Landessozialgericht NRW Beschluss, 22. März 2016 - L 7 AS 354/16 B ER und L 7 AS 355/16 B

ECLI:ECLI:DE:LSGNRW:2016:0322.L7AS354.16B.ER.UN.00
bei uns veröffentlicht am22.03.2016

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 12.02.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vom 14.03.2016 bis zum 30.09.2016 Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Rechtszüge zu erstatten.


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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 7 Leistungsberechtigte


(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die1.das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,2.erwerbsfähig sind,3.hilfebedürftig sind und4.ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschla

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 19 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. (2)

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 23 Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer


(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 41 Berechnung der Leistungen und Bewilligungszeitraum


(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht. (2) Berechnungen werd

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 102 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers


(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. (2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorle

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 6 Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende


(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:1.die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,2.die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, für das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 un

Zivilprozessordnung - ZPO | § 122 Wirkung der Prozesskostenhilfe


(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass 1. die Bundes- oder Landeskasse a) die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,b) die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte geg

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 43 Vorläufige Leistungen


(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflicht

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 59 Übergang von Ansprüchen auf die Staatskasse


(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensache

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 44 Veränderung von Ansprüchen


Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 120


(1) Die Beteiligten haben das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen las

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 93


Der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen sind vorbehaltlich des § 65a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die Beteiligten beizufügen. Sind die erforderlichen Abschriften nicht eingereicht, so fordert das Gericht s

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Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der

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(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Träger der Leistungen nach diesem Buch sind:

1.
die Bundesagentur für Arbeit (Bundesagentur), soweit Nummer 2 nichts Anderes bestimmt,
2.
die kreisfreien Städte und Kreise für die Leistungen nach § 16a, für das Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 und 2 und die Leistungen nach § 27 Absatz 3, soweit diese Leistungen für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet werden, für die Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2 sowie für die Leistungen nach § 28, soweit durch Landesrecht nicht andere Träger bestimmt sind (kommunale Träger).
Zu ihrer Unterstützung können sie Dritte mit der Wahrnehmung von Aufgaben beauftragen; sie sollen einen Außendienst zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch einrichten.

(2) Die Länder können bestimmen, dass und inwieweit die Kreise ihnen zugehörige Gemeinden oder Gemeindeverbände zur Durchführung der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Aufgaben nach diesem Gesetz heranziehen und ihnen dabei Weisungen erteilen können; in diesen Fällen erlassen die Kreise den Widerspruchsbescheid nach dem Sozialgerichtsgesetz. § 44b Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt. Die Sätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen des § 6a mit der Maßgabe, dass eine Heranziehung auch für die Aufgaben nach § 6b Absatz 1 Satz 1 erfolgen kann.

(3) Die Länder Berlin, Bremen und Hamburg werden ermächtigt, die Vorschriften dieses Gesetzes über die Zuständigkeit von Behörden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende dem besonderen Verwaltungsaufbau ihrer Länder anzupassen.

Die Träger von Leistungen nach diesem Buch dürfen Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, ist Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege nach diesem Buch zu leisten. Die Vorschriften des Vierten Kapitels bleiben unberührt. Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Die Einschränkungen nach Satz 1 gelten nicht für Ausländer, die im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines befristeten Aufenthaltstitels sind und sich voraussichtlich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten. Rechtsvorschriften, nach denen außer den in Satz 1 genannten Leistungen auch sonstige Sozialhilfe zu leisten ist oder geleistet werden soll, bleiben unberührt.

(2) Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten keine Leistungen der Sozialhilfe.

(3) Ausländer und ihre Familienangehörigen erhalten keine Leistungen nach Absatz 1 oder nach dem Vierten Kapitel, wenn

1.
sie weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch auf Grund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder
3.
sie eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen.
Satz 1 Nummer 1 und 3 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Hilfebedürftigen Ausländern, die Satz 1 unterfallen, werden bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren nur eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleistungen nach Satz 3. Hierüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach Absatz 3a sind die Leistungsberechtigten zu unterrichten. Die Überbrückungsleistungen umfassen:
1.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege,
2.
Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe nach § 35 und § 35a, einschließlich der Bedarfe nach § 30 Absatz 7,
3.
die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen und
4.
Leistungen nach § 50 Nummer 1 bis 3.
Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden Leistungsberechtigten nach Satz 3 zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist. Abweichend von Satz 1 Nummer 2 erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 und 2, wenn sie sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 7 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des tatsächlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Ausländerrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(3a) Neben den Überbrückungsleistungen werden auf Antrag auch die angemessenen Kosten der Rückreise übernommen. Satz 1 gilt entsprechend, soweit die Personen allein durch die angemessenen Kosten der Rückreise die in Absatz 3 Satz 5 Nummer 1 und 2 genannten Bedarfe nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe Dritter decken können. Die Leistung ist als Darlehen zu erbringen.

(4) Ausländer, denen Sozialhilfe geleistet wird, sind auf für sie zutreffende Rückführungs- und Weiterwanderungsprogramme hinzuweisen; in geeigneten Fällen ist auf eine Inanspruchnahme solcher Programme hinzuwirken.

(5) Hält sich ein Ausländer entgegen einer räumlichen Beschränkung im Bundesgebiet auf oder wählt er seinen Wohnsitz entgegen einer Wohnsitzauflage oder einer Wohnsitzregelung nach § 12a des Aufenthaltsgesetzes im Bundesgebiet, darf der für den Aufenthaltsort örtlich zuständige Träger nur die nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Leistung erbringen. Unabweisbar geboten ist regelmäßig nur eine Reisebeihilfe zur Deckung des Bedarfs für die Reise zu dem Wohnort, an dem ein Ausländer seinen Wohnsitz zu nehmen hat. In den Fällen des § 12a Absatz 1 und 4 des Aufenthaltsgesetzes ist regelmäßig eine Reisebeihilfe zu dem Ort im Bundesgebiet zu gewähren, an dem der Ausländer die Wohnsitznahme begehrt und an dem seine Wohnsitznahme zulässig ist. Der örtlich zuständige Träger am Aufenthaltsort informiert den bislang örtlich zuständigen Träger darüber, ob Leistungen nach Satz 1 bewilligt worden sind. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Ausländer, die eine räumlich nicht beschränkte Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 23a, 24 Absatz 1 oder § 25 Absatz 4 oder 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, wenn sie sich außerhalb des Landes aufhalten, in dem der Aufenthaltstitel erstmals erteilt worden ist. Satz 5 findet keine Anwendung, wenn der Wechsel in ein anderes Land zur Wahrnehmung der Rechte zum Schutz der Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes oder aus vergleichbar wichtigen Gründen gerechtfertigt ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 1.2.2013.

2

Der 1955 geborene erwerbsfähige Kläger, griechischer Staatsangehöriger, lebt seit 17.10.2011 ohne weitere Familienangehörige wieder in Deutschland und war bei der Firma C. T. in S. als Lagerist/Fahrer sozialversicherungspflichtig vom 20.12.2011 bis 17.2.2012 beschäftigt. Der Beklagte erbrachte dem Kläger zunächst vom 1.8.2012 bis 31.1.2013 SGB II-Leistungen (Bescheid vom 31.8.2012), lehnte die weitere Bewilligung auf den Antrag des einkommens- und vermögenslosen Klägers vom 17.1.2013 jedoch mit der Begründung ab, dass dieser ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche habe und damit der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eingreife(Bescheid vom 21.1.2013; Widerspruchsbescheid vom 18.2.2013).

3

Das SG hat den Beklagten verurteilt, "dem Kläger über den 31.01.2013 hinaus weiterhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren" (Gerichtsbescheid vom 19.6.2013). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, "dass der Senat über den noch offenen Bescheid vom 21. Januar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Februar 2013 erstinstanzlich entscheidet". Sodann hat das LSG den Bescheid des Beklagten vom 21.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2013 aufgehoben und den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben, "soweit das Sozialgericht dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über den 31. Juli 2013 hinaus zugesprochen hat". Im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 20.9.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ua ausgeführt, auf den Kläger, der "zu den leistungsberechtigten Personen nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II" gehöre, finde der Ausschluss von der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II keine Anwendung, obgleich er sich nicht (mehr) auf den Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU berufen könne. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II kollidiere mit der VO (EG) 883/2004, weil das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 VO (EG) 883/2004 eine Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ausschließe. Auf die Berufung des Beklagten sei der Gerichtsbescheid des SG aufzuheben, soweit dieses SGB II-Leistungen unbefristet über den 31.7.2013 hinaus zugesprochen habe. Nach § 41 Abs 1 S 4 SGB II könnten SGB II-Leistungen - von besonderen, hier weder ersichtlichen noch geltend gemachten Ausnahmefällen abgesehen - jeweils nur für sechs Monate bewilligt werden. Der bereits erstinstanzlich angefochtene Ablehnungsbescheid vom 21.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2013 werde aufgehoben. Mit Einverständnis der Beteiligten habe der Senat über "diesen verbliebenen Prozessrest" im Berufungsverfahren entschieden.

4

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom LSG zugelassenen Revision. Er macht geltend, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II kollidiere nicht mit der VO (EG) 883/2004. Das Europäische Fürsorgeabkommen vom 11.12.1953 (EFA) sei nach Erklärung des Vorbehalts bezüglich der Leistungen nach dem SGB II durch die Regierung der Bundesrepublik Deutschland am 19.12.2011 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anspruchsbegründend.

5

Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 19. Juni 2013 und das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

7

Er macht geltend, bei den geltend gemachten SGB II-Ansprüchen handele es sich nicht um Sozialhilfeleistungen, sondern nach deren Zielsetzung um Hilfen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, weshalb Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG nicht eröffnet sei.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Die bisherigen Feststellungen des LSG lassen keine Entscheidung darüber zu, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 weiterhin einen Anspruch auf SGB II-Leistungen hatte.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG vom 20.9.2013, der Gerichtsbescheid des SG Frankfurt am Main vom 19.6.2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 21.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2013, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 zu erbringen. Insofern ist dem Tenor des angefochtenen Urteils, der unter Heranziehung der Entscheidungsgründe auszulegen ist (BSG Urteil vom 8.2.2007 - B 9b SO 5/05 R - juris RdNr 14), zu entnehmen, dass das Berufungsgericht den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen hat, soweit das SG SGB II-Leistungen auch für die Zeit ab 1.7.2013 zugesprochen hat. Zwar kann sich, sofern ein Träger der Grundsicherung SGB II-Leistungen gänzlich ablehnt, der streitige Zeitraum - je nach Klageantrag - bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht erstrecken (BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 30 RdNr 13: stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30). Der Kläger hat sich jedoch nicht im Wege einer Revision gegen die nach dem Tenor der Entscheidung ausdrückliche, seinen geltend gemachten Anspruch (möglicherweise) begrenzende Entscheidung des Berufungsgerichts gewandt. Im Übrigen verfolgt der Kläger sein Begehren in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG).

10

Mit ausdrücklicher Zustimmung der Beteiligten hat das LSG auch über den bei sachgerechter Auslegung des Klagebegehrens (§ 123 SGG) bereits erstinstanzlich sinngemäß gestellten Antrag auf Aufhebung des die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnenden Bescheids vom 21.1.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2013 entschieden. Den Gründen des Gerichtsbescheids vom 19.6.2013 kann allerdings nicht entnommen werden, dass sich das erstinstanzliche Gericht der Notwendigkeit einer Entscheidung über die Aufhebung des Ablehnungsbescheids bewusst war. Das LSG konnte aber auch ohne Urteilsergänzungsverfahren nach § 140 SGG mit Zustimmung der Beteiligten über diesen noch nicht durch erstinstanzliches Urteil beschiedenen "Prozessrest" durch "Heraufholen" in die nächste Instanz entscheiden(vgl zB BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - SozR 4-2600 § 249b Nr 1 RdNr 16).

11

2. a) Trotz der knappen Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 dem Grunde nach die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllte; insbesondere war auch ein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II) zu bejahen (vgl zum gewöhnlichen Aufenthalt Urteil des Senats vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 17 ff). Zwar kommt dem vom LSG im Zusammenhang mit der Bejahung eines gewöhnlichen Aufenthalts gewürdigten Umstand, dass die dem Kläger im August 2012 erteilte Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs 1 FreizügG/EU(entfallen durch das mit Wirkung zum 29.1.2013 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013 ) "nicht nachträglich eingeschränkt worden" sei, keine ausschlaggebende Bedeutung zu (BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 20). Das Berufungsgericht hat aber auch festgestellt, dass der Kläger "laut Meldebestätigung" seit dem 17.10.2011 wieder in Deutschland lebe, sodass nach den tatsächlichen Umständen der Zeitdauer eines den Feststellungen des LSG zu entnehmenden durchgehenden Aufenthalts, einer vorangegangenen - wenngleich kurzen - Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet und der Anmietung einer Wohnung im Bundesgebiet ein gewöhnlicher Aufenthalt für den streitigen Zeitraum zu bejahen ist (vgl auch zum gewöhnlichen Aufenthalt nach der Kollisionsnorm des Art 11 Abs 3 Buchst e VO (EG) 883/2004 die in Art 11 Abs 1 VO (EG) 987/2009 aufgeführten Kriterien).

12

b) Der Senat kann aber nicht abschließend darüber befinden, ob der Kläger dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 SGB II unterfällt. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II kommt wegen des durchgehenden Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet seit Oktober 2011 von vornherein nicht in Betracht.

13

Es fehlen aber ausreichende Feststellungen zu den Voraussetzungen der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Diese sind hier auch deshalb erforderlich, weil sich der Kläger - bezogen auf die SGB II-Leistungen - nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19.12.2011 nicht mehr auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann (vgl hierzu Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 18 ff). Nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG erfordert die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine Prüfung des Grundes bzw der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht nach den - im Wege eines Günstigkeitsvergleichs - anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes(§ 11 Abs 1 S 11 FreizügG/EU; vgl hierzu BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34 RdNr 31 ff mwN). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein mögliches anderes (im Falle des § 11 Abs 1 S 11 FreizügG/EU im Ermessenswege zu erteilendes) bzw bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II(BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 31 ff; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 17 ff) bzw lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen (BSG Urteil vom 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 20 f).

14

Über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus sind diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auszunehmen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder kein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG in Deutschland verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU berufen können(vgl ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 19 ff). Diese Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist nach den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Dano(Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 - NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 35). Nach der Entscheidung in der Rechtssache Alimanovic ist weiter als geklärt anzusehen, dass der in Ausfüllung von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG in § 7 Abs 1 S 2 SGB II normierte, ausnahmslose Ausschluss von SGB II-Leistungen auch bereits im Bundesgebiet beschäftigt gewesene Unionsbürger erfasst, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben. Haben diese - wie hier der Kläger - nach Ablauf der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbstätigeneigenschaft für den Zeitraum von sechs Monaten erneut ein Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche, steht der spätere Ausschluss von SGB II-Leistungen (vgl Frage 2 des Vorlagebeschlusses des Senats vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R) ohne eine individuelle Prüfung der Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts der erneut Arbeitsuchenden im Bundesgebiet sowie anderer Umstände nach dieser Entscheidung des EuGH im Einklang mit Art 4 der VO (EG) 883/2004 und Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG (EuGH Urteil vom 15.9.2015 - Rs C-67/14 - SGb 2015, 638 ff).

15

c) Die demnach erforderliche Prüfung der bei dem Kläger - ggf neben einem im streitigen Zeitraum noch vorhandenen Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche (vgl zu den Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche: BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 29 ff mwN; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 16 ff mwN) - möglichen anderen materiellen Aufenthaltsrechte hat das LSG nicht durchgeführt. Ausgehend von seinem Rechtsstandpunkt hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Kläger sich nicht mehr auf ein (fortwirkendes) Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 FreizügG/EU berufen könne. Zwar trifft dies zu, weil die Erwerbstätigeneigenschaft des Klägers nach § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU iVm Art 7 Abs 3 Buchst c) RL 2004/38/EG für die Zeit ab 1.2.2013 nicht mehr aufrechterhalten geblieben ist (vgl EuGH Urteil vom 4.6.2009 - Rs C-22/0 und /C-23/08 - Slg 2009, I-4585 = SozR 4-6035 Art 39 Nr 5 RdNr 31; EuGH Urteil vom 15.9.2015 - Rs C-67/14 - SGb 2015, 638 ff RdNr 55 f).

16

Unabhängig von einer fortbestehenden Freizügigkeitsberechtigung des Klägers als Arbeitsuchender - er hat nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Oktober 2011 für einen kurzen Zeitraum vom 20.12.2011 bis 17.2.2012 eine Beschäftigung ausgeübt und war im streitigen Zeitraum schon mehr als ein Jahr arbeitslos - ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, dass er über ein anderes Aufenthaltsrecht, etwa als selbstständig Tätiger (§ 2 Abs 1 Nr 2 FreizügG/EU) oder ein Daueraufenthaltsrecht verfügte. Ein Daueraufenthaltsrecht setzt nach § 2 Abs 2 Nr 7 FreizügG/EU iVm § 4a Abs 1 S 1 FreizügG/EU voraus, dass sich Unionsbürger seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Mit dem Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts wird auf die materiellen Freizügigkeitsvoraussetzungen abgestellt und somit unionsrechtlich vorausgesetzt, dass der Betreffende während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art 7 Abs 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat (BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 - InfAuslR 2012, 348 ff; BVerwG Urteil vom 16.7.2015 - 1 C 22/14 - juris RdNr 17).

17

Der erforderliche fünfjährige rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet war - ausgehend von einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet seit Oktober 2011 im streitigen Zeitraum des Jahres 2013 - allerdings noch nicht gegeben. Da das LSG jedoch festgestellt hat, dass der Kläger "wieder" in Deutschland lebe, könnte gleichwohl ein Daueraufenthaltsrecht unter Berücksichtigung früherer Aufenthaltszeiten bestehen. Insofern regelt § 4a Abs 6 FreizügG/EU in Konkretisierung des Begriffs des ständigen Aufenthalts in § 4a Abs 1 S 1 FreizügG/EU ua, dass der ständige Aufenthalt nicht durch Abwesenheitszeiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr berührt wird. Diese Abwesenheitszeiten werden für den Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts für unschädlich erklärt (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 4a FreizügG/EU RdNr 18; Brinkmann in Huber, AufenthG, 2010, § 4a FreizügG/EU RdNr 13).

18

3. a) Der Rechtsstreit ist demnach schon wegen der fehlenden Feststellungen des LSG zum Vorliegen der Voraussetzungen der Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II an das LSG zurückzuverweisen. Kommt es im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis, dass der Kläger von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war, wird es - nach Beiladung des Sozialhilfeträgers - über einen Anspruch des Klägers auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII entscheiden müssen (zur Notwendigkeit der Beiladung des Sozialhilfeträgers bereits bei "ernsthafter Möglichkeit" eines anderen Leistungsverpflichteten: BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 244 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 11; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - RdNr 10). Insofern ist der Senat gehindert, über den vorliegenden Rechtsstreit bindend für das LSG zu entscheiden (§ 170 Abs 5 SGG), weil anderenfalls das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) des Beizuladenden verletzt würde (BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 20/08 R - FEVS 61, 534 ff mwN).

19

Das LSG wird gleichwohl davon ausgehen können, dass der Sozialhilfeträger die nach § 18 Abs 1 SGB XII(in der seither unverändert gebliebenen Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022) für einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff SGB XII erforderliche Kenntnis von der Bedürftigkeit und den Bedarf des Klägers bereits mit seinem Antrag auf SGB II-Leistungen bei dem Beklagten vom 17.1.2013 erlangt hat (vgl Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 39 mwN). Auch steht § 21 S 1 SGB XII, der bestimmt, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten, einer Leistungsberechtigung des Klägers nicht entgegen(vgl hierzu ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 40 ff mwN).

20

b) Da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt hat, sind Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen weiterhin zu erbringen, soweit die Anwendungsvoraussetzungen nach dem EFA vorliegen. Die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII findet dann keine Anwendung auf den Kläger(vgl zum SGB II: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 23 ff; vgl zum Gleichbehandlungsanspruch: BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200 ff, 201; BVerwG Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139 ff, 142; vgl zur Anwendbarkeit des Art 1 EFA im SGB XII und zur Reichweite des erklärten Vorbehalts: Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 24 mwN).

21

Eine Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen nach Art 1 EFA erfordert allerdings einen erlaubten Aufenthalt des Staatsangehörigen aus dem Vertragsstaat im Bundesgebiet, dessen Vorliegen hier im Falle des Klägers noch zu prüfen ist. Nach Art 11 Abs a S 1 EFA gilt der Aufenthalt eines Ausländers im Gebiet eines der Vertragschließenden solange als erlaubt, als der Beteiligte im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, aufgrund welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist. Nach der historischen Konzeption des EFA kommt den im Anhang III (nach Art 19 EFA Bestandteil des Abkommens) verzeichneten Urkunden, die als Nachweis eines erlaubten Aufenthalts iS des Art 11 EFA anerkannt werden, grundsätzlich ein rechtsbegründender Charakter zu (BVerwG Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139 ff, 144; BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200 ff, 203; Bayerischer VGH Urteil vom 6.3.2001 - 12 ZE 01.425; VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 14.9.1998 - 7 S 1874/98 - ZfSH/SGB 1998, 747 ff; OVG Bremen Urteil vom 18.12.2013 - S 3 A 205/12 - juris RdNr 54; offengelassen BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 36).

22

Die im Anhang III (weiterhin) erfassten Urkunden ("Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes vom 9. Juli 1990, auf besonderem Blatt erteilt oder im Ausweis eingetragen. Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG. Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis, nachgewiesen durch eine entsprechende Bescheinigung oder durch Eintragung in Ausweis: "Ausländerbehördlich erfasst" ) geben allerdings die seit längerer Zeit nicht mehr geltende Rechtslage nach § 1 Abs 4 des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (AufenthG/EWG) in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990 (BGBl I 1354, 1379), aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das Zuwanderungsgesetz 2004 vom 30.7.2004 (BGBl I 1950), wieder. Die Bundesrepublik Deutschland hat es bisher versäumt, den Generalsekretär des Europarats über eine Änderung der nationalen Gesetzgebung zu unterrichten und mitzuteilen, welche Urkunden - nach der Umsetzung der RL 2004/38/EG durch das Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) vom 30.7.2004 (BGBl I 1950, 1986) - als Nachweis eines erlaubten Aufenthalts im Sinne des EFA anzusehen sind.

23

Bei einer derartigen Unterlassung erfolgt grundsätzlich eine Anpassung der Interpretation von völkerrechtlichen Abkommen im Sinne einer Auseinandersetzung mit der Vergleichbarkeit des jeweils im Streit stehenden Aufenthaltsstatus (vgl zB OVG Bremen Urteil vom 18.12.2013 - S 3 A 205/12 - juris RdNr 54 ff; BVerwG Urteil vom 18.5.2010 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200 ff, 204 zur Anpassung bei "redaktionellen Etikettenwechsel" ohne materielle Änderung des Aufenthaltserlaubnistatbestandes). Insofern ist der 14. Senat des BSG im Falle eines Unionsbürgers mit einem von den Vorinstanzen festgestellten Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU nF)- auch in Anknüpfung an die Praxis der Ausländerbehörden - davon ausgegangen, dass durch eine Freizügigkeitsbescheinigung ein erlaubter Aufenthalt im Sinne des EFA nachgewiesen werden könne. Dies hat er ua damit begründet, dass insoweit an die Stelle der Aufenthaltserlaubnis-EG die Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU getreten sei(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 17, 37 f).

24

Der Kläger verfügt hier lediglich über eine anlässlich eines früheren Antrags auf SGB II-Leistungen angeforderte "Aufenthaltsbescheinigung gemäß § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU" vom 29.8.2012, mit der schon mangels Aktualität der Bescheinigung ein im streitigen Leistungszeitraum rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne einer weiterhin bestehenden Freizügigkeitsberechtigung (§ 2 FreizügG/EU)nicht unterstellt werden kann. Zudem ist die vormals gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Dokumentation eines sich unmittelbar aus Unionsrecht ergebenden Aufenthaltsrechts (vgl Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 5 FreizügG/EU RdNr 9)mit der Streichung der nach alter Rechtslage unverzüglich von Amts wegen ausgestellten Bescheinigung nach § 5 Abs 1 FreizügG/EU mit Wirkung ab 29.1.2013 durch das FreizügG/EU2004uaÄndG ersatzlos entfallen. Zwar hat der Gesetzgeber zur Aufhebung des § 5 Abs 1 FreizügG/EU auf eine "Senkung des Verwaltungsaufwandes" verwiesen und zutreffend ausgeführt, dass das Freizügigkeitsrecht der Unionsbürger unmittelbar aus dem Unionsrecht "fließt"(vgl BT-Drucks 17/10746, S 11). Gleichzeitig fehlt es aber nunmehr an einer für die Sozialbehörden und die Sozialgerichtsbarkeit praktikablen Handhabe zum Nachweis eines (weiterhin) rechtmäßigen Aufenthalts von Unionsbürgern im Bundesgebiet (vgl hierzu die Hinweise des Generalanwalts Villalón - Rs C-308/14 - vom 6.10.2015, juris RdNr 80 auf die Regelungen des Art 8 RL 2004/38/EG, "die es erlauben, die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts eines Unionsbürgers, der nicht Angehöriger des Aufnahmemitgliedstaats ist, anhand einer Bescheinigung nachzuweisen, für deren Ausstellung die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats bereits geprüft haben, dass insbesondere die Voraussetzungen von Art 7 [RL 2004/38/EG] erfüllt sind"; zur Einordnung der vormaligen Freizügigkeitsbescheinigung als Beweismittel für den Unionsbürger im Rechtsverkehr vgl auch Harms in Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms/Kreuzer, ZuwG, 2. Aufl 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3).

25

Der Senat geht davon aus, dass - in Anlehnung an die vormalige Anknüpfung an § 1 Abs 4 AufenthG/EWG - eine (weiterhin bestehende) materielle Freizügigkeitsberechtigung für einen erlaubten Aufenthalt im Sinne des EFA vorausgesetzt wird(vgl auch zum Grundsatz der "souveränitätsschonenden Auslegung": BVerwG Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139 ff, 144). Fehlt eine solche im streitigen Zeitraum, wäre dem Kläger jedenfalls Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII als Ermessensleistung zu erbringen. Im Falle eines verfestigten Aufenthalts des Klägers ist das Ermessen aus Gründen der Systematik des Sozialhilferechts und der verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG in dem Sinne auf Null reduziert, dass regelmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu erbringen ist (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 53 ff).

26

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2013 insoweit aufgehoben, als er zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 11. Oktober 2010 bis 7. November 2011 verurteilt worden ist.

Insoweit wird die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20. November 2012 zurückgewiesen.

Die Beigeladene wird verurteilt, den Klägern Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 11. Oktober 2010 bis 7. November 2011 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beigeladene hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Ansonsten haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Kläger im Zeitraum vom 11.10.2010 bis 7.11.2011.

2

Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die Kläger zu 1 und 2 zogen 2008 mit ihren beiden gemeinsamen Kindern - geboren 1992 und im Februar 1995 (Kläger zu 3) - von Rumänien bzw über Belgien nach Deutschland. Sie verfügen seit November 2008 über eine Freizügigkeitsbescheinigung/EU und die Kläger zu 1 und 2 seit Ende 2011 (nach dreijährigem Aufenthalt) über eine unbefristete Arbeitsberechtigung. Der Kläger zu 1 hatte in Rumänien eine Schlosserlehre absolviert, war dann zur Armee eingezogen worden und arbeitete 1993 bis 1995 als Taxifahrer sowie anschließend als Tagelöhner in der Landwirtschaft. Ein von ihm 1992/1993 in Deutschland gestellter Asylantrag wurde abschlägig beschieden. Seine Ehefrau ging in Rumänien keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie übt seit dem 8.11.2012 eine mit 200 Euro netto monatlich geringfügig entlohnte Beschäftigung aus. Bis Ende 2010 verkauften die Kläger zu 1 und 2 die Obdachlosenzeitung "Fifty-Fifty" zu einem Abgabepreis von 1,80 Euro und einem "Einkaufspreis" von 0,90 Euro. Der Differenzbetrag von rund je 120 Euro im Monat verblieb bei ihnen. Der Kläger zu 1 hatte vom 13.10.2008 bis 29.10.2009 ein Gewerbe angemeldet ("Abbruch- und Entkernungsarbeiten, Hilfsarbeiten auf Baustellen"), das er jedoch nicht betrieb und mit dem er auch keine Einkünfte erzielte. Für die beiden Söhne erhielten die Eheleute Kindergeld in Höhe von je 184 Euro. Die Söhne besuchten in Deutschland die Schule.

3

Erstmals Ende 2009 lehnte der Beklagte die Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bindend ab. Ein erneuter Antrag der Kläger vom 11.10.2010, den sie mit der Einreise zur Arbeitsuche begründeten, wurde vom Beklagten ebenfalls abschlägig beschieden (Bescheid vom 19.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010). Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hiergegen verpflichtete das LSG den Beklagten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 17.5.2011 bis maximal zum 17.11.2011 zu erbringen. Dies führte der Beklagte durch Bescheide vom 14.6., 7.7., 26.7. und 1.8.2011 aus. Ebenso vollzog sich das Verfahren nach einem weiteren Antrag der Kläger vom 7.11.2011 (ablehnender Bescheid vom 15.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011, Ausführungsbescheide des Beklagten vom 22.6.2012 nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung des LSG für den Zeitraum vom 23.11.2011 bis 30.6.2012). Am 14.1.2013, der Höhe nach geändert durch Bescheid vom 5.2.2013, bewilligte der Beklagte den Klägern die begehrten Leistungen ab dem 1.11.2012, also seit dem Monat der Aufnahme der Beschäftigung durch die Klägerin zu 2.

4

Die gegen den Bescheid vom 19.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 erhobene Klage hat das SG durch Urteil vom 20.11.2012 unter Hinweis darauf, dass die Kläger nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen seien, abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das LSG dieses Urteil geändert und den Beklagten unter Änderung der benannten Bescheide verurteilt, den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften für den Zeitraum vom 11.10.2010 bis 7.11.2011 zu bewilligen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 SGB II greife im Falle der Kläger nicht. Sie verfügten über kein materielles Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland. Der Sohn der Kläger zu 1 und 2 (Kläger zu 3) sei im streitigen Zeitraum Schüler gewesen. Die Kläger zu 1 und 2 seien keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Das vom Kläger zu 1 angemeldete Gewerbe sei nie betrieben und es seien keine Einkünfte daraus erzielt worden. Der Verkauf der Obdachlosenzeitung stelle keine Beschäftigung dar, die zu einem Status als Arbeitnehmer geführt haben könne. Es handele sich dabei um eine untergeordnete Tätigkeit, die nicht in einem Arbeitsverhältnis verrichtet worden sei. Die Kläger zu 1 und 2 seien auch nicht arbeitsuchend gewesen, denn sie hätten allein wegen der Sprachbarrieren keine Chance auf Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt gehabt. Daher komme es auch nicht darauf an, dass die Kläger vor dem 1.10.2011 über eine unbefristete Freizügigkeitsberechtigung/EU verfügt hätten. Auf einen EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht finde der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II keine Anwendung. Dies erschließe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die auf den Aufenthaltszweck "allein zur Arbeitsuche" abstelle. Eine erweiternde Auslegung im Sinne des Erst-Recht-Schlusses komme wegen des Ausnahmecharakters des Ausschlusses nicht in Betracht. Die Vorschrift sei nicht analogiefähig. Es liege keine unbeabsichtigte Regelungslücke vor. Dass der aus dem mangelnden Aufenthaltsrecht folgende Ausweisungsgrund nicht vollzogen werde, sei kein Grund, EU-Bürger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in erweiternder Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II auszuschließen(Urteil des LSG vom 10.10.2013).

5

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und begründet sie damit, dass das Urteil des LSG § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II verletze. Die dortige Auslegung der Vorschrift führe dazu, dass ausgerechnet Personen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht oder kaum integrierbar seien, vom Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger nicht betroffen würden.

6

Er beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20. November 2012 zurückzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihnen Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII im Zeitraum vom 11. Oktober 2010 bis 7. November 2011 zu gewähren.

8

Sie halten die Ausführungen des LSG für zutreffend. Zwar sei nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Alimanovic nun klargestellt, dass der in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II formulierte Leistungsausschluss europarechtskonform sei. Dies betreffe jedoch nicht die Kläger. Bei ihnen liege es näher, einen Vergleich zu der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Dano zu ziehen, wonach wirtschaftlich nicht aktiven Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu erbringen seien. Insoweit mangele es jedoch an einer einfachgesetzlichen Regelung im deutschen Recht.

9

Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG, soweit es den Beklagten zur Leistungserbringung verurteilt hat, begründet. Die Beigeladene ist verpflichtet, die Existenzsicherung der Kläger nach den Vorschriften des SGB XII zu gewährleisten.

11

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (2.). Sie können jedoch Hilfe zum Lebensunterhalt von der Beigeladenen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII beanspruchen (3.).

12

1. Streitgegenstand ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte durch Bescheid vom 19.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2010 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum beginnt mit der Antragstellung am 11.10.2010, als dem "Türöffner" für das Verwaltungsverfahren (zuletzt BSG vom 24.4.2015 - B 4 AS 22/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 71 RdNr 17), und endet, da die Kläger ihr Begehren im zweitinstanzlichen Gerichtsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt beschränkt haben, mit der erneuten Antragstellung am 7.11.2011. Die die Entscheidungen des LSG im vorläufigen Rechtsschutz ausführenden Bescheide des Beklagten sind, wie das LSG zutreffend befunden hat, nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden(vgl BSG vom 27.6.2013 - B 10 EG 2/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 21 RdNr 20 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 96 RdNr 4b unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG).

13

Unschädlich ist auch, dass die Kläger im Berufungsverfahren, trotz der Beiladung der Stadt Gelsenkirchen, nicht zumindest hilfsweise deren Verurteilung oder Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII beantragt haben. Im Falle der - hier vom LSG vorgenommenen notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG (unechte notwendige Beiladung) - ist zumindest davon auszugehen, dass die Kläger hilfsweise die Verurteilung der Beigeladenen begehren (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 18a; weitergehend BSG vom 28.5.2015 - B 7 AY 4/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 10). Denn nach § 75 Abs 5 SGG darf der beigeladene Träger verurteilt werden, obwohl er nicht verklagt ist. Mit der Vorschrift des § 75 Abs 2 2. Alt iVm Abs 5 SGG unterstellt der Gesetzgeber, dass der Kläger zwar in erster Linie die Verurteilung des beklagten Trägers, hilfsweise jedoch auch die jedes anderen in Frage kommenden Trägers begehrt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger diese Verurteilung ausdrücklich ablehnt ( BSG vom 15.1.1959 - 4 RJ 111/57 - BSGE 9, 67, 70; BSG vom 2.11.2000 - B 11 AL 25/00 R - RdNr 25). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Bei dem im Revisionsverfahren gestellten Hilfsantrag auf Verurteilung der Beigeladenen handelt es sich aus diesen Gründen auch nicht um eine an sich im Revisionsverfahren nach § 168 S 1 SGG nicht mehr zulässige Klageänderung im Sinne der Klageerweiterung(vgl hierzu BSG vom 30.1.1985 - 2 RU 69/83 - SozR 1500 § 168 Nr 3; BSG vom 4.2.1965 - 11/1 RA 312/63 - SozR Nr 27 zu § 75 SGG; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 168 RdNr 2c und § 75 RdNr 12a).

14

Ebenso wenig wird die Zulässigkeit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage dadurch berührt, dass die Kläger bereits vorläufige Leistungen erhalten haben. Dies war zum einen nur für einen Teil des hier streitigen Zeitraums der Fall (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 30 RdNr 12 zur Unzulässigkeit bei dem Ausscheiden jeglichen Zahlungsanspruchs). Zum anderen hat sich der Rechtsstreit nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch nicht teilweise dadurch erledigt, dass für den Fall der nunmehr beantragten hilfsweisen Verurteilung der Beigeladenen die Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers bereits (teilweise) als erfüllt iS des § 107 Abs 1 SGB X gilt(BSG vom 8.8.1990 - 11 RAr 79/88 - SozR 3-1300 § 104 Nr 3 S 4 f; BSG vom 9.9.1993 - 7/9b RAr 28/92 - BSGE 73, 83, 84 f = SozR 3-4100 § 58 Nr 5 S 11; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 30 RdNr 12).

15

2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten. Sie sind unabhängig von der bestehenden Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II, ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II; vgl zum Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34 RdNr 17 ff)und der Erfüllung der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II im streitigen Zeitraum zumindest durch die Kläger zu 1 und 2 sowie deren Erwerbsfähigkeit(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II - auch nach § 8 Abs 2 SGB II, weil ihnen als Rumänen trotz seinerzeit nur eingeschränkter Arbeitnehmerfreizügigkeit als EU-Ausländern die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können, vgl BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 14 ff)von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II(idF vom 28.8.2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008) ausgeschlossen. Danach sind von den benannten Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt und ihre Familienangehörigen.

16

a) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II unterfallen die Kläger nicht einer Ausnahme von der Leistungsberechtigung nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Sie haben sich im streitigen Zeitraum vom 11.10.2010 bis 7.11.2011 bereits mehr als drei Monate in Deutschland aufgehalten, denn sie sind im Herbst des Jahres 2008 eingereist. Ihr Aufenthaltsrecht ergibt sich auch nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche. So sind die Kläger zu 1 und 2 zwar zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Für den hier streitigen Zeitraum folgt hieraus jedoch kein materielles Aufenthaltsrecht mehr. Sie waren nicht mehr arbeitsuchend iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.

17

Der Begriff der "Arbeitsuche" ist im vorliegenden Kontext freizügigkeitsrechtlich geprägt. Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - anders als in § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II - zwar nicht ausdrücklich Bezug auf die Regelungen des FreizügG/EU genommen. Aus der Verknüpfung mit dem "Aufenthaltsrecht" folgt jedoch bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass die dortigen Regelungen sowie die der RL 2004/38/EG zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Arbeitsuche" heranzuziehen sind. Dies wird durch den Gesetzentwurf zur Änderung des S 2 des § 7 Abs 1 SGB II(BT-Drucks 16/5065 S 234; Änderung des SGB II zum 28.8.2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008) bestätigt. Danach sollten mit den Neuregelungen in § 7 Abs 1 S 2 SGB II die Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/EG im Leistungsrecht umgesetzt und insbesondere von der Möglichkeit des Leistungsausschlusses nach Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht werden. Diese Norm regelt, dass vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Unionsbürger abgewichen werden kann, wenn die betreffende Person weder Arbeitnehmer, noch Selbstständiger oder deren Familienangehöriger ist und sie diesen Status nicht erhalten konnte (vgl hierzu Art 7 Abs 3 Buchst b und c RL 2004/38/EG). Sofern sie als Arbeitsuchende in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates eingereist ist, sieht die Richtlinie durch Art 14 Abs 4 Buchst b RL 2004/38/EG solange eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts als Arbeitsuchende vor, solange sie nachweisen kann, dass sie weiterhin Arbeit sucht und sie eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Diese Regelung hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich (mW ab dem 9.12.2014, BGBl I 1922) ins FreizügG/EU übernommen. In dessen § 2 Abs 2 S 1 Nr 1a FreizügG/EU ist nunmehr geregelt, dass freizügigkeitsberechtigt Unionsbürger sind, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Der dies tragende Grundgedanke der Aussicht auf Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist jedoch wegen der Gründung des Normtextes des § 7 Abs 1 S 2 SGB II auf der RL 2004/38/EG auch bereits im streitigen Zeitraum zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Arbeitsuche heranzuziehen.

18

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Annahme des LSG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Freizügigkeitsberechtigung der Kläger zu 1 und 2 im streitigen Zeitraum nicht mehr allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Auf Grundlage der Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung sowie beigezogener Auskünfte und Beratungsvermerke der BA ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass sie im streitigen Zeitraum keine realistische Chance auf Erlangung eines Arbeitsplatzes hatten. Die Kläger zu 1 und 2 verfügten nicht über eine verwertbare berufliche Qualifikation oder Ausbildung, nennenswerte Berufserfahrung und deutsche Sprachkenntnisse. Diese fehlenden Kenntnisse stellten ein erhebliches Hindernis bei der Arbeitsuche dar. Zudem war zu berücksichtigen, dass ihre Berechtigung, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, im streitigen Zeitraum zusätzlich noch durch das Erfordernis einer Arbeitsgenehmigung-EU iS des § 284 SGB III(in den hier einschlägigen Fassungen vom 7.12.2006 BGBl I 2814 und vom 20.12.2011 mWv 1.5.2011 BGBl I 2854) iVm der Arbeitserlaubnis-EU nach § 39 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst b AufenthG(in den hier einschlägigen Fassungen vom 25.2.2008, BGBl I 162 und 20.12.2011, mWv 1.5.2011 BGBl I 2854, 2921) - für Unionsbürger aus Rumänien in der ersten Beitrittszeit - beschränkt war. Danach brauchte die BA der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nur zuzustimmen, wenn für die Beschäftigung deutsche Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt waren, oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatten, nicht zur Verfügung standen. Die begründete Aussicht, dass diese beim Fehlen jeglicher Qualifikation der Arbeitsuchenden, wie vorliegend, zur Verfügung stehen, hat das LSG ohne Rechtsfehler negiert. Da die Kläger sich zu Beginn des hier streitigen Zeitraums zudem bereits mehr als zwei Jahre in Deutschland aufgehalten hatten, ohne eine Erwerbstätigkeit ausgeübt zu haben, unterliegt der vom LSG weiter gezogene Schluss der objektiv nicht bestehenden Aussicht der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit keinen durchgreifenden Zweifeln (vgl zum zeitlichen Umfang der materiellen Freizügigkeitsberechtigung der Arbeitsuche: EuGH Rs Antonissen vom 26.2.1991 - C-292/89 RdNr 21; s auch Devetzi, EuR 2014, 638, 642; Lehmann, ZAR 2015, 212, 215; Thym, NJW 2015, 130, 133).

19

b) Die Kläger waren jedoch, auch wenn sie nicht den ausdrücklich normierten Ausnahmen des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II unterfallen, gleichwohl von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Denn sie verfügten über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht. Damit unterfielen sie "erst-recht" dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 SGB II. Die Vorschrift ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU berufen können.

20

Der "Erst-Recht-Schluss" ist eine Untergruppe oder ein Spezialfall des Analogieschlusses. Die analoge Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften ist eine anerkannte Methode der richterlichen Rechtsfortbildung und verfassungsrechtlich unter Beachtung der Schranken des Art 20 Abs 3 GG zulässig. Denn hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, darf der Richter diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung ersetzen, die so im Parlament nicht erreichbar war (BVerfG vom 3.4.1990 - 1 BvR 1186/89 - BVerfGE 82, 6, 11). Daher setzt der Analogieschluss voraus, dass das Gesetz - hier im Hinblick auf eine bestimmte Personengruppe - lückenhaft, also angesichts der erkennbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers "planwidrig" unvollständig ist (vgl dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 373, 375; s nur BSG vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2 RdNr 31 mwN). Es muss an der nach dem Regelungsplan des Gesetzes zu erwartenden Regel mangeln (BVerwG vom 11.9.2008 - 2 B 43/08 - Buchholz 237.7 § 23 NWLBG Nr 1 mwN). Dem "Erst-Recht-Schluss" selbst liegt dabei die Erwägung zugrunde, die analoge Anwendung sei immer dann gerechtfertigt, wenn die rechtspolitischen Gründe (Normzwecke) einer Vorschrift bei einem nicht geregelten Lebenssachverhalt noch stärker gegeben sind als bei dem geregelten Normtatbestand (vgl nur Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 8. Aufl 2015, RdNr 898). Dies ist hier im Hinblick auf Unionsbürger oder Ausländer, die über keine Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, der Fall, wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung, ihrem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der benannten Vorschrift erschließt (vgl zur Feststellung des Regelungsplans des Gesetzgebers bei einer Unvollständigkeit des Gesetzes, Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl 1991, S 373).

21

(aa) Nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der ab dem 1.1.2005 geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II (vom 30.7.2004, BGBl I 2014) waren Ausländer unter den Voraussetzungen des § 8 Abs 2 SGB II leistungsberechtigt. Ein Ausschluss oder eine Beschränkung der Leistungsberechtigung für Unionsbürger waren mithin nicht vorgesehen. Mit der Neufassung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des 2. Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (vom 24.3.2006, BGBl I 558) ergänzt durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (vom 19.8.2007, BGBl I 2008) erfolgte dann ein grundlegender Paradigmenwechsel. Es sollte von der Option des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht werden (BT-Drucks 16/5065 S 234). Für Unionsbürger, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch machen, sollte eine weitere leistungsrechtliche Hürde geschaffen werden, sofern sie wegen des vorbehaltlosen Aufenthalts in den ersten drei Monaten oder allein zum Zweck der Arbeitsuche freizügigkeitsberechtigt sind (BT-Drucks 16/5065 S 234; BT-Drucks 16/688 S 13). Leistungsberechtigt sollten sie nur sein, wenn sie über eine von § 7 Abs 1 S 2 SGB II nicht erfasste Freizügigkeitsberechtigung oder ein sonstiges Aufenthaltsrecht verfügen. Hieraus folgt umgekehrt, dass nicht freizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigte Unionsbürger nach dem gesetzgeberischen Plan von vornherein nicht leistungsberechtigt sein sollten.

22

(bb) Dies entspricht auch der Binnensystematik und der Verknüpfung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II mit dem im Gesetzentwurf unter Bezug genommenen Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG. Danach ist der Aufnahmemitgliedstaat - unter Hintanstellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art 14 Abs 4 Buchst b RL 2004/38/EG (Zeitraum der Arbeitsuche, s unter 2.a) einen Anspruch auf Sozialhilfe (…) zu gewähren. Das Gleichbehandlungsgebot, also auch die Verpflichtung zur Gleichbehandlung bei der Gewährung existenzsichernder Leistungen, gilt mithin umgekehrt grundsätzlich nur dann, wenn eine Freizügigkeitsberechtigung des Unionsbürgers im Sinne der Richtlinie gegeben ist. Zugleich wird im Hinblick auf den Aufenthalt in den ersten drei Monaten und zur Arbeitsuche durch den Hinweis auf Art 14 Abs 4 Buchst b RL 2004/38/EG eine Ausnahme normiert. Mit der Einfügung der Nr 1 und 2 in den S 2 des § 7 Abs 1 SGB II sollte demnach von den unionsrechtlich eröffneten Ausschlussgründen auch bei Bestehen einer Freizügigkeitsberechtigung Gebrauch gemacht werden. Hierin fügt sich die Systematik der Rückausnahmen in § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II für freizügigkeitsberechtigte Arbeitnehmer und Selbstständige sowie ihre Familienangehörigen ein. Dementsprechend haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG im Hinblick auf Nr 2 des § 7 Abs 1 S 2 SGB II bisher schon unter Bezug auf § 11 FreizügG/EU (Regelung der Anwendung des AufenthG) angenommen, dass in Fällen, in denen ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG - auch neben dem zum Zwecke der Arbeitsuche - besteht, etwa aus anderen familiären Gründen, der Ausschluss ebenfalls nicht eingreift(BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 30 ff; BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 28, RdNr 20 ff).

23

Dass der Gesetzgeber es planwidrig unterlassen hat, auch die nicht freizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigten Ausländer ausdrücklich von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auszuschließen, belegt auch die nachfolgende Kontrollüberlegung zu dem System der Eingliederungsleistungen im SGB II. Nach der Grundkonzeption des SGB II ist es Ziel dieser Leistungen, dass leistungsberechtigte Personen ohne eine Erwerbstätigkeit bei der Aufnahme einer solchen unterstützt werden, also Arbeit zu finden und, wenn sie bisher erfolglos Arbeit gesucht haben, dies mit einer Unterstützung durch Eingliederungsleistungen erfolgreich zu tun. Wenn ein EU-Ausländer aber Leistungen nach §§ 16 ff SGB II für eine erfolgreiche Arbeitsuche erhält, liegen die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II (wieder) vor. Dass ein solcher Zirkelschluss vom Gesetzgeber gewollt war, kann nicht angenommen werden. Es ist daher vielmehr davon auszugehen, dass es seinem Plan entsprach, in den Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 SGB II auch die Ausländer einzubeziehen, die keine oder objektiv ohne Erfolgsaussichten Arbeit suchen.

24

(cc) Auch wäre es sinnwidrig und würde der sozialpolitischen Zweckrichtung der Regelung widersprechen, hätten gerade nicht materiell freizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigte Ausländer einen Rechtsanspruch auf diese Leistungen, weil sie nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nicht von Leistungen ausgeschlossen sind. Sie sind vielmehr, weil ihre Leistungsberechtigung im eigentlichen Sinne nicht gewollt war, "erst-recht" von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen. Mit der Ausschlussregelung sollte ein Zuzug von Ausländern in den SGB II-Leistungsbezug verhindert werden, soweit keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit Inländern besteht (vgl BT-Drucks 16/5065 S 234). Nur wer als Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt ist - über das Aufenthaltsrecht in den ersten drei Monaten und zur Arbeitsuche hinaus - sollte daher einen Anspruch auf existenzsichernde Leistungen aus dem SGB II erhalten, etwa aufstockend neben der Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger, während der nachgehenden Statuserhaltung oder als deren Familienangehörige. Nach Ablauf der ersten drei Monate des Aufenthalts sei, so die Begründung im Gesetzentwurf, das weitere Aufenthaltsrecht vom Aufenthaltszweck abhängig und damit auch die Leistungsberechtigung nach dem SGB II. So sollte sichergestellt werden, dass durch die Neuregelung im Freizügigkeitsgesetz/EU - die RL 2004/38/EG umsetzend - keine Regelungslücke entsteht (vgl BT-Drucks 16/5065 S 234). Die materielle Freizügigkeits- oder Aufenthaltsberechtigung kann damit nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Ausschlussregelung ihren Sinn verlöre.

25

c) Die Kläger konnten sich nicht auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung berufen.

26

(aa) Die Kläger waren nicht als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt. Der Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist, wie die Wortverbindung in dessen Nr 1 zum FreizügG/EU bereits zeigt, ebenfalls europarechtlich geprägt; durch dieses Gesetz wird die, die Freizügigkeitsrechte der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen innerhalb der Union regelnde RL 2004/38/EG - auf Grundlage der Europäischen Verträge - in das nationale Recht umgesetzt (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, Vorbemerkung 0.1.2 zum Freizügigkeitsgesetz/EU). Eine kodifizierte Definition des Arbeitnehmerbegriffs findet sich im Europarecht zwar nicht. Es ist daher auf die Ausprägung dessen zurückzugreifen, die er auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH erfahren hat. Die Arbeitnehmereigenschaft wird danach bei der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als gegeben angesehen, was gestützt auf objektive Kriterien und in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen, festzustellen ist (EuGH Rs Ninni-Orasche vom 6.11.2003 - C-413/01 RdNr 24; EuGH vom 21.2.2013 - C-46/12 RdNr 39 ff; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 2 FreizügG/EU RdNr 37; Tewocht in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand XI/2015, § 2 FreizügG/EU RdNr 18 ff). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH Rs Genc vom 4.2.2010 - C-14/09 RdNr 27). Dies bedeutet, dass eine Integration in den Betrieb des Arbeitgebers gegeben sein muss, bei der die betreffende Person unter der Weisung oder Aufsicht eines Dritten steht, der die zu erbringenden Leistungen und/oder die Arbeitszeiten vorschreibt und dessen Anordnungen durch den Arbeitnehmer zu befolgen sind (vgl Hoffmann in Hofmann/Hoffmann, HK-AuslR, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG/EU RdNr 8). Unter Anwendung dieses Maßstabs und auf Grundlage seiner Feststellungen hat das LSG vorliegend die Arbeitnehmereigenschaft der Kläger zu 1 und 2 zutreffend verneint.

27

Die Kläger zu 1 und 2 haben die Obdachlosenzeitung "Fifty-Fifty" verkauft. Das LSG hat festgestellt, dass damit ein wirtschaftlicher Güteraustausch nicht verbunden gewesen sei, jedenfalls sei dies nicht der prägende Hauptzweck der Tätigkeit gewesen. Vielmehr habe es sich um eine dem Betteln gleichgestellte Tätigkeit gehandelt, die - nach einem Hinweis in dieser Zeitung - unter genehmigungsfreiem Gemeingebrauch des öffentlichen Straßenraumes erfolgte. Die Kläger zu 1 und 2 unterlagen auch nicht den Weisungen der karitativen Organisationen, die diese Zeitung herausgeben. Sie "kauften" die Zeitschriften bei den Herausgebern zum Zwecke des Straßenverkaufs und konnten - ohne weitere Weisungen zu deren Vertrieb - den Differenzbetrag zum Verkaufspreis zur eigenen Verfügung behalten.

28

(bb) Eine selbstständige Erwerbstätigkeit ist - ebenfalls unter Berücksichtigung der europarechtlichen Implikationen - jede Art der wirtschaftlichen Tätigkeit, die in eigener Verantwortung und weisungsfrei erfolgt (Tewocht in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand XI/2015, § 2 FreizügG/EU RdNr 32). Eine Gewinnerzielungsabsicht muss nicht vorrangiges oder einziges Ziel sein, sie muss aber vorhanden sein. Rein karitative Tätigkeiten fallen nicht hierunter; die Tätigkeit muss daher erwerbsorientiert sein, wobei alle Tätigkeiten erfasst werden, sofern sie mit einer entgeltlichen Gegenleistung verbunden sind und eine Teilnahme am Wirtschaftsleben darstellen (EuGH Rs Sodemare vom 17.6.1997 - C-70/95 RdNr 25; vgl auch Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 2 FreizügG/EU RdNr 78; Müller-Graff in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 49 AEUV RdNr 13). Der Selbstständige, der sich auf das Freizügigkeitsrecht der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art 49 ff AEUV berufen kann, muss auch tatsächlich eine wirtschaftliche Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit ausüben (EuGH Rs Factortame vom 25.7.1991 - C-221/89 RdNr 34; Tewocht in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition, Stand XI/2015, § 2 FreizügG/EU RdNr 33)und damit wirtschaftlich in einen anderen Mitgliedstaat integriert sein (Brinkmann in Huber, AufenthG, 1. Aufl 2010, § 2 FreizügG/EU RdNr 29).

29

Diese Voraussetzungen sind nach den zuvor dargelegten Bedingungen, unter denen die Kläger zu 1 und 2 dem Verkauf der Obdachlosenzeitung nachgegangen sind, nicht gegeben. Aber auch mit dem von dem Kläger zu 1 angemeldeten Gewerbebetrieb: "Abbruch- und Entkernungsarbeiten, Hilfsarbeiten auf Baustellen" erfüllte er nicht die Voraussetzungen um den Status als niedergelassener selbstständiger Erwerbstätiger erlangt zu haben. Er hat ausweislich der Feststellungen des LSG erklärt, das Gewerbe nie betrieben und auch keinen Gewinn erzielt zu haben. Abgesehen davon, dass er allein mit der Anmeldung des Gewerbebetriebes nicht am wirtschaftlichen Leben teilgenommen hat, war diese offensichtlich unter Zugrundelegung der getroffenen Feststellungen nicht erwerbsorientiert.

30

(cc) Damit entfällt zugleich der nachgehende Schutz als Arbeitnehmer oder Selbstständiger iS des § 2 Abs 3 FreizügG/EU für die Kläger zu 1 und 2. Danach bleibt für Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätige die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 1 FreizügG/EU unberührt ua bei(2.) unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbstständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbstständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit (S 1). Bei weniger als einem Jahr Beschäftigung gilt dies auch, jedoch nur während der Dauer von sechs Monaten nach der Beendigung der Tätigkeit (S 2). Ebenso wenig haben folglich die Familienangehörigen eine vom Status als Arbeitnehmer oder Selbstständiger abgeleitete Freizügigkeitsberechtigung iS des § 2 FreizügG/EU innegehabt.

31

(dd) Die Kläger waren auch nicht als nichterwerbstätige Unionsbürger iS des § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Danach haben nicht erwerbstätige Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und ihre Lebenspartner, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, das Recht nach § 2 Abs 1 FreizügG/EU, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Zwar hat das LSG keine Feststellungen zum Krankenversicherungsschutz der Kläger getroffen. Dass sie nicht über ausreichende Existenzmittel verfügten, zeigt sich jedoch bereits daran, dass sie hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II waren(vgl zum Maßstab der "nicht ausreichenden Existenzmittel": Thym, NJW 2015, 130, 132).

32

(ee) Anhaltspunkte für ein anderes Aufenthaltsrecht im Sinne des AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich oder vorgebracht (vgl zum Vorliegen eines anderen Aufenthaltsrechts nur: BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 30 ff; BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 28, RdNr 20 ff).

33

(ff) Der fehlenden materiellen Freizügigkeitsberechtigung steht auch nicht entgegen, dass die Kläger zu 1 und 2 nach den bindenden Feststellungen des LSG im Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung/EU nach § 5 Abs 1 FreizügG/EU idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union(vom 19.8.2007, BGBl I 1970) waren. Das Ausstellen einer solchen Bescheinigung, die mit Wirkung zum 29.1.2013 im Übrigen abgeschafft worden ist (Streichung des § 5 Abs 1 FreizügG/EU in der vorbenannten Fassung durch das Gesetz zur Änderung des FreizügG/EU und weiterer aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013, BGBl I 86), lässt keine Rückschlüsse auf das Bestehen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung zu.

34

Ihre Ausstellung hatte allein deklaratorische Bedeutung (BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 20; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 5 FreizügG/EU RdNr 4; noch offengelassen BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 13; s jedoch BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17). Auch solange § 5 Abs 1 FreizügG/EU idF vom 19.8.2007 noch in Kraft war, erfolgte die Prüfung der Freizügigkeitsberechtigung nach den Kriterien des § 2 FreizügG/EU. Das Freizügigkeitsrecht wurde und wird originär durch den EG-Vertrag/EUV/AEUV und seine Durchführungsbestimmungen begründet und nicht durch die Ausstellung der Aufenthaltskarte (EuGH Rs Dias vom 21.7.2011 - C-325/09 - RdNr 48; s auch VG Augsburg vom 5.6.2008 - Au 1 S 08.450 - juris-RdNr 35, 36). So war umgekehrt in der Vergangenheit die Ausstellung der Bescheinigung über das Freizügigkeitsrecht keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Unionsbürgers im Bundesgebiet. Aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt desjenigen Unionsbürgers, der schon bei seiner Einreise ins Bundesgebiet keinen Freizügigkeitstatbestand erfüllt hat, solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat. Erst die ausländerbehördliche Nichtbestehens- bzw Verlustfeststellung führt zur sofortigen Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 FreizügG/EU. Bis dahin darf sich ein Unionsbürger unabhängig vom Vorliegen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung im Bundesgebiet aufhalten, ohne ausreisepflichtig zu sein(vgl BT-Drucks 16/5065 S 211 zu Art 2 Nr 8 Buchst a Doppelbuchst aa).

35

(d) Diese Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II ist auch europarechtskonform. Der EuGH hat sowohl in der Rechtssache Dano (vom 11.11.2014 - C-333/13) als auch in der Rechtssache Alimanovic (vom 15.9.2015 - C-67/14) in den hier gegebenen Fallkonstellationen die Zulässigkeit der Verknüpfung des Ausschlusses von Unionsbürgern anderer Mitgliedstaaten von existenzsichernden Leistungen mit dem Bestehen eines Aufenthaltsrechts im Sinne der RL 2004/38/EG ausdrücklich anerkannt. Nach seiner Rechtsprechung sind Art 24 Abs 1 der RL 2004/38/EG iVm ihrem Art 7 Abs 1 Buchst b und Art 4 VO 883/2004/EG dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art 70 Abs 2 VO 883/2004/EG ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Rs Dano vom 11.11.2014 - C-333/13 RdNr 84). In der Rechtssache Alimanovic hat der EuGH insoweit betont, dass Unionsbürger anderer EU-Staaten, die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, vom deutschen Gesetzgeber vom Bezug von Alg II oder Sozialgeld ausgeschlossen werden können, selbst wenn diese Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne des Art 70 VO 883/2004/EG eingeordnet werden (EuGH Rs Alimanovic vom 15.9.2015 - C-67/14 RdNr 63). Beim Alg II und Sozialgeld handele es sich um Leistungen der "Sozialhilfe" im Sinne des Art 24 Abs 2 der RL 2004/38/EG. Danach haben die Aufnahmestaaten jedoch keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung ihrer Staatsangehörigen und solcher anderer EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn Letztere nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist bzw Familienangehörige dieser sind (s hierzu auch Kingreen in NVwZ 2015, 1503, 1505 f; Padé in jM 2015, 414, 415).

36

3. Den Klägern steht jedoch ein Recht auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs 1 S 3 SGB XII in gesetzlicher Höhe gegen die Beigeladene zu.

37

a) Die Kläger waren leistungsberechtigt im Sinne des Sozialhilferechts, weil sie im streitigen Zeitraum ihren Lebensunterhalt nicht iS des § 19 Abs 1 SGB XII iVm § 27 Abs 1 SGB XII aus eigenen Kräften und Mitteln decken konnten.

38

Nach § 19 Abs 1 SGB XII ist Personen Hilfe zum Lebensunterhalt zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können. Dies war bei den Klägern, wie eingangs dargelegt, im streitigen Zeitraum der Fall. Ihr Bedarf im sozialhilferechtlichen Sinne ist dem Grunde nach zwar teilweise dadurch gedeckt worden, dass sie - durch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochene SGB II-Leistungen - den leistungslosen Zeitraum überstanden haben (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 16/08 R - BSGE 104, 213 = SozR 4-1300 § 44 Nr 20, RdNr 14 mwN). Insoweit greift für einen Teil des streitigen Zeitraums die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X ein.

39

b) Einem Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII stand auch eine mangelnde Kenntnis der Beigeladenen von der Bedürftigkeit der Kläger im streitigen Zeitraum nicht entgegen. Die Kläger haben zwar "nur" Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei dem Beklagten beantragt. Die nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderliche Kenntnis der Beigeladenen von dem Bedarf der Kläger liegt jedoch gleichwohl vor. Die Beigeladene muss sich insoweit die Kenntnis des Beklagten aufgrund des Antrags auf SGB II-Leistungen nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG zurechnen lassen (BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 25; BSG vom 13.2.2014 - B 8 SO 58/13 B - SozR 4-3500 § 25 Nr 4 RdNr 8; BSG vom 26.8.2008 - B 8/9b SO 18/07 R - SozR 4-3500 § 18 Nr 1 RdNr 22 ff).

40

c) Ebenso wenig waren die Kläger nach § 21 S 1 SGB XII von der Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen. § 21 S 1 SGB XII bestimmt, dass Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Die Kläger waren im streitigen Zeitraum nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II, weil sie dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II unterfielen. Dies führt dazu, sie dem System des SGB XII zuzuweisen. Die Erwerbsfähigkeit zumindest der Kläger zu 1 und 2 steht dem nicht entgegen.

41

Schon der Wortlaut des § 21 S 1 SGB XII stellt nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ab, sondern berücksichtigt einen Leistungsanspruch nach dem SGB II dem Grunde nach. Ist mithin ein Erwerbsfähiger wegen des Vorliegens der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, folgt hieraus nicht zwangsläufig ein Leistungsausschluss nach dem SGB XII (BSG vom 25.9.2014 - B 8 SO 6/13 R - BSGE = SozR 4-4200 § 44a Nr 1, RdNr 11). Die "Systemabgrenzung" erfordert vielmehr eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Leistungsausschlüsse (Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 21 RdNr 26, 34; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 21 RdNr 46, Stand I/2014; so im Ergebnis auch Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 23 RdNr 64). Im Grundsatz gilt für die Systemzuweisung aufgrund der Erwerbszentriertheit des SGB II, dass derjenige, der von dem auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ausgerichteten Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen werden soll, dem System des SGB XII zugewiesen wird.

42

Auf dieser Grundlage hat das BSG bereits für andere in § 7 SGB II geregelte Leistungsausschlüsse ausdrücklich entschieden, dass die "Anwendungssperre" des § 21 S 1 SGB XII nicht greift(vgl Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 21 RdNr 34 ff). Dies gilt nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate sowohl für den Leistungsausschluss wegen einer den Regelbedarf unterschreitenden ausländischen Rentenleistung als auch den Leistungsausschluss eines Erwerbsfähigen wegen der Unterbringung in einer stationären Einrichtung oder in einem Krankenhaus nach § 7 Abs 4 S 1 SGB II. Sie sind iS des § 21 SGB XII nach dem SGB II dem Grunde nach nicht mehr leistungsberechtigt und bei Bedürftigkeit auf "die auf gleicher Grundlage wie im SGB II bemessenen und daher vom Umfang im Wesentlichen identischen Leistungen der Sozialhilfe" verwiesen(BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 105/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 30 RdNr 20; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 10, 24; vgl auch BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 47: vorzeitige Altersrente nach Aufforderung durch den Grundsicherungsträger). In gleicher Weise hat der für das Sozialhilferecht zuständige 8. Senat des BSG für den Leistungsausschluss bei Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneten Freiheitsentziehung entschieden. Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 S 2 SGB II unterfallen, können grundsätzlich Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII beanspruchen(BSG vom 12.12.2013 - B 8 SO 24/12 R - SozR 4-3500 § 67 Nr 1 RdNr 20).

43

Bezogen auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gilt nichts anderes(Berlit in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 12 RdNr 54; Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 21 RdNr 35). Der Ausschluss von Personen, die nicht oder nicht mehr über eine Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, vom erwerbszentrierten Leistungssystem des SGB II führt dazu, die Sperrwirkung des § 21 SGB XII entfallen zu lassen.

44

d) Allerdings steht dem Rechtsanspruch der Kläger auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ein Ausschluss aufgrund der Regelung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII entgegen.

45

(aa) Die Kläger sind zwar nicht iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen. Es mangelt hier insoweit an dem finalen Zusammenhang zwischen Einreise und Sozialhilfebezug (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R - BSGE = SozR 4-3500 § 25 Nr 5, RdNr 25). Dieser Zusammenhang liegt vor, wenn der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat. Wie das BVerwG dies bereits zu der wortgleichen Vorschrift des § 120 Abs 3 S 1 BSHG entschieden hat, bezeichnet schon die Konjunktion "um (…) zu (…)" ein ziel- und zweckgerichtetes Handeln und damit eine Zweck-Mittel-Relation, in der die Einreise das Mittel und die Inanspruchnahme von Sozialhilfe den mit ihr verfolgten Zweck bildet(vgl BVerwG vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - BVerwGE 90, 212, 214; im Anschluss daran etwa LSG Berlin-Brandenburg vom 10.9.2009 - L 23 SO 117/06 - juris-RdNr 27 f; LSG Nordrhein-Westfalen vom 12.1.2009 - L 20 B 58/08 AY - juris-RdNr 25 ff; LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.11.2008 - L 8 SO 173/08 ER - juris-RdNr 20 f). Dabei wird diese Zweck-Mittel-Relation jedoch auch dann als gegeben angesehen, wenn die Einreise des Ausländers auf verschiedenen Motiven beruht, der Zweck der Inanspruchnahme für den Einreiseentschluss jedoch von prägender Bedeutung gewesen, also nicht nur neben vorrangigen anderen Zwecken billigend in Kauf genommen worden ist (Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 RdNr 46, Stand VI/2012).

46

So liegt der Fall nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG hier nicht. Es ist keine Zweck-Mittel-Relation im eben dargelegten Sinne gegeben, denn die Kläger zu 1 und 2 sind zur Arbeitsuche eingereist. Das LSG hat dies - wenn auch die Erfolgsaussichten der Arbeitsuche für den hier streitigen Zeitraum verneinend - ausdrücklich festgestellt. So haben die Kläger zu 1 und 2, wie das LSG unter Hinweis auf die Beratungsvermerke in den Akten ausgeführt hat, mehrfach Deutschkurse beantragt und sich auch sonst um Eingliederungsleistungen bemüht. Sie haben auch nicht schon bei der Einreise oder kurz danach, sondern erstmals nach rund einem Jahr ihres Aufenthalts in Deutschland und dann erneut rund noch einmal ein weiteres Jahr später existenzsichernde Leistungen beantragt. Der Kläger zu 3 folgt dem als Familienangehöriger.

47

(bb) Die Kläger unterfallen auch nicht dem Wortlaut der Alt 2 des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII. Sie verfügten - wie unter 2.a) dargelegt - im streitigen Zeitraum nicht mehr über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche. Dies ist nach dem Wortlaut des § 23 Abs 3 SGB XII jedoch Voraussetzung für den Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII. Der Ausschluss tritt danach nur dann ein, wenn ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im streitigen Zeitraum tatsächlich gegeben ist.

48

(cc) Ebenso wie oben zum Leistungsausschluss im SGB II dargelegt, sind jedoch auch nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII nichtfreizügigkeits- oder aufenthaltsberechtigte Ausländer von den existenzsichernden Leistungen der Sozialhilfe ausgenommen(offengelassen BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R - BSGE = SozR 4-3500 § 25 Nr 5, RdNr 25; aA Herbst in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und der Sozialhilfe, Band 1 Teil II, Stand VIII/2013, § 23 SGB XII RdNr 47b; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 RdNr 54d, Stand VI/2012).

49

Im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 25.9.2006 (BT-Drucks 16/2711 S 10) wird darauf hingewiesen, dass die Einfügung der Alt 2 in § 23 Abs 3 S 1 SGB XII einen der Regelung im SGB II entsprechenden Leistungsausschluss für Ausländer normiere und damit zugleich sicherstelle, dass Ausländer, die nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende hätten, auch aus dem SGB XII keine Ansprüche herleiten könnten. § 7 Abs 1 S 2 SGB II in der damaligen Fassung lautete: Ausgenommen sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt [und] ihre Familienangehörigen (…)(idF des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558 mWv 1.4.2006). Es sollte damit Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 Buchst b der RL 2004/38/EG umgesetzt werden (BT-Drucks 16/2711 S 10). Nach Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist der Aufnahmemitgliedstaat - unter Hintanstellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art 14 Abs 4 Buchst b RL 2004/38/EG (Zeitraum der Arbeitsuche, s unter 2.a) einen Anspruch auf Sozialhilfe (…) zu gewähren. Die dort vorgenommene Abgrenzung zwischen den gleich zu behandelnden Personengruppen und denen, die aus europarechtlicher Sicht von den Aufnahmestaaten von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden dürfen, erfolgt, indem der Personenkreis der Freizügigkeitsberechtigten, die der Gleichbehandlung unterfallen, positiv benannt wird. Im Umkehrschluss ergibt sich, dass neben denen, die freizügigkeitsberechtigt wegen der Arbeitsuche sind und denen der Aufnahmestaat gleichwohl keine Sozialhilfeleistungen zu erbringen braucht, dies auch für die Nichtfreizügigkeitsberechtigten gilt. Sie unterfallen nicht dem Gleichbehandlungsgebot.

50

Soweit spätere Versuche, eine weitergehende Anpassung der Rechtslage des SGB II an das SGB XII zu bewirken, nicht erfolgreich waren (s nur BT-Drucks 16/2711 S 16; BT-Drucks 16/2753 S 1, 2; BT-Drucks 16/5527 S 15, 23; BT-Drucks 16/239 S 13, 17), sprechen diese Versuche und die Reaktionen hierauf nicht für das Erfordernis einer anderen Wertung im Hinblick auf den "Erst-Recht-Schluss" im SGB XII als im SGB II. Die zuvor beschriebene Anpassung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII war ausreichend, um die gewünschte Parallele zum SGB II für die hier zu beurteilenden Fälle zu ermöglichen. Insbesondere bedurfte es keiner Reaktion auf die Änderung des § 7 Abs 1 S 2 SGB II durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I, 1970 mWv 28.8.2007). Die Umstrukturierung des S 2 und die Einfügung der Nr 1 in § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist für das SGB XII ohne Bedeutung.

51

e) Zwar ist Rechtsfolge des Ausschlusses nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII, dass trotz des tatsächlichen Aufenthalts im Inland kein Rechtsanspruch auf ua Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs 1 S 1 SGB XII besteht. In einem solchen Fall des Ausschlusses können jedoch nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Ausschlussregelung, denn sie nimmt lediglich Bezug auf den "Anspruch" auf Sozialhilfe. Dementsprechend hat bereits das BVerwG zu der Vorschrift des § 120 Abs 3 S 1 Alt 1 BSHG befunden, dass Ausländer, die dem Leistungsausschluss unterfielen, weil sie eingereist seien, um Sozialhilfe zu erlangen, lediglich von einem Rechtsanspruch ua auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 120 Abs 1 S 1 BSHG ausgeschlossen seien(BVerwG vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 - BVerwGE 78, 314, 316 f; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl 2002, § 25 RdNr 10, § 120 RdNr 16; so auch Krahmer in LPK-BSHG, 6. Aufl 2003, § 25 RdNr 7; Birk in ders, § 120 RdNr 47). Insoweit gilt für die Regelung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII, die der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BVerwG im Wesentlichen inhaltsgleich ausgestaltet hat(BT-Drucks 15/1514 S 58), nichts anderes (vgl BSG vom 18.11.2014 - B 8 SO 9/13 R - BSGE = SozR 4-3500 § 25 Nr 5, RdNr 28; s auch Adolph in Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 23 SGB XII RdNr 76, Stand XII/2008; Birk in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 23 RdNr 20; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 23 RdNr 42; differenzierend Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 RdNr 50, Stand VI/2012, der einen Rechtsanspruch auf die im Einzelfall gebotenen Leistungen annimmt, um zu einem Gleichklang mit § 1a AsylbLG zu gelangen).

52

Der Ausschluss nur von dem Rechtsanspruch auf die in S 1 des § 23 Abs 1 SGB XII benannten Leistungen erschließt sich auch aus dem - im Übrigen gegenüber § 120 BSHG unveränderten - systematischen Verhältnis der Regelungen der Sätze 1 und 3 in Abs 1 des § 23 SGB XII zueinander. Durch § 23 Abs 1 S 1 SGB XII erhält der Ausländer ausschließlich unter der Voraussetzung, dass er sich tatsächlich im Inland aufhält, einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach einem reduzierten Leistungskatalog, aber der Höhe nach uneingeschränkt. Hiervon sollen diejenigen, die die Ausschlusstatbestände des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII erfüllen, ausgeschlossen werden, nicht jedoch von dem der Sozialhilfe systemimmanenten grundsätzlichen Anspruch auf Hilfe bei bedrohter Existenzsicherung(s hierzu BVerwG vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139; BVerwG vom 10.12.1987 - 5 C 32/85 - BVerwGE 78, 314, 317 ff). Diesem Personenkreis sollen daher nur nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Leistungen der Sozialhilfe erbracht werden können, aber eben auch solche Leistungen, die nach S 1 des § 23 Abs 1 SGB XII vom Rechtsanspruch ausgenommen worden sind, soweit im Einzelfall geboten.

53

f) Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden, dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat - regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland. Dies folgt aus der Systematik des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII im Verhältnis zu § 23 Abs 1 S 1 und 3 SGB XII sowie verfassungsrechtlichen Erwägungen.

54

So bezieht sich der ausdrückliche Ausschluss der Alt 2 des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII auf den im Freizügigkeitsgesetz/EU zeitlich begrenzten Vorgang der Arbeitsuche. Unter 2.a) ist bereits dargelegt worden, dass die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitsuche nach dem Ablauf von sechs Monaten gemäß § 2 Abs 1a FreizügG/EU idF des Gesetzes zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2.12.2014 (BGBl I 1922) endet, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht. Diese Begrenzung der Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche dient nach den Gesetzesmaterialien der Umsetzung von Unionsrecht in seiner Auslegung durch den EuGH, der entschieden habe, dass die Mitgliedstaaten berechtigt seien, das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche auf einen angemessenen Zeitraum zu begrenzen, wobei der EuGH von einem Zeitraum von sechs Monaten ausgegangen sei (BT-Drucks 18/2581 S 15 zu Art 1 Nr 1 Buchst b; vgl dazu bereits BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 29). Mit dem auf den konkreten Einzelfall abstellenden Zusatz - "darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden" - nimmt die Neuregelung lediglich die Formulierung in Art 14 Abs 4 Buchst b RL 2004/38/EG auf, enthält jedoch mit der allgemein geltenden zeitlichen Begrenzung - "für bis zu sechs Monate" - eine Typisierung. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise liegt eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vor, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung steht, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen.

55

Werden diese Erwartungen enttäuscht und bleibt der tatsächliche Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nach Ablauf von sechs Monaten bestehen, tritt im Regelfall eine Aufenthaltsverfestigung ein, der nach geltendem Recht ausländerbehördlich entgegengetreten werden kann. Bestand nie eine Freizügigkeitsberechtigung wegen eines Aufenthalts zur Arbeitsuche oder besteht diese nach Ablauf von sechs Monaten mangels begründeter Aussichten, eingestellt zu werden, nicht mehr, kann durch die Ausländerbehörde der Verlust der Freizügigkeitsberechtigung durch Verwaltungsakt festgestellt werden (Verlustfeststellung nach § 5 Abs 4 S 1 FreizügG/EU). Erst die förmliche Verlustfeststellung begründet nach § 7 Abs 1 S 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht, wenn nicht Rechtsschutz in Anspruch genommen wird(vgl BT-Drucks 16/5065 S 211 zu Art 2 Nr 8 Buchst a Doppelbuchst aa). In tatsächlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass von der rechtlichen Möglichkeit der Verlustfeststellung nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht wird (Thym, NZS 2014, 81, 87; BT-Drucks 17/13322 S 19). Zur Prüfung der Voraussetzungen einer Verlustfeststellung kann die zuständige Ausländerbehörde im Übrigen nach § 5 Abs 2 S 1 FreizügG/EU bereits frühzeitig, nämlich drei Monate nach der Einreise, verlangen, dass die Voraussetzungen nach § 2 Abs 1 FreizüG/EU glaubhaft gemacht werden.

56

Ist hiernach typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen, ist die Ermessenausübung jedoch daran zu messen, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht ansonsten weder nach dem Grund der Einreise, noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts fragt. Bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII kommt es in erster Linie auf die Tatsache einer gegenwärtigen Hilfebedürftigkeit an (BSG vom 10.11.2011 - B 8 SO 12/10 R - SozR 4-3500 § 30 Nr 4 RdNr 26; BVerwG vom 2.6.1965 - V C 63.64 - BVerwGE 21, 208, 211; vgl auch Berlit in Berlit/Conradis/Sartorius, Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kap 7 RdNr 24). Es reicht nach dem Wortlaut des § 23 Abs 1 S 1 SGB XII allein der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland aus. Dem Leistungsberechtigten, der über kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche mehr verfügt und "erst-recht" von dem Rechtsanspruch auf "Sozialhilfeleistungen" iS des § 23 Abs 1 S 1 SGB XII ausgeschlossen ist, mangelt es wie jedem anderen Ausländer, der sich tatsächlich im Inland aufhält - zunächst einmal ohne Freizügigkeits- oder Aufenthaltsberechtigung - an einer Aufenthaltsperspektive. Um den Gleichklang mit Letzterem zu erreichen, ist es folgerichtig, zumindest im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt durch eine Ermessensreduktion, bei verfestigtem Aufenthalt zu denselben Leistungen zu gelangen. Dieses nach Ablauf von regelmäßig sechs Monaten durch ein Vollzugsdefizit des Ausländerrechts bewirkte Faktum eines verfestigten tatsächlichen Aufenthalts des Unionsbürgers im Inland ist unter Berücksichtigung auch der verfassungsrechtlichen Vorgaben kein zulässiges Kriterium, die Entscheidung über die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde und der Höhe nach in das Ermessen des Sozialhilfeträgers zu stellen.

57

Das BVerfG hat in seiner Entscheidung zum AsylbLG (vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134) im Anschluss und in Weiterentwicklung der grundlegenden Entscheidung vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12)Grundlagen und Umfang des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums näher ausgeformt. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlten, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zu erlangen seien, sei der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stünden. Als Menschenrecht - und dies ist hier entscheidend - stehe dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, gleichermaßen zu (BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, 159 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 89, unter Hinweis auf BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12). Eine pauschale Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus hat das BVerfG im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen ausdrücklich abgelehnt (BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, 164 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 99). Insoweit komme es für eine abweichende Bedarfsbestimmung darauf an, ob etwa wegen eines nur kurzfristigen Aufenthalts konkrete Minderbedarfe gegenüber Hilfeempfängern mit Daueraufenthaltsrecht nachvollziehbar festgestellt und bemessen werden könnten. Hierbei sei etwa zu berücksichtigen, ob durch die Kürze des Aufenthalts Minderbedarfe durch Mehrbedarfe kompensiert werden könnten, die typischerweise gerade unter den Bedingungen eines nur vorübergehenden Aufenthalts anfielen. Dies lässt sich während des Bestehens eines Aufenthaltsrechts allein zum Zwecke der Arbeitsuche über die Ermessensleistung des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII regulieren, nicht jedoch bei verfestigtem Aufenthalt. Denn ließen sich - so das BVerfG - tatsächlich spezifische Minderbedarfe bei einem nur kurzfristigen, nicht auf Dauer angelegten Aufenthalt feststellen, und wolle der Gesetzgeber die existenznotwendigen Leistungen für eine Personengruppe deshalb gesondert bestimmen, müsse er sicherstellen, dass die gesetzliche Umschreibung dieser Gruppe hinreichend zuverlässig tatsächlich nur diejenigen erfasse, die sich regelmäßig nur kurzfristig in Deutschland aufhielten. Eine Beschränkung auf etwaige Minderbedarfe für Kurzaufenthalte komme dann nicht mehr in Betracht, wenn der tatsächliche Aufenthalt die Spanne eines Kurzaufenthalts deutlich überschritten habe. Für diese Fälle sei ein zeitnaher Übergang zu den existenzsichernden Leistungen für Normalfälle vorzusehen (BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, 164 ff = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 99 ff). Dies begründet im Regelfall eine Ermessensreduktion auf Null und damit eine Anpassung der Hilfe zum Lebensunterhalt für diejenigen, die sich nicht nur kurzfristig im Inland aufhalten. Denn im Übrigen weist das BVerfG darauf hin, dass eine Regelung zur Existenzsicherung vor der Verfassung nur Bestand habe, wenn Bedarfe durch Anspruchsnormen gesichert würden (BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - BVerfGE 132, 134, 162 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 RdNr 96).

58

Tatsächliche Hinweise darauf, dass von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs ausnahmsweise abzusehen ist, sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat. Demgegenüber haben sich die Kläger im streitigen Zeitraum bereits mehr als zwei Jahre in Deutschland aufgehalten, ohne dass derartige Maßnahmen im Raum standen.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom 1.8. bis zum 11.10.2011.

2

Die 1989 geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie reiste - nach ihren vom Landessozialgericht (LSG) festgestellten Angaben - Anfang Oktober 2010 nach Deutschland und mietete mit ihrer Mutter sowie ihrem damaligen Lebensgefährten Y. eine Wohnung in W., aus der Y., von dem sie seit dem 6.7.2011 getrennt lebe, zwischenzeitlich ausgezogen sei. Am 1.6.2011 meldete die Klägerin ein Gewerbe "Gebäudereinigung; Lagerarbeiten" an und zum 1.8.2011 wieder ab, da sie die deutsche Sprache nicht beherrsche, schwanger gewesen sei und ihren Lebensunterhalt nicht eigenständig habe sicherstellen können. Im Juni 2011 habe sie für die T. GmbH gearbeitet, wofür sie bar 1200 bis 1300 Euro erhalten habe und eine Rechnung über "Fahrertätigkeit" in Höhe von 1517,25 Euro inklusive Mehrwertsteuer zu den Akten reichte.

3

Den am 3.8.2011 von der Klägerin beim beklagten Jobcenter - einem zugelassenen kommunalen Träger - gestellten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II lehnte dieses unter Hinweis auf § 8 Abs 2 und § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ab(Bescheid vom 23.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 19.10.2011). Nach einem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bewilligte der Beklagte der Klägerin vorbehaltslos vom 12.10.2011 bis zum 29.2.2012 Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs und eines Mehrbedarfs für Schwangere (Bescheid vom 31.1.2012). Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

4

Das Sozialgericht (SG) Wiesbaden hat die Klage gegen den Bescheid vom 23.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2011 abgewiesen (Urteil vom 1.6.2012). Das LSG hat unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide den Beklagten verurteilt, der Klägerin vom 1.8. bis zum 11.10.2011 "Leistungen nach dem SGB II zu gewähren" (Urteil vom 27.11.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin erfülle die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, insbesondere sei sie hilfebedürftig gewesen, weil sie kein Vermögen und in der strittigen Zeit kein zu berücksichtigendes Einkommen gehabt habe; auch ihre Mutter habe kein Einkommen und nur ca 200 Euro Vermögen gehabt. Die Miete habe der frühere Lebensgefährte gezahlt. Die Klägerin habe aufgrund der erforderlichen Zukunftsoffenheit auch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Die Klägerin sei nicht gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Sie könne sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), insbesondere nicht auf das nachwirkende Aufenthaltsrecht als niedergelassene selbstständige Erwerbstätige(§ 2 Abs 2 Nr 2 iVm Abs 3 FreizügG/EU) nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit berufen, da sie nur für die T. GmbH tätig gewesen sei und keinen Willen zu einer dauerhaften selbstständigen Tätigkeit gehabt habe. Selbst wenn diese Tätigkeit für die T. GmbH als abhängige Beschäftigung angesehen würde, fehle es an einem nachwirkenden Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs 2 Nr 1 iVm Abs 3 FreizügG/EU, zumal schon Zweifel an der Unfreiwilligkeit ihrer Arbeitslosigkeit beständen. Die Klägerin habe sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht aufgrund schwangerschaftsbedingter Vorwirkungen des Art 6 Grundgesetz (GG) berufen können. Denn es sei nicht erkennbar, dass es sich um eine Risikoschwangerschaft gehandelt habe, noch trage die Klägerin vor, die elterliche Sorge für das Kind sicher übernehmen zu wollen. Am 28.10.2011 sei die Klägerin in der 24. Schwangerschaftswoche gewesen und habe angegeben, arbeiten zu können. Art 6 GG vermittele nur einen Abschiebeschutz, kein Aufenthaltsrecht; Gründe für eine aufenthaltsrechtliche Ermessensreduzierung auf null im Rahmen des § 7 Abs 1 Satz 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wie im Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.1.2013 (B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34), seien nicht ersichtlich. Die familiäre Situation, Phase und Verlauf der Schwangerschaft sprächen dagegen. Die Klägerin habe keine Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche nach § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU gehabt, denn sie habe nicht mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit gesucht, zumal sie keine dahin gehenden "Ambitionen" entfaltet habe. Zudem habe sie ihre Gewerbeabmeldung mit mangelnden Sprachkenntnissen und ihrer Schwangerschaft begründet. § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II könne nicht als Auffangausschlusstatbestand im Wege eines "Erst-Recht"-Schlusses erweiternd dahin gehend ausgelegt werden, dass er auch einen "nur" (formal-)legalen Aufenthalt umfasse, selbst wenn die Ausländerbehörde noch keine Feststellungen über den Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts getroffen habe.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Nach Auffassung des LSG würden Personen, die Arbeit suchen und damit vom Leistungsausschluss umfasst seien, schlechter stehen als Personen, die keine Arbeit suchen und für die nach Auffassung des LSG der Leistungsausschluss nicht gelte. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 19.9.2013 (C-140/12 - Brey) sei zu entnehmen, dass Personen, die sich für mehr als drei Monate in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten wollten, über die entsprechenden Existenzmittel verfügen müssten, um keine Sozialhilfeleistungen dort in Anspruch nehmen zu müssen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2012 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und rügt hilfsweise die nicht erfolgte Beiladung des Sozialhilfeträgers.

Entscheidungsgründe

9

Auf die zulässige Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG vom 27.11.2013 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des genannten Urteils des LSG, das den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG und seiner angefochtenen Bescheide verurteilt hat, der Klägerin vom 1.8. bis zum 11.10.2011 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, und letztlich das Begehren des beklagten Jobcenters, die Klage abzuweisen.

11

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, weil von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel nicht zu erkennen sind und von Seiten der Beteiligten keine Verfahrensrügen - mit Ausnahme der von der Klägerin hilfsweise gerügten, nicht erfolgten Beiladung des Sozialhilfeträgers - erhoben wurden.

12

3. Rechtsgrundlage der von der Klägerin begehrten und vom LSG zugesprochenen "Leistungen nach dem SGB II" für die strittige Zeit ist neben den Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen nach §§ 19 ff SGB II insbesondere § 7 SGB II über die Leistungsberechtigung dem Grunde nach.

13

Die Klägerin erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, der EU-Ausländer umfasst, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein Aufenthaltsrecht verfügen(dazu 5.), was bei der Klägerin der Fall ist (dazu 6.). Diesem Leistungsausschluss stehen nicht das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) (dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das GG (dazu 9.) entgegen. Für die Klägerin kommen aber Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, weswegen der Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen des LSG zurückzuverweisen und der zuständige Sozialhilfeträger auf die von der Klägerin hilfsweise erhobene Rüge beizuladen ist (dazu 10.).

14

4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte die 1989 geborene Klägerin in der strittigen Zeit vom 1.8. bis zum 11.10.2011 nach den Feststellungen des LSG.

15

Sie war erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie als bulgarische Staatsangehörige die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, bestand und ausreicht(BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff), worauf auch § 8 Abs 2 Satz 2 SGB II hinweist. Auf einen Antrag oder das Vorliegen einer "Arbeitserlaubnis EU" nach § 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - kommt es in solchen Fällen nicht an.

16

Die Klägerin war hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil sie selbst in der strittigen Zeit über kein zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfügte und für ihre Mutter nach den Feststellungen des LSG das Gleiche galt; die Voraussetzungen für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit dem zumindest früheren Lebenspartner Y. hat das LSG nicht festgestellt.

17

Die Klägerin hatte einen gewöhnlichen Aufenthalt in W. (zu dessen Erfordernissen: § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -), weil sie dort nicht nur vorübergehend, sondern zukunftsoffen verweilte (vgl nur BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 18 ff mwN).

18

5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf die Klägerin anzuwenden, weil diese sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.

19

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wobei diese letzte Variante bei der Klägerin von vornherein ausscheidet.

20

Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat schließt sich dem 4. Senat an, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.

21

Da die materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder das materielle Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG entscheidend sind, kommt es auf den Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach dem FreizügG/EU nicht an, weil diese nur deklaratorische Bedeutung hat und keine materielle Freizügigkeitsberechtigung begründet (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs zum FreizügG/EU in BT-Drucks 15/420 S 101 f). Im Übrigen wurde die Freizügigkeitsbescheinigung durch Änderung des § 5 FreizügG/EU mittlerweile abgeschafft. Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).

22

6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG kann sich die Klägerin für die strittige Zeit nicht berufen.

23

a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer voraus, die nicht nur von geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei das erzielte Arbeitsentgelt aber nicht das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen vollständig abdecken muss(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26).

24

Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht, weil sie nur im Juni 2011 vorübergehend für die T. GmbH tätig war.

25

b) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Selbstständiger nach § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU setzt voraus, dass eine erwerbsorientierte Tätigkeit als Selbstständiger mittels einer bestimmten Einrichtung oder Organisation auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausgeübt wird, ohne dass der erzielte Gewinn das Existenzminimum abdecken muss; die bloße Anmeldung eines Gewerbes genügt nicht (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 19; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 28).

26

Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht, weil sie ihr Gewerbe "Gebäudereinigung; Lagerarbeiten" zwar vorübergehend angemeldet, in diesem - nach ihren vom LSG nur festgestellten Angaben - aber nicht tätig war. Auch die vorübergehende Tätigkeit für die T. GmbH im Juni 2011, wenn diese als selbstständige anzusehen sein sollte, erfüllte nicht diese Voraussetzung.

27

c) Eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder selbstständige Erwerbstätige nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU scheidet aufgrund der zuvor getroffenen Feststellungen aus.

28

d) Für eine Freizügigkeitsberechtigung als Familienangehörige nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU - die 1989 geborene Klägerin war zu dem vom LSG nicht festgestellten, sondern nur ihre Angaben wiedergebenden Einreisezeitpunkt "Anfang Oktober 2010" fast 21 Jahre alt - spricht mangels Feststellungen des LSG hinsichtlich der Begleitung oder des Nachzugs zu einem freizügigkeitsberechtigten Ehegatten, Lebenspartner iS des FreizügG/EU oder Verwandten nichts.

29

e) Dasselbe gilt für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach dessen Nr 3 oder 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts).

30

f) Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, ist nicht ersichtlich.

31

Ein solches ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung zu den Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung aufgrund einer Schwangerschaft. Diese Rechtsprechung führt zu einem auf § 7 Abs 1 Satz 3 AufenthG gestützten Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt, weil diese Personen sich ua auf Art 6 GG, §§ 27 ff AufenthG berufen können(BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34). Die Voraussetzungen dieses Aufenthaltsrechts wurden in jenem Verfahren bejaht, weil es der Schwangeren vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht zumutbar gewesen sei, sich von dem Vater des Kindes, einem griechischen Staatsangehörigen, der sich seit acht Jahren rechtmäßig in Deutschland aufhielt, unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Rückhalts zu trennen.

32

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, wie das LSG zu Recht und ausführlich begründet dargelegt hat, zumal es sich bei § 7 Abs 1 Satz 3 AufenthG um eine Ermessensregelung handelt. Die Klägerin des vorliegenden Verfahrens war in der strittigen Zeit nicht in der Spätphase ihrer Schwangerschaft und eine Familiengründung mit dem Kindsvater, von dem die Klägerin nach ihren Angaben getrennt lebte, war nicht geplant, zudem war nicht klar, ob die Klägerin die elterliche Sorge für das Kind übernehmen wollte.

33

7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen(vgl zum EFA das Ausführungsgesetz vom 15.5.1956, BGBl II 563; zu dessen früherer Anwendbarkeit im Rahmen des SGB II bei einem französischen Staatsangehörigen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21; zu dessen Nichtanwendbarkeit nach dem 1.2.2012: BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff). Denn die Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige und Bulgarien ist kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens.

34

Durchgreifende Gründe, dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen (so wohl Eichenhofer in seiner Anmerkung zu dem Urteil des BSG vom 19.10.2010, aaO, SGb 2011, 458 ff), sind nicht zu erkennen. Im Übrigen ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, auf die die dahin gehenden Überlegungen gestützt werden, ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge und in der Konsequenz müssten alle völkerrechtlichen Verträge, die Deutschland geschlossen hat, automatisch auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten, was zB für die sozialrechtskoordinierenden Vorschriften innerhalb der EU erhebliche Probleme nach sich ziehen dürfte.

35

8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145 ff) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638 ff) ergibt. Auch wenn Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO Nr 883/2004/EG und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO Nr 883/2004/EG der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Unionsbürger anderer EU-Staaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).

36

9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil für die Klägerin Leistungen der Sozialhilfe seitens des zuständigen, vom LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren beizuladenden Sozialhilfeträgers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Betracht kommen.

37

Die Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte die Klägerin nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).

38

Die Klägerin war nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff mwN; vgl aus der Literatur mit stationär Untergebrachten und Strafgefangenen als Beispielen nur: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 21 RdNr 5, der in RdNr 1 ff die Probleme der Abgrenzung und wiederholten Änderungen der einschlägigen Vorschriften darstellt, aber andererseits in RdNr 8 fordert, die Systeme "scharf voneinander abzugrenzen"; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 21 RdNr 9: Erwerbsfähigkeit ist nicht das alleinige, ausschließliche Abgrenzungsmerkmal; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl 2009, § 21 RdNr 2, die zudem Ausländer anführt, deren Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II ausgeschlossen ist).

39

Ob einem Anspruch der Klägerin auf Sozialhilfe der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII - eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen - entgegensteht, kann mangels Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Im Weiteren ist zu beachten, dass ebenso wie nach dem SGB II aufgrund von § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII Ausländer, die weder materiell freizügigkeitsberechtigt nach dem FreizügG/EU noch aufenthaltsberechtigt nach dem AufenthG sind, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 48 ff). § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII beinhaltet, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, jedoch nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen auf Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 mwN, auch auf die Rspr des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläufervorschrift in § 120 Bundessozialhilfegesetz).

40

Hinsichtlich der Leistungen im Einzelnen, insbesondere ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen (vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff), sind weitere Feststellungen notwendig, die das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffen hat.

41

10. Aufgrund dieses möglichen Anspruchs der Klägerin gegen den Sozialhilfeträger und dessen nicht erfolgter Beiladung, die die Klägerin hilfsweise gerügt hat, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.

42

Nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG ist, wenn sich in einem Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht kommt, dieser Träger beizuladen(zur Verurteilung des Beigeladenen siehe § 75 Abs 5 SGG). Die im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässige Beiladung ist vorliegend auch nicht mit Zustimmung des Beigeladenen nachzuholen (vgl § 169 SGG), weil der Rechtsstreit mangels Feststellungen des LSG ohnehin nicht entscheidungsreif, sondern zurückzuverweisen ist.

43

Der Beiladung der Stadt W. als Sozialhilfeträger steht nicht entgegen, dass sie als zugelassener kommunaler Träger zugleich Rechtsträger des beklagten Jobcenters ist. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein solcher "In-sich-Prozess", der auch das Verhältnis eines Hauptbeteiligten zu einem notwendig Beizuladenden betreffen kann, zulässig und insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist sowie die entsprechenden Folgen für die Beteiligtenstellung zu ziehen sind, wenn die betroffenen Behörden oder Einrichtungen desselben Rechtsträgers eine gewisse Verselbstständigung erfahren haben und Inhaber eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander sind, über die im Streitfall von der gemeinsamen Spitze nicht verbindlich entschieden werden kann (BSG Urteil vom 23.4.1975 - 9 RV 136/74 - BSGE 39, 260 = SozR 3100 § 52 Nr 1; BSG Urteil vom 28.1.2004 - B 6 KA 4/03 R - SozR 4-1500 § 70 Nr 1 RdNr 18 ff; letztens etwa BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 4/14 R - SozR 4-2500 § 80 Nr 1 RdNr 18 f; vgl nur Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 56a; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 15; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl 2015, § 63 RdNr 7; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl 2014, § 63 RdNr 8 f).

44

Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zwischen dem Jobcenter eines zugelassenen kommunalen Trägers und dessen Stellung als Sozialhilfeträger erfüllt. Denn ein zugelassener kommunaler Träger muss sich verpflichten, das Jobcenter als besondere Einrichtung zu errichten und zu unterhalten (§ 6a Abs 2 Satz 1 Nr 2, Abs 5 SGB II), der Bund trägt bestimmte Aufwendungen dieses zugelassenen kommunalen Trägers einschließlich der Verwaltungskosten (§ 6b Abs 2 Satz 1 SGB II), kann für die Bewirtschaftung der Mittel bestimmte Vorgaben machen (§ 6b Abs 2, § 46 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB II) und hat seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesrechnungshofs bestimmte Aufsichts- und Kontrollrechte (§ 6b Abs 3, 4 SGB II). Letztlich muss der zugelassene kommunale Träger gegenüber dem Bund die Verwendung der erhaltenen Mittel im Rahmen des SGB II belegen (§ 6b Abs 5 SGB II; vgl letztens BSG Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 50/14 R).

45

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013.

2

Der 1993 geborene Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er reiste - nach seinen vom Landessozialgericht (LSG) festgestellten Angaben - im Oktober 2011 nach Deutschland und wohnt gemeinsam mit seiner Mutter und zeitweise seiner Schwester sowie deren Kindern in einer Wohnung in W. Am 2.3.2012 meldete er ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe an und am 20.5.2012 wieder ab, ohne in diesem tätig geworden zu sein. Nach seinen Angaben war er im April 2012 fünf bis sechs Tage nicht-sozialversicherungspflichtig beschäftigt, habe sich wegen Aussichtslosigkeit aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht auf Stellenangebote beworben und verfüge über kein Einkommen oder Vermögen.

3

Den vom Kläger am 30.1.2012 beim beklagten Jobcenter - einem zugelassenen kommunalen Träger - gestellten Antrag auf Leistungen nach dem SGB II lehnte dieses unter Hinweis auf § 8 Abs 2 SGB II ab(Bescheid vom 23.2.2012), ebenso den am 28.3.2012 gestellten Antrag auf Überprüfung dieses Bescheides (Bescheid vom 10.4.2012). Der eingelegte Widerspruch wurde vom Kläger auf die Zeit vom 30.1.2012 bis zum 30.4.2012 beschränkt und vom Beklagten unter Verweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II zurückgewiesen(Widerspruchsbescheid vom 4.5.2012). Hiergegen ist Klage erhoben worden zum Sozialgericht (SG) Wiesbaden (Az: S 11 AS 382/12).

4

Für die Zeit ab dem 1.5.2012 stellte der Kläger einen weiteren Antrag auf Leistungen nach dem SGB II, der vom Beklagten abgelehnt wurde (Bescheid vom 15.5.2012; Widerspruchsbescheid vom 20.6.2012). Auch hiergegen ist Klage erhoben worden zum SG Wiesbaden (Az: S 11 AS 483/12).

5

Das SG hat die Klagen verbunden und abgewiesen (Urteil vom 12.10.2012). Das LSG hat unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten diesen verurteilt, dem Kläger vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013 "Leistungen nach dem SGB II zu gewähren" (Urteil vom 27.11.2013). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger erfülle die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, insbesondere sei er mangels eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig gewesen und auch das Vermögen seiner Mutter sei Ende des Jahres 2011 erschöpft gewesen. Er habe aufgrund der erforderlichen Zukunftsoffenheit einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt. Der Kläger sei nicht gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Er könne sich nicht auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) berufen, denn er habe nicht mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit gesucht, zumal er keine dahin gehenden "Ambitionen" entfaltet habe. Er könne sich auch nicht auf ein anderes Aufenthaltsrecht zB aus den Nachwirkungen der Tätigkeit im April 2012 oder als Dienstleistungserbringer berufen (§ 2 Abs 2 Nr 1, 2 iVm Abs 3 FreizügG/EU). § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II könne nicht als Auffangausschlusstatbestand im Weg eines "Erst-Recht"-Schlusses erweiternd dahin gehend ausgelegt werden, dass er auch einen "nur" (formal-)legalen Aufenthalt umfasse, selbst wenn die Ausländerbehörde noch keine Feststellungen über den Wegfall der materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Aufenthaltsrechts getroffen habe.

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte unter Hinweis auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano) die Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Nach diesem Urteil hätten wirtschaftlich inaktive EU-Ausländer wie der Kläger keinen Anspruch auf Sozialleistungen im Aufnahmestaat.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. November 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Oktober 2012 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

9

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und rügt hilfsweise die nicht erfolgte Beiladung des Sozialhilfeträgers.

Entscheidungsgründe

10

Auf die zulässige Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG vom 27.11.2013 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

11

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des genannten Urteils des LSG, das den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des SG und der Bescheide des Beklagten verurteilt hat, den Bescheid vom 23.2.2012 zurückzunehmen und dem Kläger vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, und letztlich das Begehren des beklagten Jobcenters, die Klage abzuweisen.

12

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, weil von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel nicht zu erkennen sind und von Seiten der Beteiligten keine Verfahrensrügen - mit Ausnahme der vom Kläger hilfsweise gerügten, nicht erfolgten Beiladung des Sozialhilfeträgers - erhoben wurden.

13

3. Rechtsgrundlage der vom Kläger begehrten und vom LSG zugesprochenen "Leistungen nach dem SGB II" für die strittige Zeit ist neben § 40 Abs 1 SGB II iVm § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - hinsichtlich des ersten Zeitraums, in dem der bestandskräftige Ablehnungsbescheid vom 23.2.2012 zu überprüfen ist, und neben den Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen nach §§ 19 ff SGB II insbesondere § 7 SGB II über die Leistungsberechtigung dem Grunde nach.

14

Der Kläger erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, der EU-Ausländer umfasst, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein Aufenthaltsrecht verfügen(dazu 5.), was beim Kläger der Fall ist (dazu 6.). Diesem Leistungsausschluss stehen nicht das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) (dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das Grundgesetz (GG) (dazu 9.) entgegen. Für den Kläger kommen aber Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, weswegen der Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen des LSG zurückzuverweisen und der zuständige Sozialhilfeträger auf die vom Kläger hilfsweise erhobene Rüge beizuladen ist (dazu 10.).

15

4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte der 1993 geborene Kläger in der strittigen Zeit vom 30.1.2012 bis zum 27.11.2013 nach den Feststellungen des LSG.

16

Er war erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand seiner Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für ihn als bulgarischen Staatsangehörigen die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, bestand und ausreicht(Bundessozialgericht Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff), worauf auch § 8 Abs 2 Satz 2 SGB II hinweist. Auf einen Antrag oder das Vorliegen einer "Arbeitserlaubnis EU" nach § 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - kommt es in solchen Fällen nicht an.

17

Der Kläger war hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil er selbst kein Einkommen oder Vermögen hatte und das Vermögen seiner Mutter, mit der er in einem Haushalt lebte und mangels eigenen Einkommens oder Vermögens eine Bedarfsgemeinschaft bildete(§ 7 Abs 3 Nr 1, 4 SGB II), nach den Feststellungen des LSG Ende des Jahres 2011 erschöpft war. Mögliches Einkommen oder Vermögen seiner Schwester, die zeitweise auch in dem Haushalt der Mutter lebte, wäre allenfalls nach § 9 Abs 5 SGB II zu berücksichtigen; dass dieses eine Höhe erreichte (vgl zur Berechnung § 1 Abs 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung), die zu einer entsprechenden Vermutung führt, hat das LSG verneint.

18

Der Kläger hatte einen gewöhnlichen Aufenthalt in W. (zu dessen Erfordernissen: § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -), weil er dort nicht nur vorübergehend, sondern zukunftsoffen verweilte (vgl nur BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 18 ff mwN).

19

5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf den Kläger anzuwenden, weil dieser sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.

20

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, wobei diese letzte Variante beim Kläger von vornherein ausscheidet.

21

Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat schließt sich dem 4. Senat an, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.

22

Da die materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder das materielle Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG entscheidend sind, kommt es auf den Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach dem FreizügG/EU nicht an, weil diese nur deklaratorische Bedeutung hat und keine materielle Freizügigkeitsberechtigung begründet (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs zum FreizügG/EU in BT-Drucks 15/420 S 101 f). Im Übrigen wurde die Freizügigkeitsbescheinigung durch Änderung des § 5 FreizügG/EU mittlerweile abgeschafft. Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).

23

6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG kann sich der Kläger für die strittige Zeit nicht berufen.

24

a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer voraus, die nicht nur von geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei das erzielte Arbeitsentgelt aber nicht das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen vollständig abdecken muss(BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26).

25

Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er im strittigen Zeitraum von mehreren Monaten nur fünf bis sechs Tage nicht-sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

26

b) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Selbstständiger nach § 2 Abs 2 Nr 2 FreizügG/EU setzt voraus, dass eine erwerbsorientierte Tätigkeit als Selbstständiger mittels einer bestimmten Einrichtung oder Organisation auf unbestimmte Zeit tatsächlich ausgeübt wird, ohne dass der erzielte Gewinn das Existenzminimum abdecken muss; die bloße Anmeldung eines Gewerbes genügt nicht (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 19; BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 28).

27

Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, weil er ein "Garten- und Landschaftsbau"-Gewerbe zwar vorübergehend angemeldet hatte, in diesem aber nicht tätig war.

28

c) Eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder selbstständiger Erwerbstätiger nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU scheidet aufgrund der zuvor getroffenen Feststellungen aus.

29

d) Für eine Freizügigkeitsberechtigung als Familienangehöriger nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU - der 1993 geborene Kläger war zu Beginn des strittigen Zeitraums am 30.1.2012 erst 19 Jahre alt - spricht nach den Feststellungen des LSG nichts. Dasselbe gilt für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach dessen Nr 3 oder Nr 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts).

30

e) Ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, ist nicht ersichtlich.

31

7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen(vgl zum EFA das Ausführungsgesetz vom 15.5.1956, BGBl II 563; zu dessen früherer Anwendbarkeit im Rahmen des SGB II bei einem französischen Staatsangehörigen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21; zu dessen Nichtanwendbarkeit nach dem 1.2.2012: BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff). Denn der Kläger ist bulgarischer Staatsangehöriger und Bulgarien ist kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens.

32

Durchgreifende Gründe, dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen (so wohl Eichenhofer in seiner Anmerkung zu dem Urteil des BSG vom 19.10.2010, aaO, SGb 2011, 458 ff), sind nicht zu erkennen. Im Übrigen ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, auf die die dahin gehenden Überlegungen gestützt werden, ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge und in der Konsequenz müssten alle völkerrechtlichen Verträge, die Deutschland geschlossen hat, automatisch auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten, was zB für die sozialrechtskoordinierenden Vorschriften innerhalb der EU erhebliche Probleme nach sich ziehen dürfte.

33

8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145 ff) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638 ff) ergibt. Auch wenn Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO Nr 883/2004/EG und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO Nr 883/2004/EG der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Unionsbürger anderer EU-Staaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).

34

9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil für den Kläger Leistungen der Sozialhilfe seitens des zuständigen, vom LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren beizuladenden Sozialhilfeträgers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Betracht kommen.

35

Die Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte der Kläger nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).

36

Der Kläger war nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff mwN; vgl aus der Literatur mit stationär Untergebrachten und Strafgefangenen als Beispielen nur: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 21 RdNr 5, der in RdNr 1 ff die Probleme der Abgrenzung und wiederholten Änderungen der einschlägigen Vorschriften darstellt, aber andererseits in RdNr 8 fordert, die Systeme "scharf voneinander abzugrenzen"; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 21 RdNr 9: Erwerbsfähigkeit ist nicht das alleinige, ausschließliche Abgrenzungsmerkmal; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl 2009, § 21 RdNr 2, die zudem Ausländer anführt, deren Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II ausgeschlossen ist).

37

Ob einem Anspruch des Klägers auf Sozialhilfe der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII - eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen - entgegensteht, kann mangels Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Im Weiteren ist zu beachten, dass ebenso wie nach dem SGB II aufgrund von § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII Ausländer, die weder materiell freizügigkeitsberechtigt nach dem FreizügG/EU noch aufenthaltsberechtigt nach dem AufenthG sind, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 48 ff). § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII beinhaltet, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, jedoch nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen auf Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 mwN, auch auf die Rspr des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläufervorschrift in § 120 Bundessozialhilfegesetz).

38

Hinsichtlich der Leistungen im Einzelnen, insbesondere ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen (vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff), sind weitere Feststellungen notwendig, die das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffen hat.

39

10. Aufgrund dieses möglichen Anspruchs des Klägers gegen den Sozialhilfeträger und dessen nicht erfolgter Beiladung, die der Kläger hilfsweise gerügt hat, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.

40

Nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG ist, wenn sich in einem Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht kommt, dieser Träger beizuladen(zur Verurteilung des Beigeladenen siehe § 75 Abs 5 SGG). Die im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässige Beiladung ist vorliegend auch nicht mit Zustimmung des Beigeladenen nachzuholen (vgl § 169 SGG), weil der Rechtsstreit mangels Feststellungen des LSG ohnehin nicht entscheidungsreif, sondern zurückzuverweisen ist.

41

Der Beiladung der Stadt W. als Sozialhilfeträger steht nicht entgegen, dass sie als zugelassener kommunaler Träger zugleich Rechtsträger des beklagten Jobcenters ist. In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass ein solcher "In-sich-Prozess", der auch das Verhältnis eines Hauptbeteiligten zu einem notwendig Beizuladenden betreffen kann, zulässig und insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist sowie die entsprechenden Folgen für die Beteiligtenstellung zu ziehen sind, wenn die betroffenen Behörden oder Einrichtungen desselben Rechtsträgers eine gewisse Verselbstständigung erfahren haben und Inhaber eigener Rechte und Pflichten im Verhältnis zueinander sind, über die im Streitfall von der gemeinsamen Spitze nicht verbindlich entschieden werden kann (BSG Urteil vom 23.4.1975 - 9 RV 136/74 - BSGE 39, 260 = SozR 3100 § 52 Nr 1; BSG Urteil vom 28.1.2004 - B 6 KA 4/03 R - SozR 4-1500 § 70 Nr 1 RdNr 18 ff; letztens etwa BSG Urteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 4/14 R - SozR 4-2500 § 80 Nr 1 RdNr 18 f; vgl nur Böttiger in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 54 RdNr 56a; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 15; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl 2015, § 63 RdNr 7; Redeker/ von Oertzen, VwGO, 16. Aufl 2014, § 63 RdNr 8 f).

42

Diese Voraussetzungen sind im Verhältnis zwischen dem Jobcenter eines zugelassenen kommunalen Trägers und dessen Stellung als Sozialhilfeträger erfüllt. Denn ein zugelassener kommunaler Träger muss sich verpflichten, das Jobcenter als besondere Einrichtung zu errichten und zu unterhalten (§ 6a Abs 2 Satz 1 Nr 2, Abs 5 SGB II), der Bund trägt bestimmte Aufwendungen dieses zugelassenen kommunalen Trägers einschließlich der Verwaltungskosten (§ 6b Abs 2 Satz 1 SGB II), kann für die Bewirtschaftung der Mittel bestimmte Vorgaben machen (§ 6b Abs 2, § 46 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB II) und hat seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie des Bundesrechnungshofs bestimmte Aufsichts- und Kontrollrechte (§ 6b Abs 3, 4 SGB II). Letztlich muss der zugelassene kommunale Träger gegenüber dem Bund die Verwendung der erhaltenen Mittel im Rahmen des SGB II belegen (§ 6b Abs 5 SGB II; vgl letztens BSG Urteil vom 12.11.2015 - B 14 AS 50/14 R).

43

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) vom 25.9.2010 bis zum 30.11.2011.

2

Die 1977 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 24.3.1998 geborenen Klägerin zu 2. Zusammen mit weiteren Familienangehörigen reisten sie am 9.2.2004 unter falschen Namen in Deutschland ein und gaben an, mazedonische Staatsangehörige zu sein. Sie erhielten bis zum 13.4.2010 Duldungen und bis zum Februar 2010 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Am 13.7.2010 wurde dem Ausländeramt ihre zutreffende Identität und ihre bulgarische Staatsangehörigkeit bekannt. Die Klägerinnen lebten mit den Eltern sowie dem Bruder der Klägerin zu 1 in einer gemeinsamen Wohnung in einem Übergangswohnheim und die Klägerin zu 2 war in der strittigen Zeit Schülerin.

3

Am 10.9.2010 stellten die Klägerinnen einen ersten und am 25.9.2010 einen zweiten Leistungsantrag bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden: Beklagter). Der zweite Antrag wurde vom Beklagten abgelehnt, weil die Klägerinnen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien(Bescheid vom 18.3.2011). Ein weiterer Antrag der Klägerinnen vom 5.8.2011 für die Zeit ab 15.7.2011 wurde ebenfalls vom Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 11.8.2011). Die Widersprüche der Klägerinnen wurden mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2011 zurückgewiesen. Kurz zuvor - Mitte September 2011 - wurden auf dem Konto der Klägerin zu 1 zunächst 1656 Euro und am 6.12.2011 weitere 7972 Euro Nachzahlungen an Kindergeld für die Klägerin zu 2 gut geschrieben.

4

Das Sozialgericht (SG) Köln hat unter Abänderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten verurteilt, den Klägerinnen vom 25.9.2010 bis zum 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II zu gewähren und die Klagen im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 27.11.2012). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Beklagten, mit der dieser eine Abweisung der Klagen insgesamt angestrebt hat, zurückgewiesen (Urteil vom 5.5.2014). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin zu 1 habe im strittigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllt. Sie sei als bulgarische Staatsangehörige unabhängig von der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung erwerbsfähig iS des § 8 Abs 2 SGB II und zumindest damals auch gesundheitlich erwerbsfähig gewesen. Sie habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und sei trotz der Kindergeldnachzahlung in Höhe von 1656 Euro Mitte September 2011 hilfebedürftig gewesen, weil dieser Betrag nach § 11 Abs 3 Satz 3 SGB II auf sechs Monate zu verteilen sei. § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II stehe ihrem Leistungsanspruch nicht entgegen, weil die Klägerin zu 1 sich in der strittigen Zeit nicht auf ein solches Aufenthaltsrecht habe berufen können. Ein Aufenthaltsrecht ihrerseits nach § 2 Abs 2 Nr 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) scheide aus, weil die Dreimonatsfrist für ein voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht abgelaufen sei und ihre Arbeitsuche ohne jede begründete Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Zudem habe sie als bulgarische Staatsangehörige eine "Arbeitserlaubnis EU" oder eine "Arbeitsberechtigung EU" nach § 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) benötigt. Auf ein anderes Aufenthaltsrecht habe die Klägerin zu 1 sich nicht berufen können. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II finde auf EU-Bürger ohne materielles Aufenthaltsrecht keine Anwendung. Die Klägerin zu 2 habe Anspruch auf Sozialgeld, weil sie mit der Klägerin zu 1 eine Bedarfsgemeinschaft bilde und nicht über ausreichendes Einkommen und Vermögen verfüge.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II. Der Aufenthalt von bulgarischen Staatsangehörigen habe während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen des § 5 Abs 5 bis 7 FreizügG/EU beendet werden können. Ohne dieses Verwaltungsverfahren bestände ein Aufenthaltsrecht. Solange bestehe eine Freizügigkeitsvermutung und ein rechtmäßiger Aufenthalt. Bei Personen wie der Klägerin zu 1, die von ihrem Freizügigkeitsrecht als arbeitsuchende Unionsbürger Gebrauch machten, seien die Erfolgsaussichten, eingestellt zu werden, nicht zu prüfen. Eine andere Auslegung - wie sie das LSG getroffen habe - führe zu dem vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis, dass Personen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht integrierbar seien, nicht vom Leistungsausschluss betroffen seien.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2014 aufzuheben und die Klagen unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 27. November 2012 insgesamt abzuweisen.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend und rügen hilfsweise die nicht erfolgte Beiladung des Sozialhilfeträgers.

Entscheidungsgründe

9

Auf die zulässige Revision des Beklagten ist das Urteil des LSG vom 5.5.2014 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung des genannten Urteils des LSG, das die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen hat, welches seinerseits den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 18.3. und 11.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2011 verurteilt hat, den Klägerinnen vom 25.9.2010 bis zum 30.11.2011 "dem Grunde nach Leistungen nach dem SGB II" zu gewähren, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klagen insgesamt abzuweisen.

11

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, weil von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel nicht zu erkennen sind und von Seiten der Beteiligten keine Verfahrensrügen - mit Ausnahme der von den Klägerinnen hilfsweise gerügten, nicht erfolgten Beiladung des Sozialhilfeträgers - erhoben wurden.

12

3. Rechtsgrundlage der von den Klägerinnen begehrten und von SG und LSG zugesprochenen "Leistungen nach dem SGB II" in der strittigen Zeit ist neben den Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen nach §§ 19 ff SGB II insbesondere § 7 SGB II über die Leistungsberechtigung dem Grunde nach.

13

Die Klägerin zu 1 erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, der die EU-Ausländer umfasst, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein Aufenthaltsrecht verfügen(dazu 5.), was bei der Klägerin zu 1 der Fall ist, trotz des Schulbesuchs der Klägerin zu 2 (dazu 6.). Diesem Leistungsausschluss stehen nicht das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) (dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das Grundgesetz (GG) (dazu 9.) entgegen. Für die Klägerin zu 1 kommen aber Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, weswegen der Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen des LSG zurückzuverweisen und der zuständige Sozialhilfeträger auf ihre hilfsweise erhobene Rüge beizuladen ist (dazu 10.). Für die Klägerin zu 2 gilt im Ergebnis nichts anderes (dazu 11. und 12.).

14

4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte die 1977 geborene Klägerin zu 1 in der strittigen Zeit vom 25.9.2010 bis zum 30.11.2011 nach den Feststellungen des LSG.

15

Sie war damals trotz gewisser gesundheitlicher Probleme erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie als bulgarische Staatsangehörige die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, bestand und ausreicht(BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 14 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff), worauf auch § 8 Abs 2 SGB II hinweist. Auf einen Antrag oder das Vorliegen einer "Arbeitserlaubnis EU" nach § 284 SGB III kommt es in solchen Fällen nicht an.

16

Die Klägerin zu 1 war hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil sie selbst nicht durchgehend über zur Bedarfsdeckung ausreichendes zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfügte und mit niemandem außer ihrer Tochter, der Klägerin zu 2, eine Bedarfsgemeinschaft bildete. Die Kindergeldnachzahlung für die Tochter in Höhe von 1656 Euro Mitte September 2011 verringerte allenfalls die Hilfebedürftigkeit der Klägerin zu 1, ließ diese im strittigen Zeitraum vorübergehend, aber nicht völlig entfallen (vgl zur Berücksichtigung von Kindergeld § 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II). Anhaltspunkte für ein Einkommen oder Vermögen ihrer Eltern oder ihres Bruders, mit denen sie in einer Wohnung lebte und das nach § 9 Abs 5 SGB II im Rahmen einer entsprechenden Vermutung zu berücksichtigen wäre, sind nicht zu erkennen.

17

Die seit dem Jahr 2004 in Deutschland lebende Klägerin zu 1 hatte hier einen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil -).

18

5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf die Klägerin zu 1 anzuwenden, weil diese sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.

19

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, wobei diese letzte Variante bei der Klägerin zu 1 von vornherein ausscheidet.

20

Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat schließt sich dem 4. Senat an, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.

21

Da die materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder das materielle Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG entscheidend sind, kommt es auf den Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach dem FreizügG/EU nicht an, weil diese nur deklaratorische Bedeutung hat und keine materielle Freizügigkeitsberechtigung begründet (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs zum FreizügG/EU in BT-Drucks 15/420 S 101 f). Im Übrigen wurde die Freizügigkeitsbescheinigung durch Änderung des § 5 FreizügG/EU mittlerweile abgeschafft. Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).

22

6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG kann sich die Klägerin zu 1 für die strittige Zeit nicht berufen.

23

a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder als Selbstständige nach § 2 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 FreizügG/EU scheidet mangels dahin gehender Aktivitäten der Klägerin zu 1 aus. Das Gleiche gilt für eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder selbstständige Erwerbstätige nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU.

24

b) Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung als Familienangehörige nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU sind den Feststellungen des LSG ebenfalls nicht zu entnehmen.

25

Insbesondere sind auch die Voraussetzungen für eine aus einer Freizügigkeitsberechtigung der Tochter abgeleitete Freizügigkeitsberechtigung als Elternteil nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 Abs 4 FreizügG/EU für die Klägerin zu 1 nicht gegeben.

26

Diese Freizügigkeitsberechtigung des Kindes eines freizügigkeitsberechtigten EU-Ausländers, der stirbt oder wegzieht, muss auch auf die Fälle angewandt werden, in denen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) das Recht des Kindes auf Zugang zum Unterricht aus Art 12 der Verordnung (EWG) Nr 1612/68, der mittlerweile durch Art 10 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 abgelöst wurde, ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Kindes eines Wanderarbeitnehmers oder ehemaligen Wanderarbeitnehmers begründet, wenn das Kind seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzen möchte. Aus diesem Aufenthaltsrecht des Kindes folgt ein entsprechendes Aufenthaltsrecht des Elternteils, der die elterliche Sorge für dieses Kind tatsächlich ausübt (vgl nur EuGH Urteil vom 13.6.2013 - C-45/12 - RdNr 46 mwN sowie BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 29 ff mwN).

27

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, weil die Klägerin zu 2 sich nicht auf die Rechtsstellung eines Kindes eines (Wander-)Arbeitnehmers nach den genannten Verordnungen berufen kann, da ihre Mutter - die Klägerin zu 1 - nach den Feststellungen des LSG nie berufstätig war und über den Vater der im Jahr 2004 eingereisten Klägerin zu 2 nichts bekannt ist, was auf einen Status als Wanderarbeitnehmer in diesem Sinne hindeutet.

28

c) Auch die Voraussetzungen einer Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach der Nr 3 oder 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts) sind mangels dahin gehender Feststellungen des LSG hinsichtlich der Klägerin zu 1 im strittigen Zeitraum nicht zu erkennen.

29

d) Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, ist nicht ersichtlich.

30

7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen(vgl zum EFA das Ausführungsgesetz vom 15.5.1956, BGBl II 563; zu dessen früherer Anwendbarkeit im Rahmen des SGB II bei einem französischen Staatsangehörigen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21; zu dessen Nichtanwendbarkeit nach dem 1.2.2012: BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff). Denn die Klägerin zu 1 ist bulgarische Staatsangehörige und Bulgarien ist kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens.

31

Durchgreifende Gründe, dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen (so wohl Eichenhofer in seiner Anmerkung zu dem Urteil des BSG vom 19.10.2010, aaO, SGb 2011, 458 ff), sind nicht zu erkennen. Im Übrigen ist die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, auf die die dahin gehenden Überlegungen gestützt werden, ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge und in der Konsequenz müssten alle völkerrechtlichen Verträge, die Deutschland geschlossen hat, automatisch auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten, was zB für die sozialrechtskoordinierenden Vorschriften innerhalb der EU erhebliche Probleme nach sich ziehen dürfte.

32

8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145 ff) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638 ff) ergibt. Auch wenn Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO Nr 883/2004/EG und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO Nr 883/2004/EG der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Unionsbürger anderer EU-Staaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).

33

9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil für die Klägerin zu 1 Leistungen der Sozialhilfe seitens des zuständigen, vom LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren beizuladenden Sozialhilfeträgers nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) in Betracht kommen.

34

Die Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte die Klägerin zu 1 nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).

35

Die Klägerin zu 1 war nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff mwN; vgl aus der Literatur mit stationär Untergebrachten und Strafgefangenen als Beispielen nur: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 21 RdNr 5, der in RdNr 1 ff die Probleme der Abgrenzung und wiederholten Änderungen der einschlägigen Vorschriften darstellt, aber andererseits in RdNr 8 fordert, die Systeme "scharf voneinander abzugrenzen"; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 21 RdNr 9: Erwerbsfähigkeit ist nicht das alleinige, ausschließliche Abgrenzungsmerkmal; Fasselt in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl 2009, § 21 RdNr 2, die zudem Ausländer anführt, deren Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II ausgeschlossen ist).

36

Ob einem Anspruch der Klägerin zu 1 auf Sozialhilfe der Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII - eingereist, um Sozialhilfe zu erlangen - entgegensteht, kann mangels Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Im Weiteren ist zu beachten, dass ebenso wie nach dem SGB II aufgrund von § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII Ausländer, die weder materiell freizügigkeitsberechtigt nach dem FreizügG/EU noch aufenthaltsberechtigt nach dem AufenthG sind, keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 48 ff). § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII beinhaltet, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, jedoch nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen auf Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 mwN, auch auf die Rspr des Bundesverwaltungsgerichts zur Vorläufervorschrift in § 120 Bundessozialhilfegesetz).

37

Hinsichtlich der Leistungen im Einzelnen, insbesondere ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen (vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff), sind weitere Feststellungen notwendig, die das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffen hat.

38

10. Aufgrund dieses möglichen Anspruchs der Klägerin zu 1 gegen den Sozialhilfeträger und dessen nicht erfolgter Beiladung, die die Klägerinnen hilfsweise gerügt haben, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.

39

Nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG ist, wenn sich in einem Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht kommt, dieser Träger beizuladen(zur Verurteilung des Beigeladenen siehe § 75 Abs 5 SGG). Die im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässige Beiladung ist vorliegend auch nicht mit Zustimmung des Beigeladenen nachzuholen (vgl § 169 SGG), weil der Rechtsstreit mangels Feststellungen des LSG ohnehin nicht entscheidungsreif, sondern zurückzuverweisen ist.

40

11. Für die Klägerin zu 2 gilt im Ergebnis nichts anderes. Sie hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

41

Da sie 1998 geboren wurde, war sie in der strittigen Zeit vom 25.9.2010 bis zum 30.11.2011 keine leistungsberechtigte Person nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II. Abgesehen von dem hier nicht einschlägigen § 7 Abs 2 Satz 3 SGB II könnte sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nur im Rahmen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II mit einer leistungsberechtigten Person haben. Die dafür vorliegend allein infrage kommende Klägerin zu 1 ist aber keine leistungsberechtigte Person nach dem SGB II aufgrund des zuvor Gesagten.

42

12. In Betracht kommen für die Klägerin zu 2 jedoch ebenfalls Leistungen nach dem SGB XII, was zunächst eine Beiladung des Sozialhilfeträgers voraussetzt.

43

Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind existenzsichernde Leistungen für einen Unionsbürger vom 1.9.2013 bis zum 21.3.2014.

2

Der 1978 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger und lebte seit Anfang 2011 in Deutschland zunächst von seinem Ersparten, ohne erwerbstätig zu sein. Schließlich besuchte er bis zum 27.9.2013 einen Kurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt, seine zahlreichen Bewerbungen waren aber erfolglos, zumal er kein Deutsch sprach. Seinen Leistungsantrag lehnte das beklagte Jobcenter ab, weil er gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei und sich aufgrund des von Deutschland erklärten Vorbehalts auch nicht auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) berufen könne(Bescheid vom 30.9.2013, Widerspruchsbescheid vom 6.11.2013). Am 22.3.2014 verzog der Kläger zur Arbeitsaufnahme nach Schweden.

3

Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide verurteilt, dem Kläger Leistungen vom 1.9.2013 bis zum 21.3.2014 zu gewähren (Urteil vom 8.5.2014). Das LSG hat auf die Berufung des Beklagten dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.3.2015). Der Kläger habe ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche gehabt und sei demgemäß von Leistungen des SGB II nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen. Dem stehe EU-Recht nicht entgegen. Auch aus dem EFA folge aufgrund der Wirksamkeit des Vorbehalts kein Anspruch.

4

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II, weil er mangels begründeter Aussicht auf eine Anstellung nicht als arbeitsuchend einzustufen sei und die Vorschrift nicht mittels eines "Erst-recht-Schlusses" erweiternd auszulegen sei. Zudem lägen Verstöße gegen das EFA und das GG vor, weil er Ansprüche auf existenzsichernde Leistungen habe - zumindest nach dem SGB XII.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. März 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Mai 2014 zurückzuweisen.

6

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Auf die zulässige Revision des Klägers ist das Urteil des LSG vom 19.3.2015 aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Zutreffend hat zwar das LSG entschieden, dass der Kläger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. In Betracht kommen aber Leistungen der Sozialhilfe, über die der Senat mangels Beiladung des Sozialhilfeträgers und ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden kann.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des LSG vom 19.3.2015 und des SG vom 8.5.2014 sowie der Bescheid des Beklagten vom 30.9.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.11.2013, soweit der Beklagte vom SG verurteilt worden ist, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1.9.2013 bis zum 21.3.2014 zu gewähren, was der Kläger wiederherzustellen begehrt, hilfsweise unter Verurteilung des Sozialhilfeträgers.

9

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen, weil von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel nicht zu erkennen sind und von Seiten der Beteiligten keine Verfahrensrügen - mit Ausnahme der vom Kläger hilfsweise gerügten, nicht erfolgten Beiladung des Sozialhilfeträgers - erhoben wurden.

10

3. Rechtsgrundlage der dem Kläger vom SG zugesprochenen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die strittige Zeit ist neben den Voraussetzungen für die einzelnen Leistungen nach §§ 19 ff SGB II insbesondere § 7 SGB II über die Leistungsberechtigung dem Grunde nach.

11

Der Kläger erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II(dazu 5. und 6.). Dem stehen nicht das EFA (dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das GG (dazu 9.) entgegen. Für den Kläger kommen aber Leistungen der Sozialhilfe in Betracht, weswegen der Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen des LSG zurückzuverweisen und der zuständige Sozialhilfeträger auf die von dem Kläger hilfsweise erhobene Rüge beizuladen ist (dazu 10.).

12

4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte der 1978 geborene Kläger in der strittigen Zeit vom 1.9.2013 bis zum 21.3.2014 nach den Feststellungen des LSG.

13

Er war erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand seiner Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für ihn als spanischer Staatsangehöriger die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, bestand und ausreicht(BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff), worauf auch § 8 Abs 2 Satz 2 SGB II hinweist. Auf einen Antrag oder das Vorliegen einer "Arbeitserlaubnis EU" nach § 284 SGB III - Arbeitsförderung - kommt es in solchen Fällen nicht an.

14

Der Kläger war hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil er selbst in der strittigen Zeit über kein zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfügte.

15

Der Kläger hatte einen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin (zu dessen Erfordernissen: § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I), weil er dort nicht nur vorübergehend, sondern bis zu seiner Ausreise zukunftsoffen verweilte (vgl nur BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 18 ff mwN).

16

5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf den Kläger anzuwenden, weil er sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.

17

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, wobei diese letzte Variante bei dem Kläger von vornherein ausscheidet.

18

Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat hat sich dem 4. Senat angeschlossen, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.

19

Da die materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder das materielle Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG entscheidend sind, kommt es auf den Besitz einer Freizügigkeitsbescheinigung nach dem FreizügG/EU nicht an, weil diese nur deklaratorische Bedeutung hat und keine materielle Freizügigkeitsberechtigung begründet (vgl nur Begründung des Gesetzentwurfs zum FreizügG/EU in BT-Drucks 15/420 S 101 f). Im Übrigen wurde die Freizügigkeitsbescheinigung durch Änderung des § 5 FreizügG/EU mittlerweile abgeschafft. Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts in entsprechender Anwendung des § 5 Abs 5 FreizügG/EU in der bis Januar 2013 geltenden Fassung oder nunmehr aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt hat(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).

20

6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss - sei er, wie das LSG angenommen hat, im streitbefangenen Zeitraum Arbeitsuchender iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II gewesen oder nicht(dazu näher unter 10. c) - umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG kann sich der Kläger für diese Zeit nicht berufen.

21

a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger nach § 2 Abs 2 Nr 1 oder 2 FreizügG/EU scheidet mangels dahingehender Aktivitäten des Klägers aus. Das Gleiche gilt für eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder selbstständiger Erwerbstätiger nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU. Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach der Nr 3 oder 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts) oder als Familienangehöriger nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Aufgrund seiner Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung des Klägers als nicht Erwerbstätiger nach § 2 Abs 2 Nr 5, § 4 FreizügG/EU aus.

22

b) Ein Aufenthaltsrecht des Klägers nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, ist nach den Feststellungen des LSG ebenfalls nicht ersichtlich.

23

7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht dem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen, weil sich der Kläger - bezogen auf die SGB II-Leistungen - nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19.12.2011 nicht mehr auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann (vgl zum EFA das Ausführungsgesetz vom 15.5.1956, BGBl II 563; zu dessen früherer Anwendbarkeit im Rahmen des SGB II bei einem französischen Staatsangehörigen: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21; zu dessen Nichtanwendbarkeit nach dem 1.2.2012: BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR 4, RdNr 33 f).

24

8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145 ff) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638 ff) ergibt. Auch wenn Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO Nr 883/2004/EG und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO Nr 883/2004/EG der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Unionsbürger anderer EU-Staaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).

25

9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss des Klägers nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil für den Kläger Leistungen der Sozialhilfe seitens des zuständigen, vom LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren beizuladenden Sozialhilfeträgers nach dem SGB XII in Betracht kommen (dazu nunmehr 10.).

26

10. a) Die Leistungsvoraussetzungen nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte der Kläger nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).

27

b) Der Kläger war auch nicht nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, RdNr 38; jeweils mwN). Im Sinne der mit § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II korrespondierenden Abgrenzungsregelung des § 21 Satz 1 SGB XII sind nach dem SGB II "als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt" grundsätzlich die Personen nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Diese Personen können Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, wenn sie nicht auch durch das SGB XII von Leistungen ausgeschlossen sind (wie zB durch § 22 SGB XII, der § 7 Abs 5 und 6 SGB II entspricht, oder durch § 23 Abs 2 SGB XII, der § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II entspricht).

28

Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien abweichende Regelungsvorstellungen zum Ausdruck gelangt sind. Denn soweit § 21 SGB XII ausweislich der Materialien durch die Anknüpfung an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren Angehörige nach dem SGB II eine eindeutige Abgrenzung leisten sollte(Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1514 S 57), ist diese allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellende Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme in den gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des SGB II und des SGB XII so nicht verwirklicht worden. Zudem sind diese seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.2005 bereits mehrfach geändert worden.

29

c) Da die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt erklärt hat, sind dem Kläger Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichbehandlung mit inländischen Staatsangehörigen zu erbringen, soweit die Anwendungsvoraussetzungen nach dem EFA vorliegen; in diesem Fall findet die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII keine Anwendung(vgl zum SGB II: BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 23 ff; vgl zum Gleichbehandlungsanspruch: BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 201; BVerwG Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139, 142; vgl zur Anwendbarkeit des Art 1 EFA im SGB XII und zur Reichweite des erklärten Vorbehalts: Urteil des BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 24 mwN; Urteil des BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - juris RdNr 20 mwN).

30

Als Grundlage des für die Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen nach Art 1 EFA vorausgesetzten erlaubten Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet in Betracht kommt hier, nachdem die Dokumentation eines sich unmittelbar aus Unionsrecht ergebenden Aufenthaltsrechts (vgl Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl 2013, § 5 FreizügG/EU RdNr 9) mit der Streichung der Bescheinigung nach § 5 Abs 1 FreizügG/EU mit Wirkung ab 29.1.2013 durch das FreizügG/EU2004uaÄndG ersatzlos entfallen ist, die materielle Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchender iS von § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1a FreizügG/EU(vgl dazu im Einzelnen BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - juris RdNr 21 ff mwN). Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind danach Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Sollte im Sinne dessen, was den Feststellungen des LSG nicht sicher zu entnehmen ist, die Spanne von bis zu sechs Monaten tatsächlicher Arbeitsuche im hier streitbefangenen Zeitraum bereits ganz oder teilweise abgelaufen gewesen sein, so war der Kläger nach diesen Voraussetzungen nur noch solange weiterhin freizügigkeitsrechtlich als arbeitsuchend anzusehen, als begründete Aussicht bestanden hat, dass er ungeachtet der fehlenden deutschen Sprachkenntnisse und der bereits fehlgeschlagenen Bewerbungsanstrengungen begründete Aussicht hatte, eingestellt zu werden (zur vergleichbaren Frage im Zusammenhang mit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 17 f). Ob es sich so verhält, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu prüfen haben.

31

d) Soweit der Kläger nach den noch zu treffenden Feststellungen ganz oder teilweise nicht mehr als Arbeitsuchender iS von § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1a FreizügG/EU und damit als materiell freizügigkeitsberechtigt anzusehen ist, so hat er - der nach den bereits getroffenen Feststellungen anfangs von Ersparnissen gelebt hat und damit nicht eingereist ist, um nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII Sozialhilfe zu erlangen(vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 45 f) - im streitbefangenen Zeitraum zwar aufgrund von § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII "erst recht" keinen Anspruch auf Sozialhilfe(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 48 ff). Jedoch beinhaltet § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen auf Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht(vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 mwN, auch auf die Rspr des BVerwG zur Vorläufervorschrift in § 120 BSHG). Aufgrund dieser Ermessensregelung in § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII kommen für vom Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII erfasste Personen auch die Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, auf die für nicht vom Leistungsausschluss erfasste Personen ein Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII besteht. Dieses Verständnis des systematischen Verhältnisses von § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII zu § 23 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB XII, das den Zugang zu den Leistungen nach dem SGB XII, insbesondere der Hilfe zum Lebensunterhalt, eröffnet, ist angezeigt in einer verfassungsrechtlichen Perspektive durch das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG(zu diesem grundlegend BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) bei einem tatsächlichen Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland, gegen den ausländerbehördliche Maßnahmen nicht ergriffen werden, sondern dessen Aufenthalt faktisch geduldet wird (vgl zur Geltung des Grundrechts als Menschenrecht für ausländische Staatsangehörige, die sich in Deutschland aufhalten, BVerfG Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - BVerfGE 132, 134, insbesondere RdNr 63; dort auch RdNr 92 ff zur insoweit ohnehin nur begrenzten Relevanz der Aufenthaltsdauer).

32

Auf die Möglichkeit einer Heimkehr des Ausländers in sein Herkunftsland kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Möglichkeit ist im Hinblick auf die Ausgestaltung des genannten Grundrechts als Menschenrecht schon verfassungsrechtlich jedenfalls solange unbeachtlich, wie der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland von den zuständigen Behörden faktisch geduldet wird. Ungeachtet dessen findet der Verweis auf eine so verstandene Selbsthilfe in dieser Lage nach dem derzeit geltenden Recht auch sozialhilferechtlich keine Grundlage. Zwar erhält Sozialhilfe nach dem Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB XII nicht, wer sich - vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens - selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist jedoch nach der Rechtsprechung des Sozialhilfesenats des BSG keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne Weiteres realisierbar sind (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R - BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 25 mwN). Für die Annahme einer solchen Ausnahmelage fehlt indes - nachdem eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen Verweis auf die Rückkehr in das Heimatland nach geltendem Recht im SGB XII nicht besteht - ohne Begründung einer Ausreisepflicht des Ausländers als Ergebnis eines ausländerbehördlichen Verfahrens schon im Ansatz jeder Anhaltspunkt.

33

Hinsichtlich der Leistungen im Einzelnen, insbesondere ob vorliegend die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf null vorliegen (vgl dazu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff; vgl auch BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, RdNr 44 ff), sind weitere Feststellungen notwendig, die das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu treffen hat.

34

11. Aufgrund dieses möglichen Anspruchs des Klägers gegen den Sozialhilfeträger und dessen nicht erfolgter Beiladung, die der Kläger hilfsweise gerügt hat, ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.

35

Nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG ist, wenn sich in einem Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein Träger der Sozialhilfe als leistungspflichtig in Betracht kommt, dieser Träger beizuladen(zur Verurteilung des Beigeladenen siehe § 75 Abs 5 SGG). Die im Revisionsverfahren grundsätzlich unzulässige Beiladung ist vorliegend auch nicht mit Zustimmung des Beigeladenen nachzuholen (vgl § 169 SGG), weil der Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen zu den Anwendungsvoraussetzungen des EFA ohnehin nicht entscheidungsreif, sondern zurückzuverweisen ist.

36

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2015 und des Sozialgerichts Köln vom 19. August 2014 aufgehoben sowie die Klagen gegen den Beklagten abgewiesen.

Die Beigeladene wird verurteilt, über die Ansprüche der Klägerin zu 1 vom 15. Februar 2013 bis zum 14. Mai 2013 und der Kläger zu 2 und 3 vom 9. März 2013 bis zum 14. Mai 2013 auf Leistungen nach dem SGB XII unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden sowie ihnen vom 15. Mai 2013 bis zum 30. September 2014 Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.

Die Beigeladene hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten. Ansonsten haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit sind existenzsichernde Leistungen für Unionsbürger vom 15.2.2013 bis zum 30.9.2014.

2

Die Kläger sind bulgarische Staatsangehörige. Die 1989 geborene Klägerin zu 1 reiste am 15.11.2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie hatte in Bulgarien vier Jahre die Schule besucht und ein halbes Jahr als Putzfrau gearbeitet. Sie verfügte bei ihrer Einreise über keine deutschen Sprachkenntnisse. Zu diesem Zeitpunkt war sie mit den Klägern zu 2 und 3 schwanger. Bei einer Untersuchung am 4.12.2012 wurden eine Risikoschwangerschaft und ein Frühgeburtsrisiko festgestellt; errechneter Geburtstermin war der 29.3.2013. Die Klägerin zu 1 gebar am 9.3.2013 die Kläger zu 2 und 3.

3

Am 21.12.2012 stellte sie einen Leistungsantrag beim beklagten Jobcenter und gab an, sie sei wegen ihrer Schwangerschaft von ihrem Ex-Freund bedroht worden und deshalb nach Deutschland geflohen. Sie habe Schutz vor ihm suchen müssen und gehofft, Arbeit zu finden.

4

Ab 10.1.2013 war die Klägerin zu 1 und waren später auch die Kläger zu 2 und 3 ordnungsbehördlich untergebracht. Ein von der Ausländerbehörde der beigeladenen Stadt K. im April 2013 eingeleitetes Verfahren zur Feststellung des Verlusts des Aufenthalts- und Einreiserechts der Kläger wurde seit Mitte 2013 seitens der Behörde nicht weiter betrieben, nachdem die Klägerin zu 1 in diesem Verfahren ihr Schicksal geschildert hatte.

5

Den Leistungsantrag der Klägerin zu 1 vom 21.12.2012 lehnte der Beklagte unter Hinweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 SGB II ab(Bescheid vom 14.2.2013; Widerspruchsbescheid vom 13.3.2013). Am 6.8.2013 stellte die Klägerin zu 1 für sich und die Kläger zu 2 und 3 einen Weiterbewilligungsantrag, den der Beklagte unter Hinweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ablehnte(Bescheid vom 15.8.2013; Widerspruchsbescheid vom 24.10.2013).

6

Aufgrund von stattgebenden Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG Köln zahlte der Beklagte der Klägerin zu 1 vom 21.2.2013 und später auch den Klägern zu 2 und 3 bis 21.8.2013 und ab 16.9.2013 ("längstens bis zum Abschluss des Rechtsstreits S 24 AS 1392/13") vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die gegen die Ablehnungen erhobenen Klagen vor dem SG (S 24 AS 1392/13 und S 24 AS 4485/13) verband dieses zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und verurteilte den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, der Klägerin zu 1 "Leistungen" ab 21.1.2013 und den Klägern zu 2 und 3 ab 9.3.2013 "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen" (Urteil vom 19.8.2014). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht anzuwenden sei, da dieser gegen höherrangiges europäisches Recht verstoße.

7

Am 27.10.2014 stellten die Kläger einen Weiterbewilligungsantrag, den der Beklagte ablehnte (Bescheid vom 7.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 3.2.2015). Hiergegen ist Klage vor dem SG erhoben (S 19 AS 597/15).

8

Gegen seine Verurteilung durch das SG legte der Beklagte Berufung beim LSG Nordrhein-Westfalen ein. Im Berufungsverfahren lud das LSG die Stadt K. nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG bei, weil sie bei Ablehnung des Anspruchs als Träger der Sozialhilfe nach dem SGB XII als leistungspflichtig in Betracht komme. Die Berufung des Beklagten wies das LSG zurück (Urteil vom 1.6.2015), nachdem die Klägerin zu 1 ihr Leistungsbegehren auf die Zeit ab 15.2.2013 und das Leistungsbegehren aller Kläger auf die Zeit bis 30.9.2014 beschränkt und die weitergehende Klage zurückgenommen hatte. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin zu 1 erfülle im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und sei nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 oder 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II greife nicht ein, weil die Klägerin zu 1 am 15.11.2012 eingereist und der Dreimonatszeitraum des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II zu Beginn des streitigen Zeitraums am 15.2.2013 bereits abgelaufen gewesen sei. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II greife nicht ein, denn die Klägerin zu 1 habe im streitigen Zeitraum kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche innegehabt, weil ihre Arbeitsuche objektiv ohne begründete Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Ihr hätten auch keine anderen Aufenthaltsrechte zugestanden. Auch die Kläger zu 2 und 3 hätten nicht über ein Aufenthaltsrecht verfügt. Auf Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht finde der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II keine Anwendung. Der Klägerin zu 1 stehe deshalb Alg II und den Klägern zu 2 und 3 Sozialgeld zu, denn sie hätten mit der Klägerin zu 1 als einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II gelebt.

9

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, weil die Klägerin zu 1 ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche herleiten könne. Der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II erfasse zudem europarechtskonform auch EU-Ausländer, die wirtschaftlich inaktiv seien, ohne über ausreichende Existenzmittel und einen Krankenversicherungsschutz zu verfügen.

10

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2015 und des Sozialgerichts Köln vom 19. August 2014 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

11

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, der Klägerin zu 1 vom 15. Februar 2013 bis zum 30. September 2014 und den Klägern zu 2 und 3 vom 9. März 2013 bis zum 30. September 2014 Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.

12

Sie tragen ua vor, der Aufenthalt der Klägerin zu 1 sei auch humanitär bedingt, sodass § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II keine Anwendung finde.

13

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben und die Klagen gegen den Beklagten abzuweisen, weil dieser zu Recht einen Anspruch der Kläger auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt hat. Jedoch sind die Klagen nicht insgesamt abzuweisen, sondern es ist als anderer leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2, Abs 5 SGG die Beigeladene als Sozialhilfeträger zu verurteilen, den Klägern im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren.

15

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Aufhebung der Urteile des LSG und des SG, durch die der Beklagte zur Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an die Kläger verurteilt worden ist, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klagen abzuweisen. Streitig ist nach den entsprechenden Erklärungen der Kläger vor dem LSG nur noch der Zeitraum für die Klägerin zu 1 vom 15.2.2013 und für die Kläger zu 2 und 3 ab Geburt vom 9.3.2013 bis jeweils zum 30.9.2014.

16

2. Zutreffende Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG). Als solche zulässig sind auch die Klagen der Kläger zu 2 und 3 gegen den Bescheid des Beklagten vom 14.2.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.3.2013 für den Zeitraum vom 9.3.2013 bis 31.7.2013. Dem steht nicht entgegen, dass beide in diesem Bescheid keine Erwähnung gefunden haben. Denn der Leistungsantrag der Klägerin zu 1 vom 21.12.2012 erfasste aufgrund von § 38 Abs 1 Satz 1 SGB II auch die Kläger zu 2 und 3 ab ihrer Geburt am 9.3.2013. Damit sind sie ebenfalls Adressaten der Leistungsablehnung durch den Bescheid vom 14.2.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.3.2013.

17

Zulässig ist auch der im Revisionsverfahren gestellte Hilfsantrag auf Verurteilung der Beigeladenen (vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 13). Weder diesem Antrag noch dem mit dem Hauptantrag weiterverfolgten Leistungsantrag gegen den Beklagten steht entgegen, dass die Kläger für Teilzeiträume des streitigen Zeitraums bereits aufgrund stattgebender Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufige Leistungen erhalten haben (vgl BSG, aaO, RdNr 14).

18

3. Die Kläger haben im streitigen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Klägerin zu 1 erfüllt zwar die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu 4.), unterliegt jedoch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II, der die EU-Ausländer umfasst, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein Aufenthaltsrecht verfügen(dazu 5.), was bei der Klägerin zu 1 der Fall ist, trotz eines in Betracht kommenden Aufenthaltsrechts aus humanitären Gründen (dazu 6.). Diesem Leistungsausschluss stehen nicht das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) (dazu 7.), das Recht der Europäischen Union (EU) (dazu 8.) oder das GG (dazu 9.) entgegen.

19

Doch sind den Klägern von der Beigeladenen Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Der Anwendbarkeit des SGB XII auf die Klägerin zu 1 steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen(dazu 10.). Die Beigeladene muss sich die Kenntnis des Beklagten vom Existenzsicherungsbedarf der Klägerin zu 1 zurechnen lassen (dazu 11.). Zwar unterliegt die Klägerin zu 1 dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII und ist dieser mit dem EFA und dem EU-Recht vereinbar(dazu 12.), doch schließt dies nicht Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII aus(dazu 13.). Ab 15.5.2013 kann die Klägerin zu 1 aufgrund einer Ermessensreduzierung auf null Leistungen nach dem SGB XII beanspruchen (dazu 14.). Für die Kläger zu 2 und 3 gilt im Ergebnis nichts anderes (dazu 15. und 16.).

20

4. Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erfüllte die 1989 geborene Klägerin zu 1 in der streitigen Zeit vom 15.2.2013 bis zum 30.9.2014 nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG).

21

Sie war trotz ihrer Schwanger- und Mutterschaft erwerbsfähig nach § 8 Abs 1 SGB II und die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit stand ihrer Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie als bulgarische Staatsangehörige die Möglichkeit, dass eine Beschäftigung erlaubt werden könnte, bestand und ausreicht(vgl BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 13 ff). Die Klägerin zu 1 war auch hilfebedürftig nach §§ 9, 11 ff SGB II, weil sie selbst nicht über zur Bedarfsdeckung ausreichendes zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfügte und mit niemandem außer ihren Kindern, den Klägern zu 2 und 3, eine Bedarfsgemeinschaft bildete. Die vom LSG festgestellten Einnahmen der Klägerin zu 1 einschließlich des Elterngeldes ließen, insbesondere wegen der Höhe der festgestellten Bedarfe für Unterkunft und Heizung, ihre Hilfebedürftigkeit nicht entfallen. Die am 15.11.2012 in Deutschland eingereiste Klägerin zu 1 hatte hier auf der Grundlage der Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 3 Satz 1 SGB I).

22

5. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II ist auf die Klägerin zu 1 anzuwenden, weil diese sich weder auf eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen kann, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag.

23

Nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II sind "ausgenommen" - also keine leistungsberechtigten Personen iS des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und ohne Leistungsberechtigung nach dem SGB II - nach Nr 1 Ausländerinnen und Ausländer, die in Deutschland keine Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder nicht nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts, nach Nr 2 Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie nach Nr 3 Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, wobei diese letzte Variante bei der Klägerin zu 1 von vornherein ausscheidet.

24

Über diese wortwörtlich geregelten Fälle hinaus umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II erst recht die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen. Der erkennende 14. Senat schließt sich dem 4. Senat an, der dies unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des Leistungsausschlusses, seine systematischen Zusammenhänge sowie den Sinn und Zweck der Vorschrift begründet hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff; so bereits Urteile des Senats vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, B 14 AS 18/14 R und B 14 AS 33/14 R). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass einerseits EU-Ausländer, die zB über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche verfügen, von Leistungen nach dem SGB II, die auch der Integration in den Arbeitsmarkt dienen sollen, ausgeschlossen sind, andererseits aber EU-Ausländern, die ohne Bereitschaft zu arbeiten oder ohne Aussicht auf Arbeit, also ohne materielle Freizügigkeitsberechtigung, und ohne ausreichende eigene finanzielle Mittel sich in Deutschland aufhalten, Leistungen nach dem SGB II zu erbringen sind.

25

Von den materiellen Freizügigkeitsberechtigungen nach dem FreizügG/EU zu unterscheiden ist die generelle Freizügigkeitsvermutung für EU-Ausländer, für deren rechtmäßige Einreise nach Deutschland ein gültiger Pass genügt (§ 2 Abs 5 FreizügG/EU). Aufgrund dieser generellen Freizügigkeitsvermutung muss der Aufenthalt eines EU-Ausländers zumindest solange als rechtmäßig angesehen werden, bis die zuständige Ausländerbehörde das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts aufgrund von § 5 Abs 4 FreizügG/EU bzw der Missbrauchstatbestände in § 2 Abs 7 FreizügG/EU festgestellt und damit nach § 7 Abs 1 FreizügG/EU die sofortige Ausreisepflicht begründet hat(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 34 mwN).

26

6. Auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, oder ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag, kann sich die Klägerin zu 1 im streitigen Zeitraum nicht berufen.

27

a) Eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder als Selbstständige nach § 2 Abs 2 Nr 1 oder 2 FreizügG/EU scheidet mangels dahin gehender Aktivitäten der Klägerin zu 1 aus. Das Gleiche gilt für eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmerin oder selbstständige Erwerbstätige nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU. Die Voraussetzungen für eine Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU nach der Nr 3 oder 4 (Erbringer oder Empfänger von Dienstleistungen) sowie Nr 7 (Inhaber eines Daueraufenthaltsrechts) oder als Familienangehörige nach § 2 Abs 2 Nr 6, § 3 FreizügG/EU sind den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II scheidet auch eine Freizügigkeitsberechtigung der Klägerin zu 1 als nicht Erwerbstätige nach § 2 Abs 2 Nr 5, § 4 FreizügG/EU aus.

28

b) Ein Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1 nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 Satz 11 FreizügG/EU, das eine Ausnahme vom Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II zu rechtfertigen vermag, ist aufgrund der Feststellungen des LSG nicht ersichtlich.

29

Denn vorliegend kommt allenfalls ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht aufgrund einer Aufenthaltserlaubnis aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen nach § 25 Abs 4 AufenthG wegen der Risikoschwangerschaft der Klägerin zu 1 bei ihrer Einreise nach Deutschland und der Geburt ihrer Kinder hier in Betracht, nicht aber ein Aufenthaltsrecht mit längerfristiger Bleibeperspektive, wie es sich zB aus den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung ergeben kann(vgl BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34; vgl auch BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, RdNr 30 ff). Nur ein Aufenthaltsrecht, das eine längerfristige Bleibeperspektive vermittelt und das deshalb auch einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht entgegensteht, ist geeignet als Ausnahme zu § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II den Zugang zu Leistungen nach dem SGB II zu eröffnen. Ohne längerfristige Bleibeperspektive ist die Eröffnung des Zugangs zu diesen Leistungen einschließlich denen zur Eingliederung in Arbeit nicht sachgerecht. Die hier allenfalls in Betracht kommende Erteilung und ggf Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 4 Satz 1 und 2 AufenthG mag mit einem erlaubten, aber nur vorübergehenden Aufenthalt zwar eine Antwort des Aufenthaltsrechts auf eine Krisensituation der Klägerin zu 1 bieten, lässt die Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II auf sie nach dessen Sinn und Zweck indes unberührt.

30

7. Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht diesem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Denn das EFA ist weder nach seinem sachlichen (zur Nichtanwendbarkeit des EFA im Rahmen des SGB II aufgrund des von Deutschland erklärten Vorbehalts BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR, RdNr 18 ff) noch nach seinem persönlichen Anwendungsbereich einschlägig, weil die Klägerin zu 1 bulgarische Staatsangehörige und Bulgarien kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist.

31

8. Mit EU-Recht ist dieser Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II vereinbar, wie sich aus den Entscheidungen des EuGH vom 11.11.2014 (C-333/13 - Dano, NJW 2015, 145) und vom 15.9.2015 (C-67/14 - Alimanovic, SGb 2015, 638) ergibt. Auch wenn Alg II und Sozialgeld nach dem SGB II als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen iS des Art 70 VO (EG) Nr 883/2004 und als "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG eingeordnet werden, stehen Art 24 Abs 1 iVm Art 7 Abs 1 Buchst b RL 2004/38/EG und Art 4 VO (EG) Nr 883/2004 der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen) vom Bezug dieser Leistungen ausgeschlossen werden, sofern diesen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der RL 2004/38/EG zusteht (EuGH Urteil vom 11.11.2014, aaO, RdNr 84). Gleiches gilt für Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten (einschließlich ihrer Familienangehörigen), die nach Deutschland eingereist sind, um Arbeit zu suchen, wenn sie nicht Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder ihnen dieser Status erhalten geblieben ist (EuGH Urteil vom 15.9.2015, aaO, RdNr 63).

32

9. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen diesem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen. Der Leistungsausschluss ist insbesondere schon deshalb mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG vereinbar, weil der Klägerin zu 1 existenzsichernde Leistungen durch die Beigeladene nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu gewähren sind.

33

10. Die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII erfüllte die Klägerin zu 1 nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Hinsichtlich der nach § 18 Abs 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des beigeladenen Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des beklagten Jobcenters zu verweisen(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 39 mwN).

34

11. Der Anwendbarkeit des SGB XII auf die Klägerin zu 1 steht § 21 Satz 1 SGB XII nicht entgegen.

35

Die Klägerin zu 1 war danach nicht von Leistungen für den Lebensunterhalt ausgeschlossen, weil die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert werden kann, sondern differenzierter ist (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 40 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, RdNr 38; jeweils mwN). Im Sinne der mit § 5 Abs 2 Satz 1 SGB II korrespondierenden Abgrenzungsregelung des § 21 Satz 1 SGB XII sind nach dem SGB II "als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt" grundsätzlich die Personen nicht, die auch bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen des SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Diese Personen können Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, wenn sie nicht auch durch das SGB XII von Leistungen ausgeschlossen sind (wie zB durch § 22 SGB XII, der § 7 Abs 5 und 6 SGB II entspricht, oder durch § 23 Abs 2 SGB XII, der § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II entspricht).

36

Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien abweichende Regelungsvorstellungen zum Ausdruck gelangt sind. Denn soweit § 21 SGB XII ausweislich der Materialien durch die Anknüpfung an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren Angehörige nach dem SGB II eine eindeutige Abgrenzung leisten sollte(Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 5.9.2003, BT-Drucks 15/1514 S 57), ist diese allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit abstellende Abgrenzung der existenzsichernden Leistungssysteme in den gesetzlichen Abgrenzungsregelungen des SGB II und des SGB XII so nicht verwirklicht worden. Zudem sind diese seit ihrem Inkrafttreten am 1.1.2005 bereits mehrfach geändert worden.

37

12. Die Klägerin zu 1 unterliegt indes dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII. Danach haben Ausländer, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen, oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.

38

a) Zwar ist die Klägerin zu 1 nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG nicht eingereist, um iS des § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII Sozialhilfe zu erlangen. Hierfür wäre Voraussetzung, dass der Zweck, Sozialhilfe zu erlangen, den Einreiseentschluss geprägt hat (BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 45 mwN). Ein solcher finaler Zusammenhang ist hier nicht gegeben, denn die Klägerin zu 1 ist eingereist zu ihrem und zum Schutz ihrer ungeborenen Kinder vor ihrem Ex-Freund. Doch sind ebenso wie nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII EU-Ausländer, die weder über eine Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG verfügen, vom Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen(BSG, aaO, RdNr 48 ff).

39

b) Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA steht diesem Leistungsausschluss der Klägerin zu 1 nicht entgegen (zur Anwendbarkeit des EFA im Rahmen des SGB XII BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - juris RdNr 20 ff), weil die Klägerin zu 1 bulgarische Staatsangehörige und Bulgarien kein Unterzeichnerstaat dieses Abkommens ist. Durchgreifende Gründe, dieses völkerrechtliche Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen (so wohl Eichenhofer, SGb 2011, 458), sind nicht zu erkennen (BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in SozR, RdNr 34). Der Ausschluss vom Anspruch auf Sozialhilfe ist auch mit dem EU-Recht vereinbar; hier gilt nichts anderes wie zum Leistungsausschluss im SGB II.

40

13. Die Anwendung des Leistungsausschlusses nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII führt indes nicht zum Ausschluss auch von Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII.

41

§ 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII beinhaltet, wie schon dem Wortlaut entnommen werden kann, nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe iS des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII, nicht aber von im Wege des Ermessens zu gewährenden Leistungen der Sozialhilfe, wie sie § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII vorsieht(BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 51 f mwN, auch auf die Rspr des BVerwG zur Vorläufervorschrift in § 120 BSHG). Aufgrund dieser Ermessensregelung in § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII kommen für vom Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII erfasste Personen auch die Leistungen nach dem SGB XII in Betracht, auf die für nicht vom Leistungsausschluss erfasste Personen ein Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XII besteht. Dieses Verständnis des systematischen Verhältnisses von § 23 Abs 3 Satz 1 SGB XII zu § 23 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB XII, das den Zugang zu den Leistungen nach dem SGB XII, insbesondere der Hilfe zum Lebensunterhalt, eröffnet, ist angezeigt in einer verfassungsrechtlichen Perspektive durch das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG(zu diesem grundlegend BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12) bei einem tatsächlichen Aufenthalt eines Ausländers in Deutschland, gegen den ausländerbehördliche Maßnahmen nicht ergriffen werden, sondern dessen Aufenthalt faktisch geduldet wird (vgl zur Geltung des Grundrechts als Menschenrecht für ausländische Staatsangehörige, die sich in Deutschland aufhalten, BVerfG Urteil vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua - BVerfGE 132, 134, insbesondere RdNr 63; dort auch RdNr 92 ff zur insoweit ohnehin nur begrenzten Relevanz der Aufenthaltsdauer).

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Auf die Möglichkeit einer Heimkehr des Ausländers in sein Herkunftsland kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Möglichkeit ist im Hinblick auf die Ausgestaltung des genannten Grundrechts als Menschenrecht schon verfassungsrechtlich jedenfalls solange unbeachtlich, wie der tatsächliche Aufenthalt in Deutschland von den zuständigen Behörden faktisch geduldet wird. Ungeachtet dessen findet der Verweis auf eine so verstandene Selbsthilfe in dieser Lage nach dem derzeit geltenden Recht auch sozialhilferechtlich keine Grundlage. Zwar erhält Sozialhilfe nach dem Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB XII nicht, wer sich - vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens - selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Diese Vorschrift ist jedoch nach der Rechtsprechung des Sozialhilfesenats des BSG keine eigenständige Ausschlussnorm, sondern ihr kommt regelmäßig nur im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden sonstigen Vorschriften des SGB XII Bedeutung zu; ein Leistungsausschluss ohne Rückgriff auf andere Normen des SGB XII ist mithin allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn sich der Bedürftige generell eigenen Bemühungen verschließt und Ansprüche ohne Weiteres realisierbar sind (stRspr; vgl zuletzt BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R - BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 25 mwN). Für die Annahme einer solchen Ausnahmelage fehlt indes - nachdem eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen Verweis auf die Rückkehr in das Heimatland nach geltendem Recht im SGB XII nicht besteht - ohne Begründung einer Ausreisepflicht des Ausländers als Ergebnis eines ausländerbehördlichen Verfahrens schon im Ansatz jeder Anhaltspunkt.

43

Auf dieser Grundlage hat die Klägerin zu 1 zunächst einen Anspruch gegen die Beigeladene auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Diese wird über das Leistungsbegehren der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 15.2.2013 bis 14.5.2013 eine Ermessensentscheidung dem Grunde und der Höhe nach zu treffen haben. Bei dieser ist zu berücksichtigen, dass zum einen Ermessensgesichtspunkte dafür, Leistungen ganz abzulehnen, nicht ersichtlich sind, und zum anderen, dass neben den unmittelbar existenzsichernden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27 ff SGB XII auch Leistungen im Rahmen der Hilfen zur Gesundheit nach §§ 47 ff SGB XII in Betracht kommen, zumal für die in dieser Zeit hochschwangere Klägerin zu 1, die am 9.3.2013 ihre beiden Kinder gebar.

44

14. Ab 15.5.2013 stehen der Klägerin zu 1 sodann nach § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII aufgrund einer Ermessensreduzierung auf null Leistungen nach dem SGB XII zu.

45

Das Ermessen der Beigeladenen ist ab diesem Zeitpunkt dem Grunde und der Höhe nach auf null reduziert, weil sich der Aufenthalt der Klägerin zu 1 nach Ablauf von sechs Monaten tatsächlichem Aufenthalt in Deutschland so verfestigt hat, dass die Erbringung existenzsichernder Leistungen nur im Einzelfall nach Ermessen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr genügt (vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung vorgesehen in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 53 ff). Aufgrund dieser Anforderungen können EU-Ausländern nach Ablauf von sechs Monaten keine oder nur verminderte existenzsichernde Leistungen im Ermessenswege allenfalls gewährt werden, wenn sich ihr Aufenthalt trotz dieses Zeitablaufs entgegen dem Regelfall nicht verfestigt hat oder sie sich nur noch absehbar kurzzeitig in Deutschland aufhalten (vgl BSG, aaO, RdNr 58). Dies ist bei der Klägerin zu 1 nicht der Fall, nachdem die Ausländerbehörde das innerhalb der ersten sechs Monate eingeleitete Verlustfeststellungsverfahren aufgrund des Schicksals der Klägerin zu 1 nicht weiter betrieben und ihren weiteren Aufenthalt in Deutschland faktisch geduldet hat. Doch steht die Einleitung dieses Verlustfeststellungsverfahrens zugleich der ausnahmsweisen Annahme einer Aufenthaltsverfestigung abweichend vom Regelfall bereits vor Ablauf von sechs Monaten entgegen; eine Ermessensreduzierung auf null vor dem 15.5.2013 scheidet aus.

46

Mit der Verfestigung ihres tatsächlichen, von der Ausländerbehörde faktisch geduldeten Aufenthalts stehen der Klägerin zu 1 ausgehend vom Tag ihrer Einreise am 15.11.2012 nach Ablauf von sechs Monaten ab 15.5.2013 dem Grunde und der Höhe nach die gesetzlichen existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII zu. Auch insoweit gilt, dass diese Leistungen neben der Hilfe zum Lebensunterhalt auch die Hilfen zur Gesundheit nach dem SGB XII umfassen.

47

15. Für die am 9.3.2013 in Deutschland geborenen Kläger zu 2 und 3 gilt im Ergebnis nichts anderes. Sie haben keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

48

Abgesehen von dem hier nicht einschlägigen § 7 Abs 2 Satz 3 SGB II könnten sie einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nur über eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II mit einer leistungsberechtigten Person haben. Die dafür vorliegend allein infrage kommende Klägerin zu 1 ist jedoch keine leistungsberechtigte Person nach dem SGB II, sondern - wie oben gezeigt - von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

49

16. Doch sind ebenso wie für die Klägerin zu 1 auch für die Kläger zu 2 und 3 im streitigen Zeitraum Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erfüllten sie nach den Feststellungen des LSG zu den Voraussetzungen des § 7 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Nr 4 SGB II.

50

Als Familienangehörige iS des § 3 Abs 1, Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU eines sich in Deutschland aufhaltenden EU-Ausländers unterliegen wie die Klägerin zu 1 zwar auch sie dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB XII. Für die Zeit vom 9.3.2013 bis 14.5.2013 haben sie indes wie die Klägerin zu 1 als deren mit ihr in einem Haushalt lebende Kinder aufgrund von § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII gegen die Beigeladene einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Leistungen nach dem SGB XII. Ab 15.5.2013 stehen sodann auch ihnen aufgrund einer Ermessensreduzierung auf null dem Grunde und der Höhe nach die Leistungen nach dem SGB XII zu. Zwar hielten sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht länger als sechs Monate tatsächlich in Deutschland auf, doch kommen keine Ermessensgesichtspunkte dafür in Betracht, der Klägerin zu 1, ihrer Mutter, ab diesem Zeitpunkt Leistungen nach dem SGB XII im Wege einer Ermessensreduzierung auf null zuzuerkennen, den Klägern zu 2 und 3 aber noch nicht.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 3.11.2010 bis zum 19.6.2011.

2

Die Kläger sind rumänische Staatsangehörige. Die 1978 geborenen Kläger zu 1 und 2 leben seit 1992 zusammen, ohne verheiratet zu sein; der im November 1997 geborene Kläger zu 3, der im streitigen Zeitraum eine Schule besuchte und für den sie Kindergeld erhielten, ist ihr gemeinsamer Sohn.

3

Der Kläger zu 1 besuchte in Rumänien vier Jahre die Schule. Er verfügt über keine Berufsausbildung und besitzt einen Führerschein der Klasse B. Von 1999 bis 2008 lebte und arbeitete er als Saisonarbeiter in der Tomatenernte in Belgien. Ende September 2008 kam er nach Deutschland und wohnt seit dem 25.9.2009 in G Für die Zeit vom 19.3. bis zum 19.6.2009 wurde ihm eine Freizügigkeitsbescheinigung erteilt. Nachdem die Stadt G zunächst die erneute Ausstellung einer Freizügigkeitsbescheinigung verweigert hatte, wurde ihm eine solche erneut am 17.6.2011 ausgestellt. Im Besitz einer unbefristeten Arbeitsberechtigung/EU ist er seit Oktober 2011.

4

Die Klägerin zu 2 erlernte nach vierjährigem Schulbesuch in Rumänien keinen Beruf. In der Zeit von 1999 bis 2008 lebte sie mit den Klägern in Belgien. Seit September 2009 bis zur zwangsweisen Räumung der Wohnung im Juni 2011 bewohnte die Familie eine Wohnung in G Die Klägerin zu 2 besuchte 2010 für etwa acht Monate einen Integrationskurs (Deutschkurs) und ist seit Januar 2012 mit Unterbrechungen als Reinigungskraft mit einem monatlichen Entgelt in Höhe von 100 Euro bzw - ab Februar - 200 Euro monatlich tätig.

5

Neben einer Unterstützung durch caritative Einrichtungen (Diakonie, Tafel) und Familienangehörige erzielten die Kläger eigene Einkünfte (120 bis 130 Euro monatlich) durch die Verbreitung der Obdachlosenzeitung "fiftyfifty", die von mehreren Wohlfahrtsverbänden herausgegeben wird. Die Verteiler der Zeitschrift erhalten einen Ausweis, aus dem hervorgeht, dass "fiftyfifty"-Vertreiber von materieller Armut betroffen sind. Die Zeitung wurde im streitigen Zeitraum vom Verlag für 0,90 Euro an die Vertreiber ausgegeben und für 1,80 Euro verkauft.

6

Nachdem die Kläger zunächst bis Oktober 2010 SGB II-Leistungen erhalten hatten, lehnte der Beklagte ihren Antrag vom 3.11.2010 ab (Bescheid vom 9.11.2010; Widerspruchsbescheid vom 29.12.2010). Die Klage hatte keinen Erfolg (Urteil des SG vom 20.11.2012). Auf ihre Berufung hat das LSG das erstinstanzliche Urteil geändert und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 9.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010 verurteilt, "den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Regelleistung und Kosten der Unterkunft) für die Zeit vom 3.11.2010 bis zum 19.6.2011 unter Anrechnung monatlichen Einkommens der Kläger zu 1 und 2 von jeweils 130 Euro und des Klägers zu 3 von 184 Euro (Kindergeld) nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren" (Urteil vom 28.11.2013). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass die Kläger zu 1 und 2 zwar die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II erfüllten, jedoch wegen eines Aufenthalts allein zur Arbeitsuche von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen seien. Hieran ändere die längere Arbeitslosigkeit der Kläger zu 1 und 2 nichts. Die Arbeitsuche der Kläger zu 1 und 2 sei prognostisch nicht ohne begründete Aussicht auf Erfolg gewesen. Sie möge sich, wie die lange Zeit der Arbeitslosigkeit zeige, schwierig gestaltet haben. Sie möge auch deshalb von vornherein weniger Aussicht auf Erfolg versprochen haben, weil die Kläger nicht auf eine Berufsausbildung verweisen könnten. Trotzdem seien sie in ihrem bisherigen Aufenthaltsstaat Belgien über Jahre im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt gewesen. Angesichts ihrer bisherigen Erwerbsbiografie sei nicht ersichtlich, dass ihre Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vornherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können/sollen, zumindest wieder als Saisonarbeiter tätig zu sein. Bei der Bewertung der längeren Zeit erfolgloser Bemühungen sei zudem zu berücksichtigen, dass die Kläger nur in der Zeit des geregelten Leistungsbezugs durch den Beklagten bei der Arbeitsuche durch sog aktivierende Leistungen unterstützt worden seien. Vor diesem Hintergrund seien die Eigenbemühungen jedenfalls nach Durchlaufen eines Integrationskurses auch zum Erlernen der deutschen Sprache für die Klägerin erfolgreich, die sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck deutlich besser verständigen könne; beim Kläger zu 1, der diesen Kurs erst noch absolvieren werde, dauerten sie an. Gleichwohl hätten die Kläger einen Leistungsanspruch nach dem SGB II, denn der Leistungsausschluss sei europarechtswidrig, weil er gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 4 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO Nr 883/2004) verstoße.

7

Mit seiner hiergegen gerichteten Revision macht der Beklagte geltend, ein Anwendungsvorrang europäischen Sekundärrechts bestehe nicht. Es sei grundsätzlich Sache der Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaats, die Voraussetzungen für einen Anspruch auf besondere beitragsunabhängige Geldleistungen festzulegen.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. November 2013 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20. November 2012 zurückzuweisen.

9

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie machen geltend, mit sekundärem Gemeinschaftsrecht sei es nicht vereinbar, dass ein Unionsbürger, der sich allein zur Arbeitsuche zulässig in Deutschland aufhalte oder aufgehalten habe, ohne dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet seien, automatisch und ohne Möglichkeit einer weiteren Einzelfallprüfung unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen werde.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das Urteil des LSG ist aufzuheben, soweit der Beklagte zur Erbringung von SGB II-Leistungen verurteilt worden ist. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (2). Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden, weil das Verfahren an dem in der Revisionsinstanz fortwirkenden Mangel leidet, dass das LSG den für eine mögliche Leistung nach §§ 27 ff SGB XII zuständigen Sozialhilfeträger nicht nach § 75 Abs 2 2. Alt SGG - mit der Möglichkeit der Verurteilung nach § 75 Abs 5 SGG - beigeladen hat(3).

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG vom 28.11.2013, das Urteil des SG vom 20.11.2012 sowie der SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnende Bescheid des Beklagten vom 9.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.12.2010. In zeitlicher Hinsicht haben die Kläger den geltend gemachten Anspruch auf den Zeitraum vom 3.11.2010 bis 19.6.2011 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate beschränkt, wonach ein nachfolgender Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, hier derjenige vom 20.6.2011, den im sozialgerichtlichen Verfahren streitigen Leistungszeitraum begrenzt (vgl nur BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28 RdNr 13 mwN).

13

2. a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten. Unbesehen ihrer Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II iVm § 9 SGB II, ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II; vgl zum Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 17 ff)und der Erfüllung der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II im streitigen Zeitraum zumindest durch die Kläger zu 1 und 2 sowie deren Erwerbsfähigkeit(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II - auch nach § 8 Abs 2 SGB II, weil ihnen als Rumänen trotz seinerzeit nur eingeschränkter Arbeitnehmerfreizügigkeit als EU-Ausländern die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können - vgl BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 14 ff)sind sie von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II(idF vom 28.8.2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008) ausgeschlossen. Danach sind von den benannten Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige, die weder in der Bundesrepublik Deutschland noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II kommt wegen des durchgehenden Aufenthalts der Kläger im Bundesgebiet seit September 2009 von vornherein nicht in Betracht.

14

b) Die Kläger zu 1 und 2 unterfallen jedoch dem Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Es kann hier dahinstehen, ob sie im streitigen Zeitraum weiterhin - entsprechend den Feststellungen und rechtlichen Wertungen des LSG - über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende verfügten (vgl zum rechtlichen Maßstab für die Voraussetzungen eines unionsrechtlich geprägten Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II und dessen möglichen Verlust nunmehr BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen, RdNr 16 ff mwN; siehe auch BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 29 ff mwN). Soweit sie über eine solche Freizügigkeitsberechtigung verfügen sollten, wären sie - hiervon ist auch bereits das LSG ausgegangen - ebenso wie für den Fall, dass keine Freizügigkeitsberechtigung mehr gegeben sein sollte, nicht leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 2 Nr 2 SGB II. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG sind - über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus - auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des FreizügG/EU berufen können(vgl ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen, RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - RdNr 20 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - RdNr 24 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, auch zur Abgrenzung einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung von der generellen Freizügigkeitsvermutung).

15

In dieser Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist die Ausschlussregelung nach den Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache Dano(Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 - NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen, RdNr 35; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - RdNr 35 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - RdNr 31 zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Eine vom Berufungsgericht mit Bezug auf die Entscheidung des EuGH vom 19.9.2013 (C-140/12 ) noch gesehene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung des SGB II-Leistungsausschlusses ist in den genannten Entscheidungen des EuGH nicht mehr gefordert worden. Vielmehr wurde betont, dass "ein Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit, in dem der Anspruch auf Sozialhilfe aufrechterhalten" bleibe, eine "Rechtssicherheit und Transparenz" gewährleistende Regelung sei, die "zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" stehe (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - juris RdNr 61; vgl auch Eichenhofer in ZESAR 2016, 37, 38).

16

c) Unter Berücksichtigung der Feststellungen des LSG liegen bei den Klägern zu 1 und 2 auch nicht die Voraussetzungen für eine andere materielle Freizügigkeitsberechtigung als diejenige zur Arbeitsuche bzw für ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG, insbesondere vermittels der Günstigkeitsregelung in § 11 Abs 1 FreizügG/EU, vor(vgl zu dem Prüfungsmaßstab im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II insofern: BSG Urteil vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 34), das eine Ausnahme vom Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag. Sie waren - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - insbesondere nicht als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt (vgl zu dem europarechtlich geprägten Begriff des Arbeitnehmers in § 7 Abs 1 S 2 SGB II und die Ablehnung der Arbeitnehmereigenschaft in einem gleichgelagerten Sachverhalt bei Verkauf der Obdachlosenzeitschrift "fiftyfifty" - Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen, RdNr 26 ff). Die Kläger unterfallen daher dem Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.

17

3. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss der Kläger nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG - existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII seitens des zuständigen Sozialhilfeträgers(nach so genannter unechter notwendiger Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 245 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - RdNr 10) in Betracht kommen (vgl zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt: Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

18

Über diesen Anspruch konnte der Senat jedoch nicht abschließend befinden. Es sind insoweit rechtliche und - bezogen auf den Sozialhilfeanspruch - tatsächliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im bisherigen Klageverfahren noch nicht erörtert werden konnten. Dies betrifft ggf auch Feststellungen des LSG zur aufenthaltsrechtlichen Situation der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum (vgl BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - RdNr 55 ff - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen). Zwar haben die Kläger die unterbliebene unechte notwendige Beiladung in der Revisionsinstanz im Wege der Verfahrensgegenrüge geltend gemacht (BSG Urteil vom 7.2.2002 - B 7 AL 28/01 R - ZfS 2002, 238; BSGE 61, 197, 199 = SozR 7323 § 9 Nr 1 S 2; BSGE 59, 284, 290 = SozR 2200 § 539 Nr 114 S 323; BSG SozR 1500 § 75 Nr 47; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 4a mwN). Von der nach § 168 S 2 SGG eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der Senat jedoch aus den soeben dargelegten Gründen keinen Gebrauch gemacht. Eine abschließende Entscheidung würde daher auch das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) des beizuladenden Sozialhilfeträgers verletzen (vgl BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 20/08 R - RdNr 11).

19

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 8.1.2013 bis 31.5.2013.

2

Die 1981 geborene Klägerin spanischer Staatsangehörigkeit ist am 28.2.2012 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (Freizügigkeitsbescheinigung vom 28.2.2012). Gemeinsam mit einer weiteren Person bewohnte sie seit 1.3.2012 in Berlin eine 2,5-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 73 qm und einer Mietbelastung von insgesamt 750 Euro, von der sie einen Anteil in Höhe von 375 Euro trägt. Anlässlich ihres Antrags auf SGB II-Leistungen vom 10.5.2012 überreichte sie eine Anmeldung ihrer Arbeitgeberin M. C. bei der Minijobzentrale ("Haushaltsscheck") vom 22.4.2012 zu einer Beschäftigung ab 18.4.2012 mit einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 400 Euro. Sie reichte Rechnungen vom 29.5.2012 für eine 30-stündige Betreuung der Kinder der Arbeitgeberin zu einem Entgelt von 250 Euro, jeweils für die Monate April und Mai 2012, ein. Später teilte die Klägerin mit, sie habe für den Monat Juli 2012 noch ein Entgelt in Höhe von 80 Euro für zehn Stunden Kinderbetreuung erhalten. Die Tätigkeit endete zum 7.7.2012 (Schreiben der Klägerin vom 7.7.2012; Abmeldung zum 7.7.2012).

3

Nachdem die Klägerin zunächst bis Ende November 2012 SGB II-Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erhalten hatte, lehnte der Beklagte ihren SGB II-Antrag vom 26.10.2012 ab (Bescheid vom 7.12.2012; Widerspruchsbescheid vom 12.3.2013). Im sozialgerichtlichen Verfahren erkannte er mit einem von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnis einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.12.2012 bis 7.1.2013 an. Sodann hat das SG den Bescheid vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.3.2013 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, der Klägerin auch für die Zeit vom 8.1.2013 bis zum 31.5.2013 Leistungen in Höhe von 757 Euro monatlich zu erbringen (Urteil vom 7.11.2013).

4

Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.6.2015). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin sei nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im maßgeblichen Zeitraum allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergeben habe. Der Leistungsausschluss erfasse auch Unionsbürger nach Verlust des fortwirkenden Status als Arbeitnehmer. Jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung sei der Senat von der Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II nicht überzeugt. Da die Klägerin nach dem Verlust der lediglich knapp drei Monate ausgeübten geringfügigen Tätigkeit im weiteren Verlauf erfolglos nach Arbeit gesucht habe, liege eine Verbindung mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht mehr vor. Auch sonstige Gründe, die nach Prüfung des vorliegenden Einzelfalls eine Leistung nach dem SGB II (zB wegen familiärer Kontakte) ausnahmsweise notwendig gemacht hätten, seien nicht gegeben. Aus dem Europäischen Fürsorgeabkommen (EFA) ergebe sich kein Anspruch. Einer Beiladung des Sozialhilfeträgers habe es nicht bedurft. Die Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII ständen nicht in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis, sondern schlössen sich gegenseitig aus.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Durch die Entscheidung des EuGH vom 15.9.2015 sei die Frage der Europarechtskonformität des Leistungsausschlusses des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II nicht abschließend entschieden. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II sei einer einschränkenden Auslegung insofern zugänglich, als sie jedenfalls Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nicht erfasse, die bereits eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt aufgebaut hätten. Dies treffe auf sie zu, weil sie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und Pflichten aus einer Eingliederungsvereinbarung erfülle. Zudem sei die - hier ab 8.1.2013 - eingreifende, fixe Sechsmonatsgrenze des § 7 Abs 1 S 2 SGB II iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU in Art 7 Abs 3 lit c der UnionsbürgerRL nicht angelegt. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der nicht nur im Europarecht verankert sei, sondern auch aus dem Grundgesetz folge, müsse geprüft werden, ob die Begrenzung auf maximal sechs Monate verhältnismäßig sei. Einer Anwendbarkeit des Leistungsausschlusses stehe das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA entgegen. Die Klägerin rügt weiter eine fehlende Beiladung des Sozialhilfeträgers. Da sich der von der Bundesregierung gegen das EFA erklärte Vorbehalt nur auf SGB II-Leistungen beziehe, seien - in entsprechender Auslegung des innerstaatlichen Rechts - SGB XII-Leistungen zu erbringen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juni 2015 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. November 2013 zurückzuweisen, hilfsweise den beizuladenden Sozialhilfeträger zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 8. Januar 2013 bis 31. Mai 2013 Leistungen nach dem SGB XII zu erbringen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er vertritt mit Bezug auf das Urteil des EuGH vom 15.9.2015 (Rs C-67/14 ) die Ansicht, dass die Klägerin von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sei und die Berücksichtigung persönlicher Umstände bei einer Fallgestaltung wie derjenigen der Klägerin nicht erforderlich sei.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Zwar ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum vom 8.1.2013 bis 31.5.2013 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II hat, weil sie dem Ausschluss hiervon nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II unterliegt. Der Senat kann aber nicht abschließend entscheiden, weil als anderer leistungspflichtiger Träger nach § 75 Abs 2 Alt 2 SGG der zuständige Sozialhilfeträger in Betracht kommt, dessen Beiladung das LSG nach der nunmehr im Revisionsverfahren erfolgten Rüge der Klägerin nachzuholen hat.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG vom 18.6.2015, das Urteil des SG vom 7.11.2013 sowie der SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ablehnende Bescheid des Beklagten vom 7.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.3.2013. In zeitlicher Hinsicht hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf den Zeitraum vom 8.1.2013 bis 31.5.2013 beschränkt.

11

2. a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten. Zwar lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG entnehmen, dass sie die im SGB II normierten Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum erfüllte. Sie ist jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 und 2 SGB II(idF vom 28.8.2007 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007, BGBl I 1970, 2008) ausgeschlossen. Danach sind von den benannten Leistungen ausgenommen 1. Ausländerinnen und Ausländer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige, die weder in der Bundesrepublik Deutschland noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts und 2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Der Ausschlussgrund des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II kommt wegen des durchgehenden Aufenthalts der Klägerin im Bundesgebiet seit Februar 2012 von vornherein nicht in Betracht.

12

b) Die Klägerin unterfällt jedoch dem Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. In dem streitigen Zeitraum kann sie sich weder auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU, die nicht von diesem Leistungsausschluss umfasst ist, noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem AufenthG berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine etwaige - zuvor durch die Tätigkeiten der Klägerin im Bundesgebiet erworbene - Erwerbstätigeneigenschaft im streitigen Zeitraum jedenfalls nicht mehr erhalten geblieben ist und andere Aufenthaltsrechte nicht vorliegen.

13

Zeitliche Grenzen der Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft ergeben sich aus § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU. Hiernach bleibt ein entsprechender Status als Arbeitnehmerin (oder Selbstständige) "bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung … während der Dauer von sechs Monaten unberührt". Im Falle der Klägerin war dieser Zeitraum am 7.1.2013 abgelaufen. Auf europarechtlicher Ebene bestimmt Art 7 Abs 3 Buchst c RL 2004/38/EG, dass einem Erwerbstätigen, wenn er sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt, seine Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten bleibt. Während dieses Zeitraums behält der betreffende Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat sein Aufenthaltsrecht nach Art 7 der Richtlinie und kann sich auf das in Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG verankerte Gleichbehandlungsgebot berufen.

14

Soweit die Klägerin meint, die Richtlinie gebe die Möglichkeit einer weiteren Abstufung vor, wenn der Zeitraum von sechs Monaten unzureichend sei, um die Rechte und Pflichten eindeutig zu erfassen, folgt hieraus kein über die Umsetzung in § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU hinausgehender Gestaltungsauftrag an den nationalen Gesetzgeber. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelung. Die erweiterte Regelung des Art 8 Abs VII c des Kommissionsentwurfs zur UnionsbürgerRL (vgl KOM <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine Arbeitslosenleistung, bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") (vgl KOM <2001>257 endg: "c) er sich bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit infolge des Ablaufs seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung stellt; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten; hat er Anspruch auf eine Arbeitslosenleistung, bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft erhalten, bis der Anspruch erlischt") ist nicht in die Endfassung der RL übernommen worden (vgl Dienelt in Bergmann/ Dienelt, 11. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 107 ff, 112 f). Entsprechend hat der EuGH sowohl in seinem Urteil vom 4.6.2009 (Rs C-22/08/Rs C-23/08 juris RdNr 32) als auch in seinem Urteil vom 15.9.2015 (Rs C-67/14 juris RdNr 61) betont, dass "ein Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit, in dem der Anspruch auf Sozialhilfe aufrechterhalten" bleibe, eine "Rechtssicherheit und Transparenz" gewährleistende Regelung sei, die "zugleich im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit" stehe. Ausdrücklich wird betont, dass "§ 7 Abs 1 SGB II in Verbindung mit § 2 Abs 3 FreizügG/EU als auch Art 7 Abs 3 Buchst c der Richtlinie 2004/38" auf einen Zeitraum von sechs Monaten nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit abstelle(Urteil vom 15.9.2015 - Rs C-67/14 juris RdNr 61).

15

c) Soweit die Klägerin - entsprechend den Feststellungen des LSG, dass sich für sie ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe - ab 8.1.2013 weiterhin über eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende verfügt hat, wäre sie ebenso wie für den Fall, dass keine Freizügigkeitsberechtigung mehr gegeben sein sollte, nicht leistungsberechtigt iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG sind - über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus - auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen Leistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine solche materielle Freizügigkeitsberechtigung iS des FreizügG/EU berufen können(vgl ausführlich Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen - RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 20; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 24, auch zur Abgrenzung einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung von der generellen Freizügigkeitsvermutung).

16

d) In dieser Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist die Ausschlussregelung nach den Ent-scheidungen des EuGH in der Rechtssache Dano(Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache Alimanovic (Urteil vom 15.9.2015 - C-67/14 - SGb 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen - RdNr 35; BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 35; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - RdNr 31). Weiter ist als geklärt anzusehen, dass der nach dem Wortlaut des § 7 Abs 1 S 2 SGB II normierte, ausnahmslose Ausschluss der Arbeitsuchenden von SGB II-Leistungen auch bereits im Bundesgebiet beschäftigt gewesene Unionsbürgerinnen und Unionsbürger erfasst, die weniger als ein Jahr gearbeitet haben. Haben diese - wie hier die Klägerin nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - nach Ablauf der Aufrechterhaltung ihrer Erwerbstätigeneigenschaft für den Zeitraum von sechs Monaten erneut ein Aufenthaltsrecht nur (noch) zur Arbeitsuche, steht der nachfolgende ausnahmslose Ausschluss von SGB II-Leistungen (vgl Frage 2 des Vorlagebeschlusses des Senats vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R) unabhängig von der Dauer des rein tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalts der (wieder) Arbeitsuchenden im Bundesgebiet sowie deren familiärer Umstände nach dieser Entscheidung des EuGH im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Art 4 der VO (EG) Nr 883/2004 und Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG. Der Hinweis der Klägerin, dass der Beklagte sie durch Abschluss der Eingliederungsvereinbarung im Mai 2012 verpflichtet habe, an einem durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten und im Juni 2013 erfolgreich beendeten Integrationskurs in Vollzeit teilzunehmen, kann daher - unbesehen des Umstandes, ob dies neuer und damit nicht zu berücksichtigender Vortrag im Revisionsverfahren ist - keine Berücksichtigung finden.

17

e) Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 15.9.2015 zugrunde gelegt, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht (gleichzeitig) als finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, eingestuft werden können, sondern ausschließlich als "Sozialhilfe" iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG anzusehen sind (Rs C-67/14 SGb 2015, 638 ff; bestätigt durch EuGH Urteil vom 25.2.2016 - C-299/14 - juris RdNr 37). Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben sich dem angeschlossen, weshalb - anders als die Klägerin es sieht - ein Verstoß gegen das in Art 45, 18 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot bei finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, nicht diskutiert wird. Entgegen ihrer Ansicht ist der Leistungsausschluss auch nicht aufgrund einer Ungleichbehandlung als spanische Staatsangehörige gegenüber denjenigen Österreichs, die nach Art 2 Abs 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Fürsorge- und Jugendwohlfahrtspflege vom 17.1.1966 Anspruch auf Fürsorgeleistungen ohne Vorbehaltserklärung hätten, unanwendbar. Insofern hat der 14. Senat des BSG zu Recht darauf verwiesen, dass durchgreifende Gründe dafür, ein anspruchsbegründendes völkerrechtliches Abkommen zwischen bestimmten Staaten, die zwar (mittlerweile) größtenteils zur EU gehören, auf die Staatsangehörigen auch anderer Mitgliedstaaten der EU auszudehnen, nicht zu erkennen sind (vgl BSG Urteil vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R - RdNr 33 f zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit ist ein typisches Merkmal völkerrechtlicher Verträge, ohne dass alle völkerrechtlichen Verträge, die Deutschland geschlossen hat, automatisch anspruchsbegründend auch für alle in Deutschland lebenden EU-Ausländer gelten (BSG aaO).

18

f) Bezogen auf die SGB II-Leistungen kann sich die Klägerin - nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19.12.2011 - im streitigen Zeitraum auch nicht mehr auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen (vgl hierzu im Einzelnen Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen - RdNr 18 ff; vgl auch BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

19

g) Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss der Klägerin nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II nicht entgegen, weil für sie - nach der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG - existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII seitens des zuständigen Sozialhilfeträgers(nach so genannter unechter notwendiger Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 245 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10) in Betracht kommen (vgl zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Hilfe zum Lebensunterhalt: Urteil des Senats vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 43 vorgesehen; BSG Urteil vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

20

3. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren nach Beiladung des Sozialhilfeträgers (so genannte unechte notwendige Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 247 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 12; BSG Urteil vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10) prüfen müssen, ob die Klägerin existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII beanspruchen kann.

21

Die Klägerin hat die unterbliebene unechte notwendige Beiladung in der Revisionsinstanz geltend gemacht. Von der nach § 168 S 2 SGG eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der Senat gleichwohl keinen Gebrauch gemacht. Bei der zu treffenden Entscheidung sind auch rechtliche und nicht geprüfte - einen möglichen Sozialhilfeanspruch betreffende - tatsächliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die im bisherigen Klageverfahren noch nicht erörtert werden konnten. Insbesondere fehlen Feststellungen des LSG zu einer Hilfebedürftigkeit der Klägerin, insbesondere zum Vorhandensein von Einkommen oder Vermögen, nach den Maßstäben des SGB XII.

22

Sind die Leistungsvoraussetzungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erfüllt, wird das Berufungsgericht allerdings davon ausgehen können, dass Sozialhilfeleistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer Gleichstellung mit inländischen Staatsangehörigen weiterhin zu erbringen sind. Bezogen auf diese Leistungen hat die Bundesregierung keinen Vorbehalt zum EFA erklärt. Die Ausschlussregelung des § 23 Abs 3 S 1 SGB XII findet von vornherein keine Anwendung. Die Gleichbehandlung erfordert einen erlaubten Aufenthalt des Staatsangehörigen aus einem Vertragsstaat des EFA-Angehörigen, der hier jedenfalls bei einem vom LSG festgestellten Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gegeben ist (vgl hierzu BSG Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 59/13 R - juris RdNr 20 ff).

23

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu zahlen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010.

2

Die 1988 geborene Klägerin bulgarischer Staatsangehörigkeit reiste am 28.7.2009 mit einem bulgarischen Reisepass über den Grenzübergang Gradina (Bulgarien) aus und zu einem späteren, nicht exakt bekannten Zeitpunkt in die Bundesrepublik ein. Einwohnermelderechtlich wurde sie erstmals am 8.4.2010 "aus Bulgarien kommend" in Stuttgart erfasst. In der Zeit vor dem 8.4.2010 verfügte sie nicht über eine Arbeitserlaubnis und war nicht als Beschäftigte (bei einer Einzugsstelle oder der Minijobzentrale) gemeldet. Die Klägerin war seit Januar 2010 schwanger und wurde am 27.10.2010 von einem Mädchen entbunden. Am 6.7.2010 beantragte sie bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab sie an, Vater des erwarteten Kindes sei ihr Lebensgefährte. Zu diesem Zeitpunkt hatte dieser als griechischer Staatsangehöriger einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt. Die Klägerin wies durch eine Urkunde des Jugendamts vom 20.7.2010 die Anerkennung der Vaterschaft nach. Über eine von ihr am 21.7.2010 bei der BA beantragte Erteilung einer Arbeitsgenehmigung-EU ohne Bezug zu einer konkreten Beschäftigung wurde zunächst nicht entschieden.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen nach dem SGB II ab (Bescheid vom 28.7.2010; Widerspruchsbescheid vom 10.8.2010). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3.3.2011). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 16.5.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin verfüge über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach allen Erkenntnissen des Verfahrens habe sie bereits im Streitzeitraum beabsichtigt, in Deutschland zu bleiben. Ihr Aufenthalt sei auch in einer Weise verfestigt gewesen, dass von seiner Dauerhaftigkeit auszugehen sei. Die Anmietung einer Wohnung mit dem Lebensgefährten sei geplant gewesen. Das erwartete Kind habe von seiner Geburt an die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben dürfen, weil sein Vater einen mehr als achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland zurückgelegt habe. Die Klägerin sei nicht aus Rechtsgründen iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig einzustufen gewesen. Auch ein Unionsbürger, der noch nicht die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit genieße, sondern einer Arbeitserlaubnis bedürfe, sei zumindest dann erwerbsfähig iS von § 8 SGB II, wenn der Erlaubnisvorbehalt allein aus Nachrangigkeitsgründen bestehe und daher zumindest eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könne. Dies sei bei der Klägerin der Fall.

4

Der Leistungsanspruch sei jedoch nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ausgeschlossen, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt gewesen sei. Andere Aufenthaltsgründe lägen nicht vor. Insbesondere sei die Klägerin in Deutschland nicht als oder wie eine Arbeitnehmerin beschäftigt gewesen. Im Hinblick auf ihr Kind habe die Klägerin kein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige erwerben können, weil sie erst ab Geburt des Kindes "Verwandte" iS von § 3 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU gewesen sei. Ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art 4 iVm Art 70 der Verordnung (EG) Nr 883/2004 liege nicht vor. Dieses trete hinter die Regelung in Art 24 Abs 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) zurück. Zur Sozialhilfe iS des Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG zählten auch die Regelleistung und die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den §§ 20, 22 SGB II sowie - im Fall der Klägerin - die Mehrbedarfsleistungen für Schwangere. Diesen Leistungen fehle der spezifische Bezug zum Arbeitsmarkt, der einen Vorrang der VO (EG) Nr 883/2004 gegenüber der FreizügRL begründe. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II iVm Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG sei als speziellere Regelung anwendbar. Auch ein Verstoß des § 7 Abs 1 S 2 SGB II gegen die Regelungen des EFA sei nicht ersichtlich, weil Bulgarien nicht Signatarstaat sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das Berufungsurteil trage dem Schutz des ungeborenen Lebens nicht ausreichend Rechnung. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu den aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen der bevorstehenden Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich seines ungeborenen Kindes sei übertragbar. Dies folge aus dem Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und der aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitenden Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes. Es sei dem Vater zu ermöglichen, den in § 1615f BGB festgelegten Unterhalt als Naturalunterhalt zu erbringen. Dass der Unionsgesetzgeber eine solche Situation nicht vorhergesehen habe, führe allenfalls dazu, dass sich das Aufenthaltsrecht nicht aus dem Sekundär- sondern dem Primärrecht ergebe. Die werdende Mutter habe in der Zeit der Schwangerschaft einen aufenthaltsrechtlich geschützten Anspruch auf Beistand durch den "werdenden" Vater. Leistungsansprüche im Rahmen der sozialen Koordinierung seien durch die Unionsbürger-Richtlinie nicht ausgeschlossen, weil der EuGH soziale Ansprüche aus dem Freizügigkeitsregime und aus den Regelungen über die sozialrechtliche Koordinierung als konkurrierende behandele.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. März 2011 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Mai 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. August 2010 zu verurteilen, ihr Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 6. Juli 2010 bis 4. Oktober 2010 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

8

Die Klägerin könne über die Schwangerschaft keine Eigenschaft als Familienangehörige konstruieren. Zwar stünden sich - vor Erklärung des Vorbehalts der Bundesregierung - aus Rumänien und Bulgarien stammende EU-Bürger bei Leistungen nach dem SGB II schlechter als Ausländer, die gleichzeitig EFA-Staatsangehörige seien. Dieses unterschiedliche Ergebnis verstoße jedoch nicht gegen Unionsrecht, weil es durch die (befristet) eingeschränkte Freizügigkeit bulgarischer Staatsangehöriger gerechtfertigt sei, die insoweit auch das ansonsten unionsrechtlich geltende Diskriminierungsverbot einschränke.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen und der Beklagte haben einen Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu Unrecht verneint.

10

1. Streitgegenstand sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, die der Beklagte mit Bescheid vom 28.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.8.2010 abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum ausdrücklich auf die Zeit vom 6.7.2010 bis 4.10.2010 beschränkt.

11

2. Die Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum sämtliche Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 SGB II und war auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen.

12

Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs 1 S 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin bewegte sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs 1 Nr 1 SGB II und war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 SGG) hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II.

13

3. Die Klägerin war auch erwerbsfähig iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II iVm § 8 SGB II. Nach § 8 Abs 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf (nicht) absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. IS von § 8 Abs 1 SGB II können Ausländerinnen und Ausländer nur erwerbstätig sein, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte(§ 8 Abs 2 SGB II) .

14

Nach den Feststellungen des LSG standen körperliche Gründe iS von § 8 Abs 1 SGB II einer Erwerbsfähigkeit nicht entgegen. Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin nicht iS von § 8 Abs 2 SGB II als erwerbsunfähig anzusehen war. Zwar bleibt für EU-Bürger der zum 1.1.2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien (vgl Vertrag über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union vom 25.4.2005 ) die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art 45 AEUV) für eine Übergangsfrist von sieben Jahren bis zum 31.12.2013 in der Weise beschränkt, dass die bestehenden nationalen Regelungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Staatsangehörige auch für diese neuen EU-Bürger beibehalten wurden. Staatsangehörige dieser Länder können sich nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU als Art 2 des ZuwanderungsG vom 30.7.2004 ; vgl § 1 Abs 2 Nr 1 AufenthG) grundsätzlich frei innerhalb der EU bewegen, benötigen zur Beschäftigungsaufnahme in Deutschland in der Übergangszeit aber weiterhin eine Arbeitsgenehmigung-EU (§ 284 Abs 1 S 2 SGB III idF des Gesetzes vom 7.12.2006, BGBl I 2814).

15

Die Klägerin war nicht im Besitz einer Arbeitsgenehmigung. Es ist jedoch ausreichend, dass ihr vorbehaltlich der Vorlage eines konkreten, überprüfbaren Stellenangebots eines künftigen Arbeitgebers im streitigen Zeitraum die Aufnahme einer Beschäftigung hätte erlaubt werden können. Soweit das SG eine Erwerbsfähigkeit ohne weitere Ermittlungen mit der Begründung verneint hat, dass keine konkrete und realisierbare Möglichkeit zur Erteilung einer Arbeitsgenehmigung/EU bestanden habe, unterstellt es zu Unrecht, dass in jedem Einzelfall eine konkret-rechtliche Möglichkeit der Beschäftigungsaufnahme geprüft werden muss. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung iS des § 8 Abs 2 SGB II erlaubt ist oder erlaubt werden könnte, reicht es jedoch aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung zur Beschäftigungsaufnahme durch die BA erlaubt sein könnte, auch wenn dies bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber(§ 39 Abs 2 AufenthG) verhindert wird. Unabhängig hiervon ist Unionsbürgern, also auch Rumänen und Bulgaren, Vorrang gegenüber Drittstaatsangehörigen einzuräumen ("Gemeinschaftsprivileg" HK-AuslR/Clodius, 1. Aufl 2008, Anhang zum FreizügG/§ 284 SGB III RdNr 19). Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich nunmehr auch aus dem mit Wirkung zum 1.4.2011 (BGBl I 453) eingefügten § 8 Abs 2 S 2 SGB II. Dieser bestimmt, dass die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist(BT-Drucks 15/1749 S 31 "Klarstellung"; BT-Drucks 15/1516 S 52).

16

Einen solchen - gegenüber deutschen Staatsangehörigen und uneingeschränkt freizügigkeitsberechtigten EU-Bürgern - nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt hatte die Klägerin im streitigen Zeitraum, weil ihr eine Arbeitsgenehmigung/EU nach § 284 Abs 3 SGB III iVm § 39 Abs 2 Nr 1 AufenthG, etwa für eine Tätigkeit als Hilfskraft(vgl hierzu auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 13 RdNr 44), hätte erteilt werden können. Staatsangehörige aus den neuen EU-Beitrittsländern, die - wie die Klägerin - seit längerer Zeit in Deutschland wohnen, sind nicht als "Neueinreisende" iS von § 284 Abs 4 SGB III (mit "Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland") anzusehen, für die weitergehende Beschränkungen gelten(Dienelt aaO).

17

4. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iS von § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II.

18

Nach § 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 S 2 SGB I hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Diese Definition gilt für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, soweit sich nicht aus seinen besonderen Teilen etwas anderes ergibt (§ 37 SGB I). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 5 S 8). Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Mit einem Abstellen auf den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik soll - auch im Sinne einer Missbrauchsabwehr - ausgeschlossen werden, dass ein Wohnsitz zur Erlangung von Sozialleistungen im Wesentlichen nur formal begründet, dieser jedoch tatsächlich weder genutzt noch beibehalten werden soll (Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 24 mit Verweis auf BT-Drucks 7/3786 S 5 zu § 30; zur Begründung eines Wohnsitzes "nach den faktischen Verhältnissen" iS von Art 1 lit j VO (EG) 883/2004 unter Einbeziehung der Definition in Art 11 VO (EG) Nr 987/2009 und Abgrenzung zur "legal residence in Directive 2004/38" Frings, Grundsicherungsleistungen für Unionsbürger unter dem Einfluss der VO (EG) Nr 883/2004 in ZAR, 2012, 317 ff, 322).

19

Jedenfalls für den Bereich des SGB II läuft es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwider, wenn unter Berufung auf eine sog Einfärbungslehre vor allem des früheren 4. Senats des BSG (vgl hierzu BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 21 S 45 ff; ähnlich BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 31 ff; anders für die Familienversicherung nach § 10 SGB V: BSGE 80, 209 ff, 211 f = BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 12 S 52 f) dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmende Tatbestandsmerkmale im Sinne von rechtlichen Erfordernissen zum Aufenthaltsstatus aufgestellt werden (vgl Schlegel in jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2012, § 30 RdNr 26, 50 ff)und damit einzelnen Personengruppen der Zugang zu existenzsichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts versperrt wird. Zudem hat der Gesetzgeber diese Rechtsprechung nur in Teilbereichen, etwa beim Kinder-, Erziehungs- und Elterngeld, aufgegriffen und einen Anspruch von einem definierten Aufenthaltsstatus abhängig gemacht (vgl zB § 1 Abs 7 BEEG; § 1 Abs 6 BErzGG idF bis zum 31.12.2006; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Differenzierungskriterien: BVerfGE 111, 176 ff = SozR 4-7833 § 1 Nr 4). Ein diesen Regelungen entsprechendes, also zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal im Sinne des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG fehlt im SGB II. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II in einer anderen Regelungssystematik ein Ausschlusskriterium von SGB II-Leistungen nur für diejenigen Ausländer vorgesehen, deren "Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt".

20

Unabhängig hiervon liegt eine fehlende Dauerhaftigkeit des Aufenthalts im Sinne einer nicht vorhandenen Zukunftsoffenheit bei Unionsbürgern regelmäßig nicht vor, weil ihr Aufenthalt nicht nach einer bereits vorliegenden Entscheidung der dafür allein zuständigen Ausländerbehörde auflösend befristet oder auflösend bedingt ist. Zwar verfügte die Klägerin - anders als in den vom 14. Senat des BSG entschiedenen Fallgestaltungen (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17) -offenbar (Feststellungen des LSG hierzu fehlen) nicht über eine Freizügigkeitsbescheinigung (§ 5 FreizügG/EU; entfallen durch Art 1 des Gesetzes zur Änderung des FreizügigkeitsG/EU und weitere aufenthaltsrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013 ). Einer solchen Bescheinigung kommt aber lediglich deklaratorische Bedeutung zu, weil sich das Freizügigkeitsrecht unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergibt (BT-Drucks 15/420 S 101; BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 17; BVerwGE 110, 40, 53: subjektiv-öffentliches Unionsbürgerrecht unabhängig vom Zweck seiner Inanspruchnahme). Auch bei Staatsangehörigen aus den neuen Mitgliedstaaten kann der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahren, beendet werden(Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 2. Aufl 2011, § 13 RdNr 57, 61; OVG Bremen Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4). Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen iS des Art 21 AEUV nicht erfüllt (Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 1. Aufl 2008, § 2 FreizügG RdNr 4 mwN).

21

Auch § 13 FreizügG/EU steht der Vermutung einer Freizügigkeit nicht entgegen. Danach findet, soweit ua nach Maßgabe des Vertrags vom 25.4.2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (BGBl II 1146) abweichende Regelungen anwendbar sind, das FreizügG/EU Anwendung, wenn die Beschäftigung durch die BA gemäß § 284 Abs 1 SGB III genehmigt wurde. Trotz des unklaren Wortlauts des § 13 FreizügG/EU schränkt der Umstand, dass die Beitrittsverträge nationale Übergangsmaßnahmen im Hinblick auf den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt innerhalb eines längstens sieben Jahre dauernden Zeitraums durch die Mitgliedstaaten zulassen, nicht grundsätzlich das Freizügigkeitsrecht der neuen Unionsbürger ein(OVG Hamburg Beschluss vom 21.1.2011 - 1 B 242/10, juris-RdNr 4; HK-AuslR/Geyer, 1. Aufl 2008, § 13 FreizügG RdNr 2).

22

5. Der Anspruch auf SGB II-Leistungen ist auch nicht nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) greift der Anspruchsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II schon deshalb nicht, weil die Klägerin unmittelbar nach Verlassen Bulgariens Ende Juli 2009 nach Deutschland eingereist ist und sich seitdem im Bundesgebiet aufgehalten hat, bevor sie im April 2010 einwohnermelderechtlich erfasst wurde.

23

6. a) Auch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II schließt einen Anspruch der Klägerin nicht aus, weil sich ihr Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergab. Die Ausschlussregelung erfordert - zur Umsetzung des Willens des Gesetzgebers bei Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die von der Rechtsprechung des BSG geforderte positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II. Ein solcher Fall liegt hier vor, weil sich aus der bevorstehenden Geburt des Kindes der Klägerin ein anderes Aufenthaltsrecht ergeben konnte.

24

b) Unbesehen des subjektiv-öffentlichen Unionsbürgerrechts nach der RL 2004/38/EG und dem deutschen FreizügG/EU erfordert eine dem Willen des Gesetzgebers entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II eine "fiktive Prüfung", ob - im Falle von Unionsbürgern - ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche bestand oder daneben auch andere Aufenthaltszwecke den Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland rechtfertigen konnten. Dies ergibt sich aus der für die Auslegung der Vorschrift wesentlichen Entstehungsgeschichte der Ausschlussregelung.

25

Den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 1 S 2 SGB II ist zu entnehmen, dass von der "Option" des Art 24 Abs 2 iVm Art 14 Abs 4 der RL 2004/38/EG auch im Bereich des SGB II Gebrauch gemacht werden sollte(BT-Drucks 16/5065 S 234; siehe auch BT-Drucks 16/688 S 13). Trotz des Kontextes, in welchem die Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II erlassen wurde, nämlich der Erweiterung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu einer allgemeinen Freizügigkeit für alle Unionsbürger durch die RL 2004/38/EG, wollte der bundesdeutsche Gesetzgeber neben den von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG unstreitig erfassten Sozialhilfeleistungen auch SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließen. Deren Einordnung als Sozialhilfeleistungen iS von Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG ist allerdings fraglich. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG haben die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend ihrer Aufnahme in den Anhang der VO (EG) Nr 883/2004 als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" nach Art 4 iVm Art 70 VO (EG) Nr 883/2004, nicht jedoch als Leistungen der "sozialen Fürsorge" iS von Art 3 Abs 5a) VO (EG) Nr 883/2004 angesehen. Sie haben darauf hingewiesen, dass durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit bestehe (BSGE 107, 66 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 21 RdNr 29; BSGE 107, 206 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 22 RdNr 20 f; vgl auch EuGH Urteil vom 4.9.2009 - Rs C-22/08 - SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 43; siehe aber auch BVerwG Urteil vom 31.5.2012 - 10 C 8/12 juris RdNr 25 mwN, zur Einordnung von SGB II-Leistungen als aufenthaltsrechtlich schädliche Sozialhilfeleistungen iS des Art 7 Abs 1 Buchst b der RL 2004/38/EG, wobei dies "nicht zwingend deckungsgleich" mit dem in Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG genannten Begriff der Sozialhilfe sein müsse; kritisch hierzu Breidenbach in ZAR 2011, 235 ff).

26

Ungeachtet der insofern bestehenden Zweifel an der europarechtlichen Zulässigkeit des nicht nach dem Grad der Verbindung des arbeitsuchenden Unionsbürgers zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaats und seinem beruflich möglichen Zugang zum Arbeitsmarkt differenzierenden sowie zeitlich unbefristeten Ausschlusses der arbeitsuchenden Unionsbürger von SGB II-Leistungen ist § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen jedenfalls eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 28).

27

c) Jedenfalls nicht erfasst von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II werden Unionsbürger, bei denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf dem begrenzt subsidiär anwendbaren AufenthG (siehe hierzu unten) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insofern ist der Regelung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II immanent, dass der Ausschluss nur Unionsbürger trifft, die sich ausschließlich und ggf schon vor einer Meldung beim Jobcenter auch eigeninitiativ um eine Beschäftigung bemüht haben, nicht jedoch diejenigen erfasst, die sich auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht berufen können.

28

Da Unionsbürger für die Einreise keines Visums und für den Aufenthalt keines Aufenthaltstitels (§ 2 Abs 4 S 1 FreizügG/EU) bedürfen, kann bei ihnen der ausländerrechtlich anerkannte Aufenthaltszweck nicht unmittelbar einem entsprechenden Dokument mit möglicher Tatbestandswirkung für das SGB II entnommen werden. Vor dem Hintergrund einer - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlusts einer Freizügigkeitsberechtigung - bestehenden Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und der bereits damit verbundenen Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 12 RdNr 34) kann bei dieser Personengruppe nicht darauf abgestellt werden, ob das Aufenthaltsrecht in einem Aufenthaltstitel dokumentiert ist. Zwar kann ein in einer ggf bis zum 28.1.2013 deklaratorisch erteilten Bescheinigung gemäß § 5 Abs 1 FreizügG/EU (aF) angegebener Aufenthaltszweck ein wesentliches Indiz für den Aufenthaltsgrund sein. Unionsbürger sind jedoch nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts durch eine entsprechende Bescheinigung nachzuweisen (BVerwG Urteil vom 16.11.2010 - 1 C 17/09, BVerwGE 138, 122 ff). Entscheidend ist das Vorliegen der Voraussetzungen für ein weiteres Aufenthaltsrecht. Auch soweit der Aufenthalt aus einem anderen materiell bestehenden Aufenthaltsrecht als dem Zweck der Arbeitsuche nicht beendet werden könnte, hindert dies sozialrechtlich die positive Feststellung eines "Aufenthaltsrechts allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II.

29

Seine Feststellung, die Klägerin sei im streitigen Zeitraum "ab dem 6.7.2010 in Deutschland allenfalls aus Gründen der Arbeitsuche aufenthaltsberechtigt", hat das Berufungsgericht vorrangig damit begründet, dass ein Aufenthaltsrecht wegen einer fortwirkenden Arbeitnehmereigenschaft nicht bestanden habe (vgl zu dem hierfür regelmäßig angenommen Zeitraum von sechs Monaten: § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 iVm § 2 Abs 3 S 2 FreizügG/EU; EuGH Urteil vom 4.6.2009 - C-22/08, C-23/08 - SozR 4-6035 Art 39 Nr 5, RdNr 32; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18). Ob sich die Klägerin bis zum Beginn des streitigen Zeitraums auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitsuche berufen konnte, hat das LSG nicht erörtert. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein arbeitsuchender EU-Bürger solange freizügigkeitsberechtigt, wie er mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht, wobei das Gemeinschaftsrecht die Länge des angemessenen Zeitraums nicht regelt. Allerdings ist es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, dem Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der zum Zweck der Stellensuche in sein Gebiet eingereist ist, auszuweisen, wenn dieser nach sechs Monaten keine Stelle gefunden hat, sofern der Betroffene nicht nachweist, dass er weiterhin und mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit sucht (EuGH Urteil vom 26.2.1991 - C-292/89 ; so auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 2 FreizügG/EU RdNr 56).

30

Auch wenn die Klägerin wegen des im streitigen Zeitraum hinzutretenden SGB II-Antrags und der damit verbundenen Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitwirken (§ 2 Abs 1 S 1 und 2 SGB II), als Arbeitsuchende anzusehen ist, hindert dies nicht die Annahme eines Aufenthaltsrechts auch aus einem anderen Aufenthaltsgrund (vgl zum zulässigen Wechsel der Aufenthaltszwecke während des Aufenthalts: HK-AuslR/Geyer, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 3). Auch der Verlust des Freizügigkeitsrechts kann erst festgestellt werden, wenn die Freizügigkeitsberechtigung nicht aus anderen Gründen besteht (Huber, AufenthaltsG, 2010, § 5 FreizügG/EU RdNr 15). Ein solches bereits vor SGB II-Antragstellung hinzugetretenes weiteres Aufenthaltsrecht der Klägerin im Bundesgebiet liegt hier vor.

31

d) Die Klägerin konnte sich nach den besonderen Einzelfallumständen in dem hier streitigen Zeitraum wegen der zu erwartenden Geburt des Kindes auch auf ein anderes Aufenthaltsrecht iS des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II berufen.

32

§ 11 Abs 1 S 5 FreizügG/EU in der bis zum 30.6.2011 geltenden Fassung vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) bestimmt, dass das - grundsätzlich nur noch für Drittstaatsangehörige geltende - AufenthG weiterhin auch auf Unionsbürger Anwendung findet, wenn es eine günstigere Regelung vermittelt als das FreizügG/EU. Bei dem anzustellenden Günstigkeitsvergleich ist keine abstrakt wertende Betrachtung in Bezug auf die gesamte Rechtsstellung anzustellen. Vielmehr knüpft der Vergleich iS einer den konkreten Einzelfall in den Blick nehmenden Betrachtung an einzelne Merkmale an (Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 11 RdNr 28).

33

Nach dem insoweit anwendbaren § 7 Abs 1 S 3 AufenthG kann - unabhängig von der ansonsten geforderten Bindung der Aufenthaltserlaubnis an konkrete, im AufenthG genannte Aufenthaltszwecke(§ 7 Abs 1 S 2 AufenthG) - in begründeten Fällen im Wege einer Ermessensentscheidung eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht genannten Aufenthaltszweck erteilt werden. Allerdings ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass eheähnlich zusammenlebende heterosexuelle Paare weder aus dem Auffangtatbestand des § 7 Abs 1 S 3 AufenthG noch aus dem europäischem Recht ein Aufenthaltsrecht zur Familienzusammenführung ableiten können, weil der Familiennachzug in § 3 FreizügG/EU und den §§ 27 ff AufenthG abschließend geregelt ist. Da nichteheliche Lebensgemeinschaften von den ausdrücklichen Regelungen gerade nicht erfasst sind, ist die Anwendung von § 7 Abs 1 S 3 AufenthG grundsätzlich gesperrt(vgl BVerwG Urteil vom 27.2.1996 - 1 C 41/93 - BVerwGE 100, 287 ff; Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufentG RdNr 20).

34

Die - hier im Rahmen der Ausschlussklausel des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II - bei Unionsbürgern nur zu prüfenden Voraussetzungen eines anderen Aufenthaltsrechts sind aber wegen der bevorstehenden Geburt des Kindes gegeben. Insofern handelt es sich um ein Aufenthaltsrecht aus familiären Gründen, das aus dem Zusammenleben der Partner mit einem gemeinsamen Kind oder dem Kind eines Partners folgt. Diese Personengruppen bilden jeweils eine Familie iS des Art 6 GG und der §§ 27 Abs 1, 28 Abs 1, 29 und 32 AufenthG und können sich auch auf den Schutz aus Art 8 der Konvention des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten(MRK) berufen (vgl auch Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 7 AufenthG RdNr 20).

35

Eine solche Konstellation, die einen anderen Aufenthaltszweck als denjenigen der Arbeitsuche vermitteln kann, kann auch in einer bevorstehenden Familiengründung liegen. Insofern wird in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum AufenthG angenommen, dass der bevorstehenden Geburt eines Kindes aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen für den Aufenthaltsstatus eines Elternteils zukommen können. Die anstehende Vaterschaft eines bereits im Bundesgebiet lebenden Ausländers hinsichtlich des ungeborenen Kindes einer deutschen, aber auch ausländischen Staatsangehörigen kann aufenthaltsrechtliche Vorwirkungen im Sinne eines Abschiebungshindernisses begründen, wenn entweder der Schutz der Familie nach Art 6 Abs 1 GG und die aus Art 2 Abs 2 S 1 und Art 1 Abs 1 GG abzuleitende Schutzpflicht für die Gesundheit der werdenden Mutter und des Kindes dies gebieten, oder wenn beide Elternteile bereits in Verhältnissen leben, welche eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung sicher erwarten lassen und eine (vorübergehende) Ausreise zur Durchführung eines Sichtvermerkverfahrens nicht zumutbar ist. Dies gilt zumindest mit der Vaterschaftsanerkennung und der Zustimmung der Mutter (§§ 1592 Nr 2, 1595 Abs 1 BGB) sowie einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung (OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.2.2012 - 2 S 94.11, 2 M 70.2 M 70.11 - RdNr 3 ff; Sächsisches OVG Beschluss vom 2.10.2009 - 3 B 482/09 - InfAuslR 2010, 27 ff: vgl auch VG Dresden Beschluss vom 11.6.2008 - 3 L 279/08 - RdNr 10 zum Abschiebungsschutz für eine werdende ausländische Mutter). Insofern tritt die staatliche Verpflichtung aus Art 6 Abs 1 GG iVm Abs 2 GG ein (OVG Hamburg Beschluss vom 14.8.2008 - 4 Bs 84/08 - InfAuslR 2009, 16 ff). Von der Schutzpflicht des Staates aus Art 6 GG ist insbesondere die Rechtsposition des Kindes sowie dessen Anspruch auf Ermöglichung bzw Aufrechterhaltung eines familiären Bezugs zu beiden Elternteilen von Geburt an betroffen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff; BVerfG NVwZ 2006, 682, 683 zum Familienschutz; BVerfGE 80, 81 ff).

36

Diese aufenthaltsrechtlichen Vorwirkungen einer bevorstehenden Familiengründung bestanden auch im Falle der Klägerin. Es wäre ihr weniger als vier Monate vor dem errechneten Geburtstermin nicht mehr zumutbar gewesen, sich von dem Vater des Kindes unter zumindest vorübergehender Aufgabe des familiären Zusammenhalts und mit dem Risiko einer zeitgerechten Rückkehr zur Geburt zu trennen. Auch in der hier vorliegenden Fallgestaltung soll verhindert werden, dass ein Kind in dem ersten Jahr nach seiner Geburt entgegen Art 6 Abs 1 GG von der Erziehungsleistung eines seiner Elternteile ausgeschlossen wird. Für die aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen aus Art 6 GG und damit auch ihre Vorwirkungen ist dabei nicht vorrangig auf formal-rechtliche familiäre Bindungen, sondern auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abzustellen (BVerfG FamRZ 2006, 187 ff, RdNr 18 mwN). Nach den Feststellungen des LSG hat die Klägerin bereits bei Antragstellung angegeben, dass ihr Kind von dem Lebensgefährten sei, mit dem die Anmietung einer gemeinsamen Wohnung geplant sei. Es ergab sich daher schon für die Zeit vor der Anerkennung der Vaterschaft eine vorwirkende Schutzwirkung, die ein Aufenthaltsrecht der Klägerin wegen des bevorstehenden familiären Zusammenlebens begründen konnte.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2011 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

2

Die 1980 geborene Klägerin lebt nach kurz vorher erfolgter Trennung von ihrem Ehemann seit dem 1.11.2009 mit ihren 2001 und 2005 geborenen Söhnen (den Klägern zu 2 und 3) in einer gemeinsamen Wohnung. Auf ihren Antrag bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern unter Berücksichtigung eines Erwerbseinkommens der Klägerin in Höhe von monatlich 198 Euro sowie des Kindergeldes für November 2009 bis April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1093,11 Euro (Bescheid vom 11.11.2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick sowohl auf das Einkommen der Klägerin wie zur ausstehenden Unterhaltsregelung mit dem Vater der Kläger über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.

3

Auf Vorlage von Bescheinigungen über das Einkommen der Klägerin für September 2009 bis März 2010 sowie über den ab November 2009 gezahlten Unterhalt erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin einen an sie adressierten Bescheid, nach dem der Bewilligungsbescheid vom 11.11.2009 gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.4.2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" werde und die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X zu erstatten seien(Bescheid vom 1.7.2010). Den Widerspruch hiergegen wies er zurück: Wegen der nachträglichen Einkommenserzielung könne die Aufhebung verschuldensunabhängig auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt werden. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage dafür bedürfe es nicht, da sich ein Leistungsempfänger bei Bewilligung vorläufiger Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Ergehe eine Aufhebung anstatt einer endgültigen Regelung, so habe dies lediglich klarstellende Wirkung (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2010).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil der Rückforderungsanspruch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht individuell bezeichnet und die Teilaufhebung daher rechtswidrig sei (Gerichtsbescheid vom 13.4.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid auf Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 11.6.2014): Die Bestimmtheitsanforderungen seien gewahrt, da die Kinder hinreichend deutlich als Regelungsadressaten einbezogen seien. Dass der Bescheid auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X anstatt auf § 328 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt sei, stelle einen bloßen Begründungsmangel dar, der unschädlich sei. Diese Rechtsgrundlagen seien austauschbar, weil die Korrektur vorläufiger Bewilligungen gegenüber § 48 SGB X geringere (nämlich keine) Anforderungen an den Vertrauensschutz stellten, ebenfalls keine Ermessensausübung erforderten und die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Ergehe auf einen vorläufigen Bescheid nach Vorlage der maßgeblichen Unterlagen ein Bescheid mit neuer Berechnung im Hinblick auf die bisher ungeklärten Punkte und ohne Hinweis auf eine noch erfolgende abschließende Entscheidung, so müsse der Leistungsempfänger dies als endgültige Leistungsfestsetzung ansehen.

5

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II in der damals geltenden Fassung iVm § 328 SGB III. Nach Vorlage der ursprünglich fehlenden Unterlagen hätte der Beklagte die Leistungen endgültig festsetzen müssen. Das lasse der angefochtene Bescheid für die im Streit stehenden Monate nicht erkennen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.6.2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.4.2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 1.7.2010 den Anforderungen an die abschließende Entscheidung über einen zunächst nur vorläufig zuerkannten Leistungsanspruch genügt.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2010, mit dem der Beklagte die durch Bescheid vom 11.11.2009 für die Zeit vom 22.10.2009 bis 30.4.2010 erteilte vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen des Zuflusses höheren Einkommens für die Monate November 2009 bis April 2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" und eine Erstattungsforderung in entsprechender Höhe festgesetzt hat. Hiergegen wenden sich die Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz ).

10

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung des Beklagten an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklagen nicht deshalb, weil die Kläger im Erfolgsfall mit einer ihnen ebenso nachteiligen abschließenden Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unverändert fortgeltenden Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, BGBl I 2407; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF) iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbs 1 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1977, BGBl I 594) zu rechnen haben könnten. Auf einen solchen möglichen weiteren Geschehensablauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob die statthaften Klagen gegen den Änderungs- und Erstattungsbescheid ausnahmsweise deshalb unzulässig sind, weil die Klagen selbst im Falle ihres Erfolgs für die Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen können, die begehrte gerichtliche Entscheidung ihre Stellung also weder gegenwärtig noch zukünftig verbessern würde (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R -, NZS 2012, 798 RdNr 10 mwN). So liegt es hier ersichtlich nicht, weil eine Beseitigung des angefochtenen Änderungs- und Erstattungsbescheids die Rechtsstellung der Kläger jedenfalls zunächst verbessert. Ob sie schließlich im Ergebnis auf anderem Wege dennoch zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen heranzuziehen sind, ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nur im Rahmen der Umdeutungsvoraussetzungen des § 43 SGB X beachtlich(dazu unter 7 c). Liegen sie - wie hier - nicht vor, kommt es auf ein etwaiges künftiges Alternativverhalten der beklagten Behörde unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht an.

11

3. Auch in der Sache haben die Revisionen Erfolg. Zwar sind die angefochtenen Entscheidungen entgegen der Auffassung des SG formell nicht zu beanstanden (dazu nachfolgend 4. und 5.). Nach Wegfall der Voraussetzungen für die zunächst nur vorläufige Bewilligung der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 unveränderten Fassung des AFRG; im Folgenden: § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF)hatte der Beklagte jedoch anstelle des auf § 48 SGB X gestützten Änderungsbescheids eine endgültige Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen, woran es hier fehlt(dazu 6. bis 7.). Demgemäß hat auch die angefochtene Erstattungsverfügung keine Grundlage (dazu unter 8.).

12

4. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich die angegriffenen Verfügungen nicht deshalb als formell rechtswidrig erweisen, weil die Kläger zu ihren Voraussetzungen nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden sind. Ohne Bedeutung hierfür ist, ob der Beklagte insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG Urteil vom 26.9.1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f; zuletzt etwa BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21).

13

Ausreichend war es daher, den Klägern die Gelegenheit zu geben, sich zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen für die Änderung der mit Bescheid vom 11.11.2009 vorläufig bewilligten Leistungen zu äußern (zu den Anforderungen insoweit vgl nur BSG Urteil vom 26.9.1991 - aaO S 251 f bzw S 9; zuletzt etwa BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30, jeweils mwN). Dem ist der Beklagte mindestens durch die Übersendung von Berechnungsbögen nachgekommen, mit dem er auf die Bitte der Klägerin reagierte, die im Anhörungsschreiben vom 29.4.2010 aufgeführte Überzahlung näher zu erläutern.

14

5. Zu Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid entgegen der Auffassung des SG auch als inhaltlich hinreichend bestimmt angesehen (§ 33 Abs 1 SGB X).

15

Zwar ist das SG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestimmtheitserfordernis bei der Korrektur einer Bewilligungsentscheidung gegenüber einer Mehrheit von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hierfür geltenden materiellen Rechts (vgl dazu BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16)nur gewahrt ist, wenn sich ihm hinreichend klar entnehmen lässt, an welche Mitglieder der Korrekturbescheid adressiert und wer Verpflichteter der entsprechenden Erstattungsforderung ist (stRspr; vgl etwa BSG Urteil vom 16.5.2012 ebenda; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff; zu den Bestimmtheitsanforderungen im Ganzen vgl zuletzt etwa BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30 mwN). Jedoch hat der erkennende Senat es dafür ausreichen lassen, wenn ein eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Elternteil und minderjährigem Kind betreffender Änderungsbescheid zwar nur gegenüber dem Elternteil ergeht, jedoch zum einen mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt mehreren, an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichteten Korrekturentscheidungen ist, und dass zum anderen auch durch den Hinweis auf die gesetzliche Vertretung des Kindes ersichtlich wird, dass der Elternteil nicht (Gesamt-)Schuldner der Rückforderungssumme ist (Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff).

16

Hieran gemessen ist die Adressierung des angefochtenen Bescheids allein an die Klägerin unschädlich, weil sich auch hier einleitend der Hinweis findet, dass die Leistungen in dem geänderten Ausgangsbescheid für die Klägerin und ihre Söhne bewilligt worden sind, die im Einzelnen aufgeführten Korrekturbeträge zwischen den drei Klägern unterscheiden und schließlich ebenfalls die Wendung gebraucht ist "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter."

17

6. In der Sache beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der geänderten Leistungsbewilligung ausschließlich an den für die abschließende Entscheidung nach vorangegangener vorläufiger Bewilligung maßgebenden Vorschriften des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 SGB III. Keine Grundlage findet sie dagegen in den für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse einschlägigen Bestimmungen von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II(idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III(idF des AFRG) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X; insoweit ist dem LSG nicht zu folgen.

18

a) Nach der Verweisungsnorm des § 40 SGB II sind für das Verfahren nach dem SGB II ua die Vorschriften des § 328 SGB III über die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar(Abs 1 Satz 2 Nr 1a). Hiernach kann über die Erbringung von Geldleistungen ua dann vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat (§ 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF). Im Hinblick auf die endgültige Leistungsbewilligung gilt sodann zunächst: "Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist" (§ 328 Abs 2 SGB III aF). Weiter ist bestimmt: "Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten" (§ 328 Abs 3 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 SGB III idF des AFRG bzw des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2970 ).

19

b) Zutreffend hat hiernach der Beklagte im Hinblick auf das teilweise noch ungeklärte Einkommen der Kläger mindestens wegen der noch nicht feststehenden Höhe der Unterhaltszahlungen für die Kläger zu 2) und 3) nach erst kurz zuvor erfolgter Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Söhne über den geltend gemachten Leistungsanspruch durch Bescheid vom 11.11.2009 zunächst (nur) im Wege der vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF befunden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat, ist der Erlass eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Dies ist Folge der grundsätzlichen Verpflichtung der Verwaltung, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSG Urteil vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt sie einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 2/98 R - BSGE 82, 198, 209 f = SozR 3-4100 § 242v Nr 1 S 14 f; BSG Urteil vom 2.6.2004 aaO; BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16; BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17 f).

20

Hiernach hat der Beklagte jedenfalls die Ungewissheit über die Höhe der künftigen Unterhaltszahlungen zu Recht zum Anlass genommen, von einer endgültigen Entscheidung über den von den Klägern geltend gemachten Leistungsanspruch vorerst abzusehen und mit ihr bis zur Vorlage der angeforderten Unterlagen abzuwarten.

21

c) Nach deren Vorlage hatte der Beklagte gemäß § 328 SGB III iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift eine abschließende Entscheidung über das streitbefangene Leistungsbegehren zu treffen und durfte sich nicht lediglich auf eine (fortschreibende) Änderung der vorläufigen Bewilligung beschränken.

22

Bereits die Wendung "kann vorläufig entschieden werden, wenn" (§ 328 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III) verweist darauf, dass Bewilligungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 SGB III aF ausschließlich auf eine Zwischenlösung zielen und demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB III angelegt sind. Entsprechend unterscheidet die Norm in der Anrechnungsregelung des Abs 3 Satz 1 zwischen den "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte(n) Leistungen" und der "zustehende(n) Leistung". Ebenso wird in der Vorgabe für die Überzahlungsfälle explizit Bezug genommen auf den mit der "abschließenden Entscheidung" zuzuerkennenden Leistungsanspruch (Satz 2 Halbsatz 1). Dass deshalb jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung besteht, folgt schließlich mittelbar aus § 328 Abs 2 SGB III aF, wonach eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären ist, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist(ebenso Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 83, Stand März 2015).

23

Auch Sinn und Zweck von § 328 SGB III gebieten, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch (vgl etwa auch § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (stRspr; vgl bereits etwa BSG Urteil vom 31.8.1983 - 2 RU 80/82 - BSGE 55, 287, 290 f = SozR 1200 § 42 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 - SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 - SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25; zuletzt BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 20; ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 63, Stand Mai 2012; modifiziert Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5 f, 48, Stand Februar 2013: keine Bindungswirkung nur, soweit Vorläufigkeit reicht).

24

Folgerichtig können Leistungsbezieher nach § 328 Abs 2 SGB III aF schon dann nicht darauf verwiesen werden, auf eine endgültige Entscheidung über den erhobenen Anspruch zu verzichten, wenn keine Änderung gegenüber den ursprünglichen Annahmen eingetreten ist. Umso mehr muss dies gelten für Adressaten vorläufiger Bescheide, bei denen abschließend neue Umstände zu berücksichtigen sind. Zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der ihnen endgültig zustehenden Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl § 8 SGB X) nach Maßgabe von § 328 Abs 3 Satz 1 sowie ggfs Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen(ebenso zur einstweiligen Gewährung von Altersruhegeld BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 109 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; zu § 42 SGB I BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127: vorläufiger Bescheid ist von vornherein auf Ersetzung durch endgültigen Bescheid angelegt; ebenso Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 40 RdNr 54; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 72; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 75, Stand März 2015; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 133, Stand Mai 2012; Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5, Stand Februar 2013).

25

d) Als in diesem Sinne abschließende Entscheidung über das zunächst nur vorläufig beschiedene Leistungsbegehren genügt die Regelungswirkung eines bloßen Änderungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X nicht(zur Auslegung der Entscheidung hier sogleich unter 7.). Dabei kann offenbleiben, ob die §§ 44 ff SGB X im Anwendungsbereich von § 328 SGB III generell verdrängt sind oder ob die Korrektur vorläufiger Bewilligungen partiell auch auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff SGB X zu stützen und im Hinblick auf Vertrauensschutz an ihnen zu messen sein kann(vgl dazu einerseits etwa Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 60 mit RdNr 47 ff, Stand Februar 2013; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 73 f, Stand März 2015; skeptisch Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 328 RdNr 8 ff; ablehnend Schaumberg in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 335 RdNr 67: § 328 SGB III verdrängt die §§ 44 ff SGB X; ebenso wohl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 37, Stand Mai 2012).

26

Denn ungeachtet dessen genügt den Anforderungen an eine iS von § 328 Abs 3 SGB III "abschließende Entscheidung" nur ein Bescheid, der den ursprünglichen Vorläufigkeitsvorbehalt aufhebt und die begehrte Leistung als die "zustehende Leistung" endgültig zuerkennt, was mit einem Änderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X regelmäßig nicht zum Ausdruck gebracht wird. Nicht entscheidend für die hier maßgebende Rechtsgrundlage ist deshalb, ob der vorläufigen Entscheidung ein (noch) geringeres Maß an Vertrauensschutz zukommt als er durch § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vermittelt wird, worauf das LSG abgestellt hat. Maßgebend für die vorliegend zu treffende Entscheidung ist vielmehr, ob auch für jeden Außenstehenden kein Zweifel über die nunmehr endgültige Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung bestehen kann; andernfalls wäre dem Schutzzweck der endgültigen Bewilligung im Hinblick auf ihre Funktion für den Vertrauensschutz insbesondere nach den §§ 45 und 48 SGB X nicht genügt.

27

7. Die hieraus sich ergebenden Anforderungen an die endgültige Bewilligung der den Klägern im streitbefangenen Zeitraum zustehenden Leistungen wahrt der angefochtene "Aufhebungs-" bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht (zur Befugnis seiner Auslegung auch durch das Revisionsgericht vgl etwa BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12 mwN).

28

a) Ausdrücklich enthält der Bescheid eine abschließende Regelung nicht; dem Wortlaut nach beschränken sich die Verfügungssätze darauf, dass die erteilte Bewilligung teilweise "aufgehoben" und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt wird. Das kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht im Wege der Auslegung dahin verstanden werden, dass für den fraglichen Zeitraum nunmehr endgültig Leistungen in bestimmter Höhe bewilligt worden sind. Zwar geht es im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass für die Auslegung nicht allein auf den Wortlaut der Verfügungssätze abzustellen ist, sondern auch auf alle weiteren Umstände, die nach dem Empfängerhorizont für dessen Verständnis maßgebend sind. Ausreichend ist danach, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann, auch wenn dazu auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (stRspr; vgl etwa BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26).

29

b) Auch nach diesem Maßstab kann indes dem angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der aufgezeigten Besonderheiten im Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung nach § 328 SGB III keine Regelung des Inhalts entnommen werden, dass den Klägern nunmehr endgültige Leistungen zuerkannt worden sind. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Beklagte mit dem Bescheid eine endgültige Entscheidung über den Bewilligungszeitraum vom 22.10.2009 bis zum 30.4.2010 herbeiführen wollte. Dafür bedürfte es zumindest irgend eines Anhaltspunktes in einem Verfügungssatz oder zumindest in der Begründung der Entscheidung, der eine solche Bindungswirkung zu entnehmen sein könnte, woran es hier fehlt. Den einzig möglichen Hinweis hierauf könnte ein Verweis auf eine im Widerspruchsbescheid bezeichnete Entscheidung des LSG in einem Eilverfahren bieten, wonach es unschädlich sei, wenn anstatt einer endgültigen Regelung eine "Aufhebung" erfolge (Verweis auf L 13 AS 118/09 B ER). Da den Klägern der nähere Inhalt dieser Entscheidung nicht bekannt ist, kann auch daraus indes nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass mit der angefochtenen Entscheidung eine endgültige Leistungsbewilligung iS von § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III getroffen sein sollte.

30

c) Aus diesen Gründen kommt auch eine Umdeutung in einen endgültigen Leistungsbescheid nicht in Betracht. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Das könnte hier nur angenommen werden, wenn dem streitbefangenen Bescheid in einer den aufgezeigten Grundsätzen genügenden Weise entnommen werden könnte, dass nunmehr eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger im streitbefangenen Zeitraum getroffen werden sollte. Daran fehlt es indes gerade.

31

8. Mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger iS von § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III fehlt es schließlich an einer hinreichenden Grundlage für die festgesetzte Erstattungsforderung. Voraussetzung für sie ist, dass mit der endgültigen Entscheidung "ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt" worden ist. Ohne eine solche Entscheidung kann der streitbefangene Bescheid auch hinsichtlich der Erstattung selbst dann keinen Bestand haben, wenn deren Höhe zutreffend bestimmt sein sollte.

32

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(1) Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt. Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags.

(2) Für die Leistungen nach Absatz 1 gilt § 42 Abs. 2 und 3 entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger steht nur dem zur Leistung verpflichteten Leistungsträger zu.

(3) (weggefallen)

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen

1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder
2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Wird mit dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch über die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 entschieden, ist die oder der Leistungsberechtigte in dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 gesondert erfolgt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beigeordneten oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden.

(2) Für die Geltendmachung des Anspruchs sowie für die Erinnerung und die Beschwerde gelten die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend. Ansprüche der Staatskasse werden bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Ist das Gericht des ersten Rechtszugs ein Gericht des Landes und ist der Anspruch auf die Bundeskasse übergegangen, wird er insoweit bei dem jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes angesetzt.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beratungshilfe.

(1) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt, dass

1.
die Bundes- oder Landeskasse
a)
die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten und Gerichtsvollzieherkosten,
b)
die auf sie übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei
nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann,
2.
die Partei von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten befreit ist,
3.
die beigeordneten Rechtsanwälte Ansprüche auf Vergütung gegen die Partei nicht geltend machen können.

(2) Ist dem Kläger, dem Berufungskläger oder dem Revisionskläger Prozesskostenhilfe bewilligt und ist nicht bestimmt worden, dass Zahlungen an die Bundes- oder Landeskasse zu leisten sind, so hat dies für den Gegner die einstweilige Befreiung von den in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a bezeichneten Kosten zur Folge.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen und nach Möglichkeit den Unterlagen sind vorbehaltlich des § 65a Absatz 5 Satz 3 Abschriften für die Beteiligten beizufügen. Sind die erforderlichen Abschriften nicht eingereicht, so fordert das Gericht sie nachträglich an oder fertigt sie selbst an. Die Kosten für die Anfertigung können von dem Kläger eingezogen werden.

(1) Die Beteiligten haben das Recht der Einsicht in die Akten, soweit die übermittelnde Behörde dieses nicht ausschließt. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Für die Versendung von Akten, die Übermittlung elektronischer Dokumente und die Gewährung des elektronischen Zugriffs auf Akten werden Kosten nicht erhoben, sofern nicht nach § 197a das Gerichtskostengesetz gilt.

(2) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Über einen Antrag nach Satz 3 entscheidet der Vorsitzende; die Entscheidung ist unanfechtbar. § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(3) Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann einem Bevollmächtigten, der zu den in § 73 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 bis 9 bezeichneten natürlichen Personen gehört, die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden. § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(4) Der Vorsitzende kann aus besonderen Gründen die Einsicht in die Akten oder in Aktenteile sowie die Fertigung oder Erteilung von Auszügen und Abschriften versagen oder beschränken. Gegen die Versagung oder die Beschränkung der Akteneinsicht kann das Gericht angerufen werden; es entscheidet endgültig.

(5) Die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die zu ihrer Vorbereitung angefertigten Arbeiten sowie die Dokumente, welche Abstimmungen betreffen, werden weder vorgelegt noch abschriftlich mitgeteilt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.