Landessozialgericht NRW Urteil, 22. Dez. 2014 - L 20 SO 236/13
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Für das erstinstanzliche Verfahren verbleibt es bei der dortigen Kostenentscheidung. Im Übrigen findet eine Erstattung von Kosten nicht statt. Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten, ob bzw. in welchem Umfang dem Kläger gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Oktober 2010 bis Juli 2011 Leistungen der Eingliederungshilfe (insbesondere) in Form des sog. ambulant betreuten Wohnens (Bewo) zustehen.
3Der am 00.00.1987 geborene Kläger, der durchgehend im Raum C bzw. in L lebte, leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Sein Heranwachsen war begleitet von einem häufigen Wechsel der Bezugspersonen. Bereits im Jugendalter kam es zu delinquentem Verhalten und Drogenmissbrauch (im Wesentlichen in Form von Cannabiskonsum). In den Jahren 2006/2007 unternahm er mehrere Suizidversuche. Das Krankheitsbild ist geprägt einerseits von starken Stimmungsschwankungen sowie impulsivem und provozierendem Verhalten, andererseits von einer gewissen Blockadehaltung dann, wenn von außen versucht wird, den Kläger zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Der Umgang mit Geld bereitet dem Kläger große Probleme; ihm zur freien Verfügung stehende finanzielle Mittel gibt er nach dem Lustprinzip aus, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ein Grad der Behinderung von 50 ist zuerkannt.
4Im Oktober 2007 richtete das Amtsgericht C (5 XVII S 000/07) eine rechtliche Betreuung für den Kläger ein. Diese wird von einem Berufsbetreuer durchgeführt und erstreckt sich auf die Bereiche alle Vermögensangelegenheiten, Postkontrolle, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Gesundheitsfürsorge sowie in deren Rahmen die Aufenthaltsbestimmung". Im Juni 2008 ordnete das Betreuungsgericht zusätzlich einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich Vermögensangelegenheiten an.
5Nach der Trennung seiner von den Philippinen stammenden Mutter von seinem (an einer schweren Alkoholkrankheit leidenden) Vater lebte der Kläger seit seinem siebten Lebensjahr zunächst bei seiner Mutter. Da diese im Schichtdienst arbeitete, war er parallel in wechselnden Pflegefamilien untergebracht. Weder innerhalb noch außerhalb der Herkunftsamilie konnte man dem Kläger jedoch erzieherisch gerecht werden, sodass er zu verwahrlosen drohte. Ab Februar 1996 wurde daher versucht, ihn in eine Kinderhausgruppe zu integrieren, was allerdings misslang. Anschließend erfolgte bis Dezember 1999 eine schrittweise Rückführung in den Haushalt der Mutter. Dort kam es im Laufe der Zeit wieder zu massiven Problemen, was die Unterbringung des Klägers in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung zur Folge hatte. Von April 2001 bis Januar 2004 lebte er in der Außenwohngruppe eines Kinderdorfes in C. Auch dort gestaltete sich das Zusammenleben schwierig; die Verhaltensauffälligkeiten konnten trotz Einsatzes eines zusätzlichen Einzelbetreuers nicht erfolgreich bearbeitet werden. Der Kläger entzog sich häufig dem Einfluss der Einrichtung und suchte den regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter. Anschließend lebte er wechselnd teils bei Freunden, Bekannten oder seiner Mutter, teils aber auch in Notunterkünften oder auf der Straße.
6Seit 1993 besuchte der Kläger verschiedene Grundschulen. 1999 wechselte er an eine Hauptschule in C, die er vor Abschluss des zweiten Halbjahres der Klasse 9 im Sommer 2002 verlassen musste. Ab Herbst 2002 schloss sich der Besuch einer Vorklasse zum Berufsgrundschuljahr an. 2004 oder 2005 holte der Kläger in Eigenregie den Hauptschulabschluss nach. Eine Lehrstelle oder eine feste Arbeit fand er in der Folgezeit nicht, sondern arbeitete in verschiedenen Aushilfsjobs, insbesondere auf dem Bau und im Malerbereich. Im Februar 2010 meldete er sich bei der Tages- und Abendrealschule L an; wegen hoher Fehlzeiten und Unzuverlässigkeit musste er die Schulausbildung im Herbst 2010 abbrechen. Nach Beginn der im vorliegenden Verfahren fraglichen Bewo-Maßnahme meldete sich der Kläger erneut zur Nachholung des Realschulabschlusses bei einer L Abendrealschule an, die er etwa seit Februar 2011 besuchte. Auch dieser Versuch scheiterte jedoch; bereits im Mai 2011 war absehbar, dass er den Abschluss wegen hoher Fehlzeiten nicht schaffen würde.
7Das Jugendamt C gewährte dem Kläger zweimal Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 KJHG i.V.m. § 35a SGB VIII). Der erste Leistungszeitraum begann am 02.01.2007 und umfasste fünf Fachleistungsstunden (FLS) pro Woche. Die Maßnahme brach der Kläger nach etwa sechs Monaten ab. Auf Initiative des zwischenzeitlich für ihn bestellten Betreuers bewilligte die Stadt C erneut Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige in einem Umfang von vier FLS pro Woche, beginnend ab dem 14.12.2007. Diese Leistungen wurden im Oktober 2008 eingestellt, weil der Kläger sich nicht kooperativ verhielt; er pflanzte Cannabis an und trat gegenüber den Bewo-Mitarbeitern aggressiv auf.
8Der Betreuer brachte den Kläger anschließend vorübergehend in einer Privatwohnung unter. Von dort zog der Kläger in eine Wohnung in L, die er sich selber gesucht und zum 01.05.2010 von einem privaten Vermieter angemietet hatte. Die Kosten für diese etwa 36 m² große Einzimmer-Wohnung beliefen sich einschließlich Heiz- und Nebenkostenvorauszahlung auf 280 EUR monatlich. Seinerzeit hatte der Kläger eine Freundin, die allerdings nicht bei ihm wohnte, und zu der er vorwiegend nur an den Wochenenden Kontakt hatte.
9Am 06.10.2010 schloss der Kläger mit der Gesellschafterin G der Beigeladenen, die damals Bewo-Leistungen noch als Einzelperson anbot, einen bis zum 05.10.2011 befristeten "Betreuungsvertrag". Zwischen Frau G und dem Beklagten bestand eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 SGB XII nach Maßgabe des Rahmenvertrages NRW auf der Grundlage von § 79 SGB XII.
10Ziffer 1 des Vertrages enthält unter der Überschrift "Ziel der Betreuung" folgende Regelung:
11"Grundsätzliches Ziel des betreuten Wohnens ist es, jede(n) Betreute(n) bei seiner/ihrer Lebensbewältigung gemäß seiner/ihrer Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern. Die Ausgestaltung der Betreuung erfolgt in beiderseitigem Einvernehmen und soll den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen möglichst weitgehend Rechnung tragen."
12Unter Ziffer 3 des Vertrages (Überschrift: "Grundsätzliche Betreuungsregelungen") findet sich folgender Passus:
13"3.1) die Betreuung erfolgt durch unsere/n Mitarbeiter Fr./Hr. S. Bei Krankheit und Urlaub wird sie/er durch eine/n Kolleginnen des betreuten Wohnens vertreten.
14[ ...]
153.3) Damit die erbrachten Leistungen mit dem Leistungsträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich Fr./Hr. T die von uns erbrachten Leistungen zu quittieren.
163.4) Sofern sich durch wirtschaftliche Prüfung des Sozialhilfeträgers herausstellt, dass aufgrund des von Fr./Hr. T vorhandenen Einkommens und/oder Vermögens eine Finanzierung der Betreuungsleistungen durch den Sozialhilfeträger nur teilweise oder gar nicht übernommen wird, verpflichtet sich Fr./Hr. T hiermit, alle sich aus diesem Vertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen unverzüglich aus eigenen Mitteln an uns zu leisten.
17Sollte dieser Fall vorliegen, so wird Fr./Hr. T ein Sonderkündigungsrecht von 14 Tagen nach Bekanntwerden eingeräumt. Die Kündigung bedarf der Schriftform.
18Die Zahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln gilt auch, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung (z.B. fehlender Quittierung) eine Kostenübernahme durch den Kostenträger versagt wird."
19Darüber hinausgehende Regelungen zur Vergütung bzw. zum Inhalt der Betreuungsleistungen enthält der Vertrag nicht.
20Ab dem 06.10.2010 nahm der Zeuge S, der Sozialarbeiter ist, die Betreuung des Klägers auf. Bis zum 25.07.2011 wurden Betreuungsleistungen von insgesamt 31,33 FLS erbracht. Hinsichtlich des Inhalts dieser Leistungen im Einzelnen wird auf die Verlaufsdokumentation (Blatt 110 f. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Unter Zugrundelegung der Vergütungsvereinbarung der Frau G mit dem Beklagten ergab sich nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Vergütungsforderung i.H.v. 1.894,84 EUR; diese ist nach wie vor nicht beglichen.
21Der vermögenslose Kläger verfügte in der Vergangenheit über Einkünfte durch Halbwaisenrente nach seinem 2005 verstorbenen Vater (unter 120 EUR monatlich), Kindergeld (184 EUR monatlich) und (zeitweise) BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich). Zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts bezog er zusätzlich für gewisse Zeiträume aufstockende Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II.
22Am 01.10.2010 zeigte Frau G dem Beklagten an, dass sie den Kläger ab dem 04.10.2010 betreue. In der Folgezeit übersandte sie als Beleg für die Notwendigkeit von Bewo-Leistungen eine fachärztliche Stellungnahme des den Kläger behandelnden Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. I vom 01.12.2010, bei dem sich der Kläger einmalig in Behandlung befunden hatte, sowie einen Hilfeplan vom 30.10.2010 für den Zeitraum vom 06.10.2010 bis 05.10.2011. In dem Hilfeplan waren 1,75 FLS pro Woche vorgesehen; hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Hilfeplan (Blatt 9 bis 14 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten) Bezug genommen.
23Der medizinisch-psychosoziale Dienst (MPD) des Beklagten führte in einer fachlichen Stellungnahme vom 21.02.2011 aus, es sei von einer wesentlichen seelischen Behinderung des Klägers auszugehen. Mit Blick auf den Hilfebedarf bleibe zu prüfen, welche Aufgaben der gesetzliche Betreuer übernehmen könne, und welche Aufgaben nachrangig der Eingliederungshilfe zuzurechnen seien. Zudem sollten die Möglichkeiten einer Anbindung an ein Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ) sowie die Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle geprüft werden.
24Mit (an den Kläger gerichtetem) Bescheid vom 31.03.2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Bewo-Leistungen ab. Nach § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer die erforderlichen Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen bzw. Organisationen erhalten könne. Aus dem Hilfeplan vom 30.10.2010 ergebe sich kein Hilfebedarf, der nicht vorrangig von anderen Leistungsträgern zu decken wäre. So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche rechtliche Betreuung einschließlich eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge umfasse die Unterstützung bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten im Zusammenhang mit dem geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer schließlich auch die Aufgabe wahr, den Umgang des Klägers mit seinen finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile. Sinnvoll wäre zudem eine Anbindung an ein SPZ und eine Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle.
25Dagegen wandte der Kläger im Widerspruchsverfahren ein, sein Eingliederungshilfebedarf sei durch die sachverständige Hilfeplankonferenz festgestellt. Die gesetzliche Betreuung diene dem Rechtsverkehr, nicht der Eingliederung. Hilfen des betreuten Wohnens würden auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch eine gesetzliche Betreuung abgedeckt.
26Nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011). Zur Begründung führte er ergänzend aus, der im Hilfeplan genannte Bedarf an Sichtung der Post und deren Bearbeitung, die Begleitung zu Behördenterminen, die Erstellung eines Haushaltsplanes sowie Gespräche über das Konsumverhalten würden bereits durch die rechtliche Betreuung abgedeckt. Einer Aufstellung eines Reinigungsplanes, Anleitung bei der Reinigung der Wohnung sowie Motivation des Klägers zur Reinigung und Überprüfung des Zustandes der Wohnung bedürfe es nicht; aus dem Hilfeplan gehe hervor, dass es der Kläger im Großen und Ganzen allein schaffe, in seiner Wohnung Ordnung zu halten. Zum selbständigen Wohnen sei es nicht nötig, dass sich die Wohnung immer in einem makellosen Zustand befinde, zumal jeder das Ausmaß von Sauberkeit und Ordnung unterschiedlich definiere. Durch Unsauberkeit und Unordnung werde selbständiges Wohnen erst dann gefährdet, wenn die Wohnung zu vermüllen drohe; davon sei im Hilfeplan jedoch nicht die Rede. Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder eine Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon in der Vergangenheit bei der Nachholung des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu bewältigen und selbständig eine Schule zu besuchen. Nach seinen eigenen Angaben scheitere der Schulbesuch auch nicht an mangelnder Motivation, sondern daran, dass ihm von einem Bekannten aufgelauert werde, der ihn verprügeln wolle. Der unregelmäßige Schulbesuch sei demnach nicht auf die (seelische) Behinderung, sondern auf die Bedrohung durch Dritte zurückzuführen.
27Am 13.08.2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Hilfebedarf sei durch die fachärztliche Stellungnahme des Dr. I, den Hilfeplan und ein im Betreuungsverfahren erstelltes Gutachten des Psychiaters Dr. P vom 20.09.2007 erwiesen. Dieser Bedarf sei nicht durch seinen Betreuer zu decken. Der Betreuer könne weder zur Unterstützung bei der Führung des Haushalts noch im Bereich der sozialen Lebensführung herangezogen werden. Dabei sei der Hilfebedarf des Klägers wegen seines Alters und der Art seiner seelischen Behinderung gerade auf diesem Gebiet besonders umfangreich. Hinsichtlich einer therapeutischen Anbindung habe er sich zwar unsicher gezeigt, diese aber mehrfach gewünscht. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es in solchen Fällen, den Betroffenen zu motivieren, sich psychiatrisch behandeln zu lassen, um eine Verbesserung des Erkrankungsbildes und somit eine größere Selbständigkeit bzw. Handlungsfähigkeit zu erlangen. Eine bloße Weiterleitung der Post an den Betreuer sei der Verselbständigung des Klägers nicht dienlich. Motivation und Anleitung zum Aufräumen und Säubern der Wohnung sei selbstverständlich erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass diese in einen desolaten Zustand geriet. Wenn es erkrankungsbedingt Phasen gegeben habe, in denen der Kläger die Schule vernachlässigt habe, so habe dies durch Motivation und Unterstützung aufgefangen werden müssen. Bei seinem Behinderungsbild seien Schwankungen in sämtlichen Lebensbereichen üblich.
28Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
29den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 zu verurteilen, dem Kläger vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten von insgesamt 31,33 FLS im Rahmen des betreuten Wohnens zu gewähren.
30Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Einer Motivation zu einer psychiatrischen Behandlung habe es nicht bedurft, weil der Kläger - was zu respektieren sei - eine solche nicht gewünscht habe. Nach dem Hilfeplan sei er motiviert gewesen, die Realschule zu besuchen. Wenn er sie anschließend nur unregelmäßig besucht habe, so sei daraus zu folgern, dass er seinen Entschluss geändert habe und ihm ein weiterer Schulabschluss offenbar nicht mehr wichtig gewesen sei. Sein Bedarf an Gesprächen über den Umgang mit Geld habe vorrangig durch Gespräche mit seinem rechtlichen Betreuer gedeckt werden können.
33In einem Erörterungstermin vom 29.06.2012 hat das Sozialgericht den für den Kläger im Rahmen des Bewo tätig gewordenen Sozialarbeiter S als Zeugen vernommen und den gesetzlichen Betreuer des Klägers zu dessen damaligen Lebensumständen befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
34Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 03.05.2013 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger für den fraglichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für insgesamt 24,33 FLS im Rahmen des Bewo zu gewähren, und der Beklagten vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Der Kläger leide unstreitig unter einer wesentlichen (seelischen) Behinderung. Seinem Anspruch auf Gewährung von Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX stehe die eingerichtete rechtliche Betreuung nicht entgegen. Betreuung und Bewo-Leistungen folgten unterschiedlichen Zielsetzungen. Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur) der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§ 1901 BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä. gehörten allerdings nicht zum Aufgabenbereich eines Betreuers. Der neben der rechtlichen Betreuung bestehende und durch sie nicht zu deckende Bedarf des Klägers sei vom Zeugen S anschaulich erläutert worden. Dass dieser Bedarf etwa durch Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können, sei nicht ersichtlich. Die dem Kläger durch den Zeugen zuteil gewordene Unterstützung stelle sich auch inhaltlich überwiegend nicht als rechtliche Betreuung, sondern als Bewo-Leistung dar. Allerdings gehöre zum Aufgabenbereich des Betreuers angesichts seiner Befugnis zum Empfang der Post deren Bearbeitung mit dem Kläger; die hierauf vom Zeugen verwandte Zeit habe der Beklagte nicht zu vergüten. Dabei sei es - abweichend von den Angaben des Zeugen im Termin am 29.06.2012 - sachgerecht, den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung von Post mit wöchentlich zehn Minuten anzusetzen. In dem streitigen Zeitraum von rund 42 Wochen seien damit insgesamt sieben von 31,33 erbrachten FLS nicht vom Beklagten zu vergüten.
35Gegen das ihm am 28.05.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass der Bedarf vorrangig durch eine Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können. Auch wenn der Kläger im Hilfeplan das Ziel benannt habe, sich wieder in eine regelmäßige psychiatrische Behandlung begeben zu wollen, rechtfertige dies keinesfalls den Ansatz von (wöchentlich) 25 Betreuungsminuten. Im Übrigen habe die Vernehmung des Zeugen S ergeben, dass es lediglich zu zwei Besuchen bei einem Psychiater gekommen sei. Dem könne entnommen werden, dass der Kläger letztlich keine psychiatrische Behandlung habe durchführen wollen. Selbst wenn er diese doch gewünscht hätte, wäre hierfür eine Anbindung an ein SPZ ausgereichend gewesen; von dort hätte dann auch Hilfestellung bei der Suche nach einem geeigneten Psychiater geleistet werden können.
36Der Beklagte beantragt,
37das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
40Die Anbindung an ein SPZ oder an eine Drogenberatungsstelle wäre im streitigen Zeitraum nicht förderlich gewesen. Neben dem Chaos in seiner Wohnung habe es auch Probleme mit dem Vermieter gegeben, der ihn aus der Wohnung habe weisen wollen.
41Die mit Beschluss des Senats vom 10.07.2014 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene äußert sich inhaltlich nicht zum Verfahren und stellt auch keinen Antrag.
42Der Senat hat Befundberichte bei dem den Kläger behandelnden Allgemeinmediziner I1 sowie bei Dr. I eingeholt. Herr I1 hat im Wesentlichen mitgeteilt, ihm sei eine langjährige psychische Instabilität des Klägers bekannt; er habe ihn jedoch ausschließlich wegen somatischer Beschwerden behandelt. Dr. I hat ausgeführt, bei einer "Borderline-Persönlichkeitsstörung" sei von einer lang anhaltenden Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auszugehen. Den Cannabiskonsum des Klägers schätze er eher als sekundär ein. Eine alleinige Anbindung an eine Drogenberatungsstelle wäre nicht ausreichend gewesen. Das Bewo sei gerade für junge Patienten eine sehr wirksame und sinnvolle Hilfe. Eine Empfehlung zum zeitlichen Umfang von Bewo-Maßnahmen hat Dr. I nicht abgegeben.
43Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Verwaltungsvorgänge der Stadt C, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts C - 5 XVII S 000/07 [= Amtsgericht L - 53 XVII Sch 000]), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
44Entscheidungsgründe:
45I. Führt einzig der Beklagte Berufung, ist Gegenstand der zweitinstanzlichen Prüfung allein, ob ihn das Sozialgericht zu Recht verurteilt hat, Kosten für 24,33 FLS im Bewo des Klägers zu tragen. Ob der Kläger für den betroffenen Zeitraum vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 - entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag - darüber hinaus einen für sieben weitere FLS höheren Anspruch gehabt hat, hat der Senat mangels klägerseitiger Berufung nicht zu beurteilen.
46II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn die Klage ist zulässig (dazu 1.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht ausgesprochenen Umfang begründet (dazu 2.).
471. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 (§ 95 SGG) ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; 56 SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Forderung der Beigeladenen für die von ihr erbrachten FLS ist nach wie vor nicht beglichen. Ausgehend vom sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und Sozialhilfeträger (vgl. dazu näher etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 12) geht es deshalb nicht um eine Kostenerstattung an den Kläger (im Sinne einer Geldleistung des Sozialhilfeträgers an den Leistungsempfänger), sondern um einen Schuldbeitritt des Beklagten (Sozialhilfeträger) zu einer Zahlungsverpflichtung, welche der Kläger (Leistungsempfänger) gegenüber der Beigeladenen (Leistungserbringer) hat.
48In diesem Dreiecksverhältnis war die Beigeladene nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG notwendig beizuladen (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 54, 193 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 13). Andere natürliche oder juristische Personen waren nicht zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Insbesondere kam eine Beiladung des Trägers der Jugendhilfe nicht in Betracht. Zwar kann der Jugendhilfeträger nach den §§ 41, 35a SGB VIII ebenso wie der Beklagte zur Eingliederungshilfe und somit auch zu Leistungen des Bewo verpflichtet sein; seine sachliche Zuständigkeit endet jedoch grundsätzlich mit der Vollendung des 21. Lebensjahres der leistungsberechtigten Person (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Der Kläger war zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 jedoch bereits 23 Jahre alt.
492. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) begründet. Die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Der Kläger ist damit beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Er hat (zumindest) im Umfang von 24,33 FLS Anspruch auf Leistungen des Bewo (dazu d); dies führt zur vollständigen Zurückweisung der Berufung des Beklagten.
50a) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
51Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII, § 2 Abs. 1 lit. a AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AV-SGB XII. Danach ist für alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII für behinderte Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern, der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig. Neben den Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII umfasst die Zuständigkeit insbesondere auch die Hilfen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 bis 7 SGB IX und andere im Einzelfall notwendige Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII, ohne die ein selbstständiges Wohnen nicht erreicht oder gesichert werden kann; die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers erstreckt sich in diesen Fällen auch auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
52Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII (vgl. dazu Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 51 und 56). Der Kläger hat sich zeitlebens in C bzw. L und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten (vgl. dazu § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom 07.09.2005) tatsächlich aufgehalten.
53b) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116a Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beteiligt worden.
54c) Der Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich "dem Grunde nach" (im Wesentlichen) aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX; z.T. möglicherweise (was der Senat offen lassen kann; dazu d) zudem aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV.
55aa) Ein Leistungsanspruch scheidet nicht schon deshalb aus, weil bereits keine Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen bestünde, welcher der Beklagte beitreten könnte.
56Innerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses bedarf es für die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum Schuldbeitritt (welche vorliegend allein im Streit steht; s.o. II.1.) allerdings notwendigerweise des Bestehens einer Schuld im sog. Erfüllungsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem (Kläger) und Leistungserbringer (Beigeladene); ein Schuldbeitritt ist ohne das Bestehen einer Schuld nicht denkbar (vgl. dazu Eicher in SGb 2013, 127 ff., 128; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 34, 193 m.w.N.). Eine solche Schuld des Klägers begründet der von ihm mit der Beigeladenen geschlossene Betreuungsvertrag vom 06.10.2010. Aus ihm geht hinreichend deutlich eine (zivil-) rechtliche Zahlungsverpflichtung des Klägers im Erfüllungsverhältnis hervor.
57Zwar enthält dieser Vertrag keine eindeutig formulierte Regelung zu einer vorrangingen Vergütungspflicht des Klägers für die von der Beigeladenen zu erbringenden Bewo-Leistungen. In Ziff. 3.3) scheinen die Vertragsparteien mit dem Abstellen auf eine Abrechnung mit dem Leistungsträger vielmehr von einer regelhaften Vergütungszahlung durch den Beklagten auszugehen. Dass dem Vertrag gleichwohl die Vorstellung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung der Vergütung zugrunde liegt, ergibt sich aus Ziff. 3.4). Denn die dort vereinbarte Zahlungspflicht des Klägers für den Fall, dass (abweichend vom ersichtlich angenommenen Regelfall) wegen einsatzpflichtigen Einkommens oder Vermögens des Klägers eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers ganz oder teilweise nicht bestehen sollte, erscheint nur sinnvoll, wenn sie von einer grundsätzlichen (zivilrechtlichen) Einstandspflicht des Klägers für die Vergütung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen ausgeht. Letztlich stimmt diese dem Vertrag zugrundeliegende Vorstellung der Vertragsparteien überein mit der rechtsdogmatischen Erfassung der Leistungsbeziehungen zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und (ggf.) Sozialhilfeträger durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis. Ob sich diese Lesart derartiger Verträge - bei vom vorliegenden Fall abweichender Vertragsgestaltung - auch aus einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung zivilrechtlicher Vereinbarungen zwischen Hilfeempfängern und Leistungserbringern durch die Normverträge nach § 75 SGB XII (vgl. dazu Eicher a.a.O., sowie Eicher/Jaritz a.a.O. Rn. 34) herleiten lässt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.
58bb) Auch an den wirtschaftlichen Voraussetzungen scheitert ein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen für Bewo nicht. Von Belang sind allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen des Klägers selbst; denn er war im streitigen Zeitraum bereits volljährig und lebte allein in der von ihm angemieteten Wohnung (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Die Kontakte zu seiner damaligen Freundin beschränkten sich auf Wochenendbesuche. Greifbare Anhaltspunkte liegen weder für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft noch einer Einstandsgemeinschaft mit seiner Mutter vor.
59Über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2010 bis Juli 2011 nicht. Stimmen die Beteiligten hierin ohnehin überein, so ergibt sich dies auch aus den aktenkundigen Angaben des Betreuers, die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, und die angesichts der Lebensumstände des Klägers nachvollziehbar und glaubhaft sind. Dessen Einkünfte aus Halbwaisenrente (unter 120 EUR monatlich), zeitweisen BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich) und Kindergeld (184 EUR monatlich) erreichten auch in der Summe keinen Betrag, der es dem Kläger ermöglicht hätte, sein Existenzminimum sicherzustellen, geschweige denn, sich (nach Maßgabe von §§ 82 ff. SGB XII) an den Kosten für die streitbefangenen Leistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zu beteiligen.
60cc) Die persönlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe - ohne dass insoweit ein Ermessen des Leistungsträgers bestünde - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 3 EinglHV sind seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit in diesem Sinne zur Folge haben können, u.a. Suchtkrankheiten (Nr. 3) und Persönlichkeitsstörungen (Nr. 4).
61Der Kläger weist eine wesentliche (seelische) Behinderung i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf. Denn er leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und erfüllt damit zumindest die Voraussetzungen des § 3 Nr. 4 EinglHV. Ob eine Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung des Einzelfalles, ausgerichtet an den Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabemöglichkeiten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.). Insbesondere aus einem Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009 und der fachlichen Stellungnahme des MPD des Beklagten vom 21.11.2011 lässt sich entnehmen, dass es dem Kläger aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung nachhaltig u.a. an Planungsfähigkeit sowie Durchhaltevermögen mangelte, und dass er sich bei gleichzeitiger Externalisierung von Verantwortlichkeit häufig selbst überschätzte. Dies beeinträchtigte nicht allein massiv seine soziale Eingliederung im Allgemeinen, sondern auch seine Fähigkeit, sich eigenständig im häuslichen Bereich zurechtzufinden. Seine erheblichen Schwierigkeiten, sich in ein geeignetes Wohnumfeld zu integrieren oder integrieren zu lassen, ziehen sich im Grunde seit seiner Kindheit durch seinen gesamten Lebenslauf. Die wesentliche Behinderung des Klägers ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.
62dd) Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sind ebenfalls erfüllt.
63(1) Das Gesetz selbst benennt insoweit kaum konkretere Vorgaben. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII - der im Vergleich zu der bis zum 30.06.2011 geltenden Vorläuferregelung (§ 19 EinglHV) zwar eine eindeutige Rechtsgrundlage für Hilfen zur Verselbständigung in betreuten Wohnmöglichkeiten liefern soll (vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 111), ohne dass jedoch diese gesetzgeberische Absicht die Auslegung der Vorschrift weiter befördern kann - benennt die "Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" als Beispiel für die ansonsten ihrer Art nach offenen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Der Begriff der (ambulant) betreuten Wohnmöglichkeiten findet sich sonst nur in der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII. Auch an dieser Stelle gibt das Gesetz jedoch nichts zur Präzisierung des Begriffs her (vgl. dazu auch ausführlich Dannat/Dillmann, br 2012, 1 ff., 2). Sicher erscheint allerdings, dass der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten in § 98 Abs. 5 SGB XII einerseits und in § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX andererseits inhaltlich identisch ist (vgl. BT.-Drs. 15/1514 S. 67 zu § 98 Abs. 5 SGB XII). Dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII "zu selbstbestimmtem" und "Wohnmöglichkeiten" lässt sich deshalb lediglich als Anhaltspunkt im Sinne einer Mindestvoraussetzung entnehmen, dass Leistungen des Bewo stets wohnungsbezogen sein und sich final ("zu") darauf richten müssen, ein selbstbestimmtes Leben in einer solchen Wohnmöglichkeit zu führen (vgl. dazu auch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Aus § 55 Abs. 1 SGB IX ergibt sich ferner, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Allgemeinen nicht in Betracht kommen, sofern sie bereits nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel SGB IX zu erbringen sind; ebenso wie nach § 2 SGB XII sind insofern bei der Frage, was Leistungen für betreuten Wohnmöglichkeiten sind, Subsidiaritätsgesichtspunkte zu beachten.
64(2) Die bisher - im Wesentlichen zu § 98 Abs. 5 SGB XII - vorliegende Rechtsprechung (insbesondere des BSG; vgl. Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f., bestätigt durch Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 16/11 R Rn. 17) gibt zwar Anhaltspunkte für eine inhaltliche Konkretisierung des Bewo; unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Anspruch auf Bewo-Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe besteht, legt sie jedoch nicht umfassend dar:
65(a) Das Urteil des BSG vom 25.08.2011 (a.a.O. Rn. 15, unter Hinweis auf LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 sowie OVG Bremen, Beschluss vom 26.06.2006 - S 3 B 188/06) führt zum Begriff des Bewo im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX (lediglich) konkretisierend aus, es komme nicht darauf an, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt werde. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten werde im Gesetz nicht näher definiert, habe sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zu orientieren. Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen habe deshalb in erster Linie anhand des Hilfezwecks zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim Bewo sei aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach dürfe es sich bei der Betreuung aber nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln; Hauptzielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein. Die von § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX erfassten Leistungen seien ihrer Art nach äußerst vielfältig und erfassten unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder in Wohngemeinschaften. Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten auf solche Wohnformen zu begrenzen, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft seien, wäre mit dem Regelungszweck des § 55 SGB IX unvereinbar.
66(b) Nach dem Urteil des LSG NRW vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 (Rn. 31 bis 33 m.w.N.) steht der Gewährung von Bewo-Leistungen nicht entgegen, wenn der Leistungsberechtigte die Wohnung, in der bzw. für die die Betreuungsleistungen erbracht werden sollen, selber anmietet, ohne dass dies mit der Betreuungsleistung verknüpft ist. Beim Bewo sei weniger auf die Wohnform abzustellen als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen. Allerdings handele es sich nur dann um Bewo, wenn fachlich geschulte Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei dürfe es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln; diese müssten vielmehr regelmäßig erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, welche auf die Verwirklichung einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein müsse. Die möglichen Hilfeleistungen umfassten insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurechtzufinden, die Wohnung eigenverantwortlich sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interessen zu artikulieren und adäquat zu vertreten. Auch eine Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe wohnenden Familienangehörigen könne der Hilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolge, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen könne.
67(c) Der Senat schließt sich den vorgenannten Entscheidungen dahingehend an, dass Bewo-Leistungen nicht nur dann erbracht werden können, wenn eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen vorliegt (eine ältere gegenteilige Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.06.2007 - L 13 SO 5/07 ER, des SG Oldenburg, Beschluss vom 19.12.2005 - S 2 SO 256/06 ER sowie des SG Stade, Urteile vom 21.12.2009 - S 33 SO 16/07 und S 33 SO 18/07 dürfte sich durch das Urteil des BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f. überholt haben). Allerdings müssen die fraglichen Leistungen final auf die Selbstständigkeit "beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein sowie eine gewisse Kontinuität aufweisen. Insofern besteht auch keine Differenz zur zu dieser Frage vorliegenden Literatur (vgl. z.B. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 52 bis 54, oder Dannat/Dillmann, br 2012, S. 1 ff.). Ob die Leistungen (mit dem LSG NRW a.a.O.) allein von fachlich geschultem Personal erbracht werden können und in ein Gesamtkonzept eingebunden sein müssen, oder ob hiervon je nach den Notwendigkeiten des Einzelfalls Ausnahmen möglich sind, kann der Senat im vorliegenden Zusammenhang offen lassen; denn der für die Beigeladene tätig gewordene Zeuge S besaß als Sozialarbeiter eine einschlägige fachliche Qualifikation; außerdem bestand ausweislich des Hilfeplans vom 30.12.2010 ein mit dem Betreuer des Klägers abgestimmtes Gesamtkonzept zu dessen Unterstützung.
68Davon ausgehend steht dem Leistungsanspruch des Klägers nicht entgegen, dass er im fraglichen Zeitraum in einer selbst angemieteten Wohnung gewohnt hat und die Leistungen vom Zeugen S unabhängig von der Anmietung der Wohnung erbracht wurden. Ferner waren die Leistungen auf gewisse Dauer, also auf Kontinuität angelegt und auch - zumindest teilweise unstreitig - auf das Ziel eines selbständigen Wohnens des Klägers bezogen. Eine solche Finalität der Leistungen lässt sich jedenfalls Ziffer 1 des Betreuungsvertrages vom 06.11.2010 entnehmen.
69(3) Fehlen konkretere gesetzliche Vorgaben für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewo-Leistungen im Einzelnen, so hat sich dessen weitere Prüfung am individuellen, personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe und damit an den sich daraus ergebenden konkreten Anforderungen zu orientieren. Diese hat das BSG (insbesondere in den Urteilen vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R) anknüpfend an die Vorschriften der §§ 9 Abs. 2, 53 Abs. 3 S. 2 und Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 4 Abs. 1 und 55 Abs. 1 SGB IX entwickelt (vgl. dazu ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 50 ff.). Zwar sind diese Entscheidungen zur KFZ-Hilfe (im Rahmen von § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV) ergangen; gleichwohl legen sie ausdrücklich Prüfungsschritte für jegliche Maßnahme der Eingliederungshilfe dar (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 14; im Übrigen hat das BSG selbst auf sein Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 Rn.14 Bezug genommen, in dem es jedoch um eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 SGB IX ging).
70Ausgehend von einem individuellen und personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe ist im Rahmen einer Prognose zu fragen, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Maßnahme verfolgt werden - dazu (a) -, ob die Maßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (b) - und ob sie erforderlich ist - dazu (c) - (vgl. dazu bereits ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 54 ff.).
71(a) Die für den Kläger vorgesehenen Maßnahmen waren ausweislich des Hilfeplanes vom 30.12.2010 und nach Ziff. 1 des Betreuungsvertrages vom 06.10.2010 - jedenfalls im Wesentlichen - auf das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung in einem eigenen Haushalt gerichtet. Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Vergleichsgruppe nicht behinderter, nicht sozialhilfebedürftiger Personen gleichen Alters (vgl. dazu näher Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 53 und 57 m.w.N.) ist dies (auch unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2 SGB XII) ein angemessenes Eingliederungshilfeziel. Denn nicht behinderte und nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesene 23-jährige Erwachsene führen, sofern sie nicht mehr im Elternhaus leben, üblicherweise ein selbständiges Leben in einem eigenen Haushalt. Die Altersgrenze von 25 Jahren in § 22 Abs. 5 SGB II steht dem nicht entgegen; denn bei den dort erfassten jungen Leistungsberechtigten nach dem SGB II geht es nicht um die hier maßgebende Vergleichsgruppe. Ohnehin war für den Kläger angesichts seiner problematischen Beziehung zur Mutter und die in der Vergangenheit gescheiterten Unterbringungen in anderen betreuten Wohnformen im hier fraglichen Zeitraum keine geeignete Unterkunftsalternative erkennbar (vgl. dazu auch § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II).
72(b) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen waren (zumindest im Wesentlichen; zu einzelnen Teilmaßnahmen siehe noch unten d) auch geeignet, das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des Klägers in einem eigenen Haushalt zu erreichen.
73Bestand zwischen Frau G und dem Beklagten ein Vertrag nach § 75 SGB XII, so ist davon auszugehen, dass die Leistungen qualitativ diesem Vertrag bzw. der Anlage I zum Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII entsprachen. Abweichungen sind denn auch weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich.
74Die Geeignetheit der von dem Kläger in Anspruch genommenen Leistungen kann jedenfalls bei der notwendigen prognostischen Ex-ante-Sicht nicht etwas deshalb verneint werden, weil von vornherein absehbar gewesen wäre, dass sie aufgrund der konkreten Umstände des Falles (insbesondere des Krankheitsbildes des Klägers) keine Aussicht auf Erfolg haben konnten. Zwar waren in der Vergangenheit zwei (z.T. sehr intensive) Bemühungen des Trägers der Jugendhilfe zur Eingliederung des Klägers in eine Bewo-Maßnahme erfolglos. Zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 lag die letzte dieser beiden Maßnahme jedoch bereits etwa zwei Jahre zurück; angesichts des damaligen Alters des Klägers war ein zwischenzeitlicher Entwicklungsfortschritt durch Nachreifung nicht ausgeschlossen. Sowohl der Hilfeplan vom 30.12.2010 als auch die fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. I vom 01.12.2010 sowie dessen Befundbericht vom 16.05.2014 befürworteten denn auch eine erneute Bewo-Maßnahme. Im Übrigen wurde in der fachlichen Stellungnahme des MPD vom 21.02.2011 nicht die Sinnhaftigkeit einer Bewo-Maßnahme bezweifelt, sondern nur die Frage aufgeworfen, ob andere Maßnahmen vorrangig sein könnten. Schließlich sprechen für eine prognostische Eignung der Maßnahme aus Ex-ante-Sicht auch die Ausführungen des Zeugen S bei seiner Vernehmung am 29.06.2012 sowie die von dem Zeugen gefertigte Verlaufsdokumentation, die hinsichtlich des genannten Eingliederungsziels positive Ansätze und Fortschritte des Klägers (etwa im Umgang mit Geld) erkennen lassen. Selbst wenn solche Fortschritte nicht erkennbar oder absehbar gewesen wären, würde dies jedoch die Eignung der Bewo-Maßnahme nicht grundsätzlich in Frage stellen. Der Senat hält es mit Blick auf § 53 Abs. 3 SGB XII vielmehr schon für ausreichend, wenn in diesem Fall die Maßnahme geeignet gewesen wäre, dem Kläger das Leben in einer eigenen Häuslichkeit im Sinne einer Zustandserhaltung zu ermöglichen (vgl. insoweit zu einer "zustandserhaltenden Beheimatung" im Rahmen stationärer Eingliederungshilfe das Urteil des erkennenden Senats vom 07.04.2008 - L 20 SO 53/06 Rn. 56 f.).
75(c) Die streitgegenständliche Bewo-Maßnahme war zudem (grundsätzlich) erforderlich.
76Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn das angestrebte Eingliederungsziel nicht auch durch andere (gleich geeignete und zumutbare) Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 17 f.; Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 63 ff.). Dies betrifft die in § 55 Abs. 1 SGB IX und § 2 SGB XII zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Eingliederungshilfe. Zur Beurteilung des Vorrang-/Nachrangverhältnisses der hier fraglichen Leistungen im Vergleich zu möglichen Alternativmaßnahmen ist jeweils danach zu differenzieren, auf welches Ziel denkbare Alternativen gerichtet sind, und ob sie mit Blick auf die Bewo-Maßnahme gleich, gleichartig, ihr entsprechend oder deckungsgleich sind (vgl. dazu Lachwitz in HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 55 Rn. 8 ff., 12; Luthe in jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 22 ff., 23).
77(aa) Insofern besteht vorliegend kein Vorrang von Leistungen nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel des SGB IX (wie ihn § 55 Abs. 1 SGB IX anordnet). Denn derartige Leistungen - d.h. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Fünftes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 33) sowie die unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen (Sechstes Kapitel SGB IX; vgl. dort § 44) - sind im Falle des Klägers schon begrifflich nicht einschlägig.
78Zwar ist im Vierten Kapitel des SGB IX (etwa unter § 26 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5 SGB IX) die psychotherapeutische Behandlung - ggf. einschließlich der von dem Beklagten als vorrangig angesehenen Anbindung an ein SPZ - angesprochen. Ein Vorrang solcher Maßnahmen vor denen des Bewo besteht jedenfalls im vorliegenden Fall gleichwohl nicht. Denn letztlich geht es bei diesen Maßnahmen nach dem Vierten Kapitel des SGB IX um therapeutische Einwirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand im Sinne des SGB V; diese sind aber damit nicht (jedenfalls nicht primär) auf die Ermöglichung selbstbestimmten Wohnens gerichtet (vgl. dazu insb. § 1 Abs. 1 S. 1 und § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V). Solche Maßnahmen und das im Falle des Klägers fragliche Bewo fallen vielmehr schon von ihrer Zielrichtung her auseinander. Auch wenn eine etwaige Therapiemaßnahme durch eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustandes zugleich die Fähigkeit des Klägers steigern mag, sein Leben im eigenen Haushalt zu bewältigen, führt dies als bloße (mögliche) Nebenfolge der Therapiemaßnahme jedenfalls im vorliegenden Einzelfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Kläger war gegenüber regelmäßigen psychotherapeutischen Behandlungen skeptisch; krankheitsbedingt war er ersichtlich nicht in der Lage, für sich den Sinn ambulanter Hilfs- bzw. Therapieangebote zu erkennen (sei es in Form einer ambulanten Psychotherapie, sei es durch eine Anbindung an ein SPZ), geschweige denn solche Angebote in Anspruch zu nehmen. Ein Gegenstand der hier streitigen Bewo-Leistung sollte es denn auch gerade sein, ihn an eine psychotherapeutische Behandlung bzw. sonstige ambulante Therapiemaßnahmen heranzuführen. Die genannten Alternativmaßnahmen bildeten deshalb - jedenfalls im hier fraglichen Zeitraum - keine naheliegende und damit vorrangige Gestaltungsmöglichkeit. Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine psychotherapeutische Behandlung keine gegenüber dem Bewo vorrangige Maßnahme sein kann, wenn der Betroffene - wie der Kläger - nicht bereit oder in der Lage ist, sich einer solchen Therapie zu unterziehen.
79(bb) Für eine vom Beklagten bzw. seinem MPD ins Feld geführte Anbindung des Klägers an eine Drogenberatungsstelle gilt im Ergebnis nichts anderes. Eine Drogenberatung ist auf den Umgang von suchtkranken bzw. suchtgefährdeten Personen oder ihrer Angehörigen mit einer (drohenden) Sucht und ggf. die Initiierung entsprechender Therapiemaßnahmen gerichtet (vgl. hierzu etwa das Angebot der Caritas unter http://www.caritas.de/ onlineberatung/sucht), jedoch nicht (primär) auf die Herbeiführung oder Stärkung der Fähigkeit, sich in einer eigenen Häuslichkeit zurecht zu finden. Hinzu kommt, dass beim Kläger weder nach dem Hilfeplan noch nach den Aufzeichnungen und den Äußerungen des Zeugen S noch nach dem Befundbericht des Dr. I vom 16.05.2014 eine Suchtproblematik im Vordergrund stand; deshalb ist ohnehin zweifelhaft, ob in der damaligen Situation des Klägers für eine Drogenberatung überhaupt ein Bedürfnis bestand.
80(cc) Auch eine denkbare Inanspruchnahme von Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP) als Unterfall der häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V) kam -unbeschadet der Ausführungen unter (aa) - nicht als vorrangige Leistung in Betracht. Denn Leistungen der häuslichen Krankenpflege werden nur als (Krankenhaus-)Vermeidungs- bzw. Behandlungssicherungspflege gewährt (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 SGB V). Beim Kläger bestand jedoch ersichtlich weder Bedarf noch Bereitschaft für eine Krankenhausbehandlung oder für eine fachpsychiatrische Behandlung, deren Erfolg durch eine APP hätte gesichert werden können. Ob auch das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung - die im Übrigen auch nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann (vgl. dazu nur § 4 Abs. 2 der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Nr. 6 SGB V einschließlich Anlage unter 27a) - einen Vorrang von Leistungen der APP verhindern kann, muss der Senat deshalb im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden.
81(dd) Schließlich besteht mit Blick auf den Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen gegenüber Leistungen des Bewo. Stellt § 2 SGB XII ohnehin keine eigenständige Ausschlussnorm dar (vgl. dazu etwa Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 2 Rn. 8 ff. m.w.N.), sind Aufgaben und Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§ 1896 ff. BGB einerseits und der Leistungen des Bewo anderseits grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen ihrer Art nach ineinander übergehen und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich jedoch komplementäre, aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende Leistungsbereiche.
82Denn die (gesetzliche) Betreuung umfasst gemäß § 1901 Abs. 1 BGB alle Tätigkeiten, die "erforderlich" sind, um die Angelegenheiten des Betreuten (nach weiterer Maßgabe der betreuungsrechtlichen Vorschriften des BGB) "rechtlich" zu besorgen. Dabei erzeugt die Voraussetzung der Erforderlichkeit einerseits und die Beschränkung der Betreuung auf allein rechtliche Besorgung von Angelegenheiten andererseits ein Spannungsverhältnis, für dessen Auflösung insbesondere die historische Gesetzesentwicklung zu beachten ist. Ausufernden Kosten für Betreuertätigkeiten sollte durch Beschränkung der Betreuung auf das rechtlich Notwendige und durch Abgrenzung von einer bloßen "sozialen Zuwendung" begegnet werden (vgl. BT-Drs. 13/7158 S. 33 f.). Im Grundsatz ist deshalb ein Betreuer - unabhängig vom Umfang seines Aufgabenkreises - nur für die Organisation erforderlicher tatsächlicher Maßnahmen verantwortlich; die tatsächlichen Hilfestellungen selbst muss er hingegen nicht erbringen (vgl. dazu z.B. Kieß in Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, § 1901 BGB Rn. 13 ff.). Andererseits kann er sich nicht auf eine bloß verwaltungsmäßige Führung der Betreuung zurückziehen; ein gewisses Maß an vertrauensbildenden bzw. -erhaltenden Maßnahmen und persönlicher Zuwendung ist vielmehr weiterhin Bestandteil jeder Betreuung, allerdings nur, soweit sie für die sachgerechte Durchführung der rechtlichen Betreuung geeignet und notwendig sind (Kieß a.a.O., Rn. 20 bis 28; BT-Drs. a.a.O.). Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen Bezug zu der ihm übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind - den Gesetzesmaterialien folgend - als Ausdruck menschlicher Zuwendung zwar wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen; sie gehören gleichwohl nicht zu den dem Betreuer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. a.a.O.).
83Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die rechtliche Betreuung gerade von sozialhilfeweiser Eingliederungshilfe abgegrenzt (BGH, Urteil vom 02.12.2010 - III ZR 19/10 Rn. 19 m.w.N.). Nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB dürfe ein Betreuer nicht für Angelegenheiten bestellt werden, die durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt werde, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Die Betreuung erstrecke sich vielmehr nur auf Tätigkeiten, die erforderlich seien, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen (§ 1901 Abs. 1 BGB). Hiervon seien solche Tätigkeiten nicht umfasst, die sich in der tatsächlichen Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpften, ohne zu dessen Rechtsfürsorge erforderlich zu sein. Der Betreuer habe solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren, nicht jedoch selbst zu leisten. Tätigkeiten außerhalb der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten gehörten insbesondere dann nicht zu seinem Aufgabenbereich, wenn deren Vergütung durch andere Kostenträger - etwa die der Sozialhilfe - geregelt sei. Davon ausgehend falle etwa die (tatsächliche) Verwaltung des sozialhilferechtlichen Barbetrages in einer stationären Einrichtung dem Heimpersonal als Leistung der Eingliederungshilfe zu. Die Subsidiarität der Sozialhilfe stehe der Gewährung von Eingliederungshilfe in Form der Verwaltung des Barbetrags nicht entgegen. Denn zwar werde Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII nur nachrangig gegenüber den Leistungen Dritter gewährt; dies wirke sich jedoch nicht aus, weil eine für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge eingerichtete Betreuung den Betreuer nicht zur tatsächlichen Verwaltung der Barbeträge verpflichte und daher entsprechende Leistungen der Sozialhilfe nicht erübrige.
84Der Senat macht sich diese vom Bundesgerichtshof erkannte Abgrenzung zu Eigen; wegen der die Erforderlichkeit einer Betreuung begrenzenden Regelung in § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB steht auch bei Überschneidungen der Aufgabenbereiche von Betreuung und Eingliederungshilfe der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII (hier insbesondere nach dessen Abs. 2) der Gewährung von Eingliederungshilfe trotz eingerichteter Betreuung nicht entgegen. Vielmehr ist - im Gegenteil - die Betreuerleistung nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB ihrerseits subsidiär gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe. Wie zu verfahren wäre, wenn im Einzelfall trotz Naheliegen einer Betreuung (noch) keine gesetzliche Betreuung eingerichtet ist, hat der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.
85Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung zwischen dem Bewo zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei anderen, ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen, die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen Aktivitäten in den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt wurden und in die Abrechnung der Beigeladenen eingeflossen sind (dazu sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht ausschließlich Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht sämtliche erbrachten Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.
86d) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen fallen in einem zeitlichen Umfang von zumindest 24,33 FLS (also jedenfalls in einem Umfang, für den das Sozialgericht den Beklagten zur Kostenübernahme verpflichtet hat) als Maßnahmen der Eingliederungshilfe in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (und nicht in den des gesetzlichen Betreuers).
87Der Senat legt insoweit im Wesentlichen die Informationen zu Grunde, die sich aus der vom Zeugen S erstellten (erst im Berufungsverfahren beigezogenen) Betreuungsdokumentation ergeben. Die dortigen Einzelvermerke geben sowohl zum Inhalt als auch zur Dauer der jeweiligen Betreuungsleistungen erheblich differenzierter Aufschluss als die Angaben des Zeugen vor dem Sozialgericht am 29.06.2012. Hat der Zeuge die einzelnen Dokumentationsbeiträge (offenbar) zeitnah zur jeweiligen Betreuungsleistung gefertigt, so erscheinen sie wesentlich verlässlicher als seine protokollierten mündlichen Angaben während seiner Vernehmung, welche erst etwa 15 Monate nach Auslaufen der Leistungen nur auf dem Gedächtnis des Zeugen beruhten.
88Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen zur Abgrenzung von der gesetzlichen Betreuung stellen sämtliche Leistungen des Zeugen S, die sich auf das Erstellen von Haushaltsplänen, auf Gespräche über Einkaufs- und Konsumverhalten, auf Schulung im Umgang mit Geld usw. beziehen, ohne Weiteres Bewo-Leistungen dar. Denn ohne Kenntnisse und Fertigkeiten in der Haushaltsführung ist ein selbständiges und eigenverantwortliches Wohnen nicht denkbar. Zugleich besteht keinerlei Zusammenhang mit einer allein rechtlichen Hilfestellung.
89Auch die Anbahnung ärztlicher oder therapeutischer Behandlungen bzw. Versuche, den Kläger zu solchen Behandlungen zu motivieren, sieht der Senat jedenfalls dann als Leistungen des Bewo an, wenn sie sich - wie im Einzelfall des Klägers - in einem überschaubaren Rahmen halten und die Behandlung bzw. Therapie auf eine Stabilisierung im häuslichen Umfeld gerichtet ist. Von Letzterem ist bei psychotherapeutischen Behandlungen für das Krankheitsbild des Klägers auszugehen (ob in einem - vorliegend nicht einschlägigen - Ausnahmefall des § 37a SGB V anderes gälte, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden). Abzugrenzen ist insoweit von den rein rechtlichen Entscheidungen etwa über eine konkrete Therapieaufnahme, eine Auswahl des Therapeuten bzw. Arztes, die Abgabe von Einverständniserklärungen u.ä. Derartige rechtliche Hilfestellungen fielen im vorliegenden Fall jedoch nicht an; denn die Bemühungen des Zeugen S mündeten nicht in der konkreten Aufnahme einer (insbesondere psychotherapeutischen) Behandlung.
90Auch die Begleitung zu Ämtern und Behörden rechnet der Senat zu den Bewo-Leistungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Begleitung (hier etwa das Aufsuchen des Jobcenters) dazu dient, das Nötige zu tun, um den notwendigen Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der Unterkunft sicherzustellen. Nur sofern in diesem Rahmen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben sind, fällt dies in die Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S insoweit seinen Aufgabenbereich überschritten hätte, bestehen nicht; denn der Betreuer des Klägers hat im Erörterungstermin am 29.06.2012 nachvollziehbar angegeben, in der Regel habe er Termine bei Ämtern und Behörden wahrgenommen, bei denen der Zeuge manchmal mit dabei gewesen sei.
91In entsprechender Weise sind die Aufgabenkreise auch hinsichtlich der Bearbeitung von Post abzugrenzen. Anders als das Sozialgericht sieht der Senat insoweit keine umfassende Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers, selbst wenn sich dessen Bestellung (auch) auf die Postkontrolle erstreckt. Denn rein lebenspraktische Vorgänge wie das Sichten, inhaltliche Erfassen und Vorsortieren der Post sowie das Trennen von tatsächlich Wichtigem und Unwichtigem sind der Hilfe zur selbstständigen Lebensführung im Bewo zuzurechnen. Nur rechtlich bedeutsame Handlungen (etwa eine rechtsrelevante Bearbeitung von Post durch Prüfung, ob fristgerecht Widerspruch eingelegt werden soll, etc.) wären Aufgabe des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S in Überschreitung seines Aufgabenkreises für den Kläger solche Rechtshandlungen vollzogen hätte, ergeben sich weder aus seinen Aufzeichnungen noch aus den Übrigen dem Senat vorliegenden Informationen.
92Schließlich sind auch die Aktivitäten des Zeugen S, die sich auf den Besuch einer Abendrealschule beziehen, (jedenfalls im Grundsatz) dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten zuzuweisen. Der Senat kann offenlassen, ob es sich dabei (ebenfalls) um Bewo-Leistungen handelt oder (zumindest auch) um solche zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung (gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV). Einerseits ergeben sich Zweifel an der Zuordnung dieser Aktivitäten zum Bewo insoweit, als eine finale Ausrichtung auf das Wohnen fehlen könnte. Andererseits erscheint, anknüpfend an den Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, eine Hilfe zur selbstbestimmten Lebensgestaltung in einer eigenen Häuslichkeit auch durch Unterstützung des Klägers beim Schulbesuch denkbar, also wiederum als Bewo-Leistung. Hierauf kommt es jedoch nicht an; denn es sind (jedenfalls auch) die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV erfüllt. Dass der Kläger zu Beginn des fraglichen Zeitraums bereits sein 23. Lebensjahr vollendet und spätestens mit der Nachholung des Hauptschulabschlusses auch seine allgemeine Schulpflicht erfüllt hatte, steht einer Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung nicht entgegen. Die genannten Leistungen können vielmehr auch nach der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht noch erbracht werden, wenn der Unterrichtsbesuch durch unverschuldete Unterrichtsausfälle, Krankheit o.ä. hinausgezögert wurde (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, § 54 Rn. 41; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 54 Rn. 53 - beide unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.04.1992 - 5 C 1/88). Unterstützung beim bzw. Motivation zu einem Schulbesuch fällt nicht etwa in den (Eingliederungshilfeleistungen ausschließenden) Kernbereich pädagogischer Arbeit (vgl. dazu Wehrhahn a.a.O. Rn. 54). Der Besuch einer Realschule ist in § 12 Nr. 3 EinglHV zudem ausdrücklich genannt, so dass hierauf gerichtete Hilfen ohne Weiteres zum Leistungsspektrum zählen. Ein Nachholen des Realschulabschlusses kann im vorliegenden Einzelfall schließlich auch nicht (im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII) als unangemessen angesehen werden. Denn zwar hatte der Kläger ersichtlich behinderungsbedingt Schwierigkeiten, bestimmte Ziele mit dem notwendigen Durchhaltevermögen zu verfolgen. Durch Nachholung des Hauptschulabschlusses im Jahr 2005 hatte er jedoch bereits gezeigt, zu einem gewissen Durchhaltevermögen durchaus gelangen zu können. Dementsprechend hat etwa das Jobcenter der Maßnahme Erfolgsaussichten beigemessen, wenn es mit Blick auf die (Wieder-)Aufnahme der Schulausbildung (wieder) zu aufstockenden Leistungen an den Kläger bereit war. Nach den dem Senat vorliegenden Informationen, insbesondere mit Blick auf das Gutachten des Dr. P vom 20.09.2007 aus dem Betreuungsverfahren und das Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009, liegen zudem keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Realschulabschluss das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers überfordern würde. Insofern wäre ein solcher Abschluss eine für den Kläger angemessene Schulbildung; der Einwand des Beklagten, der Kläger verfüge bereits über einen Hauptschulabschluss, verfängt deshalb nicht. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW ist der Beklagte schließlich auch für die Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung zuständig.
93In der Gesamtschau handelt es sich bei nahezu sämtlichen laut der Verlaufsdokumentation vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Hilfestellungen um Eingliederungshilfe (i.S.v. §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX und/oder § 12 EinglHV). Zweifel könnten allenfalls bestehen, ob die am 09.11.2010 und am 31.03.2011 erbrachten Leistungen "Begleitung zur Abendrealschule wg. Anmeldung. Anschließend Unterstützung bei Besorgungen" (190 Minuten) bzw. "Information, dass Antrag auf Bewo abgelehnt wurde und Erläuterung des Widerspruchsverfahrens. Geldauszahlung" (30 Minuten) vollständig dazu zu rechnen sind. Einer abschließenden Beurteilung bedarf dies jedoch nicht; denn selbst wenn man diese beiden Hilfestellungen vollständig von den insgesamt für den Kläger erbrachten FLS in Abzug bringt, verbleibt immer noch ein Zeitraum von (deutlich) mehr als 24,33 FLS.
94III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
95Durch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten bleibt die - inhaltlich nicht zu beanstandende - Kostenentscheidung des Sozialgerichts bestehen. Da der Beklagte im Berufungsverfahren vollständig unterlegen ist, hat er die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers insoweit in vollem Umfang zu tragen.
96Es entspricht im vorliegenden Fall nicht billigem Ermessen, der Beigeladenen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; denn sie hat keinen Antrag gestellt und sich auch inhaltlich nicht am Verfahren beteiligt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 11a).
97IV. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.
(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.
(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit
- 1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist, - 2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt, - 3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten, - 4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.
(1) Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen (vereinbarten) Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen herzustellen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 77 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(2) Der Kürzungsbetrag ist an den Träger der Sozialhilfe bis zu der Höhe zurückzuzahlen, in der die Leistung vom Träger der Sozialhilfe erbracht worden ist, und im Übrigen an den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.
(3) Der Kürzungsbetrag kann nicht über die Vergütungen refinanziert werden. Darüber hinaus besteht hinsichtlich des Kürzungsbetrags kein Anspruch auf Nachverhandlung gemäß § 77a Absatz 2.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
- 1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder - 2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn
- 1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und - 2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme
- 1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, - 2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder - 3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall
- 1.
in ambulanter Form, - 2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen, - 3.
durch geeignete Pflegepersonen und - 4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.
(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.
(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.
(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.
(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.
(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Für die Sozialhilfe sachlich zuständig ist der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist.
(2) Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird nach Landesrecht bestimmt. Dabei soll berücksichtigt werden, dass so weit wie möglich für Leistungen im Sinne von § 8 Nr. 1 bis 6 jeweils eine einheitliche sachliche Zuständigkeit gegeben ist.
(3) Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für
- 1.
(weggefallen) - 2.
Leistungen der Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 bis 66, - 3.
Leistungen der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach den §§ 67 bis 69, - 4.
Leistungen der Blindenhilfe nach § 72
(4) Die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung umfasst auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74.
(5) (weggefallen)
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
§ 44 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass
- 1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraumes beantragt wird, - 2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.
(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.
(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit
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dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist, - 2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt, - 3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten, - 4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.
(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.
(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.
(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.
(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.
(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.
(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.
(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 22. November 2010 wird zurückgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit ist die Übernahme von Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).
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Der 1997 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an dem sogenannten Rubinstein-Taybi-Syndrom mit Absence-Epilepsie, verzögerter Entwicklung, Minderwuchs und geistiger Behinderung, verbunden mit Hyperaktivität und teilweiser Aggressivität. Er lebt seit seinem 4. Lebensmonat in einer Pflegefamilie, in die er direkt nach dem Klinikaufenthalt nach seiner Geburt aufgenommen wurde. Das staatliche Schulamt für den Landkreis G. und den V. stellte beim Kläger einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Sinne des Besuchs einer Schule für praktisch Bildbare fest und wies ihn zum 1.8.2005 der staatlichen M.-Schule in G. zu. Da die Pflegeeltern die sonderpädagogische Förderung des Klägers an der nach den Grundsätzen der anthroposophischen Heilpädagogik und der Waldorfpädagogik unterrichtenden privaten B.-Schule wünschten, erklärte das staatliche Schulamt gleichzeitig sein Einverständnis, den sonderpädagogischen Förderbedarf dort zu erfüllen, sofern die Frage der Kostenübernahme mit dem Schulverwaltungsamt des Kreisausschusses des Landkreises G. geklärt sei (Bescheid vom 31.5.2005). Nachdem die Pflegeeltern für den Kläger mit dem Träger der B.-Schule einen Schulvertrag ab 1.8.2005 abgeschlossen und dabei ein monatliches Schulgeld in Höhe von 303,92 Euro vereinbart hatten, wurde der Kläger am 5.9.2005 in die B.-Schule eingeschult. Den vom Träger der Schule - nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) - namens und im Auftrag der Pflegeeltern gestellten Antrag auf Übernahme des Schulgelds lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 22.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 19.4.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts
Gießen vom 11.11.2008; Urteil des Hessischen LSG vom 22.11.2010) . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Besuch der B.-Schule sei keine für eine angemessene Schulbildung des Klägers erforderliche Maßnahme. Hieran ändere auch die schulrechtliche Einstufung durch das staatliche Schulamt, an die der Sozialhilfeträger gebunden sei, nichts, weil eine Zuweisung nur an die staatliche M.-Schule erfolgt sei, während der Besuch der B.-Schule ausschließlich als mögliche Beschulungsalternative gestattet worden sei. Beide Schulen seien geeignete Förderschulen zur Erfüllung des besonderen sonderpädagogischen Bedarfs des Klägers. Auch das Elternrecht aus Art 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) biete als Abwehrrecht keinen Anspruch auf Vermittlung pädagogischer Lehrinhalte und Bildungsziele außerhalb öffentlicher Schulen. Ein Anspruch könne auch nicht aus Art 7 Abs 4 Satz 1 GG hergeleitet werden, weil insoweit nur das private Ersatzschulwesen geschützt werde, nicht jedoch auch das Recht der Eltern, eine private Ersatzschule kostenfrei zu wählen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII und § 12 Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO) und macht Verfahrensfehler geltend. Zu Unrecht gehe das LSG davon aus, dass der Besuch einer privaten Förderschule und der damit verbundene Schulgeldaufwand bei Bestehen einer gleichwertigen kostenfreien Beschulungsmöglichkeit nicht erforderlich iS von § 12 Eingliederungshilfe-VO sei. Zwar hätte sein schulischer Förderbedarf auch durch den Besuch der M.-Schule sichergestellt werden können; das Berufungsgericht lasse aber unberücksichtigt, dass die Pflegeeltern mit ihrer Auswahlentscheidung den von den staatlichen Schulbehörden eingeräumten Rahmen mit einer für den beklagten Sozialhilfeträger ebenso verbindlichen Weise ausgefüllt hätten, wie dies durch eine förmliche Zuweisung der Schulbehörden geschehen wäre. Folge man der Auffassung des LSG liefen das eingeräumte Wahlrecht und letztlich die Bestimmung des § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII leer, wenn Eltern die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten nicht aufbringen könnten. Sei schulrechtlich eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Förder- und privater Ersatzschule eröffnet, setze eine generelle Beschränkung der Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung auf den Besuch öffentlicher Schulen nach der Rechtsprechung des 6. Senats des LSG (Urteil vom 18.8.2010 - L 6 SO 5/10) verfassungsrechtlich eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers voraus. Durch den unterlassenen Hinweis, dem 6. Senat nicht folgen zu wollen, habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt (Überraschungsentscheidung). Auch habe sich das LSG nicht mit dem Vortrag auseinandergesetzt, dass der Beklagte mit seiner (des Klägers) Beschulung in der B.-Schule einverstanden gewesen sei und sich hieraus die Verpflichtung ableite, auch für die entstehenden Beschulungskosten einzustehen. Unterblieben sei schließlich die Prüfung, ob eine Aufnahme in die M.-Schule nicht an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre.
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Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm 303,92 Euro monatlich für die Zeit vom 1.8.2005 bis 18.10.2009 zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz
) . Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des monatlichen Schulgelds in Höhe von 303,92 Euro bzw in Höhe des für Oktober 2009 maßgeblichen Teils davon für den Besuch der B.-Schule.
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Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zulässigerweise nur der Bescheid des Beklagten vom 22.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.4.2006 (§ 95 SGG) über die Ablehnung der Übernahme des Schulgelds als abgrenzbaren Streitgegenstand im Rahmen der Eingliederungshilfe. Gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 SGG). Sozial erfahrene Dritte waren vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht zu beteiligen (§ 116 Abs 2 SGB XII in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 iVm § 8 Abs 2 des Hessischen Ausführungsgesetzes zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
vom 20.12.2004 - GVBl 488) . Nicht Streitgegenstand sind Leistungen für den Lebensunterhalt, auch nicht im Rahmen des sog Meistbegünstigungsprinzips, wonach zur Sicherstellung einer möglichst weitgehenden Verwirklichung sozialer Rechte (§ 2 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -; vgl dazu: Voelzke in juris PraxisKommentar SGB I, 2. Aufl 2011 - online -, § 2 RdNr 26; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 44, Stand Dezember 2005) , Anträge bzw Rechtsbehelfe ohne Bindung an den Wortlaut nach dem wirklichen Willen des Antragstellers auszulegen sind (BSG SozR 4-3500 § 44 Nr 2 RdNr 13); denn eine abweichende Festlegung des Bedarfs wegen der Verpflichtung zur Zahlung des Schulgelds (§ 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII) kommt ohnedies nicht in Betracht (siehe dazu unten).
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Nach § 53 Abs 1 Satz 1(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) iVm § 54 Abs 1 SGB XII(in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch; für die Zeit ab 5.8.2009 in der Normfassung des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom 30.7.2009 - BGBl I 2495) erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
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Vorliegend ist es schon fraglich, ob der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs 1 HAG/SGB XII idF des Gesetzes vom 20.12.2004) für den streitigen Anspruch auf Übernahme des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe der sachlich zuständige Sozialhilfeträger ist. Abweichend von § 100 Bundessozialhilfegesetz(BSHG; in der nach Art 68 Abs 2 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch bis 31.12.2006 fortgeltenden Fassung) bzw ab 1.7.2007 § 97 Abs 3 Nr 1 SGB XII (Art 70 Abs 2 S 6 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch) regelt § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 HAG/SGB XII(bis 31.6.2006 in der nach § 13 Abs 3 HAG/SGB XII bestimmten Fassung) die sachliche Zuständigkeit von örtlichem bzw überörtlichem Sozialhilfeträger. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe für Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII nur sachlich zuständig, sofern diese in einer Einrichtung zur stationären oder teilstationären Betreuung zu gewähren sind. Eine (teilstationäre) "Einrichtung" im Sinne des SGB XII (§ 13 SGB XII)ist ein in einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist und Leistungen der Sozialhilfe erbringt (BVerwGE 95, 149, 152; Bundesverwaltungsgericht
, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGB 1995, 535 ff; BSGE 106, 264 ff RdNr 13 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2) .
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Ob eine Schule (anders als etwa die der Schule angegliederte Behinderteneinrichtung) eine teilstationäre Einrichtung in diesem Sinne ist, insbesondere Leistungen der Sozialhilfe erbringt (vgl dazu BVerwGE 48, 228, 231, das zwischen allgemeinen Schulen und Schulen unterscheidet, in denen über die bloße Vermittlung des Lernstoffs hinaus ein besonderes Maß an Betreuung erforderlich ist), ist zweifelhaft, wobei es für die Ablehnung der Leistung wegen Unzuständigkeit genügt, dass Sozialhilfeleistungen geltend gemacht werden. Für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit ist es jedenfalls nicht - wie der Beklagte meint - ausreichend, dass er aufgrund langjähriger Praxis bei Pflegefamilienverhältnissen (im Rahmen des § 97 Abs 5 SGB XII) auch die Begleitkosten übernimmt, sofern diese übernahmefähig sind. Eine solche Annex-Kompetenz, wie sie etwa § 2 Abs 2 HAG/SGB XII(in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung) vorsieht, setzt nämlich die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers für die im Rahmen eines Pflegefamilienverhältnisses zu erbringende Eingliederungshilfe voraus, an der es vorliegend fehlen könnte. Im Ergebnis kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil der Kläger auch bei unterstellter sachlicher Zuständigkeit des Beklagten keinen Anspruch auf die im Streit stehende Leistung hat.
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII für eine Pflichtleistung. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach § 2 Abs 1 SGB IX sind erfüllt, wenn die geistige Fähigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach den Feststellungen des LSG liegt eine solche Behinderung vor.
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Die geistige Behinderung ist auch wesentlich. Wann dies der Fall ist, ist § 2 Eingliederungshilfe-VO zu entnehmen, wonach eine wesentliche Behinderung vorliegt, wenn infolge einer Schwäche der geistigen Kräfte in erheblichem Umfang die Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft eingeschränkt ist. Dies richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalls und hängt deshalb von sehr unterschiedlichen, durch die individuelle Behinderung geprägten Umständen ab (BVerwG Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr 12 S 2). Insoweit ist wie bei der Prüfung der Behinderung auch ihre Wesentlichkeit wertend auszurichten, insbesondere an den Auswirkungen für die Eingliederung in die Gesellschaft. Entscheidend ist mithin nicht, wie stark die geistigen Kräfte beeinträchtigt sind und in welchem Umfang ein Funktionsdefizit vorliegt, sondern wie sich die Beeinträchtigung auf die Teilhabemöglichkeit auswirkt (vgl BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Stehen - wie hier - die mit einer Behinderung einhergehenden Beeinträchtigungen der erfolgreichen Teilnahme des Klägers am Unterricht in einer allgemeinen (Grund-)Schule entgegen (vgl auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02), weil Lerninhalte ohne zusätzliche Hilfestellung nicht aufgenommen und verarbeitet werden können, und erfordert die geistige Behinderung deshalb einen sonderpädagogischen Förderbedarf, um die mögliche Vermittlung praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten überhaupt erst zu ermöglichen, ist die Behinderung nach den oben aufgezeigten Grundsätzen wesentlich; denn eine Grundschulbildung bildet die essentielle Basis für jegliche weitere Schullaufbahn (vgl: BSGE 110, 301 ff RdNr 19 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8; BSGE 109, 199 ff RdNr 22 = SozR 4-2500 § 33 Nr 37).
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Gehört der Kläger danach zwar zu dem leistungsberechtigten Personenkreis, scheitert ein Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds aber daran, dass es sich insoweit nicht um eine Leistung der Eingliederungshilfe handelt. Nach § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII sind Leistungen der Eingliederungshilfe neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX auch Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu. Erfasst sind von dem Wortlaut der Vorschrift ("Hilfen") nur Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSGE 110, 301 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Dies bestätigt auch § 12 Eingliederungshilfe-VO, der seinerseits nur von "Hilfe zu einer angemessenen Schulausbildung" spricht. Die von dieser Hilfe nach § 12 Eingliederungshilfe-VO (auch) erfassten Regelbeispiele betreffen dementsprechend nur die Schulbildung begleitende Maßnahmen. Die Schulbildung selbst, also der Kernbereich der pädagogischen Arbeit, der sich nach der Gesetzessystematik nicht unter Auslegung der schulrechtlichen Bestimmungen, sondern der sozialhilferechtlichen Regelungen bestimmt, obliegt hingegen allein den Schulträgern. Art 7 Abs 1 GG überträgt dem Staat einen (außerhalb des Sozialhilferechts liegenden) eigenständigen Unterrichts- und Bildungsauftrag im Schulbereich (BSG, aaO, RdNr 21; BVerfGE 47, 46, 71 f; 98, 218, 241).
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Dass der Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule den Regelungen über die Eingliederungshilfe entzogen ist, bestätigt § 54 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII dadurch, dass die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht(hier: Art 56 ff Hessische Landesverfassung iVm dem Hessischen Schulgesetz idF vom 14.6.2005 - GVBl 441) unberührt bleiben sollen. Die schulrechtlichen Verpflichtungen bestehen also grundsätzlich neben den sozialhilferechtlichen, ohne dass sie sich gegenseitig inhaltlich beeinflussen (BSG aaO). Auch das BVerwG hat in seiner Entscheidung vom 13.8.1992 - 5 C 70/88 - (Buchholz 436.0 § 11 BSHG Nr 16 S 3) ausgeführt, dass der Staat mit der Einrichtung der öffentlichen Grundschulen seinen Bildungs- und Erziehungsauftrag aus Art 7 Abs 1 GG nachkomme und die Schulgeldfreiheit aus übergreifenden bildungs- und sozialpolitischen Gründen eine eigenständige (landesrechtliche) Regelung außerhalb des Sozialhilferechts gefunden habe, sodass für einen Rechtsanspruch gegen den Sozialhilfeträger zur Deckung eines im Grundschulalter angemessenen Bildungsbedarfs Aufnahmebeiträge und monatliches Schulgeld für den Besuch einer privaten Grundschule als Sozialhilfeleistung nicht zu übernehmen seien. Dabei ist das BVerwG in Bezug auf die erforderliche Hilfe nicht von einer nach Maßgabe des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe zu lösenden Anspruchskonkurrenz, sondern von einem Verhältnis der "Spezialität" ausgegangen, wobei es eine Ausnahme von diesem Grundsatz für möglich hielt, wenn der Besuch einer öffentlichen Grundschule aus objektiven Gründen (zB wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Wohnort) oder aus schwerwiegenden subjektiven (persönlichen) Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar sei. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG auch für Leistungen der Eingliederungshilfe bestätigt (Beschluss vom 2.9.2003 - 5 B 259/02) und ausdrücklich ausgeführt, dass ein nachrangiges Eintreten der Sozialhilfe (nur) für solche Bedarfe nicht ausgeschlossen sei, die nicht in der Deckung des unmittelbaren Ausbildungsbedarfs im Rahmen der Schulpflicht bestünden, sondern damit lediglich - mehr oder weniger eng - zusammenhingen, etwa wie bei der Bereitstellung eines Integrationshelfers für behinderte Kinder an Regelschulen.
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Nach diesen Maßstäben hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung des Schulgelds als Leistung der Eingliederungshilfe. Zu dem Kernbereich der Schule gehören alle schulischen Maßnahmen, die dazu dienen, die staatlichen Lehrziele zu erreichen, in erster Linie also der (unentgeltliche) Unterricht, der die für den erfolgreichen Abschluss notwendigen Kenntnisse vermitteln soll. Damit unterliegt auch das vom Kläger begehrte Schulgeld unmittelbar diesem Kernbereich, weil die Übernahme des Schulgelds die von der Schule selbst zu erbringende Leistung, also den Unterricht, finanziert, mithin den schulischen Bildungsauftrag erfüllt und keine bloß unterstützende Leistung im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung darstellt. Wie die Entscheidung des Schulamts auszulegen ist und inwieweit sie auch für den Beklagten Bindungswirkung entfaltet (vgl dazu BVerwGE 130, 1 ff), ist danach ohne Belang. Ebenso spielt es in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass sich der Beklagte mit der Beschulung in die B.-Schule einverstanden erklärt hat. Die Ausübung eines Wahlrechts, welche Schule besucht wird, hat nicht zur Folge, dass der Sozialhilfeträger ein etwaiges Schulgeld zahlen müsste.
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Schulgeld wäre - abgesehen davon, dass es hier nicht Streitgegenstand ist (siehe oben) - auch nicht nach den Regelungen des Dritten bzw Vierten Kapitels des SGB XII zu erbringen. Entsprechende Leistungen könnten ggf zwar durch eine abweichende Festlegung des Regelsatzes nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII in der bis 31.12.2010 geltenden alten Fassung erbracht werden, dies würde aber voraussetzen, dass der Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abwiche. Der auf das Schulgeld gerichtete höhere Bedarf des Klägers wäre aber nicht unabweisbar. Nach den Feststellungen des LSG besteht für den Kläger eine gleichwertige und unentgeltliche Möglichkeit des Schulbesuchs an der Schule für praktisch Bildbare.
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Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht schon darin zu sehen, dass das LSG - ohne ausdrücklichen Hinweis - einer Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts nicht folgt. Da der Kläger unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung des Schulgelds hat, erübrigt sich im Übrigen - weil absolute Revisionsgründe nicht geltend gemacht werden - ein weiteres Eingehen auf den vermeintlichen Verfahrensfehler. Gleiches gilt für die behauptete Gehörsverletzung durch Übergehen des Vortrags, der Beklagte habe sich mit der Beschulung in der B.-Schule einverstanden erklärt (dazu auch oben). Soweit schließlich moniert wird, das LSG habe nicht geprüft, ob die Aufnahme in der M.-Schule an Kapazitäts- oder anderen Gründen gescheitert wäre (Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; § 103 SGG), hätte dargelegt werden müssen (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), warum sich das LSG - trotz Zuweisung des Klägers in die M.-Schule und Streitgegenstandsbegrenzung auf die Eingliederungshilfe - hätte gedrängt fühlen müssen, entsprechende Ermittlungen anzustellen. Für die Eingliederungshilfe wäre jedenfalls eine entsprechende Klärung ohne Bedeutung.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung
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die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, - 2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, - 3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder - 4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.
(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.
(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Für die Sozialhilfe örtlich zuständig ist der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung außerhalb seines Bereichs erbracht wird.
(1a) Abweichend von Absatz 1 ist im Falle der Auszahlung der Leistungen nach § 34 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und bei Anwendung von § 34a Absatz 7 der nach § 34c zuständige Träger der Sozialhilfe zuständig, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Schule liegt. Die Zuständigkeit nach Satz 1 umfasst auch Leistungen an Schülerinnen und Schüler, für die im Übrigen ein anderer Träger der Sozialhilfe nach Absatz 1 örtlich zuständig ist oder wäre.
(2) Für die stationäre Leistung ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung haben oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht innerhalb von vier Wochen nicht fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist oder ist ein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln oder liegt ein Eilfall vor, hat der nach Absatz 1 zuständige Träger der Sozialhilfe über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und sie vorläufig zu erbringen. Wird ein Kind in einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 geboren, tritt an die Stelle seines gewöhnlichen Aufenthalts der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter.
(3) In den Fällen des § 74 ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in den anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt.
(4) Für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, gelten die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 106 und 109 entsprechend.
(5) Für die Leistungen nach diesem Buch an Personen, die Leistungen nach dem Siebten und Achten Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre. Vor Inkrafttreten dieses Buches begründete Zuständigkeiten bleiben hiervon unberührt.
(6) Soweit Leistungen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches zu erbringen sind, richtet sich die örtliche Zuständigkeit für gleichzeitig zu erbringende Leistungen nach diesem Buch nach § 98 des Neunten Buches, soweit das Landesrecht keine abweichende Regelung trifft.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Mai 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen, soweit die Entscheidung den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten betrifft.
Tatbestand
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Im Streit ist (nur noch) die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 391 676,91 Euro für Leistungen der Hilfe zur Pflege (386 745,54 Euro) und der Eingliederungshilfe (4931,37 Euro) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), die der klagende Landkreis H in der Zeit vom 1.5.2007 bis 30.9.2009 an T S (S) erbracht hat.
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Der 1967 geborene erwerbsunfähige S leidet an einer neuromuskulären Muskeldystrophie vom Typ Duchenne. Bei ihm sind ein Grad der Behinderung von 100 durch das zuständige Versorgungsamt und die Pflegestufe III mit besonderem Härtefall durch die Pflegekasse festgestellt worden; seit Februar 1999 bezieht er vom Rentenversicherungsträger eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bis Anfang 1987 wohnte er in der Stadt M und verzog im März 1987 in die Stadt H, danach zum 1.9.1994 nach W (im Landkreis H). Von April 1987 bis einschließlich August 2003 erhielt er von der Stadt M (der früheren Beklagten zu 2) im Rahmen der Hilfe zur häuslichen Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Pflegegeld; außerdem wurden die Kosten des Zimmers für eine Betreuungsperson (Assistenzzimmer) und für eine besondere Pflegekraft (Arbeiterwohlfahrt H) übernommen sowie Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (Kfz-Hilfe) bis maximal 100 Euro monatlich (zuletzt Bescheid vom 17.6.2003) gewährt. Ab 1.9.2003 wurden die Leistungen durch den Kläger erbracht, der ab 1.1.2003 auch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Grundsicherungsgesetz zahlte.
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Wegen einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zog S am 1.5.2007 (wieder) nach M Einen (an ihn weitergeleiteten) Antrag auf Fortzahlung der bisher erbrachten Leistungen lehnte die Stadt M unter Hinweis auf die Regelung des § 98 Abs 5 SGB XII ab, wonach bei ambulant betreuten Wohnmöglichkeiten der Träger der Sozialhilfe (für alle Leistungen) örtlich zuständig sei (und bleibe), der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig gewesen sei oder gewesen wäre. Nachdem sich auch der Kläger und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe nicht für zuständig hielten, gewährte schließlich der Kläger die beantragten Leistungen, weil er im Rahmen eines Eilverfahrens vor dem Sozialgericht (SG) H verpflichtet worden war, vorläufig Leistungen im bisherigen Umfang über den 30.4.2007 hinaus bis zur Klärung der Zuständigkeit, längstens bis 31.8.2007, zu gewähren. Im Hinblick auf die weiterhin umstrittene Zuständigkeit erbrachte er Leistungen auch in der Zeit danach bis 30.9.2009. Am 24.5.2007 und erneut im Oktober 2007 machte er jedoch gegenüber der Stadt M einen Erstattungsanspruch geltend, den diese nach Bezifferung der Sozialhilfeaufwendungen für die Monate Mai bis August 2007 (47 446,31 Euro) ablehnte.
- 4
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Die am 14.2.2008 gegen den (jetzt noch allein) beklagten Kreis M erhobene und am 15.9.2008 auf die Stadt M (frühere Beklagte zu 2) erweiterte Klage ist erfolgreich gewesen. Das SG hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger die Kosten der Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt 386 775,54 Euro sowie die Kosten der Eingliederungshilfe in Höhe von insgesamt 4931,37 Euro für die Zeit vom 1.5.2007 bis 30.9.2009 jeweils zuzüglich Zinsen zu erstatten; die Stadt M ist verurteilt worden, dem Kläger die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von insgesamt 9188,44 Euro für die Zeit vom 1.5.2007 bis 30.9.2009 zuzüglich Zinsen zu erstatten (Urteil des SG vom 5.11.2009). Die sachliche Zuständigkeit richte sich nach Landesrecht. Danach seien der Beklagte für Leistungen der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe und die Stadt M als "Delegationsbehörde" für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sachlich zuständig. Die hiergegen eingelegten Berufungen des Beklagten sowie der Stadt M waren nur hinsichtlich der Verurteilungen zur Zahlung von Zinsen erfolgreich; im Übrigen hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufungen zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 4.5.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG - auf die Gründe des Urteils des SG verweisend - ausgeführt, die Erstattungsansprüche ergäben sich aus § 2 Abs 3 iVm § 102 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), weil der Kläger nach einem Wechsel der Zuständigkeit vorläufig die Leistungen habe erbringen müssen. Nach dem Umzug des S ergebe sich die örtliche Zuständigkeit aus der allgemeinen Regelung des § 98 Abs 1 SGB XII, die auf den tatsächlichen Aufenthalt - hier M bzw bei Grundsicherungsleistungen auf den gewöhnlichen Aufenthalt abstelle. § 98 Abs 5 SGB XII finde keine Anwendung, weil betreutes Wohnen im Sinne dieser Vorschrift eine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnung und ambulanter Betreuung voraussetze.
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Mit seiner Revision - die Stadt M hat die zunächst ebenfalls eingelegte Revision zurückgenommen - rügt der Beklagte eine Verletzung des § 97 Abs 2 SGB XII iVm § 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen - NRW - (AG-SGB XII) vom 16.12.2004 (Gesetz- und Verordnungsblatt
816) iVm § 2 Abs 1 Nr 2 Ausführungsverordnung zum SGB XII für das Land NRW (AV-SGB XII) vom 16.12.2004 (GVBl 817) sowie des § 98 Abs 5 SGB XII und macht Verfahrensfehler geltend. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handele es sich bei den Leistungen, die S erhalten habe, um Leistungen in Form ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten, für die der Kläger nach § 98 Abs 5 SGB XII zuständig sei; eine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnung und ambulanter Betreuung sei nicht erforderlich. Selbst wenn die Ansicht des LSG zur örtlichen Zuständigkeit zuträfe, richte sich ein etwaiger Erstattungsanspruch gleichwohl gegen den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, weil dieser nach § 2 Abs 1 Nr 2 AV-SGB XII zuständig sei. Der von den Vorinstanzen angenommene Gleichlauf örtlicher und sachlicher Zuständigkeit bestehe schon deshalb nicht, weil § 2 Abs 1 Nr 2 AV-SGB XII andere Begrifflichkeiten verwende. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sei deshalb auch notwendig beizuladen gewesen; dabei wäre offenbar geworden, dass sich der "Kläger" ursprünglich zunächst an den Landschaftsverband gewandt und diesem gegenüber den "vermeintlichen Erstattungsanspruch" geltend gemacht habe. Diese Forderung habe der Landschaftsverband allein mangels örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen und den Antrag an den nach seiner Auffassung gemäß § 1 baden-württembergisches Gesetz zur Ausführung des SGB XII zuständigen überörtlichen Träger, den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg, weitergeleitet, der als "zweitangegangener" Träger nach § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) zuständig geworden sei.
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Der Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) , weil das Verfahren an einem von dem Beklagten gerügten Verfahrensmangel (fehlende Beiladung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe) leidet und tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung fehlen.
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Das LSG hätte den Landschaftsverband Westfalen-Lippe als möglichen anderen Leistungsverpflichteten gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt SGG (unechte notwendige Beiladung) beiladen müssen. Nach dieser Vorschrift sind Dritte beizuladen, wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt. Hierfür ist es nicht erforderlich, dass es für das LSG als erkennendes Gericht bereits feststeht, dass der Beklagte nicht leistungspflichtig ist; vielmehr genügt die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Leistungsverpflichteten (BSGE 97, 242 ff, RdNr 11 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSG SozR 1500 § 75 Nr 74 S 92; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 75 RdNr 12). Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut der Norm ("in Betracht kommt") als auch aus dem Sinn der Regelung. Die Frage der Notwendigkeit der Beiladung eines anderen Leistungsträgers kann nicht von der umfassenden Prüfung der Begründetheit der Klage abhängig gemacht und auf diese Weise durch das entscheidende Gericht für das Rechtsmittelgericht präjudiziert werden. Die Beiladung verfolgt nämlich (auch) das Ziel, rechtzeitig eine umfassende Klärung überhaupt erst herbeizuführen (Leitherer, aaO, RdNr 12a).
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Vorliegend besteht nach den vom LSG selbst verwerteten Sachverhalt unter Berücksichtigung des maßgebenden Landesrechts die ernsthafte Möglichkeit, dass der Landschaftsverband Westfalen-Lippe an Stelle des Beklagten erstattungspflichtig ist. Die Ausführungen des LSG sind insoweit teilweise nicht nachvollziehbar, teilweise widersprüchlich. So wird schon nicht deutlich, weshalb die Stadt M einen beim Kläger gestellten Antrag auf Fortgewährung der bisher erbrachten Leistungen für die Zeit ab 1.5.2007 abgelehnt haben soll (Bescheid vom 26.3.2007), gegen den nicht der um Hilfe nachsuchende S, sondern der Kläger selbst am 16.4.2007 Widerspruch eingelegt haben soll. Dem Urteil des LSG ist jedenfalls zu entnehmen, dass nicht nur der Beklagte und die Stadt M angegangen worden sind, sondern auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Demgemäß hat das LSG festgestellt, dass der Kläger "in einem an den Landschaftsverband gerichteten Schreiben" auf § 98 Abs 1 SGB XII verwiesen habe, weil es sich bei dem Hilfefall um Hilfe zur Pflege handele. Das LSG hat andererseits aber trotz Ablehnung der Voraussetzungen des § 98 Abs 5 SGB XII den Landschaftsverband nicht in seine Überlegungen, geschweige denn ins Verfahren, einbezogen. Dies hätte umso näher gelegen, als neben Grundsicherungsleistungen sowohl Pflegeleistungen als auch Eingliederungshilfeleistungen betroffen waren, für die - legt man die Rechtsauffassung des LSG zugrunde, dass § 98 Abs 5 SGB XII keine Anwendung findet - nach dem Landesrecht in NRW (AV-SGB XII) unterschiedliche Leistungsträger - auch der Landschaftsverband - als sachlich zuständige Sozialhilfeträger - von der Heranziehung anderer Behörden einmal abgesehen - in Betracht kommen können, ohne dass das LSG dies geprüft hat.
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Ohnehin sind die Ausführungen zum Landesrecht nicht nachvollziehbar und beziehen sich nur auf die Zuständigkeit für Leistungen des Ambulant-betreuten-Wohnens. Das LSG hat das Landesrecht außerdem keiner erkennbaren (eigenen) Prüfung unterzogen, sondern sich den Gründen des Urteils des SG angeschlossen. Dieses ging zwar von der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers unter Hinweis auf § 2 Abs 1 Nr 2 AV-SGB XII aus für alle Leistungen der Eingliederungshilfen nach § 54 SGB XII für behinderte Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern. Es hat dann aber - ohne schlüssige Begründung - den Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 2 AV-SGB XII offensichtlich mit einem - vom SG verneinten - Ambulant-betreuten-Wohnen gleichgesetzt.
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Schließlich könnte eine Zuständigkeit des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zumindest für die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form einer Kfz-Hilfe nach § 2 Abs 2 Nr 4 AV-SGB XII gegeben sein; diese Zuständigkeitsregelung haben weder SG noch LSG geprüft oder ausgelegt. Angesichts dieser gesamten Umstände, der Widersprüche und der unvollständigen bzw unterlassenen Auslegung des Landesrechts durfte das LSG eine mögliche Verpflichtung des Landschaftsverbands zur Leistung nicht von vornherein ausschließen und hätte ihn nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG beiladen müssen, um eine abschließende Klärung herbeizuführen.
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Auf welche Anspruchsgrundlage ein eventueller Erstattungsanspruch gestützt werden kann, bedarf weiterer, unterschiedlicher Feststellungen - insbesondere zum genauen Verfahrensablauf bei Geltendmachung der Ansprüche durch S im Hinblick auf § 14 SGB IX -, sodass eine genauere Auseinandersetzung mit den einzelnen, denkbaren Anspruchsnormen untunlich ist. Insoweit hat der Senat auch davon abgesehen, die endgültigen Ermittlungen zur Antragstellung und zur Zuständigkeit und die notwendige Beiladung des Landschaftsverbands selbst vorzunehmen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil sie die Auslegung von Landesrecht erfordert hätte, um den (örtlich) und sachlich zuständigen Leistungsträger zu bestimmen. Deshalb kann offen bleiben, ob der Senat an die Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 SGG) durch das LSG überhaupt gebunden ist (vgl § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung; dazu allgemein Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 7 ff mwN), wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts den gerügten Verfahrensfehler einer unterlassenen notwendigen echten Beiladung betreffen.
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Zwar ist eine Beiladung im Revisionsverfahren mit Zustimmung des Beizuladenden möglich (§ 168 Satz 2 SGG). Die Beiladung selbst kann jedoch dem LSG überlassen werden, wenn auch ohne den verfahrensrechtlichen Mangel der unterbliebenen Beiladung der Rechtsstreit - wie hier - aus anderen Gründen ohnedies zurückverwiesen werden müsste (vgl: BSGE 97, 242 ff RdNr 17 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSGE 103, 39 ff RdNr 14 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1). Den Feststellungen des LSG kann ua nicht die korrekte (rechtmäßige) Höhe des Erstattungsanspruchs entnommen werden (vgl dazu BSGE 109, 56 ff RdNr 10 = SozR 4-3500 § 98 Nr 1). Vor einer Beiladung ist der Senat indes gehindert, über die von der Revision aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen für das LSG bindend (§ 170 Abs 5 SGG) zu entscheiden, weil anderenfalls das rechtliche Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 Grundgesetz, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) des Beizuladenden verletzt würde (vgl: BSGE 97, 242 ff RdNr 17 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSGE 103, 39 ff RdNr 14 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1).
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Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass ein Erstattungsanspruch jedenfalls nicht daran scheitert, dass der Kläger nach § 98 Abs 5 SGB XII für die erbrachten Leistungen ohnehin zuständig wäre. Nach § 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII bleibt für Leistungen ambulant betreuter Wohnmöglichkeiten der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt örtlich zuständig war. Hierzu hat der Senat hat bereits entschieden, dass Leistungen ambulant betreuter Wohnformen entgegen der Auffassung des LSG keine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnungsgewährung und (ambulanter) Betreuung voraussetzen (BSGE 109, 56 ff = SozR 4-3500 § 98 Nr 1). Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen hat in erster Linie anhand des Zwecks der Hilfen zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim Betreuten-Wohnen ist nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung, sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung (BSG, aaO, RdNr 15). Ob bei S diese Voraussetzungen vorliegen, wofür vieles spricht, mag das LSG entscheiden.
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§ 98 Abs 5 Satz 1 SGB XII findet jedoch nach seinem Satz 2 selbst dann keine Anwendung, wenn - wie der Beklagte meint - S Leistungen in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten vor und nach seinem Umzug nach M erhalten hat; danach bleiben vor Inkrafttreten des SGB XII begründete Zuständigkeiten unberührt. Die Vorschrift ist so zu verstehen, dass in Fällen eines vor dem 1.1.2005 eingetretenen und fortbestehenden Leistungsfalls des Betreuten-Wohnens die vor dem 1.1.2005 geltenden Regelungen des BSHG über die örtliche Zuständigkeit weitergelten (BSG, aaO, RdNr 18). Dies bedeutet für "Altfälle", dass beim Umzug in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialhilfeträgers § 97 Abs 1 BSHG zur Anwendung kommt. So dürfte der Fall hier liegen, weil eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wohl bereits lange vor dem 1.1.2005 erforderlich war und sich auch in der Folgezeit an der Leistungsart an sich (nach dem Umzug nach M) nichts geändert hat. Der Einwand des Beklagten, der Gesundheitszustand des S habe sich nach dem 1.1.2005 verschlechtert, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Bereits im Jahr 2000 hat die Pflegekasse die Pflegestufe 3 mit besonderem Härtefall festgestellt. Dementsprechend hat der Kläger zuletzt durch Bescheid vom 17.6.2003 die Kosten für besondere Pflegekräfte (Arbeiterwohlfahrt) und sogar die Kosten für ein Assistenzzimmer übernommen. Diese Leistungen entsprechen den ab 1.1.2005 und im streitbefangenen Zeitraum übernommenen Leistungen. Selbst wenn sich der Pflegeaufwand im Laufe der Zeit erhöht haben sollte, änderte dies nichts daran, dass derselbe Bedarfsfall wohl bereits lange vor dem 1.1.2005 eingetreten war. Eine Anwendung des § 2 Abs 3 SGB X - wie vom LSG angenommen - dürfte jedoch ausscheiden, weil die Regelung des § 97 Abs 1 BSHG bzw § 98 Abs 1 SGB XII über die Zuständigkeit bei Weitererbringung der Leistung außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs spezieller sind.
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Ob darüber hinaus der vom Beklagten gerügte Aufklärungsmangel vorliegt, kann dahinstehen, weil das Verfahren ohnedies zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen wird. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden und dabei wegen der erforderlichen Einheitlichkeit der Kostenentscheidung die Revisionsrücknahme des früheren Beklagten zu 2 zu berücksichtigen haben.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
Tenor
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Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit ist die Erstattung von Kosten in Höhe von 7934,76 Euro für die Anschaffung und den Einbau eines schwenkbaren Autositzes im Frühjahr 2004.
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Die 1984 geborene Klägerin ist blind, schwerhörig und teilweise gelähmt (Grad der Behinderung von 100; Merkzeichen "G", "aG", "H", "RF" und "Bl"); sie erhält von der Pflegekasse Leistungen der häuslichen Pflege nach der Pflegestufe III. Die Klägerin wohnte und wohnt in der zum Kreis H gehörenden Stadt Hü und war in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig. Die Kosten des Fahrdienstes für den Weg zwischen Wohnung und WfbM trug der Beklagte; für private Fahrten ist auf Kosten des Kreises H ein Behindertenfahrdienst eingerichtet, den die Klägerin in Anspruch nahm (bis zu vier Fahrten je Monat mit einer Wegstrecke von jeweils bis zu 35 km).
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Anfang März 2004 wandte sich die Klägerin wegen des behindertengerechten Umbaus eines bereits von ihr bestellten und Ende April 2004 zu einem Preis von 29 815,19 Euro gelieferten Neuwagens an die für sie zuständige gesetzliche Krankenkasse (KK), beantragte aber auch mit einem bei der Stadt Hü abgegebenen, am 22.3.2004 beim Kreis H und nach Weiterleitung (mit Schreiben vom 25.3.2004) beim Beklagten am 26.3.2004 eingegangenem Schreiben die Übernahme der Kosten für den Einbau eines schwenkbaren Autositzes. Zu dieser Zeit bezog die Klägerin neben den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung Blindengeld nach dem (nordrhein-westfälischen) Gesetz über Hilfen für Blinde und Gehörlose in Höhe von 441,50 Euro und von der Bundesagentur für Arbeit (bis zum 22.9.2004) ein Ausbildungsgeld in Höhe von 67 Euro monatlich.
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Ende 2004 wurden ihr rückwirkend ab 1.4.2004 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt. Ende April 2004 besaß die Klägerin auf einem Girokonto ein Guthaben von 24 362,17 Euro, auf einem Sparkonto ein solches in Höhe von 86,48 Euro, Wertpapiere mit einem Wert von 3529,56 Euro sowie 10 000 Euro, die sie als Darlehen von ihren Eltern erhalten hatte. Außerdem war sie Eigentümerin eines (älteren) Pkw, den sie Anfang Mai 2004 zu einem Preis von 8500 Euro verkaufte; zur gleichen Zeit beauftragte sie eine Firma mit dem Umbau des neuen Pkw zu einem Preis von 10 051,08 Euro. Nachdem die KK die Übernahme der Kosten des behindertengerechten Umbaus des Pkw bereits abgelehnt hatte (bestandskräftiger Bescheid vom 5.4.2004), lehnte der Beklagte die Leistung ebenfalls ab, weil die Klägerin über ausreichendes Vermögen verfüge und den Bedarf selbst bereits gedeckt habe (Bescheid vom 17.5.2004; Widerspruchsbescheid vom 23.2.2005).
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Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Aachen
vom 8.8.2007; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen . Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin könne keine Eingliederungshilfe gemäß §§ 39, 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BSHG für einen behindertengerechten Umbau des Pkw erhalten, weil sie wegen Art und Schwere ihrer Behinderung nicht auf ein Kfz angewiesen gewesen sei(§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-Verordnungvom 22.2.2010) ). Die Fahrten von und zur WfbM seien durch den Fahrdienst des Beklagten, diejenigen zu medizinischen Behandlungsterminen durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit einer Fahrkostenerstattung durch die KK sichergestellt gewesen. Soweit die private Krankenversicherung Therapien über das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung hinaus ermögliche oder der Transport der Klägerin zu den einzelnen Behandlungen durch keine Versicherung abgedeckt sei, könne die Klägerin nicht besser gestellt werden, als bedürftige nichtbehinderte Personen. Wegen privater Fahrten sei die Klägerin ihm Rahmen (nur) einer Grundversorgung auf die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes des Kreises H zu verweisen. Ein Anspruch auf Kostenübernahme als medizinische Leistung scheide wegen des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 BSHG) aus, weil die KK einen entsprechenden Anspruch bereits bestandskräftig abgelehnt habe.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 39, 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BSHG iVm § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO und § 55 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX). Die Klägerin ist der Ansicht, das LSG habe verkannt, dass bei der Auslegung des Begriffs des "Angewiesenseins" auf den Pkw (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) maßgeblich auf Art und Ziel der Teilhabeleistung abzustellen sei. Die Auslegung habe sich deshalb am Leitgedanken des § 1 SGB IX, dem selbstbestimmten Leben in der Gesellschaft, den Wertungen aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG), Art 1 Abs 1 GG und dem Diskriminierungsverbot des Art 3 Abs 3 Satz 2 GG zu orientieren. Sie (die Klägerin) benötige den Pkw nicht nur für ihre Transporte aus der WfbM nach Hause wegen Zuckerentgleisungen sowie zu Therapeuten und Ärzten, sondern auch für die Teilnahme an Veranstaltungen inner- und außerhalb des weitläufigen Kreisgebietes H, zum Aufbau neuer und Erhalt bestehender sozialer Kontakte, für Einkaufsfahrten sowie für den Besuch früherer Schulkameraden, für Vereinstreffen in D, M und A und für Familienausflüge.
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Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid vom 17.5.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.2.2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 7934,76 Euro zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) , weil das Verfahren an einem von Amts wegen zu beachtenden Verfahrensmangel leidet und tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für eine abschließende Entscheidung fehlen.
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Der von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmangel besteht darin, dass es im Hinblick auf § 14 SGB IX an einer Beiladung der Stadt Hü (bzw der KK) mangelt. Nach § 75 Abs 2 Satz 1 1. Alt SGG sind nämlich Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Dies ist vorliegend nach Aktenlage für die Stadt H, ggf jedoch auch für die KK, zu bejahen; das LSG wird dies zu prüfen haben. Einer der beiden ist jedenfalls der im Rahmen des § 14 SGB IX zuerst angegangene Rehabilitationsträger, der wegen unterlassener bzw verspäteter Weiterleitung des Antrags nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX für die Entscheidung über die Leistung und für die Erbringung der Leistung zuständig geworden und notwendig am Verfahren zu beteiligen ist. Diese Beiladungspflicht betrifft - wie vorliegend - ua den im Außenverhältnis zuständig gewordenen Rehabilitationsträger bei einer Klage gegen den im Innenverhältnis (eigentlich) zuständigen Rehabilitationsträger (vgl nur BSGE 93, 283 ff RdNr 16 f = SozR 4-3250 § 14 Nr 1).
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Der Beklagte war und ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Erstattung der Kosten des behindertengerechten Umbaus des PKW als Leistung der Eingliederungshilfe (§ 39 Abs 1 Satz 1 und § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BSHG iVm § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) sachlich und örtlich zuständig (§§ 97, 100 BSHG iVm §§ 1, 2 Nr 1 des Gesetzes zur Ausführung des BSHG für das Land Nordrhein-Westfalen
iVm § 2 Abs 1 Nr 1 der nordrhein-westfälischen VO zur Ausführung des BSHG bzw § 97 Abs 1 und 2 Satz 1 sowie § 98 Abs 1 iVm § 3 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - . Es kann offen bleiben, ob der Senat an die Auslegung des nicht revisiblen Landesrechts (§ 162 SGG) durch das LSG gebunden ist (vgl § 202 SGG iVm § 560 Zivilprozessordnung; dazu allgemein Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 7 ff mwN), wenn die Feststellungen des Berufungsgerichts von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzungen (notwendige echte Beiladung) betreffen; denn das LSG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Beklagte für die Versorgung von behinderten Menschen mit größeren anderen Hilfsmitteln als überörtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständig ist. Zwar sah und sieht § 1 Nr 3 Buchst c der Satzungen des Beklagten über die Heranziehung der Städte, Kreise und kreisangehörigen Gemeinden zur Durchführung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe iVm § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 Landschaftsverbandsordnung für das Land NRW eine entsprechende Heranziehung der Kreise vor, die dann in eigenem Namen handeln. Allerdings ist der Beklagte in diesem Einzelfall gleichwohl selbstständig tätig geworden, was ihm nach § 3 der Satzung möglich war. Wegen der "eigentlichen" Zuständigkeit des Beklagten zur Leistungserbringung (ohne Berücksichtigung des § 14 SGB IX) bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob bei einer Klage gegen den intern unzuständigen Leistungsträger der zuständig gewordene erstangegangene Leistungsträger ebenfalls im Wege der echten notwendigen Beiladung am Verfahren zu beteiligen ist oder nicht vielmehr ein Fall der notwendigen unechten Beiladung (anderer Sozialhilfeträger) vorliegt; ohne Bedeutung ist damit auch, ob dann zumindest im Rahmen des § 14 SGB IX die Voraussetzungen der notwendigen unechten Beiladung in der Revisionsinstanz auch ohne entsprechende Rüge zu prüfen wären.und §§ 1, 2 Buchst a Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land NRW iVm § 2 Abs 1 Nr 4 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW)
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Die Stadt Hü ist jedenfalls nach Aktenlage der zuerst angegangene Rehabilitationsträger iS des § 14 SGB IX, der wegen nicht rechtzeitiger Weiterleitung des Antrags im Außenverhältnis für die Leistungserbringung nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX zuständig geworden ist(zur Fristberechnung Bundessozialgericht
SozR 4-2500 § 33 Nr 37 RdNr 11). Nach Aussage der Mutter der Klägerin hat diese den Antrag auf Eingliederungshilfe entweder am 1. oder 2.3.2004 persönlich bei der Stadt Hü abgegeben, die diesen offenbar ungeprüft an den Kreis H weitergeleitet hat (dort eingegangen am 22.3.2004). Diesen realistischen Ablauf unterstellt, hätte die Stadt Hü die Zweiwochenfrist des § 14 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB IX keinesfalls eingehalten. Das LSG mag dies nach der Zurückverweisung verifizieren. Dabei wird es zu beachten haben, dass, falls sich dieses Ergebnis nicht bewahrheiten sollte, der Rehabilitationsantrag ggf zuerst bei der KK eingegangen ist; denn die Mutter der Klägerin hat dem Senat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert - Unterlagen bei der KK sind nicht mehr vorhanden -, den schriftlichen Antrag an die KK am 2.3.2004 zur Post gegeben zu haben, und die KK hat den Leistungsantrag abgelehnt, ohne ihn an einen anderen Rehabilitationsträger weiterzuleiten.
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Die Stellung der Stadt Hü als Rehabilitationsträger ergibt sich bereits aus § 69 Abs 1 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII) iVm §§ 1, 2 Satz 1 Erstes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes NRW und § 1 der nordrhein-westfälischen Verordnung über die Bestimmung Großer kreisangehöriger Städte und Mittlerer kreisangehöriger Städte. Sie beruht aber auch darauf, dass die Stadt Hü vom Kreis H zur Aufgabenwahrnehmung der örtlichen Sozialhilfe durch Delegationssatzungen herangezogen worden ist (§ 96 Abs 1 BSHG iVm § 3 AG-BSHG NRW und der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe im Kreise H vom 7.12.2000, § 99 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 1 AG-BSHG NRW und der Satzung über die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB XII im Kreis H vom 30.12.2004). Selbst wenn der nicht binnen zwei Wochen an den Beklagten weitergeleitete Antrag auf Leistungen zur Teilhabe iS des § 14 SGB IX im Rahmen dieses auftragsähnlichen Verhältnisses(vgl: BSGE 99, 137 ff RdNr 11 = SozR 4-1300 § 44 Nr 11; BSG SozR 4-5910 § 88 Nr 3 RdNr 13 f) die Zuständigkeit des Kreises H als örtlichen Trägers der Sozialhilfe (wegen Handelns der Stadt für den Kreis) begründet hätte, wäre im Klageverfahren gleichwohl die herangezogene Stadt Hü die richtige Beklagte iS des § 70 Nr 3 SGG und hier als notwendig Beizuladende anzusehen, denn sie entscheidet im Rahmen der Heranziehung im eigenen Namen(§ 1 Abs 1 der Delegationssatzung).
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Sollte sich die Zuständigkeit der Stadt Hü als erstangegangenen Rehabilitationsträgers bewahrheiten, wäre (unerheblich ob im Wege der notwendigen echten oder der notwendigen unechten Beiladung) weder die KK noch der Kreis zusätzlich notwendig zu beteiligen, weil die streitgegenständliche Teilhabeleistung dieser Leistungsträger nicht in Betracht kommen. Im Hinblick auf die KK ist bereits zweifelhaft, ob das begehrte Hilfsmittel nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) überhaupt eine Leistung zur Teilhabe iS der §§ 4, 5 Nr 1, 14 SGB IX darstellt; denn die KKen sind abweichend von den Vorschriften des SGB IX (vgl § 7 SGB IX) nur unter den Voraussetzungen des SGB V (vgl § 11 Abs 2, §§ 40 ff SGB V) zur Erbringung medizinischer Rehabilitationsleistungen verpflichtet (BSGE 98, 277 ff RdNr 18 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4). Trotz des Aspektes bzw des Ziels der (Wieder-)Herstellung der Gesundheit haben jedoch nicht alle Maßnahmen des SGB V rehabilitativen Charakter in einem Sinn, der dem Verständnis des SGB V über eine Teilhabeleistung entspricht. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Begriff der Teilhabeleistung des § 14 SGB IX eigenständig (weit) oder (nur) nach dem Verständnis des SGB V auszulegen ist. Vorliegend gehörte der schwenkbare Autositz ohnedies nicht zum Leistungskatalog des SGB V, sodass auch nicht entschieden werden muss, ob eine Verurteilung der KK nach deren Beiladung (§ 75 Abs 5 SGG) wegen der bestandskräftigen Ablehnung mit Bescheid vom 5.4.2004 ohnehin ausscheidet. Nichts anderes gilt für eine (zusätzliche) Beiladung des Kreises H, soweit dieser als zuständiger Leistungsträger betreffend einen Anspruch auf Kostenerstattung als Hilfe bei Krankheit nach §§ 36 ff BSHG in Betracht kommt. Diese Hilfen entsprechen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 38 Abs 1 BSHG), sodass eine Hilfsmittelversorgung durch den Sozialhilfeträger aus den gleichen Gründen wie im SGB V ausgeschlossen ist.
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Der schwenkbare Autositz ist für die Klägerin kein Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 Satz 1 3. Alt SGB V; das Gebot eines möglichst weitgehenden Behinderungsausgleichs, das sich auch auf den Ausgleich von indirekten Folgen der Behinderung erstreckt (vgl: BSGE 93, 176 ff RdNr 12 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7; BSGE 98, 213 ff RdNr 12 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3 und 29; BSG, Urteil vom 16.9.2004 - B 3 KR 15/04 R), erfordert gleichwohl keine Leistungserbringung. Ein Hilfsmittel ist von der Gesetzlichen Krankenversicherung nur dann zu gewähren, wenn es Grundbedürfnisse des täglichen Lebens betrifft, zu denen das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums gehören (BSGE 91, 60 ff RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 S 20 mwN; BSG, Urteil vom 18.5.2011 - B 3 KR 12/10 R - RdNr 13 ff). Allerdings ist das in Betracht kommende Grundbedürfnis des "Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums" krankenversicherungsrechtlich immer nur im Sinne eines Basisausgleichs der Behinderung selbst, nicht im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten des Gesunden zu verstehen (BSG, Urteil vom 18.5.2011, aaO RdNr 15 ff mwN). Es besteht grundsätzlich kein Anspruch darauf, den Radius der selbstständigen Fortbewegung durch das Auto (erheblich) zu erweitern, selbst wenn im Einzelfall die Alltagsgeschäfte nicht im Nahbereich erledigt werden können; es gilt vielmehr ein abstrakter, von den Besonderheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 98, 213 ff RdNr 17 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15).
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Nach diesen Maßgaben kann die Klägerin die Kostenerstattung für den Einbau und die Anschaffung des schwenkbaren Autositzes nicht nach § 13 Abs 3 Satz 2 SGB V iVm § 15 Abs 1 Satz 4 2. Alt SGB IX und § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V beanspruchen. Nach den Feststellungen des LSG diente der schwenkbare Autositz der Erweiterung ihres persönlichen Aktionsradiusses - über den Nahbereich der Wohnung hinaus - und Transporten zu Ärzten und Therapeuten, die allerdings durch das DRK durchgeführt worden sind, soweit die Behandlungen Leistungen nach dem SGB V waren. Damit war dem Grundbedürfnis des täglichen Lebens, bei Krankheit und Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, bereits Genüge getan, weil im Rahmen der Hilfsmittelgewährung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V (allein) die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt sein muss(BSGE 93, 176 ff RdNr 12 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7). Andere besondere qualitative Elemente, die eine weitergehende Mobilitätshilfe zum mittelbaren Behinderungsausgleich rechtfertigen könnten (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 36 RdNr 17 mwN), sind hier nicht ersichtlich.
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Der Senat hat davon abgesehen, die endgültigen Ermittlungen zur Antragstellung bei der Stadt Hü und die notwendige Beiladung der Stadt Hü (bzw ggf der KK) selbst vorzunehmen; insoweit war eine eigene Entscheidung in der Sache untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zwar wäre eine Beiladung im Revisionsverfahren mit Zustimmung des Beizuladenden grundsätzlich zulässig (§ 168 Satz 2 SGG). Die genaueren Ermittlungen, wer beizuladen ist, und die Beiladung selbst können jedoch dem LSG überlassen werden, wenn auch ohne den verfahrensrechtlichen Mangel der unterbliebenen Beiladung aus anderen Gründen ohnedies zurückverwiesen werden muss (vgl: BSGE 97, 242 ff RdNr 17 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSGE 103, 39 ff RdNr 14 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1). Vor einer Beiladung ist der Senat indes gehindert, über die von der Revision aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen für das LSG bindend (§ 170 Abs 5 SGG) zu entscheiden, weil anderenfalls das rechtliche Gehör (§ 62 SGG; Art 103 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) des Beizuladenden verletzt würde (vgl: BSGE 97, 242 ff RdNr 17 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1; BSGE 103, 39 ff RdNr 14 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1). Die nachfolgenden rechtlichen Ausführungen stellen damit lediglich Entscheidungshilfen für das LSG dar.
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Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Zahlung der Kosten für Anschaffung und Einbau des schwenkbaren Autositzes ist § 28 Abs 1 Satz 1 BSHG iVm §§ 39, 40 Abs 1 Satz 1 BSHG und § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO iVm § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX; ob insoweit auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten (vgl dazu in anderen Konstellationen: BSGE 103, 171 ff RdNr 11 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSGE 104, 219 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1), also auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der mit der Rechnung vom 28.5.2004 gegenüber der Klägerin geltend gemachten Forderung, oder auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung (Antragstellung) abzustellen ist, kann dahinstehen, weil sich an der Vermögenssituation nur dadurch etwas geändert hat, dass sich die Art der Vermögenswerte (Geld-, Sachwerte) verändert hat und daraus - wie noch ausgeführt wird - keine Verwertungs- bzw Berücksichtigungshindernisse ergeben.
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Nicht anwendbar ist § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX, weil die Leistung nicht als Sach- sondern als Geldleistung zu erbringen ist. Dies trägt den individuellen Besonderheiten bei einem behindertengerechten Ausbau eines Pkw Rechnung und entspricht allgemein den in der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Zuschussgewährung (§ 6 Abs 1KfzHV). Ob mit dem ab 1.1.2005 ausdrücklich geregelten Vorrang der Geldleistung nach § 10 Abs 3 SGB XII das Verhältnis zwischen Geld- und Sachleistung auch für die Vergangenheit (nur) klargestellt werden sollte(zu den Motiven des Gesetzgebers: BT-Drucks 15/1514, S 56 § 10), kann deshalb dahingestellt bleiben.
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Richtet sich aber der Anspruch auf eine Geldleistung, ist es rechtlich unerheblich, dass die Klägerin den Auftrag für den Einbau des Schwenksitzes Anfang Mai 2004 und damit zeitlich vor Erlass des Ablehnungsbescheids vom 17.5.2004 erteilt hat; insbesondere stehen §§ 2, 5 BSHG (Nachrang der Sozialhilfe, Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe nach Kenntniserlangung des Sozialhilfeträgers vom Bedarf, aber noch vor der letzten Behördenentscheidung als anspruchsvernichtend angesehen hat, wenn es dem Hilfesuchenden zuzumuten war, die Entscheidung des Sozialhilfeträgers abzuwarten (vgl BVerwGE 90, 154, 156 mwN), folgt der Senat dieser Rechtsprechung bei einem auf eine Geldleistung gerichteten Primäranspruch nicht. Das Erfordernis einer Eilbedürftigkeit findet keine Stütze im Gesetz; hierfür sprechen auch keine allgemeinen Grundsätze bei nicht rechtzeitiger oder zu Unrecht verweigerter Sachleistung (vgl § 13 Abs 3 SGB V und § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX). Ein von vornherein bestehender Geldleistungsanspruch lässt im Gegenteil keinen Raum für die Umwandlung eines primären Sachleistungsanspruchs in eine sekundäre Geldleistung. Eine Eilbedürftigkeit kann also, abgesehen davon, dass die Selbsthilfe dem Leistungsträger nicht die Möglichkeit nähme, Ermessen nachträglich noch auszuüben, nicht deshalb gefordert werden, weil ein Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers über die Leistungserbringung (Sach- oder Geldleistung) beeinträchtigt wäre.
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Ob ein Anspruch der Klägerin nicht bereits wegen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse gemäß § 28 Abs 1 Satz 1 BSHG iVm §§ 79 ff BSHG ausgeschlossen ist, kann der Senat anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Nach § 28 Abs 1 Satz 1 BSHG wird die Hilfe in besonderen Lebenslagen (nur) gewährt, soweit dem Hilfesuchenden die Aufbringung der Mittel nicht aus dem Einkommen und Vermögen nach den §§ 79 bis 89 BSHG zuzumuten ist. Nach § 88 BSHG ist grundsätzlich das gesamte verwertbare Vermögen zu berücksichtigen(Abs 1); allerdings darf die Sozialhilfe nicht von dem Einsatz oder der Verwertung bestimmter (Abs 2) bzw privilegierter (Abs 3) Vermögensgegenstände abhängig gemacht werden.
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Eine Berücksichtigung des neuen Pkw, der grundsätzlich nach § 88 Abs 1 BSHG verwertbares Vermögen darstellt(vgl BSGE 100, 139 ff RdNr 15 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4)war der Klägerin wohl zumutbar; denn im Falle seiner Veräußerung wäre der Schonbetrag nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b der Verordnung zur Durchführung des § 88 Abs 2 Nr 8 BSHG vom 11.2.1988 weit überschritten gewesen und eine Härte iS des § 88 Abs 3 Satz 1 BSHG dürfte nicht vorgelegen haben. Ein Härtefall ist bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen vor allem anzunehmen, soweit eine angemessene Lebensführung wesentlich erschwert würde (Satz 2); für das Kfz eines behinderten Menschen ist dies anzunehmen, wenn nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft erheblich erleichtert wird (vgl: Mecke in juris PraxisKommentar SGB XII, § 90 SGB XII RdNr 102; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 88 BSHG RdNr 75). Dabei muss allerdings auch das Kfz selbst angemessen sein. Für den Pkw der Klägerin dürfte dies zu verneinen sein; denn es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin auf einen Neuwagen mit einem Anschaffungswert von etwa 30 000 Euro angewiesen war und ein gebrauchtes Fahrzeug mit erheblich geringerem Wert nicht den Ansprüchen in gleicher Weise genügt hätte. Die Entscheidung für einen Gebrauchtwagen ist auch bei Menschen, die nicht auf Sozialhilfemittel angewiesen sind, weit verbreitet und muss nicht mit einem Verzicht auf ein "zuverlässiges" Auto einhergehen (zB bei einem Jahreswagen).
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Der Klägerin kann dies selbst dann entgegengehalten werden, wenn sich die Verwertung des Pkw wegen des behindertengerechten Umbaus als unwirtschaftlich darstellen sollte; im Streit um die Beihilfe für die Umrüstung muss gerade dieser Gesichtspunkt außer Betracht bleiben, weil die Klägerin eine eventuelle Bedürftigkeit selbst vorsätzlich herbeigeführt haben dürfte (vgl dazu BSGE 100, 131 ff RdNr 25 ff = SozR 4-3500 § 90 Nr 3). Die Verwertung des Pkw wird auch keine Härte iS des § 88 Abs 3 Satz 1 BSHG darstellen, wenn die Klägerin den Kaufpreis aus Landesblindengeld angespart hätte - hierfür ergibt der Sachverhalt ohnedies keinerlei Anhaltspunkte. Der Senat hat bereits früher ausdrücklich offengelassen, ob Blindengeld nicht als Einkommen und Vermögen bei besonderen Sozialhilfeleistungen, die demselben Zweck dienen wie das Blindengeld, zu berücksichtigen ist (BSG SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15). Selbst wenn im Erwerb des Pkw und dem behindertengerechten Umbau eine zweckentsprechende Verwendung des Landesblindengelds (Ursachenzusammenhang) zu sehen wäre, die durch die Blindheit, nicht durch andere Behinderungen, bedingten Mehraufwendungen auszugleichen (BSG, aaO, RdNr 16), wäre angespartes Landesblindengeld als Vermögen zu berücksichtigen. Die Klägerin hätte deshalb die zur Verfügung stehenden Mittel vorrangig für die Gesamtkosten des Erwerbs eines angemessenen Pkw einschließlich des behindertengerechten Umbaus einsetzen müssen, bevor sie (einzelne) Umbaumaßnahmen aus Sozialhilfemitteln beanspruchen konnte. Ohne Bedeutung ist, ob Vermögensteile für spätere Anschaffungen (Gangtrainer) vorgesehen waren; insbesondere handelt es sich bei einem Gangtrainer nicht um ein Gerät, dessen Anschaffung das Landesblindengeld dient. Ob und inwieweit er Gegenstand eines gesonderten Leistungsanspruchs sein kann, war nicht zu entscheiden.
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Ob der Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 39, 40 Abs 1 Satz 1 BSHG iVm § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX und § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO dem Grunde nach erfüllt, kann nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ebenfalls nicht beurteilt werden. Nach § 39 Abs 1 BSHG erhalten Personen, die durch eine Behinderung iS von § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist blind, schwerhörig und teilweise gelähmt und damit wesentlich in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, an der Gesellschaft teilzuhaben (s § 1 Nr 4 1. Alt Eingliederungshilfe-VO), sodass es sich bei der Eingliederung um eine Pflichtleistung handelt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 40 Abs 1 BSHG und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 47 BSHG erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BSHG gehört zu den Leistungen vor allem die Versorgung mit Körperersatzstücken sowie orthopädischen und anderen Hilfsmitteln. Obwohl eine Hilfsmittelgewährung wegen der Identität des Leistungsinhalts mit dem des SGB V (vgl § 40 Abs 1 Satz 1 BSHG) im Rahmen der medizinischen Rehabilitation ausscheidet, bedeutet dies nicht, dass eine Leistungserbringung nicht unter einer anderen Zielsetzung möglich ist; die Abgrenzung zwischen der Hilfsmittelerbringung als Bestandteil der medizinischen und der sozialen Rehabilitation ist nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen, sondern danach, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel dienen soll (BSGE 103, 171 ff RdNr 17 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5 mwN; BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 21). Der schwenkbare Autositz kann deshalb ein Hilfsmittel iS des § 9 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO sein, weil er dazu bestimmt ist, zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel beizutragen. Zu den "anderen Hilfsmitteln" gehören nach § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO auch besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für ein Kfz, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kfz angewiesen ist; soweit die Eingliederungshilfe ein Kfz betrifft, muss der behinderte Mensch das Hilfsmittel jedoch nicht selbst bedienen können (vgl nur BVerwGE 55, 31, 33 f).
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Ob die Klägerin iS des § 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO auf ein Kfz angewiesen ist, kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden. Dies beurteilt sich in erster Linie nach dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (§ 39 Abs 3 BSHG). Die Formulierung verdeutlicht, dass es insgesamt ausreicht, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich sind im Ausgangspunkt die Wünsche des behinderten Menschen (§ 3 Abs 2 BSHG); wie sich aus § 9 Abs 3 Eingliederungshilfe-VO ergibt ("im Einzelfall") gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht(vgl BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22).
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Mit einer solchen am Einzelfall orientierten und die Wünsche des behinderten Menschen berücksichtigenden Auslegung ist die Auffassung des LSG nicht zu vereinbaren, die Hilfsmittelgewährung beschränke sich im Bereich der sozialen Rehabilitation auf eine "sicherzustellende Grundversorgung". Es kann schon nicht beurteilt werden, ob die Besuche der Klägerin bei (ehemaligen) Schulkameraden durch die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes des Kreises H in zumutbarer Weise - mit "monatlich vier Fahrten á 35 km" durchgeführt werden konnten bzw hätten durchgeführt werden können. Das LSG hätte die - regelmäßigen - Umstände der Besuche (Häufigkeit, Entfernung, Uhrzeit, Dauer etc) und die Modalitäten des Behindertenfahrdienstes (Erreichbarkeit, Anmeldebedingungen, Fahrzeiten etc) untersuchen müssen. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin geltend gemachten Fahrten zu Vereinstreffen in D, M und A, die vom LSG überhaupt nicht berücksichtigt worden sind. Bei der Integration in die Gesellschaft ist darauf zu achten, dass gesellschaftliche Kontakte in ausreichendem Umfang gewährleistet sind. Hier ist vor allem dem besonderen Bedürfnis der Klägerin nach Mitgliedschaft in Vereinen Rechnung zu tragen, die ihre spezifischen Behinderungen berücksichtigen. Vergleichsmaßstab für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte müssen darüber hinaus gleichaltrige nichtbehinderte Personen sein. Die Klägerin (20 Jahre) war in einem Alter, in dem nichtbehinderte Menschen üblicherweise verstärkt gesellschaftliche Aktivitäten entwickeln - nicht selten im Rahmen einer Mitgliedschaft in mehreren Vereinen. Junge Menschen befinden sich in diesem Alter regelmäßig in einer Übergangsphase von der Schulzeit zum Beruf, verbunden mit der Aufrechterhaltung alter und auf der Suche nach neuen dauerhaften Beziehungen. Die Ermöglichung von vier privaten Kontakten im Monat mit Hilfe eines Behindertenfahrdienstes wird diesen Ansprüchen in keiner Weise gerecht. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dies führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber nicht bedürftigen behinderten jungen Menschen. Abgesehen davon, dass Art 3 Abs 3 Satz 2 GG einen besonderen Förderungsauftrag zugunsten behinderter Menschen enthält, lassen die Behinderungen der Klägerin ein Ausweichen auf andere Möglichkeiten der Mobilität, die bedürftige nichtbehinderte junge Menschen besitzen, nicht zu. Inwieweit daneben medizinische Gesichtspunkte von Bedeutung sind bzw angeführt werden können, bedarf zum gegenwärtigen Zeitpunkt keiner Entscheidung.
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Das LSG wird gegebenenfalls über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).
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Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.
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Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.
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Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).
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Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz
vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09) , wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung
) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.
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Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) , weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.
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Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII
vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherungvom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).
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Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.
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In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).
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Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).
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Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.
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In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).
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Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.
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War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.
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Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.
(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.
(1) Die Leistungen zur Teilhabe umfassen die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung
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die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, - 2.
Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, - 3.
die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder - 4.
die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
(2) Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in Absatz 1 genannten Ziele nach Maßgabe dieses Buches und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht. Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden.
(3) Leistungen für Kinder mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Kinder werden so geplant und gestaltet, dass nach Möglichkeit Kinder nicht von ihrem sozialen Umfeld getrennt und gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen betreut werden können. Dabei werden Kinder mit Behinderungen alters- und entwicklungsentsprechend an der Planung und Ausgestaltung der einzelnen Hilfen beteiligt und ihre Sorgeberechtigten intensiv in Planung und Gestaltung der Hilfen einbezogen.
(4) Leistungen für Mütter und Väter mit Behinderungen werden gewährt, um diese bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder zu unterstützen.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 neu gefasst. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges oder eines behindertengerecht umbaufähigen Kraftfahrzeuges in Höhe bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zur Gänze, für das erstinstanzliche Verfahren zu zwei Dritteln. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ als Eingliederungshilfe.
3Die am 00.00.1988 geborene Klägerin leidet unter einem sog. "BNS-Syndrom" (frühkindlicher Hirnschaden aufgrund erheblicher Sauerstoffmangelversorgung bei der Geburt), verbunden mit einer Tetraspastik, geistiger Behinderung, Krampfanfällen, psychomotorischer Retardierung, vesico-ureteralem Reflux, Oberbauchmeteorismus und Obstipation bei heftigen abdominellen Krämpfen, Durchfällen bei Lactoseintoleranz sowie einer vollständigen Erblindung des linken Auges bei leichter Sehschwäche des rechten Auges. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist sie zu keinerlei Selbständigkeit in der Lage. Insbesondere eine eigenständige Fortbewegung ist ihr nicht möglich; im und außer Haus ist sie auf die Benutzung eines speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhls angewiesen. Sie benötigt ständige Beaufsichtigung und Anleitung, kann weder lesen noch schreiben und nur einfachen Anweisungen folgen. Ihre Konzentrationsspanne umfasst wenige Minuten; hinzu treten ausgeprägte Störungen der Auffassung und Merkfähigkeit. Handgriffe müssen über einen längeren Zeitraum eingeübt werden. Die Körperpflege kann sie nicht selbständig wahrnehmen. Sie kann sich nicht selbst versorgen, ist nicht in der Lage, Arbeit zu terminieren, zu strukturieren und die Zukunft vorauszuplanen. Sie benötigt einen von außen geregelten strukturierten Tagesablauf. Werden ihre Bedürfnisse (z.B. nach intensiver Zuwendung) nicht erfüllt, reagiert sie mit auto- und fremdaggressivem Verhalten. Die Durchsetzung ihrer Wünsche steht im Vordergrund. Regeln (z.B. nicht in die Windel greifen) beachtet sie kaum. Die Verständigung erfolgt über wenige Laute (z.B. ein "Nein-Zeichen"); Wohlgefühl oder Schmerz äußert sie z.B. durch Kratzen, Beißen oder Kopfschütteln. Sie ist freundlich bei interessierter und aufnehmender Haltung. Das Zusammensein mit anderen und ihr entgegengebrachte Sympathie genießt sie und kann darauf mit Freude reagieren. Werden ihre Bedürfnisse erkannt, unterstützt und gefördert, baut sie eine intensive Beziehung zu Bezugspersonen auf.
4Das Versorgungsamt erkannte der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zu. Die Pflegekasse gewährt ihr laufend Pflegegeld nach der Pflegestufe III (Stand Januar 2012: monatlich 700,00 EUR). Ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand im Sinne der §§ 36 Abs. 4, 43 Abs. 2 SGB XI wurde bislang nicht festgestellt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden nicht erbracht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte am 04.04.2006 im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB XII die dauerhafte volle Erwerbsminderung der Klägerin fest.
5Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt sie im Haushalt ihrer gesetzlichen Betreuerin und deren (zum Ersatzbetreuer bestellten) Ehemannes. Die Betreuung umfasst den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, alle Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Ämtern sowie die Befugnis zum Empfang von Post. Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet. Der Ehemann der Betreuerin ist berufstätig. Die Betreuerin ist gelernte Kinderkrankenschwester, gab ihre berufliche Tätigkeit jedoch im Jahr 2009 auf.
6Zum Haushalt gehören neben der Klägerin noch zwei leibliche Kinder der Betreuerin und ihres Ehemannes (geb. Juni 1992 bzw. Dezember 1995) sowie die Eltern der Betreuerin. Beide Kinder verfügen über eine Fahrerlaubnis. Die Eltern der Betreuerin sind schwerbehindert (Vater: GdB 100, Merkzeichen "G", "aG" und "RF"; Mutter: GdB 80, Merkzeichen "G" und "aG") und werden ebenfalls von der Betreuerin der Klägerin versorgt. Die Familie lebt in einem Eigenheim und besitzt einen Hund. Sie verfügt über zwei eigene KFZ, einen Ford Focus Turnier Ambiente ("Kombi"; Erstzulassung Februar 1999, Laufleistung im Juni 2014 103.871 km) und einen Ford Fiesta. Den Ford Fiesta nutzt der Ehemann der Betreuerin im Wesentlichen, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Der Ford Focus wird überwiegend von der Betreuerin der Klägerin genutzt, um Besorgungen für die Familie, insbesondere auch für die Klägerin, zu erledigen. Ein Transport der Klägerin (nebst Rollstuhl) ist weder mit dem Ford Focus noch mit dem Ford Fiesta möglich. Eine Umrüstung eines der beiden Fahrzeuge zur Ermöglichung des Transports der Klägerin ist modellbedingt nicht möglich.
7Der von der Familie bewohnte Ortsteil der Stadt F hat dörflichen Charakter (Einwohnerzahl gut 1.300) und verfügt neben einer Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr über einen Kiosk und einen Bäcker. Die Stadt F hat insgesamt gut 21.000 Einwohner. Die Entfernung vom Wohnort der Klägerin zum Hauptort und zu nächstgelegenen größeren Orten (C und C1) beträgt jeweils mehr als vier Kilometer. Die Praxis des Hausarztes der Klägerin ist zwei Häuser vom Wohnhaus der Klägerin entfernt und fußläufig (mit dem Rollstuhl) erreichbar.
8Bis zum Sommer 2007 besuchte die Klägerin eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Q-Förderschule). Im September 2007 wurde sie in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in C aufgenommen (Entfernung zum Wohnort ca. 9 km). Dort ist sie seit Dezember 2007 im Arbeitsbereich tätig. Der für die Klägerin kostenfreie Transport zwischen Wohnort und WfbM erfolgt im Auftrag der WfbM durch einen Fahrdienst der Firma F Transfer GmbH. Der Sammeltransport mit weiteren Passagieren ist mit einem Fahrer und einer Begleitperson besetzt. Die Klägerin wird an Werkstatt-Tagen morgens gegen 7.30 Uhr von zuhause abgeholt und nachmittags wieder zurück gebracht; die Fahrtzeit pro Weg beträgt etwa eine halbe Stunde. Während des Transports verbleibt die Klägerin in ihrem Rollstuhl; für das Be- und Entladen des Rollstuhls verfügt das Fahrzeug über eine entsprechende Rampe. Zur Erleichterung des Transports wurde der Rollstuhl der Klägerin 2010 mit einem Kraftknotensystem ausgestattet, wofür der Beklagte die Kosten (520,03 EUR) als Eingliederungshilfe übernahm (Bescheid vom 01.10.2010). Erkrankungsbedingt neigt die Klägerin dazu, sich oder andere während der Fahrt mit dem linken Arm heftig zu schlagen. Dies wird (seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges ab Januar 2014) dadurch unterbunden, dass die Begleitperson während der Fahrt links neben der Klägerin sitzt. Weiterhin kommt es jedoch zu autoaggressivem Verhalten (heftiges Schlagen gegen den eigenen Kopf), wenn die Aufmerksamkeit der Begleitperson während des Verladevorganges kurzzeitig anderweitig gebunden ist. (U.a.) Während der Fahrt treten bei der Klägerin regelmäßig Krampfanfälle (sog. Kaukrämpfe) auf. Es wird ein entkrampfendes Medikament mitgeführt, zu dessen Verabreichung bei Bedarf die Begleitpersonen autorisiert sind.
9Für die Tätigkeit in der WfbM erhält die Klägerin neben jährlich zwei Einmalzahlungen eine monatliche Vergütung in Höhe des sog. Grundbetrages. Hinzu kommen der monatliche Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld. Für Juli 2012 betrugen die monatlichen Bruttozahlungen (vor Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen) 102,00 EUR. Neben diesen Einkünften und dem Pflegegeld verfügt die Klägerin lediglich über Leistungen des Beigeladenen bzw. der Stadt F (bis zum 31.12.2010 Gemeinde F) nach dem SGB XII. Eigenes Vermögen hat sie nicht.
10Bis zur Volljährigkeit erhielt die Klägerin für ihren Lebensunterhalt Leistungen der Vollzeitpflege gemäß § 33 KJHG vom Jugendamt des Beigeladenen. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährte ihr die Stadt/Gemeinde F in Abstimmung mit dem Beigeladenen laufend Leistungen nach dem SGB XII (Regelsatz/Regelbedarf nach dem Dritten/Vierten Kapitel SGB XII, Mehrbedarfszuschlag wegen Schwerbehinderung, Erhöhungsbetrag nach § 28 Abs. 5 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, Kosten der Unterkunft und Heizung - ab Juli 2011 -, Pauschale von 400,00 EUR nach § 73 SGB XII als Fortführung des Erziehungsbeitrages nach dem KJHG). Bei der Ermittlung des konkreten Leistungsbetrages wurde ein Teil des Werkstatteinkommens in Abzug gebracht.
11Im Laufe der Zeit entstand Ungewissheit, ob die Bedarfsbemessung den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Es fand deshalb im Juli 2010 ein Hilfeplangespräch zwischen der Betreuerin und Mitarbeitern der Gemeinde F sowie des Beigeladenen statt. In dessen Nachgang listeten die Betreuerin und ihr Ehemann die aus ihrer Sicht zu deckenden Bedarfe der Klägerin umfassend auf; hierzu wird auf Blatt 196 bis 200 der Verwaltungsvorgänge der Stadt F Bezug genommen. Ebenfalls im Juli 2010 beantragte die Betreuerin mit Blick auf die Betreuung und Mobilität der Klägerin die Gewährung eines "trägerübergreifenden persönlichen Budgets" gem. §§ 17 Abs. 2 S. 1, 159 Abs. 5 SGB IX i.H.v. 1.170,00 EUR monatlich; dieses solle insbesondere für persönliche Betreuung (Vorlesen, Spielen usw.) sowie für soziale Teilhabe der Klägerin (Ausflüge, Besuch geeigneter Veranstaltungen wie Zoo, Funparks, Zirkus, Kino, Musikveranstaltungen) dienen. Bei einem hierzu geführten Gespräch zwischen Mitarbeitern des Beigeladenen und der Betreuerin am 29.10.2010 ergab sich mit Ausnahme der medizinisch notwendigen, von der Krankenkasse übernommenen Fahrten zu ärztlichen Behandlungen und dem Transport zur WfbM ein Mobilitätsbedarf der Klägerin für Fahrten zu Freizeitaktivitäten (Zoo- bzw. Konzertbesuche, Familienausflüge u.ä.) sowie zum Besuch einer Rollstuhlgruppe des "Perspektive e.V." Diese Rollstuhlgruppe findet (außer während der Ferien) alle zwei oder drei Wochen statt; außerdem bietet der Verein regelmäßig Zusatzveranstaltungen (Grillen usw.) an.
12Vor diesem Hintergrund bewilligte der Beigeladene der Klägerin unter Abschluss entsprechender Zielvereinbarungen für das Kalenderjahr 2011 ein monatliches "Mobilitätsbudget" von 194,00 EUR (Bescheide vom 29.12.2010 und 17.02.2011). Hiervon schöpfte die Klägerin 2011 nur 553,50 EUR aus. Für Fahrten nahm sie - wie auch bei Fahrten zu ärztlichen Behandlungen - die Firma U GmbH in Anspruch, einen größeren Taxidienst mit Sitz in C, der auch Behindertentransporte durchführt. Die Betreuerin legte dem Beigeladenen schriftlich dar, dass eine volle Ausschöpfung des Budgets nicht am Bedarf der Klägerin gescheitert sei, sondern an anderen Erschwernissen (z.B. erforderliche Terminabsprachen, lange Vorausplanung, keine Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Fahrdienstes in den Abendstunden, außergewöhnlich schlechter Gesundheitszustand der Klägerin im Jahr 2011). Ab März 2012 reduzierte der Beigeladene das Mobilitätsbudget auf 100,00 EUR monatlich. Diesen Betrag schöpfte die Klägerin - unter Nutzung des Taxidienstes F - von März 2012 bis Februar 2013 vollständig und von März 2013 bis Februar 2014 in einem Umfang von insgesamt 794,00 EUR aus.
13Hinsichtlich der Aufwendungen für die persönliche Betreuung der Klägerin im Übrigen einigten sich die Betreuerin und der Beigeladene für die Zeit von August 2010 bis Juli 2011 auf eine pauschale Vergütung i.H.v. 666,00 EUR monatlich (dreifacher Satz der Leistungen für Pflege und Erziehung nach Maßgabe der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu §§ 33, 39 SGB VIII für das Jahr 2011). Im August 2011 beantragte die Betreuerin die Erhöhung dieses "Betreuungsbudgets", weil der Aufwand weiterhin nur unzureichend abgegolten sei. Der Beigeladene setzte daraufhin das Budget für den Zeitraum August 2011 bis Juli 2012 auf monatlich 888,00 EUR bzw. (ab Januar 2012) auf 908,00 EUR herauf (Vierfaches der genannten Sätze). Nach Juli 2012 wurde das "Betreuungsbudget" unter Anpassung der Leistungshöhe (an fortgeschriebene Empfehlungen des Deutschen Vereins) wiederholt verlängert; seit Januar 2014 beläuft es sich auf monatlich 940,00 EUR.
14Bereits im Rahmen des Schriftverkehrs zum "Betreuungsbudget" warf die Klägerin - insbesondere mit Schriftsatz vom 15.11.2011 - gegenüber dem Beigeladenen die Frage auf, ob ihre weiterhin unbefriedigende Mobilität nicht statt durch Übernahme der Kosten für Fremdbeförderung durch Anschaffung bzw. Ausstattung eines für ihren Rollstuhl geeigneten Eigenfahrzeuges geregelt werden könne. Hierzu könnten begleitend Fördermittel des Beklagten in Anspruch genommen werden. Der Beigeladene verwies insoweit auf die Zuständigkeit des Beklagten.
15Im Herbst 2012 wurde verwaltungsseitig die Frage aufgeworfen, ob die Bedarfsdeckung bei der Klägerin weiterhin durch Hilfe u.a. nach § 73 SGB XII erfolgen solle. Der Beigeladene zog in diesem Zusammenhang die Leistungserbringung nach dem Neunten Kapitel des SGB XII an sich, um hierüber gemeinsam mit anderen von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen (Mobilitäts- und Betreuungsbudget) entscheiden zu können. Die Stadt F wies er an, bei im Übrigen gleichbleibender Handhabung ab Juli 2013 keine Leistungen nach § 73 SGB XII (i.H.v. 400,00 EUR) mehr zu erbringen (Bescheid der Stadt F vom 03.07.2013, Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom 06.09.2013). Ein Klageverfahren wurde insoweit nicht anhängig. Die Klägerin machte jedoch unmittelbar beim Beigeladenen die Fortzahlung der Leistungen geltend, weil sich an der Bedarfslage nichts geändert habe. Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte der Beigeladene dies ab. Der von den bisher gezahlten 400,00 EUR zu deckende Bedarf werde mittlerweile über die Leistungen der Pflegeversicherung bzw. das persönliche (Betreuungs-)Budget gedeckt; Leistungen nach § 73 SGB XII könnten daneben nicht mehr erbracht werden. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013) erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln (S 21 SO 17/14).
16Bereits am 15.12.2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten die "Zuschussgewährung für die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs". Ihre Mobilität außerhalb des Besuchs der WfbM und notwendiger Krankenfahrten werde zwar durch den Beigeladenen im Rahmen eines Budgets unterstützt. Die Nutzung von Fahrdiensten mit Spezialfahrzeugen habe sich dabei jedoch als relativ unflexibel erwiesen; die Fahrzeuge stünden nur mit recht großer Vorlaufzeit und nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung. Spontane Aktivitäten und Abweichungen von vorherigen Planungen seien so nicht möglich.
17Mit Bescheid vom 25.01.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab; gleichzeitig bewilligte er die Übernahme der Kosten für den behinderungsgerechten Umbau eines KFZ der Familie, in der die Klägerin lebe. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII. Dazu gehörten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV auch besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für KFZ, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei. Ein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ (§ 54 SGB XII i.V.m. § 8 EinglHV) bestehe jedoch nicht. Es sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe, für eine größtmögliche Ausweitung von Hilfen zu sorgen. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV mache dies durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" deutlich. Dies schließe zwar andere Gründe nicht von vornherein aus; diese müssten jedoch vergleichbar gewichtig sein und deshalb eine ständige Nutzung des KFZ notwendig erscheinen lassen. Die Klägerin sei nicht auf eine ständige Nutzung angewiesen. Da sie mit ihrer "Pflegefamilie" in Haushaltsgemeinschaft lebe, begründe die Haushaltsführung den geltend gemachten Bedarf nicht. Für Arztbesuche und verordnete Therapien sei die Krankenkasse zuständiger Kostenträger; Fahrten zur WfbM stelle der Zubringerdienst sicher. Dadurch sei ein Mindestmaß an Eingliederung in das Leben in der Gemeinschaft gewährleistet. Auch nichtbehinderte sozialhilfeberechtigte Personen müssten ihre Freizeit ohne eigenes KFZ gestalten. § 8 Abs. 3 EinglHV mache eine Anschaffungshilfe ohnehin in der Regel davon abhängig, dass die behinderte Person das KFZ selbst bedienen könne; die Klägerin könne dies nicht.
18Mit ihrem Widerspruch wandte die Klägerin ein, die Anschaffung eines KFZ sei notwendig, um ihr die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Die Fremdgestellung von Fahrzeugen könne ihren physischen und psychischen Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung tragen, weshalb die entsprechenden Förderleistungen praktisch ins Leere liefen. Autofahrten ohne sachgerechte Koordinierungsmöglichkeit oder mit zeitlichen Verzögerungen seien problematisch, weil dies ihre Bereitschaft zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten erhöhe. Mangels besonderer Schulung des Buspersonals im Umgang mit ihren besonderen Verhaltensweisen gelte dies auch für die Fahrten zu der WfbM. Da sie sich häufig überraschend und massiv selbst verletze, habe ihre Betreuerin bereits während des Bustransports ihren linken Arm bzw. die linke Hand leicht fixiert. Bei Nutzung eines Rollstuhltaxis in der Freizeit seien spontan erforderliche Pflegemaßnahmen (z.B. Wechsel von Windeln) nicht möglich; in einem speziell angepassten eigenen Fahrzeug ginge dies durchaus, was wiederum ihre Aggressionsneigung verringern könne. Für ihre "Familie" sei ein Mobilitätsbedarf überdies häufig nicht längerfristig planbar. Für die Klägerin sei es - anders als üblicherweise bei vorrangig Körperbehinderten - bedeutsam, ob bei bestimmten Aktivitäten auch ihre Betreuerin verfügbar sei, um ggf. sofort und in geeigneter Weise auf besondere Bedürfnisse einzugehen. Dies lasse sich nur dann umsetzen, wenn sowohl Art und Umfang der jeweiligen Beförderung als auch der Umfang der Begleitung durch ihre Betreuerin zuverlässig kalkuliert werden könnten.
19Der Beklagte holte von der Trägerin der WfbM eine Stellungnahme zu den Umständen des Transportes der Klägerin ein; hierzu wird auf den Schriftwechsel Blatt 111 bis 119 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
20Nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Personen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zurück. Kosten für die Beschaffung eines KFZ könnten nach § 8 EinglHV i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 33, 55 SGB IX nur bei Notwendigkeit übernommen werden. Eine solche bestehe nicht, wenn ein Krankentransport, öffentliche Verkehrsmittel oder gelegentlich ein Mietwagen genutzt werden könnten (LSG NRW, Urteil vom 22.02.2010 - L 20 SO 75/07). Die Gefahr von Eigen- oder Fremdverletzungen durch die Klägerin bestehe bei einem privaten KFZ ebenso. Könne bei einem Behindertentransport im Kleinbus der Rollstuhl noch so positioniert werden, dass die Klägerin von anderen Fahrgästen weit genug entfernt sitze, sei der Fahrgastraum in einem privaten KFZ deutlich eingeschränkter; säße die Klägerin dort auf dem Rücksitz, könnte sie an vor ihr sitzende Fahrgäste heranreichen und diese durch aggressives Verhalten schädigen. Wegen letzterem sei auch in einem privaten KFZ eine Begleitperson zwingend erforderlich, damit sich die Fahrerin bzw. der Fahrer auf den Verkehr konzentrieren könne. Die Möglichkeit, in einem privaten KFZ ggf. Windeln wechseln zu können, führe zu keiner anderen Beurteilung. Nach Mitteilung des Trägers der WfbM sei ein solcher Wechsel auf dem Weg zur WfbM bisher nie nötig gewesen; ohnehin sei der Fahrgastraum eines privaten KFZ dafür zu eng. Selbst wenn die Betreuerin beruhigend auf die Klägerin einwirken könne, so könne sie während des Werkstattaufenthalts der Klägerin gar nicht anwesend sein. Gelinge es aber dem Werkstattpersonal, Aggressionen der Klägerin auch ohne die Betreuerin erfolgreich zu handhaben, müsse dies auch während der Transportfahrten möglich sein, zumal Behindertenfahrdienste auf die Beförderung von Personen mit besonderem Verhalten ausgerichtet seien. Probleme durch das Verhalten der Klägerin während der Fahrt ließen sich durch Nutzung eines privaten KFZ somit nicht vermindern. Entsprechendes gelte für den organisatorischen Aufwand bei Inanspruchnahme von Behindertenfahrdiensten. Allein, dass diese ausreichend lang vorab gebucht, Termine sorgfältig geplant und bei unvorhersehbaren Umstände storniert werden müssten, schaffe keine Vergleichbarkeit mit der Ermöglichung einer Teilhabe am Erwerbsleben; eine Anschaffung eines privaten KFZ als Eingliederungshilfe sei nicht zu rechtfertigen.
21Am 13.09.2012 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie leide in letzter Zeit verstärkt unter Durchfällen, was auch zu Schwierigkeiten bei den Fahrten zur WfbM führe. Stünde ihr ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung, könnte eine Alu-Liege mitgeführt werden, um unterwegs z.B. Windeln wechseln zu können. Würden diese nicht gewechselt, komme es bei ihr schnell zu wunden Stellen. Derzeit verpasse sie etwa einmal wöchentlich den Transport zur WfbM, weil sie noch kurzfristig gebadet bzw. gewaschen werden müsse. Das Mobilitätsbudget des Beigeladenen sei bereits bei viermaliger Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes verbraucht. Sie habe insbesondere viel Spaß an Tieren und Musik; mit einem eigenen Fahrzeug würde sie entsprechende Veranstaltungen oder den Zoo häufiger besuchen. Freizeitaktivitäten gestalteten sich bei ihr wesentlich aufwändiger als etwa bei behinderten Menschen, welche lediglich auf einen Rollstuhl angewiesen seien. Es erscheine vertretbar und verhältnismäßig, ihr eine eigene Beförderungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, die ihre individuellen Defizite kompensiere. Im Übrigen werde ihre Werkstatttätigkeit vergütet, so dass ein eigenes KFZ durchaus in Zusammenhang mit einer Ermöglichung der Teilnahme am Erwerbsleben gesehen werden könne. Bei einem geeigneten Fahrzeug könne man eine Beeinträchtigung des Fahrers ausschließen. Den Einsatz einer Begleitperson könne sie sicherstellen; hierfür stünden z.B. Leistungen der Pflegekasse zur Verfügung. Sie könne nicht auf Förderung allein der Umbaukosten verwiesen werden; denn sie verfüge nicht über ausreichende Mittel, selbst ein KFZ anzuschaffen. Ihrer Betreuerin oder deren Ehemann sei der Einsatz eigener Mittel für die Anschaffung eines Fahrzeugs nicht zuzumuten, da sie in keinem familienrechtlichen Verhältnis zu ihr stünden. Die Klägerin hat Werbematerial eines Anbieters vorgelegt, demzufolge ein behinderungsgerecht ausgestattetes KFZ "Dacia Dokker" (inkl. Umbau mit Heckausschnitt für die Aufnahme eines Rollstuhls) für 14.750,00 EUR erworben werden könnte. Sie trägt weiter vor, ein geeignetes umbaufähiges Gebrauchtfahrzeug ließe sich für etwa 9.000,00 EUR erwerben.
22Die Klägerin hat beantragt,
23den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 zu verurteilen, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ i.H.v. 14.750,00 EUR zu gewähren, hilfsweise in einer Höhe, die im Ermessen des Gerichts liegt, zu gewähren.
24Der Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide an der Auffassung festgehalten, die Klägerin benötige kein eigenes Fahrzeug, um ihren Bedarf an Mobilität sicherzustellen.
27Das Sozialgericht hat am 20.03.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerin persönlich anwesend gewesen ist. Es hat zudem Stellungnahmen der Firma U GmbH und der Firma F Transfer GmbH eingeholt. Auf die Stellungnahme der Firma F Transfer GmbH vom 10.05.2013 wird Bezug genommen (Blatt 71 der Gerichtsakten). Die Firma U GmbH hat mit Schreiben vom 21.05.2013 mitgeteilt, die Kosten für eine Fahrt im Rollstuhltransport betrügen 20,50 EUR inkl. einer Fahrstrecke von 7 km und Begleitung durch die Betreuerin der Klägerin; für jeden weiteren gefahrenen Kilometer würden 1,65 EUR berechnet. Transportwünsche zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr müssten in der Woche in der Regel ein bis zwei Werktage vorher angemeldet werden. Stammkunden buchten zumeist etwa eine Woche im Voraus, da derzeit nur vier Rollstuhltransporter im Einsatz seien. Nach Bestellung einer Rückfahrt könne es zu Wartezeiten von bis zu 90 Minuten kommen. Für Wochenenden und Feiertage betrage die Frist für Voranmeldungen etwa zwei bis drei Wochen; es sei (besonders in der Sommerzeit) schwierig, Mitarbeiter für eine Sonderschicht an einem Sonn- oder Feiertag zu motivieren. Grundsätzlich seien die Fahrzeuge von Montag bis Freitag jeweils zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr besetzt (Frühschicht von 6.00 Uhr bis 16.00 Uhr, Spätschicht von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr). Man sei bemüht, den Mitarbeitern keine längeren Lenkzeiten aufzubürden. Es werde deshalb darauf geachtet, dass die Rückfahrt spätestens um 19.45 Uhr beendet sei.
28Mit Urteil vom 03.07.2013 (dem Beklagten zugstellt am 09.08.2013) hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54, Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX und § 8 EinglHV lägen vor. Eine Nutzungsintensität vergleichbar mit dem Gebrauch eines KFZ für die Teilhabe am Arbeitsleben sei nach neuerer Rechtsprechung des BSG nicht erforderlich (Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R). Entsprechend dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, reiche es aus, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich seien die Wünsche des behinderten Menschen. Es gelte ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegenstehe (BSG a.a.O. Rn. 26). Bei der Integration in die Gesellschaft müssten gesellschaftliche Kontakte in ausreichendem Umfang gewährleistet sein; Vergleichsmaßstab seien gleichaltrige, nicht behinderte Personen (BSG a.a.O. Rn. 27). Die Klägerin sei danach auf ein behindertengerechtes KFZ angewiesen, um im gewünschten und angemessenen Umfang am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Ihr Interesse an Tieren und Musik sei auch unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus ähnlichen Verfahren nachvollziehbar. Im Anschluss an die Auskunft der Firma U GmbH sei zudem klar, dass die Klägerin damit nur in nicht zumutbarem Rahmen Freizeitveranstaltungen besuchen könne; der etwa zweimal monatliche Besuch einer Behindertengruppe brauche das monatliche Mobilitätsbudget von 100,00 EUR bereits nahezu auf. Für den Erörterungstermin am 20.03.2013 in Köln seien Kosten für die Firma U GmbH von 164,00 EUR entstanden; vergleichbar hoch wären etwa Kosten für einen Besuch im Kölner Zoo. Wegen der Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen für die Buchung einer Fahrt am Wochenende oder einem Feiertag könne die Klägerin bereits terminierte Fahrten oft nicht durchführen; abgesehen davon, dass insbesondere für einen Tierparkbesuch gutes Wetter nötig sei, was im Voraus nicht abgeschätzt werden könne, schwanke der Gesundheitszustand der Klägerin stark. Dies gehe insbesondere aus der Auskunft der F Transfer GmbH vom 10.05.2013 hervor, wonach sich die Klägerin in unterschiedlicher Häufigkeit aggressiv verhalte sowie im Verhalten generell sprunghaft und affektiv sei. Das Gericht habe dies auch selbst beobachten können. Im Erörterungstermin sei die Klägerin sehr unruhig gewesen und habe recht häufig versucht, sich selbst an den Kopf zu schlagen. Die Betreuerin habe häufiger beruhigend auf sie einwirken müssen. Dagegen sei sie in der mündlichen Verhandlung sehr ruhig und freundlich gewesen, habe weitgehend gelächelt und kaum Ungeduld gezeigt. Das Risiko, dass sie einen Wochen im Voraus festgelegten Termin wegen ihrer wechselhaften Gesundheit nicht wahrnehmen könne, führe dazu, dass sie Ausflüge tatsächlich kaum unternehme. Abendveranstaltungen außerhalb ihres häuslichen Bereichs, die um 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr begännen, könne sie - auch unter der Woche - aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugen der U GmbH überhaupt nicht besuchen. Auch Wochenendausflüge seien insbesondere wegen der langen Vorlaufzeit nur selten möglich. Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft reiche dies nicht aus. Junge Frauen im Alter von Mitte 20 nähmen in größerem Umfang am Leben in der Gemeinschaft teil. Gesunde Menschen gingen, insbesondere am Wochenende, mehrmals im Monat aus und besuchten Geburtstagsfeiern bzw. Musikveranstaltungen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob ein eigenes KFZ auch für die Fahrten zur und von der WfbM erforderlich sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf 14.750,00 EUR für ein neues KFZ; denn maßgebend seien nur die Kosten für einen Gebrauchtwagen (BSG a.a.O. Rn 23). Die klägerseits recherchierten 9.000,00 EUR für ein geeignetes gebrauchtes KFZ, das behindertengerecht umgebaut werden könne, seien angemessen und entsprächen auch dem Ergebnis von Recherchen Beteiligter in parallelen Rechtsstreiten (z.B. Sozialgericht Köln - S 10 SO 352/11). Zur (zusätzlichen) Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines noch anzuschaffenden KFZ habe sich der Beklagte bereits verpflichtet. Um der Klägerin eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, solle die Klägerin den Zuschuss jedoch auch dann erhalten, wenn sie ein behindertengerechtes neues KFZ anschaffe und die zusätzlichen Kosten z.B. durch ein Darlehen oder Spenden decke. Der zugesprochene Betrag von bis zu 9.000,00 EUR sei als Zuschuss zu gewähren. Denn das Einkommen der Klägerin sei so gering, dass nach Absetzung der Freibeträge gemäß § 82 SGB XII monatlich nur etwa 23,00 EUR verblieben; hieraus könne ein Darlehen nicht zurückgezahlt werden. Der Einsatz von Sozialleistungen sei der Klägerin nicht zumutbar.
29Hiergegen hat der Beklagte am 09.09.2013 Berufung eingelegt. Die neuere Rechtsprechung des BSG lasse eine nur gelegentliche Notwendigkeit der KFZ-Nutzung für eine Beihilfe zur Beschaffung eines KFZ gerade nicht ausreichen. Die vom Sozialgericht herangezogene Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R betreffe nicht eine Hilfe zur Beschaffung, sondern zum Umbau eines bereits vorhandenen Fahrzeuges. Das BSG habe sich dementsprechend nur zu § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV, nicht jedoch zur im vorliegenden Fall einschlägigen Regelung des § 8 EinglHV geäußert. Danach könne ein Hilfeanspruch dann bestehen, wenn der Betreffende wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein KFZ angewiesen sei. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass §§ 8 bis 10 EinglHV jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Intensität des Merkmals "auf ein Kraftfahrzeug angewiesen" stellten. Dies ergebe sich schon daraus, dass § 9 EinglHV gegenüber § 8 EinglHV ein "Weniger" regele; § 8 EinglHV stelle deshalb auch höhere Anforderungen an die Hilfegewährung als die §§ 9 und 10 EinglHV. Die hergebrachte Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 und vom 20.07.2000 - 5 C 43/5 C 43/99 Rn. 15), die für eine Beschaffungshilfe vergleichbar gewichtige Umstände wie Fahrten zum Arbeitsplatz verlange, sei durch die von dem Sozialgericht herangezogene Entscheidung des BSG also keineswegs überholt. Auch dessen zu § 8 EinglHV ergangenes Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R sei keine Abkehr von der hergebrachten Rechtsprechung des BVerwG; nach wie vor müsse die Situation mit einer Beschaffungsförderung zur Teilnahme am Arbeitsleben vergleichbar sein, und der Kläger des vom BSG entschiedenen Falles habe insofern keinerlei Möglichkeiten gehabt, weil er weder eine Schule noch eine Werkstatt besucht habe. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R seien nicht generell auf die §§ 8 und 10 EinglHV übertragbar. Eine bloße Verbesserung der Mobilität der Klägerin reiche für einen Anspruch auf Beschaffungshilfe nicht aus; anderenfalls würde das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 SGB XII) derart ausgedehnt, dass - unabhängig von Häufigkeit und Zielrichtung der Fahrzeugnutzung - die Beschaffungshilfe schlichtweg in jedem Fall zu gewähren wäre. Dies sei von der EinglHV nicht gewollt. Einen Anhalt zum notwendigen zeitlichen Nutzungsumfang gebe die in § 8 Abs. 1 SGB II vorgesehene Grenze bei Erwerbsfähigkeit von drei Stunden täglich oder 15 Stunden wöchentlich. Der Besuch von zwei Freizeitveranstaltungen könne dann jedoch mangels zeitlicher und inhaltlicher Vergleichbarkeit mit einer Teilhabe am Arbeitsleben keinen hinreichend gewichtigen Grund i.S.v. § 8 EinglHV bilden. Dieses Ergebnis sei keineswegs unbillig. Denn die Klägerin sei tagsüber in der WfbM, verbringe dort also den größten Teil ihrer Zeit und sei bereits auf diese Weise in die Gesellschaft eingegliedert; Freizeitaktivitäten seien folglich zeitlich begrenzt und könnten deshalb auch nur in beschränktem Umfang eine weitere Teilhabe fördern. Zumutbar sei der Klägerin insoweit die Nutzung von Behindertenfahrdiensten, Taxis, Krankentransporten, Mietwagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem verlange eine "Inklusion" von nicht behinderten Menschen, auf behinderte Menschen zuzugehen, sie in ihr Leben einzubeziehen und zu ihnen aktiv Kontakt herzustellen; soziale Kontakte könnten deshalb vielfach auch ohne Anschaffung eines behinderungsgerechten Fahrzeugs gepflegt werden. Aus § 9 SGB I folge überdies die Zielsetzung von Sozialhilfe - und damit auch der KFZ-Hilfe -, neben der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Dieses Ziel sei auch ohne eigenes KFZ erreichbar. So habe das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10) zu § 8 EinglHV entschieden, Ausflüge in einen Tierpark, zu "Sealife", zu Museen oder der Besuch von weiter entfernt wohnenden Verwandten und Freunden seien zwar wünschenswert und förderlich, nicht jedoch sozialhilferechtlich notwendig. Zu beachten sei, dass auch nicht behinderten Menschen für Freizeit und Kultur aus wirtschaftlichen Gründen Vieles verwehrt sei; insoweit relativiere sich der Einwand des Sozialgerichts, die der Klägerin zustehende Mobilitätshilfe von 100,00 EUR monatlich werde bereits durch zwei Besuche der Behindertengruppe aufgebraucht. Schließlich gebiete auch Art. 20 UN-BRK eine andere Auslegung nicht. Zwar seien danach alle der Konvention beigetretenen Staaten gehalten, wirksame Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen die Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie z.B. die persönliche Mobilität zu erschwinglichen Kosten erleichterten. Gemeint seien damit jedoch Maßnahmen wie die Freifahrtregelung im öffentlichen Personennahverkehr o.ä.; Hilfen zur Beschaffung eines KFZ würden hingegen nicht ausdrücklich erwähnt. Auch Art. 30 UN-BRK, der Maßnahmen zur Teilhabe am kulturellen Leben sowie zur Erholung, Freizeit und Sport einfordere, sehe nicht vor, dass dies durch Gestellung eines eigenen Fahrzeugs geschehen müsse. Die Wertung in § 8 EinglHV, einen Anspruch auf Leistungen zur Beschaffung eines KFZ nur bei einem ähnlich wichtigen Grund wie der Teilhabe am Arbeitsleben zu geben, sei daher richtig; diese Wertung werde durch die Entscheidung des Sozialgerichts unterlaufen.
30Der Beklagte beantragt,
31das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
34Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Das Merkmal "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" sei nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV lediglich ein Beispiel. Die Lesart des Beklagten habe gesetzeswidrig zur Folge, dass Personen mit im Vergleich zu ihr geringerer Behinderung Mobilitätshilfe erhielten, während sie wegen ihrer praktisch hilflosen Lage und ihres Angewiesenseins auf Fremdbeistand keine Leistung erhalte. Ohnehin sei es inkonsequent, wenn der Beklagte ihr Umbaukosten für ein anzuschaffendes Fahrzeug finanzieren wolle, sie - die Klägerin - jedoch keine Mittel habe, ein solches Fahrzeug anzuschaffen; letztlich müssten dann nicht verwandte, unbeteiligte Dritte ein Fahrzeug für einen Umbau zur Verfügung stellen. Insbesondere der Transport zur WfbM sei wegen der Besonderheiten ihrer Behinderung durch einen Behindertenfahrdienst nicht hinreichend zuverlässig zu gewährleisten; das Begleitpersonal sei nicht ausreichend sachkundig, um auf die in letzter Zeit häufiger aufgetretenen Kaukrämpfe sachgerecht zu reagieren.
35Der mit Beschluss des Senats vom 10.06.2014 zu dem Verfahren hinzugezogene Beigeladene stellt keinen Antrag. Die Nutzung des Taxidienstes F GmbH hält er für sinnvoll; zwar gebe es in dem Gebiet noch andere Behindertenfahrdienste, diese hätten jedoch nicht ähnlich viele Fahrzeuge. Außerdem seien die für eine Beförderung der Klägerin in Frage kommende Behindertenfahrdienste nach seiner Kenntnis recht eingespannt, so dass es nicht viele freie Angebote geben dürfte.
36Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2014 die Betreuerin der Klägerin ausführlich befragt. Ferner hat er die Mitarbeiterin der Firma F GmbH Andrea F (aktuelle Begleitperson bei den Transporten der Klägerin zur WfbM), den ehemaligen Mitarbeiter der Firma F GmbH T (früher Fahrer bei den Transporten der Klägerin zur WfbM) sowie den Hausarzt der Klägerin Dr. I (Facharzt für Allgemeinmedizin) als Zeugen vernommen. Zu dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014 Bezug genommen.
37Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Stadt F und des Beigeladenen sowie Prozessakte des Sozialgerichts Köln - S 10 SO 352/11). Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
38Entscheidungsgründe:
39I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 25.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte Hilfe für die Anschaffung eines KFZ abgelehnt hat. Das Sozialgericht hat der Klage nur bis zur Höhe von 9.000,00 EUR stattgeben. Da nur der Beklagte (nicht aber die Klägerin) Berufung führt, ist die berufungsgerichtliche Überprüfung auf die sozialgerichtliche Verurteilung beschränkt; der Senat hat deshalb nicht zu befinden, ob der Klägerin ein noch über 9.000,00 EUR hinausreichender Hilfebetrag zusteht. Hinsichtlich einer Übernahme von Kosten für den behindertengerechten Umbau eines KFZ ist die durch die genannten Bescheide erfolgte Bewilligung des Beklagten bestandskräftig geworden; hierüber hat der Senat ebenfalls nicht zu befinden.
40II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet; die Klage ist zulässig (dazu 2.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht zugesprochenen Umfang begründet (dazu 3.). Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor (dazu 1.).
411. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide zwar geändert und den Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR verurteilt, nicht jedoch die Klage im Übrigen abgewiesen hat (vgl. zum Verfahrensmangel wegen - bewusster - Ausklammerung eines Punktes des Klagebegehrens Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 140 Rn. 2c). Der erstinstanzliche Tenor ist insoweit zwar nicht vollständig. Gleichwohl bestehen keine Zweifel an der Reichweite der Entscheidung des Sozialgerichts. Ohnehin mag schon aus dem Wortlaut des Tenors ("Abänderung" der angefochtenen Bescheide und Nennung des Betrages "in Höhe bis zu 9.000,00 EUR") ersichtlich sein, dass die Bescheide im Übrigen nicht nur hinsichtlich der Leistungsbewilligung für Umbaukosten, sondern auch hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung einer Beihilfe in Höhe eines Betrages von mehr als 9.000,00 EUR bestehen bleiben sollten. Die Abweisung der Klage hinsichtlich des 9.000,00 EUR übersteigenden Betrages ergibt sich zudem jedenfalls eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Aus dem Umstand, dass das Sozialgericht im Rahmen der Kostenentscheidung keine dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten entsprechende Kostenquote gebildet hat, folgt nichts anderes. Sollte es sich nicht ohnehin um ein bloßes Versehen handeln, ließe sich dies dadurch erklären, dass das Sozialgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 1 SGG allein das grundsätzliche Obsiegen der Klägerin für maßgeblich und ihr anteiliges Unterliegen (der Höhe nach) für unerheblich gehalten hat.
422. Das Begehren der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe für die Beschaffung eines KFZ ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 11). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.
433. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) auch begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Die Klägerin ist damit beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
44Der Leistungsanspruch gegen den Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV. Dabei handelt es sich um einen Geldleistungsanspruch (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen des sog. Gewährleistungsverantwortungsmodells (dazu z.B. Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 28 m.w.N; LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 58 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R) den Leistungsberechtigten gegenüber dem Sozialhilfeträger grundsätzlich ein Anspruch auf Sachleistungsverschaffung zusteht. Denn jedenfalls im Bereich der KFZ-Hilfe nach den §§ 8, 9 EinglHV handelt es sich um originäre Geldleistungsansprüche (BSG, Urteile vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 20 und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 12, vgl. auch Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R Rn. 12). Es kommt also nicht darauf an, dass hinter dem erstinstanzlichen Klageantrag ein konkretes Händlerangebot zum Kauf eines (bereits behinderungsgerecht umgebauten) Fahrzeuges "Dacia Dokker" stand und dieses bislang noch nicht beschafft wurde.
45a) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116 Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beratend beteiligt worden.
46b) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
47Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII NRW. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig für die Versorgung behinderter Menschen u.a. mit größeren Hilfsmitteln zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33 und 55 SGB IX. Größere Hilfsmittel sind solche mit einem Preis von mindestens 180,00 EUR. Dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zur Begründung seiner sachlichen Zuständigkeit nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII, sondern auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII abgestellt hat, beruht offenbar auf einem Versehen. Er hat auch nicht gemäß § 1 Nr. 2a bzw. Nr. 3c seiner (auf der Grundlage von § 99 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 AG-SGB XII NRW erlassenen) Satzung einen örtlichen Träger zur Leistungserbringung herangezogen (vgl. insb. § 1 Nr. 3c der Satzung, wonach die "Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges" von der Heranziehung ausgenommen wird). Letztlich kommt es darauf ohnehin nicht an, weil der Beklagte nach § 3 seiner Satzung das Recht hat, im Einzelfall selber tätig zu werden (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 12).
48Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Klägerin hat ihren tatsächlichen Aufenthalt (vgl. zu dem Begriff z.B. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 98 Rn. 13 ff.) im Haus ihrer (faktischen) "Pflegefamilie" und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Eine stationäre Unterbringung i.S.v. § 98 Abs. 2 (i.V.m. § 13 Abs. 2) SGB XII besteht nicht; insoweit fehlt es jedenfalls an der besonderen Organisationsform von personellen und sächlichen Mitteln (vgl. hierzu z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 13 Rn. 28 m.w.N.).
49Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob sich die Zuständigkeit des Beklagten im Außenverhältnis zur Klägerin (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 6/12 R Rn. 10 m.w.N.) ohnedies aus § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ergibt. Mit Blick auf das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 15.11.2011 an den Beigeladenen ist allerdings anzumerken, dass § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX jedenfalls nicht zu einer vorrangigen Leistungszuständigkeit des Beigeladenen im Außenverhältnis zur Klägerin führt. Denn dieses Schreiben enthält schon keinen Antrag i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX auf Teilhabeleistungen in Form einer Anschaffungsbeihilfe für ein behinderungsgerechtes oder behinderungsgerecht auszustattendes KFZ. Denn zwar wurde eine Gewährung einer Beihilfe in dem Schreiben angesprochen; dabei war sich der Bevollmächtigte der Klägerin jedoch über die materielle Leistungszuständigkeit des Beklagten erkennbar im Klaren und wollte sich ggf. selbst mit einem gesonderten Antrag an diesen wenden (wie dann am 15.12.2011 auch geschehen); ersichtlich nicht gewollt war jedoch ein eigener Antrag an den Beigeladenen.
50c) Die materiellen Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV sind erfüllt.
51aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist durch ihre Tetraspastik und eine Sehbehinderung in ihren körperlichen (§ 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 und Nr. 4 EinglHV) sowie durch das BNS-Syndrom auch in ihren geistigen Funktionen wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 EinglHV). Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sie durch die genannten gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage ist, in einem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wie dies für nicht behinderte Menschen ihres Alters üblich ist. Das Vorliegen der personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII stellt der Beklagte auch nicht in Abrede.
52bb) Die Voraussetzungen der §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX i.V.m. § 8 EinglHV für die Gewährung einer Hilfe zur Beschaffung eines KFZ sind ebenfalls erfüllt (zur Abgrenzung dieser Vorschrift gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1990 - 5 B 113/89 Rn. 3 f., und BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 m.w.N.).
53Gemäß § 8 Abs. 1 EinglHV wird Hilfe zur Beschaffung eines KFZ in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des KFZ angewiesen ist. Das BSG hat dies (nachdem die Entscheidung vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 dies noch ausdrücklich offengelassen hatte) im Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 15 m.w.N.) dahingehend konkretisiert, dass die bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) nur dann besteht, wenn ein KFZ als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist. Diese Ziele bestehen darin (vgl. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder er so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 2 S. 2 SGB XII, § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 2 SGB XII); bei behinderten Kindern sind die Wünsche der Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls, maßgebend. Es gilt also - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - ein individueller und personenzentrierter Maßstab; dieser steht einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegen.
54Nach diesen konkretisierenden Ausführungen des BSG sind (in Zusammenschau mit seiner Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 26 m.w.N.) bei § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV letztlich identische Maßstäbe anzulegen. Die Ansicht des Beklagten, bei § 8 Abs. 1 EinglHV sei - anders als bei § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV - eine mit der Notwendigkeit für die Teilhabe am Arbeitsleben vergleichbare Nutzungsintensität erforderlich (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, br 2013, Seite 1 ff. (6)), steht - jedenfalls im Sinne einer pauschalen Beurteilungsregel für Fälle (wie hier) mit anderweitig gesichertem Transport zu einer WfbM (dazu noch später) - damit nicht in Einklang. Zwar verweist der Beklagte insoweit insbesondere auf das Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 16) und die Besonderheiten des dortigen Lebenssachverhaltes; das BSG stellt allerdings in dieser Entscheidung gerade (nochmals) klar, dass sich die Notwendigkeit der begehrten Hilfe allein nach den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen mit Blick auf die genannten Ziele der Eingliederungshilfe richte und nicht nach einer am Leitbild der Teilhabe am Arbeitsleben orientierten Nutzungsintensität. Aus Sicht des Senats liegt darin zwar ein gewisses Absetzen des BSG von der Rechtsprechung des BVerwG (letzteres in den Urteilen vom 20.07.2000 - 5 C 43/99 Rn. 15 und vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 Rn. 9); auch wenn das BSG selbst dies (a.a.O.) verneint, so ändert es doch nichts daran, dass es jedenfalls eine eindeutige Lesart zu § 8 Abs. 1 EinglHV in dem soeben dargestellten Sinne gefunden hat. Als "Korrektiv" gegenüber ausufernden Wünschen des Betroffenen fungiert deshalb nicht ein starrer Vergleich mit der Nutzungsintensität bei einer Teilnahme am Arbeitsleben, sondern die Notwendigkeit der Angemessenheit der Wünsche im Hinblick auf eine Eingliederung in die Gesellschaft entsprechend den im Einzelfall bestehenden Möglichkeiten und verständigen Teilhabebedürfnissen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Lesart des BSG an.
55Soweit der Beklagten darauf verweist, nach dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10 leite sich aus der Sicherungsfunktion der Sozialhilfe für eine menschenwürdige Lebensführung hinsichtlich der Notwendigkeit einer KFZ-Hilfe ein restriktives Verständnis her, so stimmt eine solche Sichtweise jedenfalls nicht mit dem (zeitlich später ergangenen) Urteil des BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R überein. Bei der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII geht es - anders als insbesondere bei den Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII - nicht allein um die bloße Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz; bezweckt wird vielmehr eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen sowie die Beseitigung faktischer Benachteiligungen Behinderter in der Lebenswirklichkeit (so LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 78 zur Inanspruchnahme von Hilfskräften im Rahmen der Eingliederungshilfe für ein Hochschulstudium).
56Entsprechend der dargestellten Rechtsprechung des BSG kommt es im vorliegenden Fall auf eine Prognose an, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Beihilfe für die Anschaffung eines KFZ verfolgt werden - dazu (1) - und ob die begehrte Eingliederungsmaßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (2) - und erforderlich - dazu (3) - ist.
57(1) Die Klägerin kann wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen selbst keine verwertbaren Angaben zu ihren Eingliederungszielen machen. Ihre Betreuerin - die im Rahmen des ihr zugewiesenen Aufgabenkreises ohnehin berufen ist, sich rechtlich verbindlich für die Klägerin zu äußern - kann dies als (faktische) "Pflegemutter", die die Klägerin bereits seit dem Kleinkindalter kennt und durchgehend bis heute betreut, indes durchaus. In einer solchen Lage besteht eine Vergleichbarkeit mit der Eingliederung minderjähriger Kinder (zur Maßgeblichkeit des Willens bzw. der Wünsche der gesetzlichen Vertreter bei der Eingliederung minderjähriger Kinder vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 15). Der Senat orientiert sich deshalb zur Beurteilung der Eigenvorstellungen der Klägerin zu ihrer Eingliederung in die Gemeinschaft in erster Linie an den Äußerungen ihrer Betreuerin.
58Nach deren Angaben zu den Eingliederungsbedürfnissen, die sie im Laufe des Verfahrens mehrfach sowohl schriftlich als auch mündlich - zuletzt auf ausführliches Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung - für die Klägerin gemacht hat, ist von folgenden Eingliederungswünschen der Klägerin auszugehen: regelmäßige Beschäftigung in der WfbM, regelmäßige Teilnahme an der etwa zweimal pro Monat stattfindenden Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. und ggf. Wahrnehmung von Zusatzangeboten des Vereins (Grillabende o.ä.), regelmäßige Freizeitaktivitäten mit der Betreuerin bzw. der gesamten "Pflegefamilie" (z.B. Zoo- und Konzertbesuche, Besuche von Bekannten/Verwandten, Stadtbummel u. dergl.).
59Der Senat hält diese Eingliederungswünsche der Klägerin für i.S.v. § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII angemessen (zu diesem Maßstab vgl. BSG, a.a.O. Rn. 16). Maßgebende Vergleichsgruppe bei der Angemessenheitsprüfung sind nicht behinderte, nicht sozialhilfebedürftige Personen gleichen Alters (BSG, a.a.O.; a.A. mglw. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 9). Dabei müssen sich behinderte Menschen grundsätzlich nicht mit der Eingliederung in ihr häusliches Umfeld begnügen (BSG, a.a.O.). Die von der Betreuerin für die Klägerin formulierten Wünsche stehen nach Art und Umfang nicht im Gegensatz zu Freizeitbedürfnissen nicht behinderter junger Frauen im Alter der Klägerin; sie erscheinen vielmehr gerade als überaus verständliche, unmittelbar nachvollziehbare Aktivitätsbedürfnisse für eine Person einerseits im Lebensalter der Klägerin, zumal sie andererseits auch ihren gesundheitsbedingt einschränkten Möglichkeiten entgegenkommen.
60Demgegenüber schränkt die Auffassung des Beklagten, es reiche aus, wenn die Klägerin mit dem Besuch der WfbM nur in einem Teilbereich in das Leben in der Gemeinschaft eingegliedert sei, nach Ansicht des Senats die Eingliederungshilfemöglichkeiten zu weitgehend ein. Geht es - der Rechtsprechung des BSG folgend - gerade um eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen nicht nur in einzelnen Lebensbereichen, sondern (im Rahmen des Möglichen und in angemessenem Umfang) grundsätzlich in allen Lebensbereichen, so ist nicht nur der Bereich der Tagesbeschäftigung an einer Arbeitsstelle (wie der WfbM) betroffen, sondern üblicherweise auch die Bereiche Familie, Freunde und Bekannte sowie Freizeit und Kultur. Die Tätigkeit in der WfbM deckt Teilhabebedürfnisse deshalb nur einseitig und teilweise ab. Dies zeigt sich auch darin, dass Leistungen zum Besuch einer WfbM im Arbeitsbereich als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden (vgl. § 41 SGB IX). Auch wenn bei lebensnaher Sicht davon auszugehen ist, dass der Klägerin in der WfbM gerade auch soziale Erfahrungen und Erlebnisse vermittelt werden, so decken diese doch die für eine gleichberechtigte Teilhabe ebenso bedeutsamen Felder Familie, Freizeit und kulturelle Erlebnisse von vornherein nicht ab. Auch letzteren ist jedoch - entsprechend den für die Klägerin feststellbaren Wünschen - in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen.
61Dass sich diese Eingliederungswünsche der Klägerin in einem angemessenen Rahmen halten, erscheint dem Senat offensichtlich. Kurzfristig (insbesondere Rücksicht nehmend auf den aktuellen Gesundheitszustand) planbare Besuche bei Freunden, Verwandten der "Pflegefamilie", Teilnahme an Gruppenveranstaltungen (wie etwa der Rollstuhlgruppe), Besuche von Musikveranstaltungen, Stadtbummel u. dergl. erscheinen vielmehr als maßvolle und zur Bereicherung des Angebots an Außenreizen für die in ihren Teilhabemöglichkeiten wegen ihrer geistigen sowie körperlichen Grenzen ohne solche Angebote weitestgehend eingeschränkte Klägerin geradezu gebotene Aktivitäten. Die Klägerin ist auch in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht etwa derart eingeschränkt, dass sie von solchen Aktivtäten nicht profitieren könnte oder überfordert wäre. Dies folgt nicht nur aus den glaubhaften Angaben ihrer Betreuerin, sondern auch aus dem aktenkundigen Inhalt des Zeugnisses der Q-Förderschule vom 23.06.2006, der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Beigeladenen vom 03.09.2010 sowie den Angaben des Hausarztes Dr. I bei seiner Vernehmung als Zeuge; nicht zuletzt steht auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der Senat während der etwa vierstündigen mündlichen Verhandlung von der Klägerin machen konnte, fest, dass sie Außenreize wahrnimmt, verarbeitet und auf sie reagiert. Der Senat geht deshalb trotz ihrer beschränkten Äußerungsmöglichkeiten davon aus, dass die Klägerin soziale Erlebnisse wahrnimmt und von ihnen profitieren kann. Dies gilt etwa für den Besuch von Konzerten, da sie für akustische Reize besonders empfänglich ist. Die eingeschränkte Sehfähigkeit der Klägerin spricht nicht etwa gegen die Angemessenheit von Tierparkbesuchen, Stadtbummeln o.ä.; ist sie ohnehin auf einem Auge nur leicht eingeschränkt, erschöpfen sich derartige Aktivitäten zudem nicht im visuellen Erlebnis, sondern bieten auch weitere (etwa taktile, akustische, olfaktorische oder soziale) Anregungen, welche die Erlebniswelt der Klägerin bereichern können. So hat insbesondere ihr Hausarzt bei seiner Vernehmung durch den Senat angegeben, dass sie in einer eher reizarmen Umgebung lebe und nach seiner Vermutung von zusätzlichen Außenreizen profitieren könnte; zu einer Befürchtung der Überforderung der Klägerin durch zu viele Reize bei Freizeitaktivitäten (neben dem Besuch der WfbM) sah er keinen Anlass.
62Hinsichtlich der Häufigkeit bzw. Frequenz von Freizeitaktivitäten ist ohnehin zu berücksichtigen, dass der Klägerin behinderungsbedingt eine Vielzahl von in ihrer Altersgruppe üblichen Sozialkontakten versagt ist; insofern erscheint gerade ein höheres Maß an ihr möglichen Aktivitäten gerechtfertigt (vgl. BSG, a.a.O. 16).
63(2) Die Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ ist auch geeignet, ihre unter (1) genannten Eingliederungswünsche zu erfüllen. Denn mit einem solchen, auf ihre konkreten Bedürfnisse bzw. behinderungsbedingten Besonderheiten zugeschnitten Fahrzeug könnte sie den damit zusammenhängenden Mobilitätsbedarf jederzeit (und ohne Vorausplanung, welche sich ggf. bei spontaner gesundheitlicher Unmöglichkeit als vergeblich erweisen würde) decken.
64Als Fahrer stünden neben der Betreuerin der Klägerin deren Ehemann oder deren Kinder zur Verfügung. Alle diese Personen verfügen über eine Fahrerlaubnis. Sofern es sich (ggf. nach Umbau) um ein für den Transport der Klägerin in ihrem Rollstuhl zugelassenes Fahrzeug handelt, hat der Senat auch angesichts der Neigung der Klägerin zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten keine grundsätzlichen Bedenken, dass eine Beförderung nicht hinreichend sicher gewährleistet werden könnte. Sofern zwischen den Beteiligten kontroverse Ansichten darüber bestehen, ob ein Transport allein durch die Betreuerin (als Fahrerin) oder aber nur mit ihr und zugleich einer dritten Person hinreichend sicher durchgeführt werden kann, betrifft dies nicht die Geeignetheit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ als solche. Ohnehin kommen nach den plausiblen und glaubhaften Angaben der Betreuerin genügend Personen als Fahrer in Betracht, so dass die Betreuerin als Begleitperson (und nicht selbst als Fahrerin) fungieren könnte; neben den Mitgliedern der "Pflegefamilie" gibt es noch weiterer Personen, die bereit und in der Lage wären, bei Fahrten in einem KFZ der Klägerin mitzuwirken.
65(3) Die Ausstattung mit einem eigenen Fahrzeug ist im Einzelfall der Klägerin auch erforderlich (vgl. dazu BSG, a.a.O. Rn. 17), um ihre angemessenen Eingliederungswünsche zu verwirklichen. Andere Möglichkeiten als die Benutzung eines eigenen KFZ, die sie zur Verwirklichung ihrer Teilhabeziele zumutbar nutzen könnte, sind nicht ersichtlich.
66Zwar ist die Klägerin - anders als sie vorträgt - nicht schon im Hinblick auf den Transport zur WfbM auf ein eigenes (behinderungsgerecht ausgestattetes) Fahrzeug angewiesen. Der Senat ist vielmehr - insbesondere aufgrund der Angaben der Zeugin F - davon überzeugt, dass jedenfalls seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges (seit Januar 2014), bei dem die Begleitperson während der Fahrt unmittelbar links neben der Klägerin sitzen kann, ein hinreichend sicherer und zumutbarer Transport der Klägerin zu und von der WfbM stattfindet. Denn seither kann nach den nachvollziehbaren und auch von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Zeugin mit Ausnahme der kurzen Zeit des Be- und Entladens des Rollstuhls mit der Klägerin deren auto- und fremdaggressives Verhalten wirksam unterbunden werden. Der Senat hat bei der Vernehmung auch den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin F (als Begleitperson bei den Werkstattfahrten) die Klägerin mit Einfühlungsvermögen, verantwortungsvoll und sachkundig begleitet; sie erscheint dem Senat danach gut in der Lage, den Zustand der Klägerin und ihre Stimmungen einzuschätzen und auf Problemsituationen angemessen zu reagieren. Dies gilt insbesondere für die klägerseits mehrfach angesprochenen Krampfanfälle. Insoweit ist das Begleitpersonal mit einem Notfallmedikament ausgestattet und befugt, es der Klägerin bei Bedarf zu verabreichen; der Senat sieht keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies in entsprechenden Notsituationen auch geschehen würde. Soweit beim Ein- und Aussteigen vorübergehend aggressives Verhalten der Klägerin nicht immer zu verhindern ist, macht dies den Transport nicht unzumutbar. Denn während der mündlichen Verhandlung hat sich gezeigt, dass selbst die Betreuerin der Klägerin (z.B. infolge von Ablenkung) nicht ausnahmslos in der Lage ist, diese davon abzuhalten, sich selbst zu schlagen. Insofern bestünde im Übrigen wohl auch kein Unterschied zwischen einem Be- und Entladen des Werkstattfahrzeugs und eines eigenen Fahrzeugs der Klägerin. Andere Gründe für eine Unzumutbarkeit der Werkstattbeförderung durch die Firma F Transfer GmbH sind nicht erkennbar. Sofern diesbezüglich von der Klägerseite häufige Durchfälle der Klägerin angesprochen wurden, welche öfter zum Ausfall des Werkstattbesuchs geführt hätten, so ist in der mündlichen Verhandlung aus den Angaben der Betreuerin deutlich geworden, dass hier etwa ein Jahr nach Diagnose einer Lactoseintoleranz eine Besserung eingetreten ist. Die Mitarbeiter der Firma F Transfer GmbH konnten überhaupt keine Angaben dazu machen, dass Durchfälle der Klägerin den Transport behindern würden.
67Diese grundsätzliche Zumutbarkeit der Nutzung des Sammeltransports zur Werkstatt durch die Firma F Transfer GmbH steht der Erforderlichkeit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ indes nicht entgegen. Denn die Klägerin erreicht - anders als der Beklagte meint - allein durch den Besuch der WfbM keine ausreichende bzw. angemessene Eingliederung. Es verbleiben vielmehr (wie bereits dargelegt) weitere soziale Bereiche, denen in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen ist.
68Zur Abdeckung dieser Bereiche ist ein Mobilitätsbedürfnis der Klägerin anzuerkennen, welches ihr bisheriges Mobilitätsbudget nicht abdecken kann. Dieses Bedürfnis ergibt sich zum einen aus dem regelmäßigen Besuch der Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. (etwa zweimal monatlich) und zum anderen aus dem Bedürfnis, Unternehmungen mit der "Pflegefamilie" oder mit anderen durchzuführen (wie Zoobesuche, Konzertbesuche, sonstige Ausflüge, Wahrnehmung von Einladungen o.ä.), dies im Übrigen auch nach - bisher kaum möglicher - spontanerer Planung.
69Einem Bedürfnis nach insbesondere größerer familiärer Integration steht nicht etwa entgegen, dass die Klägerin keiner Familie im familienrechtlichen Sinne zugehört. Denn zu der Familie der Betreuerin, in der die Klägerin seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt, besteht jedenfalls faktisch ein entsprechendes Nähe- und Zugehörigkeitsverhältnis. In deren häuslichen Bereich ist die Klägerin durch ihre Beziehung zu den übrigen Familienmitgliedern und auch zu dem zur Familie gehörenden Hund hinreichend integriert. Zur angemessenen familiären Eingliederung gehört jedoch auch, dass die Klägerin - gemeinsam mit den übrigen Familienmitgliedern - Erlebnisse außerhalb des häuslichen Bereichs haben kann (z.B. durch Ausflüge, Verwandtenbesuche, etc.).
70Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es für die Klägerin keine andere zumutbare Möglichkeit, den für ihre Eingliederung bestehenden Mobilitätsbedarf anders als durch Nutzung eines eigenen KFZ zu decken (vgl. zu einem ähnlichen Fall Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2009 - S 42 (29,44) SO 27/06).
71Die Deckung des Bedarfs über das Mobilitätsbudget des Beigeladenen (sei es in der derzeitigen Höhe von 100,00 EUR, oder sei es mehr) ist ungeeignet. Denn es erscheint - den Angaben der Betreuerin, flankiert von denen der gehörten Zeugen und dem persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin während der mündlichen Verhandlung folgend - ein Verweis der Klägerin auf das Budget und damit allein auf die Nutzung eines Taxidienstes nicht zumutbar. Der Senat geht zwar - ebenso wie der Beklagte (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 4 Fn. 43 m.w.N.) - davon aus, dass die Nutzung von Fahrdiensten zur Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses behinderter Menschen bzw. deren Eingliederung im Regelfall möglich und ausreichend ist. Bei der Klägerin kommt den damit verbundenen Erschwernissen (etwa eine lange Vorlaufzeit, fehlende bzw. eingeschränkte Verfügbarkeit in Abendstunden, an Wochenenden oder Feiertagen, mangelnde Flexibilität bei unvorhergesehen Ereignissen und auch während einer Unternehmung) jedoch ein so erhebliches Gewicht zu, dass ein dauerhafter Verweis auf die Nutzung eines Fahrdienstes unzumutbar wäre. Insbesondere die regelmäßig auftretenden Krampfanfälle und das auch im Übrigen von starken Schwankungen geprägte Krankheitsbild der Klägerin macht nachvollziehbar, dass wesentliche Aktivitäten zur Eingliederung (regelmäßiger Besuch der Rollstuhlgruppe, Ausflüge mit der Familie und Besuch von Veranstaltungen - insbesondere am Wochenende oder abends) allein durch die Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes nicht hinreichend organisierbar sind. Dies zeigt sich schon darin, dass die Klägerin das ursprünglich von dem Beigeladenen zur Verfügung gestellte Mobilitätsbudget nur teilweise abrufen konnte; insofern besteht kein Anlass, das ernsthafte Bemühen der Betreuerin zur Nutzung des Budgets in Zweifel zu ziehen. Unter Berücksichtigung der Angaben des Beigeladenen existiert im Umland der Klägerin auch kein anderer Fahrdienst, der organisatorisch besser in der Lage wäre, das Mobilitätsbedürfnis der Klägerin zu befriedigen, als die von der Klägerin regelmäßig in Anspruch genommene Firma U GmbH.
72Ist die Inanspruchnahme eines professionellen Behindertenfahrdienstes deshalb keine zumutbare Alternative, gilt dies erst recht für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Abgesehen von den Einschränkungen für Nutzer eines Spezialrollstuhls wie dem der Klägerin wohnt diese ohnehin nicht in einem mit öffentlichen Angeboten gut ausgestatteten Bereich wie einem Ballungsraum oder einer Großstadt, sondern in einem ländlich strukturierten Gebiet. Aus diesem Grund kann sie im Übrigen auch ihren Eingliederungsbedarf nur sehr beschränkt im unmittelbaren Nahbereich befriedigen.
73Schließlich kommt auch ein Umbau eines in der "Pflegefamilie" der Klägerin bereits vorhandenen Fahrzeugs nicht als Alternative zur Anschaffung eines eigenen PKW in Betracht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 18). Denn die beiden in der "Pflegefamilie" vorhandenen Fahrzeuge (Ford Focus, Ford Fiesta) sind für einen behindertengerechten Umbau bereits ungeeignet. Beide Modelle sind zu niedrig, um einen Rollstuhl nebst darin sitzender Person aufzunehmen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Im Übrigen dürfte das weitere Fahrzeug (Ford Focus) auch aufgrund seines Alters und seiner Laufleistungen kaum mehr für eine Umgestaltung in Frage kommen. Der Betreuerin bzw. der "Pflegefamilie" (die sich für die Betreuung der Klägerin bereits in erheblichem Umfang persönlich einschränken) ist es ohnehin nicht zuzumuten, eines der Familienfahrzeuge für die Klägerin umbauen zu lassen (zu diesem Gesichtspunkt BSG, a.a.O. Rn. 20). Zum einen benötigt der Ehemann der Betreuerin eines der Fahrzeuge (Ford Fiesta) für seine Berufstätigkeit; zum anderen fehlt jede familienrechtliche Verbindung zwischen der Klägerin und der Betreuerin bzw. deren Familie.
74(4) Einem Leistungsanspruch der Klägerin steht § 8 Abs. 3 EinglHV nicht entgegen. Danach ist die Hilfe nach Abs. 1 der Vorschrift in der Regel davon abhängig ist, dass der behinderte Mensch das Fahrzeug selbst bedienen kann. Sind Ausnahmen vom Regelfall möglich, so kommt die Bewilligung von KFZ-Hilfe etwa in Betracht, wenn behinderte Kinder mangels anderer Transportmöglichkeiten regelmäßig von den Eltern zur Schule oder zu einer Tagungsbildungsstätte gefahren werden müssen (Scheider in Schellhorn/Schell-horn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 8 EinglHV Rn. 12), oder wenn sichergestellt ist, dass der behinderte Mensch von einer dazu fähigen und berechtigten anderen Person zu den seiner Eingliederung dienenden Maßnahmen mit dem KFZ gefahren wird und dadurch keine Mehrkosten entstehen, die der behinderte Mensch nicht selbst tragen kann (vgl. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Im Falle der Klägerin erscheint ein kostenneutraler Transport durch die Betreuerin oder andere ihr nahestehende Personen gesichert; im Übrigen ist ihre Situation auch vergleichbar mit derjenigen minderjähriger Kinder.
75dd) Schließlich sind auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt. Von Belang sind dabei allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen der Klägerin selbst; denn sie ist volljährig und nicht mit ihrer Betreuerin oder deren Familienangehörigen verwandt (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII).
76Nach den aktenkundigen Informationen, die von der Betreuerin in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt wurden, ist die Klägerin vermögenslos. Als Einkommen können allenfalls Teile ihres Werkstatteinkommens nach Maßgabe von § 82 SGB XII berücksichtigt werden. Unbeschadet eines etwaigen Anstiegs des Einkommens seit Juli 2012 im Rahmen üblicher Dynamisierungen sind die Einkünfte aus der Tätigkeit in jedem Fall so gering, dass sie die maßgebliche Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht übersteigen. § 87 Abs. 3 SGB XII ist vor diesem Hintergrund von vornherein ohne Belang.
77d) Liegen die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen vor, ist der Klägerin die von ihr begehrte KFZ-Hilfe zuzuerkennen, weil es sich (wie eingangs dargelegt) um eine gebundene Entscheidung über einen Geldleistungsanspruch handelt.
78Dem Träger der Eingliederungshilfe steht allerdings grundsätzlich ein Auswahlermessen betreffend die Art bzw. das Maß der Leistungserbringung zu (vgl. Scheider, a.a.O. Rn. 7). Die Leistung kann als Darlehen oder als Zuschuss erbracht werden (vgl. § 8 Abs. 2 EinglHV). Zur Frage, in welchen Fällen ein Zuschuss und in welchen Fällen ein Darlehen zu gewähren ist, existieren Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger (http://www.lwl.org/spur-download/bag/21 06an.pdf), an denen sich auch der Beklagte orientiert (Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Nach diesen Richtlinien (Ziff. 2.4.3) ist ein Zuschuss zu leisten, wenn das Einkommen des Berechtigten die Grenze des § 85 SGB XII nicht übersteigt. Zugunsten der Klägerin ist deshalb das Auswahlermessen des Beklagten auf eine Gewährung als Zuschuss reduziert.
79Soweit das Sozialgericht die Höhe des Zuschusses mit einem Betrag von bis zu 9.000,00 EUR beziffert hat, hält der Senat dies - im Anschluss an eine orientierende Internetrecherche unter www.autoscout24.de - für nicht zu beanstanden. Jedenfalls ein Betrag in dieser Höhe erscheint notwendig und angemessen, um ein hinreichend zuverlässiges, d.h. nicht zu altes, gebrauchtes KFZ zu erwerben, das für einen sicheren Rollstuhltransport der Klägerin fachgerecht umgebaut werden kann oder ggf. bereits umgebaut ist. Auch der Beklagte hat zur Höhe des durch das Sozialgericht zugesprochenen Betrages keine Bedenken geäußert. Für dessen Angemessenheit spricht zudem, dass er noch unterhalb des Maximalwertes nach § 5 Abs. 1 KFZ-Hilfeverordnung (9.500,00 EUR) liegt, auch wenn diese Regelung im vorliegenden Fall keine (unmittelbare) Anwendung findet (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV).
804. Ist das Urteil des Sozialgerichts nach alledem in der Sache nicht zu beanstanden, war nur der Tenor mit Blick auf die Abweisung der Klage im Übrigen zu berichtigen (s.o. I.).
81III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Bei der Kostenquote war zu berücksichtigen, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren mit ihrem Begehren nur zu etwa zwei Dritteln durchgedrungen ist. Hat sie selbst keine Berufung geführt, war sie gegen die Berufung des Beklagten in vollem Umfang erfolgreich. Die Erstattung von Kosten des nur kurzfristig zum Verfahren hinzugezogenen Beigeladenen, der im Übrigen keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspräche nicht der Billigkeit.
82IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt. Die rechtlichen Kriterien, nach denen eine Eingliederungshilfe nach § 8 EinglHV zu beurteilen ist, sind höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R); hiervon weicht die vorliegende Entscheidung nicht ab.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).
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Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.
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Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.
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Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).
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Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz
vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09) , wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.
- 6
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung
) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.
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Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) , weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.
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Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII
vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherungvom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).
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Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.
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In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).
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Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).
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Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.
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In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).
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Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.
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War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.
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Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
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über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 neu gefasst. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges oder eines behindertengerecht umbaufähigen Kraftfahrzeuges in Höhe bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zur Gänze, für das erstinstanzliche Verfahren zu zwei Dritteln. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ als Eingliederungshilfe.
3Die am 00.00.1988 geborene Klägerin leidet unter einem sog. "BNS-Syndrom" (frühkindlicher Hirnschaden aufgrund erheblicher Sauerstoffmangelversorgung bei der Geburt), verbunden mit einer Tetraspastik, geistiger Behinderung, Krampfanfällen, psychomotorischer Retardierung, vesico-ureteralem Reflux, Oberbauchmeteorismus und Obstipation bei heftigen abdominellen Krämpfen, Durchfällen bei Lactoseintoleranz sowie einer vollständigen Erblindung des linken Auges bei leichter Sehschwäche des rechten Auges. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist sie zu keinerlei Selbständigkeit in der Lage. Insbesondere eine eigenständige Fortbewegung ist ihr nicht möglich; im und außer Haus ist sie auf die Benutzung eines speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhls angewiesen. Sie benötigt ständige Beaufsichtigung und Anleitung, kann weder lesen noch schreiben und nur einfachen Anweisungen folgen. Ihre Konzentrationsspanne umfasst wenige Minuten; hinzu treten ausgeprägte Störungen der Auffassung und Merkfähigkeit. Handgriffe müssen über einen längeren Zeitraum eingeübt werden. Die Körperpflege kann sie nicht selbständig wahrnehmen. Sie kann sich nicht selbst versorgen, ist nicht in der Lage, Arbeit zu terminieren, zu strukturieren und die Zukunft vorauszuplanen. Sie benötigt einen von außen geregelten strukturierten Tagesablauf. Werden ihre Bedürfnisse (z.B. nach intensiver Zuwendung) nicht erfüllt, reagiert sie mit auto- und fremdaggressivem Verhalten. Die Durchsetzung ihrer Wünsche steht im Vordergrund. Regeln (z.B. nicht in die Windel greifen) beachtet sie kaum. Die Verständigung erfolgt über wenige Laute (z.B. ein "Nein-Zeichen"); Wohlgefühl oder Schmerz äußert sie z.B. durch Kratzen, Beißen oder Kopfschütteln. Sie ist freundlich bei interessierter und aufnehmender Haltung. Das Zusammensein mit anderen und ihr entgegengebrachte Sympathie genießt sie und kann darauf mit Freude reagieren. Werden ihre Bedürfnisse erkannt, unterstützt und gefördert, baut sie eine intensive Beziehung zu Bezugspersonen auf.
4Das Versorgungsamt erkannte der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zu. Die Pflegekasse gewährt ihr laufend Pflegegeld nach der Pflegestufe III (Stand Januar 2012: monatlich 700,00 EUR). Ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand im Sinne der §§ 36 Abs. 4, 43 Abs. 2 SGB XI wurde bislang nicht festgestellt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden nicht erbracht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte am 04.04.2006 im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB XII die dauerhafte volle Erwerbsminderung der Klägerin fest.
5Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt sie im Haushalt ihrer gesetzlichen Betreuerin und deren (zum Ersatzbetreuer bestellten) Ehemannes. Die Betreuung umfasst den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, alle Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Ämtern sowie die Befugnis zum Empfang von Post. Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet. Der Ehemann der Betreuerin ist berufstätig. Die Betreuerin ist gelernte Kinderkrankenschwester, gab ihre berufliche Tätigkeit jedoch im Jahr 2009 auf.
6Zum Haushalt gehören neben der Klägerin noch zwei leibliche Kinder der Betreuerin und ihres Ehemannes (geb. Juni 1992 bzw. Dezember 1995) sowie die Eltern der Betreuerin. Beide Kinder verfügen über eine Fahrerlaubnis. Die Eltern der Betreuerin sind schwerbehindert (Vater: GdB 100, Merkzeichen "G", "aG" und "RF"; Mutter: GdB 80, Merkzeichen "G" und "aG") und werden ebenfalls von der Betreuerin der Klägerin versorgt. Die Familie lebt in einem Eigenheim und besitzt einen Hund. Sie verfügt über zwei eigene KFZ, einen Ford Focus Turnier Ambiente ("Kombi"; Erstzulassung Februar 1999, Laufleistung im Juni 2014 103.871 km) und einen Ford Fiesta. Den Ford Fiesta nutzt der Ehemann der Betreuerin im Wesentlichen, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Der Ford Focus wird überwiegend von der Betreuerin der Klägerin genutzt, um Besorgungen für die Familie, insbesondere auch für die Klägerin, zu erledigen. Ein Transport der Klägerin (nebst Rollstuhl) ist weder mit dem Ford Focus noch mit dem Ford Fiesta möglich. Eine Umrüstung eines der beiden Fahrzeuge zur Ermöglichung des Transports der Klägerin ist modellbedingt nicht möglich.
7Der von der Familie bewohnte Ortsteil der Stadt F hat dörflichen Charakter (Einwohnerzahl gut 1.300) und verfügt neben einer Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr über einen Kiosk und einen Bäcker. Die Stadt F hat insgesamt gut 21.000 Einwohner. Die Entfernung vom Wohnort der Klägerin zum Hauptort und zu nächstgelegenen größeren Orten (C und C1) beträgt jeweils mehr als vier Kilometer. Die Praxis des Hausarztes der Klägerin ist zwei Häuser vom Wohnhaus der Klägerin entfernt und fußläufig (mit dem Rollstuhl) erreichbar.
8Bis zum Sommer 2007 besuchte die Klägerin eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Q-Förderschule). Im September 2007 wurde sie in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in C aufgenommen (Entfernung zum Wohnort ca. 9 km). Dort ist sie seit Dezember 2007 im Arbeitsbereich tätig. Der für die Klägerin kostenfreie Transport zwischen Wohnort und WfbM erfolgt im Auftrag der WfbM durch einen Fahrdienst der Firma F Transfer GmbH. Der Sammeltransport mit weiteren Passagieren ist mit einem Fahrer und einer Begleitperson besetzt. Die Klägerin wird an Werkstatt-Tagen morgens gegen 7.30 Uhr von zuhause abgeholt und nachmittags wieder zurück gebracht; die Fahrtzeit pro Weg beträgt etwa eine halbe Stunde. Während des Transports verbleibt die Klägerin in ihrem Rollstuhl; für das Be- und Entladen des Rollstuhls verfügt das Fahrzeug über eine entsprechende Rampe. Zur Erleichterung des Transports wurde der Rollstuhl der Klägerin 2010 mit einem Kraftknotensystem ausgestattet, wofür der Beklagte die Kosten (520,03 EUR) als Eingliederungshilfe übernahm (Bescheid vom 01.10.2010). Erkrankungsbedingt neigt die Klägerin dazu, sich oder andere während der Fahrt mit dem linken Arm heftig zu schlagen. Dies wird (seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges ab Januar 2014) dadurch unterbunden, dass die Begleitperson während der Fahrt links neben der Klägerin sitzt. Weiterhin kommt es jedoch zu autoaggressivem Verhalten (heftiges Schlagen gegen den eigenen Kopf), wenn die Aufmerksamkeit der Begleitperson während des Verladevorganges kurzzeitig anderweitig gebunden ist. (U.a.) Während der Fahrt treten bei der Klägerin regelmäßig Krampfanfälle (sog. Kaukrämpfe) auf. Es wird ein entkrampfendes Medikament mitgeführt, zu dessen Verabreichung bei Bedarf die Begleitpersonen autorisiert sind.
9Für die Tätigkeit in der WfbM erhält die Klägerin neben jährlich zwei Einmalzahlungen eine monatliche Vergütung in Höhe des sog. Grundbetrages. Hinzu kommen der monatliche Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld. Für Juli 2012 betrugen die monatlichen Bruttozahlungen (vor Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen) 102,00 EUR. Neben diesen Einkünften und dem Pflegegeld verfügt die Klägerin lediglich über Leistungen des Beigeladenen bzw. der Stadt F (bis zum 31.12.2010 Gemeinde F) nach dem SGB XII. Eigenes Vermögen hat sie nicht.
10Bis zur Volljährigkeit erhielt die Klägerin für ihren Lebensunterhalt Leistungen der Vollzeitpflege gemäß § 33 KJHG vom Jugendamt des Beigeladenen. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährte ihr die Stadt/Gemeinde F in Abstimmung mit dem Beigeladenen laufend Leistungen nach dem SGB XII (Regelsatz/Regelbedarf nach dem Dritten/Vierten Kapitel SGB XII, Mehrbedarfszuschlag wegen Schwerbehinderung, Erhöhungsbetrag nach § 28 Abs. 5 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, Kosten der Unterkunft und Heizung - ab Juli 2011 -, Pauschale von 400,00 EUR nach § 73 SGB XII als Fortführung des Erziehungsbeitrages nach dem KJHG). Bei der Ermittlung des konkreten Leistungsbetrages wurde ein Teil des Werkstatteinkommens in Abzug gebracht.
11Im Laufe der Zeit entstand Ungewissheit, ob die Bedarfsbemessung den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Es fand deshalb im Juli 2010 ein Hilfeplangespräch zwischen der Betreuerin und Mitarbeitern der Gemeinde F sowie des Beigeladenen statt. In dessen Nachgang listeten die Betreuerin und ihr Ehemann die aus ihrer Sicht zu deckenden Bedarfe der Klägerin umfassend auf; hierzu wird auf Blatt 196 bis 200 der Verwaltungsvorgänge der Stadt F Bezug genommen. Ebenfalls im Juli 2010 beantragte die Betreuerin mit Blick auf die Betreuung und Mobilität der Klägerin die Gewährung eines "trägerübergreifenden persönlichen Budgets" gem. §§ 17 Abs. 2 S. 1, 159 Abs. 5 SGB IX i.H.v. 1.170,00 EUR monatlich; dieses solle insbesondere für persönliche Betreuung (Vorlesen, Spielen usw.) sowie für soziale Teilhabe der Klägerin (Ausflüge, Besuch geeigneter Veranstaltungen wie Zoo, Funparks, Zirkus, Kino, Musikveranstaltungen) dienen. Bei einem hierzu geführten Gespräch zwischen Mitarbeitern des Beigeladenen und der Betreuerin am 29.10.2010 ergab sich mit Ausnahme der medizinisch notwendigen, von der Krankenkasse übernommenen Fahrten zu ärztlichen Behandlungen und dem Transport zur WfbM ein Mobilitätsbedarf der Klägerin für Fahrten zu Freizeitaktivitäten (Zoo- bzw. Konzertbesuche, Familienausflüge u.ä.) sowie zum Besuch einer Rollstuhlgruppe des "Perspektive e.V." Diese Rollstuhlgruppe findet (außer während der Ferien) alle zwei oder drei Wochen statt; außerdem bietet der Verein regelmäßig Zusatzveranstaltungen (Grillen usw.) an.
12Vor diesem Hintergrund bewilligte der Beigeladene der Klägerin unter Abschluss entsprechender Zielvereinbarungen für das Kalenderjahr 2011 ein monatliches "Mobilitätsbudget" von 194,00 EUR (Bescheide vom 29.12.2010 und 17.02.2011). Hiervon schöpfte die Klägerin 2011 nur 553,50 EUR aus. Für Fahrten nahm sie - wie auch bei Fahrten zu ärztlichen Behandlungen - die Firma U GmbH in Anspruch, einen größeren Taxidienst mit Sitz in C, der auch Behindertentransporte durchführt. Die Betreuerin legte dem Beigeladenen schriftlich dar, dass eine volle Ausschöpfung des Budgets nicht am Bedarf der Klägerin gescheitert sei, sondern an anderen Erschwernissen (z.B. erforderliche Terminabsprachen, lange Vorausplanung, keine Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Fahrdienstes in den Abendstunden, außergewöhnlich schlechter Gesundheitszustand der Klägerin im Jahr 2011). Ab März 2012 reduzierte der Beigeladene das Mobilitätsbudget auf 100,00 EUR monatlich. Diesen Betrag schöpfte die Klägerin - unter Nutzung des Taxidienstes F - von März 2012 bis Februar 2013 vollständig und von März 2013 bis Februar 2014 in einem Umfang von insgesamt 794,00 EUR aus.
13Hinsichtlich der Aufwendungen für die persönliche Betreuung der Klägerin im Übrigen einigten sich die Betreuerin und der Beigeladene für die Zeit von August 2010 bis Juli 2011 auf eine pauschale Vergütung i.H.v. 666,00 EUR monatlich (dreifacher Satz der Leistungen für Pflege und Erziehung nach Maßgabe der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu §§ 33, 39 SGB VIII für das Jahr 2011). Im August 2011 beantragte die Betreuerin die Erhöhung dieses "Betreuungsbudgets", weil der Aufwand weiterhin nur unzureichend abgegolten sei. Der Beigeladene setzte daraufhin das Budget für den Zeitraum August 2011 bis Juli 2012 auf monatlich 888,00 EUR bzw. (ab Januar 2012) auf 908,00 EUR herauf (Vierfaches der genannten Sätze). Nach Juli 2012 wurde das "Betreuungsbudget" unter Anpassung der Leistungshöhe (an fortgeschriebene Empfehlungen des Deutschen Vereins) wiederholt verlängert; seit Januar 2014 beläuft es sich auf monatlich 940,00 EUR.
14Bereits im Rahmen des Schriftverkehrs zum "Betreuungsbudget" warf die Klägerin - insbesondere mit Schriftsatz vom 15.11.2011 - gegenüber dem Beigeladenen die Frage auf, ob ihre weiterhin unbefriedigende Mobilität nicht statt durch Übernahme der Kosten für Fremdbeförderung durch Anschaffung bzw. Ausstattung eines für ihren Rollstuhl geeigneten Eigenfahrzeuges geregelt werden könne. Hierzu könnten begleitend Fördermittel des Beklagten in Anspruch genommen werden. Der Beigeladene verwies insoweit auf die Zuständigkeit des Beklagten.
15Im Herbst 2012 wurde verwaltungsseitig die Frage aufgeworfen, ob die Bedarfsdeckung bei der Klägerin weiterhin durch Hilfe u.a. nach § 73 SGB XII erfolgen solle. Der Beigeladene zog in diesem Zusammenhang die Leistungserbringung nach dem Neunten Kapitel des SGB XII an sich, um hierüber gemeinsam mit anderen von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen (Mobilitäts- und Betreuungsbudget) entscheiden zu können. Die Stadt F wies er an, bei im Übrigen gleichbleibender Handhabung ab Juli 2013 keine Leistungen nach § 73 SGB XII (i.H.v. 400,00 EUR) mehr zu erbringen (Bescheid der Stadt F vom 03.07.2013, Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom 06.09.2013). Ein Klageverfahren wurde insoweit nicht anhängig. Die Klägerin machte jedoch unmittelbar beim Beigeladenen die Fortzahlung der Leistungen geltend, weil sich an der Bedarfslage nichts geändert habe. Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte der Beigeladene dies ab. Der von den bisher gezahlten 400,00 EUR zu deckende Bedarf werde mittlerweile über die Leistungen der Pflegeversicherung bzw. das persönliche (Betreuungs-)Budget gedeckt; Leistungen nach § 73 SGB XII könnten daneben nicht mehr erbracht werden. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013) erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln (S 21 SO 17/14).
16Bereits am 15.12.2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten die "Zuschussgewährung für die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs". Ihre Mobilität außerhalb des Besuchs der WfbM und notwendiger Krankenfahrten werde zwar durch den Beigeladenen im Rahmen eines Budgets unterstützt. Die Nutzung von Fahrdiensten mit Spezialfahrzeugen habe sich dabei jedoch als relativ unflexibel erwiesen; die Fahrzeuge stünden nur mit recht großer Vorlaufzeit und nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung. Spontane Aktivitäten und Abweichungen von vorherigen Planungen seien so nicht möglich.
17Mit Bescheid vom 25.01.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab; gleichzeitig bewilligte er die Übernahme der Kosten für den behinderungsgerechten Umbau eines KFZ der Familie, in der die Klägerin lebe. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII. Dazu gehörten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV auch besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für KFZ, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei. Ein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ (§ 54 SGB XII i.V.m. § 8 EinglHV) bestehe jedoch nicht. Es sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe, für eine größtmögliche Ausweitung von Hilfen zu sorgen. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV mache dies durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" deutlich. Dies schließe zwar andere Gründe nicht von vornherein aus; diese müssten jedoch vergleichbar gewichtig sein und deshalb eine ständige Nutzung des KFZ notwendig erscheinen lassen. Die Klägerin sei nicht auf eine ständige Nutzung angewiesen. Da sie mit ihrer "Pflegefamilie" in Haushaltsgemeinschaft lebe, begründe die Haushaltsführung den geltend gemachten Bedarf nicht. Für Arztbesuche und verordnete Therapien sei die Krankenkasse zuständiger Kostenträger; Fahrten zur WfbM stelle der Zubringerdienst sicher. Dadurch sei ein Mindestmaß an Eingliederung in das Leben in der Gemeinschaft gewährleistet. Auch nichtbehinderte sozialhilfeberechtigte Personen müssten ihre Freizeit ohne eigenes KFZ gestalten. § 8 Abs. 3 EinglHV mache eine Anschaffungshilfe ohnehin in der Regel davon abhängig, dass die behinderte Person das KFZ selbst bedienen könne; die Klägerin könne dies nicht.
18Mit ihrem Widerspruch wandte die Klägerin ein, die Anschaffung eines KFZ sei notwendig, um ihr die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Die Fremdgestellung von Fahrzeugen könne ihren physischen und psychischen Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung tragen, weshalb die entsprechenden Förderleistungen praktisch ins Leere liefen. Autofahrten ohne sachgerechte Koordinierungsmöglichkeit oder mit zeitlichen Verzögerungen seien problematisch, weil dies ihre Bereitschaft zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten erhöhe. Mangels besonderer Schulung des Buspersonals im Umgang mit ihren besonderen Verhaltensweisen gelte dies auch für die Fahrten zu der WfbM. Da sie sich häufig überraschend und massiv selbst verletze, habe ihre Betreuerin bereits während des Bustransports ihren linken Arm bzw. die linke Hand leicht fixiert. Bei Nutzung eines Rollstuhltaxis in der Freizeit seien spontan erforderliche Pflegemaßnahmen (z.B. Wechsel von Windeln) nicht möglich; in einem speziell angepassten eigenen Fahrzeug ginge dies durchaus, was wiederum ihre Aggressionsneigung verringern könne. Für ihre "Familie" sei ein Mobilitätsbedarf überdies häufig nicht längerfristig planbar. Für die Klägerin sei es - anders als üblicherweise bei vorrangig Körperbehinderten - bedeutsam, ob bei bestimmten Aktivitäten auch ihre Betreuerin verfügbar sei, um ggf. sofort und in geeigneter Weise auf besondere Bedürfnisse einzugehen. Dies lasse sich nur dann umsetzen, wenn sowohl Art und Umfang der jeweiligen Beförderung als auch der Umfang der Begleitung durch ihre Betreuerin zuverlässig kalkuliert werden könnten.
19Der Beklagte holte von der Trägerin der WfbM eine Stellungnahme zu den Umständen des Transportes der Klägerin ein; hierzu wird auf den Schriftwechsel Blatt 111 bis 119 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
20Nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Personen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zurück. Kosten für die Beschaffung eines KFZ könnten nach § 8 EinglHV i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 33, 55 SGB IX nur bei Notwendigkeit übernommen werden. Eine solche bestehe nicht, wenn ein Krankentransport, öffentliche Verkehrsmittel oder gelegentlich ein Mietwagen genutzt werden könnten (LSG NRW, Urteil vom 22.02.2010 - L 20 SO 75/07). Die Gefahr von Eigen- oder Fremdverletzungen durch die Klägerin bestehe bei einem privaten KFZ ebenso. Könne bei einem Behindertentransport im Kleinbus der Rollstuhl noch so positioniert werden, dass die Klägerin von anderen Fahrgästen weit genug entfernt sitze, sei der Fahrgastraum in einem privaten KFZ deutlich eingeschränkter; säße die Klägerin dort auf dem Rücksitz, könnte sie an vor ihr sitzende Fahrgäste heranreichen und diese durch aggressives Verhalten schädigen. Wegen letzterem sei auch in einem privaten KFZ eine Begleitperson zwingend erforderlich, damit sich die Fahrerin bzw. der Fahrer auf den Verkehr konzentrieren könne. Die Möglichkeit, in einem privaten KFZ ggf. Windeln wechseln zu können, führe zu keiner anderen Beurteilung. Nach Mitteilung des Trägers der WfbM sei ein solcher Wechsel auf dem Weg zur WfbM bisher nie nötig gewesen; ohnehin sei der Fahrgastraum eines privaten KFZ dafür zu eng. Selbst wenn die Betreuerin beruhigend auf die Klägerin einwirken könne, so könne sie während des Werkstattaufenthalts der Klägerin gar nicht anwesend sein. Gelinge es aber dem Werkstattpersonal, Aggressionen der Klägerin auch ohne die Betreuerin erfolgreich zu handhaben, müsse dies auch während der Transportfahrten möglich sein, zumal Behindertenfahrdienste auf die Beförderung von Personen mit besonderem Verhalten ausgerichtet seien. Probleme durch das Verhalten der Klägerin während der Fahrt ließen sich durch Nutzung eines privaten KFZ somit nicht vermindern. Entsprechendes gelte für den organisatorischen Aufwand bei Inanspruchnahme von Behindertenfahrdiensten. Allein, dass diese ausreichend lang vorab gebucht, Termine sorgfältig geplant und bei unvorhersehbaren Umstände storniert werden müssten, schaffe keine Vergleichbarkeit mit der Ermöglichung einer Teilhabe am Erwerbsleben; eine Anschaffung eines privaten KFZ als Eingliederungshilfe sei nicht zu rechtfertigen.
21Am 13.09.2012 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie leide in letzter Zeit verstärkt unter Durchfällen, was auch zu Schwierigkeiten bei den Fahrten zur WfbM führe. Stünde ihr ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung, könnte eine Alu-Liege mitgeführt werden, um unterwegs z.B. Windeln wechseln zu können. Würden diese nicht gewechselt, komme es bei ihr schnell zu wunden Stellen. Derzeit verpasse sie etwa einmal wöchentlich den Transport zur WfbM, weil sie noch kurzfristig gebadet bzw. gewaschen werden müsse. Das Mobilitätsbudget des Beigeladenen sei bereits bei viermaliger Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes verbraucht. Sie habe insbesondere viel Spaß an Tieren und Musik; mit einem eigenen Fahrzeug würde sie entsprechende Veranstaltungen oder den Zoo häufiger besuchen. Freizeitaktivitäten gestalteten sich bei ihr wesentlich aufwändiger als etwa bei behinderten Menschen, welche lediglich auf einen Rollstuhl angewiesen seien. Es erscheine vertretbar und verhältnismäßig, ihr eine eigene Beförderungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, die ihre individuellen Defizite kompensiere. Im Übrigen werde ihre Werkstatttätigkeit vergütet, so dass ein eigenes KFZ durchaus in Zusammenhang mit einer Ermöglichung der Teilnahme am Erwerbsleben gesehen werden könne. Bei einem geeigneten Fahrzeug könne man eine Beeinträchtigung des Fahrers ausschließen. Den Einsatz einer Begleitperson könne sie sicherstellen; hierfür stünden z.B. Leistungen der Pflegekasse zur Verfügung. Sie könne nicht auf Förderung allein der Umbaukosten verwiesen werden; denn sie verfüge nicht über ausreichende Mittel, selbst ein KFZ anzuschaffen. Ihrer Betreuerin oder deren Ehemann sei der Einsatz eigener Mittel für die Anschaffung eines Fahrzeugs nicht zuzumuten, da sie in keinem familienrechtlichen Verhältnis zu ihr stünden. Die Klägerin hat Werbematerial eines Anbieters vorgelegt, demzufolge ein behinderungsgerecht ausgestattetes KFZ "Dacia Dokker" (inkl. Umbau mit Heckausschnitt für die Aufnahme eines Rollstuhls) für 14.750,00 EUR erworben werden könnte. Sie trägt weiter vor, ein geeignetes umbaufähiges Gebrauchtfahrzeug ließe sich für etwa 9.000,00 EUR erwerben.
22Die Klägerin hat beantragt,
23den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 zu verurteilen, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ i.H.v. 14.750,00 EUR zu gewähren, hilfsweise in einer Höhe, die im Ermessen des Gerichts liegt, zu gewähren.
24Der Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide an der Auffassung festgehalten, die Klägerin benötige kein eigenes Fahrzeug, um ihren Bedarf an Mobilität sicherzustellen.
27Das Sozialgericht hat am 20.03.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerin persönlich anwesend gewesen ist. Es hat zudem Stellungnahmen der Firma U GmbH und der Firma F Transfer GmbH eingeholt. Auf die Stellungnahme der Firma F Transfer GmbH vom 10.05.2013 wird Bezug genommen (Blatt 71 der Gerichtsakten). Die Firma U GmbH hat mit Schreiben vom 21.05.2013 mitgeteilt, die Kosten für eine Fahrt im Rollstuhltransport betrügen 20,50 EUR inkl. einer Fahrstrecke von 7 km und Begleitung durch die Betreuerin der Klägerin; für jeden weiteren gefahrenen Kilometer würden 1,65 EUR berechnet. Transportwünsche zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr müssten in der Woche in der Regel ein bis zwei Werktage vorher angemeldet werden. Stammkunden buchten zumeist etwa eine Woche im Voraus, da derzeit nur vier Rollstuhltransporter im Einsatz seien. Nach Bestellung einer Rückfahrt könne es zu Wartezeiten von bis zu 90 Minuten kommen. Für Wochenenden und Feiertage betrage die Frist für Voranmeldungen etwa zwei bis drei Wochen; es sei (besonders in der Sommerzeit) schwierig, Mitarbeiter für eine Sonderschicht an einem Sonn- oder Feiertag zu motivieren. Grundsätzlich seien die Fahrzeuge von Montag bis Freitag jeweils zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr besetzt (Frühschicht von 6.00 Uhr bis 16.00 Uhr, Spätschicht von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr). Man sei bemüht, den Mitarbeitern keine längeren Lenkzeiten aufzubürden. Es werde deshalb darauf geachtet, dass die Rückfahrt spätestens um 19.45 Uhr beendet sei.
28Mit Urteil vom 03.07.2013 (dem Beklagten zugstellt am 09.08.2013) hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54, Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX und § 8 EinglHV lägen vor. Eine Nutzungsintensität vergleichbar mit dem Gebrauch eines KFZ für die Teilhabe am Arbeitsleben sei nach neuerer Rechtsprechung des BSG nicht erforderlich (Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R). Entsprechend dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, reiche es aus, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich seien die Wünsche des behinderten Menschen. Es gelte ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegenstehe (BSG a.a.O. Rn. 26). Bei der Integration in die Gesellschaft müssten gesellschaftliche Kontakte in ausreichendem Umfang gewährleistet sein; Vergleichsmaßstab seien gleichaltrige, nicht behinderte Personen (BSG a.a.O. Rn. 27). Die Klägerin sei danach auf ein behindertengerechtes KFZ angewiesen, um im gewünschten und angemessenen Umfang am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Ihr Interesse an Tieren und Musik sei auch unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus ähnlichen Verfahren nachvollziehbar. Im Anschluss an die Auskunft der Firma U GmbH sei zudem klar, dass die Klägerin damit nur in nicht zumutbarem Rahmen Freizeitveranstaltungen besuchen könne; der etwa zweimal monatliche Besuch einer Behindertengruppe brauche das monatliche Mobilitätsbudget von 100,00 EUR bereits nahezu auf. Für den Erörterungstermin am 20.03.2013 in Köln seien Kosten für die Firma U GmbH von 164,00 EUR entstanden; vergleichbar hoch wären etwa Kosten für einen Besuch im Kölner Zoo. Wegen der Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen für die Buchung einer Fahrt am Wochenende oder einem Feiertag könne die Klägerin bereits terminierte Fahrten oft nicht durchführen; abgesehen davon, dass insbesondere für einen Tierparkbesuch gutes Wetter nötig sei, was im Voraus nicht abgeschätzt werden könne, schwanke der Gesundheitszustand der Klägerin stark. Dies gehe insbesondere aus der Auskunft der F Transfer GmbH vom 10.05.2013 hervor, wonach sich die Klägerin in unterschiedlicher Häufigkeit aggressiv verhalte sowie im Verhalten generell sprunghaft und affektiv sei. Das Gericht habe dies auch selbst beobachten können. Im Erörterungstermin sei die Klägerin sehr unruhig gewesen und habe recht häufig versucht, sich selbst an den Kopf zu schlagen. Die Betreuerin habe häufiger beruhigend auf sie einwirken müssen. Dagegen sei sie in der mündlichen Verhandlung sehr ruhig und freundlich gewesen, habe weitgehend gelächelt und kaum Ungeduld gezeigt. Das Risiko, dass sie einen Wochen im Voraus festgelegten Termin wegen ihrer wechselhaften Gesundheit nicht wahrnehmen könne, führe dazu, dass sie Ausflüge tatsächlich kaum unternehme. Abendveranstaltungen außerhalb ihres häuslichen Bereichs, die um 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr begännen, könne sie - auch unter der Woche - aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugen der U GmbH überhaupt nicht besuchen. Auch Wochenendausflüge seien insbesondere wegen der langen Vorlaufzeit nur selten möglich. Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft reiche dies nicht aus. Junge Frauen im Alter von Mitte 20 nähmen in größerem Umfang am Leben in der Gemeinschaft teil. Gesunde Menschen gingen, insbesondere am Wochenende, mehrmals im Monat aus und besuchten Geburtstagsfeiern bzw. Musikveranstaltungen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob ein eigenes KFZ auch für die Fahrten zur und von der WfbM erforderlich sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf 14.750,00 EUR für ein neues KFZ; denn maßgebend seien nur die Kosten für einen Gebrauchtwagen (BSG a.a.O. Rn 23). Die klägerseits recherchierten 9.000,00 EUR für ein geeignetes gebrauchtes KFZ, das behindertengerecht umgebaut werden könne, seien angemessen und entsprächen auch dem Ergebnis von Recherchen Beteiligter in parallelen Rechtsstreiten (z.B. Sozialgericht Köln - S 10 SO 352/11). Zur (zusätzlichen) Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines noch anzuschaffenden KFZ habe sich der Beklagte bereits verpflichtet. Um der Klägerin eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, solle die Klägerin den Zuschuss jedoch auch dann erhalten, wenn sie ein behindertengerechtes neues KFZ anschaffe und die zusätzlichen Kosten z.B. durch ein Darlehen oder Spenden decke. Der zugesprochene Betrag von bis zu 9.000,00 EUR sei als Zuschuss zu gewähren. Denn das Einkommen der Klägerin sei so gering, dass nach Absetzung der Freibeträge gemäß § 82 SGB XII monatlich nur etwa 23,00 EUR verblieben; hieraus könne ein Darlehen nicht zurückgezahlt werden. Der Einsatz von Sozialleistungen sei der Klägerin nicht zumutbar.
29Hiergegen hat der Beklagte am 09.09.2013 Berufung eingelegt. Die neuere Rechtsprechung des BSG lasse eine nur gelegentliche Notwendigkeit der KFZ-Nutzung für eine Beihilfe zur Beschaffung eines KFZ gerade nicht ausreichen. Die vom Sozialgericht herangezogene Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R betreffe nicht eine Hilfe zur Beschaffung, sondern zum Umbau eines bereits vorhandenen Fahrzeuges. Das BSG habe sich dementsprechend nur zu § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV, nicht jedoch zur im vorliegenden Fall einschlägigen Regelung des § 8 EinglHV geäußert. Danach könne ein Hilfeanspruch dann bestehen, wenn der Betreffende wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein KFZ angewiesen sei. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass §§ 8 bis 10 EinglHV jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Intensität des Merkmals "auf ein Kraftfahrzeug angewiesen" stellten. Dies ergebe sich schon daraus, dass § 9 EinglHV gegenüber § 8 EinglHV ein "Weniger" regele; § 8 EinglHV stelle deshalb auch höhere Anforderungen an die Hilfegewährung als die §§ 9 und 10 EinglHV. Die hergebrachte Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 und vom 20.07.2000 - 5 C 43/5 C 43/99 Rn. 15), die für eine Beschaffungshilfe vergleichbar gewichtige Umstände wie Fahrten zum Arbeitsplatz verlange, sei durch die von dem Sozialgericht herangezogene Entscheidung des BSG also keineswegs überholt. Auch dessen zu § 8 EinglHV ergangenes Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R sei keine Abkehr von der hergebrachten Rechtsprechung des BVerwG; nach wie vor müsse die Situation mit einer Beschaffungsförderung zur Teilnahme am Arbeitsleben vergleichbar sein, und der Kläger des vom BSG entschiedenen Falles habe insofern keinerlei Möglichkeiten gehabt, weil er weder eine Schule noch eine Werkstatt besucht habe. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R seien nicht generell auf die §§ 8 und 10 EinglHV übertragbar. Eine bloße Verbesserung der Mobilität der Klägerin reiche für einen Anspruch auf Beschaffungshilfe nicht aus; anderenfalls würde das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 SGB XII) derart ausgedehnt, dass - unabhängig von Häufigkeit und Zielrichtung der Fahrzeugnutzung - die Beschaffungshilfe schlichtweg in jedem Fall zu gewähren wäre. Dies sei von der EinglHV nicht gewollt. Einen Anhalt zum notwendigen zeitlichen Nutzungsumfang gebe die in § 8 Abs. 1 SGB II vorgesehene Grenze bei Erwerbsfähigkeit von drei Stunden täglich oder 15 Stunden wöchentlich. Der Besuch von zwei Freizeitveranstaltungen könne dann jedoch mangels zeitlicher und inhaltlicher Vergleichbarkeit mit einer Teilhabe am Arbeitsleben keinen hinreichend gewichtigen Grund i.S.v. § 8 EinglHV bilden. Dieses Ergebnis sei keineswegs unbillig. Denn die Klägerin sei tagsüber in der WfbM, verbringe dort also den größten Teil ihrer Zeit und sei bereits auf diese Weise in die Gesellschaft eingegliedert; Freizeitaktivitäten seien folglich zeitlich begrenzt und könnten deshalb auch nur in beschränktem Umfang eine weitere Teilhabe fördern. Zumutbar sei der Klägerin insoweit die Nutzung von Behindertenfahrdiensten, Taxis, Krankentransporten, Mietwagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem verlange eine "Inklusion" von nicht behinderten Menschen, auf behinderte Menschen zuzugehen, sie in ihr Leben einzubeziehen und zu ihnen aktiv Kontakt herzustellen; soziale Kontakte könnten deshalb vielfach auch ohne Anschaffung eines behinderungsgerechten Fahrzeugs gepflegt werden. Aus § 9 SGB I folge überdies die Zielsetzung von Sozialhilfe - und damit auch der KFZ-Hilfe -, neben der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Dieses Ziel sei auch ohne eigenes KFZ erreichbar. So habe das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10) zu § 8 EinglHV entschieden, Ausflüge in einen Tierpark, zu "Sealife", zu Museen oder der Besuch von weiter entfernt wohnenden Verwandten und Freunden seien zwar wünschenswert und förderlich, nicht jedoch sozialhilferechtlich notwendig. Zu beachten sei, dass auch nicht behinderten Menschen für Freizeit und Kultur aus wirtschaftlichen Gründen Vieles verwehrt sei; insoweit relativiere sich der Einwand des Sozialgerichts, die der Klägerin zustehende Mobilitätshilfe von 100,00 EUR monatlich werde bereits durch zwei Besuche der Behindertengruppe aufgebraucht. Schließlich gebiete auch Art. 20 UN-BRK eine andere Auslegung nicht. Zwar seien danach alle der Konvention beigetretenen Staaten gehalten, wirksame Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen die Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie z.B. die persönliche Mobilität zu erschwinglichen Kosten erleichterten. Gemeint seien damit jedoch Maßnahmen wie die Freifahrtregelung im öffentlichen Personennahverkehr o.ä.; Hilfen zur Beschaffung eines KFZ würden hingegen nicht ausdrücklich erwähnt. Auch Art. 30 UN-BRK, der Maßnahmen zur Teilhabe am kulturellen Leben sowie zur Erholung, Freizeit und Sport einfordere, sehe nicht vor, dass dies durch Gestellung eines eigenen Fahrzeugs geschehen müsse. Die Wertung in § 8 EinglHV, einen Anspruch auf Leistungen zur Beschaffung eines KFZ nur bei einem ähnlich wichtigen Grund wie der Teilhabe am Arbeitsleben zu geben, sei daher richtig; diese Wertung werde durch die Entscheidung des Sozialgerichts unterlaufen.
30Der Beklagte beantragt,
31das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
34Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Das Merkmal "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" sei nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV lediglich ein Beispiel. Die Lesart des Beklagten habe gesetzeswidrig zur Folge, dass Personen mit im Vergleich zu ihr geringerer Behinderung Mobilitätshilfe erhielten, während sie wegen ihrer praktisch hilflosen Lage und ihres Angewiesenseins auf Fremdbeistand keine Leistung erhalte. Ohnehin sei es inkonsequent, wenn der Beklagte ihr Umbaukosten für ein anzuschaffendes Fahrzeug finanzieren wolle, sie - die Klägerin - jedoch keine Mittel habe, ein solches Fahrzeug anzuschaffen; letztlich müssten dann nicht verwandte, unbeteiligte Dritte ein Fahrzeug für einen Umbau zur Verfügung stellen. Insbesondere der Transport zur WfbM sei wegen der Besonderheiten ihrer Behinderung durch einen Behindertenfahrdienst nicht hinreichend zuverlässig zu gewährleisten; das Begleitpersonal sei nicht ausreichend sachkundig, um auf die in letzter Zeit häufiger aufgetretenen Kaukrämpfe sachgerecht zu reagieren.
35Der mit Beschluss des Senats vom 10.06.2014 zu dem Verfahren hinzugezogene Beigeladene stellt keinen Antrag. Die Nutzung des Taxidienstes F GmbH hält er für sinnvoll; zwar gebe es in dem Gebiet noch andere Behindertenfahrdienste, diese hätten jedoch nicht ähnlich viele Fahrzeuge. Außerdem seien die für eine Beförderung der Klägerin in Frage kommende Behindertenfahrdienste nach seiner Kenntnis recht eingespannt, so dass es nicht viele freie Angebote geben dürfte.
36Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2014 die Betreuerin der Klägerin ausführlich befragt. Ferner hat er die Mitarbeiterin der Firma F GmbH Andrea F (aktuelle Begleitperson bei den Transporten der Klägerin zur WfbM), den ehemaligen Mitarbeiter der Firma F GmbH T (früher Fahrer bei den Transporten der Klägerin zur WfbM) sowie den Hausarzt der Klägerin Dr. I (Facharzt für Allgemeinmedizin) als Zeugen vernommen. Zu dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014 Bezug genommen.
37Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Stadt F und des Beigeladenen sowie Prozessakte des Sozialgerichts Köln - S 10 SO 352/11). Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
38Entscheidungsgründe:
39I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 25.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte Hilfe für die Anschaffung eines KFZ abgelehnt hat. Das Sozialgericht hat der Klage nur bis zur Höhe von 9.000,00 EUR stattgeben. Da nur der Beklagte (nicht aber die Klägerin) Berufung führt, ist die berufungsgerichtliche Überprüfung auf die sozialgerichtliche Verurteilung beschränkt; der Senat hat deshalb nicht zu befinden, ob der Klägerin ein noch über 9.000,00 EUR hinausreichender Hilfebetrag zusteht. Hinsichtlich einer Übernahme von Kosten für den behindertengerechten Umbau eines KFZ ist die durch die genannten Bescheide erfolgte Bewilligung des Beklagten bestandskräftig geworden; hierüber hat der Senat ebenfalls nicht zu befinden.
40II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet; die Klage ist zulässig (dazu 2.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht zugesprochenen Umfang begründet (dazu 3.). Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor (dazu 1.).
411. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide zwar geändert und den Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR verurteilt, nicht jedoch die Klage im Übrigen abgewiesen hat (vgl. zum Verfahrensmangel wegen - bewusster - Ausklammerung eines Punktes des Klagebegehrens Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 140 Rn. 2c). Der erstinstanzliche Tenor ist insoweit zwar nicht vollständig. Gleichwohl bestehen keine Zweifel an der Reichweite der Entscheidung des Sozialgerichts. Ohnehin mag schon aus dem Wortlaut des Tenors ("Abänderung" der angefochtenen Bescheide und Nennung des Betrages "in Höhe bis zu 9.000,00 EUR") ersichtlich sein, dass die Bescheide im Übrigen nicht nur hinsichtlich der Leistungsbewilligung für Umbaukosten, sondern auch hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung einer Beihilfe in Höhe eines Betrages von mehr als 9.000,00 EUR bestehen bleiben sollten. Die Abweisung der Klage hinsichtlich des 9.000,00 EUR übersteigenden Betrages ergibt sich zudem jedenfalls eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Aus dem Umstand, dass das Sozialgericht im Rahmen der Kostenentscheidung keine dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten entsprechende Kostenquote gebildet hat, folgt nichts anderes. Sollte es sich nicht ohnehin um ein bloßes Versehen handeln, ließe sich dies dadurch erklären, dass das Sozialgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 1 SGG allein das grundsätzliche Obsiegen der Klägerin für maßgeblich und ihr anteiliges Unterliegen (der Höhe nach) für unerheblich gehalten hat.
422. Das Begehren der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe für die Beschaffung eines KFZ ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 11). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.
433. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) auch begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Die Klägerin ist damit beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
44Der Leistungsanspruch gegen den Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV. Dabei handelt es sich um einen Geldleistungsanspruch (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen des sog. Gewährleistungsverantwortungsmodells (dazu z.B. Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 28 m.w.N; LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 58 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R) den Leistungsberechtigten gegenüber dem Sozialhilfeträger grundsätzlich ein Anspruch auf Sachleistungsverschaffung zusteht. Denn jedenfalls im Bereich der KFZ-Hilfe nach den §§ 8, 9 EinglHV handelt es sich um originäre Geldleistungsansprüche (BSG, Urteile vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 20 und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 12, vgl. auch Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R Rn. 12). Es kommt also nicht darauf an, dass hinter dem erstinstanzlichen Klageantrag ein konkretes Händlerangebot zum Kauf eines (bereits behinderungsgerecht umgebauten) Fahrzeuges "Dacia Dokker" stand und dieses bislang noch nicht beschafft wurde.
45a) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116 Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beratend beteiligt worden.
46b) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
47Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII NRW. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig für die Versorgung behinderter Menschen u.a. mit größeren Hilfsmitteln zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33 und 55 SGB IX. Größere Hilfsmittel sind solche mit einem Preis von mindestens 180,00 EUR. Dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zur Begründung seiner sachlichen Zuständigkeit nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII, sondern auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII abgestellt hat, beruht offenbar auf einem Versehen. Er hat auch nicht gemäß § 1 Nr. 2a bzw. Nr. 3c seiner (auf der Grundlage von § 99 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 AG-SGB XII NRW erlassenen) Satzung einen örtlichen Träger zur Leistungserbringung herangezogen (vgl. insb. § 1 Nr. 3c der Satzung, wonach die "Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges" von der Heranziehung ausgenommen wird). Letztlich kommt es darauf ohnehin nicht an, weil der Beklagte nach § 3 seiner Satzung das Recht hat, im Einzelfall selber tätig zu werden (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 12).
48Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Klägerin hat ihren tatsächlichen Aufenthalt (vgl. zu dem Begriff z.B. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 98 Rn. 13 ff.) im Haus ihrer (faktischen) "Pflegefamilie" und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Eine stationäre Unterbringung i.S.v. § 98 Abs. 2 (i.V.m. § 13 Abs. 2) SGB XII besteht nicht; insoweit fehlt es jedenfalls an der besonderen Organisationsform von personellen und sächlichen Mitteln (vgl. hierzu z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 13 Rn. 28 m.w.N.).
49Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob sich die Zuständigkeit des Beklagten im Außenverhältnis zur Klägerin (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 6/12 R Rn. 10 m.w.N.) ohnedies aus § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ergibt. Mit Blick auf das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 15.11.2011 an den Beigeladenen ist allerdings anzumerken, dass § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX jedenfalls nicht zu einer vorrangigen Leistungszuständigkeit des Beigeladenen im Außenverhältnis zur Klägerin führt. Denn dieses Schreiben enthält schon keinen Antrag i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX auf Teilhabeleistungen in Form einer Anschaffungsbeihilfe für ein behinderungsgerechtes oder behinderungsgerecht auszustattendes KFZ. Denn zwar wurde eine Gewährung einer Beihilfe in dem Schreiben angesprochen; dabei war sich der Bevollmächtigte der Klägerin jedoch über die materielle Leistungszuständigkeit des Beklagten erkennbar im Klaren und wollte sich ggf. selbst mit einem gesonderten Antrag an diesen wenden (wie dann am 15.12.2011 auch geschehen); ersichtlich nicht gewollt war jedoch ein eigener Antrag an den Beigeladenen.
50c) Die materiellen Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV sind erfüllt.
51aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist durch ihre Tetraspastik und eine Sehbehinderung in ihren körperlichen (§ 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 und Nr. 4 EinglHV) sowie durch das BNS-Syndrom auch in ihren geistigen Funktionen wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 EinglHV). Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sie durch die genannten gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage ist, in einem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wie dies für nicht behinderte Menschen ihres Alters üblich ist. Das Vorliegen der personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII stellt der Beklagte auch nicht in Abrede.
52bb) Die Voraussetzungen der §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX i.V.m. § 8 EinglHV für die Gewährung einer Hilfe zur Beschaffung eines KFZ sind ebenfalls erfüllt (zur Abgrenzung dieser Vorschrift gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1990 - 5 B 113/89 Rn. 3 f., und BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 m.w.N.).
53Gemäß § 8 Abs. 1 EinglHV wird Hilfe zur Beschaffung eines KFZ in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des KFZ angewiesen ist. Das BSG hat dies (nachdem die Entscheidung vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 dies noch ausdrücklich offengelassen hatte) im Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 15 m.w.N.) dahingehend konkretisiert, dass die bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) nur dann besteht, wenn ein KFZ als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist. Diese Ziele bestehen darin (vgl. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder er so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 2 S. 2 SGB XII, § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 2 SGB XII); bei behinderten Kindern sind die Wünsche der Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls, maßgebend. Es gilt also - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - ein individueller und personenzentrierter Maßstab; dieser steht einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegen.
54Nach diesen konkretisierenden Ausführungen des BSG sind (in Zusammenschau mit seiner Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 26 m.w.N.) bei § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV letztlich identische Maßstäbe anzulegen. Die Ansicht des Beklagten, bei § 8 Abs. 1 EinglHV sei - anders als bei § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV - eine mit der Notwendigkeit für die Teilhabe am Arbeitsleben vergleichbare Nutzungsintensität erforderlich (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, br 2013, Seite 1 ff. (6)), steht - jedenfalls im Sinne einer pauschalen Beurteilungsregel für Fälle (wie hier) mit anderweitig gesichertem Transport zu einer WfbM (dazu noch später) - damit nicht in Einklang. Zwar verweist der Beklagte insoweit insbesondere auf das Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 16) und die Besonderheiten des dortigen Lebenssachverhaltes; das BSG stellt allerdings in dieser Entscheidung gerade (nochmals) klar, dass sich die Notwendigkeit der begehrten Hilfe allein nach den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen mit Blick auf die genannten Ziele der Eingliederungshilfe richte und nicht nach einer am Leitbild der Teilhabe am Arbeitsleben orientierten Nutzungsintensität. Aus Sicht des Senats liegt darin zwar ein gewisses Absetzen des BSG von der Rechtsprechung des BVerwG (letzteres in den Urteilen vom 20.07.2000 - 5 C 43/99 Rn. 15 und vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 Rn. 9); auch wenn das BSG selbst dies (a.a.O.) verneint, so ändert es doch nichts daran, dass es jedenfalls eine eindeutige Lesart zu § 8 Abs. 1 EinglHV in dem soeben dargestellten Sinne gefunden hat. Als "Korrektiv" gegenüber ausufernden Wünschen des Betroffenen fungiert deshalb nicht ein starrer Vergleich mit der Nutzungsintensität bei einer Teilnahme am Arbeitsleben, sondern die Notwendigkeit der Angemessenheit der Wünsche im Hinblick auf eine Eingliederung in die Gesellschaft entsprechend den im Einzelfall bestehenden Möglichkeiten und verständigen Teilhabebedürfnissen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Lesart des BSG an.
55Soweit der Beklagten darauf verweist, nach dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10 leite sich aus der Sicherungsfunktion der Sozialhilfe für eine menschenwürdige Lebensführung hinsichtlich der Notwendigkeit einer KFZ-Hilfe ein restriktives Verständnis her, so stimmt eine solche Sichtweise jedenfalls nicht mit dem (zeitlich später ergangenen) Urteil des BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R überein. Bei der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII geht es - anders als insbesondere bei den Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII - nicht allein um die bloße Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz; bezweckt wird vielmehr eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen sowie die Beseitigung faktischer Benachteiligungen Behinderter in der Lebenswirklichkeit (so LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 78 zur Inanspruchnahme von Hilfskräften im Rahmen der Eingliederungshilfe für ein Hochschulstudium).
56Entsprechend der dargestellten Rechtsprechung des BSG kommt es im vorliegenden Fall auf eine Prognose an, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Beihilfe für die Anschaffung eines KFZ verfolgt werden - dazu (1) - und ob die begehrte Eingliederungsmaßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (2) - und erforderlich - dazu (3) - ist.
57(1) Die Klägerin kann wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen selbst keine verwertbaren Angaben zu ihren Eingliederungszielen machen. Ihre Betreuerin - die im Rahmen des ihr zugewiesenen Aufgabenkreises ohnehin berufen ist, sich rechtlich verbindlich für die Klägerin zu äußern - kann dies als (faktische) "Pflegemutter", die die Klägerin bereits seit dem Kleinkindalter kennt und durchgehend bis heute betreut, indes durchaus. In einer solchen Lage besteht eine Vergleichbarkeit mit der Eingliederung minderjähriger Kinder (zur Maßgeblichkeit des Willens bzw. der Wünsche der gesetzlichen Vertreter bei der Eingliederung minderjähriger Kinder vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 15). Der Senat orientiert sich deshalb zur Beurteilung der Eigenvorstellungen der Klägerin zu ihrer Eingliederung in die Gemeinschaft in erster Linie an den Äußerungen ihrer Betreuerin.
58Nach deren Angaben zu den Eingliederungsbedürfnissen, die sie im Laufe des Verfahrens mehrfach sowohl schriftlich als auch mündlich - zuletzt auf ausführliches Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung - für die Klägerin gemacht hat, ist von folgenden Eingliederungswünschen der Klägerin auszugehen: regelmäßige Beschäftigung in der WfbM, regelmäßige Teilnahme an der etwa zweimal pro Monat stattfindenden Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. und ggf. Wahrnehmung von Zusatzangeboten des Vereins (Grillabende o.ä.), regelmäßige Freizeitaktivitäten mit der Betreuerin bzw. der gesamten "Pflegefamilie" (z.B. Zoo- und Konzertbesuche, Besuche von Bekannten/Verwandten, Stadtbummel u. dergl.).
59Der Senat hält diese Eingliederungswünsche der Klägerin für i.S.v. § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII angemessen (zu diesem Maßstab vgl. BSG, a.a.O. Rn. 16). Maßgebende Vergleichsgruppe bei der Angemessenheitsprüfung sind nicht behinderte, nicht sozialhilfebedürftige Personen gleichen Alters (BSG, a.a.O.; a.A. mglw. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 9). Dabei müssen sich behinderte Menschen grundsätzlich nicht mit der Eingliederung in ihr häusliches Umfeld begnügen (BSG, a.a.O.). Die von der Betreuerin für die Klägerin formulierten Wünsche stehen nach Art und Umfang nicht im Gegensatz zu Freizeitbedürfnissen nicht behinderter junger Frauen im Alter der Klägerin; sie erscheinen vielmehr gerade als überaus verständliche, unmittelbar nachvollziehbare Aktivitätsbedürfnisse für eine Person einerseits im Lebensalter der Klägerin, zumal sie andererseits auch ihren gesundheitsbedingt einschränkten Möglichkeiten entgegenkommen.
60Demgegenüber schränkt die Auffassung des Beklagten, es reiche aus, wenn die Klägerin mit dem Besuch der WfbM nur in einem Teilbereich in das Leben in der Gemeinschaft eingegliedert sei, nach Ansicht des Senats die Eingliederungshilfemöglichkeiten zu weitgehend ein. Geht es - der Rechtsprechung des BSG folgend - gerade um eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen nicht nur in einzelnen Lebensbereichen, sondern (im Rahmen des Möglichen und in angemessenem Umfang) grundsätzlich in allen Lebensbereichen, so ist nicht nur der Bereich der Tagesbeschäftigung an einer Arbeitsstelle (wie der WfbM) betroffen, sondern üblicherweise auch die Bereiche Familie, Freunde und Bekannte sowie Freizeit und Kultur. Die Tätigkeit in der WfbM deckt Teilhabebedürfnisse deshalb nur einseitig und teilweise ab. Dies zeigt sich auch darin, dass Leistungen zum Besuch einer WfbM im Arbeitsbereich als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden (vgl. § 41 SGB IX). Auch wenn bei lebensnaher Sicht davon auszugehen ist, dass der Klägerin in der WfbM gerade auch soziale Erfahrungen und Erlebnisse vermittelt werden, so decken diese doch die für eine gleichberechtigte Teilhabe ebenso bedeutsamen Felder Familie, Freizeit und kulturelle Erlebnisse von vornherein nicht ab. Auch letzteren ist jedoch - entsprechend den für die Klägerin feststellbaren Wünschen - in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen.
61Dass sich diese Eingliederungswünsche der Klägerin in einem angemessenen Rahmen halten, erscheint dem Senat offensichtlich. Kurzfristig (insbesondere Rücksicht nehmend auf den aktuellen Gesundheitszustand) planbare Besuche bei Freunden, Verwandten der "Pflegefamilie", Teilnahme an Gruppenveranstaltungen (wie etwa der Rollstuhlgruppe), Besuche von Musikveranstaltungen, Stadtbummel u. dergl. erscheinen vielmehr als maßvolle und zur Bereicherung des Angebots an Außenreizen für die in ihren Teilhabemöglichkeiten wegen ihrer geistigen sowie körperlichen Grenzen ohne solche Angebote weitestgehend eingeschränkte Klägerin geradezu gebotene Aktivitäten. Die Klägerin ist auch in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht etwa derart eingeschränkt, dass sie von solchen Aktivtäten nicht profitieren könnte oder überfordert wäre. Dies folgt nicht nur aus den glaubhaften Angaben ihrer Betreuerin, sondern auch aus dem aktenkundigen Inhalt des Zeugnisses der Q-Förderschule vom 23.06.2006, der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Beigeladenen vom 03.09.2010 sowie den Angaben des Hausarztes Dr. I bei seiner Vernehmung als Zeuge; nicht zuletzt steht auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der Senat während der etwa vierstündigen mündlichen Verhandlung von der Klägerin machen konnte, fest, dass sie Außenreize wahrnimmt, verarbeitet und auf sie reagiert. Der Senat geht deshalb trotz ihrer beschränkten Äußerungsmöglichkeiten davon aus, dass die Klägerin soziale Erlebnisse wahrnimmt und von ihnen profitieren kann. Dies gilt etwa für den Besuch von Konzerten, da sie für akustische Reize besonders empfänglich ist. Die eingeschränkte Sehfähigkeit der Klägerin spricht nicht etwa gegen die Angemessenheit von Tierparkbesuchen, Stadtbummeln o.ä.; ist sie ohnehin auf einem Auge nur leicht eingeschränkt, erschöpfen sich derartige Aktivitäten zudem nicht im visuellen Erlebnis, sondern bieten auch weitere (etwa taktile, akustische, olfaktorische oder soziale) Anregungen, welche die Erlebniswelt der Klägerin bereichern können. So hat insbesondere ihr Hausarzt bei seiner Vernehmung durch den Senat angegeben, dass sie in einer eher reizarmen Umgebung lebe und nach seiner Vermutung von zusätzlichen Außenreizen profitieren könnte; zu einer Befürchtung der Überforderung der Klägerin durch zu viele Reize bei Freizeitaktivitäten (neben dem Besuch der WfbM) sah er keinen Anlass.
62Hinsichtlich der Häufigkeit bzw. Frequenz von Freizeitaktivitäten ist ohnehin zu berücksichtigen, dass der Klägerin behinderungsbedingt eine Vielzahl von in ihrer Altersgruppe üblichen Sozialkontakten versagt ist; insofern erscheint gerade ein höheres Maß an ihr möglichen Aktivitäten gerechtfertigt (vgl. BSG, a.a.O. 16).
63(2) Die Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ ist auch geeignet, ihre unter (1) genannten Eingliederungswünsche zu erfüllen. Denn mit einem solchen, auf ihre konkreten Bedürfnisse bzw. behinderungsbedingten Besonderheiten zugeschnitten Fahrzeug könnte sie den damit zusammenhängenden Mobilitätsbedarf jederzeit (und ohne Vorausplanung, welche sich ggf. bei spontaner gesundheitlicher Unmöglichkeit als vergeblich erweisen würde) decken.
64Als Fahrer stünden neben der Betreuerin der Klägerin deren Ehemann oder deren Kinder zur Verfügung. Alle diese Personen verfügen über eine Fahrerlaubnis. Sofern es sich (ggf. nach Umbau) um ein für den Transport der Klägerin in ihrem Rollstuhl zugelassenes Fahrzeug handelt, hat der Senat auch angesichts der Neigung der Klägerin zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten keine grundsätzlichen Bedenken, dass eine Beförderung nicht hinreichend sicher gewährleistet werden könnte. Sofern zwischen den Beteiligten kontroverse Ansichten darüber bestehen, ob ein Transport allein durch die Betreuerin (als Fahrerin) oder aber nur mit ihr und zugleich einer dritten Person hinreichend sicher durchgeführt werden kann, betrifft dies nicht die Geeignetheit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ als solche. Ohnehin kommen nach den plausiblen und glaubhaften Angaben der Betreuerin genügend Personen als Fahrer in Betracht, so dass die Betreuerin als Begleitperson (und nicht selbst als Fahrerin) fungieren könnte; neben den Mitgliedern der "Pflegefamilie" gibt es noch weiterer Personen, die bereit und in der Lage wären, bei Fahrten in einem KFZ der Klägerin mitzuwirken.
65(3) Die Ausstattung mit einem eigenen Fahrzeug ist im Einzelfall der Klägerin auch erforderlich (vgl. dazu BSG, a.a.O. Rn. 17), um ihre angemessenen Eingliederungswünsche zu verwirklichen. Andere Möglichkeiten als die Benutzung eines eigenen KFZ, die sie zur Verwirklichung ihrer Teilhabeziele zumutbar nutzen könnte, sind nicht ersichtlich.
66Zwar ist die Klägerin - anders als sie vorträgt - nicht schon im Hinblick auf den Transport zur WfbM auf ein eigenes (behinderungsgerecht ausgestattetes) Fahrzeug angewiesen. Der Senat ist vielmehr - insbesondere aufgrund der Angaben der Zeugin F - davon überzeugt, dass jedenfalls seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges (seit Januar 2014), bei dem die Begleitperson während der Fahrt unmittelbar links neben der Klägerin sitzen kann, ein hinreichend sicherer und zumutbarer Transport der Klägerin zu und von der WfbM stattfindet. Denn seither kann nach den nachvollziehbaren und auch von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Zeugin mit Ausnahme der kurzen Zeit des Be- und Entladens des Rollstuhls mit der Klägerin deren auto- und fremdaggressives Verhalten wirksam unterbunden werden. Der Senat hat bei der Vernehmung auch den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin F (als Begleitperson bei den Werkstattfahrten) die Klägerin mit Einfühlungsvermögen, verantwortungsvoll und sachkundig begleitet; sie erscheint dem Senat danach gut in der Lage, den Zustand der Klägerin und ihre Stimmungen einzuschätzen und auf Problemsituationen angemessen zu reagieren. Dies gilt insbesondere für die klägerseits mehrfach angesprochenen Krampfanfälle. Insoweit ist das Begleitpersonal mit einem Notfallmedikament ausgestattet und befugt, es der Klägerin bei Bedarf zu verabreichen; der Senat sieht keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies in entsprechenden Notsituationen auch geschehen würde. Soweit beim Ein- und Aussteigen vorübergehend aggressives Verhalten der Klägerin nicht immer zu verhindern ist, macht dies den Transport nicht unzumutbar. Denn während der mündlichen Verhandlung hat sich gezeigt, dass selbst die Betreuerin der Klägerin (z.B. infolge von Ablenkung) nicht ausnahmslos in der Lage ist, diese davon abzuhalten, sich selbst zu schlagen. Insofern bestünde im Übrigen wohl auch kein Unterschied zwischen einem Be- und Entladen des Werkstattfahrzeugs und eines eigenen Fahrzeugs der Klägerin. Andere Gründe für eine Unzumutbarkeit der Werkstattbeförderung durch die Firma F Transfer GmbH sind nicht erkennbar. Sofern diesbezüglich von der Klägerseite häufige Durchfälle der Klägerin angesprochen wurden, welche öfter zum Ausfall des Werkstattbesuchs geführt hätten, so ist in der mündlichen Verhandlung aus den Angaben der Betreuerin deutlich geworden, dass hier etwa ein Jahr nach Diagnose einer Lactoseintoleranz eine Besserung eingetreten ist. Die Mitarbeiter der Firma F Transfer GmbH konnten überhaupt keine Angaben dazu machen, dass Durchfälle der Klägerin den Transport behindern würden.
67Diese grundsätzliche Zumutbarkeit der Nutzung des Sammeltransports zur Werkstatt durch die Firma F Transfer GmbH steht der Erforderlichkeit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ indes nicht entgegen. Denn die Klägerin erreicht - anders als der Beklagte meint - allein durch den Besuch der WfbM keine ausreichende bzw. angemessene Eingliederung. Es verbleiben vielmehr (wie bereits dargelegt) weitere soziale Bereiche, denen in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen ist.
68Zur Abdeckung dieser Bereiche ist ein Mobilitätsbedürfnis der Klägerin anzuerkennen, welches ihr bisheriges Mobilitätsbudget nicht abdecken kann. Dieses Bedürfnis ergibt sich zum einen aus dem regelmäßigen Besuch der Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. (etwa zweimal monatlich) und zum anderen aus dem Bedürfnis, Unternehmungen mit der "Pflegefamilie" oder mit anderen durchzuführen (wie Zoobesuche, Konzertbesuche, sonstige Ausflüge, Wahrnehmung von Einladungen o.ä.), dies im Übrigen auch nach - bisher kaum möglicher - spontanerer Planung.
69Einem Bedürfnis nach insbesondere größerer familiärer Integration steht nicht etwa entgegen, dass die Klägerin keiner Familie im familienrechtlichen Sinne zugehört. Denn zu der Familie der Betreuerin, in der die Klägerin seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt, besteht jedenfalls faktisch ein entsprechendes Nähe- und Zugehörigkeitsverhältnis. In deren häuslichen Bereich ist die Klägerin durch ihre Beziehung zu den übrigen Familienmitgliedern und auch zu dem zur Familie gehörenden Hund hinreichend integriert. Zur angemessenen familiären Eingliederung gehört jedoch auch, dass die Klägerin - gemeinsam mit den übrigen Familienmitgliedern - Erlebnisse außerhalb des häuslichen Bereichs haben kann (z.B. durch Ausflüge, Verwandtenbesuche, etc.).
70Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es für die Klägerin keine andere zumutbare Möglichkeit, den für ihre Eingliederung bestehenden Mobilitätsbedarf anders als durch Nutzung eines eigenen KFZ zu decken (vgl. zu einem ähnlichen Fall Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2009 - S 42 (29,44) SO 27/06).
71Die Deckung des Bedarfs über das Mobilitätsbudget des Beigeladenen (sei es in der derzeitigen Höhe von 100,00 EUR, oder sei es mehr) ist ungeeignet. Denn es erscheint - den Angaben der Betreuerin, flankiert von denen der gehörten Zeugen und dem persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin während der mündlichen Verhandlung folgend - ein Verweis der Klägerin auf das Budget und damit allein auf die Nutzung eines Taxidienstes nicht zumutbar. Der Senat geht zwar - ebenso wie der Beklagte (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 4 Fn. 43 m.w.N.) - davon aus, dass die Nutzung von Fahrdiensten zur Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses behinderter Menschen bzw. deren Eingliederung im Regelfall möglich und ausreichend ist. Bei der Klägerin kommt den damit verbundenen Erschwernissen (etwa eine lange Vorlaufzeit, fehlende bzw. eingeschränkte Verfügbarkeit in Abendstunden, an Wochenenden oder Feiertagen, mangelnde Flexibilität bei unvorhergesehen Ereignissen und auch während einer Unternehmung) jedoch ein so erhebliches Gewicht zu, dass ein dauerhafter Verweis auf die Nutzung eines Fahrdienstes unzumutbar wäre. Insbesondere die regelmäßig auftretenden Krampfanfälle und das auch im Übrigen von starken Schwankungen geprägte Krankheitsbild der Klägerin macht nachvollziehbar, dass wesentliche Aktivitäten zur Eingliederung (regelmäßiger Besuch der Rollstuhlgruppe, Ausflüge mit der Familie und Besuch von Veranstaltungen - insbesondere am Wochenende oder abends) allein durch die Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes nicht hinreichend organisierbar sind. Dies zeigt sich schon darin, dass die Klägerin das ursprünglich von dem Beigeladenen zur Verfügung gestellte Mobilitätsbudget nur teilweise abrufen konnte; insofern besteht kein Anlass, das ernsthafte Bemühen der Betreuerin zur Nutzung des Budgets in Zweifel zu ziehen. Unter Berücksichtigung der Angaben des Beigeladenen existiert im Umland der Klägerin auch kein anderer Fahrdienst, der organisatorisch besser in der Lage wäre, das Mobilitätsbedürfnis der Klägerin zu befriedigen, als die von der Klägerin regelmäßig in Anspruch genommene Firma U GmbH.
72Ist die Inanspruchnahme eines professionellen Behindertenfahrdienstes deshalb keine zumutbare Alternative, gilt dies erst recht für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Abgesehen von den Einschränkungen für Nutzer eines Spezialrollstuhls wie dem der Klägerin wohnt diese ohnehin nicht in einem mit öffentlichen Angeboten gut ausgestatteten Bereich wie einem Ballungsraum oder einer Großstadt, sondern in einem ländlich strukturierten Gebiet. Aus diesem Grund kann sie im Übrigen auch ihren Eingliederungsbedarf nur sehr beschränkt im unmittelbaren Nahbereich befriedigen.
73Schließlich kommt auch ein Umbau eines in der "Pflegefamilie" der Klägerin bereits vorhandenen Fahrzeugs nicht als Alternative zur Anschaffung eines eigenen PKW in Betracht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 18). Denn die beiden in der "Pflegefamilie" vorhandenen Fahrzeuge (Ford Focus, Ford Fiesta) sind für einen behindertengerechten Umbau bereits ungeeignet. Beide Modelle sind zu niedrig, um einen Rollstuhl nebst darin sitzender Person aufzunehmen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Im Übrigen dürfte das weitere Fahrzeug (Ford Focus) auch aufgrund seines Alters und seiner Laufleistungen kaum mehr für eine Umgestaltung in Frage kommen. Der Betreuerin bzw. der "Pflegefamilie" (die sich für die Betreuung der Klägerin bereits in erheblichem Umfang persönlich einschränken) ist es ohnehin nicht zuzumuten, eines der Familienfahrzeuge für die Klägerin umbauen zu lassen (zu diesem Gesichtspunkt BSG, a.a.O. Rn. 20). Zum einen benötigt der Ehemann der Betreuerin eines der Fahrzeuge (Ford Fiesta) für seine Berufstätigkeit; zum anderen fehlt jede familienrechtliche Verbindung zwischen der Klägerin und der Betreuerin bzw. deren Familie.
74(4) Einem Leistungsanspruch der Klägerin steht § 8 Abs. 3 EinglHV nicht entgegen. Danach ist die Hilfe nach Abs. 1 der Vorschrift in der Regel davon abhängig ist, dass der behinderte Mensch das Fahrzeug selbst bedienen kann. Sind Ausnahmen vom Regelfall möglich, so kommt die Bewilligung von KFZ-Hilfe etwa in Betracht, wenn behinderte Kinder mangels anderer Transportmöglichkeiten regelmäßig von den Eltern zur Schule oder zu einer Tagungsbildungsstätte gefahren werden müssen (Scheider in Schellhorn/Schell-horn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 8 EinglHV Rn. 12), oder wenn sichergestellt ist, dass der behinderte Mensch von einer dazu fähigen und berechtigten anderen Person zu den seiner Eingliederung dienenden Maßnahmen mit dem KFZ gefahren wird und dadurch keine Mehrkosten entstehen, die der behinderte Mensch nicht selbst tragen kann (vgl. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Im Falle der Klägerin erscheint ein kostenneutraler Transport durch die Betreuerin oder andere ihr nahestehende Personen gesichert; im Übrigen ist ihre Situation auch vergleichbar mit derjenigen minderjähriger Kinder.
75dd) Schließlich sind auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt. Von Belang sind dabei allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen der Klägerin selbst; denn sie ist volljährig und nicht mit ihrer Betreuerin oder deren Familienangehörigen verwandt (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII).
76Nach den aktenkundigen Informationen, die von der Betreuerin in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt wurden, ist die Klägerin vermögenslos. Als Einkommen können allenfalls Teile ihres Werkstatteinkommens nach Maßgabe von § 82 SGB XII berücksichtigt werden. Unbeschadet eines etwaigen Anstiegs des Einkommens seit Juli 2012 im Rahmen üblicher Dynamisierungen sind die Einkünfte aus der Tätigkeit in jedem Fall so gering, dass sie die maßgebliche Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht übersteigen. § 87 Abs. 3 SGB XII ist vor diesem Hintergrund von vornherein ohne Belang.
77d) Liegen die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen vor, ist der Klägerin die von ihr begehrte KFZ-Hilfe zuzuerkennen, weil es sich (wie eingangs dargelegt) um eine gebundene Entscheidung über einen Geldleistungsanspruch handelt.
78Dem Träger der Eingliederungshilfe steht allerdings grundsätzlich ein Auswahlermessen betreffend die Art bzw. das Maß der Leistungserbringung zu (vgl. Scheider, a.a.O. Rn. 7). Die Leistung kann als Darlehen oder als Zuschuss erbracht werden (vgl. § 8 Abs. 2 EinglHV). Zur Frage, in welchen Fällen ein Zuschuss und in welchen Fällen ein Darlehen zu gewähren ist, existieren Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger (http://www.lwl.org/spur-download/bag/21 06an.pdf), an denen sich auch der Beklagte orientiert (Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Nach diesen Richtlinien (Ziff. 2.4.3) ist ein Zuschuss zu leisten, wenn das Einkommen des Berechtigten die Grenze des § 85 SGB XII nicht übersteigt. Zugunsten der Klägerin ist deshalb das Auswahlermessen des Beklagten auf eine Gewährung als Zuschuss reduziert.
79Soweit das Sozialgericht die Höhe des Zuschusses mit einem Betrag von bis zu 9.000,00 EUR beziffert hat, hält der Senat dies - im Anschluss an eine orientierende Internetrecherche unter www.autoscout24.de - für nicht zu beanstanden. Jedenfalls ein Betrag in dieser Höhe erscheint notwendig und angemessen, um ein hinreichend zuverlässiges, d.h. nicht zu altes, gebrauchtes KFZ zu erwerben, das für einen sicheren Rollstuhltransport der Klägerin fachgerecht umgebaut werden kann oder ggf. bereits umgebaut ist. Auch der Beklagte hat zur Höhe des durch das Sozialgericht zugesprochenen Betrages keine Bedenken geäußert. Für dessen Angemessenheit spricht zudem, dass er noch unterhalb des Maximalwertes nach § 5 Abs. 1 KFZ-Hilfeverordnung (9.500,00 EUR) liegt, auch wenn diese Regelung im vorliegenden Fall keine (unmittelbare) Anwendung findet (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV).
804. Ist das Urteil des Sozialgerichts nach alledem in der Sache nicht zu beanstanden, war nur der Tenor mit Blick auf die Abweisung der Klage im Übrigen zu berichtigen (s.o. I.).
81III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Bei der Kostenquote war zu berücksichtigen, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren mit ihrem Begehren nur zu etwa zwei Dritteln durchgedrungen ist. Hat sie selbst keine Berufung geführt, war sie gegen die Berufung des Beklagten in vollem Umfang erfolgreich. Die Erstattung von Kosten des nur kurzfristig zum Verfahren hinzugezogenen Beigeladenen, der im Übrigen keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspräche nicht der Billigkeit.
82IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt. Die rechtlichen Kriterien, nach denen eine Eingliederungshilfe nach § 8 EinglHV zu beurteilen ist, sind höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R); hiervon weicht die vorliegende Entscheidung nicht ab.
(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.
(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.
(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.
(1a) (weggefallen)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.
(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.
(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.
(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn
- 1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann, - 2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder - 3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.
(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn
- 1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen, - 2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen, - 3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder - 4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:
- 1.
den Tag des Eingangs der Klage, - 2.
die Namen und die Anschriften der Parteien, - 3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete, - 4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und - 5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.
(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.
(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.
(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.
(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.
(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.
(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit
- 1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist, - 2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt, - 3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten, - 4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.
(1) Hält ein Leistungserbringer seine gesetzlichen oder vertraglichen (vereinbarten) Verpflichtungen ganz oder teilweise nicht ein, ist die vereinbarte Vergütung für die Dauer der Pflichtverletzung entsprechend zu kürzen. Über die Höhe des Kürzungsbetrags ist zwischen den Vertragsparteien Einvernehmen herzustellen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei die Schiedsstelle. Für das Verfahren bei Entscheidungen durch die Schiedsstelle gilt § 77 Absatz 2 und 3 entsprechend.
(2) Der Kürzungsbetrag ist an den Träger der Sozialhilfe bis zu der Höhe zurückzuzahlen, in der die Leistung vom Träger der Sozialhilfe erbracht worden ist, und im Übrigen an den Leistungsberechtigten zurückzuzahlen.
(3) Der Kürzungsbetrag kann nicht über die Vergütungen refinanziert werden. Darüber hinaus besteht hinsichtlich des Kürzungsbetrags kein Anspruch auf Nachverhandlung gemäß § 77a Absatz 2.
Tenor
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Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. November 2011, soweit es über die Berufung im Verfahren - S 12 SO 33/09 - entschieden hat, aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Im Streit sind noch die Kosten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs (Kfz) Opel Vivaro (im April 2008).
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Der 2003 geborene Kläger leidet an einer Lissenzephalie Typ I (durch eine Genmutation bewirkte, unvollständige Entwicklung des Gehirns). Er ist deshalb in seiner Entwicklung erheblich verzögert, auf den Rollstuhl angewiesen; er leidet zudem unter Epilepsie, verbunden mit Krampfanfällen. Ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "G", "B" und "H" sind festgestellt. Seit 1.12.2008 erhält er Pflegegeld von der Pflegekasse nach Pflegestufe III und wird zu Hause von seiner Mutter betreut, weil er wegen behinderungsbedingter Überforderung keinen Kindergarten besuchen kann. Der Vater des Klägers arbeitet an zwei bis drei Tagen pro Woche zu Hause, an den übrigen Wochentagen an seinem Dienstort. Für den Weg dorthin nutzte er ein - weiteres - Kfz.
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Anfang Januar 2008 beantragte der Vater für den Kläger die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz, um im Rollstuhl sitzend transportiert werden zu können. Seit der Geburt der Schwester könne der Rollstuhl nicht mehr (zusammen mit deren Kinderwagen) im Kofferraum des der Mutter zur Verfügung stehenden Kfz transportiert werden, ohne zuvor auseinandergenommen zu werden. Man sei auf ein zweites Fahrzeug angewiesen. Dieses werde für den Weg zu Therapien (therapeutisches Reiten, Krankengymnastik), für Arztbesuche, Ausflüge, Urlaube, den Besuch von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie des Gottesdienstes und für Einkäufe und sonstige Erledigungen bei einer Gesamtfahrleistung von 1520 km pro Monat benötigt.
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Im April 2008 erwarb der Kläger, finanziert durch den Vater, einen gebrauchten Opel Vivaro (Opel) zum Preis von 13 350 Euro, nachdem er dem Beklagten im März 2008 mitgeteilt hatte, das bisher von seiner Frau für Fahrten mit dem Kläger genutzte Kfz sei kaputtgegangen. Der Arbeitgeber des Vaters gab hierfür einen Zuschuss von 2500 Euro. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Kostenübernahme für die Anschaffung des Opel ab (Bescheid vom 27.10.2008; Widerspruchsbescheid vom 11.2.2009).
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Während die Klage erstinstanzlich insoweit erfolgreich war, als der Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt worden ist, den Antrag des Klägers auf Übernahme von Leistungen der Eingliederungshilfe zur Beschaffung eines Kfz neu zu bescheiden (Urteil des Sozialgerichts Koblenz
vom 5.5.2010, - S 12 SO 33/09) , wies das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz auf die Berufung des Beklagten die mit dem Verfahren S 12 SO 119/09 (Übernahme von Kosten für Inspektion und Instandhaltung des Opel) verbundene Klage ab (Urteil vom 24.11.2011). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger sei nicht zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ständig auf ein Fahrzeug angewiesen. Fahrten zu Ärzten seien ohne Bedeutung, weil entsprechende Aufwendungen von der Krankenkasse zu tragen seien. Dies gelte grundsätzlich auch für Fahrten zum therapeutischen Reiten, selbst wenn die Krankenkasse die Therapiekosten nicht, die Beihilfestelle des Vaters des Klägers die Kosten nur zu 80 % übernehme. Einkaufsfahrten könnten auch ohne den Kläger durchgeführt werden, weil der Vater regelmäßig zu Hause arbeite und seine Betreuung damit sichergestellt sei. Für die Teilhabe im Übrigen genüge das Angebot des Beklagten, den Behindertenfahrdienst in Anspruch nehmen zu können, weil damit soziale Kontakte im näheren Umfeld gepflegt werden könnten. Überörtliche Mobilität sicherzustellen sei nicht das Ziel der Eingliederungshilfe. Auch Personen, die nicht behindert seien, denen aber aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen kein Kfz zur Verfügung stehe, könnten am überörtlichen sozialen Leben nicht oder nur bedingt teilhaben. Weitere Aktivitäten über das örtliche Umfeld hinaus seien folglich ggf förderlich, nicht aber notwendig im sozialhilferechtlichen Sinn. Die Grundversorgung des Klägers sei nicht zuletzt durch die wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, die der Beklagte gefördert habe, gesichert.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 53 Abs 1 Satz 1, § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII), § 55 Abs 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) iVm § 8 Abs 1 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfe-Verordnung
) sowie der Grundsätze der UN-Behindertenrechtskonvention. Das LSG habe verkannt, dass das Ziel der Eingliederungshilfe nicht die Gleichstellung behinderter und nicht behinderter Sozialhilfeempfänger, sondern behinderter und nicht behinderter Menschen ohne Rücksicht auf ihre Bedürftigkeit sei. An das "Angewiesensein zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft" seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als an die Teilhabe am Arbeitsleben. Das "Angewiesensein" sei für jeden Einzelfall aufgrund Art und Ausmaß der bestehenden Behinderung in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen. Erst durch die mithilfe eines Kfz gesicherte Mobilität werde ihm eine menschenwürdige Entwicklung und Persönlichkeitsbildung ermöglicht.
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Der Kläger beantragt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung seine Revision bezogen auf das ursprünglich unter dem Aktenzeichen S 12 SO 119/09 geführte Verfahren zurückgenommen hat,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG - S 12 SO 33/09 - zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
) , weil tatsächliche Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)für eine abschließende Entscheidung fehlen.
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Gegenstand des Verfahrens ist, nachdem der Kläger die Revision hinsichtlich der im ursprünglichen Verfahren S 12 SO 119/09 noch streitbefangenen Ansprüche zurückgenommen hat, nur noch der Bescheid vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2009 (§ 95 SGG), mit dem der Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für die Anschaffung des Opel zu erstatten. Dagegen hat sich der Kläger bei zutreffender Auslegung seines Begehrens eigentlich mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, § 56 SGG) gewandt, gerichtet auf Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hatte der Kläger allerdings lediglich den Antrag formuliert, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags zu verurteilen (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage, § 54 Abs 1, § 131 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 3 SGG), wozu das SG den Beklagten auch verurteilt hat. Da der Kläger nicht in Berufung gegangen ist, ist eine weiter gehende Entscheidung nicht möglich.
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Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung des Opel gegen den gemäß § 98 Abs 1, § 97 Abs 1 SGB XII örtlich und sachlich zuständigen Landkreis Neuwied als örtlichen Träger der Sozialhilfe(§ 3 Abs 2 SGB XII, § 1 Landesgesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch SGB XII
vom 22.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt 571; zur eigenständigen Prüfung des Landesrechts ist der Senat mangels Berücksichtigung durch das LSG befugt - vgl nur BSGE 103, 39 ff RdNr 12 = SozR 4-2800 § 10 Nr 1; ob der Kreis nach § 3 Abs 1 AGSGB XII durch Satzung eine Verbandsgemeinde oder verbandsfreie Gemeinde zur eigenständigen Erledigung der Aufgaben der Sozialhilfe herangezogen hat, wird das LSG allerdings noch zu prüfen haben) ist § 19 Abs 3(idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherungvom 20.4.2007 - BGBl I 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 und § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII(beide idF, die die Normen durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten haben), § 55 SGB IX und § 8 Eingliederungshilfe-VO(idF, die die Norm durch das Gesetz vom 27.12.2003 erhalten hat; zur Unanwendbarkeit des § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX in diesen Fällen vgl: BSGE 103, 171 ff RdNr 12 = SozR 4-3500 § 54 Nr 5; BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 20). Ob der Beklagte allgemein bestimmt hat, dass im Widerspruchsverfahren sozial erfahrene Dritte (§ 116 SGB XII) zu beteiligen sind (vgl § 12 AGSGB XII), mag das LSG hingegen noch verifizieren. Da sich der geltend gemachte Anspruch auf eine Geldleistung richtet, ist es rechtlich unerheblich, dass der Kläger den Opel schon vor Erlass des Ablehnungsbescheids gekauft hat; deshalb stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe; Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 21). Nur für die Frage, ob ein Leistungsanspruch besteht, ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung (Fälligkeit) der Kosten (April 2008) abzustellen (BSG, aaO, RdNr 19). Einem Kostenerstattungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Vater bzw die Eltern des Klägers die angefallenen Kosten bereits gezahlt hat bzw haben (dazu ausführlich BSGE 112, 67 ff RdNr 25 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1).
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Der Kläger erfüllt die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII, wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung(BSG SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25)- (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Denn der Kläger ist durch seine Gehbehinderung in seiner körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 1 Nr 4 Eingliederungshilfe-VO)und durch die unvollständige Entwicklung seines Gehirns auch in seiner geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur BSGE 112, 196 ff RdNr 14 mwN = SozR 4-3500 § 54 Nr 10) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 Eingliederungshilfe-VO).
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Ob er allerdings iS des § 8 Abs 1 Satz 2 Eingliederungshilfe-VO auf den Opel zur Eingliederung in die Gemeinschaft tatsächlich angewiesen ist, kann der Senat wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen des LSG(§ 163 SGG)nicht abschließend beurteilen. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs 1 SGB XII iVm §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und durch die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz wird nach § 8 Abs 1 Satz 1 Eingliederungshilfe-VO iVm Satz 2 in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des Kfz angewiesen ist.
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In Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Merkmal der Notwendigkeit (§ 4 Abs 1 SGB IX)ist dies nur zu bejahen, wenn das Kfz als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist (BSGE 112, 67 ff RdNr 14 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1), die darin liegen (vgl § 53 Abs 3 Satz 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist dem behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs 2 Satz 2 SGB XII, § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs 2 SGB XII), bei behinderten Kindern der Wünsche seiner Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls. Es gilt mithin ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (BSG SozR 4-3500 § 54 Nr 6 RdNr 22; SozR 4-5910 § 39 Nr 1 RdNr 25 f).
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Danach war vorliegend die Anschaffung des Kfz zum Erreichen der Eingliederungsziele grundsätzlich geeignet. Denn der Kläger benötigte ein Kfz, um mehrmals die Woche an einem therapeutischen Reiten teilzunehmen, regelmäßig Ausflüge in den Park zu unternehmen und Verwandten- und Bekanntenbesuche durchzuführen, Kultur- und Sportveranstaltungen sowie den Gottesdienst zu besuchen und seine Eltern bei Einkäufen und sonstigen Erledigungen zu begleiten. Ob Fahrten zum Einkaufen auch ohne den Kläger hätten durchgeführt werden können oder die Fahrten in ihrer Häufigkeit nicht denen mit nicht behinderten Kindern entsprachen, ist entgegen der Auffassung des LSG im Hinblick auf den anzulegenden individuellen Maßstab ohne Belang. Insbesondere ist hinsichtlich des Vergleichsmaßstabs für den Umfang der gesellschaftlichen Kontakte hier der Umstand wesentlich zu beachten, dass der Kläger wegen der Schwere seiner Behinderung keinen Kindergarten und keine Schule besuchen konnte, ihm also lediglich Aktivitäten außerhalb dieses gesellschaftlichen Bereichs verblieben, um überhaupt am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Deshalb können Einkaufsfahrten oder regelmäßige Besuche von Verwandten und Freunden zur Teilhabe erforderlich gewesen sein, wenn auf andere Art und Weise ein Erleben von üblichen gesellschaftlichen Kontakten mit Menschen außerhalb der Familie und das Erlernen von entsprechenden Umgangsformen und Verhaltensweisen nicht hinreichend möglich waren und die Fahrten gerade deshalb mit dem Kläger unternommen wurden. Insoweit gingen seine zu berücksichtigenden Teilhabebedürfnisse über die eines nicht behinderten nicht sozialhilfebedürftigen Kindes gleichen Alters - das die maßgebliche Vergleichsgruppe darstellt - hinaus. Die Auffassung des LSG, der Kläger hätte sich mit einer Integration in das nähere häusliche Umfeld begnügen müssen, für die kein Kfz benötigt werde, steht mit dem anzulegenden Prüfungsmaßstab nicht in Einklang. Ebenso wenig muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, ihm habe zu Hause ein Therapieraum zur Verfügung gestanden, der neben anderen Leistungen sog ambulanter Hilfe (zB Frühförderung, sonstiger Umbaumaßnahmen) eine Förderung seiner Entwicklung zugelassen habe. Ohnedies ist nicht erkennbar, inwieweit diese Hilfen überhaupt auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gerichtet waren. Wie ausgeführt, bestimmen zudem nicht die Vorstellungen des Beklagten die Reichweite und Häufigkeit der Teilhabe des behinderten Menschen, sondern dessen angemessene Wünsche; für eine "Saldierung" von Leistungen existiert keine Rechtsgrundlage. Irrelevant ist außerdem, ob von dritter Seite, zB der Krankenkasse, eine bestimmte Zahl von Fahrten mit dem eigenen Kfz finanziert wurde, weil dies die Regelmäßigkeit der übrigen Fahrten nicht berührt und auf deren Notwendigkeit keinen Einfluss hat. Der Senat setzt sich damit auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der das Angewiesensein auf ein Kfz eine ständige, nicht nur vereinzelte oder nur gelegentliche Nutzung voraussetzen soll (BVerwGE 55, 31, 33; 111, 328, 330 f).
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Es fehlen jedoch tatsächliche Feststellungen des LSG dazu (§ 163 SGG), ob die Anschaffung des Opel unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele war oder ob andere Möglichkeiten als die Benutzung eines Kfz zur Verwirklichung der Teilhabeziele zumutbar hätten genutzt werden können. Das Angewiesensein auf ein Kfz wäre nämlich dann zu verneinen, wenn die Teilhabeziele mit dem öffentlichen Personennahverkehr und ggf unter ergänzender Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes zumutbar hätten verwirklicht werden können. Dabei wird neben regelmäßigen Verkehrszeiten zB auch die praktische Möglichkeit der Benutzung des Verkehrsmittels mit einem Rollstuhl zu berücksichtigen sein. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass entsprechende Alternativen nicht oder nicht ausreichend bestanden haben, war der Kläger auf ein Kfz angewiesen.
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In diesem Fall könnte dem Anspruch auf Kostenerstattung allerdings noch entgegenstehen, dass im Zeitpunkt der Anschaffung des Opel bereits ein (Familien-)Fahrzeug vorhanden war, mit dem der Vater zwar seinen Weg zur Arbeit zurücklegte, das aber nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unter der Woche an zwei bis drei Tagen sowie am Wochenende für Dienstfahrten nicht benötigt wurde. Dass dieses Fahrzeug nicht im Eigentum des Klägers stand, ist unerheblich. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Verhältnisse der Einstandsgemeinschaft geboten. Der Kläger war nämlich schon rein tatsächlich auch bei einem aus Sozialhilfemitteln angeschafften Kfz, immer auf die Unterstützung der Eltern zur Erreichung der Teilhabeziele angewiesen, weil er das Fahrzeug selbst gar nicht führen konnte. Dies entspricht dem Regelungskonzept des SGB XII, das ua in § 16 SGB XII mit dem Gebot familiengerechter Leistungen und in § 19 Abs 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, wonach bei minderjährigen Kindern auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern abzustellen ist(dazu gleich). Das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht ist auch Grundlage der gesamten Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses im Bürgerlichen Gesetzbuch - BGB - (vgl § 1618a BGB; dazu Palandt, BGB, 73. Aufl 2014, § 1618a RdNr 1).
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Sollte das Fahrzeug seiner Größe und Beschaffenheit nach - ggf nach einem behindertengerechten Umbau (§ 9 Abs 2 Nr 11 Eingliederungshilfe-VO) - geeignet gewesen sein, damit auch den Kläger zu transportieren und durfte es - falls es sich um ein Dienstfahrzeug gehandelt hat - auch privat genutzt werden, wäre der Kläger weiterhin auf ein Kfz, nicht aber auf das Kfz (den Opel) angewiesen gewesen, für dessen Anschaffung er die Erstattung der Kosten begehrt. Denn er hätte wie Familien der maßgeblichen Vergleichsgruppe dann darauf verwiesen werden können, Termine so zu legen, dass das regelmäßig unter der Woche und an den Wochenenden zur Verfügung stehende Kfz für die Verwirklichung seiner Teilhabeziele eingesetzt wird, sollte dies auch behinderungsbedingt möglich gewesen sein und es zB keine Überforderung des Klägers mit sich gebracht haben, wenn verschiedene Termine auf einen Tag hätten gelegt werden müssen.
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War das Kfz des Vaters hingegen nicht für Fahrten mit dem Kläger geeignet oder - wenn es sich um ein Dienstfahrzeug handelte - die private Nutzung nicht zugelassen, hätte der Beklagte ggf verlangen können, dass das vorhandene, nicht behindertengerechte Fahrzeug verkauft werde, um den Erlös zur Anschaffung eines angemessenen, behindertengerechten Fahrzeugs einzusetzen und damit das Teilhabeziel gleichermaßen zu erreichen. In diesem Fall hätte der Beklagte anstelle des Zuschusses nach § 8 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO im Rahmen seines Ermessens gemäß § 8 Abs 2 Eingliederungshilfe-VO, der eine Ausprägung des Nachranggrundsatzes(§ 2 SGB XII) ist, Leistungen (ggf nur teilweise) als Darlehen zu gewähren brauchen. Der Verkauf des Fahrzeugs hätte insoweit eine Art der zumutbaren Selbsthilfe dargestellt.
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Der Senat kann auch nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger bedürftig war. Nach § 19 Abs 3 SGB XII ist Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nur zu leisten, soweit den Leistungsberechtigten und, wenn sie - wie hier der Kläger - minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach dem 11. Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist, wozu bislang ebenfalls noch keine Feststellungen getroffen worden sind. Diese sind nicht entbehrlich, denn es handelt sich bei den Kosten für die Anschaffung des Opel nicht um eine privilegierte Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB XII(zum Verhältnis von § 92 Abs 1 und Abs 2 Senatsurteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R -, BSGE 110, 301 ff RdNr 28 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8). Hierfür wären spezifische, an der Person des behinderten Menschen ansetzende Maßnahmen notwendig, auf die die Hilfen ausgerichtet sein müssten; darüber hinaus müsste der Schwerpunkt der Hilfen bei spezifischen Bildungszielen liegen (ausführlich Senatsurteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 15/11 R -, BSGE 112, 67 ff RdNr 20 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1). An einem derartigen Personenbezug fehlt es aber bei der Hilfe zur Beschaffung eines Kfz.
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Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 neu gefasst. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges oder eines behindertengerecht umbaufähigen Kraftfahrzeuges in Höhe bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zur Gänze, für das erstinstanzliche Verfahren zu zwei Dritteln. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ als Eingliederungshilfe.
3Die am 00.00.1988 geborene Klägerin leidet unter einem sog. "BNS-Syndrom" (frühkindlicher Hirnschaden aufgrund erheblicher Sauerstoffmangelversorgung bei der Geburt), verbunden mit einer Tetraspastik, geistiger Behinderung, Krampfanfällen, psychomotorischer Retardierung, vesico-ureteralem Reflux, Oberbauchmeteorismus und Obstipation bei heftigen abdominellen Krämpfen, Durchfällen bei Lactoseintoleranz sowie einer vollständigen Erblindung des linken Auges bei leichter Sehschwäche des rechten Auges. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ist sie zu keinerlei Selbständigkeit in der Lage. Insbesondere eine eigenständige Fortbewegung ist ihr nicht möglich; im und außer Haus ist sie auf die Benutzung eines speziell an ihre Bedürfnisse angepassten Rollstuhls angewiesen. Sie benötigt ständige Beaufsichtigung und Anleitung, kann weder lesen noch schreiben und nur einfachen Anweisungen folgen. Ihre Konzentrationsspanne umfasst wenige Minuten; hinzu treten ausgeprägte Störungen der Auffassung und Merkfähigkeit. Handgriffe müssen über einen längeren Zeitraum eingeübt werden. Die Körperpflege kann sie nicht selbständig wahrnehmen. Sie kann sich nicht selbst versorgen, ist nicht in der Lage, Arbeit zu terminieren, zu strukturieren und die Zukunft vorauszuplanen. Sie benötigt einen von außen geregelten strukturierten Tagesablauf. Werden ihre Bedürfnisse (z.B. nach intensiver Zuwendung) nicht erfüllt, reagiert sie mit auto- und fremdaggressivem Verhalten. Die Durchsetzung ihrer Wünsche steht im Vordergrund. Regeln (z.B. nicht in die Windel greifen) beachtet sie kaum. Die Verständigung erfolgt über wenige Laute (z.B. ein "Nein-Zeichen"); Wohlgefühl oder Schmerz äußert sie z.B. durch Kratzen, Beißen oder Kopfschütteln. Sie ist freundlich bei interessierter und aufnehmender Haltung. Das Zusammensein mit anderen und ihr entgegengebrachte Sympathie genießt sie und kann darauf mit Freude reagieren. Werden ihre Bedürfnisse erkannt, unterstützt und gefördert, baut sie eine intensive Beziehung zu Bezugspersonen auf.
4Das Versorgungsamt erkannte der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "H" zu. Die Pflegekasse gewährt ihr laufend Pflegegeld nach der Pflegestufe III (Stand Januar 2012: monatlich 700,00 EUR). Ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand im Sinne der §§ 36 Abs. 4, 43 Abs. 2 SGB XI wurde bislang nicht festgestellt. Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden nicht erbracht. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte am 04.04.2006 im Rahmen von § 45 Abs. 1 SGB XII die dauerhafte volle Erwerbsminderung der Klägerin fest.
5Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt sie im Haushalt ihrer gesetzlichen Betreuerin und deren (zum Ersatzbetreuer bestellten) Ehemannes. Die Betreuung umfasst den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, alle Vermögensangelegenheiten, Vertretung bei Behörden und Ämtern sowie die Befugnis zum Empfang von Post. Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet. Der Ehemann der Betreuerin ist berufstätig. Die Betreuerin ist gelernte Kinderkrankenschwester, gab ihre berufliche Tätigkeit jedoch im Jahr 2009 auf.
6Zum Haushalt gehören neben der Klägerin noch zwei leibliche Kinder der Betreuerin und ihres Ehemannes (geb. Juni 1992 bzw. Dezember 1995) sowie die Eltern der Betreuerin. Beide Kinder verfügen über eine Fahrerlaubnis. Die Eltern der Betreuerin sind schwerbehindert (Vater: GdB 100, Merkzeichen "G", "aG" und "RF"; Mutter: GdB 80, Merkzeichen "G" und "aG") und werden ebenfalls von der Betreuerin der Klägerin versorgt. Die Familie lebt in einem Eigenheim und besitzt einen Hund. Sie verfügt über zwei eigene KFZ, einen Ford Focus Turnier Ambiente ("Kombi"; Erstzulassung Februar 1999, Laufleistung im Juni 2014 103.871 km) und einen Ford Fiesta. Den Ford Fiesta nutzt der Ehemann der Betreuerin im Wesentlichen, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Der Ford Focus wird überwiegend von der Betreuerin der Klägerin genutzt, um Besorgungen für die Familie, insbesondere auch für die Klägerin, zu erledigen. Ein Transport der Klägerin (nebst Rollstuhl) ist weder mit dem Ford Focus noch mit dem Ford Fiesta möglich. Eine Umrüstung eines der beiden Fahrzeuge zur Ermöglichung des Transports der Klägerin ist modellbedingt nicht möglich.
7Der von der Familie bewohnte Ortsteil der Stadt F hat dörflichen Charakter (Einwohnerzahl gut 1.300) und verfügt neben einer Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr über einen Kiosk und einen Bäcker. Die Stadt F hat insgesamt gut 21.000 Einwohner. Die Entfernung vom Wohnort der Klägerin zum Hauptort und zu nächstgelegenen größeren Orten (C und C1) beträgt jeweils mehr als vier Kilometer. Die Praxis des Hausarztes der Klägerin ist zwei Häuser vom Wohnhaus der Klägerin entfernt und fußläufig (mit dem Rollstuhl) erreichbar.
8Bis zum Sommer 2007 besuchte die Klägerin eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung (Q-Förderschule). Im September 2007 wurde sie in eine Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) in C aufgenommen (Entfernung zum Wohnort ca. 9 km). Dort ist sie seit Dezember 2007 im Arbeitsbereich tätig. Der für die Klägerin kostenfreie Transport zwischen Wohnort und WfbM erfolgt im Auftrag der WfbM durch einen Fahrdienst der Firma F Transfer GmbH. Der Sammeltransport mit weiteren Passagieren ist mit einem Fahrer und einer Begleitperson besetzt. Die Klägerin wird an Werkstatt-Tagen morgens gegen 7.30 Uhr von zuhause abgeholt und nachmittags wieder zurück gebracht; die Fahrtzeit pro Weg beträgt etwa eine halbe Stunde. Während des Transports verbleibt die Klägerin in ihrem Rollstuhl; für das Be- und Entladen des Rollstuhls verfügt das Fahrzeug über eine entsprechende Rampe. Zur Erleichterung des Transports wurde der Rollstuhl der Klägerin 2010 mit einem Kraftknotensystem ausgestattet, wofür der Beklagte die Kosten (520,03 EUR) als Eingliederungshilfe übernahm (Bescheid vom 01.10.2010). Erkrankungsbedingt neigt die Klägerin dazu, sich oder andere während der Fahrt mit dem linken Arm heftig zu schlagen. Dies wird (seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges ab Januar 2014) dadurch unterbunden, dass die Begleitperson während der Fahrt links neben der Klägerin sitzt. Weiterhin kommt es jedoch zu autoaggressivem Verhalten (heftiges Schlagen gegen den eigenen Kopf), wenn die Aufmerksamkeit der Begleitperson während des Verladevorganges kurzzeitig anderweitig gebunden ist. (U.a.) Während der Fahrt treten bei der Klägerin regelmäßig Krampfanfälle (sog. Kaukrämpfe) auf. Es wird ein entkrampfendes Medikament mitgeführt, zu dessen Verabreichung bei Bedarf die Begleitpersonen autorisiert sind.
9Für die Tätigkeit in der WfbM erhält die Klägerin neben jährlich zwei Einmalzahlungen eine monatliche Vergütung in Höhe des sog. Grundbetrages. Hinzu kommen der monatliche Steigerungsbetrag und Arbeitsförderungsgeld. Für Juli 2012 betrugen die monatlichen Bruttozahlungen (vor Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen) 102,00 EUR. Neben diesen Einkünften und dem Pflegegeld verfügt die Klägerin lediglich über Leistungen des Beigeladenen bzw. der Stadt F (bis zum 31.12.2010 Gemeinde F) nach dem SGB XII. Eigenes Vermögen hat sie nicht.
10Bis zur Volljährigkeit erhielt die Klägerin für ihren Lebensunterhalt Leistungen der Vollzeitpflege gemäß § 33 KJHG vom Jugendamt des Beigeladenen. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres gewährte ihr die Stadt/Gemeinde F in Abstimmung mit dem Beigeladenen laufend Leistungen nach dem SGB XII (Regelsatz/Regelbedarf nach dem Dritten/Vierten Kapitel SGB XII, Mehrbedarfszuschlag wegen Schwerbehinderung, Erhöhungsbetrag nach § 28 Abs. 5 SGB XII in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, Kosten der Unterkunft und Heizung - ab Juli 2011 -, Pauschale von 400,00 EUR nach § 73 SGB XII als Fortführung des Erziehungsbeitrages nach dem KJHG). Bei der Ermittlung des konkreten Leistungsbetrages wurde ein Teil des Werkstatteinkommens in Abzug gebracht.
11Im Laufe der Zeit entstand Ungewissheit, ob die Bedarfsbemessung den gesetzlichen Vorgaben entsprach. Es fand deshalb im Juli 2010 ein Hilfeplangespräch zwischen der Betreuerin und Mitarbeitern der Gemeinde F sowie des Beigeladenen statt. In dessen Nachgang listeten die Betreuerin und ihr Ehemann die aus ihrer Sicht zu deckenden Bedarfe der Klägerin umfassend auf; hierzu wird auf Blatt 196 bis 200 der Verwaltungsvorgänge der Stadt F Bezug genommen. Ebenfalls im Juli 2010 beantragte die Betreuerin mit Blick auf die Betreuung und Mobilität der Klägerin die Gewährung eines "trägerübergreifenden persönlichen Budgets" gem. §§ 17 Abs. 2 S. 1, 159 Abs. 5 SGB IX i.H.v. 1.170,00 EUR monatlich; dieses solle insbesondere für persönliche Betreuung (Vorlesen, Spielen usw.) sowie für soziale Teilhabe der Klägerin (Ausflüge, Besuch geeigneter Veranstaltungen wie Zoo, Funparks, Zirkus, Kino, Musikveranstaltungen) dienen. Bei einem hierzu geführten Gespräch zwischen Mitarbeitern des Beigeladenen und der Betreuerin am 29.10.2010 ergab sich mit Ausnahme der medizinisch notwendigen, von der Krankenkasse übernommenen Fahrten zu ärztlichen Behandlungen und dem Transport zur WfbM ein Mobilitätsbedarf der Klägerin für Fahrten zu Freizeitaktivitäten (Zoo- bzw. Konzertbesuche, Familienausflüge u.ä.) sowie zum Besuch einer Rollstuhlgruppe des "Perspektive e.V." Diese Rollstuhlgruppe findet (außer während der Ferien) alle zwei oder drei Wochen statt; außerdem bietet der Verein regelmäßig Zusatzveranstaltungen (Grillen usw.) an.
12Vor diesem Hintergrund bewilligte der Beigeladene der Klägerin unter Abschluss entsprechender Zielvereinbarungen für das Kalenderjahr 2011 ein monatliches "Mobilitätsbudget" von 194,00 EUR (Bescheide vom 29.12.2010 und 17.02.2011). Hiervon schöpfte die Klägerin 2011 nur 553,50 EUR aus. Für Fahrten nahm sie - wie auch bei Fahrten zu ärztlichen Behandlungen - die Firma U GmbH in Anspruch, einen größeren Taxidienst mit Sitz in C, der auch Behindertentransporte durchführt. Die Betreuerin legte dem Beigeladenen schriftlich dar, dass eine volle Ausschöpfung des Budgets nicht am Bedarf der Klägerin gescheitert sei, sondern an anderen Erschwernissen (z.B. erforderliche Terminabsprachen, lange Vorausplanung, keine Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Fahrdienstes in den Abendstunden, außergewöhnlich schlechter Gesundheitszustand der Klägerin im Jahr 2011). Ab März 2012 reduzierte der Beigeladene das Mobilitätsbudget auf 100,00 EUR monatlich. Diesen Betrag schöpfte die Klägerin - unter Nutzung des Taxidienstes F - von März 2012 bis Februar 2013 vollständig und von März 2013 bis Februar 2014 in einem Umfang von insgesamt 794,00 EUR aus.
13Hinsichtlich der Aufwendungen für die persönliche Betreuung der Klägerin im Übrigen einigten sich die Betreuerin und der Beigeladene für die Zeit von August 2010 bis Juli 2011 auf eine pauschale Vergütung i.H.v. 666,00 EUR monatlich (dreifacher Satz der Leistungen für Pflege und Erziehung nach Maßgabe der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zu §§ 33, 39 SGB VIII für das Jahr 2011). Im August 2011 beantragte die Betreuerin die Erhöhung dieses "Betreuungsbudgets", weil der Aufwand weiterhin nur unzureichend abgegolten sei. Der Beigeladene setzte daraufhin das Budget für den Zeitraum August 2011 bis Juli 2012 auf monatlich 888,00 EUR bzw. (ab Januar 2012) auf 908,00 EUR herauf (Vierfaches der genannten Sätze). Nach Juli 2012 wurde das "Betreuungsbudget" unter Anpassung der Leistungshöhe (an fortgeschriebene Empfehlungen des Deutschen Vereins) wiederholt verlängert; seit Januar 2014 beläuft es sich auf monatlich 940,00 EUR.
14Bereits im Rahmen des Schriftverkehrs zum "Betreuungsbudget" warf die Klägerin - insbesondere mit Schriftsatz vom 15.11.2011 - gegenüber dem Beigeladenen die Frage auf, ob ihre weiterhin unbefriedigende Mobilität nicht statt durch Übernahme der Kosten für Fremdbeförderung durch Anschaffung bzw. Ausstattung eines für ihren Rollstuhl geeigneten Eigenfahrzeuges geregelt werden könne. Hierzu könnten begleitend Fördermittel des Beklagten in Anspruch genommen werden. Der Beigeladene verwies insoweit auf die Zuständigkeit des Beklagten.
15Im Herbst 2012 wurde verwaltungsseitig die Frage aufgeworfen, ob die Bedarfsdeckung bei der Klägerin weiterhin durch Hilfe u.a. nach § 73 SGB XII erfolgen solle. Der Beigeladene zog in diesem Zusammenhang die Leistungserbringung nach dem Neunten Kapitel des SGB XII an sich, um hierüber gemeinsam mit anderen von der Klägerin geltend gemachten Ansprüchen (Mobilitäts- und Betreuungsbudget) entscheiden zu können. Die Stadt F wies er an, bei im Übrigen gleichbleibender Handhabung ab Juli 2013 keine Leistungen nach § 73 SGB XII (i.H.v. 400,00 EUR) mehr zu erbringen (Bescheid der Stadt F vom 03.07.2013, Widerspruchsbescheid des Beigeladenen vom 06.09.2013). Ein Klageverfahren wurde insoweit nicht anhängig. Die Klägerin machte jedoch unmittelbar beim Beigeladenen die Fortzahlung der Leistungen geltend, weil sich an der Bedarfslage nichts geändert habe. Mit Bescheid vom 12.09.2013 lehnte der Beigeladene dies ab. Der von den bisher gezahlten 400,00 EUR zu deckende Bedarf werde mittlerweile über die Leistungen der Pflegeversicherung bzw. das persönliche (Betreuungs-)Budget gedeckt; Leistungen nach § 73 SGB XII könnten daneben nicht mehr erbracht werden. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013) erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln (S 21 SO 17/14).
16Bereits am 15.12.2011 beantragte die Klägerin beim Beklagten die "Zuschussgewährung für die Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeugs". Ihre Mobilität außerhalb des Besuchs der WfbM und notwendiger Krankenfahrten werde zwar durch den Beigeladenen im Rahmen eines Budgets unterstützt. Die Nutzung von Fahrdiensten mit Spezialfahrzeugen habe sich dabei jedoch als relativ unflexibel erwiesen; die Fahrzeuge stünden nur mit recht großer Vorlaufzeit und nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung. Spontane Aktivitäten und Abweichungen von vorherigen Planungen seien so nicht möglich.
17Mit Bescheid vom 25.01.2012 lehnte der Beklagte den Antrag ab; gleichzeitig bewilligte er die Übernahme der Kosten für den behinderungsgerechten Umbau eines KFZ der Familie, in der die Klägerin lebe. Dem Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII. Dazu gehörten gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 11 EinglHV auch besondere Bedienungseinrichtungen und Zusatzgeräte für KFZ, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei. Ein Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ (§ 54 SGB XII i.V.m. § 8 EinglHV) bestehe jedoch nicht. Es sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe, für eine größtmögliche Ausweitung von Hilfen zu sorgen. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV mache dies durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" deutlich. Dies schließe zwar andere Gründe nicht von vornherein aus; diese müssten jedoch vergleichbar gewichtig sein und deshalb eine ständige Nutzung des KFZ notwendig erscheinen lassen. Die Klägerin sei nicht auf eine ständige Nutzung angewiesen. Da sie mit ihrer "Pflegefamilie" in Haushaltsgemeinschaft lebe, begründe die Haushaltsführung den geltend gemachten Bedarf nicht. Für Arztbesuche und verordnete Therapien sei die Krankenkasse zuständiger Kostenträger; Fahrten zur WfbM stelle der Zubringerdienst sicher. Dadurch sei ein Mindestmaß an Eingliederung in das Leben in der Gemeinschaft gewährleistet. Auch nichtbehinderte sozialhilfeberechtigte Personen müssten ihre Freizeit ohne eigenes KFZ gestalten. § 8 Abs. 3 EinglHV mache eine Anschaffungshilfe ohnehin in der Regel davon abhängig, dass die behinderte Person das KFZ selbst bedienen könne; die Klägerin könne dies nicht.
18Mit ihrem Widerspruch wandte die Klägerin ein, die Anschaffung eines KFZ sei notwendig, um ihr die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern. Die Fremdgestellung von Fahrzeugen könne ihren physischen und psychischen Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung tragen, weshalb die entsprechenden Förderleistungen praktisch ins Leere liefen. Autofahrten ohne sachgerechte Koordinierungsmöglichkeit oder mit zeitlichen Verzögerungen seien problematisch, weil dies ihre Bereitschaft zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten erhöhe. Mangels besonderer Schulung des Buspersonals im Umgang mit ihren besonderen Verhaltensweisen gelte dies auch für die Fahrten zu der WfbM. Da sie sich häufig überraschend und massiv selbst verletze, habe ihre Betreuerin bereits während des Bustransports ihren linken Arm bzw. die linke Hand leicht fixiert. Bei Nutzung eines Rollstuhltaxis in der Freizeit seien spontan erforderliche Pflegemaßnahmen (z.B. Wechsel von Windeln) nicht möglich; in einem speziell angepassten eigenen Fahrzeug ginge dies durchaus, was wiederum ihre Aggressionsneigung verringern könne. Für ihre "Familie" sei ein Mobilitätsbedarf überdies häufig nicht längerfristig planbar. Für die Klägerin sei es - anders als üblicherweise bei vorrangig Körperbehinderten - bedeutsam, ob bei bestimmten Aktivitäten auch ihre Betreuerin verfügbar sei, um ggf. sofort und in geeigneter Weise auf besondere Bedürfnisse einzugehen. Dies lasse sich nur dann umsetzen, wenn sowohl Art und Umfang der jeweiligen Beförderung als auch der Umfang der Begleitung durch ihre Betreuerin zuverlässig kalkuliert werden könnten.
19Der Beklagte holte von der Trägerin der WfbM eine Stellungnahme zu den Umständen des Transportes der Klägerin ein; hierzu wird auf den Schriftwechsel Blatt 111 bis 119 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
20Nach beratender Beteiligung sozial erfahrener Personen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zurück. Kosten für die Beschaffung eines KFZ könnten nach § 8 EinglHV i.V.m. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 33, 55 SGB IX nur bei Notwendigkeit übernommen werden. Eine solche bestehe nicht, wenn ein Krankentransport, öffentliche Verkehrsmittel oder gelegentlich ein Mietwagen genutzt werden könnten (LSG NRW, Urteil vom 22.02.2010 - L 20 SO 75/07). Die Gefahr von Eigen- oder Fremdverletzungen durch die Klägerin bestehe bei einem privaten KFZ ebenso. Könne bei einem Behindertentransport im Kleinbus der Rollstuhl noch so positioniert werden, dass die Klägerin von anderen Fahrgästen weit genug entfernt sitze, sei der Fahrgastraum in einem privaten KFZ deutlich eingeschränkter; säße die Klägerin dort auf dem Rücksitz, könnte sie an vor ihr sitzende Fahrgäste heranreichen und diese durch aggressives Verhalten schädigen. Wegen letzterem sei auch in einem privaten KFZ eine Begleitperson zwingend erforderlich, damit sich die Fahrerin bzw. der Fahrer auf den Verkehr konzentrieren könne. Die Möglichkeit, in einem privaten KFZ ggf. Windeln wechseln zu können, führe zu keiner anderen Beurteilung. Nach Mitteilung des Trägers der WfbM sei ein solcher Wechsel auf dem Weg zur WfbM bisher nie nötig gewesen; ohnehin sei der Fahrgastraum eines privaten KFZ dafür zu eng. Selbst wenn die Betreuerin beruhigend auf die Klägerin einwirken könne, so könne sie während des Werkstattaufenthalts der Klägerin gar nicht anwesend sein. Gelinge es aber dem Werkstattpersonal, Aggressionen der Klägerin auch ohne die Betreuerin erfolgreich zu handhaben, müsse dies auch während der Transportfahrten möglich sein, zumal Behindertenfahrdienste auf die Beförderung von Personen mit besonderem Verhalten ausgerichtet seien. Probleme durch das Verhalten der Klägerin während der Fahrt ließen sich durch Nutzung eines privaten KFZ somit nicht vermindern. Entsprechendes gelte für den organisatorischen Aufwand bei Inanspruchnahme von Behindertenfahrdiensten. Allein, dass diese ausreichend lang vorab gebucht, Termine sorgfältig geplant und bei unvorhersehbaren Umstände storniert werden müssten, schaffe keine Vergleichbarkeit mit der Ermöglichung einer Teilhabe am Erwerbsleben; eine Anschaffung eines privaten KFZ als Eingliederungshilfe sei nicht zu rechtfertigen.
21Am 13.09.2012 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, sie leide in letzter Zeit verstärkt unter Durchfällen, was auch zu Schwierigkeiten bei den Fahrten zur WfbM führe. Stünde ihr ein eigenes Fahrzeug zur Verfügung, könnte eine Alu-Liege mitgeführt werden, um unterwegs z.B. Windeln wechseln zu können. Würden diese nicht gewechselt, komme es bei ihr schnell zu wunden Stellen. Derzeit verpasse sie etwa einmal wöchentlich den Transport zur WfbM, weil sie noch kurzfristig gebadet bzw. gewaschen werden müsse. Das Mobilitätsbudget des Beigeladenen sei bereits bei viermaliger Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes verbraucht. Sie habe insbesondere viel Spaß an Tieren und Musik; mit einem eigenen Fahrzeug würde sie entsprechende Veranstaltungen oder den Zoo häufiger besuchen. Freizeitaktivitäten gestalteten sich bei ihr wesentlich aufwändiger als etwa bei behinderten Menschen, welche lediglich auf einen Rollstuhl angewiesen seien. Es erscheine vertretbar und verhältnismäßig, ihr eine eigene Beförderungsmöglichkeit zur Verfügung zu stellen, die ihre individuellen Defizite kompensiere. Im Übrigen werde ihre Werkstatttätigkeit vergütet, so dass ein eigenes KFZ durchaus in Zusammenhang mit einer Ermöglichung der Teilnahme am Erwerbsleben gesehen werden könne. Bei einem geeigneten Fahrzeug könne man eine Beeinträchtigung des Fahrers ausschließen. Den Einsatz einer Begleitperson könne sie sicherstellen; hierfür stünden z.B. Leistungen der Pflegekasse zur Verfügung. Sie könne nicht auf Förderung allein der Umbaukosten verwiesen werden; denn sie verfüge nicht über ausreichende Mittel, selbst ein KFZ anzuschaffen. Ihrer Betreuerin oder deren Ehemann sei der Einsatz eigener Mittel für die Anschaffung eines Fahrzeugs nicht zuzumuten, da sie in keinem familienrechtlichen Verhältnis zu ihr stünden. Die Klägerin hat Werbematerial eines Anbieters vorgelegt, demzufolge ein behinderungsgerecht ausgestattetes KFZ "Dacia Dokker" (inkl. Umbau mit Heckausschnitt für die Aufnahme eines Rollstuhls) für 14.750,00 EUR erworben werden könnte. Sie trägt weiter vor, ein geeignetes umbaufähiges Gebrauchtfahrzeug ließe sich für etwa 9.000,00 EUR erwerben.
22Die Klägerin hat beantragt,
23den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.01.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 zu verurteilen, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ i.H.v. 14.750,00 EUR zu gewähren, hilfsweise in einer Höhe, die im Ermessen des Gerichts liegt, zu gewähren.
24Der Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Er hat im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide an der Auffassung festgehalten, die Klägerin benötige kein eigenes Fahrzeug, um ihren Bedarf an Mobilität sicherzustellen.
27Das Sozialgericht hat am 20.03.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Klägerin persönlich anwesend gewesen ist. Es hat zudem Stellungnahmen der Firma U GmbH und der Firma F Transfer GmbH eingeholt. Auf die Stellungnahme der Firma F Transfer GmbH vom 10.05.2013 wird Bezug genommen (Blatt 71 der Gerichtsakten). Die Firma U GmbH hat mit Schreiben vom 21.05.2013 mitgeteilt, die Kosten für eine Fahrt im Rollstuhltransport betrügen 20,50 EUR inkl. einer Fahrstrecke von 7 km und Begleitung durch die Betreuerin der Klägerin; für jeden weiteren gefahrenen Kilometer würden 1,65 EUR berechnet. Transportwünsche zwischen 8.00 Uhr und 17.00 Uhr müssten in der Woche in der Regel ein bis zwei Werktage vorher angemeldet werden. Stammkunden buchten zumeist etwa eine Woche im Voraus, da derzeit nur vier Rollstuhltransporter im Einsatz seien. Nach Bestellung einer Rückfahrt könne es zu Wartezeiten von bis zu 90 Minuten kommen. Für Wochenenden und Feiertage betrage die Frist für Voranmeldungen etwa zwei bis drei Wochen; es sei (besonders in der Sommerzeit) schwierig, Mitarbeiter für eine Sonderschicht an einem Sonn- oder Feiertag zu motivieren. Grundsätzlich seien die Fahrzeuge von Montag bis Freitag jeweils zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr besetzt (Frühschicht von 6.00 Uhr bis 16.00 Uhr, Spätschicht von 10.00 Uhr bis 20.00 Uhr). Man sei bemüht, den Mitarbeitern keine längeren Lenkzeiten aufzubürden. Es werde deshalb darauf geachtet, dass die Rückfahrt spätestens um 19.45 Uhr beendet sei.
28Mit Urteil vom 03.07.2013 (dem Beklagten zugstellt am 09.08.2013) hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten KFZ oder eines behindertengerecht umbaufähigen KFZ i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen. Die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54, Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX und § 8 EinglHV lägen vor. Eine Nutzungsintensität vergleichbar mit dem Gebrauch eines KFZ für die Teilhabe am Arbeitsleben sei nach neuerer Rechtsprechung des BSG nicht erforderlich (Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R). Entsprechend dem Sinn und Zweck der Eingliederungshilfe, eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern, reiche es aus, die Begegnung und den Umgang mit anderen Menschen im Sinne einer angemessenen Lebensführung zu fördern. Maßgeblich seien die Wünsche des behinderten Menschen. Es gelte ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegenstehe (BSG a.a.O. Rn. 26). Bei der Integration in die Gesellschaft müssten gesellschaftliche Kontakte in ausreichendem Umfang gewährleistet sein; Vergleichsmaßstab seien gleichaltrige, nicht behinderte Personen (BSG a.a.O. Rn. 27). Die Klägerin sei danach auf ein behindertengerechtes KFZ angewiesen, um im gewünschten und angemessenen Umfang am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Ihr Interesse an Tieren und Musik sei auch unter Berücksichtigung von Erkenntnissen aus ähnlichen Verfahren nachvollziehbar. Im Anschluss an die Auskunft der Firma U GmbH sei zudem klar, dass die Klägerin damit nur in nicht zumutbarem Rahmen Freizeitveranstaltungen besuchen könne; der etwa zweimal monatliche Besuch einer Behindertengruppe brauche das monatliche Mobilitätsbudget von 100,00 EUR bereits nahezu auf. Für den Erörterungstermin am 20.03.2013 in Köln seien Kosten für die Firma U GmbH von 164,00 EUR entstanden; vergleichbar hoch wären etwa Kosten für einen Besuch im Kölner Zoo. Wegen der Vorlaufzeit von zwei bis drei Wochen für die Buchung einer Fahrt am Wochenende oder einem Feiertag könne die Klägerin bereits terminierte Fahrten oft nicht durchführen; abgesehen davon, dass insbesondere für einen Tierparkbesuch gutes Wetter nötig sei, was im Voraus nicht abgeschätzt werden könne, schwanke der Gesundheitszustand der Klägerin stark. Dies gehe insbesondere aus der Auskunft der F Transfer GmbH vom 10.05.2013 hervor, wonach sich die Klägerin in unterschiedlicher Häufigkeit aggressiv verhalte sowie im Verhalten generell sprunghaft und affektiv sei. Das Gericht habe dies auch selbst beobachten können. Im Erörterungstermin sei die Klägerin sehr unruhig gewesen und habe recht häufig versucht, sich selbst an den Kopf zu schlagen. Die Betreuerin habe häufiger beruhigend auf sie einwirken müssen. Dagegen sei sie in der mündlichen Verhandlung sehr ruhig und freundlich gewesen, habe weitgehend gelächelt und kaum Ungeduld gezeigt. Das Risiko, dass sie einen Wochen im Voraus festgelegten Termin wegen ihrer wechselhaften Gesundheit nicht wahrnehmen könne, führe dazu, dass sie Ausflüge tatsächlich kaum unternehme. Abendveranstaltungen außerhalb ihres häuslichen Bereichs, die um 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr begännen, könne sie - auch unter der Woche - aufgrund der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugen der U GmbH überhaupt nicht besuchen. Auch Wochenendausflüge seien insbesondere wegen der langen Vorlaufzeit nur selten möglich. Zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft reiche dies nicht aus. Junge Frauen im Alter von Mitte 20 nähmen in größerem Umfang am Leben in der Gemeinschaft teil. Gesunde Menschen gingen, insbesondere am Wochenende, mehrmals im Monat aus und besuchten Geburtstagsfeiern bzw. Musikveranstaltungen. Es sei daher nicht entscheidungserheblich, ob ein eigenes KFZ auch für die Fahrten zur und von der WfbM erforderlich sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Anspruch auf 14.750,00 EUR für ein neues KFZ; denn maßgebend seien nur die Kosten für einen Gebrauchtwagen (BSG a.a.O. Rn 23). Die klägerseits recherchierten 9.000,00 EUR für ein geeignetes gebrauchtes KFZ, das behindertengerecht umgebaut werden könne, seien angemessen und entsprächen auch dem Ergebnis von Recherchen Beteiligter in parallelen Rechtsstreiten (z.B. Sozialgericht Köln - S 10 SO 352/11). Zur (zusätzlichen) Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau eines noch anzuschaffenden KFZ habe sich der Beklagte bereits verpflichtet. Um der Klägerin eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, solle die Klägerin den Zuschuss jedoch auch dann erhalten, wenn sie ein behindertengerechtes neues KFZ anschaffe und die zusätzlichen Kosten z.B. durch ein Darlehen oder Spenden decke. Der zugesprochene Betrag von bis zu 9.000,00 EUR sei als Zuschuss zu gewähren. Denn das Einkommen der Klägerin sei so gering, dass nach Absetzung der Freibeträge gemäß § 82 SGB XII monatlich nur etwa 23,00 EUR verblieben; hieraus könne ein Darlehen nicht zurückgezahlt werden. Der Einsatz von Sozialleistungen sei der Klägerin nicht zumutbar.
29Hiergegen hat der Beklagte am 09.09.2013 Berufung eingelegt. Die neuere Rechtsprechung des BSG lasse eine nur gelegentliche Notwendigkeit der KFZ-Nutzung für eine Beihilfe zur Beschaffung eines KFZ gerade nicht ausreichen. Die vom Sozialgericht herangezogene Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R betreffe nicht eine Hilfe zur Beschaffung, sondern zum Umbau eines bereits vorhandenen Fahrzeuges. Das BSG habe sich dementsprechend nur zu § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV, nicht jedoch zur im vorliegenden Fall einschlägigen Regelung des § 8 EinglHV geäußert. Danach könne ein Hilfeanspruch dann bestehen, wenn der Betreffende wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf ein KFZ angewiesen sei. Das Sozialgericht habe nicht beachtet, dass §§ 8 bis 10 EinglHV jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Intensität des Merkmals "auf ein Kraftfahrzeug angewiesen" stellten. Dies ergebe sich schon daraus, dass § 9 EinglHV gegenüber § 8 EinglHV ein "Weniger" regele; § 8 EinglHV stelle deshalb auch höhere Anforderungen an die Hilfegewährung als die §§ 9 und 10 EinglHV. Die hergebrachte Rechtsprechung (z.B. BVerwG, Urteile vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 und vom 20.07.2000 - 5 C 43/5 C 43/99 Rn. 15), die für eine Beschaffungshilfe vergleichbar gewichtige Umstände wie Fahrten zum Arbeitsplatz verlange, sei durch die von dem Sozialgericht herangezogene Entscheidung des BSG also keineswegs überholt. Auch dessen zu § 8 EinglHV ergangenes Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R sei keine Abkehr von der hergebrachten Rechtsprechung des BVerwG; nach wie vor müsse die Situation mit einer Beschaffungsförderung zur Teilnahme am Arbeitsleben vergleichbar sein, und der Kläger des vom BSG entschiedenen Falles habe insofern keinerlei Möglichkeiten gehabt, weil er weder eine Schule noch eine Werkstatt besucht habe. Die Ausführungen des BSG im Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R seien nicht generell auf die §§ 8 und 10 EinglHV übertragbar. Eine bloße Verbesserung der Mobilität der Klägerin reiche für einen Anspruch auf Beschaffungshilfe nicht aus; anderenfalls würde das Wunsch- und Wahlrecht (§ 9 Abs. 2 SGB XII) derart ausgedehnt, dass - unabhängig von Häufigkeit und Zielrichtung der Fahrzeugnutzung - die Beschaffungshilfe schlichtweg in jedem Fall zu gewähren wäre. Dies sei von der EinglHV nicht gewollt. Einen Anhalt zum notwendigen zeitlichen Nutzungsumfang gebe die in § 8 Abs. 1 SGB II vorgesehene Grenze bei Erwerbsfähigkeit von drei Stunden täglich oder 15 Stunden wöchentlich. Der Besuch von zwei Freizeitveranstaltungen könne dann jedoch mangels zeitlicher und inhaltlicher Vergleichbarkeit mit einer Teilhabe am Arbeitsleben keinen hinreichend gewichtigen Grund i.S.v. § 8 EinglHV bilden. Dieses Ergebnis sei keineswegs unbillig. Denn die Klägerin sei tagsüber in der WfbM, verbringe dort also den größten Teil ihrer Zeit und sei bereits auf diese Weise in die Gesellschaft eingegliedert; Freizeitaktivitäten seien folglich zeitlich begrenzt und könnten deshalb auch nur in beschränktem Umfang eine weitere Teilhabe fördern. Zumutbar sei der Klägerin insoweit die Nutzung von Behindertenfahrdiensten, Taxis, Krankentransporten, Mietwagen oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem verlange eine "Inklusion" von nicht behinderten Menschen, auf behinderte Menschen zuzugehen, sie in ihr Leben einzubeziehen und zu ihnen aktiv Kontakt herzustellen; soziale Kontakte könnten deshalb vielfach auch ohne Anschaffung eines behinderungsgerechten Fahrzeugs gepflegt werden. Aus § 9 SGB I folge überdies die Zielsetzung von Sozialhilfe - und damit auch der KFZ-Hilfe -, neben der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auch ein menschenwürdiges Leben zu sichern. Dieses Ziel sei auch ohne eigenes KFZ erreichbar. So habe das LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10) zu § 8 EinglHV entschieden, Ausflüge in einen Tierpark, zu "Sealife", zu Museen oder der Besuch von weiter entfernt wohnenden Verwandten und Freunden seien zwar wünschenswert und förderlich, nicht jedoch sozialhilferechtlich notwendig. Zu beachten sei, dass auch nicht behinderten Menschen für Freizeit und Kultur aus wirtschaftlichen Gründen Vieles verwehrt sei; insoweit relativiere sich der Einwand des Sozialgerichts, die der Klägerin zustehende Mobilitätshilfe von 100,00 EUR monatlich werde bereits durch zwei Besuche der Behindertengruppe aufgebraucht. Schließlich gebiete auch Art. 20 UN-BRK eine andere Auslegung nicht. Zwar seien danach alle der Konvention beigetretenen Staaten gehalten, wirksame Maßnahmen zu treffen, um für Menschen mit Behinderungen die Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen, indem sie z.B. die persönliche Mobilität zu erschwinglichen Kosten erleichterten. Gemeint seien damit jedoch Maßnahmen wie die Freifahrtregelung im öffentlichen Personennahverkehr o.ä.; Hilfen zur Beschaffung eines KFZ würden hingegen nicht ausdrücklich erwähnt. Auch Art. 30 UN-BRK, der Maßnahmen zur Teilhabe am kulturellen Leben sowie zur Erholung, Freizeit und Sport einfordere, sehe nicht vor, dass dies durch Gestellung eines eigenen Fahrzeugs geschehen müsse. Die Wertung in § 8 EinglHV, einen Anspruch auf Leistungen zur Beschaffung eines KFZ nur bei einem ähnlich wichtigen Grund wie der Teilhabe am Arbeitsleben zu geben, sei daher richtig; diese Wertung werde durch die Entscheidung des Sozialgerichts unterlaufen.
30Der Beklagte beantragt,
31das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.07.2013 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
32Die Klägerin beantragt,
33die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
34Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Das Merkmal "insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben" sei nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV lediglich ein Beispiel. Die Lesart des Beklagten habe gesetzeswidrig zur Folge, dass Personen mit im Vergleich zu ihr geringerer Behinderung Mobilitätshilfe erhielten, während sie wegen ihrer praktisch hilflosen Lage und ihres Angewiesenseins auf Fremdbeistand keine Leistung erhalte. Ohnehin sei es inkonsequent, wenn der Beklagte ihr Umbaukosten für ein anzuschaffendes Fahrzeug finanzieren wolle, sie - die Klägerin - jedoch keine Mittel habe, ein solches Fahrzeug anzuschaffen; letztlich müssten dann nicht verwandte, unbeteiligte Dritte ein Fahrzeug für einen Umbau zur Verfügung stellen. Insbesondere der Transport zur WfbM sei wegen der Besonderheiten ihrer Behinderung durch einen Behindertenfahrdienst nicht hinreichend zuverlässig zu gewährleisten; das Begleitpersonal sei nicht ausreichend sachkundig, um auf die in letzter Zeit häufiger aufgetretenen Kaukrämpfe sachgerecht zu reagieren.
35Der mit Beschluss des Senats vom 10.06.2014 zu dem Verfahren hinzugezogene Beigeladene stellt keinen Antrag. Die Nutzung des Taxidienstes F GmbH hält er für sinnvoll; zwar gebe es in dem Gebiet noch andere Behindertenfahrdienste, diese hätten jedoch nicht ähnlich viele Fahrzeuge. Außerdem seien die für eine Beförderung der Klägerin in Frage kommende Behindertenfahrdienste nach seiner Kenntnis recht eingespannt, so dass es nicht viele freie Angebote geben dürfte.
36Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2014 die Betreuerin der Klägerin ausführlich befragt. Ferner hat er die Mitarbeiterin der Firma F GmbH Andrea F (aktuelle Begleitperson bei den Transporten der Klägerin zur WfbM), den ehemaligen Mitarbeiter der Firma F GmbH T (früher Fahrer bei den Transporten der Klägerin zur WfbM) sowie den Hausarzt der Klägerin Dr. I (Facharzt für Allgemeinmedizin) als Zeugen vernommen. Zu dieser Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 24.06.2014 Bezug genommen.
37Bezüglich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogen Akten (Verwaltungsvorgänge des Beklagten, der Stadt F und des Beigeladenen sowie Prozessakte des Sozialgerichts Köln - S 10 SO 352/11). Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
38Entscheidungsgründe:
39I. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 25.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2012 (§ 95 SGG), soweit der Beklagte Hilfe für die Anschaffung eines KFZ abgelehnt hat. Das Sozialgericht hat der Klage nur bis zur Höhe von 9.000,00 EUR stattgeben. Da nur der Beklagte (nicht aber die Klägerin) Berufung führt, ist die berufungsgerichtliche Überprüfung auf die sozialgerichtliche Verurteilung beschränkt; der Senat hat deshalb nicht zu befinden, ob der Klägerin ein noch über 9.000,00 EUR hinausreichender Hilfebetrag zusteht. Hinsichtlich einer Übernahme von Kosten für den behindertengerechten Umbau eines KFZ ist die durch die genannten Bescheide erfolgte Bewilligung des Beklagten bestandskräftig geworden; hierüber hat der Senat ebenfalls nicht zu befinden.
40II. Die nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet; die Klage ist zulässig (dazu 2.) und (jedenfalls) in dem vom Sozialgericht zugesprochenen Umfang begründet (dazu 3.). Verfahrensfehler liegen ebenfalls nicht vor (dazu 1.).
411. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide zwar geändert und den Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe i.H.v. bis zu 9.000,00 EUR verurteilt, nicht jedoch die Klage im Übrigen abgewiesen hat (vgl. zum Verfahrensmangel wegen - bewusster - Ausklammerung eines Punktes des Klagebegehrens Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 140 Rn. 2c). Der erstinstanzliche Tenor ist insoweit zwar nicht vollständig. Gleichwohl bestehen keine Zweifel an der Reichweite der Entscheidung des Sozialgerichts. Ohnehin mag schon aus dem Wortlaut des Tenors ("Abänderung" der angefochtenen Bescheide und Nennung des Betrages "in Höhe bis zu 9.000,00 EUR") ersichtlich sein, dass die Bescheide im Übrigen nicht nur hinsichtlich der Leistungsbewilligung für Umbaukosten, sondern auch hinsichtlich der Ablehnung der Gewährung einer Beihilfe in Höhe eines Betrages von mehr als 9.000,00 EUR bestehen bleiben sollten. Die Abweisung der Klage hinsichtlich des 9.000,00 EUR übersteigenden Betrages ergibt sich zudem jedenfalls eindeutig aus den Entscheidungsgründen. Aus dem Umstand, dass das Sozialgericht im Rahmen der Kostenentscheidung keine dem Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten entsprechende Kostenquote gebildet hat, folgt nichts anderes. Sollte es sich nicht ohnehin um ein bloßes Versehen handeln, ließe sich dies dadurch erklären, dass das Sozialgericht im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 193 Abs. 1 S. 1 SGG allein das grundsätzliche Obsiegen der Klägerin für maßgeblich und ihr anteiliges Unterliegen (der Höhe nach) für unerheblich gehalten hat.
422. Das Begehren der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung einer Beihilfe für die Beschaffung eines KFZ ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 11). Die Klage ist auch im Übrigen zulässig.
433. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) auch begründet. Denn die angefochtenen Bescheide sind zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Die Klägerin ist damit beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.
44Der Leistungsanspruch gegen den Beklagten folgt aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV. Dabei handelt es sich um einen Geldleistungsanspruch (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII). Dem steht nicht entgegen, dass im Rahmen des sog. Gewährleistungsverantwortungsmodells (dazu z.B. Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, § 75 Rn. 28 m.w.N; LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 58 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 10/12 R) den Leistungsberechtigten gegenüber dem Sozialhilfeträger grundsätzlich ein Anspruch auf Sachleistungsverschaffung zusteht. Denn jedenfalls im Bereich der KFZ-Hilfe nach den §§ 8, 9 EinglHV handelt es sich um originäre Geldleistungsansprüche (BSG, Urteile vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 20 und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 12, vgl. auch Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 R Rn. 12). Es kommt also nicht darauf an, dass hinter dem erstinstanzlichen Klageantrag ein konkretes Händlerangebot zum Kauf eines (bereits behinderungsgerecht umgebauten) Fahrzeuges "Dacia Dokker" stand und dieses bislang noch nicht beschafft wurde.
45a) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116 Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beratend beteiligt worden.
46b) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
47Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII NRW. Danach ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe zuständig für die Versorgung behinderter Menschen u.a. mit größeren Hilfsmitteln zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33 und 55 SGB IX. Größere Hilfsmittel sind solche mit einem Preis von mindestens 180,00 EUR. Dass der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.08.2012 zur Begründung seiner sachlichen Zuständigkeit nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 AV-SGB XII, sondern auf § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII abgestellt hat, beruht offenbar auf einem Versehen. Er hat auch nicht gemäß § 1 Nr. 2a bzw. Nr. 3c seiner (auf der Grundlage von § 99 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 AG-SGB XII NRW erlassenen) Satzung einen örtlichen Träger zur Leistungserbringung herangezogen (vgl. insb. § 1 Nr. 3c der Satzung, wonach die "Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges" von der Heranziehung ausgenommen wird). Letztlich kommt es darauf ohnehin nicht an, weil der Beklagte nach § 3 seiner Satzung das Recht hat, im Einzelfall selber tätig zu werden (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 12).
48Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Klägerin hat ihren tatsächlichen Aufenthalt (vgl. zu dem Begriff z.B. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 98 Rn. 13 ff.) im Haus ihrer (faktischen) "Pflegefamilie" und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Eine stationäre Unterbringung i.S.v. § 98 Abs. 2 (i.V.m. § 13 Abs. 2) SGB XII besteht nicht; insoweit fehlt es jedenfalls an der besonderen Organisationsform von personellen und sächlichen Mitteln (vgl. hierzu z.B. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 13 Rn. 28 m.w.N.).
49Offen bleiben kann vor diesem Hintergrund, ob sich die Zuständigkeit des Beklagten im Außenverhältnis zur Klägerin (vgl. dazu z.B. BSG, Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 6/12 R Rn. 10 m.w.N.) ohnedies aus § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX ergibt. Mit Blick auf das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 15.11.2011 an den Beigeladenen ist allerdings anzumerken, dass § 14 Abs. 2 S. 1 SGB IX jedenfalls nicht zu einer vorrangigen Leistungszuständigkeit des Beigeladenen im Außenverhältnis zur Klägerin führt. Denn dieses Schreiben enthält schon keinen Antrag i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX auf Teilhabeleistungen in Form einer Anschaffungsbeihilfe für ein behinderungsgerechtes oder behinderungsgerecht auszustattendes KFZ. Denn zwar wurde eine Gewährung einer Beihilfe in dem Schreiben angesprochen; dabei war sich der Bevollmächtigte der Klägerin jedoch über die materielle Leistungszuständigkeit des Beklagten erkennbar im Klaren und wollte sich ggf. selbst mit einem gesonderten Antrag an diesen wenden (wie dann am 15.12.2011 auch geschehen); ersichtlich nicht gewollt war jedoch ein eigener Antrag an den Beigeladenen.
50c) Die materiellen Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX sowie § 8 EinglHV sind erfüllt.
51aa) Nach § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII werden Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung i.S.d. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Die Klägerin ist durch ihre Tetraspastik und eine Sehbehinderung in ihren körperlichen (§ 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 und Nr. 4 EinglHV) sowie durch das BNS-Syndrom auch in ihren geistigen Funktionen wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl. z.B. BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.) behindert (§ 2 Abs 1 SGB IX, § 2 EinglHV). Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass sie durch die genannten gesundheitlichen Einschränkungen nicht in der Lage ist, in einem Umfang am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, wie dies für nicht behinderte Menschen ihres Alters üblich ist. Das Vorliegen der personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII stellt der Beklagte auch nicht in Abrede.
52bb) Die Voraussetzungen der §§ 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, § 55 SGB IX i.V.m. § 8 EinglHV für die Gewährung einer Hilfe zur Beschaffung eines KFZ sind ebenfalls erfüllt (zur Abgrenzung dieser Vorschrift gegenüber § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.1990 - 5 B 113/89 Rn. 3 f., und BSG, Urteil vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 m.w.N.).
53Gemäß § 8 Abs. 1 EinglHV wird Hilfe zur Beschaffung eines KFZ in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung des KFZ angewiesen ist. Das BSG hat dies (nachdem die Entscheidung vom 23.08.2013 - B 8 SO 24/11 Rn. 19 dies noch ausdrücklich offengelassen hatte) im Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 15 m.w.N.) dahingehend konkretisiert, dass die bei jeder Eingliederungsmaßnahme zu prüfende Notwendigkeit (§ 4 Abs. 1 SGB IX) nur dann besteht, wenn ein KFZ als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist. Diese Ziele bestehen darin (vgl. § 53 Abs. 3 S. 1 SGB XII), eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dabei ist ihm die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder er so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen (§ 53 Abs. 2 S. 2 SGB XII, § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX). In welchem Maß und durch welche Aktivitäten ein behinderter Mensch am Leben in der Gemeinschaft teilnimmt, ist abhängig von seinen individuellen Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner Wünsche (§ 9 Abs. 2 SGB XII); bei behinderten Kindern sind die Wünsche der Eltern, orientiert am Kindeswohl nach den Umständen des Einzelfalls, maßgebend. Es gilt also - wie das Sozialgericht zu Recht ausgeführt hat - ein individueller und personenzentrierter Maßstab; dieser steht einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls regelmäßig entgegen.
54Nach diesen konkretisierenden Ausführungen des BSG sind (in Zusammenschau mit seiner Entscheidung vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R Rn. 26 m.w.N.) bei § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV letztlich identische Maßstäbe anzulegen. Die Ansicht des Beklagten, bei § 8 Abs. 1 EinglHV sei - anders als bei § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV - eine mit der Notwendigkeit für die Teilhabe am Arbeitsleben vergleichbare Nutzungsintensität erforderlich (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, br 2013, Seite 1 ff. (6)), steht - jedenfalls im Sinne einer pauschalen Beurteilungsregel für Fälle (wie hier) mit anderweitig gesichertem Transport zu einer WfbM (dazu noch später) - damit nicht in Einklang. Zwar verweist der Beklagte insoweit insbesondere auf das Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R (Rn. 16) und die Besonderheiten des dortigen Lebenssachverhaltes; das BSG stellt allerdings in dieser Entscheidung gerade (nochmals) klar, dass sich die Notwendigkeit der begehrten Hilfe allein nach den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen mit Blick auf die genannten Ziele der Eingliederungshilfe richte und nicht nach einer am Leitbild der Teilhabe am Arbeitsleben orientierten Nutzungsintensität. Aus Sicht des Senats liegt darin zwar ein gewisses Absetzen des BSG von der Rechtsprechung des BVerwG (letzteres in den Urteilen vom 20.07.2000 - 5 C 43/99 Rn. 15 und vom 27.10.1977 - 5 C 15/77 Rn. 9); auch wenn das BSG selbst dies (a.a.O.) verneint, so ändert es doch nichts daran, dass es jedenfalls eine eindeutige Lesart zu § 8 Abs. 1 EinglHV in dem soeben dargestellten Sinne gefunden hat. Als "Korrektiv" gegenüber ausufernden Wünschen des Betroffenen fungiert deshalb nicht ein starrer Vergleich mit der Nutzungsintensität bei einer Teilnahme am Arbeitsleben, sondern die Notwendigkeit der Angemessenheit der Wünsche im Hinblick auf eine Eingliederung in die Gesellschaft entsprechend den im Einzelfall bestehenden Möglichkeiten und verständigen Teilhabebedürfnissen. Der erkennende Senat schließt sich dieser Lesart des BSG an.
55Soweit der Beklagten darauf verweist, nach dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2011 - L 1 SO 66/10 leite sich aus der Sicherungsfunktion der Sozialhilfe für eine menschenwürdige Lebensführung hinsichtlich der Notwendigkeit einer KFZ-Hilfe ein restriktives Verständnis her, so stimmt eine solche Sichtweise jedenfalls nicht mit dem (zeitlich später ergangenen) Urteil des BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R überein. Bei der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel SGB XII geht es - anders als insbesondere bei den Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel SGB XII - nicht allein um die bloße Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz; bezweckt wird vielmehr eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen sowie die Beseitigung faktischer Benachteiligungen Behinderter in der Lebenswirklichkeit (so LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 - L 9 SO 497/11 Rn. 78 zur Inanspruchnahme von Hilfskräften im Rahmen der Eingliederungshilfe für ein Hochschulstudium).
56Entsprechend der dargestellten Rechtsprechung des BSG kommt es im vorliegenden Fall auf eine Prognose an, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Beihilfe für die Anschaffung eines KFZ verfolgt werden - dazu (1) - und ob die begehrte Eingliederungsmaßnahme für die Verfolgung dieser Ziele geeignet - dazu (2) - und erforderlich - dazu (3) - ist.
57(1) Die Klägerin kann wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkungen selbst keine verwertbaren Angaben zu ihren Eingliederungszielen machen. Ihre Betreuerin - die im Rahmen des ihr zugewiesenen Aufgabenkreises ohnehin berufen ist, sich rechtlich verbindlich für die Klägerin zu äußern - kann dies als (faktische) "Pflegemutter", die die Klägerin bereits seit dem Kleinkindalter kennt und durchgehend bis heute betreut, indes durchaus. In einer solchen Lage besteht eine Vergleichbarkeit mit der Eingliederung minderjähriger Kinder (zur Maßgeblichkeit des Willens bzw. der Wünsche der gesetzlichen Vertreter bei der Eingliederung minderjähriger Kinder vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 15). Der Senat orientiert sich deshalb zur Beurteilung der Eigenvorstellungen der Klägerin zu ihrer Eingliederung in die Gemeinschaft in erster Linie an den Äußerungen ihrer Betreuerin.
58Nach deren Angaben zu den Eingliederungsbedürfnissen, die sie im Laufe des Verfahrens mehrfach sowohl schriftlich als auch mündlich - zuletzt auf ausführliches Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung - für die Klägerin gemacht hat, ist von folgenden Eingliederungswünschen der Klägerin auszugehen: regelmäßige Beschäftigung in der WfbM, regelmäßige Teilnahme an der etwa zweimal pro Monat stattfindenden Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. und ggf. Wahrnehmung von Zusatzangeboten des Vereins (Grillabende o.ä.), regelmäßige Freizeitaktivitäten mit der Betreuerin bzw. der gesamten "Pflegefamilie" (z.B. Zoo- und Konzertbesuche, Besuche von Bekannten/Verwandten, Stadtbummel u. dergl.).
59Der Senat hält diese Eingliederungswünsche der Klägerin für i.S.v. § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII angemessen (zu diesem Maßstab vgl. BSG, a.a.O. Rn. 16). Maßgebende Vergleichsgruppe bei der Angemessenheitsprüfung sind nicht behinderte, nicht sozialhilfebedürftige Personen gleichen Alters (BSG, a.a.O.; a.A. mglw. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 9). Dabei müssen sich behinderte Menschen grundsätzlich nicht mit der Eingliederung in ihr häusliches Umfeld begnügen (BSG, a.a.O.). Die von der Betreuerin für die Klägerin formulierten Wünsche stehen nach Art und Umfang nicht im Gegensatz zu Freizeitbedürfnissen nicht behinderter junger Frauen im Alter der Klägerin; sie erscheinen vielmehr gerade als überaus verständliche, unmittelbar nachvollziehbare Aktivitätsbedürfnisse für eine Person einerseits im Lebensalter der Klägerin, zumal sie andererseits auch ihren gesundheitsbedingt einschränkten Möglichkeiten entgegenkommen.
60Demgegenüber schränkt die Auffassung des Beklagten, es reiche aus, wenn die Klägerin mit dem Besuch der WfbM nur in einem Teilbereich in das Leben in der Gemeinschaft eingegliedert sei, nach Ansicht des Senats die Eingliederungshilfemöglichkeiten zu weitgehend ein. Geht es - der Rechtsprechung des BSG folgend - gerade um eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen nicht nur in einzelnen Lebensbereichen, sondern (im Rahmen des Möglichen und in angemessenem Umfang) grundsätzlich in allen Lebensbereichen, so ist nicht nur der Bereich der Tagesbeschäftigung an einer Arbeitsstelle (wie der WfbM) betroffen, sondern üblicherweise auch die Bereiche Familie, Freunde und Bekannte sowie Freizeit und Kultur. Die Tätigkeit in der WfbM deckt Teilhabebedürfnisse deshalb nur einseitig und teilweise ab. Dies zeigt sich auch darin, dass Leistungen zum Besuch einer WfbM im Arbeitsbereich als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden (vgl. § 41 SGB IX). Auch wenn bei lebensnaher Sicht davon auszugehen ist, dass der Klägerin in der WfbM gerade auch soziale Erfahrungen und Erlebnisse vermittelt werden, so decken diese doch die für eine gleichberechtigte Teilhabe ebenso bedeutsamen Felder Familie, Freizeit und kulturelle Erlebnisse von vornherein nicht ab. Auch letzteren ist jedoch - entsprechend den für die Klägerin feststellbaren Wünschen - in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen.
61Dass sich diese Eingliederungswünsche der Klägerin in einem angemessenen Rahmen halten, erscheint dem Senat offensichtlich. Kurzfristig (insbesondere Rücksicht nehmend auf den aktuellen Gesundheitszustand) planbare Besuche bei Freunden, Verwandten der "Pflegefamilie", Teilnahme an Gruppenveranstaltungen (wie etwa der Rollstuhlgruppe), Besuche von Musikveranstaltungen, Stadtbummel u. dergl. erscheinen vielmehr als maßvolle und zur Bereicherung des Angebots an Außenreizen für die in ihren Teilhabemöglichkeiten wegen ihrer geistigen sowie körperlichen Grenzen ohne solche Angebote weitestgehend eingeschränkte Klägerin geradezu gebotene Aktivitäten. Die Klägerin ist auch in ihrer Wahrnehmungsfähigkeit nicht etwa derart eingeschränkt, dass sie von solchen Aktivtäten nicht profitieren könnte oder überfordert wäre. Dies folgt nicht nur aus den glaubhaften Angaben ihrer Betreuerin, sondern auch aus dem aktenkundigen Inhalt des Zeugnisses der Q-Förderschule vom 23.06.2006, der Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Beigeladenen vom 03.09.2010 sowie den Angaben des Hausarztes Dr. I bei seiner Vernehmung als Zeuge; nicht zuletzt steht auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den sich der Senat während der etwa vierstündigen mündlichen Verhandlung von der Klägerin machen konnte, fest, dass sie Außenreize wahrnimmt, verarbeitet und auf sie reagiert. Der Senat geht deshalb trotz ihrer beschränkten Äußerungsmöglichkeiten davon aus, dass die Klägerin soziale Erlebnisse wahrnimmt und von ihnen profitieren kann. Dies gilt etwa für den Besuch von Konzerten, da sie für akustische Reize besonders empfänglich ist. Die eingeschränkte Sehfähigkeit der Klägerin spricht nicht etwa gegen die Angemessenheit von Tierparkbesuchen, Stadtbummeln o.ä.; ist sie ohnehin auf einem Auge nur leicht eingeschränkt, erschöpfen sich derartige Aktivitäten zudem nicht im visuellen Erlebnis, sondern bieten auch weitere (etwa taktile, akustische, olfaktorische oder soziale) Anregungen, welche die Erlebniswelt der Klägerin bereichern können. So hat insbesondere ihr Hausarzt bei seiner Vernehmung durch den Senat angegeben, dass sie in einer eher reizarmen Umgebung lebe und nach seiner Vermutung von zusätzlichen Außenreizen profitieren könnte; zu einer Befürchtung der Überforderung der Klägerin durch zu viele Reize bei Freizeitaktivitäten (neben dem Besuch der WfbM) sah er keinen Anlass.
62Hinsichtlich der Häufigkeit bzw. Frequenz von Freizeitaktivitäten ist ohnehin zu berücksichtigen, dass der Klägerin behinderungsbedingt eine Vielzahl von in ihrer Altersgruppe üblichen Sozialkontakten versagt ist; insofern erscheint gerade ein höheres Maß an ihr möglichen Aktivitäten gerechtfertigt (vgl. BSG, a.a.O. 16).
63(2) Die Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ ist auch geeignet, ihre unter (1) genannten Eingliederungswünsche zu erfüllen. Denn mit einem solchen, auf ihre konkreten Bedürfnisse bzw. behinderungsbedingten Besonderheiten zugeschnitten Fahrzeug könnte sie den damit zusammenhängenden Mobilitätsbedarf jederzeit (und ohne Vorausplanung, welche sich ggf. bei spontaner gesundheitlicher Unmöglichkeit als vergeblich erweisen würde) decken.
64Als Fahrer stünden neben der Betreuerin der Klägerin deren Ehemann oder deren Kinder zur Verfügung. Alle diese Personen verfügen über eine Fahrerlaubnis. Sofern es sich (ggf. nach Umbau) um ein für den Transport der Klägerin in ihrem Rollstuhl zugelassenes Fahrzeug handelt, hat der Senat auch angesichts der Neigung der Klägerin zu auto- bzw. fremdaggressivem Verhalten keine grundsätzlichen Bedenken, dass eine Beförderung nicht hinreichend sicher gewährleistet werden könnte. Sofern zwischen den Beteiligten kontroverse Ansichten darüber bestehen, ob ein Transport allein durch die Betreuerin (als Fahrerin) oder aber nur mit ihr und zugleich einer dritten Person hinreichend sicher durchgeführt werden kann, betrifft dies nicht die Geeignetheit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ als solche. Ohnehin kommen nach den plausiblen und glaubhaften Angaben der Betreuerin genügend Personen als Fahrer in Betracht, so dass die Betreuerin als Begleitperson (und nicht selbst als Fahrerin) fungieren könnte; neben den Mitgliedern der "Pflegefamilie" gibt es noch weiterer Personen, die bereit und in der Lage wären, bei Fahrten in einem KFZ der Klägerin mitzuwirken.
65(3) Die Ausstattung mit einem eigenen Fahrzeug ist im Einzelfall der Klägerin auch erforderlich (vgl. dazu BSG, a.a.O. Rn. 17), um ihre angemessenen Eingliederungswünsche zu verwirklichen. Andere Möglichkeiten als die Benutzung eines eigenen KFZ, die sie zur Verwirklichung ihrer Teilhabeziele zumutbar nutzen könnte, sind nicht ersichtlich.
66Zwar ist die Klägerin - anders als sie vorträgt - nicht schon im Hinblick auf den Transport zur WfbM auf ein eigenes (behinderungsgerecht ausgestattetes) Fahrzeug angewiesen. Der Senat ist vielmehr - insbesondere aufgrund der Angaben der Zeugin F - davon überzeugt, dass jedenfalls seit dem Einsatz eines neuen Transportfahrzeuges (seit Januar 2014), bei dem die Begleitperson während der Fahrt unmittelbar links neben der Klägerin sitzen kann, ein hinreichend sicherer und zumutbarer Transport der Klägerin zu und von der WfbM stattfindet. Denn seither kann nach den nachvollziehbaren und auch von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Zeugin mit Ausnahme der kurzen Zeit des Be- und Entladens des Rollstuhls mit der Klägerin deren auto- und fremdaggressives Verhalten wirksam unterbunden werden. Der Senat hat bei der Vernehmung auch den Eindruck gewonnen, dass die Zeugin F (als Begleitperson bei den Werkstattfahrten) die Klägerin mit Einfühlungsvermögen, verantwortungsvoll und sachkundig begleitet; sie erscheint dem Senat danach gut in der Lage, den Zustand der Klägerin und ihre Stimmungen einzuschätzen und auf Problemsituationen angemessen zu reagieren. Dies gilt insbesondere für die klägerseits mehrfach angesprochenen Krampfanfälle. Insoweit ist das Begleitpersonal mit einem Notfallmedikament ausgestattet und befugt, es der Klägerin bei Bedarf zu verabreichen; der Senat sieht keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies in entsprechenden Notsituationen auch geschehen würde. Soweit beim Ein- und Aussteigen vorübergehend aggressives Verhalten der Klägerin nicht immer zu verhindern ist, macht dies den Transport nicht unzumutbar. Denn während der mündlichen Verhandlung hat sich gezeigt, dass selbst die Betreuerin der Klägerin (z.B. infolge von Ablenkung) nicht ausnahmslos in der Lage ist, diese davon abzuhalten, sich selbst zu schlagen. Insofern bestünde im Übrigen wohl auch kein Unterschied zwischen einem Be- und Entladen des Werkstattfahrzeugs und eines eigenen Fahrzeugs der Klägerin. Andere Gründe für eine Unzumutbarkeit der Werkstattbeförderung durch die Firma F Transfer GmbH sind nicht erkennbar. Sofern diesbezüglich von der Klägerseite häufige Durchfälle der Klägerin angesprochen wurden, welche öfter zum Ausfall des Werkstattbesuchs geführt hätten, so ist in der mündlichen Verhandlung aus den Angaben der Betreuerin deutlich geworden, dass hier etwa ein Jahr nach Diagnose einer Lactoseintoleranz eine Besserung eingetreten ist. Die Mitarbeiter der Firma F Transfer GmbH konnten überhaupt keine Angaben dazu machen, dass Durchfälle der Klägerin den Transport behindern würden.
67Diese grundsätzliche Zumutbarkeit der Nutzung des Sammeltransports zur Werkstatt durch die Firma F Transfer GmbH steht der Erforderlichkeit der Ausstattung der Klägerin mit einem eigenen KFZ indes nicht entgegen. Denn die Klägerin erreicht - anders als der Beklagte meint - allein durch den Besuch der WfbM keine ausreichende bzw. angemessene Eingliederung. Es verbleiben vielmehr (wie bereits dargelegt) weitere soziale Bereiche, denen in angemessenem Rahmen Rechnung zu tragen ist.
68Zur Abdeckung dieser Bereiche ist ein Mobilitätsbedürfnis der Klägerin anzuerkennen, welches ihr bisheriges Mobilitätsbudget nicht abdecken kann. Dieses Bedürfnis ergibt sich zum einen aus dem regelmäßigen Besuch der Rollstuhlgruppe des Perspektive e.V. (etwa zweimal monatlich) und zum anderen aus dem Bedürfnis, Unternehmungen mit der "Pflegefamilie" oder mit anderen durchzuführen (wie Zoobesuche, Konzertbesuche, sonstige Ausflüge, Wahrnehmung von Einladungen o.ä.), dies im Übrigen auch nach - bisher kaum möglicher - spontanerer Planung.
69Einem Bedürfnis nach insbesondere größerer familiärer Integration steht nicht etwa entgegen, dass die Klägerin keiner Familie im familienrechtlichen Sinne zugehört. Denn zu der Familie der Betreuerin, in der die Klägerin seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt, besteht jedenfalls faktisch ein entsprechendes Nähe- und Zugehörigkeitsverhältnis. In deren häuslichen Bereich ist die Klägerin durch ihre Beziehung zu den übrigen Familienmitgliedern und auch zu dem zur Familie gehörenden Hund hinreichend integriert. Zur angemessenen familiären Eingliederung gehört jedoch auch, dass die Klägerin - gemeinsam mit den übrigen Familienmitgliedern - Erlebnisse außerhalb des häuslichen Bereichs haben kann (z.B. durch Ausflüge, Verwandtenbesuche, etc.).
70Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gibt es für die Klägerin keine andere zumutbare Möglichkeit, den für ihre Eingliederung bestehenden Mobilitätsbedarf anders als durch Nutzung eines eigenen KFZ zu decken (vgl. zu einem ähnlichen Fall Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2009 - S 42 (29,44) SO 27/06).
71Die Deckung des Bedarfs über das Mobilitätsbudget des Beigeladenen (sei es in der derzeitigen Höhe von 100,00 EUR, oder sei es mehr) ist ungeeignet. Denn es erscheint - den Angaben der Betreuerin, flankiert von denen der gehörten Zeugen und dem persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin während der mündlichen Verhandlung folgend - ein Verweis der Klägerin auf das Budget und damit allein auf die Nutzung eines Taxidienstes nicht zumutbar. Der Senat geht zwar - ebenso wie der Beklagte (vgl. dazu auch Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 4 Fn. 43 m.w.N.) - davon aus, dass die Nutzung von Fahrdiensten zur Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses behinderter Menschen bzw. deren Eingliederung im Regelfall möglich und ausreichend ist. Bei der Klägerin kommt den damit verbundenen Erschwernissen (etwa eine lange Vorlaufzeit, fehlende bzw. eingeschränkte Verfügbarkeit in Abendstunden, an Wochenenden oder Feiertagen, mangelnde Flexibilität bei unvorhergesehen Ereignissen und auch während einer Unternehmung) jedoch ein so erhebliches Gewicht zu, dass ein dauerhafter Verweis auf die Nutzung eines Fahrdienstes unzumutbar wäre. Insbesondere die regelmäßig auftretenden Krampfanfälle und das auch im Übrigen von starken Schwankungen geprägte Krankheitsbild der Klägerin macht nachvollziehbar, dass wesentliche Aktivitäten zur Eingliederung (regelmäßiger Besuch der Rollstuhlgruppe, Ausflüge mit der Familie und Besuch von Veranstaltungen - insbesondere am Wochenende oder abends) allein durch die Inanspruchnahme eines Behindertenfahrdienstes nicht hinreichend organisierbar sind. Dies zeigt sich schon darin, dass die Klägerin das ursprünglich von dem Beigeladenen zur Verfügung gestellte Mobilitätsbudget nur teilweise abrufen konnte; insofern besteht kein Anlass, das ernsthafte Bemühen der Betreuerin zur Nutzung des Budgets in Zweifel zu ziehen. Unter Berücksichtigung der Angaben des Beigeladenen existiert im Umland der Klägerin auch kein anderer Fahrdienst, der organisatorisch besser in der Lage wäre, das Mobilitätsbedürfnis der Klägerin zu befriedigen, als die von der Klägerin regelmäßig in Anspruch genommene Firma U GmbH.
72Ist die Inanspruchnahme eines professionellen Behindertenfahrdienstes deshalb keine zumutbare Alternative, gilt dies erst recht für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Abgesehen von den Einschränkungen für Nutzer eines Spezialrollstuhls wie dem der Klägerin wohnt diese ohnehin nicht in einem mit öffentlichen Angeboten gut ausgestatteten Bereich wie einem Ballungsraum oder einer Großstadt, sondern in einem ländlich strukturierten Gebiet. Aus diesem Grund kann sie im Übrigen auch ihren Eingliederungsbedarf nur sehr beschränkt im unmittelbaren Nahbereich befriedigen.
73Schließlich kommt auch ein Umbau eines in der "Pflegefamilie" der Klägerin bereits vorhandenen Fahrzeugs nicht als Alternative zur Anschaffung eines eigenen PKW in Betracht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 18). Denn die beiden in der "Pflegefamilie" vorhandenen Fahrzeuge (Ford Focus, Ford Fiesta) sind für einen behindertengerechten Umbau bereits ungeeignet. Beide Modelle sind zu niedrig, um einen Rollstuhl nebst darin sitzender Person aufzunehmen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Im Übrigen dürfte das weitere Fahrzeug (Ford Focus) auch aufgrund seines Alters und seiner Laufleistungen kaum mehr für eine Umgestaltung in Frage kommen. Der Betreuerin bzw. der "Pflegefamilie" (die sich für die Betreuung der Klägerin bereits in erheblichem Umfang persönlich einschränken) ist es ohnehin nicht zuzumuten, eines der Familienfahrzeuge für die Klägerin umbauen zu lassen (zu diesem Gesichtspunkt BSG, a.a.O. Rn. 20). Zum einen benötigt der Ehemann der Betreuerin eines der Fahrzeuge (Ford Fiesta) für seine Berufstätigkeit; zum anderen fehlt jede familienrechtliche Verbindung zwischen der Klägerin und der Betreuerin bzw. deren Familie.
74(4) Einem Leistungsanspruch der Klägerin steht § 8 Abs. 3 EinglHV nicht entgegen. Danach ist die Hilfe nach Abs. 1 der Vorschrift in der Regel davon abhängig ist, dass der behinderte Mensch das Fahrzeug selbst bedienen kann. Sind Ausnahmen vom Regelfall möglich, so kommt die Bewilligung von KFZ-Hilfe etwa in Betracht, wenn behinderte Kinder mangels anderer Transportmöglichkeiten regelmäßig von den Eltern zur Schule oder zu einer Tagungsbildungsstätte gefahren werden müssen (Scheider in Schellhorn/Schell-horn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage 2010, § 8 EinglHV Rn. 12), oder wenn sichergestellt ist, dass der behinderte Mensch von einer dazu fähigen und berechtigten anderen Person zu den seiner Eingliederung dienenden Maßnahmen mit dem KFZ gefahren wird und dadurch keine Mehrkosten entstehen, die der behinderte Mensch nicht selbst tragen kann (vgl. Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Im Falle der Klägerin erscheint ein kostenneutraler Transport durch die Betreuerin oder andere ihr nahestehende Personen gesichert; im Übrigen ist ihre Situation auch vergleichbar mit derjenigen minderjähriger Kinder.
75dd) Schließlich sind auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Eingliederungshilfe erfüllt. Von Belang sind dabei allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen der Klägerin selbst; denn sie ist volljährig und nicht mit ihrer Betreuerin oder deren Familienangehörigen verwandt (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII).
76Nach den aktenkundigen Informationen, die von der Betreuerin in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt wurden, ist die Klägerin vermögenslos. Als Einkommen können allenfalls Teile ihres Werkstatteinkommens nach Maßgabe von § 82 SGB XII berücksichtigt werden. Unbeschadet eines etwaigen Anstiegs des Einkommens seit Juli 2012 im Rahmen üblicher Dynamisierungen sind die Einkünfte aus der Tätigkeit in jedem Fall so gering, dass sie die maßgebliche Einkommensgrenze des § 85 Abs. 1 SGB XII nicht übersteigen. § 87 Abs. 3 SGB XII ist vor diesem Hintergrund von vornherein ohne Belang.
77d) Liegen die materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen vor, ist der Klägerin die von ihr begehrte KFZ-Hilfe zuzuerkennen, weil es sich (wie eingangs dargelegt) um eine gebundene Entscheidung über einen Geldleistungsanspruch handelt.
78Dem Träger der Eingliederungshilfe steht allerdings grundsätzlich ein Auswahlermessen betreffend die Art bzw. das Maß der Leistungserbringung zu (vgl. Scheider, a.a.O. Rn. 7). Die Leistung kann als Darlehen oder als Zuschuss erbracht werden (vgl. § 8 Abs. 2 EinglHV). Zur Frage, in welchen Fällen ein Zuschuss und in welchen Fällen ein Darlehen zu gewähren ist, existieren Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft überörtlicher Sozialhilfeträger (http://www.lwl.org/spur-download/bag/21 06an.pdf), an denen sich auch der Beklagte orientiert (Exner/Dillmann, a.a.O. Seite 6). Nach diesen Richtlinien (Ziff. 2.4.3) ist ein Zuschuss zu leisten, wenn das Einkommen des Berechtigten die Grenze des § 85 SGB XII nicht übersteigt. Zugunsten der Klägerin ist deshalb das Auswahlermessen des Beklagten auf eine Gewährung als Zuschuss reduziert.
79Soweit das Sozialgericht die Höhe des Zuschusses mit einem Betrag von bis zu 9.000,00 EUR beziffert hat, hält der Senat dies - im Anschluss an eine orientierende Internetrecherche unter www.autoscout24.de - für nicht zu beanstanden. Jedenfalls ein Betrag in dieser Höhe erscheint notwendig und angemessen, um ein hinreichend zuverlässiges, d.h. nicht zu altes, gebrauchtes KFZ zu erwerben, das für einen sicheren Rollstuhltransport der Klägerin fachgerecht umgebaut werden kann oder ggf. bereits umgebaut ist. Auch der Beklagte hat zur Höhe des durch das Sozialgericht zugesprochenen Betrages keine Bedenken geäußert. Für dessen Angemessenheit spricht zudem, dass er noch unterhalb des Maximalwertes nach § 5 Abs. 1 KFZ-Hilfeverordnung (9.500,00 EUR) liegt, auch wenn diese Regelung im vorliegenden Fall keine (unmittelbare) Anwendung findet (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 EinglHV).
804. Ist das Urteil des Sozialgerichts nach alledem in der Sache nicht zu beanstanden, war nur der Tenor mit Blick auf die Abweisung der Klage im Übrigen zu berichtigen (s.o. I.).
81III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und folgt der Entscheidung in der Hauptsache. Bei der Kostenquote war zu berücksichtigen, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren mit ihrem Begehren nur zu etwa zwei Dritteln durchgedrungen ist. Hat sie selbst keine Berufung geführt, war sie gegen die Berufung des Beklagten in vollem Umfang erfolgreich. Die Erstattung von Kosten des nur kurzfristig zum Verfahren hinzugezogenen Beigeladenen, der im Übrigen keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspräche nicht der Billigkeit.
82IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere sind die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht erfüllt. Die rechtlichen Kriterien, nach denen eine Eingliederungshilfe nach § 8 EinglHV zu beurteilen ist, sind höchstrichterlich geklärt (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R); hiervon weicht die vorliegende Entscheidung nicht ab.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.
(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,
- 1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden, - 2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern, - 3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens, - 4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist, - 5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden, - 6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden, - 7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13, - 8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind, - 9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie - 10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.
(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.
(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.
(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.
(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.
(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.
(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.
(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.
Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Das umfasst auch die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; sie sollen durch eine gesundheitsbewußte Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an gesundheitlichen Vorsorgemaßnahmen sowie durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und Rehabilitation dazu beitragen, den Eintritt von Krankheit und Behinderung zu vermeiden oder ihre Folgen zu überwinden. Die Krankenkassen haben den Versicherten dabei durch Aufklärung, Beratung und Leistungen zu helfen und unter Berücksichtigung von geschlechts-, alters- und behinderungsspezifischen Besonderheiten auf gesunde Lebensverhältnisse hinzuwirken.
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt
- 1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung, - 2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen, - 3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen, - 4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe, - 5.
Krankenhausbehandlung, - 6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.
(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie
- 1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist, - 2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.
(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.
(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.
(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.
(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.
(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.
(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.
(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.
(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.
(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.
(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.
(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.
(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.
(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die
- 1.
ärztliche Behandlung, - 2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung, - 3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme, - 4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft, - 5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, - 6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes, - 7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches, - 8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation, - 9.
Bedarfsplanung, - 10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4, - 11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b, - 12.
Verordnung von Krankentransporten, - 13.
Qualitätssicherung, - 14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung, - 15.
Schutzimpfungen.
(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:
- 1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind, - 2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind, - 3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.
(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.
(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.
(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind, - 2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, - 3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.
(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.
(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.
(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln
- 1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel, - 2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen, - 3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung, - 4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer, - 5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie - 6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.
(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.
(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.
(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln
- 1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung, - 2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus, - 3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt, - 4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA), - 5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.
(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.
(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.
(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.
(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.
(1) Versicherte, die wegen schwerer psychischer Erkrankung nicht in der Lage sind, ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen selbständig in Anspruch zu nehmen, haben Anspruch auf Soziotherapie, wenn dadurch Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder wenn diese geboten, aber nicht ausführbar ist. Die Soziotherapie umfasst im Rahmen des Absatzes 2 die im Einzelfall erforderliche Koordinierung der verordneten Leistungen sowie Anleitung und Motivation zu deren Inanspruchnahme. Der Anspruch besteht für höchstens 120 Stunden innerhalb von drei Jahren je Krankheitsfall.
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Versorgung nach Absatz 1, insbesondere
- 1.
die Krankheitsbilder, bei deren Behandlung im Regelfall Soziotherapie erforderlich ist, - 2.
die Ziele, den Inhalt, den Umfang, die Dauer und die Häufigkeit der Soziotherapie, - 3.
die Voraussetzungen, unter denen Ärzte zur Verordnung von Soziotherapie berechtigt sind, - 4.
die Anforderungen an die Therapiefähigkeit des Patienten, - 5.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Arztes mit dem Leistungserbringer.
(3) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung je Kalendertag der Leistungsinanspruchnahme den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag an die Krankenkasse.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.
(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.
(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.
(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.
(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.
(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.
(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.
(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten
- 1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen, - 2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen, - 3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie - 4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.
(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.