf die Bewo-Maßnahme gleich, gleichartig, ihr entsprechend oder deckungsgleich sind (vgl. dazu Lachwitz in HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 55 Rn. 8 ff., 12; Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 22 ff., 23).
77(aa) Insofern besteht vorliegend kein Vorrang von Leistungen nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel des SGB IX (wie ihn § 55 Abs. 1 SGB IX anordnet). Denn derartige Leistungen - d.h. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Fünftes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 33) sowie die unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen (Sechstes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 44) - sind im Falle des Klägers schon begrifflich nicht einschlägig.
78Zwar ist im Vierten Kapitel des SGB IX (etwa unter § 26 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 SGB IX) die psychotherapeutische Behandlung - ggf. einschließlich der von dem Beklagten als vorrangig angesehenen Anbindung an ein SPZ - angesprochen. Ein Vorrang solcher Maßnahmen vor denen des Bewo besteht jedenfalls im vorliegenden Fall gleichwohl nicht. Denn letztlich geht es bei diesen Maßnahmen nach dem Vierten Kapitel des SGB IX um therapeutische Einwirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand im Sinne des SGB V; diese sind aber damit nicht (jedenfalls nicht primär) auf die Ermöglichung selbstbestimmten Wohnens gerichtet (vgl. dazu insb. § 1 Abs. 1 S. 1 und § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V). Solche Maßnahmen und das im Falle des Klägers fragliche Bewo fallen vielmehr schon von ihrer Zielrichtung her auseinander. Auch wenn eine etwaige Therapiemaßnahme durch eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustandes zugleich die Fähigkeit des Klägers steigern mag, sein Leben im eigenen Haushalt zu bewältigen, führt dies als bloße (mögliche) Nebenfolge der Therapiemaßnahme jedenfalls im vorliegenden Einzelfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Kläger war gegenüber regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlungen skeptisch; krankheitsbedingt war er ersichtlich nicht in der Lage, für sich den Sinn ambulanter Hilfs- bzw. Therapieangebote zu erkennen (sei es in Form einer ambulanten Psychotherapie, sei es durch eine Anbindung an ein SPZ), geschweige denn solche Angebote in Anspruch zu nehmen. Ein Gegenstand der hier streitigen Bewo-Leistung sollte es denn auch gerade sein, ihn an eine psychotherapeutische Behandlung bzw. sonstige ambulante Therapiemaßnahmen heranzuführen. Die genannten Alternativmaßnahmen bildeten deshalb - jedenfalls im hier fraglichen Zeitraum - keine naheliegende und damit vorrangige Gestaltungsmöglichkeit. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine psychotherapeutische Behandlung keine gegenüber dem Bewo vorrangige Maßnahme sein kann, wenn der Betroffene - wie der Kläger - nicht bereit oder in der Lage ist, sich einer solchen Therapie zu unterziehen.
79(bb) Für eine vom Beklagten bzw. seinem MPD ins Feld geführte Anbindung des Klägers an eine Drogenberatungsstelle gilt im Ergebnis nichts anderes. Eine Drogenberatung ist auf den Umgang von suchtkranken bzw. suchtgefährdeten Personen oder ihrer Angehörigen mit einer (drohenden) Sucht und ggf. die Initiierung entsprechender Therapiemaßnahmen gerichtet (vgl. hierzu etwa das Angebot der Caritas unter http://www.caritas.de/ onlineberatung/sucht), jedoch nicht (primär) auf die Herbeiführung oder Stärkung der Fähigkeit, sich in einer eigenen Häuslichkeit zurecht zu finden. Hinzu kommt, dass beim Kläger weder nach dem Hilfeplan noch nach den Aufzeichnungen und den Äußerungen des Zeugen S noch nach dem Befundbericht des Dr. I vom 16.05.2014 eine Suchtproblematik im Vordergrund stand; deshalb ist ohnehin zweifelhaft, ob in der damaligen Situation des Klägers für eine Drogenberatung überhaupt ein Bedürfnis bestand.
80(cc) Auch eine denkbare Inanspruchnahme von Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP) als Unterfall der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) kam -unbeschadet der Ausführungen unter (aa) - nicht als vorrangige Leistung in Betracht. Denn Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden nur als (Krankenhaus-)Vermeidungs- bzw. Behandlungssicherungspflege gewährt (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB V). Beim Kläger bestand jedoch ersichtlich weder Bedarf noch Bereitschaft für eine Krankenhausbehandlung oder für eine fachpsychiatrische Behandlung, deren Erfolg durch eine APP hätte gesichert werden können. Ob auch das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung - die im Übrigen auch nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann (vgl. dazu nur § 4 Abs. 2 der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V einschließlich Anlage unter 27a) - einen Vorrang von Leistungen der APP verhindern kann, muss der Senat deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden.
81(dd) Schließlich besteht mit Blick auf den Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen gegenüber Leistungen des Bewo. Stellt § 2 SGB XII ohnehin keine eigenständige Ausschlussnorm dar (vgl. dazu etwa Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 2 Rn. 8 ff. m.w.N.), sind Aufgaben und Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB einerseits und der Leistungen des Bewo anderseits grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen ihrer Art nach ineinander übergehen und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich jedoch komplementäre, aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende Leistungsbereiche.
82Denn die (gesetzliche) Betreuung umfasst gemäß § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die "erforderlich" sind, um die Angelegenheiten des Betreuten (nach weiterer Maßgabe der betreuungsrechtlichen Vorschriften des BGB) "rechtlich" zu besorgen. Dabei erzeugt die Voraussetzung der Erforderlichkeit einerseits und die Beschränkung der Betreuung auf allein rechtliche Besorgung von Angelegenheiten andererseits ein Spannungsverhältnis, für dessen Auflösung insbesondere die historische Gesetzesentwicklung zu beachten ist. Ausufernden Kosten für Betreuertätigkeiten sollte durch Beschränkung der Betreuung auf das rechtlich Notwendige und durch Abgrenzung von einer bloßen "sozialen Zuwendung" begegnet werden (vgl. BT-Drs. 13/7158 S. 33 f.). Im Grundsatz ist deshalb ein Betreuer - unabhängig vom Umfang seines Aufgabenkreises - nur für die Organisation erforderlicher tatsächlicher Maßnahmen verantwortlich; die tatsächlichen Hilfestellungen selbst muss er hingegen nicht erbringen (vgl. dazu z.B. Kieß in Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, § 1901 BGB Rn. 13 ff.). Andererseits kann er sich nicht auf eine bloß verwaltungsmäßige Führung der Betreuung zurückziehen; ein gewisses Maß an vertrauensbildenden bzw. -erhaltenden Maßnahmen und persönlicher Zuwendung ist vielmehr weiterhin Bestandteil jeder Betreuung, allerdings nur, soweit sie für die sachgerechte Durchführung der rechtlichen Betreuung geeignet und notwendig sind (Kieß a.a.O., Rn. 20 bis 28; BT-Drs. a.a.O.). Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Bezug zu der ihm übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind - den Gesetzesmaterialien folgend - als Ausdruck menschlicher Zuwendung zwar wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen; sie gehören gleichwohl nicht zu den dem Betreuer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. a.a.O.).
83Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die rechtliche Betreuung gerade von sozialhilfeweiser Eingliederungshilfe abgegrenzt (BGH, Urteil vom 02.12.2010 - III ZR 19/10 Rn. 19 m.w.N.). Nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB dürfe ein Betreuer nicht für Angelegenheiten bestellt werden, die durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werde, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Die Betreuung erstrecke sich vielmehr nur auf Tätigkeiten, die erforderlich seien, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen (§ 1901 Abs. 1 BGB). Hiervon seien solche Tätigkeiten nicht umfasst, die sich in der tatsächlichen Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpften, ohne zu dessen Rechtsfürsorge erforderlich zu sein. Der Betreuer habe solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren, nicht jedoch selbst zu leisten. Tätigkeiten außerhalb der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten gehörten insbesondere dann nicht zu seinem Aufgabenbereich, wenn deren Vergütung durch andere Kostenträger - etwa die der Sozialhilfe - geregelt sei. Davon ausgehend falle etwa die (tatsächliche) Verwaltung des sozialhilferechtlichen Barbetrages in einer stationären Einrichtung dem Heimpersonal als Leistung der Eingliederungshilfe zu. Die Subsidiarität der Sozialhilfe stehe der Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Verwaltung des Barbetrags nicht entgegen. Denn zwar werde Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII nur nachrangig gegenüber den Leistungen Dritter gewährt; dies wirke sich jedoch nicht aus, weil eine für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge eingerichtete Betreuung den Betreuer nicht zur tatsächlichen Verwaltung der Barbeträge verpflichte und daher entsprechende Leistungen der Sozialhilfe nicht erübrige.
84Der Senat macht sich diese vom Bundesgerichtshof erkannte Abgrenzung zu Eigen; wegen der die Erforderlichkeit einer Betreuung begrenzenden Regelung in § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB steht auch bei Überschneidungen der Aufgabenbereiche von Betreuung und Eingliederungshilfe der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII (hier insbesondere nach dessen Abs. 2) der Gewährung von Eingliederungshilfe trotz eingerichteter Betreuung nicht entgegen. Vielmehr ist - im Gegenteil - die Betreuerleistung nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ihrerseits subsidiär gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe. Wie zu verfahren wäre, wenn im Einzelfall trotz Naheliegen einer Betreuung (noch) keine gesetzliche Betreuung eingerichtet ist, hat der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.
85Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung zwischen dem Bewo zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei anderen, ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen, die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen Aktivitäten in den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt wurden und in die Abrechnung der Beigeladenen eingeflossen sind (dazu sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht ausschließlich Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht sämtliche erbrachten Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.
86d) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen fallen in einem zeitlichen Umfang von zumindest 24,33 FLS (also jedenfalls in einem Umfang, für den das Sozialgericht den Beklagten zur Kostenübernahme verpflichtet hat) als Maßnahmen der Eingliederungshilfe in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (und nicht in den des gesetzlichen Betreuers).
87Der Senat legt insoweit im Wesentlichen die Informationen zu Grunde, die sich aus der vom Zeugen S erstellten (erst im Berufungsverfahren beigezogenen) Betreuungsdokumentation ergeben. Die dortigen Einzelvermerke geben sowohl zum Inhalt als auch zur Dauer der jeweiligen Betreuungsleistungen erheblich differenzierter Aufschluss als die Angaben des Zeugen vor dem Sozialgericht am 29.06.2012. Hat der Zeuge die einzelnen Dokumentationsbeiträge (offenbar) zeitnah zur jeweiligen Betreuungsleistung gefertigt, so erscheinen sie wesentlich verlässlicher als seine protokollierten mündlichen Angaben während seiner Vernehmung, welche erst etwa 15 Monate nach Auslaufen der Leistungen nur auf dem Gedächtnis des Zeugen beruhten.
88Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen zur Abgrenzung von der gesetzlichen Betreuung stellen sämtliche Leistungen des Zeugen S, die sich auf das Erstellen von Haushaltsplänen, auf Gespräche über Einkaufs- und Konsumverhalten, auf Schulung im Umgang mit Geld usw. beziehen, ohne Weiteres Bewo-Leistungen dar. Denn ohne Kenntnisse und Fertigkeiten in der Haushaltsführung ist ein selbständiges und eigenverantwortliches Wohnen nicht denkbar. Zugleich besteht keinerlei Zusammenhang mit einer allein rechtlichen Hilfestellung.
89Auch die Anbahnung ärztlicher oder therapeutischer Behandlungen bzw. Versuche, den Kläger zu solchen Behandlungen zu motivieren, sieht der Senat jedenfalls dann als Leistungen des Bewo an, wenn sie sich - wie im Einzelfall des Klägers - in einem überschaubaren Rahmen halten und die Behandlung bzw. Therapie auf eine Stabilisierung im häuslichen Umfeld gerichtet ist. Von Letzterem ist bei psychotherapeutischen Behandlungen für das Krankheitsbild des Klägers auszugehen (ob in einem - vorliegend nicht einschlägigen - Ausnahmefall des § 37a SGB V anderes gälte, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden). Abzugrenzen ist insoweit von den rein rechtlichen Entscheidungen etwa über eine konkrete Therapieaufnahme, eine Auswahl des Therapeuten bzw. Arztes, die Abgabe von Einverständniserklärungen u.ä. Derartige rechtliche Hilfestellungen fielen im vorliegenden Fall jedoch nicht an; denn die Bemühungen des Zeugen S mündeten nicht in der konkreten Aufnahme einer (insbesondere psychotherapeutischen) Behandlung.
90Auch die Begleitung zu Ämtern und Behörden rechnet der Senat zu den Bewo-Leistungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Begleitung (hier etwa das Aufsuchen des Jobcenters) dazu dient, das Nötige zu tun, um den notwendigen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der Unterkunft sicherzustellen. Nur sofern in diesem Rahmen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben sind, fällt dies in die Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S insoweit seinen Aufgabenbereich überschritten hätte, bestehen nicht; denn der Betreuer des Klägers hat im Erörterungstermin am 29.06.2012 nachvollziehbar angegeben, in der Regel habe er Termine bei Ämtern und Behörden wahrgenommen, bei denen der Zeuge manchmal mit dabei gewesen sei.
91In entsprechender Weise sind die Aufgabenkreise auch hinsichtlich der Bearbeitung von Post abzugrenzen. Anders als das Sozialgericht sieht der Senat insoweit keine umfassende Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers, selbst wenn sich dessen Bestellung (auch) auf die Postkontrolle erstreckt. Denn rein lebenspraktische Vorgänge wie das Sichten, inhaltliche Erfassen und Vorsortieren der Post sowie das Trennen von tatsächlich Wichtigem und Unwichtigem sind der Hilfe zur selbstständigen Lebensführung im Bewo zuzurechnen. Nur rechtlich bedeutsame Handlungen (etwa eine rechtsrelevante Bearbeitung von Post durch Prüfung, ob fristgerecht Widerspruch eingelegt werden soll, etc.) wären Aufgabe des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S in Überschreitung seines Aufgabenkreises für den Kläger solche Rechtshandlungen vollzogen hätte, ergeben sich weder aus seinen Aufzeichnungen noch aus den Übrigen dem Senat vorliegenden Informationen.
92Schließlich sind auch die Aktivitäten des Zeugen S, die sich auf den Besuch einer Abendrealschule beziehen, (jedenfalls im Grundsatz) dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten zuzuweisen. Der Senat kann offenlassen, ob es sich dabei (ebenfalls) um Bewo-Leistungen handelt oder (zumindest auch) um solche zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung (gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV). Einerseits ergeben sich Zweifel an der Zuordnung dieser Aktivitäten zum Bewo insoweit, als eine finale Ausrichtung auf das Wohnen fehlen könnte. Andererseits erscheint, anknüpfend an den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, eine Hilfe zur selbstbestimmten Lebensgestaltung in einer eigenen Häuslichkeit auch durch Unterstützung des Klägers beim Schulbesuch denkbar, also wiederum als Bewo-Leistung. Hierauf kommt es jedoch nicht an; denn es sind (jedenfalls auch) die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV erfüllt. Dass der Kläger zu Beginn des fraglichen Zeitraums bereits sein 23. Lebensjahr vollendet und spätestens mit der Nachholung des Hauptschulabschlusses auch seine allgemeine Schulpflicht erfüllt hatte, steht einer Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung nicht entgegen. Die genannten Leistungen können vielmehr auch nach der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht noch erbracht werden, wenn der Unterrichtsbesuch durch unverschuldete Unterrichtsausfälle, Krankheit o.ä. hinausgezögert wurde (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, § 54 Rn. 41; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 54 Rn. 53 - beide unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.04.1992 - 5 C 1/88). Unterstützung beim bzw. Motivation zu einem Schulbesuch fällt nicht etwa in den (Eingliederungshilfeleistungen ausschließenden) Kernbereich pädagogischer Arbeit (vgl. dazu Wehrhahn a.a.O. Rn. 54). Der Besuch einer Realschule ist in § 12 Nr. 3 EinglHV zudem ausdrücklich genannt, so dass hierauf gerichtete Hilfen ohne Weiteres zum Leistungsspektrum zählen. Ein Nachholen des Realschulabschlusses kann im vorliegenden Einzelfall schließlich auch nicht (im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII) als unangemessen angesehen werden. Denn zwar hatte der Kläger ersichtlich behinderungsbedingt Schwierigkeiten, bestimmte Ziele mit dem notwendigen Durchhaltevermögen zu verfolgen. Durch Nachholung des Hauptschulabschlusses im Jahr 2005 hatte er jedoch bereits gezeigt, zu einem gewissen Durchhaltevermögen durchaus gelangen zu können. Dementsprechend hat etwa das Jobcenter der Maßnahme Erfolgsaussichten beigemessen, wenn es mit Blick auf die (Wieder-)Aufnahme der Schulausbildung (wieder) zu aufstockenden Leistungen an den Kläger bereit war. Nach den dem Senat vorliegenden Informationen, insbesondere mit Blick auf das Gutachten des Dr. P vom 20.09.2007 aus dem Betreuungsverfahren und das Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009, liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Realschulabschluss das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers überfordern würde. Insofern wäre ein solcher Abschluss eine für den Kläger angemessene Schulbildung; der Einwand des Beklagten, der Kläger verfüge bereits über einen Hauptschulabschluss, verfängt deshalb nicht. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW ist der Beklagte schließlich auch für die Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung zuständig.
93In der Gesamtschau handelt es sich bei nahezu sämtlichen laut der Verlaufsdokumentation vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Hilfestellungen um Eingliederungshilfe (i.S.v. §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX und/oder § 12 EinglHV). Zweifel könnten allenfalls bestehen, ob die am 09.11.2010 und am 31.03.2011 erbrachten Leistungen "Begleitung zur Abendrealschule wg. Anmeldung. Anschließend Unterstützung bei Besorgungen" (190 Minuten) bzw. "Information, dass Antrag auf Bewo abgelehnt wurde und Erläuterung des Widerspruchsverfahrens. Geldauszahlung" (30 Minuten) vollständig dazu zu rechnen sind. Einer abschließenden Beurteilung bedarf dies jedoch nicht; denn selbst wenn man diese beiden Hilfestellungen vollständig von den insgesamt für den Kläger erbrachten FLS in Abzug bringt, verbleibt immer noch ein Zeitraum von (deutlich) mehr als 24,33 FLS.
94III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
95Durch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten bleibt die - inhaltlich nicht zu beanstandende - Kostenentscheidung des Sozialgerichts bestehen. Da der Beklagte im Berufungsverfahren vollständig unterlegen ist, hat er die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers insoweit in vollem Umfang zu tragen.
96Es entspricht im vorliegenden Fall nicht billigem Ermessen, der Beigeladenen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; denn sie hat keinen Antrag gestellt und sich auch inhaltlich nicht am Verfahren beteiligt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 11a).
97IV. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Erstattung von Kosten für die Fortführung einer Maßnahme ("Montessori-Therapie") in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006.
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Die 1998 geborene Klägerin litt an einer rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche und wurde deshalb vom Beklagten ab Mitte 2003 bis zum Ende der Kindergartenzeit Ende Juli 2005 durch die Übernahme von Kosten für eine (nicht ärztlich verordnete) "Montessori-Einzeltherapie" gefördert. Auch nach Einschulung der Klägerin in die Regelschule übernahm der Beklagte die Kosten einer Stunde "Montessori-Einzeltherapie" pro Woche für die Zeit vom 19.9. bis 31.12.2005, lehnte jedoch die Kostenübernahme für die Fortführung der Maßnahme ab 1.1.2006 mit der Begründung ab, dass Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) nur für begleitende Hilfen in Betracht komme, während pädagogische Maßnahmen wie die durchgeführte Montessori-Therapie in den Verantwortungsbereich der Schule fielen (Bescheid vom 30.9.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.4.2006). Die Kosten der in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführten Therapiestunden haben daraufhin die Eltern der Klägerin getragen.
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Das Sozialgericht (SG) hat der auf Erstattung dieser Kosten in Höhe von 1181,50 Euro gerichteten Klage - weil die Maßnahme sowohl therapeutische als auch pädagogische Elemente enthalte - nur teilweise entsprochen und den Beklagten verurteilt, der Klägerin "für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2006 Eingliederungshilfe für die durchgeführte Montessori-Therapie in Höhe von 590,75 Euro zu gewähren" (Urteil vom 21.10.2008). Auf die Berufungen beider Beteiligten hat das Landessozialgericht (LSG) den Beklagten unter Zurückweisung von dessen Berufung verurteilt, der Klägerin die gesamten Kosten in Höhe von 1181,50 Euro zu erstatten (Urteil vom 18.11.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Pflicht zur Übernahme der Kosten ergebe sich aus § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-Verordnung (Eingliederungshilfe-VO). Es habe sich bei der Therapie um eine heilpädagogische oder sonstige geeignete und erforderliche Maßnahme gehandelt, die der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht habe ermöglichen oder erleichtern sollen. Der Nachranggrundsatz (§ 2 Abs 1 SGB XII)stehe der Leistungspflicht nicht deshalb entgegen, weil die Montessori-Therapie auch pädagogische Elemente enthalte; sie sei nach den landesrechtlichen Vorschriften des Schulrechts nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit im Sinne des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrags zuzurechnen. Schließlich stehe der Gewährung der Eingliederungshilfe nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die Therapie bereits bezahlt hätten.
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Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2 Abs 1 SGB XII. Nach § 15 Abs 4 Schulgesetz für Baden-Württemberg sei die Förderung behinderter Schüler Aufgabe der Schule selbst, sodass diese für Hilfen zur angemessenen Schulbildung eintrittspflichtig sei. Unzutreffend sei die Feststellung des LSG, es handele sich bei der Montessori-Therapie um eine begleitende, nicht um eine sonderpädagogische Maßnahme. Das LSG habe insoweit sowie zur Frage der Geeignetheit und Erforderlichkeit die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und seine Amtsermittlungspflicht verletzt, weil es die Feststellungen der Therapeutin und des Sachverständigen kritiklos übernommen und sich damit ua auf die Ausführungen eines Diplom-Psychologen gestützt habe, der weder durch Habilitation noch durch Promotion eine besondere wissenschaftliche Qualifikation nachweisen könne.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin aufzuheben und das Urteil des SG unter vollständiger Abweisung der Klage abzuändern.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurück-verweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) . Es fehlen ausreichende Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für ein abschließendes Urteil.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 30.9.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2006 (§ 95 SGG), soweit darin die Übernahme von Kosten (1181,50 Euro) für eine in der Zeit vom 1.1. bis 31.7.2006 durchgeführte Therapie (Montessori-Einzeltherapie) abgelehnt worden ist. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG).
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Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Insbesondere ist weder eine Beiladung der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse (KK) noch eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe noch der Therapeutin der Klägerin erforderlich. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG sind Dritte nämlich (nur) beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung); diese Voraussetzungen sind für keinen der Bezeichneten erfüllt. Über eine unechte notwendige Beiladung war mangels Rüge im Revisionsverfahren (s zu dieser Voraussetzung nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 13b mwN) nicht zu befinden.
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Eine notwendige Beiladung der KK im Hinblick auf § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) scheidet aus(vgl zur notwendigen Beiladung wegen unterlassener Weiterleitung des Antrags an den "eigentlich zuständigen" Träger der Teilhabeleistung nur BSGE 93, 283 ff RdNr 6 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1). Die durchgeführte Maßnahme stellt keine Leistung zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1, 14 SGB IX dar; denn die KKen sind abweichend von den Vorschriften des SGB IX (vgl § 7 SGB IX) nur unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (
vgl § 11 Abs 2, §§ 40 ff SGB V) zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen verpflichtet (BSGE 98, 277 ff RdNr 18 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Trotz des Aspektes bzw des Ziels der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit haben jedoch nicht alle Maßnahmen des SGB V rehabilitativen Charakter in einem Sinn, der dem Verständnis des SGB V über eine Teilhabeleistung entspricht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Begriff der Teilhabeleistung des § 14 SGB IX eigenständig (weit) oder (nur) nach dem Verständnis des SGB V auszulegen ist. Vorliegend gehörte die durchgeführte Maßnahme ohnedies nicht zum Leistungskatalog des SGB V, sodass schon deshalb keine Zuständigkeit des Beklagten nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX eingetreten ist und eine echte notwendige - ebenso wie im Übrigen eine unechte - Beiladung der KK ausscheidet.
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Ein Kostenerstattungsanspruch für eine vom Versicherten selbstbeschaffte Leistung des SGB V würde voraussetzen, dass diese allgemein als Sach- oder Dienstleistung hätte erbracht werden müssen. Wie das LSG zu Recht erkannt hat, liegen die Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung der durchgeführten Therapie im Jahre 2006 nicht vor. Nach den insoweit unangefochtenen Tatsachenfeststellungen des LSG käme, weil die Therapie nicht von ärztlichen Fachkräften erbracht worden ist, allenfalls eine medizinische Dienstleistung in der Gestalt eines Heilmittels iS des § 32 SGB V(zum Heilmittelbegriff s: BSGE 88, 204, 206 ff = SozR 3-2500 § 33 Nr 41 S 229 ff; BSGE 96, 153 ff RdNr 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7) in Betracht.
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Der Heilmittelanspruch eines Versicherten (§ 11 Abs 1 Nr 4, § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Nr 3 SGB V)unterliegt jedoch den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Insoweit sind neue Heilmittel grundsätzlich nur dann von der Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien (RL) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Versorgung mit Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-RL) Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat(§ 138 SGB V). Die Beurteilung der Neuheit eines Heilmittels richtet sich unter formalen Gesichtspunkten danach, ob es nach dem Stand der Beschlüsse des GBA bei Inkrafttreten des § 138 SGB V (am 1.1.1989) Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung war oder seitdem einbezogen worden ist (Bundessozialgericht
SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28 und 31; BSGE 94, 221 ff RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25). Dies trifft für die Montessori-Therapie nicht zu, wie den Heilmittel-RL zu entnehmen ist, in die sie als verordnungsfähige Leistung nicht aufgenommen wurde; sie ist mithin als mögliches Heilmittel neu. Der GBA hat demgemäß in einem zusammenfassenden Bericht des Unterausschusses "Heil- und Hilfsmittel" des Bundesausschusses vom 18.5.2005 über die Beratungen gemäß § 138 SGB V zur konduktiven Förderung nach Petö(abgerufen über das Internet am 15.5.2012 über http://www.g-ba.de/downloads/40-268-256/2005-05-18-Abschluss-Petoe.pdf ) auch ausgeführt, die Wirksamkeit der Montessori-Therapie sei in wissenschaftlichen Studien nicht eindeutig belegt (S 165). Die somit notwendige Empfehlung für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung fehlt. Zudem mangelt es an der nach § 73 Abs 2 Nr 7 SGB V vorausgesetzten ärztlichen Verordnung(s dazu BSGE 73, 271 ff = SozR 3-2500 § 13 Nr 4), sodass es auf einen eventuellen indikationsbezogenen Ausschluss über § 32 Abs 1 Satz 2 SGB V in den Heilmittel-RL nicht mehr ankommt.
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Ein Anspruch aus § 43a SGB V(in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung; Abs 2 wurde erst mit Wirkung ab 23.7.2009 eingeführt) scheidet von vornherein aus. Danach haben versicherte Kinder (nur) Anspruch auf nichtärztliche sozialpädiatrische, insbesondere auch psychologische, heilpädagogische und psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbracht werden und erforderlich sind, um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Nach den insoweit unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG diente die Maßnahme jedoch weder der Früherkennung noch stand sie unter ärztlicher Verantwortung. Es kann dahinstehen, ob der Senat an diese Feststellung entgegen § 163 SGG deshalb nicht gebunden ist, weil sie im Rahmen der von Amts wegen zu überprüfenden Beiladungsnotwendigkeit von Bedeutung ist(s dazu nur Leitherer, aaO, § 163 RdNr 5b mwN); denn diese Feststellung des LSG ist in der Sache ohnedies nicht zu beanstanden.
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Eine Beiladung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe als "eigentlich zuständigen" Rehabilitationsträgers iS des § 6 Abs 1 Nr 6 SGB IX im Hinblick auf § 14 SGB IX dürfte schon deshalb ausscheiden, weil der Beklagte auch der nach §§ 69, 85, 86 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) iVm § 1 Kinder- und Jugendhilfegesetz für Baden-Württemberg (LKJHG) vom 14.4.2005 (Gesetzblatt
376) - zur Überprüfung des Landesrechts ist der Senat entgegen § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung (ZPO) mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt(vgl nur das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) - für die einzig denkbare Leistung des § 35a SGB VIII als Jugendhilfeträger zuständig sein dürfte. Einer genaueren Überprüfung, ob nach den Vorschriften der §§ 5, 6 LKJHG ausnahmsweise eine Zuständigkeit der landkreisangehörigen Gemeinden begründet worden ist, bedarf es nicht, denn auch dann wäre die Gemeinde nicht notwendig beizuladen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt BVerwG, Urteil vom 19.10.2011 - 5 C 6/11 -, ZFSH/SGB 2012, 33, 35 f), der sich der Senat anschließt, wäre vorliegend von einer vorrangigen Leistungspflicht des beklagten Sozialhilfeträgers (Leistungen der Eingliederungshilfe für ua geistig behinderte junge Menschen) gemäß § 10 Abs 4 SGB VIII(in der seit 1.10.2005 geltenden Fassung) auszugehen. Aufgaben, Ziele und die Leistungen richten sich nämlich ohnedies nach den Vorschriften des SGB XII (§ 35a Abs 3 SGB VIII), decken sich also (vgl zum Erfordernis der Gleichheit oder Gleichartigkeit BVerwG aaO), und bei der Klägerin liegt jedenfalls eine wesentliche geistige Behinderung vor (dazu später). Es kann deshalb dahinstehen, ob sich eine Maßnahmenotwendigkeit auch aufgrund einer seelischen (= psychischen) Behinderung ergeben würde und wodurch sich diese von der geistigen abgrenzt.
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Schließlich ist auch nicht die Therapeutin der Klägerin notwendig beizuladen. Zwar ist der sozialhilferechtliche Leistungserbringer iS des § 75 SGB XII - und zwar auch bei ambulanten Diensten(§ 75 Abs 1 Satz 1 SGB XII; vgl Jaritz/Eicher, juris PraxisKommentar
-SGB XII, § 75 SGB XII RdNr 24) - bei einer beantragten Kostenübernahme, also einem Schuldbeitritt durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung (vgl nur BSGE 102, 1 ff RdNr 25 ff = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), notwendig beizuladen (BSG, aaO, RdNr 13 ff). Vorliegend verlangt die Klägerin jedoch nicht die Kostenübernahme durch den Beklagten im Rahmen einer Sachleistung im weiten Sinne, sondern die Erstattung der bereits beglichenen Therapiekosten als Geldleistung.
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Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung durch den zuständigen (§ 97 Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 Satz 1 SGB XII und §§ 1, 2 Ausführungsgesetz Baden-Württemberg zum SGB XII vom 1.7.2004 - GBl 534; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG entgegen § 202 SGG iVm § 560 ZPO befugt - vgl das Senatsurteil vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 14 mwN) Beklagten ist § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX. Danach sind selbstbeschaffte Leistungen zu erstatten, wenn der Rehabilitationsträger eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (vgl dazu BSGE 102, 126 ff RdNr 11 f = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Ob der Beklagte die Übernahme der Kosten für die durchgeführte Therapie ab 1.1.2006 "zu Unrecht" abgelehnt hat, lässt sich allerdings anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen. Grundlage dafür ist § 19 Abs 3 SGB XII(hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm §§ 53, 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Abs 1 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO. Hilfen nach § 19 Abs 3 SGB XII werden unter den besonderen Voraussetzungen der Vorschriften des Fünften und Neunten Kapitels geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist.
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Die Klägerin erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Nach dieser Vorschrift werden Pflichtleistungen nur an Personen erbracht, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn - soweit einschlägig - die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den in diesem Punkt unangegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG liegt eine Behinderung im bezeichneten Sinn bei der Klägerin vor, die an einer geistigen Leistungsstörung (s insoweit zur Legasthenie BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff), nämlich einer ausgeprägten rezeptiven und expressiven Sprachentwicklungsverzögerung mit auditiver Gedächtnisschwäche, litt; diese geistige Behinderung war auch wesentlich.
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Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 2 Eingliederungshilfe-VO. Er verlangt, dass infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfange die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist (vgl allgemein dazu Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, § 53 SGB XII RdNr 20 ff; Heinz, ZfF 2010, 79 ff). Dies ist jedenfalls zu bejahen, wenn - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme am Unterricht in einer Grundschule entgegenstehen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl BSG, Urteil vom 3.11.2011 - B 3 KR 8/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 22) bzw eine valide spätere berufliche Tätigkeit. Insoweit ist wie bei der Prüfung einer Behinderung selbst auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten an den Auswirkungen für die Eingliederung in der Gesellschaft (so wohl auch BVerwG, Urteil vom 28.9.1995 - 5 C 21/93 -, FEVS 46, 360 ff). Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt.
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Nicht abschließend entschieden werden kann indes, ob die im Jahre 2006 durchgeführte Therapie geeignet und erforderlich war, der Klägerin den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern, ob also iS des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden konnte. Diese allgemeine Voraussetzung konkretisierend bezeichnet § 54 Abs 1 Nr 1 SGB XII(hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) als Leistungen der Eingliederungshilfe insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Nach § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO umfasst die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen und zu erleichtern.
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Wie bereits § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII iVm § 12 Nr 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde(BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 101, 79 ff RdNr 27 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII ausdrücklich anordnet, die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht sollten unberührt bleiben. Die schulrechtlichen Verpflichtungen stehen mithin grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen. Zum anderen normiert § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII lediglich Hilfen, mithin unterstützende Leistungen, überlässt damit die Schulbildung selbst aber den Schulträgern. Der Kernbereich der schulischen Arbeit liegt damit nach Sinn und Zweck der §§ 53, 54 SGB XII gänzlich außerhalb der Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers(ähnlich bereits, wenn auch mit anderer Begründung, BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02 - juris RdNr 17 mwN; BVerwG, Urteil vom 30.4.1992 - 5 C 1/88 - NVwZ 1993, 995, 996 f).
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Nach diesen Maßstäben kann die durchgeführte Maßnahme eine Hilfe zur angemessenen Schulbildung sein, weil sie - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - jedenfalls nicht den Kernbereich der schulischen pädagogischen Arbeit berührt, ohne dass dieser genau bestimmt werden müsste. Die durchgeführte Therapie, die nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG den Prinzipien der Montessori-Therapie gefolgt ist, weist den Charakter einer nur unterstützenden und außerhalb des schulischen Betriebs stattfindenden Hilfe auf. Im Rahmen eines ganzheitlichen Denkansatzes sollten unter Verwendung von unterschiedlichem Material vielfältige Bereiche ua der Wahrnehmung, des Sprachverständnisses, der Mathematik, der Geografie, der Biologie und der Umwelt (nur) durch ein zurückhaltendes Angebot von Hilfe und Unterstützung, auch durch "sensibles Beobachten", durch den Therapeuten gefördert werden (hierzu insgesamt der in der Gerichtsakte befindliche "Infobrief über die Montessori-Therapie für Fachstellen" des Montessori-Bundesverbands eV, Mengkofen; zur Zulässigkeit der Feststellung genereller Tatsachen in der Revisionsinstanz s nur BSG SozR 4-3250 § 69 Nr 9 RdNr 28 mwN).
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Soweit das LSG in seiner Entscheidung die Ausführungen des Sachverständigen und die Äußerungen der früheren Klassenlehrerin der Klägerin zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Therapie wiedergegeben und verwertet sowie ausgeführt hat, dass die Therapie "nach dem Förderplan der Montessori-Therapeutin gezielt auf den Aufbau der auditiven Wahrnehmungsleistung abgestimmt" gewesen sei, reicht dies jedoch für eine Beurteilung der individuellen Geeignetheit und Erforderlichkeit der durchgeführten Therapie nicht aus. Erforderlich sind vielmehr konkrete Feststellungen dazu, wie die Klägerin betreut worden ist und wie sich dies im Einzelnen auf die individuelle Lernfähigkeit der Klägerin unter prognostischer Sicht - abgestellt auf den Zeitpunkt der Entscheidung (vgl nur allgemein dazu BSG SozR 4-4300 § 86 Nr 1 RdNr 15) - auswirken sollte. Allgemein gehaltene Bewertungen der Montessori-Therapie, ihrer Ziele und Methoden, können diese Beurteilung nicht ersetzen. Da das LSG nach der Zurückverweisung der Sache die fehlenden Feststellungen nachzuholen hat, kommt es auf die in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen des Beklagten nicht an. Im Rahmen der Erforderlichkeit der Hilfe wird das LSG auch die Anzahl der Therapiestunden zu überprüfen haben.
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Schließlich wird es anhand der schuldrechtlichen Vereinbarungen mit der Therapeutin die Höhe der der Klägerin (bzw ihren Eltern) entstandenen und damit übernahme- und erstattungsfähigen Kosten zu ermitteln haben, wobei ohne Bedeutung ist, ob mit der Therapeutin Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII geschlossen sind und - wenn ja - welche Vergütung darin für die Therapiestunden vorgesehen war. Eine diesbezügliche rechtliche Unsicherheit kann sich nicht zu Lasten der Klägerin auswirken (vgl BSGE 102, 126 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 3). Dies gilt umso mehr, als sich Umfang der Behandlung und Vergütung offenbar im Rahmen dessen bewegen, was vom Beklagten in der Zeit zuvor übernommen worden ist. Ob die Voraussetzungen einer Schuldverpflichtung der Klägerin bzw ihrer Eltern gegenüber der Therapeutin und der Angemessenheit der Kosten normimmanent aus §§ 53, 54 SGB XII oder aus § 9 Abs 1 SGB XII (Leistungen nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Bedarfs) zu entnehmen sind, kann offen bleiben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bedarf dies schon deshalb keiner näheren Begründung, weil nicht ersichtlich ist, dass sich in vorliegender Konstellation hieraus unterschiedliche Rechtsfragen ergäben.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten steht einem Kostenerstattungsanspruch der Klägerin § 2 Abs 1 SGB XII (sog Nachranggrundsatz) nicht entgegen. Danach erhält Sozialhilfe nicht, wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist, wenn andere Leistungen - wie hier - tatsächlich nicht erbracht werden, keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne weiteres realisierbar sind (BSG, Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - RdNr 13; Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1; Urteil vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 16/07 R - RdNr 15). Eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit der Schule ist deshalb in aller Regel zu bejahen, solange und soweit die Schule - wie hier - eine entsprechende Hilfe nicht gewährt, ja sogar darauf verweist, sie nicht erbringen zu können. Ob sie dazu verpflichtet ist, ist unerheblich. Der Sozialhilfeträger muss ggf mittels einer Überleitungsanzeige (§ 93 SGB XII) beim zuständigen Schulträger Rückgriff nehmen. Soweit der Beklagte mit seiner Revision in diesem Zusammenhang eine fehlerhafte Auslegung des Landesschulrechts rügt, kommt es darauf unabhängig davon, inwieweit der Senat diese Auslegung überhaupt überprüfen darf (§ 202 SGG iVm § 560 ZPO), für die Entscheidung nicht an.
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Dem Kostenerstattungsanspruch steht schließlich nicht entgegen, dass die Eltern der Klägerin die angefallenen Kosten bereits getragen haben. Sozialhilfeleistungen setzen zwar vom Grundgedanken her einen aktuellen Bedarf voraus; dies gilt allerdings aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) nicht bei einer rechtswidrigen Ablehnung der Hilfegewährung und zwischenzeitlicher Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, wenn der Hilfesuchende innerhalb der gesetzlichen Fristen einen Rechtsbehelf eingelegt hat und im Rechtsbehelfsverfahren die Hilfegewährung erst erstreiten muss (BSG, Urteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R -, BSGE 104, 213 ff RdNr 14 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20; vgl auch zum Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende -
: BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19, und Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 17 mwN) .
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Ermittlungen darüber, ob die Klägerin im Falle des Klageerfolgs ihren Eltern deren Auslagen erstatten muss oder zumindest wird (vgl dazu in einer anderen Konstellation BSG, Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, RdNr 19), sind entbehrlich. Im Rahmen der Vermögenssorge (§ 1926 Bürgerliches Gesetzbuch)für ein achtjähriges Kind sind Vereinbarungen über eine Rückerstattung der Kosten besonderer Sozialhilfeleistungen (§ 84 Abs 2 SGB XII ist nicht anwendbar, weil § 92 Abs 1 Satz 2 SGB XII insoweit als Sonderregelung vorgeht), die die Eltern übernommen haben, weil der Sozialhilfeträger die Leistung abgelehnt hat, bei realitätsnaher Sichtweise unüblich. Unerheblich ist es auch, ob und inwieweit in der Übernahme dieser Kosten eine tatsächliche Unterhaltszahlung zu sehen sein könnte. Eine solche Prüfung würde den Zweck des § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII(hier in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) konterkarieren