Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. Okt. 2015 - L 8 U 1012/14

bei uns veröffentlicht am23.10.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom
22. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine von der Beklagten eingeholte und in ihren Akten dokumentierte Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 aus den Verwaltungsakten der Beklagten zu entfernen ist.
Der 1940 geborene Kläger arbeitete zuletzt als (selbständiger) Estrich- und Fußbodenleger. Der Kläger bezieht in Folge eines Arbeitsunfalles am 28.04.1988 seit 01.02.1989 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H.. Im Übrigen begehrte der Kläger in der Vergangenheit in verschiedenen Verfahren erfolglos Rentenleistungen (dazu vgl. beim Landessozialgericht Baden-Württemberg z.B. L 10 U 1008/98 und L 10 U 1921/02).
Am 23.09.2009 machte der Kläger erneut Leistungen wegen einer Erkrankung an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Berufskrankheitenverordnung (BKV -) geltend. Die Beklagte holte vom Präventionsdienst die Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition vom 26.01.2010 ein, mit dem Ergebnis, dass der für die BK Nr. 2108 BKV erforderliche Richtwert erreicht sei. Außerdem erstellte der Chirurg Dr. K. am 12.08.2010 für die Beklagte ein Gutachten (Gutachtensauftrag vom 07.04.2010 auf Vorschlag des Klägers). Dr. K. gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger liege die Konstellation B 1 der Konsensempfehlungen und damit ein belastungskonformes Schadensbild vor. Der Verlauf der Erkrankung spreche für einen wesentlichen Ursachenzusammenhang. Er empfahl die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Die Beklagte holte zum Gutachten des Dr. K. die „Beratungsärztliche Stellungnahme“ des Dr. Th. vom 07.11.2010 ein. Er beantwortete die Fragen der Beklagten, setzte sich mit der Frage der Kausalität auseinander und gab an, dass angesichts der Erkrankungen die Fallkonstellation D2 vorliege, weshalb ein Ursachenzusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Der Kläger beantragte gemäß § 84 Abs. 2 SGB X die Herausnahme der Stellungnahme des Dr. Th. aus den Akten (Schriftsatz vom 02.02.2011). Mit Bescheid vom 24.02.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 2108 BKV sowie den Antrag des Klägers auf Herausnahme der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. Th. vom 08.11.2010 jeweils ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2011 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 15.07.2011 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 6 U 2597/11), das das auf Herausnahme der Stellungnahme von Dr. Th. gerichtete Klagebegehren des Klägers auf dessen Antrag (Schriftsatz vom 14.08.2012) mit Beschluss vom 20.08.2012 abtrennte und unter dem Aktenzeichen S 6 U 2705/12 fortführte; mit Beschluss vom 04.01.2013 wurde die Klage S 6 U 2597/11 ausgesetzt. Mit Gerichtsbescheid vom 07.01.2013 (S 6 U 2705/12) verurteilte das SG die Beklagte, die medizinische Äußerung von Dr. Th. vom 08.11.2010 aus den Akten zu entfernen. Auf die hiergegen von der Beklagten beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegten Berufung wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 25.10.2013 (L 8 U 541/13) der Gerichtsbescheid des SG vom 07.01.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Inzwischen hatte sich die Beklagte mit Schreiben vom 06.04.2011 unter Übersendung der Verwaltungsakten sowie radiologischer Befundunterlagen an Dr. Schr. mit der Bitte um beratungsärztliche Stellungnahme zur Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes gewandt und um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten. Mit dem mit Briefkopf der Beklagten versehenen Schreiben vom 19.04.2011 legte Dr. Tä. (i.V.) die mit „Beratungsärztliche Stellungnahme“ überschriebene Stellungnahme auf die Anforderung der Beklagten vom 06.04.2011 vor. In Beantwortung der gestellten Fragen führte Dr. Tä. in seiner Stellungnahme aus, die vorhandenen Unterlagen seien ausreichend. Dies gelte auch für die schriftliche Datenlage für den Gutachter Dr. „K...“ (gemeint ist Dr. K. ), wobei allerdings die Tatsache, dass das alte Bildmaterial verlustig gegangen sei und erst ab 2009 Aufnahmen vorlägen, problematisch sei, womit die Problematik des Gutachtens beginne. Die Beurteilung sei durch fehlende Bilddokumente erschwert. Trotzdem helfe ein Blick auf die aktuellen Röntgenaufnahmen vom 17.06.2010 weiter. Dr. Tä. wertete die Röntgenaufnahmen aus und vertrat die Ansicht, dass das Verteilungsmuster mit der Einwirkung beim Heben, Tragen und Bücken biomechanisch nicht zu vereinbaren sei. Es erscheine nicht plausibel, dass Mitte der Neunzigerjahre altersvorauseilende umformende Reaktionen vorgelegen haben sollen. In diesem Punkt sei dem Gutachter zu widersprechen. Das Gutachten sei auch nicht schlüssig. Dr. Tä. äußerte sich zum Zustandekommen der Konsensempfehlungen. Er gelangte zu der Ansicht, eine BK Nr. 2108 BKV lasse sich nicht hinreichend wahrscheinlich machen. Der Stellungnahme von Dr. Th. könne im Ergebnis gefolgt werden. Dr. Tä. nahm weiter zu den Argumenten (des Prozessbevollmächtigten) des Klägers Stellung. Der Schaden könne nicht einer zur Anerkennung empfohlenen Konstellation zugeordnet werden. Ganz wesentlich sei auch die Tatsache, dass die Belastungskonformität des Schadensbildes gänzlich fehle. Ein weiteres Gutachten hielt Dr. Tä. nicht für erforderlich.
Mit Schriftsatz vom 05.03.2012 (wiederholt mit Schriftsätzen vom 14.08.2012 und 12.09.2012) forderte der Kläger (durch seinen Prozessbevollmächtigten) die Herausnahme der Stellungnahme des Dr. Tä. gemäß § 84 Abs. 2 SGB X, da es sich um ein Gutachten handele und die Voraussetzungen des § 200 Abs. 2 SGB VII nicht vorlägen.
Mit Bescheid vom 12.10.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Herausnahme der Stellungnahme des Dr. Tä. vom 14.04.2011 aus der Akte ab. Ein Löschungsanspruch nach § 84 SGB X bestehe nicht, weil es sich bei der Äußerung von Dr. Tä. nicht um ein Gutachten handele und ein Verwertungsverbot daher nicht in Betracht komme. Der vom Kläger gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch vom 08.11.2012 wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2013 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger am 04.02.2013 Klage beim Sozialgericht Würzburg, das die Klage - auf Antrag des Klägers - an das SG weiterleitete (Eingang 13.02.2012). Der Kläger machte zur Begründung seiner Klage geltend, der mittlerweile vorliegende Vertrag über „freie Mitarbeit“ mit der K. Gutachterstelle erfasse Dr. Schr., Dr. B. sowie Dr. Tä. . Dr. Schr. habe sich in extremer Schärfe negativ zu Probanden geäußert. Es sei davon auszugehen, dass die Grundhaltung, die Dr. Schr. wiedergebe, die Gesamtauffassung der Gesamtpraxis sei. Bereits aus diesem Grund sei ein Votum nicht zu berücksichtigen. Die formellen Voraussetzungen für einen vom Bundessozialgericht geforderten „gehobenen Dienstvertrag“ für einen Beratungsarztvertrag, der im Sinne von § 200 Abs. 2 SGB X privilegiere, seien von der Beklagten nicht dargelegt worden und lägen auch nicht vor. Weiter habe Dr. Tä. auf die Stellungnahme des Dr. Th. Bezug genommen und diese gestützt. Bei der Stellungnahme des Dr. Tä. handele es sich um ein Gutachten, für das die Voraussetzungen des § 200 Abs. 2 SGB VII fehlten, weswegen es aus den Akten zu entfernen sei. Der Kläger berief sich auf sozialgerichtliche Rechtsprechung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 22.01.2014 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Entfernung der medizinischen Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011. Offenbleiben könne, ob § 200 SGB VII Anwendung finde. Der Kläger habe seine Obliegenheit verletzt, einen Verstoß rechtzeitig zu rügen. Eine Verletzung des Auswahlrechts werde mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich unbeachtlich. Eine Rüge des Klägers sei erst verspätet am 05.03.2012 erfolgt. Eine Ausnahme liege nicht vor.
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Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.01.2014 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 27.02.2014 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe ihre Anfrage an Dr. Schr. gerichtet, während sich Dr. Tä. geäußert habe. Es sei von der Datenschutzlage her und mangels Auftrags an Dr. Tä. unzulässig, dass Dr. Schr. die ihm persönlich zugereichten Unterlagen einfach an eine Drittperson weiterreiche. Ein von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts geforderter Dienstvertrag höherer Art sei bei der gegebenen Vertragsgestaltung „über freie Mitarbeit“, bei der keine Weisungsbefugnis in Betracht komme, nicht in Einklang zu bringen. Soweit das SG davon ausgehe, seine Rüge am 05.03.2012 sei nicht unverzüglich erfolgt, habe das SG unzulässige Folgerungen gezogen. Tatsächlich habe sein Prozessbevollmächtigter durch Akteneinsicht keine Kenntnis einer beratungsärztlichen Äußerung von Dr. Tä. erhalten, die unter dem Briefkopf der BG Bau (fälschlicherweise) formuliert sei, d.h. bei oberflächlichem Blick sei dies für den Schriftverkehr der BG Bau gehalten worden und nicht für eine beratungsärztliche Stellungnahme eines Drittarztes. Die Frage einer Datenschutzverletzung im Sinne des SGB X einerseits und die weitere Fragestellung einer in den Rahmen des Datenschutzes eingebetteten Entscheidung zu einer beratungsärztlichen Stellungnahme andererseits (§ 200 Abs. 2 SGB VII) seien grundsätzlich nebeneinander zu sehen. Im Sinne des Datenschutzes sei Dr. Tä. „Dritter“. Die Tatsache, dass diese Dritteigenschaft kaschiert werde, indem ein Briefkopf der BG Bau verwendet werde, werde als verräterisch gesehen und ändere nichts an der Drittenposition von Dr. Tä. gegenüber der Beklagten. Weiter habe das SG die Qualifikationen der Äußerung des Dr. Tä. offen gelassen. Tatsächlich sei die Äußerung als Gutachten zu qualifizieren. Der Kläger hat sich hierzu auf mehrere Erklärungen des Dr. Tä. bezogen, mit denen Dr. Tä. insbesondere eigene Positionen bezogen, sich als Gutachter bezeichnet und sich mit dem Gutachten des Dr. K. nicht beschäftigt habe. Weiter habe das SG das Urteil des LSG Baden-Württemberg - L 8 U 541/13 - quasi ungeprüft herangezogen, wobei unübersehbar sei, dass sich das Gericht dieser Auffassung nicht anschließe. Tatsächlich seien die Verhältnisse hier völlig anders. Der Kläger hat sich auf eine Entscheidung des Hessischen LSG - L 9 U 27/11 - berufen. Außerdem hat der Kläger ein Schreiben der Ärzte Dr. Schr., F. und Dr. Schu., der Einrichtung Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung vom 09.08.2012 an das Sozialgericht Würzburg (zu einem Befangenheitsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers im dortigen Rechtsstreit) vorgelegt. Nach diesem Schreiben sei davon auszugehen, dass die zum Ausdruck gebrachte Befangenheit auch Dr. Tä. mit umfasse, weshalb eine Nichtverwertbarkeit der Äußerung des Dr. Tä. ohnehin gegeben sei. Im Urteil L 8 U 541/13 werde § 67 Abs. 10 SGB X nicht hinreichend berücksichtigt.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. Januar 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die medizinische Äußerung Dr. Tä. vom 19. April 2011 aus den Akten zu entfernen,
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hilfsweise die Unverwertbarkeit festzustellen,
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte erachtet die umfänglichen Ausführungen des Klägers für nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen. Zwar sei formal Dr. Schr. um eine beratungsärztliche Stellungnahme gebeten worden. Dies könne aber lediglich im Innenverhältnis zwischen Beklagter und Beratungsärzten eine Rolle spielen, nicht aber im Außenverhältnis zum Kläger. Soweit der Kläger eine rechtserhebliche Diskrepanz zu dem vom Bundessozialgericht propagierten Dienstvertrag höherer Art vermute, könne dies vom konkreten Inhalt des Vertrages her nicht nachvollzogen werden. Eine wissenschaftlich umfassend begründete Expertise im Sinne eines Gutachtens lasse die Stellungnahme von Dr. Tä. nicht erkennen. Mangels Vorliegens eines Gutachtens dürfte es auf die Begründung des SG einer verspäteten Geltendmachung eines Verstoßes gegen das Gutachterauswahlrecht nicht ankommen. Falls doch, rechtfertige das Vorbringen des Klägers keine Ausnahme von der Regel. Aus dem vorgelegten Schreiben der Ärzte Dr. Schr., F. und Dr. Schu. könne eine Befangenheit des Dr. Tä. nicht abgeleitet werden. Die Beklagte hat sich auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25.10.2013- L 8 U 541/13 - berufen; ein im Wesentlichen gleich gelagerter Sachverhalt sei gegeben.
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Die Beklagte hat den Vertrag über freie Mitarbeit zwischen der Beklagten und Dres. Schr., B. und Tä. vom 08.03.2010 sowie auf Aufforderung des Senats außerdem die Niederschrift über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen sowie die Verpflichtung auf das Daten- und Geschäftsgeheimnis hinsichtlich Dres. Schr., B. und Tä. vorgelegt (Bl. 41/42, 51 und 52 Senatsakte). Hierzu hat der Kläger ausgeführt, die Niederschrift enthalte kein Datum. Es sei nicht anzunehmen, dass diese Schriftstücke zur gleichen Zeit geschrieben wurden seien, weshalb bestritten werde, dass die Niederschrift vor der von Dr. Tä. abgegebenen beratungsärztlichen Stellungnahme bestanden habe. Dr. Schr. habe seine Position im Verhältnis zu berufsgenossenschaftlichen Antragstellern unmissverständlich deutlich gemacht, wobei er auch im Namen des Dr. Tä. gesprochen habe. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.04.2015 Stellung bezogen.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, insbesondere als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG; zur Entscheidung durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X vgl. BSG 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R, SozR 4-1300 § 84 Nr. 1 = juris RdNr. 25) statthaft, jedoch nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger wird durch die Ablehnung der Herausnahme der ärztlichen Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 aus den Verwaltungsakten der Beklagten nicht in seinen Rechten verletzt (1.). Sein Hilfsantrag erweist sich demgegenüber als unzulässig (2.).
1.
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Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Herausnahme der ärztlichen Äußerung von Dr. Tä. ist § 84 Abs. 2 S. 1 SGB X, wonach Sozialdaten (vgl. dazu § 65 Abs. 1 SGB X) - wozu auch Gutachten und ärztliche Stellungnahmen über einen am Verwaltungsverfahren Beteiligten bzw. Teile hieraus gehören - zu löschen sind, wenn ihre Speicherung unzulässig ist; eine bloße Nutzung von Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 7 SGB X, die unzweifelhaft vorliegt, begründet den Löschungsanspruch dagegen nicht. Speichern ist gemäß § 67 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB X das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung. Nach § 67c Abs. 1 S. 1 SGB X ist das Speichern, Verändern oder Nutzen von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Grundsätzlich nicht gespeichert werden dürfen Sozialdaten darüber hinaus auch dann, wenn sie einem Verwertungsverbot unterliegen. Ein solches Verwertungsverbot (zu den Anforderungen an ein Beweisverwertungsverbot vgl. BSG 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3 = juris RdNr. 33 ff) resultiert vorliegend nicht aus einem Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII, weshalb offen gelassen werden kann (dazu vgl. BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, juris RdNr. 20 m.w.N.), ob § 200 Abs. 2 SGB VII überhaupt ein solches Verwertungsverbot ausspricht (ablehnend jedenfalls für den Fall, dass die Verletzung des Auswahlrechts nicht rechtzeitig gerügt wurde: BSG 27.10.2010 - B 2 U 17/09 R - juris RdNr. 37; ebenso Hessisches LSG 18.08.2009 - L 3 U 133/07, juris RdNr. 32; dagegen bejahend Hessisches LSG 23.03.2012 - L 9 U 27/11, juris; SG Karlsruhe 12.03.2008 - S 4 U 1615/07, juris RdNr. 35).
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Gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrages der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Der Sachverständige bzw. dessen Gutachten stellen Beweismittel i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X dar (Wagner in juris-PK SGB VII, § 200 RdNr. 32). Aufgabe des Sachverständigen ist es, seine besondere Sachkunde zur Verfügung zu stellen, aus Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen, Kenntnis von Erfahrungssätzen zu vermitteln oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festzustellen (Wagner a.a.O.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 118 RdNr. 11a ff; Kühl in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 118 RdNr. 13 ff; Lang in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage, § 21 RdNr. 17). Dagegen handelt es sich bei der beratungsärztlichen Stellungnahme nicht um ein Beweismittel, sondern um eine verwaltungsinterne Stellungnahme einer sachkundigen Person im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.
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Die Verpflichtungen des § 200 Abs. 2 SGB VII bestehen nur, wenn es sich bei der ärztlichen Stellungnahme zunächst um ein Gutachten, nicht jedoch, wenn es sich um eine sog. beratungsärztliche Stellungnahme handelt. Das Gesetz selbst sieht sowohl in § 200 Abs. 2 SGB VII als auch in anderen Gesetzen von einer Definition des Gutachtensbegriffs ab. Auch Gespräche zwischen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und den Unfallversicherungsträgern nach dem SGB VII waren nicht im Sinne einer allgemeinen Definition des Gutachtensbegriffs erfolgreich (http://www.bfdi.bund.de). Jedoch haben sich in diesen Gesprächen Fallgruppen herausgebildet (dazu Rundschreiben des HVBG, Datenschutz 006/2003), in denen zwar nicht der Gutachtensauftrag definiert, aber Bereiche von Tätigkeiten dargestellt wurden, in denen der beratende Arzt eingesetzt wird, ohne dass die Berufsgenossenschaften dem Versicherten die Rechte des § 200 Abs. 2 SGB VII zu gewähren haben (die Verlautbarung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit a.a.O.). Danach wurde eine beratungsärztliche Tätigkeit in folgenden Fällen angenommen worden, wenn
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- es sich um die Erläuterung medizinischer Sachverhalte handelt, die auch für einen Sachbearbeiter nachlesbar wären;
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- es lediglich um die Beantwortung einfacher Fragen geht;
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- der beratende Arzt zu Verfahrenssteuerung eingesetzt wird.
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Einigkeit bestand damals (a.a.O.), dass eine beratende Stellungnahme nicht in Betracht komme, wenn
29 
- komplexe (Zusammenhangs-)Fragen zu beurteilen sind oder
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- ausführliche Zweitexpertisen zu bereits vorhandenen Gutachten abgefordert werden oder
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- die Absicht besteht, diese als Beweismittel in das Verwaltungsverfahren einzuführen.
32 
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung sei der Gutachtensauftrag. Deshalb wurde zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem Bundesversicherungsamt und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vereinbart, dass der Gutachtensauftrag schriftlich zu erteilen ist, und dass die Formulierung des Gutachtensauftrags so gefasst ist, dass sich aus dem Auftrag ergibt, ob es sich um einen Gutachtensauftrag im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII handelt, oder ob lediglich die Stellungnahme eines beratenden Arztes eingeholt werden soll (HVBG- Rundschreiben a.a.O.).
33 
Die Rechtsprechung (BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, juris RdNr. 26 m.w.N.) hat dem allgemeinen Sprachverständnis folgend unter einem Gutachten nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes verstanden, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen (vgl. BSG vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R -, BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 RdNr. 16 = juris RdNr. 16). Die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen ist jedoch kein konstitutives Merkmal für ein Gutachten. Letztlich wird in der Entscheidung des BSG vom 05.02.2008 davon ausgegangen, dass Gutachten auch von internen Beratungsärzten des Unfallversicherungsträgers erstellt werden können, diese Gutachten aber mangels „Übermittlung“ an Dritte oder an andere Stellen nicht dem Anwendungsbereich des § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII unterfallen (Urteil a.a.O., RdNr. 20, 25, 44). Die Ausführungen des BSG vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R -, juris RdNr. 26, beziehen sich insoweit auf den generellen Anwendungsbereich der nach § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII erforderlichen Belehrung zum datenschutzrechtlichen Widerspruchsrecht. Auch nach dieser Entscheidung sind an den Begriff des Gutachtens i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen (BSG a.a.O. juris RdNr. 39).
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Zur Abgrenzung eines Gutachtens von einer beratungsärztlichen, mithin verwaltungsinternen Stellungnahme ist auf eine Kombination äußerer und innerer Faktoren abzustellen. Zu den äußeren Faktoren zählen z.B., ob die Verwaltung ein Gutachten angefordert oder der Arzt ausweislich seiner Selbstbezeichnung ein Gutachten erstellt, übersandt oder abgerechnet hat (BSG 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3 = juris RdNr. 338; BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris RdNr. 26; BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris RdNr. 26; Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 27; LSG Nordrhein-Westfalen 11.10.2011 – L 17 U 177/10, juris RdNr. 52; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09 - juris RdNr. 22; LSG Nordrhein-Westfalen 18.02.2009 - L 17 U 216/08, juris RdNr. 19); die Länge der Stellungnahme als solche soll kein Kriterium sein (Hessisches LSG 20.06.2006 - L 3 U 716/99, juris RdNr. 55, dagegen wird in BSG 05.02.2008, a.a.O., RdNr. 16, auf eine umfassende wissenschaftliche Darstellung abgestellt). Ist anhand dieser Faktoren die Frage nach dem Vorliegen eines Gutachtens nicht klar zu beantworten, ist vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen, mithin auf die inneren Faktoren abzustellen. Hinsichtlich der inneren Faktoren besteht Einigkeit in der Rechtsprechung dahingehend, dass ein Gutachten nur dann vorliegt, wenn vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen, zum Beispiel des umstrittenen Ursachenzusammenhangs, erfolgt (BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = juris; BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris RdNr. 26; BSG 05.02.2009 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris RdNr. 26; so auch aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte z.B. Senatsurteil 28.10.2011 - L 8 U 5734/10, juris Rdnr. 44 f; Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 27; Hessisches LSG 23.03.2012 - L 9 U 27/11, juris RdNr. 34; LSG Nordrhein-Westfalen, 11.10.2012 - L 17 U 177/10, juris RdNr. 52; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09 - juris RdNr. 22; LSG Nordrhein-Westfalen 18.02.2009 - L 17 U 216/08, juris RdNr. 19; LSG Rheinland-Pfalz 30.01.2009 - L 2 U 198/04, juris RdNr. 12), während es sich bei einer schriftlichen Äußerung eines Arztes, die sich im Wesentlichen mit einem eingeholten (Vor-)gutachten auseinandersetzt, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, nur um eine beratende Stellungnahme handelt (BSG 05.02.2008, a.a.O.; Hessisches LSG a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09, juris). Dabei ist nach einer weit vertretenen Auffassung (z.B. Hessisches LSG a.a.O.) darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt der Äußerung liegt, wozu eine Gesamtschau des die medizinische Äußerung veranlassenden Auftrags als Bezugspunkt einerseits sowie andererseits von äußerer Form, Umfang sowie Inhalt der medizinischen Äußerung selbst anzustellen ist. Hierbei kommt es weder alleine auf die Bezeichnung noch alleine auf den Umfang bzw. die äußere Form an (Hessisches LSG a.a.O.). Von einem schwerpunktmäßig vorliegenden Gutachten kann auch bei nur im geringen Maße eigene Bewertungen enthaltenen Äußerungen ausgegangen werden, je mehr die äußere Form sowie der Umfang für ein Gutachten sprechen, so wie umgekehrt geringere Anforderungen an die Formalien zu stellen sind, wenn schwerpunktmäßig eigene Wertungen ohne Beschränkung auf die punktuelle Überprüfung eines bereits vorliegenden Gutachtens abgegeben werden.
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Der Senat (vgl. Urteil vom 28.10.2011 - L 8 U 5734/10 - juris und sozialgerichtsbarkeit.de) hatte bereits zuvor angenommen, dass Maßstab zur Abgrenzung einer solchen beratungsärztlichen Stellungnahme gegenüber einem Gutachten nach Aktenlage ist, inwieweit eigene gutachterliche Schlussfolgerungen auch unter eigener Auswertung der Aktenlage vorgenommen werden. Ist die Stellungnahme des Beratungsarztes von solchen Überlegungen geprägt und nicht hauptsächlich auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Ausführungen in dem zu bewertenden Gutachten anhand der herrschenden Lehre und üblicher Untersuchungsstandards beschränkt, ist trotz einer gegen ein Gutachten sprechenden äußeren Form oder Honorarforderung, was bei nicht eindeutiger inhaltlicher Auseinandersetzung aber durchaus gewichtiges Indiz sein kann, von einem Gutachten auszugehen.
36 
Nach diesen Kriterien ist die Stellungnahme von Dr. Tä. vom 19.04.2011 nicht als Gutachten zu verstehen.Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 06.04.2011 kein Gutachten in Auftrag gegeben, sondern ausdrücklich eine beratungsärztliche Stellungnahme angefordert. Dass kein Gutachtensauftrag erteilt wurde, entnimmt der Senat auch dem grafisch hervorgehobenen Hinweis im Auftragsschreiben vom 06.04.2011. Darin wird darauf abgehoben, dass bei Zweifel an der gutachterlichen Zusammenhangsbeurteilung, sofern sie nicht auf Grund eindeutiger falscher Ausgangsannahmen des Gutachters, hier von Dr. K., zu widerlegen sei, kein Raum für eine beratungsärztliche Stellungnahme bestehe, sondern dann von der Beklagten ein Gutachten einzuholen ist (Schreiben vom 06.04.2011). Der den vom Sachbearbeiter aufgeworfenen Fragen vorangestellte Hinweis schließt ausdrücklich mit der Bitte, dass in diesem Fall die nachfolgenden Fragen auch unter dem Gesichtspunkt zu beantworten seien, ob Gutachtensfragen zu ergänzen/vervollständigen sind. Dr. Tä. hat seine Stellungnahme auch nicht als Gutachten bezeichnet vorgelegt. Auch aus den Fragestellungen der Beklagten im Auftragsschreiben vom 06.04.2011 ergibt sich nicht, dass - entgegen der Bezeichnung als beratungsärztliche Stellungnahme - tatsächlich ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Die Fragen beziehen sich ausschließlich darauf, ob die vorliegenden Unterlagen für eine Bewertung, ob eine BK Nr. 2018 BKV vorliegt ausreichen bzw. die Bewertung erschweren, zur Bewertung der Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr. K. vom 12.08.2010 und zur Äußerung von Dr. Th. vom 07.11.2010, zu der Widerspruchsbegründung des Klägers und, falls ein weiteres Gutachten für erforderlich gehalten wird, zu abweichenden/ergänzenden Beweisfragen. Aus der Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. K. ergibt sich auch aus objektiver Sicht, dass insbesondere dazu Stellung genommen werden soll, ob mit dem Gutachten das Krankheitsbild der streitigen BK nachgewiesen ist, das Krankheitsbild nach den Konsensempfehlungen entsprechend den medizinischen Standards nachvollziehbar eingeordnet ist, insbesondere der hierauf beruhenden Kausalitätsbeurteilung im Gutachten Dr. K. gefolgt werden kann. Eigene Schlussfolgerungen des Dr. Tä. werden nicht abgefragt. Damit hat die Beklagte zur Unterstützung einer Verwaltungsentscheidung die Erläuterung medizinischer Sachverhalte bzw. die Beantwortung einfacher Fragen angestrebt sowie den beratenden Arzt zu Verfahrenssteuerung herangezogen, was nach dem oben Ausgeführten gegen die Einholung eines Gutachtens spricht. Soweit der Kläger davon ausgeht, Dr. Tä. habe sich selbst als Gutachter bezeichnet, trifft dies nicht zu. Die vom Kläger für seine Ansicht zitierten Aussagen beziehen sich ersichtlich auf das Gutachten des Dr. K., das Gegenstand der Überprüfung durch Dr. Tä. ist, bzw. auf die Frage der Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens. Eine Selbstbezeichnung als Gutachter lässt sich hieraus nicht herausleiten, wie der Kläger meint.
37 
Auch eine Anlegung der inneren Kriterien zeigt, dass es sich bei der Stellungnahme von Dr. Tä. nicht um ein Gutachten gehandelt hat. Dr. Tä. bestätigt, dass die vorhandenen Unterlagen auch hinsichtlich des Gutachtens Dr. K. ausreichten, jedoch durch fehlende Bilddokumente erschwert seien - Ad1) bis Ad3) der Äußerung vom 19.04.2011 -. Gutachtliche Folgerungen im Hinblick auf die medizinische Zusammenhangsfrage einer BK Nr. 2018 BKV enthält diese Äußerung nicht. Zwar beurteilt Dr. Tä. in der Folge dann aktuelle Röntgenaufnahmen vom 17.06.2010, die von Dr. K. gefertigt und seiner Bewertung zu Grunde gelegt worden waren, und leitet hieraus ab, dass das Verteilungsmuster mit der Einwirkung beim Heben, Tragen und Bücken biomechanisch nicht zu vereinbaren sowie nicht belastungskonform sei und es nicht plausibel erscheine, dass zum maßgeblichen Zeitraum dem Alter vorauseilende umformende Reaktionen vorgelegen haben - Ad3 -. Damit stellt Dr. Tä. jedoch unter weiterer Berücksichtigung von MRT-Bildern vom 03.08.2009, die auch bei der Begutachtung von Dr. K. vorlagen und ausgewertet wurden, die aus seiner Sicht bestehenden Widersprüche und Unschlüssigkeiten im Gutachten von Dr. K. dar. Seine Auswertung hat er die Bewertungen von Dr. K. gegenüber gestellt und darauf hingewiesen, was seiner fachlichen Einschätzung nach widersprüchlich bzw. unschlüssig sei („Insofern ist das Gutachten auch nicht schlüssig“ - Ad4) -). Dazu musste er zwangsläufig die Befunde und Ergebnisse darstellen. Denn zur Schlüssigkeitsprüfung eines Gutachtens gehört auch, ob aktenkundige Vorbefunde und ärztliche Beurteilungen zur Kenntnis genommen und sich mit gegebenenfalls abweichenden Befunden oder medizinische Bewertungen hinreichend auseinandergesetzt wurden. Denn zur kritischen Auseinandersetzung mit einem Gutachten genügt nicht nur, zu behaupten, dieses sei widersprüchlich oder unschlüssig. Vielmehr ist es erforderlich, dass sich der Arzt mit dem Gutachten gerade im Hinblick auf Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage auseinandersetzt. Hierzu hat er nicht nur das Gutachten als solches und alleine zu bewerten. Er hat vielmehr im Hinblick auf in der Akte befindliche Vorbefunde das Gutachten darauf abzugleichen, ob die Darstellungen des Gutachters auf einer schlüssigen Beurteilungsgrundlage basieren und daher schlüssig bzw. überzeugend sind. Ist er der Auffassung, dass das Gutachten nicht schlüssig oder überzeugend, sondern widersprüchlich oder unschlüssig ist, so hat er in der entsprechenden kritischen Auseinandersetzung auch die Begründung dafür zu geben, weshalb er das Gutachten für widersprüchlich oder unschlüssig hält (so auch Thüringer LSG 22.01.2009 - L 1 U 1089/06 -, juris RdNr. 42 m.w.N.). Insoweit ist es in der Auseinandersetzung mit einem Gutachten nicht zielführend, wenn der Beratungsarzt in der Stellungnahme bloß seine abweichende Sicht wiedergibt. Daher muss es auch für den Beratungsarzt zulässig sein, Einwendungen zu formulieren (Thüringer LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, a.a.O.). Dies hat Dr. Tä. in der gebotenen Ausführlichkeit getan. Er hat damit - entgegen der Ansicht des Klägers auch hinsichtlich der in der Berufungsbegründung gemachten Zitate aus der Äußerung des Dr. Tä. - zwar eine Bewertung (eine eigene Position) der verfahrensentscheidenden Tatsachen vorgenommen, jedoch vorwiegend damit dargestellt, aus welchen Gründen er das Gutachten des Dr. K. nicht für schlüssig hält, wozu er gerade zwangsläufig eine eigene, nämlich von Dr. K. abweichende Position einnehmen musste. Es ist aus Sicht des Senats in diesem Punkt nicht allein deshalb eine gutachterliche Schlussfolgerung zu unterstellen, wenn die ärztliche Äußerung sich nicht auf die Darstellung der Widersprüche oder der Unschlüssigkeit der zu besprechenden gutachterlichen Bewertung beschränkt, sondern die aus seiner Auswertung folgende Konsequenz, letztlich durchaus ein gutachterliches Ergebnis, ebenso darlegt, was aber in der kritischen Auswertung des zu Grunde liegenden Gutachtens und gerade nicht auf der eigenständigen Befassung mit dem medizinischen Sachverhalt und einer gänzlich neuen Bewertung bisher nicht berücksichtigter Fakten beruht. Dies stellt aber keine eigenständige gutachtlich Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen dar. Eine in diesem Zusammenhang getroffene gutachterliche Aussage erweist sich folgerichtig nur als Ergebnis der kritischen Auseinandersetzung mit dem zu besprechenden Gutachten. Dr. Tä. hat lediglich im Rahmen einer Würdigung bereits vorliegender Befunde - wie in einer Beweiswürdigung - seine Äußerung verfasst. In diesem Sinne hat Dr. Tä. auch keine eigenständige Bewertung eines Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern auf Grundlage der vorliegenden Befunde gefolgert, dass ein berufsbedingter Zusammenhang entgegen der Auffassung von Dr. K. nicht wahrscheinlich sei, wobei er keine komplexe Zusammenhangsfrage beantwortet, sondern lediglich infolge seiner kritischen Würdigung der Anwendung der Konsensempfehlungen durch Dr. K. diese umgesetzt hat. Soweit er in Abweichung zum Gutachten von Dr. K. aus eigener Kenntnis die Entstehungsgeschichte der Konsensempfehlungen darlegt mit der Empfehlung, dieses „Kompromisspapier mit großer Vorsicht zu werten“, handelt es sich insoweit um eigenständige Überlegungen, die entsprechende gutachterliche Beurteilungen und Bewertungen auch zu einer gutachterlichen und nicht bloß beratungsärztliche Stellungnahme machen würden. Aus diesen Überlegungen zog Dr. K. jedoch keinerlei gutachterliche Konsequenzen. Er hat vielmehr anknüpfend an die vorangegangenen Überlegungen, die in den gutachterlichen Ausführungen von Dr. K. gründen, das Vorliegen der Belastungskonformität des Schadensbildes und die diskussionswürdigen Konstellationen nach den Konsensempfehlungen verneint und damit auch aus medizinischer Sicht, gestützt auf die Konsensempfehlungen eine BK Nr. 2108 als nicht hinreichend wahrscheinlich beurteilt. Entgegen der vom Klägerbevollmächtigten vertretenen Auffassung setzt sich Dr. Tä. nicht gutachtlich mit den Konsensempfehlungen auseinander, sondern äußert sich zur Entstehungsgeschichte und zum Beweiswert, ohne daraus gutachterliche Konsequenzen zu ziehen. Er hat die Konsensempfehlungen auf den vorliegenden Fall vorbehaltlos – trotz seiner vorangegangenen Ausführungen zur vorsichtigen Anwendung des „Kompromisspapiers“ – angewendet. Auch dass Dr. Tä. die Ansicht des Dr. Th. teilt, - Ad5) -, stellt keine gutachtliche Äußerung dar. Dies gilt auch, soweit Dr. Tä. aus medizinischer Sicht zum Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren Stellung nimmt - Ad 6) -. Diese Äußerungen sind im Rahmen der Verfahrenssteuerung zu sehen. Ein Bezug zum Gutachten des Dr. K. besteht insoweit nicht, weshalb es - entgegen der Ansicht des Klägers - insoweit auch keiner „Konzentration“ auf dieses Gutachten bedurfte. Soweit der Kläger dabei eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Dr. K. vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Auseinandersetzung an anderer Stelle der Äußerung durch Dr. Tä. erfolgt ist. Entsprechendes gilt für seine Äußerung, dass ein erneutes Gutachten nicht für erforderlich gehalten wird - Ad7) -. Soweit Dr. Tä. einen Gutachter Dr. „K...“ nennt, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler und kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht dahin gewertet werden, dass Dr. Tä. deshalb eine „eigene Position“ eingenommen habe. Soweit der Kläger Unstimmigkeiten und Widersprüche in der streitgegenständlichen Äußerung des Dr. Tä. sieht, lässt sich hieraus nicht darauf schließen, dass ein Gutachten vorliegt. Eine wissenschaftlich umfassende begründete Expertise im Sinne eines Gutachtens liegt danach nicht vor, worauf die Beklage zutreffend hinweist. Vielmehr ist die streitgegenständliche Äußerung des Dr. Tä. als sachkundige Beratung zur Unterstützung der von der Beklagten zu treffenden Entscheidung zum Vorliegen einer BK zu werten, die keine neue entscheidungserhebliche Erkenntnis vermittelt, wie sie durch ein Gutachten im Rahmen der Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren oder im Rahmen der Beweiserhebung im gerichtlichen Verfahren gewonnen wird. Damit ist die Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 zur Überzeugung des Senats schon kein Gutachten i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII.
38 
Außerdem ist § 200 Abs. 2 SGB VII auch deshalb nicht anwendbar, weil Dr. Tä. nicht als Dritter oder als andere Stelle unter Übersendung der Akten herangezogen wurde. Die Verwaltung ist nicht darauf beschränkt, verwaltungsinterne Stellungnahmen nur bei ihr angestellten oder verbeamteten Ärzten einzuholen (ebenso Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 18; Wagner a.a.O. RdNr. 35.4; a.A. Thüringer LSG 22.01.2009 -L 1 U 1089/06, juris RdNr. 41); jedenfalls lässt sich dieses Kriterium der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen (BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris; BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris; auch die späteren Urteile des BSG schließen dies nicht aus). Maßgeblich stellt das BSG (a.a.O.) vielmehr für die Frage eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit einer unzulässigen Übermittlung von Sozialdaten darauf ab, ob ärztliche Sachverständige tätig werden, die nicht bei dem Verwaltungsträger beschäftigt und auch nicht als interne Berater im weiteren Sinne in einer besonderen Rechtsbeziehung zum Unfallversicherungsträger stehen, so dass sie nicht als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig werden. Besteht zwischen dem Unfallversicherungsträger und dem nicht bei ihr angestellten/verbeamteten Arzt eine solche besondere Rechtsbeziehung, dass dieser Teil des Unfallversicherungsträgers wird - auch gegenüber einem Gutachter besteht eine Rechtsbeziehung, doch gliedert diese den Gutachter nicht in die Verwaltungsstruktur ein, er wird nicht Teil des Unfallversicherungsträgers -, wird er nicht als Gutachter i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII tätig. Ob eine solche besondere (Rechts-)Beziehung schon dann besteht, wenn der Beratungsarzt die Verwaltung in deren Räumen aufsucht und damit eine Versendung von Akten nicht erforderlich ist, kann vorliegend offen bleiben. Die Notwendigkeit eines Aktenversands beinhaltet zwar eine datenschutzrechtliche Risikoerhöhung für Datenverlust oder unrechtmäßige Kenntnisnahme durch andere, kann aber kein alleiniges Abgrenzungskriterium für die maßgebende Qualität der Eingliederung in die Verwaltung sein. Abgesehen davon, dass auch bei einer Verteilung unterschiedlicher Abteilungen einer Behörde auf verschiedene Verwaltungsgebäude, gegebenenfalls auch mit Behördensitzen in unterschiedlichen Städten/Orten, ein Postversand zwischen Beschäftigten notwendig sein kann, wird die Eingliederung des Beratungsarztes in die Verwaltung durch die Ausgestaltung der Pflichtenbindung bestimmt. Eine solche besondere Rechtsbeziehung kann damit auch bei räumlicher Distanz zwischen Verwaltung und Beratungsarzt angenommen werden, wenn der Arzt durch den Abschluss entsprechender Dienst- oder Beratungsverträge höherer Art mit der Verwaltung verbunden ist (BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R und B 2 U 10/07 R jeweils a.a.O.; BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R a.a.O.). Liegt eine solche Rechtsbeziehung vor, ist der Arzt kein Dritter oder eine andere Stelle i.S.d. § 67 Abs. 6, 10 SGB X.
39 
Vorliegend war Dr. Tä. der Beklagten mit einem kündbaren Vertrag verbunden, der ihn zur Erbringung beratungsärztlicher Leistungen verpflichtet (Vertrag über freie Mitarbeit vom 08.03.2010, Bl. 41/42 der Senatsakte). Gegenstand des Vertrages ist die Unterstützung der Sachbearbeitung bei der Beurteilung von medizinischen Fragestellungen, im Wesentlichen bei der Steuerung und Überwachung der medizinischen Rehabilitation, der Überprüfung der Schlüssigkeit vorliegender Gutachten und Klärung der Diagnose in Form von Stellungnahmen zu vorgelegten Unterlagen (Nr. 2 des Vertrages), die einzelvertraglich nach Stundenaufwand über den im Rahmenvertrag festgelegten Honorarsatz abzurechnen sind (Nr. 3 des Vertrages). Dr. Tä. war aufgrund des Vertrages (Nr. 3) zudem nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen vom 02.03.1994 (BGBl. I S. 547) auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten verpflichtet, auf anwendbare Strafvorschriften hingewiesen (Niederschrift Bl. 51/52 Senatsakte) sowie auf das Daten- und Geschäftsgeheimnis verpflichtet und belehrt worden (Bl. 52 Senatsakte).
40 
Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag höherer Art (zu einer vergleichbaren Konstellation vgl. Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 19). Auf dieser Grundlage bestand zwischen der Beklagten und Dr. Tä. eine besondere Rechtsbeziehung, die diesen in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf einbezogen, mithin zum Teil der Beklagten gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 - L 8 U 541/13 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dienste höherer Art zeichnen sich dadurch aus, dass sie überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten der Dienstleistenden verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen. Erforderlich ist zudem, dass die Dienste im Allgemeinen ihrer Art nach üblicherweise nur infolge besonderen d.h. persönlichen Vertrauens übertragen zu werden pflegen; entscheidend ist die typische Lage, nicht der konkrete Einzelfall.
41 
Dr. Tä. hat danach mit dem Vertrag die Aufgaben eines fachärztlichen Beraters für die Beklagte übernommen und war verpflichtet, die Sachbearbeitung bei der Beurteilung von medizinischen Fragestellungen zu unterstützen. Er hat sich hierzu in Form von Stellungnahmen zu den ihm vorgelegten Unterlagen zu äußern, die Erstellung von Gutachten oblag ihm ausdrücklich nicht. Auch wurde er zur Wahrung des Datenschutzes und der Geheimhaltung verpflichtet. Die Tätigkeit von Dr. Tä. wurde jeweils nach Zeitaufwand (Stundensatz) vergütet. Die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Aufgaben durch Dr. Tä. setzte unabdingbar seine besondere Fachkenntnis auf medizinischem Gebiet voraus. Zudem umfasste die vereinbarte Dienstleistung einen Teilbereich der ärztlichen Tätigkeit, welche üblicherweise ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Vertragsgrundlage hat (vgl. BGH 09.06.2011 - III ZR 203/10, juris; BGH 18.10.1984 - IX ZR 14/84, juris), unter anderem auch deshalb, weil sie den Umgang mit besonders sensiblen Daten des Betroffenen erfordert. Darüber hinaus ist die abgegebene Verpflichtungserklärung zur gewissenhaften Erfüllung seiner Obliegenheiten, insbesondere im Umgang mit den anvertrauten Daten und den offenbarten (Dienst-)Geheimnissen in diesem Zusammenhang zu sehen. Bei den Verpflichtungserklärungen (nichtbeamteter Personen und auf Daten- und Geschäftsgeheimnis) handelt sich dabei nicht um einen bloßen Hinweis i.S.d. § 78 Abs. 2 SGB X (ebenso Bayerische LSG a.a.O. RdNr. 23). Vielmehr wird anhand dieser förmlichen Verpflichtung nichtbeamteter Personen auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten, zu denen u.a. die Beachtung des eigentlich vorrangig die Beschäftigten betreffenden Dienstgeheimnisses gehört, und den daraus resultierenden besonderen datenschutzrechtlichen Umständen deutlich, dass Dr. Tä. gerade die Schwelle zur Eingliederung in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf überschritten hatte und daher insoweit den besonderen Bedingungen, vergleichbar eines Beschäftigten, unterlag. Damit handelt es sich nach Überzeugung des Senats nicht nur um Dienstverträge höherer Art. Vielmehr wurde Dr. Tä. in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf der Beklagten eingegliedert (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 a.a.O., im Ergebnis ebenso Bayerisches LSG a.a.O.), indem ihm eine über die Wahrung ärztlicher Schweigepflicht hinausgehende besondere Pflichtenbindung auferlegt worden ist.
42 
An dieser Bewertung ändert nichts, dass der Vertrag als „Vertrag über freie Mitarbeit“ überschrieben ist und Dr. Tä. bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen der Beklagten unterliegt (Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages). Der davon abweichenden Ansicht des Klägers kann nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt zeichnen sich Dienste höherer Art gerade dadurch aus, dass sie überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten der Dienstleistenden verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen. Weiter setzt die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Aufgaben durch Dr. Tä. unabdingbar seine besonderen Fachkenntnis auf medizinischem Gebiet voraus. Zudem umfasste die vereinbarte Dienstleistung einen Teilbereich der ärztlichen Tätigkeit, welche üblicherweise ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Vertragsgrundlage hat. Eine Weisungsabhängigkeit, die ermöglicht, auf den Inhalt beratungsärztlicher Äußerungen Einfluss zu nehmen, lässt sich damit nicht vereinbaren.
43 
Der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (12.03.2012, L 9 U 27/11, juris), auf die sich der Kläger beruft, folgt der Senat nicht (Urteil vom 25.10.2013 - L 8 U 541/13 -). In jener Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts war die Qualifizierung der geschlossenen Verträge als Dienstverträge höherer Art deswegen abgelehnt worden, weil der dortige Arzt nicht in den Verwaltungsbetrieb eingegliedert gewesen sei und er keinem Weisungsrecht unterstanden habe. Dies überzeugt - jedenfalls für den vorliegenden (Rahmen-)Vertrag - nicht (ebenso Bayerisches LSG a.a.O.). Dienstverträge höherer Art werden typischerweise mit Personen geschlossen, die weder räumlich noch organisatorisch in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sind (ebenso Bayerisches LSG a.a.O.). Das Erfordernis einer räumlichen Eingliederung geht fehl, denn es lässt sich der Rechtsprechung des BSG (05.02.2008 - B 2 U 8/07 R und B 2 U 10/07 R, jeweils a.a.O.) nicht entnehmen. Soweit ein Weisungsrecht gefordert wird, so ist dieses entsprechend Dienstverträgen höherer Art naturgemäß im wesentlichen auf die äußere Aufgabenwahrnehmung eingeschränkt (ggfs. zügige Bearbeitung, Verschwiegenheit), wie dem vorliegenden Vertrag auch zu entnehmen ist; ein inhaltliches Weisungsrecht in medizinischer Hinsicht wird gerade typischerweise durch die Übertragung der Aufgabe als Beratungsarzt der Verwaltung ausgeschlossen. Denn der Beratungsarzt soll im Rahmen einer ergebnisoffenen, neutralen Sachverhaltsaufklärung (vgl. dazu § 20 Abs. 1 und 2 SGB X; Luthe in jurisPK-SGB X, § 20 SGB X RdNr. 7; Rixen/Waschull in Dierig/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage, § 20 RdNr. 2) den medizinisch nicht bewanderten Verwaltungsmitarbeiter unterstützen, weshalb - wie bei Dienstleistungen höherer Art typisch - das Weisungsrecht auf eine „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert ist (so zuletzt BSG 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R, juris m.w.N.). Eine Eingliederung in den Betrieb wie bei abhängig Beschäftigten ist nicht zu verlangen.
44 
Das vorstehende gilt auch für Dr. Schr., den die Beklagte als beratenden Arzt angeschrieben hat. Dr. Schr. ist der Beklagten rechtlich identisch wie Dr. Tä. als Beratungsarzt verpflichtet. Er steht in derselben Stellung wie Dr. Tä., denn Dr. Schr. ist zusammen mit Dr. Tä. – beide gehören dem Medizinischen Institut für Begutachtung, K., an – dieselben Verpflichtungen eingegangen und entsprechend belehrt worden (Bl. 41/42, 51 und 52 Senatsakte). Dass nicht der von der Beklagten angeschriebene Dr. Schr., sondern Dr. Tä. (i.V.) die streitgegenständliche Äußerung abgegeben hat, ist damit - entgegen der Ansicht des Klägers - ohne Belang. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Abgabe der Äußerung durch Dr. Tä. anstelle von Dr. Schr. lediglich im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und Beratungsärzten eine Rolle spielt, nicht aber im Außenverhältnis zum Kläger. Soweit der Kläger mutmaßt, aufgrund fehlender Datumsangabe und Abweichungen der Unterschriften sei davon auszugehen, dass die Niederschrift erst im Zuge der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg erstellt worden sei, fehlt für die Richtigkeit dieser Vermutung jeglicher Anhaltspunkt. Das Fehlen der Datumsangabe - in der dem Senat vorgelegten Niederschrift zur Verpflichtung enthält die Erklärung der Ärzte Dr. Schr., Dr. B. und Dr. Tä., über die Verpflichtung zur Wahrung des Daten und Geschäftsgeheimnisses nach dem Verpflichtungsgesetz unterrichtet worden zu sein und das Merkblatt zur Verpflichtungserklärung erhalten zu haben, das Datum 02.07(?).2010 (vgl. Bl. 52 R der Senatsakte) – wie auch die einer Unterschriftsleistung immanente geringfügigen Abweichung der Unterschriften tragen die vom Kläger geäußerte Vermutung nicht ansatzweise. Auch soll der von Dr. Tä. verwendete Briefkopf der Beklagten für sein Tätigwerden als Beratungsarzt sprechen, was bei der oben dargestellten Ausgangslage entgegen der Mutmaßung des Klägers kein Indiz für eine Manipulation der Beklagten ist, sondern eine verständliche Reaktion der Beklagten darstellt auf die vielfältigen – nicht immer überzeugenden – Einwendungen des Klägerbevollmächtigten gegen die Verwaltungspraxis der Beklagten zur Heranziehung von Beratungsärzten. Der Vermutung des Klägers ist die Beklagte außerdem im Schriftsatz vom 30.04.2015 - vom Kläger insoweit nicht widersprochen - entgegen getreten. Der Senat sieht sich daher auch nicht gedrängt, wegen des Bestreitens des Klägers hierzu Ermittlungen anzustellen.
45 
Damit handelt es sich bei Dr. Tä. seiner Stellung nach nicht um einen externen Gutachter. Er steht in Ausübung seiner beratungsärztlichen Dienste vielmehr einem Arbeitnehmer bzw. Beamten im Dienste der Beklagten gleich; er unterliegt denselben Dienstverpflichtungen, denselben Dienstobliegenheiten und auch denselben rechtlichen Konsequenzen bei Verstößen hiergegen. Ist Dr. Tä. aber nicht Dritter, der im Auftrag der Verwaltung Daten verarbeitet, sondern Teil der Beklagten und mithin organisatorisch der Verwaltung zuzurechnen, so greift weder § 200 Abs. 2 SGB VII noch der vom Kläger vorgebrachte § 80 SGB X. § 67 Abs. 10 SGB X steht dieser Bewertung nicht entgegen. Damit hat die Beklagte nicht gegen die Pflicht zur Belehrung über das datenschutzrechtliche Widerspruchsrecht gemäß § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII verstoßen, weil weder ein Gutachtenauftrag erteilt bzw. ein Gutachten eingeholt worden ist noch Sozialdaten im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB X übermittelt worden sind. Ebenso wenig lag ein Verstoß gegen das Auswahlrecht nach § 200 Abs. 2 1. HS SGB VII vor. Im Übrigen hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend begründet, dass eine Verletzung des Auswahlrechts mangels rechtzeitiger Rüge durch den Kläger nicht festzustellen wäre. Der Senat teilt nach eigener Prüfung die Ansicht des SG und nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die hierzu erfolgten Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Akteneinsicht „bei oberflächlichem Blick“ die mit „Beratungsärztlicher Stellungnahme“ überschriebene Äußerung des Dr. Tä. unzutreffend für Schriftverkehr der Beklagten gehalten hat, entschuldigt nicht.
46 
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2013 verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten.
47 
Die Berufung war daher im Hauptantrag zurückzuweisen.
2.
48 
Der erstmals im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Das Begehren, die Unverwertbarkeit der Äußerung des Dr. Tä. festzustellen, stellt eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung dar, die nicht sachdienlich ist. Eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung hierzu liegt nicht vor. Der anwaltlich vertretene Kläger hat auch keinen förmlichen Befangenheitsantrag gestellt. Er macht vielmehr die Unverwertbarkeit der Äußerungen des Dr. Tä. im Rahmen der Beweiswürdigung geltend, weshalb hierüber im ausgesetzten Klageverfahren S 6 U 2597/11 entschieden werden kann.
49 
Der Kläger kann außerdem nicht mit Erfolg die Unverwertbarkeit der Äußerung des Dr. Tä. vom 19.04.2011 wegen Befangenheit geltend machen. Dies schon deshalb, weil seine Rüge der Befangenheit nicht rechtzeitig erfolgt ist, was aber in der Konsequenz seiner Auffassung, Dr. Tä. sei externer Gutachter, in entsprechender Anwendung von § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderlich gewesen wäre. Ist - wie vorliegend - keine richterliche Frist gesetzt, ist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Ablehnungsgrundes dieser unverzüglich geltend zu machen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Die hierzu angemessene Frist ist nach der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. u.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. § 406 RdNr. 23; Zöller, ZPO, 28. Aufl. § 406 RdNr. 11 jeweils m.w.N.) längstens die Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO; in der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, es komme auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005, a.a.O., m.w.N.). Der Senat hält eine Frist von längstens einem Monat, der im Sozialrecht sonst üblichen Rechtsbehelfsfrist, grundsätzlich für eine angemessene Überlegungsfrist, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls eine kürzere Prüfungszeit nahelegen (vgl. Beschluss des Senats vom 12.10.2011 - L 8 SB 3707/11 B -). Die Rüge der Befangenheit im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.02.2014 ist danach verspätet. Dies gilt auch für die Rüge der Befangenheit eines
- internen - Sachbearbeiters, wie es bei beratungsärztlicher Tätigkeit der Fall wäre, gemäß § 17 SGB X. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats hatte dem Kläger als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens bereits kein subjektives Ablehnungsrecht zugestanden, doch ist auch der Beteiligte gehalten, Ablehnungsgründe vorzubringen, da er ansonsten in einem späteren Klageverfahren in analoger Anwendung von § 406 Abs. 2 ZPO damit ausgeschlossen ist (vgl. Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. § 17 Rn. 6, 8).
50 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beruft sich zur Begründung seiner Rüge auf ein von den Ärzten Dr. Schr., F. und Dr. Schu. unterzeichnetes Schreiben vom 09.08.2012 an das SG Würzburg, in dem sich die Unterzeichner im Hinblick auf das (prozessuale) Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Klägers für befangen erklären. Unabhängig von der Frage, ob hieraus für das vorliegende Verfahren im Hinblick auf Dr. Tä. überhaupt Folgerungen zu ziehen sind, ist das Schreiben vom 09.08.2012 dem Prozessbevollmächtigte (nach dem Eingangsstempel) seit 05.09.2012 bekannt, mithin bereits vor Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides vom 12.10.2012. Seine erst im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 26.02.2014 erhobene Rüge erweist sich damit als verspätet. Darauf, ob tatsächlich ein Befangenheitsgrund besteht, kommt es mithin nicht an.
51 
Die Berufung kann daher auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
3.
52 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
53 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wirft der vorliegende Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

Gründe

 
21 
Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, insbesondere als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 SGG; zur Entscheidung durch Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X vgl. BSG 21.03.2006 - B 2 U 24/04 R, SozR 4-1300 § 84 Nr. 1 = juris RdNr. 25) statthaft, jedoch nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 12.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger wird durch die Ablehnung der Herausnahme der ärztlichen Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 aus den Verwaltungsakten der Beklagten nicht in seinen Rechten verletzt (1.). Sein Hilfsantrag erweist sich demgegenüber als unzulässig (2.).
1.
22 
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Herausnahme der ärztlichen Äußerung von Dr. Tä. ist § 84 Abs. 2 S. 1 SGB X, wonach Sozialdaten (vgl. dazu § 65 Abs. 1 SGB X) - wozu auch Gutachten und ärztliche Stellungnahmen über einen am Verwaltungsverfahren Beteiligten bzw. Teile hieraus gehören - zu löschen sind, wenn ihre Speicherung unzulässig ist; eine bloße Nutzung von Sozialdaten i.S.d. § 67 Abs. 7 SGB X, die unzweifelhaft vorliegt, begründet den Löschungsanspruch dagegen nicht. Speichern ist gemäß § 67 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB X das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von Sozialdaten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung. Nach § 67c Abs. 1 S. 1 SGB X ist das Speichern, Verändern oder Nutzen von Sozialdaten durch die in § 35 SGB I genannten Stellen zulässig, wenn es zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden gesetzlichen Aufgaben nach dem SGB erforderlich ist und es für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Grundsätzlich nicht gespeichert werden dürfen Sozialdaten darüber hinaus auch dann, wenn sie einem Verwertungsverbot unterliegen. Ein solches Verwertungsverbot (zu den Anforderungen an ein Beweisverwertungsverbot vgl. BSG 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R -, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3 = juris RdNr. 33 ff) resultiert vorliegend nicht aus einem Verstoß gegen § 200 Abs. 2 SGB VII, weshalb offen gelassen werden kann (dazu vgl. BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, juris RdNr. 20 m.w.N.), ob § 200 Abs. 2 SGB VII überhaupt ein solches Verwertungsverbot ausspricht (ablehnend jedenfalls für den Fall, dass die Verletzung des Auswahlrechts nicht rechtzeitig gerügt wurde: BSG 27.10.2010 - B 2 U 17/09 R - juris RdNr. 37; ebenso Hessisches LSG 18.08.2009 - L 3 U 133/07, juris RdNr. 32; dagegen bejahend Hessisches LSG 23.03.2012 - L 9 U 27/11, juris; SG Karlsruhe 12.03.2008 - S 4 U 1615/07, juris RdNr. 35).
23 
Gemäß § 200 Abs. 2 SGB VII soll vor Erteilung eines Gutachtensauftrages der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; der Betroffene ist außerdem auf sein Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 SGB X hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren. Der Sachverständige bzw. dessen Gutachten stellen Beweismittel i.S.d. § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB X dar (Wagner in juris-PK SGB VII, § 200 RdNr. 32). Aufgabe des Sachverständigen ist es, seine besondere Sachkunde zur Verfügung zu stellen, aus Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen, Kenntnis von Erfahrungssätzen zu vermitteln oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festzustellen (Wagner a.a.O.; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 118 RdNr. 11a ff; Kühl in Breitkreuz/Fichte, SGG, § 118 RdNr. 13 ff; Lang in Diering/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage, § 21 RdNr. 17). Dagegen handelt es sich bei der beratungsärztlichen Stellungnahme nicht um ein Beweismittel, sondern um eine verwaltungsinterne Stellungnahme einer sachkundigen Person im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.
24 
Die Verpflichtungen des § 200 Abs. 2 SGB VII bestehen nur, wenn es sich bei der ärztlichen Stellungnahme zunächst um ein Gutachten, nicht jedoch, wenn es sich um eine sog. beratungsärztliche Stellungnahme handelt. Das Gesetz selbst sieht sowohl in § 200 Abs. 2 SGB VII als auch in anderen Gesetzen von einer Definition des Gutachtensbegriffs ab. Auch Gespräche zwischen dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und den Unfallversicherungsträgern nach dem SGB VII waren nicht im Sinne einer allgemeinen Definition des Gutachtensbegriffs erfolgreich (http://www.bfdi.bund.de). Jedoch haben sich in diesen Gesprächen Fallgruppen herausgebildet (dazu Rundschreiben des HVBG, Datenschutz 006/2003), in denen zwar nicht der Gutachtensauftrag definiert, aber Bereiche von Tätigkeiten dargestellt wurden, in denen der beratende Arzt eingesetzt wird, ohne dass die Berufsgenossenschaften dem Versicherten die Rechte des § 200 Abs. 2 SGB VII zu gewähren haben (die Verlautbarung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit a.a.O.). Danach wurde eine beratungsärztliche Tätigkeit in folgenden Fällen angenommen worden, wenn
25 
- es sich um die Erläuterung medizinischer Sachverhalte handelt, die auch für einen Sachbearbeiter nachlesbar wären;
26 
- es lediglich um die Beantwortung einfacher Fragen geht;
27 
- der beratende Arzt zu Verfahrenssteuerung eingesetzt wird.
28 
Einigkeit bestand damals (a.a.O.), dass eine beratende Stellungnahme nicht in Betracht komme, wenn
29 
- komplexe (Zusammenhangs-)Fragen zu beurteilen sind oder
30 
- ausführliche Zweitexpertisen zu bereits vorhandenen Gutachten abgefordert werden oder
31 
- die Absicht besteht, diese als Beweismittel in das Verwaltungsverfahren einzuführen.
32 
Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung sei der Gutachtensauftrag. Deshalb wurde zwischen dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dem Bundesversicherungsamt und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vereinbart, dass der Gutachtensauftrag schriftlich zu erteilen ist, und dass die Formulierung des Gutachtensauftrags so gefasst ist, dass sich aus dem Auftrag ergibt, ob es sich um einen Gutachtensauftrag im Sinne des § 200 Abs. 2 SGB VII handelt, oder ob lediglich die Stellungnahme eines beratenden Arztes eingeholt werden soll (HVBG- Rundschreiben a.a.O.).
33 
Die Rechtsprechung (BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R, juris RdNr. 26 m.w.N.) hat dem allgemeinen Sprachverständnis folgend unter einem Gutachten nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes verstanden, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen (vgl. BSG vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R -, BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 RdNr. 16 = juris RdNr. 16). Die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen ist jedoch kein konstitutives Merkmal für ein Gutachten. Letztlich wird in der Entscheidung des BSG vom 05.02.2008 davon ausgegangen, dass Gutachten auch von internen Beratungsärzten des Unfallversicherungsträgers erstellt werden können, diese Gutachten aber mangels „Übermittlung“ an Dritte oder an andere Stellen nicht dem Anwendungsbereich des § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII unterfallen (Urteil a.a.O., RdNr. 20, 25, 44). Die Ausführungen des BSG vom 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R -, juris RdNr. 26, beziehen sich insoweit auf den generellen Anwendungsbereich der nach § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII erforderlichen Belehrung zum datenschutzrechtlichen Widerspruchsrecht. Auch nach dieser Entscheidung sind an den Begriff des Gutachtens i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen (BSG a.a.O. juris RdNr. 39).
34 
Zur Abgrenzung eines Gutachtens von einer beratungsärztlichen, mithin verwaltungsinternen Stellungnahme ist auf eine Kombination äußerer und innerer Faktoren abzustellen. Zu den äußeren Faktoren zählen z.B., ob die Verwaltung ein Gutachten angefordert oder der Arzt ausweislich seiner Selbstbezeichnung ein Gutachten erstellt, übersandt oder abgerechnet hat (BSG 18.01.2011 - B 2 U 5/10 R, SozR 4-2700 § 200 Nr. 3 = juris RdNr. 338; BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris RdNr. 26; BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris RdNr. 26; Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 27; LSG Nordrhein-Westfalen 11.10.2011 – L 17 U 177/10, juris RdNr. 52; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09 - juris RdNr. 22; LSG Nordrhein-Westfalen 18.02.2009 - L 17 U 216/08, juris RdNr. 19); die Länge der Stellungnahme als solche soll kein Kriterium sein (Hessisches LSG 20.06.2006 - L 3 U 716/99, juris RdNr. 55, dagegen wird in BSG 05.02.2008, a.a.O., RdNr. 16, auf eine umfassende wissenschaftliche Darstellung abgestellt). Ist anhand dieser Faktoren die Frage nach dem Vorliegen eines Gutachtens nicht klar zu beantworten, ist vom Bezugspunkt der schriftlichen Äußerung des Sachverständigen auszugehen, mithin auf die inneren Faktoren abzustellen. Hinsichtlich der inneren Faktoren besteht Einigkeit in der Rechtsprechung dahingehend, dass ein Gutachten nur dann vorliegt, wenn vornehmlich eine eigenständige Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen, zum Beispiel des umstrittenen Ursachenzusammenhangs, erfolgt (BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = juris; BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris RdNr. 26; BSG 05.02.2009 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris RdNr. 26; so auch aus der Rechtsprechung der Instanzgerichte z.B. Senatsurteil 28.10.2011 - L 8 U 5734/10, juris Rdnr. 44 f; Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 27; Hessisches LSG 23.03.2012 - L 9 U 27/11, juris RdNr. 34; LSG Nordrhein-Westfalen, 11.10.2012 - L 17 U 177/10, juris RdNr. 52; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09 - juris RdNr. 22; LSG Nordrhein-Westfalen 18.02.2009 - L 17 U 216/08, juris RdNr. 19; LSG Rheinland-Pfalz 30.01.2009 - L 2 U 198/04, juris RdNr. 12), während es sich bei einer schriftlichen Äußerung eines Arztes, die sich im Wesentlichen mit einem eingeholten (Vor-)gutachten auseinandersetzt, insbesondere im Hinblick auf dessen Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage, nur um eine beratende Stellungnahme handelt (BSG 05.02.2008, a.a.O.; Hessisches LSG a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen 17.03.2010 - L 17 U 191/09, juris). Dabei ist nach einer weit vertretenen Auffassung (z.B. Hessisches LSG a.a.O.) darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt der Äußerung liegt, wozu eine Gesamtschau des die medizinische Äußerung veranlassenden Auftrags als Bezugspunkt einerseits sowie andererseits von äußerer Form, Umfang sowie Inhalt der medizinischen Äußerung selbst anzustellen ist. Hierbei kommt es weder alleine auf die Bezeichnung noch alleine auf den Umfang bzw. die äußere Form an (Hessisches LSG a.a.O.). Von einem schwerpunktmäßig vorliegenden Gutachten kann auch bei nur im geringen Maße eigene Bewertungen enthaltenen Äußerungen ausgegangen werden, je mehr die äußere Form sowie der Umfang für ein Gutachten sprechen, so wie umgekehrt geringere Anforderungen an die Formalien zu stellen sind, wenn schwerpunktmäßig eigene Wertungen ohne Beschränkung auf die punktuelle Überprüfung eines bereits vorliegenden Gutachtens abgegeben werden.
35 
Der Senat (vgl. Urteil vom 28.10.2011 - L 8 U 5734/10 - juris und sozialgerichtsbarkeit.de) hatte bereits zuvor angenommen, dass Maßstab zur Abgrenzung einer solchen beratungsärztlichen Stellungnahme gegenüber einem Gutachten nach Aktenlage ist, inwieweit eigene gutachterliche Schlussfolgerungen auch unter eigener Auswertung der Aktenlage vorgenommen werden. Ist die Stellungnahme des Beratungsarztes von solchen Überlegungen geprägt und nicht hauptsächlich auf eine kritische Auseinandersetzung mit den Ausführungen in dem zu bewertenden Gutachten anhand der herrschenden Lehre und üblicher Untersuchungsstandards beschränkt, ist trotz einer gegen ein Gutachten sprechenden äußeren Form oder Honorarforderung, was bei nicht eindeutiger inhaltlicher Auseinandersetzung aber durchaus gewichtiges Indiz sein kann, von einem Gutachten auszugehen.
36 
Nach diesen Kriterien ist die Stellungnahme von Dr. Tä. vom 19.04.2011 nicht als Gutachten zu verstehen.Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 06.04.2011 kein Gutachten in Auftrag gegeben, sondern ausdrücklich eine beratungsärztliche Stellungnahme angefordert. Dass kein Gutachtensauftrag erteilt wurde, entnimmt der Senat auch dem grafisch hervorgehobenen Hinweis im Auftragsschreiben vom 06.04.2011. Darin wird darauf abgehoben, dass bei Zweifel an der gutachterlichen Zusammenhangsbeurteilung, sofern sie nicht auf Grund eindeutiger falscher Ausgangsannahmen des Gutachters, hier von Dr. K., zu widerlegen sei, kein Raum für eine beratungsärztliche Stellungnahme bestehe, sondern dann von der Beklagten ein Gutachten einzuholen ist (Schreiben vom 06.04.2011). Der den vom Sachbearbeiter aufgeworfenen Fragen vorangestellte Hinweis schließt ausdrücklich mit der Bitte, dass in diesem Fall die nachfolgenden Fragen auch unter dem Gesichtspunkt zu beantworten seien, ob Gutachtensfragen zu ergänzen/vervollständigen sind. Dr. Tä. hat seine Stellungnahme auch nicht als Gutachten bezeichnet vorgelegt. Auch aus den Fragestellungen der Beklagten im Auftragsschreiben vom 06.04.2011 ergibt sich nicht, dass - entgegen der Bezeichnung als beratungsärztliche Stellungnahme - tatsächlich ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Die Fragen beziehen sich ausschließlich darauf, ob die vorliegenden Unterlagen für eine Bewertung, ob eine BK Nr. 2018 BKV vorliegt ausreichen bzw. die Bewertung erschweren, zur Bewertung der Schlüssigkeit des Gutachtens von Dr. K. vom 12.08.2010 und zur Äußerung von Dr. Th. vom 07.11.2010, zu der Widerspruchsbegründung des Klägers und, falls ein weiteres Gutachten für erforderlich gehalten wird, zu abweichenden/ergänzenden Beweisfragen. Aus der Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. K. ergibt sich auch aus objektiver Sicht, dass insbesondere dazu Stellung genommen werden soll, ob mit dem Gutachten das Krankheitsbild der streitigen BK nachgewiesen ist, das Krankheitsbild nach den Konsensempfehlungen entsprechend den medizinischen Standards nachvollziehbar eingeordnet ist, insbesondere der hierauf beruhenden Kausalitätsbeurteilung im Gutachten Dr. K. gefolgt werden kann. Eigene Schlussfolgerungen des Dr. Tä. werden nicht abgefragt. Damit hat die Beklagte zur Unterstützung einer Verwaltungsentscheidung die Erläuterung medizinischer Sachverhalte bzw. die Beantwortung einfacher Fragen angestrebt sowie den beratenden Arzt zu Verfahrenssteuerung herangezogen, was nach dem oben Ausgeführten gegen die Einholung eines Gutachtens spricht. Soweit der Kläger davon ausgeht, Dr. Tä. habe sich selbst als Gutachter bezeichnet, trifft dies nicht zu. Die vom Kläger für seine Ansicht zitierten Aussagen beziehen sich ersichtlich auf das Gutachten des Dr. K., das Gegenstand der Überprüfung durch Dr. Tä. ist, bzw. auf die Frage der Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens. Eine Selbstbezeichnung als Gutachter lässt sich hieraus nicht herausleiten, wie der Kläger meint.
37 
Auch eine Anlegung der inneren Kriterien zeigt, dass es sich bei der Stellungnahme von Dr. Tä. nicht um ein Gutachten gehandelt hat. Dr. Tä. bestätigt, dass die vorhandenen Unterlagen auch hinsichtlich des Gutachtens Dr. K. ausreichten, jedoch durch fehlende Bilddokumente erschwert seien - Ad1) bis Ad3) der Äußerung vom 19.04.2011 -. Gutachtliche Folgerungen im Hinblick auf die medizinische Zusammenhangsfrage einer BK Nr. 2018 BKV enthält diese Äußerung nicht. Zwar beurteilt Dr. Tä. in der Folge dann aktuelle Röntgenaufnahmen vom 17.06.2010, die von Dr. K. gefertigt und seiner Bewertung zu Grunde gelegt worden waren, und leitet hieraus ab, dass das Verteilungsmuster mit der Einwirkung beim Heben, Tragen und Bücken biomechanisch nicht zu vereinbaren sowie nicht belastungskonform sei und es nicht plausibel erscheine, dass zum maßgeblichen Zeitraum dem Alter vorauseilende umformende Reaktionen vorgelegen haben - Ad3 -. Damit stellt Dr. Tä. jedoch unter weiterer Berücksichtigung von MRT-Bildern vom 03.08.2009, die auch bei der Begutachtung von Dr. K. vorlagen und ausgewertet wurden, die aus seiner Sicht bestehenden Widersprüche und Unschlüssigkeiten im Gutachten von Dr. K. dar. Seine Auswertung hat er die Bewertungen von Dr. K. gegenüber gestellt und darauf hingewiesen, was seiner fachlichen Einschätzung nach widersprüchlich bzw. unschlüssig sei („Insofern ist das Gutachten auch nicht schlüssig“ - Ad4) -). Dazu musste er zwangsläufig die Befunde und Ergebnisse darstellen. Denn zur Schlüssigkeitsprüfung eines Gutachtens gehört auch, ob aktenkundige Vorbefunde und ärztliche Beurteilungen zur Kenntnis genommen und sich mit gegebenenfalls abweichenden Befunden oder medizinische Bewertungen hinreichend auseinandergesetzt wurden. Denn zur kritischen Auseinandersetzung mit einem Gutachten genügt nicht nur, zu behaupten, dieses sei widersprüchlich oder unschlüssig. Vielmehr ist es erforderlich, dass sich der Arzt mit dem Gutachten gerade im Hinblick auf Schlüssigkeit, Überzeugungskraft und Beurteilungsgrundlage auseinandersetzt. Hierzu hat er nicht nur das Gutachten als solches und alleine zu bewerten. Er hat vielmehr im Hinblick auf in der Akte befindliche Vorbefunde das Gutachten darauf abzugleichen, ob die Darstellungen des Gutachters auf einer schlüssigen Beurteilungsgrundlage basieren und daher schlüssig bzw. überzeugend sind. Ist er der Auffassung, dass das Gutachten nicht schlüssig oder überzeugend, sondern widersprüchlich oder unschlüssig ist, so hat er in der entsprechenden kritischen Auseinandersetzung auch die Begründung dafür zu geben, weshalb er das Gutachten für widersprüchlich oder unschlüssig hält (so auch Thüringer LSG 22.01.2009 - L 1 U 1089/06 -, juris RdNr. 42 m.w.N.). Insoweit ist es in der Auseinandersetzung mit einem Gutachten nicht zielführend, wenn der Beratungsarzt in der Stellungnahme bloß seine abweichende Sicht wiedergibt. Daher muss es auch für den Beratungsarzt zulässig sein, Einwendungen zu formulieren (Thüringer LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, a.a.O.). Dies hat Dr. Tä. in der gebotenen Ausführlichkeit getan. Er hat damit - entgegen der Ansicht des Klägers auch hinsichtlich der in der Berufungsbegründung gemachten Zitate aus der Äußerung des Dr. Tä. - zwar eine Bewertung (eine eigene Position) der verfahrensentscheidenden Tatsachen vorgenommen, jedoch vorwiegend damit dargestellt, aus welchen Gründen er das Gutachten des Dr. K. nicht für schlüssig hält, wozu er gerade zwangsläufig eine eigene, nämlich von Dr. K. abweichende Position einnehmen musste. Es ist aus Sicht des Senats in diesem Punkt nicht allein deshalb eine gutachterliche Schlussfolgerung zu unterstellen, wenn die ärztliche Äußerung sich nicht auf die Darstellung der Widersprüche oder der Unschlüssigkeit der zu besprechenden gutachterlichen Bewertung beschränkt, sondern die aus seiner Auswertung folgende Konsequenz, letztlich durchaus ein gutachterliches Ergebnis, ebenso darlegt, was aber in der kritischen Auswertung des zu Grunde liegenden Gutachtens und gerade nicht auf der eigenständigen Befassung mit dem medizinischen Sachverhalt und einer gänzlich neuen Bewertung bisher nicht berücksichtigter Fakten beruht. Dies stellt aber keine eigenständige gutachtlich Bewertung der verfahrensentscheidenden Tatsachen dar. Eine in diesem Zusammenhang getroffene gutachterliche Aussage erweist sich folgerichtig nur als Ergebnis der kritischen Auseinandersetzung mit dem zu besprechenden Gutachten. Dr. Tä. hat lediglich im Rahmen einer Würdigung bereits vorliegender Befunde - wie in einer Beweiswürdigung - seine Äußerung verfasst. In diesem Sinne hat Dr. Tä. auch keine eigenständige Bewertung eines Kausalzusammenhangs vorgenommen, sondern auf Grundlage der vorliegenden Befunde gefolgert, dass ein berufsbedingter Zusammenhang entgegen der Auffassung von Dr. K. nicht wahrscheinlich sei, wobei er keine komplexe Zusammenhangsfrage beantwortet, sondern lediglich infolge seiner kritischen Würdigung der Anwendung der Konsensempfehlungen durch Dr. K. diese umgesetzt hat. Soweit er in Abweichung zum Gutachten von Dr. K. aus eigener Kenntnis die Entstehungsgeschichte der Konsensempfehlungen darlegt mit der Empfehlung, dieses „Kompromisspapier mit großer Vorsicht zu werten“, handelt es sich insoweit um eigenständige Überlegungen, die entsprechende gutachterliche Beurteilungen und Bewertungen auch zu einer gutachterlichen und nicht bloß beratungsärztliche Stellungnahme machen würden. Aus diesen Überlegungen zog Dr. K. jedoch keinerlei gutachterliche Konsequenzen. Er hat vielmehr anknüpfend an die vorangegangenen Überlegungen, die in den gutachterlichen Ausführungen von Dr. K. gründen, das Vorliegen der Belastungskonformität des Schadensbildes und die diskussionswürdigen Konstellationen nach den Konsensempfehlungen verneint und damit auch aus medizinischer Sicht, gestützt auf die Konsensempfehlungen eine BK Nr. 2108 als nicht hinreichend wahrscheinlich beurteilt. Entgegen der vom Klägerbevollmächtigten vertretenen Auffassung setzt sich Dr. Tä. nicht gutachtlich mit den Konsensempfehlungen auseinander, sondern äußert sich zur Entstehungsgeschichte und zum Beweiswert, ohne daraus gutachterliche Konsequenzen zu ziehen. Er hat die Konsensempfehlungen auf den vorliegenden Fall vorbehaltlos – trotz seiner vorangegangenen Ausführungen zur vorsichtigen Anwendung des „Kompromisspapiers“ – angewendet. Auch dass Dr. Tä. die Ansicht des Dr. Th. teilt, - Ad5) -, stellt keine gutachtliche Äußerung dar. Dies gilt auch, soweit Dr. Tä. aus medizinischer Sicht zum Vorbringen des Klägers im Widerspruchsverfahren Stellung nimmt - Ad 6) -. Diese Äußerungen sind im Rahmen der Verfahrenssteuerung zu sehen. Ein Bezug zum Gutachten des Dr. K. besteht insoweit nicht, weshalb es - entgegen der Ansicht des Klägers - insoweit auch keiner „Konzentration“ auf dieses Gutachten bedurfte. Soweit der Kläger dabei eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Dr. K. vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Auseinandersetzung an anderer Stelle der Äußerung durch Dr. Tä. erfolgt ist. Entsprechendes gilt für seine Äußerung, dass ein erneutes Gutachten nicht für erforderlich gehalten wird - Ad7) -. Soweit Dr. Tä. einen Gutachter Dr. „K...“ nennt, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler und kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht dahin gewertet werden, dass Dr. Tä. deshalb eine „eigene Position“ eingenommen habe. Soweit der Kläger Unstimmigkeiten und Widersprüche in der streitgegenständlichen Äußerung des Dr. Tä. sieht, lässt sich hieraus nicht darauf schließen, dass ein Gutachten vorliegt. Eine wissenschaftlich umfassende begründete Expertise im Sinne eines Gutachtens liegt danach nicht vor, worauf die Beklage zutreffend hinweist. Vielmehr ist die streitgegenständliche Äußerung des Dr. Tä. als sachkundige Beratung zur Unterstützung der von der Beklagten zu treffenden Entscheidung zum Vorliegen einer BK zu werten, die keine neue entscheidungserhebliche Erkenntnis vermittelt, wie sie durch ein Gutachten im Rahmen der Amtsermittlung im Verwaltungsverfahren oder im Rahmen der Beweiserhebung im gerichtlichen Verfahren gewonnen wird. Damit ist die Äußerung von Dr. Tä. vom 19.04.2011 zur Überzeugung des Senats schon kein Gutachten i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII.
38 
Außerdem ist § 200 Abs. 2 SGB VII auch deshalb nicht anwendbar, weil Dr. Tä. nicht als Dritter oder als andere Stelle unter Übersendung der Akten herangezogen wurde. Die Verwaltung ist nicht darauf beschränkt, verwaltungsinterne Stellungnahmen nur bei ihr angestellten oder verbeamteten Ärzten einzuholen (ebenso Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 18; Wagner a.a.O. RdNr. 35.4; a.A. Thüringer LSG 22.01.2009 -L 1 U 1089/06, juris RdNr. 41); jedenfalls lässt sich dieses Kriterium der Rechtsprechung des BSG nicht entnehmen (BSG 05.02.2008 - B 2 U 10/07 R, juris; BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25-43 = SozR 4-2700 § 200 Nr. 1 = juris; auch die späteren Urteile des BSG schließen dies nicht aus). Maßgeblich stellt das BSG (a.a.O.) vielmehr für die Frage eines Verstoßes gegen § 200 Abs. 2 SGB VII in Verbindung mit einer unzulässigen Übermittlung von Sozialdaten darauf ab, ob ärztliche Sachverständige tätig werden, die nicht bei dem Verwaltungsträger beschäftigt und auch nicht als interne Berater im weiteren Sinne in einer besonderen Rechtsbeziehung zum Unfallversicherungsträger stehen, so dass sie nicht als Teil des Unfallversicherungsträgers tätig werden. Besteht zwischen dem Unfallversicherungsträger und dem nicht bei ihr angestellten/verbeamteten Arzt eine solche besondere Rechtsbeziehung, dass dieser Teil des Unfallversicherungsträgers wird - auch gegenüber einem Gutachter besteht eine Rechtsbeziehung, doch gliedert diese den Gutachter nicht in die Verwaltungsstruktur ein, er wird nicht Teil des Unfallversicherungsträgers -, wird er nicht als Gutachter i.S.d. § 200 Abs. 2 SGB VII tätig. Ob eine solche besondere (Rechts-)Beziehung schon dann besteht, wenn der Beratungsarzt die Verwaltung in deren Räumen aufsucht und damit eine Versendung von Akten nicht erforderlich ist, kann vorliegend offen bleiben. Die Notwendigkeit eines Aktenversands beinhaltet zwar eine datenschutzrechtliche Risikoerhöhung für Datenverlust oder unrechtmäßige Kenntnisnahme durch andere, kann aber kein alleiniges Abgrenzungskriterium für die maßgebende Qualität der Eingliederung in die Verwaltung sein. Abgesehen davon, dass auch bei einer Verteilung unterschiedlicher Abteilungen einer Behörde auf verschiedene Verwaltungsgebäude, gegebenenfalls auch mit Behördensitzen in unterschiedlichen Städten/Orten, ein Postversand zwischen Beschäftigten notwendig sein kann, wird die Eingliederung des Beratungsarztes in die Verwaltung durch die Ausgestaltung der Pflichtenbindung bestimmt. Eine solche besondere Rechtsbeziehung kann damit auch bei räumlicher Distanz zwischen Verwaltung und Beratungsarzt angenommen werden, wenn der Arzt durch den Abschluss entsprechender Dienst- oder Beratungsverträge höherer Art mit der Verwaltung verbunden ist (BSG 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R und B 2 U 10/07 R jeweils a.a.O.; BSG 11.04.2013 - B 2 U 34/11 R a.a.O.). Liegt eine solche Rechtsbeziehung vor, ist der Arzt kein Dritter oder eine andere Stelle i.S.d. § 67 Abs. 6, 10 SGB X.
39 
Vorliegend war Dr. Tä. der Beklagten mit einem kündbaren Vertrag verbunden, der ihn zur Erbringung beratungsärztlicher Leistungen verpflichtet (Vertrag über freie Mitarbeit vom 08.03.2010, Bl. 41/42 der Senatsakte). Gegenstand des Vertrages ist die Unterstützung der Sachbearbeitung bei der Beurteilung von medizinischen Fragestellungen, im Wesentlichen bei der Steuerung und Überwachung der medizinischen Rehabilitation, der Überprüfung der Schlüssigkeit vorliegender Gutachten und Klärung der Diagnose in Form von Stellungnahmen zu vorgelegten Unterlagen (Nr. 2 des Vertrages), die einzelvertraglich nach Stundenaufwand über den im Rahmenvertrag festgelegten Honorarsatz abzurechnen sind (Nr. 3 des Vertrages). Dr. Tä. war aufgrund des Vertrages (Nr. 3) zudem nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen vom 02.03.1994 (BGBl. I S. 547) auf die gewissenhafte Erfüllung seiner Obliegenheiten verpflichtet, auf anwendbare Strafvorschriften hingewiesen (Niederschrift Bl. 51/52 Senatsakte) sowie auf das Daten- und Geschäftsgeheimnis verpflichtet und belehrt worden (Bl. 52 Senatsakte).
40 
Bei diesem Vertrag handelt es sich um einen Dienstvertrag höherer Art (zu einer vergleichbaren Konstellation vgl. Bayerisches LSG 13.06.2013 - L 17 U 239/11, juris RdNr. 19). Auf dieser Grundlage bestand zwischen der Beklagten und Dr. Tä. eine besondere Rechtsbeziehung, die diesen in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf einbezogen, mithin zum Teil der Beklagten gemacht hat (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 - L 8 U 541/13 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de). Dienste höherer Art zeichnen sich dadurch aus, dass sie überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten der Dienstleistenden verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen. Erforderlich ist zudem, dass die Dienste im Allgemeinen ihrer Art nach üblicherweise nur infolge besonderen d.h. persönlichen Vertrauens übertragen zu werden pflegen; entscheidend ist die typische Lage, nicht der konkrete Einzelfall.
41 
Dr. Tä. hat danach mit dem Vertrag die Aufgaben eines fachärztlichen Beraters für die Beklagte übernommen und war verpflichtet, die Sachbearbeitung bei der Beurteilung von medizinischen Fragestellungen zu unterstützen. Er hat sich hierzu in Form von Stellungnahmen zu den ihm vorgelegten Unterlagen zu äußern, die Erstellung von Gutachten oblag ihm ausdrücklich nicht. Auch wurde er zur Wahrung des Datenschutzes und der Geheimhaltung verpflichtet. Die Tätigkeit von Dr. Tä. wurde jeweils nach Zeitaufwand (Stundensatz) vergütet. Die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Aufgaben durch Dr. Tä. setzte unabdingbar seine besondere Fachkenntnis auf medizinischem Gebiet voraus. Zudem umfasste die vereinbarte Dienstleistung einen Teilbereich der ärztlichen Tätigkeit, welche üblicherweise ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Vertragsgrundlage hat (vgl. BGH 09.06.2011 - III ZR 203/10, juris; BGH 18.10.1984 - IX ZR 14/84, juris), unter anderem auch deshalb, weil sie den Umgang mit besonders sensiblen Daten des Betroffenen erfordert. Darüber hinaus ist die abgegebene Verpflichtungserklärung zur gewissenhaften Erfüllung seiner Obliegenheiten, insbesondere im Umgang mit den anvertrauten Daten und den offenbarten (Dienst-)Geheimnissen in diesem Zusammenhang zu sehen. Bei den Verpflichtungserklärungen (nichtbeamteter Personen und auf Daten- und Geschäftsgeheimnis) handelt sich dabei nicht um einen bloßen Hinweis i.S.d. § 78 Abs. 2 SGB X (ebenso Bayerische LSG a.a.O. RdNr. 23). Vielmehr wird anhand dieser förmlichen Verpflichtung nichtbeamteter Personen auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten, zu denen u.a. die Beachtung des eigentlich vorrangig die Beschäftigten betreffenden Dienstgeheimnisses gehört, und den daraus resultierenden besonderen datenschutzrechtlichen Umständen deutlich, dass Dr. Tä. gerade die Schwelle zur Eingliederung in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf überschritten hatte und daher insoweit den besonderen Bedingungen, vergleichbar eines Beschäftigten, unterlag. Damit handelt es sich nach Überzeugung des Senats nicht nur um Dienstverträge höherer Art. Vielmehr wurde Dr. Tä. in die Verwaltungsorganisation und den Verwaltungsablauf der Beklagten eingegliedert (vgl. Senatsurteil vom 25.10.2013 a.a.O., im Ergebnis ebenso Bayerisches LSG a.a.O.), indem ihm eine über die Wahrung ärztlicher Schweigepflicht hinausgehende besondere Pflichtenbindung auferlegt worden ist.
42 
An dieser Bewertung ändert nichts, dass der Vertrag als „Vertrag über freie Mitarbeit“ überschrieben ist und Dr. Tä. bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keinen Weisungen der Beklagten unterliegt (Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages). Der davon abweichenden Ansicht des Klägers kann nicht gefolgt werden. Wie bereits ausgeführt zeichnen sich Dienste höherer Art gerade dadurch aus, dass sie überdurchschnittliche Kenntnisse oder Fertigkeiten der Dienstleistenden verlangen oder den persönlichen Lebensbereich betreffen. Weiter setzt die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Aufgaben durch Dr. Tä. unabdingbar seine besonderen Fachkenntnis auf medizinischem Gebiet voraus. Zudem umfasste die vereinbarte Dienstleistung einen Teilbereich der ärztlichen Tätigkeit, welche üblicherweise ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Vertragsgrundlage hat. Eine Weisungsabhängigkeit, die ermöglicht, auf den Inhalt beratungsärztlicher Äußerungen Einfluss zu nehmen, lässt sich damit nicht vereinbaren.
43 
Der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts (12.03.2012, L 9 U 27/11, juris), auf die sich der Kläger beruft, folgt der Senat nicht (Urteil vom 25.10.2013 - L 8 U 541/13 -). In jener Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts war die Qualifizierung der geschlossenen Verträge als Dienstverträge höherer Art deswegen abgelehnt worden, weil der dortige Arzt nicht in den Verwaltungsbetrieb eingegliedert gewesen sei und er keinem Weisungsrecht unterstanden habe. Dies überzeugt - jedenfalls für den vorliegenden (Rahmen-)Vertrag - nicht (ebenso Bayerisches LSG a.a.O.). Dienstverträge höherer Art werden typischerweise mit Personen geschlossen, die weder räumlich noch organisatorisch in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sind (ebenso Bayerisches LSG a.a.O.). Das Erfordernis einer räumlichen Eingliederung geht fehl, denn es lässt sich der Rechtsprechung des BSG (05.02.2008 - B 2 U 8/07 R und B 2 U 10/07 R, jeweils a.a.O.) nicht entnehmen. Soweit ein Weisungsrecht gefordert wird, so ist dieses entsprechend Dienstverträgen höherer Art naturgemäß im wesentlichen auf die äußere Aufgabenwahrnehmung eingeschränkt (ggfs. zügige Bearbeitung, Verschwiegenheit), wie dem vorliegenden Vertrag auch zu entnehmen ist; ein inhaltliches Weisungsrecht in medizinischer Hinsicht wird gerade typischerweise durch die Übertragung der Aufgabe als Beratungsarzt der Verwaltung ausgeschlossen. Denn der Beratungsarzt soll im Rahmen einer ergebnisoffenen, neutralen Sachverhaltsaufklärung (vgl. dazu § 20 Abs. 1 und 2 SGB X; Luthe in jurisPK-SGB X, § 20 SGB X RdNr. 7; Rixen/Waschull in Dierig/Timme/Waschull, SGB X, 3. Auflage, § 20 RdNr. 2) den medizinisch nicht bewanderten Verwaltungsmitarbeiter unterstützen, weshalb - wie bei Dienstleistungen höherer Art typisch - das Weisungsrecht auf eine „funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert ist (so zuletzt BSG 29.08.2012 – B 12 R 14/10 R, juris m.w.N.). Eine Eingliederung in den Betrieb wie bei abhängig Beschäftigten ist nicht zu verlangen.
44 
Das vorstehende gilt auch für Dr. Schr., den die Beklagte als beratenden Arzt angeschrieben hat. Dr. Schr. ist der Beklagten rechtlich identisch wie Dr. Tä. als Beratungsarzt verpflichtet. Er steht in derselben Stellung wie Dr. Tä., denn Dr. Schr. ist zusammen mit Dr. Tä. – beide gehören dem Medizinischen Institut für Begutachtung, K., an – dieselben Verpflichtungen eingegangen und entsprechend belehrt worden (Bl. 41/42, 51 und 52 Senatsakte). Dass nicht der von der Beklagten angeschriebene Dr. Schr., sondern Dr. Tä. (i.V.) die streitgegenständliche Äußerung abgegeben hat, ist damit - entgegen der Ansicht des Klägers - ohne Belang. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Abgabe der Äußerung durch Dr. Tä. anstelle von Dr. Schr. lediglich im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und Beratungsärzten eine Rolle spielt, nicht aber im Außenverhältnis zum Kläger. Soweit der Kläger mutmaßt, aufgrund fehlender Datumsangabe und Abweichungen der Unterschriften sei davon auszugehen, dass die Niederschrift erst im Zuge der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg erstellt worden sei, fehlt für die Richtigkeit dieser Vermutung jeglicher Anhaltspunkt. Das Fehlen der Datumsangabe - in der dem Senat vorgelegten Niederschrift zur Verpflichtung enthält die Erklärung der Ärzte Dr. Schr., Dr. B. und Dr. Tä., über die Verpflichtung zur Wahrung des Daten und Geschäftsgeheimnisses nach dem Verpflichtungsgesetz unterrichtet worden zu sein und das Merkblatt zur Verpflichtungserklärung erhalten zu haben, das Datum 02.07(?).2010 (vgl. Bl. 52 R der Senatsakte) – wie auch die einer Unterschriftsleistung immanente geringfügigen Abweichung der Unterschriften tragen die vom Kläger geäußerte Vermutung nicht ansatzweise. Auch soll der von Dr. Tä. verwendete Briefkopf der Beklagten für sein Tätigwerden als Beratungsarzt sprechen, was bei der oben dargestellten Ausgangslage entgegen der Mutmaßung des Klägers kein Indiz für eine Manipulation der Beklagten ist, sondern eine verständliche Reaktion der Beklagten darstellt auf die vielfältigen – nicht immer überzeugenden – Einwendungen des Klägerbevollmächtigten gegen die Verwaltungspraxis der Beklagten zur Heranziehung von Beratungsärzten. Der Vermutung des Klägers ist die Beklagte außerdem im Schriftsatz vom 30.04.2015 - vom Kläger insoweit nicht widersprochen - entgegen getreten. Der Senat sieht sich daher auch nicht gedrängt, wegen des Bestreitens des Klägers hierzu Ermittlungen anzustellen.
45 
Damit handelt es sich bei Dr. Tä. seiner Stellung nach nicht um einen externen Gutachter. Er steht in Ausübung seiner beratungsärztlichen Dienste vielmehr einem Arbeitnehmer bzw. Beamten im Dienste der Beklagten gleich; er unterliegt denselben Dienstverpflichtungen, denselben Dienstobliegenheiten und auch denselben rechtlichen Konsequenzen bei Verstößen hiergegen. Ist Dr. Tä. aber nicht Dritter, der im Auftrag der Verwaltung Daten verarbeitet, sondern Teil der Beklagten und mithin organisatorisch der Verwaltung zuzurechnen, so greift weder § 200 Abs. 2 SGB VII noch der vom Kläger vorgebrachte § 80 SGB X. § 67 Abs. 10 SGB X steht dieser Bewertung nicht entgegen. Damit hat die Beklagte nicht gegen die Pflicht zur Belehrung über das datenschutzrechtliche Widerspruchsrecht gemäß § 200 Abs. 2 2. HS SGB VII verstoßen, weil weder ein Gutachtenauftrag erteilt bzw. ein Gutachten eingeholt worden ist noch Sozialdaten im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB X übermittelt worden sind. Ebenso wenig lag ein Verstoß gegen das Auswahlrecht nach § 200 Abs. 2 1. HS SGB VII vor. Im Übrigen hat das SG im angefochtenen Urteil zutreffend begründet, dass eine Verletzung des Auswahlrechts mangels rechtzeitiger Rüge durch den Kläger nicht festzustellen wäre. Der Senat teilt nach eigener Prüfung die Ansicht des SG und nimmt zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die hierzu erfolgten Ausführungen des SG Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen der Akteneinsicht „bei oberflächlichem Blick“ die mit „Beratungsärztlicher Stellungnahme“ überschriebene Äußerung des Dr. Tä. unzutreffend für Schriftverkehr der Beklagten gehalten hat, entschuldigt nicht.
46 
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2013 verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten.
47 
Die Berufung war daher im Hauptantrag zurückzuweisen.
2.
48 
Der erstmals im Berufungsverfahren gestellte Hilfsantrag des Klägers ist unzulässig. Das Begehren, die Unverwertbarkeit der Äußerung des Dr. Tä. festzustellen, stellt eine Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung dar, die nicht sachdienlich ist. Eine anfechtbare Verwaltungsentscheidung hierzu liegt nicht vor. Der anwaltlich vertretene Kläger hat auch keinen förmlichen Befangenheitsantrag gestellt. Er macht vielmehr die Unverwertbarkeit der Äußerungen des Dr. Tä. im Rahmen der Beweiswürdigung geltend, weshalb hierüber im ausgesetzten Klageverfahren S 6 U 2597/11 entschieden werden kann.
49 
Der Kläger kann außerdem nicht mit Erfolg die Unverwertbarkeit der Äußerung des Dr. Tä. vom 19.04.2011 wegen Befangenheit geltend machen. Dies schon deshalb, weil seine Rüge der Befangenheit nicht rechtzeitig erfolgt ist, was aber in der Konsequenz seiner Auffassung, Dr. Tä. sei externer Gutachter, in entsprechender Anwendung von § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderlich gewesen wäre. Ist - wie vorliegend - keine richterliche Frist gesetzt, ist ab dem Zeitpunkt der Kenntnis des Ablehnungsgrundes dieser unverzüglich geltend zu machen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Die hierzu angemessene Frist ist nach der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl. u.a. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 68. Aufl. § 406 RdNr. 23; Zöller, ZPO, 28. Aufl. § 406 RdNr. 11 jeweils m.w.N.) längstens die Zweiwochenfrist des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO; in der Rechtsprechung wird teilweise die Auffassung vertreten, es komme auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls an (vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2005, a.a.O., m.w.N.). Der Senat hält eine Frist von längstens einem Monat, der im Sozialrecht sonst üblichen Rechtsbehelfsfrist, grundsätzlich für eine angemessene Überlegungsfrist, wenn nicht die besonderen Umstände des Einzelfalls eine kürzere Prüfungszeit nahelegen (vgl. Beschluss des Senats vom 12.10.2011 - L 8 SB 3707/11 B -). Die Rüge der Befangenheit im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 26.02.2014 ist danach verspätet. Dies gilt auch für die Rüge der Befangenheit eines
- internen - Sachbearbeiters, wie es bei beratungsärztlicher Tätigkeit der Fall wäre, gemäß § 17 SGB X. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Senats hatte dem Kläger als Beteiligter des Verwaltungsverfahrens bereits kein subjektives Ablehnungsrecht zugestanden, doch ist auch der Beteiligte gehalten, Ablehnungsgründe vorzubringen, da er ansonsten in einem späteren Klageverfahren in analoger Anwendung von § 406 Abs. 2 ZPO damit ausgeschlossen ist (vgl. Roller in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. § 17 Rn. 6, 8).
50 
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beruft sich zur Begründung seiner Rüge auf ein von den Ärzten Dr. Schr., F. und Dr. Schu. unterzeichnetes Schreiben vom 09.08.2012 an das SG Würzburg, in dem sich die Unterzeichner im Hinblick auf das (prozessuale) Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Klägers für befangen erklären. Unabhängig von der Frage, ob hieraus für das vorliegende Verfahren im Hinblick auf Dr. Tä. überhaupt Folgerungen zu ziehen sind, ist das Schreiben vom 09.08.2012 dem Prozessbevollmächtigte (nach dem Eingangsstempel) seit 05.09.2012 bekannt, mithin bereits vor Ergehen des streitgegenständlichen Bescheides vom 12.10.2012. Seine erst im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 26.02.2014 erhobene Rüge erweist sich damit als verspätet. Darauf, ob tatsächlich ein Befangenheitsgrund besteht, kommt es mithin nicht an.
51 
Die Berufung kann daher auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg haben.
3.
52 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
53 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wirft der vorliegende Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. Okt. 2015 - L 8 U 1012/14

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 124


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. (3) Entscheidungen des Gerichts, d

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 121 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rech

Zivilprozessordnung - ZPO | § 406 Ablehnung eines Sachverständigen


(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. (2) Der A

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 35 Sozialgeheimnis


(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerha

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67 Begriffsbestimmungen


(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freie

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 84 Recht auf Berichtigung, Löschung, Einschränkung der Verarbeitung und Widerspruch


(1) Ist eine Löschung von Sozialdaten im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 200 Einschränkung der Übermittlungsbefugnis


(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 67c Zweckbindung sowie Speicherung, Veränderung und Nutzung von Sozialdaten zu anderen Zwecken


(1) Die Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzb

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 17 Besorgnis der Befangenheit


(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 65 Zustellung


(1) Soweit Zustellungen durch Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorgeschrieben sind, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes. § 5 Abs. 4 des Verwaltungszust

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 10 Beteiligungsfähigkeit


Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind 1. natürliche und juristische Personen,2. Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,3. Behörden.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 80 Verarbeitung von Sozialdaten im Auftrag


(1) Die Erteilung eines Auftrags im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche seiner Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der Auftragserteilung 1. den A

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 76 Einschränkung der Übermittlungsbefugnis bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten


(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unte

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 78 Zweckbindung und Geheimhaltungspflicht eines Dritten, an den Daten übermittelt werden


(1) Personen oder Stellen, die nicht in § 35 des Ersten Buches genannt und denen Sozialdaten übermittelt worden sind, dürfen diese nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind. Eine Übermittlung von Sozialdaten nach d

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Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. Okt. 2015 - L 8 U 1012/14 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

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(1) Ist eine Löschung von Sozialdaten im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung von Sozialdaten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Sozialdaten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Wird die Richtigkeit von Sozialdaten von der betroffenen Person bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen, gilt ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, dass dies keine Einschränkung der Verarbeitung bewirkt, soweit es um die Erfüllung sozialer Aufgaben geht; die ungeklärte Sachlage ist in geeigneter Weise festzuhalten. Die bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis hierauf verarbeitet werden.

(3) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(4) Sind Sozialdaten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig, gilt ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 Absatz 1 entsprechend, wenn einer Löschung satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

(5) Das Recht auf Widerspruch gemäß Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 gegenüber einer öffentlichen Stelle besteht nicht, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt, oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung von Sozialdaten verpflichtet.

(6) § 71 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Ist eine Löschung von Sozialdaten im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung von Sozialdaten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Sozialdaten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Wird die Richtigkeit von Sozialdaten von der betroffenen Person bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen, gilt ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, dass dies keine Einschränkung der Verarbeitung bewirkt, soweit es um die Erfüllung sozialer Aufgaben geht; die ungeklärte Sachlage ist in geeigneter Weise festzuhalten. Die bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis hierauf verarbeitet werden.

(3) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(4) Sind Sozialdaten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig, gilt ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 Absatz 1 entsprechend, wenn einer Löschung satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

(5) Das Recht auf Widerspruch gemäß Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 gegenüber einer öffentlichen Stelle besteht nicht, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt, oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung von Sozialdaten verpflichtet.

(6) § 71 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Ist eine Löschung von Sozialdaten im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung von Sozialdaten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Sozialdaten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Wird die Richtigkeit von Sozialdaten von der betroffenen Person bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen, gilt ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, dass dies keine Einschränkung der Verarbeitung bewirkt, soweit es um die Erfüllung sozialer Aufgaben geht; die ungeklärte Sachlage ist in geeigneter Weise festzuhalten. Die bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis hierauf verarbeitet werden.

(3) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(4) Sind Sozialdaten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig, gilt ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 Absatz 1 entsprechend, wenn einer Löschung satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

(5) Das Recht auf Widerspruch gemäß Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 gegenüber einer öffentlichen Stelle besteht nicht, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt, oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung von Sozialdaten verpflichtet.

(6) § 71 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit Zustellungen durch Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorgeschrieben sind, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes. § 5 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes und § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind auf die nach § 73 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 bis 9 und Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes als Bevollmächtigte zugelassenen Personen entsprechend anzuwenden. Diese Vorschriften gelten auch, soweit Zustellungen durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vorgeschrieben sind.

(2) Für die übrigen Behörden gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Ist keine Erhebung vorausgegangen, dürfen die Daten nur für die Zwecke geändert oder genutzt werden, für die sie gespeichert worden sind.

(2) Die nach Absatz 1 gespeicherten Daten dürfen von demselben Verantwortlichen für andere Zwecke nur gespeichert, verändert oder genutzt werden, wenn

1.
die Daten für die Erfüllung von Aufgaben nach anderen Rechtsvorschriften dieses Gesetzbuches als diejenigen, für die sie erhoben wurden, erforderlich sind,
2.
es zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erforderlich ist und die Voraussetzungen des § 75 Absatz 1, 2 oder 4a Satz 1 vorliegen.

(3) Eine Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten ist zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Disziplinarbefugnissen, der Rechnungsprüfung oder der Durchführung von Organisationsuntersuchungen für den Verantwortlichen oder für die Wahrung oder Wiederherstellung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit eines informationstechnischen Systems durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erforderlich ist. Das gilt auch für die Veränderung oder Nutzung zu Ausbildungs- und Prüfungszwecken durch den Verantwortlichen, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen.

(4) Sozialdaten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verändert, genutzt und in der Verarbeitung eingeschränkt werden.

(5) Für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erhobene oder gespeicherte Sozialdaten dürfen von den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen nur für ein bestimmtes Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung im Sozialleistungsbereich oder der Planung im Sozialleistungsbereich verändert oder genutzt werden. Die Sozialdaten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungs- oder Planungszweck möglich ist. Bis dahin sind die Merkmale gesondert zu speichern, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungs- oder Planungszweck dies erfordert.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

Tenor

Das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. Mai 2009 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte zu verurteilen ist, der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 50 vH zu zahlen.

2

Die Klägerin befand sich am 15.5.2000 auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte, dem Amt für Landwirtschaft in G, zu ihrer Wohnung. Aufgrund eines Staus musste sie anhalten. Ein Ford Transit fuhr auf ihr stehendes Kraftfahrzeug (Kfz) auf und schob es auf das davor stehende Kfz. Die angeschnallte Klägerin wurde bei dem Unfall nach vorne und wieder zurück geschleudert. Sie konnte am Unfallort mit dem Unfallgegner und der Polizei die Formalitäten abwickeln und fuhr mit dem Pkw nach Hause. Wegen starker Schmerzen an der Wirbelsäule musste sie sich drei Stunden später in die ambulante Notfallbehandlung im Kreiskrankenhaus Meißen begeben. Die Erstdiagnose der dortigen Ärzte lautete: "HWS - Schleudertrauma, Schädelprellung". Vom 19. bis 27.5.2000 schloss sich eine stationäre Krankenhausbehandlung an. In der Folge weiteten sich die Beschwerden aus. Die Beklagte zahlte der Klägerin bis 4.4.2002 Verletztengeld.

3

Mit Schreiben vom 25.1.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige die Einholung eines unfallchirurgischen Haupt- und eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens. Sie schlug drei namentlich benannte Haupt- sowie einen namentlich benannten Zusatzgutachter, sonst solche der jeweiligen Einrichtung, vor und wies die Klägerin auf ihr Widerspruchsrecht hin. Die Klägerin widersprach den Vorschlägen der Beklagten und schlug vor, das Evangelische Stift St. M. in K. solle mit der Begutachtung beauftragt werden, da sie dort bereits behandelt wurde. Die Beklagte ernannte Prof. Dr. B. vom Evangelischen Stift St. M. zum Hauptgutachter. Auf dessen Veranlassung wurde bei Dr. S. (Dr S) das neurologische Gutachten vom 18.3.2001 eingeholt.

4

Mit Bescheid vom 4.3.2002 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. In dem Bescheid regelte sie weiter: "Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls besteht kein Anspruch auf Rente." Zur Begründung führte sie aus, Unfallfolgen lägen nach ausgeheilter "Zerrung der Halswirbelsäule (HWS) und der Halsweichteile“ nicht mehr vor. Unfallunabhängig bestehe eine Konversionsneurose mit dadurch bedingter Bewegungseinschränkung der HWS, der Schultergelenke sowie Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Der Widerspruch der Klägerin blieb im Widerspruchsbescheid vom 2.7.2002 ohne Erfolg.

5

Die Klägerin hat beim SG Dresden Klage erhoben. Sie hat Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH begehrt. Mit Schriftsatz vom 13.2.2004 hat die Beklagte dem SG die "Beratungsärztliche Stellungnahme" der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (Dr H) vom 29.12.2003 vorgelegt, die das SG der klägerischen Seite übersandt hat. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.7.2006 abgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen den umfangreichen Beschwerden und dem Unfall bestehe nicht. Der Unfall habe über den Zeitpunkt der Zahlung von Verletztengeld hinaus keine objektivierbaren Folgen hinterlassen.

6

Die Klägerin hat gegen das Urteil des SG beim Sächsischen LSG Berufung eingelegt. Sie hat ihr Begehren dahingehend erweitert, dass ihr Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 vH zu zahlen sei. Das LSG müsse ein Unfallrekonstruktions- und ein biomechanisches Gutachten einholen, um die Kräfte festzustellen, die auf ihre HWS eingewirkt hätten. Die Diagnose einer Konversionsneurose sei abzulehnen, da sie von einem Orthopäden gestellt worden sei.

7

Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 20.5.2009 zurückgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Gesundheitsstörungen und dem Unfall habe sich nicht wahrscheinlich machen lassen. Das Unfallgeschehen sei an sich in der Lage gewesen, ein whiplash-syndrome zu verursachen. Die Klägerin habe durch den Arbeitsunfall nicht näher bezeichnete Gesundheitserstschäden erlitten, denn sie sei bei der Kollision erheblichen Beschleunigungskräften ausgesetzt gewesen. Ein solches Trauma bewirke "in der Regel" eine Zerrung im Hirnstamm, was sich in messbaren Versagungszuständen äußern könne. Die Klägerin weise aber nur zum Teil eine spezifische Symptomatik auf. Daneben bestehe eine damit verwandte Symptomatik, welche keineswegs dem Unfallgeschehen zuzuordnen sei. Über die Ursachen des vorhandenen eher untypischen Beschwerdebilds könne nur spekuliert werden. In der Urteilsbegründung hat sich das LSG überwiegend auf eigene Recherchen gestützt und ist den Gerichtsgutachtern, zB Prof. St., ausdrücklich nicht gefolgt. Es sei wahrscheinlich, dass die bestehenden Beschwerden in den Zusammenhang mit den von Dr H dokumentierten gesundheitlichen Auffälligkeiten einzuordnen seien.

8

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 8 Abs 1 Satz 1, Abs 2 iVm § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Der Wegeunfall habe zu Gesundheitsfolgeschäden geführt, die eine Verletztenrente nach einer MdE mit wenigstens 50 vH bedingten. Das LSG habe bei der Klägerin Gesundheitsschäden festgestellt. Dagegen habe es eine Konkurrenzursache, also einen Vorschaden, nicht bejaht. Ausdrücklich habe das LSG ein pseudoneurasthenisches Syndrom, eine Konversionsneurose, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und einen psychischen Konflikt verneint und den Unfall als Gelegenheitsursache ausgeschlossen. Damit seien die Voraussetzungen einer Rentengewährung zu bejahen.

9

Des Weiteren erhebt die Klägerin Verfahrensrügen. Das LSG habe die Berufung nicht aufgrund eigener Auswertung medizinischer Fachliteratur und aufgrund eigenen Erfahrungswissens zurückweisen dürfen. Dies sei aber geschehen, da das Gericht sich weder auf eines der eingeholten gerichtlichen Gutachten gestützt noch ein weiteres ärztliches Zusammenhangsgutachten auf aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand eingeholt habe. Wenn das LSG sich auf eigene Sachkunde und selbst ausgewertete Veröffentlichungen stützen wolle, müsse es die Klägerin auf seine Kenntnisse und Erfahrungen sowie die herangezogene Literatur hinweisen. Da dies nicht geschehen sei, verletze das Urteil das rechtliche Gehör der Klägerin. Das LSG habe ein Beweisverwertungsverbot nicht beachtet. Es habe sich auf die Stellungnahme der Dr H vom 29.12.2003 gestützt, die aber nicht verwertbar sei. Es könne dahin stehen, ob es sich um eine beratungsärztliche Stellungnahme oder ein Gutachten handele, denn auch als Stellungnahme nehme die Äußerung Bezug auf das Zusatzgutachten des Dr S vom 18.3.2001, das unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften eingeholt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Senats bestehe deshalb bezüglich des Gutachtens Dr S ein Beweisverwertungsverbot, das sich auf alle weiteren Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen erstrecke, die hierauf aufbauten.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 20. Mai 2009, das Urteil des SG Dresden vom 19. Juli 2006 sowie den ablehnenden Verwaltungsakt im Bescheid der Beklagten vom 4. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 vH seit 5. April 2002 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Ausgehend von einer Vielzahl in Betracht kommender Erkrankungen fehle es an der Feststellung konkreter Gesundheitsstörungen auf der Grundlage eines üblichen Diagnosesystems und unter Verwendung der dortigen Begriffe und Bezeichnungen. Im Recht der Versicherungsfälle nach dem SGB VII gebe es keine Beweisregel, wonach bei fehlender Alternativursache die versicherte Ursache automatisch die wesentliche Ursache sei (unter Hinweis auf BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R). Die beratungsfachärztliche Stellungnahme der Dr H sei verwertbar, da die Klägerin von ihrem höchstpersönlichen Widerspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Die Stellungnahme sei beim SG in den Rechtsstreit eingeführt worden. Die Klägerin habe die Nichtverwertbarkeit der Stellungnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht gerügt und dadurch ihr Rügerecht verloren.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist sowohl wegen Verletzung von materiellem Bundesrecht (dazu 1.) als auch wegen durchgreifender Verfahrensrügen (dazu 2.) im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der darin getroffenen Feststellungen und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

1. Über die mit der Revision weiterverfolgten Anfechtungsklagen wegen der ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten und die Leistungsklage auf Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 vH kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da die tatsächlichen Feststellungen des LSG keine abschließende Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche erlauben.

15

a) Nach § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen einer MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden.

16

Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft(stRspr zB BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 2). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr 1).

17

Vorliegend würde die Einschätzung der MdE der Klägerin voraussetzen, dass der als Arbeitsunfall anerkannte Verkehrsunfall bei der Klägerin eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat. Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (BSG 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 22)die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (vgl BSG vom 19.8.2003 - B 2 U 50/02 R - Juris RdNr 23; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 22).

18

Nach diesen Maßstäben kann der Senat über das Bestehen eines Rentenanspruchs der Klägerin nicht entscheiden, da das LSG keine Feststellungen über die bei der Klägerin bestehende MdE getroffen hat. Es verneint zwar eine Reihe von Gesundheitsstörungen der Klägerin und diskutiert eine Reihe anderer als möglicherweise gegeben, stellt aber nicht positiv fest, welche Funktionseinschränkungen aufgrund welcher Gesundheitsstörungen aktuell vorliegen. Deshalb kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist.

19

b) Der Senat kann auch nicht dahingestellt lassen, ob und ggf welche Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens vorliegen. Auf die Feststellung dieser Tatsachen könnte nur verzichtet werden, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer vorliegenden MdE sicher auszuschließen wäre. Auch hierzu hat das LSG die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen.

20

Voraussetzung eines Rentenanspruchs ist ua, dass der Versicherungsfall die Arbeitsmöglichkeiten von Versicherten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert, bei dem jeweiligen Versicherten also eine MdE verursacht (BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 2; Burchardt in Becker ua, Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 56 RdNr 11). Zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs ist zunächst zu prüfen, ob die MdE durch einen nachgewiesenen Versicherungsfall im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht worden ist. Bejahendenfalls ist weiter zu fragen, ob auch andere - ebenfalls sicher feststehende - Faktoren, wie Vorerkrankung, Nacherkrankung, innere Ursache usw, im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne kausal für das Bestehen einer MdE geworden sind. Wird die MdE sowohl durch den Versicherungsfall als auch durch andere Faktoren verursacht, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen, ob die MdE "wesentlich" durch den Versicherungsfall (mit)verursacht worden ist. Für diese Feststellung genügt bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (stRspr BSG vom 2.2.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38 S 105 f; BSG vom 30.4.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 S 3 f). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 20).

21

Zwar hat das LSG vorliegend den Arbeitsunfall sowie andere Umstände als Ursachen diskutiert, es hat aber nicht festgestellt, dass entweder der Arbeitsunfall oder eine andere Ursache (zB Vorerkrankungen) oder beide Umstände für eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens eine Ursache gesetzt haben.

22

Mithin fehlt es für eine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Rente nach § 56 SGB VII neben der Feststellung einer MdE (oben a) auch daran, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen Versicherungsfall und einer möglichen MdE weder festgestellt noch auszuschließen ist (oben b). Daher kann der Senat nicht entscheiden, ob ein Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII besteht oder nicht besteht.

23

3. Das Urteil des LSG und die darin getroffenen Feststellungen sind auch wegen zulässig und begründet erhobener Verfahrensrügen aufzuheben.

24

a) Das LSG hat, wie von der Klägerin im Einzelnen dargelegt wurde, deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt.

25

Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung des Gerichts überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Wenn ein Gericht - wie hier - eigene Sachkunde bei der Urteilsfindung berücksichtigen will, muss es den Beteiligten die Grundlagen für seine Sachkunde offenbaren. Das Gericht muss darlegen, worauf seine Sachkunde beruht und was diese beinhaltet, damit die Beteiligten dazu Stellung nehmen und ihre Prozessführung hierauf einrichten können (zur Gehörsverletzung bei Unterlassung dieses Hinweises: BSG vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - Juris RdNr 20 f mwN).

26

Das LSG hat eine Überraschungsentscheidung getroffen, da es nicht den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten gefolgt ist, sondern seine Zusammenhangsbeurteilung allein auf eine von ihm selbst unter Auswertung der unfallmedizinischen Literatur entwickelte Beurteilung, also auf eigene Sachkunde, gestützt hat. Vor der Entscheidung hat es die Beteiligten nicht auf das Bestehen eigener medizinischer Sachkunde hingewiesen und ihnen nicht erläutert, was diese beinhaltet. Damit liegt der gerügte Verfahrensfehler vor. Die Entscheidung kann auf dem Verfahrensfehler beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin, hätte sie Kenntnis von der Sachkunde des LSG und deren Inhalten erhalten, die von ihr aufgezeigten Einwendungen vorgebracht und dadurch das LSG zu einer anderen Entscheidung gebracht hätte.

27

b) Das LSG hat die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt.

28

Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die Frage, ob ein Ursachenzusammenhang - zB zwischen beruflichen Einwirkungen und einer Erkrankung - zu bejahen ist, vom Tatsachengericht unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt bestehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten ist (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 21). Nichts anderes kann gelten, wenn es bei einem geltend gemachten Rentenanspruch um die Beurteilung geht, ob ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Versicherungsfall und einer geltend gemachten MdE besteht.

29

Diesen Anforderungen an die Sachaufklärung ist das LSG nicht gerecht geworden. Zwar hat es medizinische Sachverständigengutachten eingeholt, ist diesen aber nicht gefolgt. Da das LSG nach seiner Rechtsauffassung kein Gutachten eingeholt hatte, das den Ursachenzusammenhang dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechend beurteilte, hätte es (weitere) medizinische Ermittlungen durchführen müssen, die diesen Anforderungen entsprechen. Zwar können die Gerichte zur Entscheidungsfindung auch einschlägige wissenschaftliche Publikationen heranziehen (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 21). Diese dienen aber regelmäßig nicht der Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs durch das Gericht selbst, sondern der kritischen Überprüfung eingeholter Gutachten daraufhin, ob sie dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.

30

c) Demgegenüber wird das LSG die Stellungnahme der Dr H bei seiner erneuten Beweiswürdigung verwerten dürfen. Denn die weitere von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, diese Stellungnahme sei wegen eines Verstoßes gegen § 200 Abs 2 SGB VII nicht verwertbar, ist unbegründet.

31

Die Klägerin rügt, das LSG habe die Äußerung der Ärztin Dr H vom 29.12.2003 nicht verwerten dürfen, da diese einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Auch wenn es sich bei dieser Äußerung um eine beratungsärztliche Stellungnahme handele, sei sie nicht verwertbar, da darin auf das Gutachten des Dr S abgestellt werde, das seinerseits unter Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften eingeholt worden sei. Aufgrund der Fernwirkung des Beweisverwertungsgebots bezüglich des Gutachtens Dr S sei auch die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr H unverwertbar, was sie rechtzeitig gerügt habe.

32

Das LSG durfte und darf die ärztliche Stellungnahme der Dr H verwerten, denn weder hat die Beklagte die Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht (§ 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII; dazu aa) noch hat sie das Auswahlrecht der Klägerin (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII; dazu bb) verletzt.

33

aa) Die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76 Abs 2 SGB X kann ein Beweisverwertungsverbot auslösen (BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 50 f). Zwar besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist (vgl BVerfG vom 19.9.2006, 2 BvR 2115/01, BVerfGK 9, 174, 196). Ein Beweisverwertungsverbot ist aber bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen außer Acht gelassen worden sind (vgl BVerfG vom 12.4.2005, 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 61). Ein solches unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitetes Beweisverwertungsverbot ist allerdings nur anzunehmen, wenn der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl BVerfG vom 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, 320; BVerfG vom 9.11.2010, 2 BvR 2101/09).

34

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Recht, Widerspruch gegen die Weitergabe von Sozialdaten einlegen zu können, den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG; dazu zuletzt BVerfG vom 21.9.2010, 1 BvR 1865/10) berührt. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dürfte sich kein verfassungsrechtliches Gebot ableiten lassen, die Betroffenen ausdrücklich über ihr gesetzliches Widerspruchsrecht belehren zu müssen. Auch außerhalb des SGB VII können Betroffene der Weitergabe von Sozialdaten widersprechen, wenn diese besonders schutzwürdig sind (§ 76 Abs 2 SGB X). Eine Belehrungspflicht bei jeder Weitergabe von Sozialdaten ist außerhalb des SGB VII nicht geregelt. Verletzungen des Sozialdatenschutzes führen dort vielmehr in erster Linie zu den in §§ 81 f SGB X normierten Rechtsfolgen. Die Regelung des § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII dürfte daher eine spezifisch verfahrensrechtliche Belehrungspflicht im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung begründen. Eine Verletzung der Belehrungspflicht könnte danach als einfachrechtlicher Verfahrenfehler zu qualifizieren sein (vgl auch Köhler ZFSH/SGB 2009, 451, 455).

35

Vor diesem Hintergrund ist weiter fraglich, ob die Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen ggf nur zum Verbot der Verwertung des rechtswidrig erhobenen Beweismittels führt, oder ob dies Beweisverwertungsverbot - kraft Fernwirkung - sogar auf später erhobene Beweismittel durchschlägt, die auf das unter Verletzung von Datenschutz- oder Verfahrensrechten eingeholte Gutachten Bezug nehmen (so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

36

Die Annahme einer solchen Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (kritisch Bieresborn, Anm zu B 2 U 8/07 R, SGb 2009, 49, 51; Behrens/Froede, NZS 2009, 129, 134; zum Vergleich mit fehlender Belehrungspflicht im Strafrecht: Köhler in ZFSH/SGB 2009, 451, 460 f; "schwer erträglich" Kunze, VSSR 2009, 205, 216; "nicht überzeugend" C. Wagner in jurisPR-SozR 25/2008 Anm 6). Diese Kritik führt vor allem an, dass in der Rechtsprechung des BVerfG und der obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in aller Regel abgelehnt wird (vgl BVerfG vom 8.12.2005 - 2 BvR 1686/04 - BVerfGK 7, 61; BGH vom 28.4.1987 - 5 StR 666/86 - BGHSt 34, 362; BGH vom 24.8.1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68, 71; BGH vom 6.8.1987 - 4 StR 333/87 - BGHSt 35, 32). Diese Kritik sowie die ständige Rechtsprechung dieser Gerichte werden bei erneuter Prüfung der Problematik zu bedenken sein.

37

Vorliegend kommt es auf diese grundsätzlichen Erwägungen nicht an. Das LSG durfte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr H vielmehr schon deshalb verwerten, weil eine Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht vorliegt.

38

Eine Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht besteht nach dem Tatbestand des § 200 Abs 2 SGB VII nur für ärztliche "Gutachten". Auf ärztliche Stellungnahmen von Beteiligten ist die Regelung nicht anwendbar. Dr H hat aber für die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme abgegeben. Die Beklagte hat die Ärztin nicht zur Sachverständigen bestellt, sondern nur ihre fachliche Bewertung des Gutachtens eines bestellten Sachverständigen eingeholt. Dr H hat ihre Stellungnahme als beratungsärztliche Äußerung bezeichnet. Auch ihrem Inhalt nach hat sie die Klägerin nicht untersucht und kein Gutachten nach Aktenlage abgegeben. Jeder Beteiligte ist nach dem SGG vielmehr berechtigt, sein Vorbringen auch auf Äußerungen von Beratungsärzten, Hausärzten oder behandelnde Fachärzte zu stützen.

39

Die Stellungnahme der Dr H, in der auf das Gutachten des Dr S hingewiesen wird, ist auch schon deshalb nicht unverwertbar, weil dieses Gutachten seinerseits nicht unter Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht eingeholt wurde.

40

Der Senat hatte auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt und dabei festgestellt, dass die Klägerin vor Einholung des Gutachtens Dr S mit Schreiben vom 25.1.2001 nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden war. Die Beklagte schlug der Klägerin mit Schreiben vom 25.1.2001 Gutachter zur Auswahl vor und belehrte sie in demselben Schreiben über ihr Widerspruchsrecht. Diese Belehrung erfolgte zwar nicht in Bezug auf einen namentlich benannten Arzt, hier zB Dr S. Dies ist nach dem Wortlaut der Vorschrift aber auch nicht geboten, denn diese fordert eine im Zusammenhang mit dem Vorschlag von Gutachtern oder deren Beauftragung zu erteilende Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 76 Abs 2 SGB X. Diesen Anforderungen genügte die Beklagte, als sie die Klägerin allgemein, rechtzeitig und vollständig darüber belehrt hat, dass ihre Sozialdaten an die zu beauftragenden Gutachter weitergegeben werde und sie der Weitergabe der Daten widersprechen kann.

41

bb) Die Beklagte hat auch nicht das Auswahlrecht der Klägerin (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII) verletzt.

42

Der Senat ließ in der Entscheidung vom 5.2.2008 (B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1) offen, ob die Verletzung des Auswahlrechts (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII) ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht (BSG aaO, RdNr 57). Inzwischen hat er entschieden, dass die Verletzung des Auswahlrechts nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wenn der Betroffene die Verletzung des Auswahlrechts nicht rechtzeitig rügt (Rügeobliegenheit). Durch die Rüge wird der Unfallversicherungsträger in die Lage versetzt, die eingetretene Rechtsverletzung zu beseitigen sowie zeitnah und nach Maßgabe der §§ 20, 67 ff SGB X, 200 f SGB VII neue Ermittlungen durchzuführen, um dem Beschleunigungsgebot aus § 9 Satz 2 SGB X entsprechend zügig über geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden(§ 2 Abs 2 SGB I). Hier kann aber dahingestellt bleiben, ob die anwaltlich vertretene Klägerin rechtzeitig die Verletzung des Auswahlrechts bei Einholung des Gutachtens Dr S gerügt und der Begutachtung durch diesen Arzt widersprochen hätte (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - Juris RdNr 33 f; zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen), denn die Beklagte hat schon das Auswahlrecht der Klägerin nicht verletzt.

43

Zwar dürfte das Auswahlrecht der Versicherten nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII auch bezüglich der Zusatzgutachter zu beachten sein(vgl Dahm in Lauterbach, UV , Stand August 2009, § 200 RdNr 17 mwN). Die Verletzung kommt in Betracht, denn die Beklagte hat der Klägerin nicht mehrere namentlich benannte Zusatzgutachter vorgeschlagen. Das Auswahlrecht der Klägerin ist dennoch nicht verletzt, denn der Vorschlag mehrerer Zusatzgutachter zur Auswahl war im vorliegenden Fall entbehrlich ("soll").

44

Der Verzicht der Beklagten auf Benennung von mehreren Zusatzgutachtern zur Auswahl war nicht rechtswidrig, denn es lag ein atypischer Fall vor. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass die Einholung eines orthopädischen und eines Haupt- und eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens beabsichtigt sei. Hierzu schlug sie der Klägerin drei Hauptgutachter und einen Zusatzgutachter zur Auswahl vor. Die Klägerin wandte sich gegen die Begutachtung durch einen der vorgeschlagenen Gutachter und teilte mit, sie wolle durch einen Arzt des Evangelischen Stifts St. M. in K. begutachtet werden. Die Beklagte folgte dem Vorschlag der Klägerin und beauftragte Chefarzt Prof. Dr. B. vom Evangelischen Stift St. M. mit dem Hauptgutachten. Sie bat ihn, bei einem namentlich nicht benannten Arzt ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten einzuholen. Der Hauptgutachter wählte Dr S als Zusatzgutachter aus und beauftragte ihn.

45

Zur Erreichung der mit der Vorschlagspflicht verfolgten Zwecke war es vorliegend nicht geboten, der Klägerin mehrere Zusatzgutachter zur Auswahl zu benennen. § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII bezweckt die Gewährleistung eines transparenten Verfahrens, die Bereitstellung eines Pools von Gutachtern und die Sicherung des Datenschutzes(BT-Drucks 13/4853, S 22). Möglicherweise dient die Regelung, ohne dass dies allerdings Erwähnung in der Gesetzesbegründung gefunden hätte, auch der Verhinderung einer Übermacht des Unfallversicherungsträgers im Verfahren (so der Senat im Urteil vom 5.2.2008 aaO, RdNr 37 bis 39; kritisch dazu Kunze, VSSR 2009, 205, 209 f).

46

Die Versicherte schlug der Beklagten selbst vor, die Begutachtung solle in einer von ihr gewählten Einrichtung erfolgen. Die Beklagte folgte dem Vorschlag. Sie musste, da die Einrichtung weit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs lag, dort keinen Pool von zur Begutachtung kompetenten Ärzten vorhalten. Die Beklagte nahm auch keinen Einfluss auf die Auswahl der Person des Zusatzgutachters, denn sie überließ die Auswahl dem von der Klägerin gewünschten Hauptgutachter und griff nicht in die Auswahl des Zusatzgutachters ein (vgl auch Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2011, § 200 SGB VII Anm 4.3; kritisch C. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII § 200 RdNr 39). Vorliegend kommt hinzu, dass Dr S kein Hauptgutachten erstattet hat, sondern als Zusatzgutachter für den Hauptgutachter tätig geworden ist. Die Beauftragung eines vom Versicherten gewünschten Arztes löst auch kein weiteres/neues Auswahlverfahren aus.

47

Nach allem ist die Verfahrensrüge der Klägerin unbegründet; das LSG durfte und darf die Stellungnahme der Dr H verwerten.

48

4. In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG aktuelle medizinische Gutachten zu der Frage einzuholen haben, ob konkret zu bezeichnende Gesundheitsstörungen vorliegen, die zu bestimmten Funktionseinschränkungen führen, die bei der Klägerin eine MdE verursachen. Soweit dies zu bejahen ist, ist weiter gutachtlich zu klären, ob zwischen Versicherungsfall und der MdE ein Ursachenzusammenhang besteht und ob daneben andere Ursachen die MdE begründen. Falls mehrere Ursachen für die MdE festgestellt werden, wird zu beurteilen sein, ob der Arbeitsunfall für den Eintritt der MdE eine rechtlich wesentliche Ursache war. Dabei ist das LSG nicht gehindert, die von der Beklagten erhobenen Gutachten und die von ihr vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen zu verwerten.

49

5. Das LSG hat in der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Löschung eines von ihr eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens.

2

Auf die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit (BK) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 13.5.2003 mit, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen einer BK durch ein ärztliches Gutachten feststellen zu lassen. Sie schlug als Gutachter Dr. Sch., , Dr. B., , und die "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A., , " vor. Ferner wies sie darauf hin, dass das Gutachten auf Grund einer Untersuchung erstattet werden soll, zu der der Gutachter andere Ärzte hinzuziehen könne, und der Kläger der Übermittlung der Unterlagen über die bisherigen Feststellungen an den Gutachter nach den Vorschriften über den Sozialdatenschutz gemäß § 76 Abs 2 SGB X widersprechen könne. Mit eigenhändigem Schreiben vom 20.5.2003 erklärte der Kläger sein Einverständnis mit dem Gutachter "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A.".

3

Dr. S. erstellte am 27.7.2003 als Mitglied der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A. nach Untersuchung des Klägers (am 25.7.2003) ein Gutachten. Daraufhin lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ab (Bescheid vom 2.10.2003; Widerspruchsbescheid vom 16.12.2003).

4

Der Kläger hat hiergegen am 6.1.2004 beim SG Köln geklagt. Am 20.5.2005 beantragte er bei der Beklagten, das Gutachten von Dr. S. vom 27.7.2003 zu löschen, hilfsweise, es zu sperren. Dies lehnte die Beklagte im Bescheid vom 22.7.2005 ab. Das SG hat "die Klage" abgewiesen (Urteil vom 30.11.2005). Sowohl die Ablehnung der Feststellung einer BK 2108 als auch die der Entfernung des Gutachtens aus den Verwaltungsakten, die nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei, seien rechtmäßig; der Kläger habe ein etwaiges Rügerecht verwirkt.

5

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Verfahren, soweit die Klagen gegen die Ablehnung des Löschungsanspruchs gerichtet waren, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Nachdem die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen hatte (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2007), hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 3.9.2008). Das Gutachten von Dr. S. sei nicht wegen Verstoßes gegen das in § 200 Abs 2 SGB VII geregelte Widerspruchs- und Auswahlrecht in rechtlich unzulässiger Weise zu Stande gekommen. Mit der Auswahl der "Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." habe der Kläger der Übermittlung seiner Sozialdaten an die Gemeinschaftspraxis zugestimmt. Ihm seien auch mehrere Gutachter vorgeschlagen worden. Dass sich sein Einverständnis nicht auf die Gemeinschaftspraxis, sondern allein auf Prof. Dr. Dr. A. bezogen habe, sei nicht zu erkennen gewesen. Aber auch unabhängig davon sei das von einem nicht namentlich bezeichneten Mitglied einer Gemeinschaftspraxis erstellte Gutachten nicht zu entfernen. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten lediglich Verstöße gegen das Widerspruchsrecht durch Entfernung des Gutachtens aus der Akte geheilt werden.

6

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung seines Löschungsanspruchs aus § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X. Das Gutachten von Dr. S. sei wegen Verstoßes gegen sein Auswahl- und Widerspruchsrecht des § 200 Abs 2 SGB VII zu löschen. Eine Gemeinschaftspraxis sei kein Gutachter im Sinne dieser Vorschrift, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der allein die Ärzte als Rechtspersonen höchstpersönlich handelten. Da das Gutachterauswahlrecht nicht nur zur Verbesserung der Verfahrenstransparenz beitragen, sondern auch die Mitwirkungsrechte der Versicherten stärken solle, sei die Benennung eines individualisierten Arztes zwingend erforderlich. Nach dem Empfängerhorizont sei lediglich Prof. Dr. Dr. A. als Gutachter vorgeschlagen worden. Dieser hätte das Gutachten erstellen und dafür Sorge tragen müssen, dass die sich aus der Begutachtung ergebenden Daten den anderen Ärzten der Gemeinschaftspraxis nicht zugänglich gemacht würden. Mit der Auswahl der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A. sei kein Einverständnis zur Übermittlung der Sozialdaten an die anderen Ärzte der Gemeinschaftspraxis erklärt worden. Von einem Versicherten könnten Kenntnisse über den rechtlichen Status einer Gemeinschaftspraxis nicht verlangt werden. Durch die Datenübermittlung an Dr. S. sei zudem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden. Dieser Verstoß ziehe ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Dem stehe nicht entgegen, dass Prof. Dr. Dr. A. in einer späteren Stellungnahme zu demselben Ergebnis wie Dr. S. gekommen sei.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2008 und des Sozialgerichts Köln vom 30. November 2005 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass er einen Anspruch auf Löschung des Gutachtens des Dr. S. vom 27. Juli 2003 hat, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, das Gutachten von Dr. S. vom 27. Juli 2003 zu löschen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Löschung des von ihr im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens.

11

1. Das LSG hatte zulässig den Rechtsstreit über den Löschungsanspruch von demjenigen über den Anspruch auf Feststellung einer BK 2108 getrennt und gesondert über den streitigen Löschungsanspruch entschieden. Denn es handelt sich um zwei unterschiedliche Rechtsfolgen und somit um unterschiedliche Streitgegenstände. Ferner ersetzt oder ändert die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ihre Feststellung nicht, er habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108. Daher war die den Löschungsanspruch verneinende Feststellung entgegen dem SG nicht Gegenstand des die Feststellung einer BK 2108 betreffenden Klageverfahrens iS des § 96 Abs 1 SGG geworden.

12

Die Entscheidung über den Löschungsanspruch ist für die Entscheidung des Rechtsstreits um die BK 2108 und diese für jene darüber hinaus auch nicht vorgreiflich iS des § 114 Abs 2 Satz 1 SGG. Dies gilt auch für die Frage, ob das ärztliche Gutachten, das der Kläger gelöscht haben will, im Streit um die BK 2108 verwertbar ist. Denn der Löschungsanspruch hängt allein von der Unzulässigkeit einer Speicherung von Sozialdaten ab. Hingegen ist für diesen Anspruch unerheblich, ob ein von der Verwaltung eingeholtes und tatsächlich nicht gelöschtes (Verwaltungs-) Gutachten vom Gericht (im Urkundsbeweis) gewürdigt werden darf oder einem Beweisverwertungsverbot unterfällt und deshalb für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht verwertbar ist. Denn die Frage der Verwertbarkeit von Sozialdaten stellt sich dem Gericht nur hinsichtlich solcher von einem Träger übermittelter Sozialdaten, die ihm "ungelöscht" zur Kenntnis gebracht wurden. Eine spätere, ggf gerichtlich erstrittene, tatsächliche Löschung der Daten in den Dateiträgern/Akten der Verwaltung kann diese erworbene Kenntnis des Gerichts, gegen das der Löschungsanspruch nicht gerichtet ist, nicht beseitigen.

13

2. Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gegen die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ist unbegründet. Denn dieser Verwaltungsakt (vom 22.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2007) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

14

Daher konnte offen bleiben, mit welcher Klage in Fällen der vorliegenden Art die Anfechtungsklage zulässigerweise verbunden werden kann. Der Kläger hat sie (entsprechend der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 21.3.2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 25; vgl auch BVerwG, Urteil vom 9.6.2010 - 6 C 5/09) mit einer Verpflichtungsklage (Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Anspruchs auf Löschung) kombiniert. Er hat sie hilfsweise mit einer (unechten <§ 54 Abs 4 SGG> oder echten<§ 54 Abs 5 SGG>) Leistungsklage auf tatsächliche Durchführung der Löschung verbunden (vgl zu den Klagearten VG Karlsruhe, Urteil vom 14.4.2010 - 3 RK 2309/09; Bieresborn in: von Wulffen, SGB X, § 84 RdNr 10). Unabhängig davon, ob die Verpflichtungsklage als spezielle Leistungsklage oder die unechte oder die allgemeine Leistungsklage gegeben und zulässig war, stand fest, dass (nur und jedenfalls) eine dieser Klagen zulässig war, sodass das BSG in jedem Fall zu einer Entscheidung in der Sache befugt war. Einer Bestimmung, welche dieser Klagen zulässig war, bedurfte es trotz des Haupt- und Hilfsantrags nicht, weil jede von ihnen, sofern zulässig, unbegründet war. Denn sie alle sind nur dann begründet, wenn der Kläger den abgelehnten Löschungsanspruch hat. Mit der Abweisung der Anfechtungsklage gegen diese Ablehnung steht aber fest, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Anspruchs auf Löschung und auch keinen Anspruch unmittelbar auf Löschung durch die Beklagte hat.

15

Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob die das Leistungsbegehren betreffenden Revisionsanträge des Klägers, "das Gutachten" zu löschen, hinreichend bestimmt waren. Dies war zweifelhaft, weil er grundsätzlich die Sozialdaten, deren Löschung er begehrt, so genau hätte bezeichnen müssen, dass im Urteil klar hätte ausgesprochen werden können, was die Beklagte in dem Gutachten hätte löschen müssen.

16

3. Die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ist rechtmäßig.

17

Als Anspruchsgrundlage kommt einzig § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X in Betracht (a). Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch des Klägers zu entscheiden (b). Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Selbst wenn vorliegend eine Verletzung des Auswahlrechts aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII vorliegen sollte und diese überhaupt geeignet wäre, die Unzulässigkeit der "Speicherung" zu begründen, wäre dieser Verfahrensmangel unbeachtlich geworden, weil der Kläger ihn der Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt hat (c).

18

a) Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Der vom Informationseingriff Betroffene hat das Recht, vom Träger die Unkenntlichmachung seiner unzulässig gespeicherten Sozialdaten zu verlangen.

19

Diese Norm ist, wie in der genannten Senatsentscheidung vom 21.3.2006 vorausgesetzt, eine Anspruchsgrundlage. Der Bürger kann eine Löschung beanspruchen, obwohl § 38 SGB I (Rechtsanspruch bei gebundenen Sozialleistungen auch ohne Feststellung eines individualschützenden Normzwecks) nicht gilt. Denn § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X ist eine drittschützende Norm. Sie soll dem Schutz der von einem Informationseingriff betroffenen Bürger, mithin einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis, dienen und ihnen die Rechtsmacht zuweisen, gegen die Verwaltung durchzusetzen, dass die Ergebnisse des Eingriffs, die gespeicherten Sozialdaten, gelöscht werden.

20

§ 20 Abs 2 Nr 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der gemäß § 1 Abs 2 BDSG nur auf personenbezogene Daten anwendbar ist, ist gegenüber § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X subsidiär(§ 1 Abs 3 Satz 1 BDSG; vgl auch § 84 Abs 1a SGB X; offen gelassen im BSG-Urteil vom 13.10.1992 - 5 RJ 16/92 - BSGE 71, 170 ff). Denn § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X ist eine Rechtsvorschrift des Bundes, die die Löschung (auch) personenbezogener (Sozial-) Daten regelt.

21

b) Die Beklagte war zuständig und befugt, verbindlich festzustellen, der Kläger habe den gegen sie erhobenen Löschungsanspruch nicht. Wie ua § 83 Abs 4 bis 6 SGB X hinsichtlich der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs zeigt, lässt es das Gesetz iS des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I zu, dass der Verwaltungsträger über das Bestehen eines im Zusammenhang mit gespeicherten Daten gegen ihn erhobenen Anspruchs selbst verbindlich entscheiden darf.

22

c) Die Speicherung des Gutachtens war zulässig iS des § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X.

23

aa) Es konnte offen bleiben, ob ein Löschungsanspruch nach Einfügung eines in Papierform erstellten Gutachtens in eine Verwaltungsakte, die ein "Speichern auf einem Datenträger" iS des § 84 Abs 2 Satz 1 iVm § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 1 SGB X ist, entgegen dem Gesetzeswortlaut die Löschung des ganzen Gutachtens oder nur diejenige von einzelnen unzulässig gespeicherten Sozialdaten erfasst. Unterstellt, der Anspruch erfasse die Löschung des ganzen Gutachtens, hat die Beklagte nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes des § 35 SGB I iVm §§ 67 ff SGB X zulässig gehandelt(§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X). Denn das Einfügen des Gutachtens in die Verwaltungsakte war zur Erfüllung der Aufgabe der Beklagten erforderlich, über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer BK 2108 rechtmäßig zu entscheiden. Die Daten waren ferner zu dem Zweck gespeichert worden, die das Verfahren abschließende Entscheidung darüber vorzubereiten und ggf später zu überprüfen, ob der Kläger die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2108 erfüllt und den erhobenen Feststellungsanspruch hat.

24

bb) SGB X-spezifische Unzulässigkeitsgründe liegen nicht vor. Insbesondere berührt die Rüge des Klägers, es sei infolge der Verletzung seines Auswahlrechts auch sein Widerspruchsrecht verletzt, nicht die Zulässigkeit einer Speicherung von Sozialdaten gemäß § 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X.

25

Die Beklagte hatte den Kläger gemäß § 200 Abs 2 SGB VII ua auf sein Widerspruchsrecht aus § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X hingewiesen. Ferner war sie zur Datenübermittlung an die "Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." nach § 69 Abs 1 Nr 1 SGB X sowie wegen des eigenhändig erklärten "Einverständnisses" des Klägers mit dieser Gemeinschaftspraxis als Gutachter befugt, unabhängig davon, ob der Kläger damit für sie nicht erkennbar gemeint hatte, er habe nur Prof. Dr. Dr. A. persönlich als Gutachter ausgewählt. Außerdem war sie (auch) zur Entgegennahme der von dem im Geheimnisverbund des § 78 Abs 1 Satz 1 SGB X stehenden Dr. S. erhobenen Daten gemäß § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X ermächtigt. Der Kläger hatte nicht widersprochen.

26

cc) Die Beachtung des Auswahlrechts ist in § 67c SGB X nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Speicherung von Sozialdaten ausgestaltet. Auch keine andere Vorschrift des SGB regelt ausdrücklich, dass eine Verletzung des Auswahlrechts die Rechtsfolge der Unzulässigkeit der Speicherung von Sozialdaten begründet.

27

§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII sieht diese Rechtsfolge jedenfalls nicht ausdrücklich vor.

28

Es musste aber nicht abschließend geklärt werden, ob diese Vorschrift dennoch so verstanden werden darf, als ob sie gleichwohl die Unzulässigkeit der Speicherung sinngemäß und noch hinreichend bestimmt anordne. Denn die mögliche Verletzung dieses Verfahrensrechts des Klägers war unbeachtlich geworden.

29

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte das einfachgesetzliche verwaltungsverfahrensrechtliche Auswahlrecht des Klägers aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII verletzt hat.

30

Nach dieser Vorschrift "soll" - dh im Regelfall, wenn mehrere geeignete Gutachter vorhanden sind, "muss" - der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtensauftrags dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen. Dies entspricht im Regelfall dem Auswahlrecht aus § 14 Abs 5 Satz 3 und 4 SGB IX. Auch danach wird dem Wunsch des Leistungsberechtigten Rechnung getragen, wenn dieser sich für einen der (im Regelfall drei) vom Leistungsträger benannten Sachverständigen entschieden hat. Die Gutachter, zwischen denen der Versicherte auswählen darf, müssen folglich "benannt" werden. Ein eigenes, den Träger bindendes Vorschlagsrecht hat der Versicherte hingegen nicht (vgl Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 11 und Gutachtenkolloquium, Band 13, 1998, S 35, 44; Ricke in: Kasseler Komm, SGB VII, § 200 RdNr 3; Franke in: LPK-SGB VII, § 200 RdNr 3; Kliegel in: Lauterbach, SGB VII, 4. Aufl, 6. Lfg., März 1998, § 200 RdNr 8, 14; Becker, MEDSACH 2006, 74 f; Neumann, Unfallmedizinische Tagungen Heft 97, 1997, S 231, 239; Plagemann, NJW 1996, 3173, 3176). Dies spricht dafür, dass die Gutachter genau mit ihrem "Namen" (einschließlich der Berufsbezeichnung und der Anschrift) zu benennen sind. Nur dann ist grundsätzlich sichergestellt, dass der Versicherte ohne eigene Nachforschungen darüber, wen der Träger als Gutachter zur Auswahl vorschlägt, sich über die Benannten unterrichten und eine sachlich begründete Auswahl unter ihnen treffen kann. Wird hingegen eine Gemeinschaftspraxis nur mit dem Namen eines ihrer Ärzte bezeichnet, werden die anderen Gutachter gerade nicht benannt.

31

Es musste ebenfalls nicht entschieden werden, ob der Kläger erkannt hatte, dass die "Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." aus mehreren Ärzten und aus welchen sie bestand und ob er durch sein eigenhändiges Schreiben des Inhalts, er wähle diese Gemeinschaftspraxis, alle Ärzte der Gemeinschaftspraxis als Gutachter "auswählen" wollte.

32

dd) Eine (mögliche) Verletzung des Auswahlrechts war nämlich unbeachtlich geworden und konnte schon deshalb keine Unzulässigkeit der Speicherung begründen. Der Kläger war nämlich seiner verwaltungsverfahrensrechtlichen Obliegenheit nicht nachgekommen, der Beklagten unverzüglich mitzuteilen, dass nicht der von ihm angeblich allein ausgewählte Gutachter Prof. Dr. Dr. A., sondern der von ihm nach seinem Vortrag nicht ausgewählte Dr. S. die Begutachtung übernommen hatte.

33

Ein Versicherter, der meint, dass nicht der von ihm ausgewählte Arzt das Gutachten erstellt, muss dem Unfallversicherungsträger unverzüglich mitteilen, dass er sein Auswahlrecht verletzt sieht (Rügeobliegenheit).

34

Grundsätzlich hat er dies unverzüglich anzuzeigen, sobald er erkennt, dass ein anderer als der von ihm gewählte Gutachter vom Träger zum Gutachter bestellt wurde oder die Begutachtung übernimmt. Das muss er nicht hinnehmen; es obliegt ihm aber, sein Auswahlrecht unverzüglich zu verteidigen. Daher kann nach den Umständen des Einzelfalls seine Mitwirkung an einer Gutachtenerstellung durch einen vom Träger bestellten Gutachter, den der Versicherte zuvor als von ihm nicht ausgewählt erkannt hat, die Genehmigung der vom Träger getroffenen Gutachterauswahl bedeuten. Erkennt der Versicherte den Fehler ausnahmsweise erst später, etwa bei Kenntnisnahme von dem Gutachten, obliegt es ihm besonders dringlich, dies unverzüglich dem Träger mitzuteilen. Denn nur dann kann dieser sofort die Lage klären und notfalls rechtzeitig ein Gutachten des vom Versicherten ausgewählten Sachverständigen einholen. Nur so kann der Träger sicherstellen, dass er seine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung auf ein Gutachten stützen kann, das ohne eine Verletzung des Auswahlrechts erstellt wurde.

35

Das Auswahlrecht des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII ist rein verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur. Es ermöglicht dem Bürger eine qualifizierte Mitwirkung bei der behördlichen Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) und dient der Förderung der Akzeptanz des das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsakts des Unfallversicherungsträgers, soweit er dem Gutachten des vom Bürger ausgewählten Gutachters folgt. Dadurch dient es mittelbar auch der besseren Durchsichtigkeit ("Transparenz") der Entscheidungsfindung des Trägers und des Datenflusses für den Versicherten.

36

Das Auswahlrecht bezweckt ausschließlich, im jeweiligen Verwaltungsverfahren einen inhaltlich richtigen und für den Versicherten akzeptablen verfahrensabschließenden Verwaltungsakt vorzubereiten. Von einer (beabsichtigten) Begutachtung durch einen vom Versicherten nicht ausgewählten Gutachter muss der Sozialversicherungsträger unverzüglich erfahren, um die Rechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen und das Verfahren unter Beachtung des Auswahlrechts durchführen zu können. Der Bürger, der bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihm bekannte Tatsachen angeben soll (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X), ist hier der einzige, der eine Verletzung seines Auswahlrechts rechtzeitig abwenden oder eine Heilung dieses Verfahrensfehlers rechtzeitig anstoßen kann.

37

Eine Verletzung des Auswahlrechts kann grundsätzlich nur bis zum Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vom Unfallversicherungsträger geheilt werden. Deshalb wird die Verletzung, auch wenn sie ungeheilt bleibt, mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich unbeachtlich (vgl zur Rügeobliegenheit im Prüfungsrecht BVerwGE 96, 126, 129 ff, Juris-RdNr 18 f).

38

Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bürger ausnahmsweise die Verletzung seines Auswahlrechts vor dem Erlass des abschließenden Verwaltungsakts nicht erkennen konnte, also keine Möglichkeit zur Rechtsverteidigung hatte, oder wenn der Träger das Auswahlrecht trotz einer rechtzeitigen Rüge des Bürgers nicht als verletzt ansieht und keine Heilung veranlasst. Dann kann der Bürger den Mangel auch noch im Widerspruchsverfahren geltend machen, sodass die Ausgangsbehörde, die auch die Abhilfebehörde ist, oder die Widerspruchsbehörde noch eine Heilung im Verantwortungsbereich der Verwaltung herbeiführen kann.

39

Wird erst danach gerügt, ist eine zweckwahrende Heilung des Auswahlrechts, die zu einem verfahrensfehlerfreien Abschluss des Verwaltungsverfahrens allein durch eine Entscheidung der Verwaltung führt, nicht mehr möglich. War nämlich eine (bestehende) Verletzung des Auswahlrechts auch bis zum Ende des Widerspruchsverfahrens nicht zu erkennen oder wurde sie, obwohl rechtzeitig gerügt, auch von der Widerspruchsbehörde des Trägers verneint, kann der Zweck des Auswahlrechts in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren, in dem es besteht, nicht mehr erreicht werden. Der Verfahrensfehler bleibt ggf nur noch nach Maßgabe des § 42 Satz 1 SGB X rechtserheblich und kann nicht gesondert angefochten werden(so auch Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 26 und K § 199 RdNr 5; aA Thüringer LSG, Urteil vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06 - Juris RdNr 40; offen gelassen ua in BSGE 100, 25, 39 f, RdNr 57 f mwN; kritisch dazu C. Wagner in jurisPK-SGB VII, § 200 RdNr 51). Er führt zur Aufhebung des verfahrensabschließenden Verwaltungsakts, wenn nicht offensichtlich ist, dass die Auswahlrechtsverletzung die Entscheidung der Verwaltung in der Sache nicht beeinflusst hat.

40

ee) Der Kläger hat den (angeblichen) Verfahrensmangel im Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig angezeigt. Er hat die Beklagte in Kenntnis der Begutachtung durch Dr. S. bis zum Verfahrensabschluss nicht darauf hingewiesen, dass er mit seiner eigenhändigen Erklärung nur Prof. Dr. Dr. A. als Gutachter habe wählen wollen. Daher kam es für die Zulässigkeit der im Verwaltungsverfahren erfolgten Speicherung des Gutachtens des Dr. S. auf diesen nicht einmal mit dem Widerspruch, sondern erst vor dem SG gerügten Mangel des Verwaltungsverfahrens nicht an.

41

ff) Es gibt auch keine anwendbare Rechtsnorm außerhalb des SGB, welche die Speicherung eines Gutachtens datenschutzrechtlich für unzulässig erklärt, wenn das Gutachten von einem Gutachter erstellt wurde, den der Bürger nicht als Sachverständigen ausgewählt hat.

42

Insbesondere das vom Kläger angeführte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG), ein Abwehrrecht, verbietet die Speicherung eines Gutachtens in solchen Fällen nicht. Es gebietet dem Gesetzgeber grundsätzlich auch nicht, ein verletztes einfachgesetzliches Auswahlrecht als Unzulässigkeitsgrund für eine derartige Speicherung einzuführen. Dass das Auswahlrecht mittelbar auch die Durchsichtigkeit der Entscheidungsfindung des Trägers und die des Datenflusses für den Versicherten fördert, bedeutet noch nicht, dass es vom Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst wird und somit grundsätzlich allen Bürgern gegen alle Verwaltungsträger zustünde. Vielmehr ist es ein grundrechtlich nicht gebotenes, aber für ein bürgernahes Verwaltungsverfahren nützliches, einfachgesetzliches Verfahrensrecht der Versicherten gegen die Unfallversicherungsträger (und der Behinderten in Teilhabeverfahren).

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 23. Juni 2005 (Ausrutschen beim Reinigen der Rückschlammanlage) als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls ab dem 29. Dezember 2005 Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - von 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten aufgrund eines Arbeitsunfalls Unfallrente.
Der am ... Juli 1968 geborene Kläger, ein Produktionsarbeiter, der bei der X. GmbH in M. versicherungspflichtig beschäftigt ist, rutschte am 23. Juni 2005 gegen 22.30 Uhr beim Reinigen der Rückschlammanlage von der obersten Stufe einer Treppe. Dabei hielt er sich mit der rechten Hand am Geländer bzw. Handlauf fest. Dabei vernahm er ein deutliches Krachen in der rechten Schulter.
Am 25. Juni 2005 suchte der damals 180 cm groß und 105 kg schwere Kläger den Arzt Dr. S., auf. Laut Befundbericht von Dr. S. vom 29. Oktober 2005 stellte dieser anlässlich der Untersuchung des Klägers am 25. Juni 2005 mittels Ultraschall der rechten Schulter fest, dass die lange Bizepssehne nach innen verrutscht gewesen sei und der Kläger Schmerzen geklagt habe. Am 5. Juli 2005 sei die Ruptur der Bizepssehne nachzuweisen gewesen. Bereits vor dem 25. Juni 2005 habe er beim Kläger - am 16. Juni 2005 - Periarthritis der rechten Schulter diagnostiziert und als Schmerzmittel Diclofenac und Dialgirex verordnet. Diagnostiziert habe er Periarthritis und eine Ruptur der Bizepssehne.
Unter dem 5. Juli 2005 zeigte die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten den Unfall an. Die Arbeitgeberin schilderte den Unfallhergang wie folgt: Am 23. Juni 2005 sei der Kläger gegen 22.30 Uhr beim Reinigen der Rückschlammanlage von der obersten Stufe einer Treppe gerutscht. Beim Festhalten mit dem rechten Arm habe er sich diesen Arm verdreht. Dabei sei die Sehne aus der Fügung im Oberarm gesprungen und am Samstag, den 2. Juli 2005 gerissen. Die Angaben zum Unfallhergang beruhten auf der Schilderung des Klägers.
Am 25. August 2005 beantwortete der Kläger folgende ihm von der Beklagten gestellte Fragen: Er sei Rechtshänder und habe in seinem Beruf regelmäßig Gegenstände zu tragen. Nach dem Unfall am 23. Juni 2005 habe er dem behandelnden Arzt, Dr. S., mit dem Auto aufgesucht. Nach dem Unfall habe er seine Arbeit nicht fortgesetzt. Den Unfall habe er noch am Tag des Unfallereignisses, dem 23. Juni 2005, seinen Vorgesetzten gemeldet. Sport treibe er nicht. Frühere Erkrankungen, Unfälle oder Beschwerden an der Schulter habe er nicht gehabt. Bei dem Unfallereignis sei von einem Unfall infolge Sturzes auszugehen. Er habe den Sturz durch das Festhalten mit dem rechten Arm aber dämpfen können.
Im von der Beklagten daraufhin beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers, ..., ergaben sich folgende orthopädisch bedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten:
16. bis 17. März 1995
Kreuzschmerzen
25. September bis 3. Oktober 1995
Kreuzschmerzen
29. September 2000
Carpaltunnelsyndrom
23. April 2001
Kreuzschmerzen
9. Juli 2001
Carpaltunnelsyndrom
23. August 2001
Prellung der Unterschenkel
23. September 2003
Rückenschmerzen
23. Februar 2005
Kreuzschmerzen
5. bis 18. Juli 2005
Ulz Muskel/Sehnen nnbez Reg
Unter dem 7. November 2005 teilte der Bezirksverband N... mit, der Kläger sei ab dem 25. Juni 2005 nur 14 Tage arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Danach sei er wieder zur Arbeit gegangen.
Darauf veranlasste die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme durch den Chirurgen Dr. P., die dieser unter dem 19. Dezember 2005 verfasste. Darin führte Dr. P. aus, dass der Kläger laut Mitteilung von Dr. S., 7 Tage vor dem angeschuldigten Ereignis wegen einer Periarthritis der rechten Schulter behandelt und mit einem Antiphlogistikum und einem Analgetikum medikamentös therapiert worden sei. Dementsprechend sei die für den 25. Juni 2005 nachgewiesene Dislokation der langen Bizepssehne sowie die am 5. Juli 2005 diagnostizierte Ruptur der Bizepssehne nicht Folge des angeschuldigten Traumas vom 23. Juni 2005, sondern einer schicksalhaften Grunderkrankung der Schulter ursächlich anzulasten. Inwieweit durch das angeschuldigte Ereignis vom 23. Juni 2005 eine Verschlimmerung eingetreten sei und, ob ein derartiges Ereignis zu diesem Zeitpunkt hinreichend zu belegen sei, sei nach Aktenlage nicht zu klären, zumal auch aktuelle Befunde nicht vorlägen. Die Ruptur der langen Bizepssehne sei bei dem übergewichtigen Kläger offenbar lediglich sonographisch gesichert, sodass nach Aktenlage ein adäquates Trauma vom 23. Juni 2005 lediglich denkbar erscheine bei unstrittig vorbestehender Periarthritis Mitbehandlungsnotwendigkeit bereits ab dem 16. Juni 2005. Eine weitere Klärung nach Aktenlage sei nicht möglich. Eine Ruptur der langen Bizepssehne, sofern sie tatsächlich eingetreten sei, bedinge üblicherweise keine messbare Verletzungsfolge. Arbeitsunfähigkeit habe offensichtlich nur vom 23. Juni bis zum 6. Juli 2005 bestanden. Auch für diesen Zeitraum sei aus den genannten Gründen ein kausaler Zusammenhang dem angeschuldigten Trauma nicht wahrscheinlich zu machen. Daraufhin lehnte die Beklagte es mit Bescheid vom 3. März 2006 ab, das angeschuldigte Unfallereignis vom 23.06.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen. Zur Begründung hieß es nach Auswertung der medizinischen Unterlagen könne ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 23. Juni 2005 und dem Bizepssehnenriss nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der Bizepssehnenriss sei vielmehr auf eine schicksalhafte Grunderkrankung der Schulter zurückzuführen. Das Ereignis vom 23. Juni 2005 sei somit lediglich auslösendes Moment gewesen, da eine bereits vorhandene krankhafte Anlage vorgelegen habe, die so leicht ansprechbar gewesen sei, dass jedes andere alltägliche Ereignis etwa zu derselben Zeit die Erkrankung hätte auslösen können (sogenannte Gelegenheitsursache). Für die Behandlung sei die Krankenkasse der zuständige Leistungsträger.
10 
Zur Begründung des dagegen am 29. März 2006 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, der ihn behandelnde Arzt, Dr. S., sei der Auffassung, der Riss der Bizepssehne sei kein schicksalhaftes Ereignis gewesen, sondern ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dr. Steinmetz sei von der Beklagten nochmals zu befragen.
11 
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es erneut: Nach Auswertung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen sei der Bizepssehnenriss nicht ursächlich auf das Ereignis vom 23. Juni 2005, sondern vielmehr auf eine schicksalhafte Grunderkrankung der Schulter zurückzuführen. Das Ereignis vom 23. Juni 2005 sei lediglich auslösendes Moment, weil eine bereits vorhandene krankhafte Anlage vorgelegen habe, die so leicht ansprechbar gewesen sei, dass jedes andere alltägliche Ereignis etwa zu derselben Zeit die Erkrankung hätte auch auslösen können. Damit sei das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu verneinen. Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung stünden dem Kläger nicht zu.
12 
Die vom Kläger dagegen aufgrund fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids am 5. Februar 2007 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage hat das Sozialgericht Würzburg durch Beschluss vom 16. März 2007 an das örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe verwiesen.
13 
Der Kläger ist weiter der Auffassung, der im Juni 2005 erlittene Bizepssehnenriss sei auf das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 zurückzuführen. Eine entsprechende weitere Sachaufklärung von Amts wegen werde angeregt.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm aufgrund der Unfallfolgen ab dem 29. Dezember 2005 eine Unfallrente nach einer MdE von 20 vom Hundert in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Die Beklagte geht weiter davon aus, dass der Unfallhergang nicht geeignet gewesen sei, die geltend gemachten Unfallfolgen an der rechten Schulter auszulösen. Ursächlich für den Unfall sei vielmehr eine Periarthritis der rechten Schulter als dem Unfallereignis vorausgehende Grunderkrankung.
19 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers. Das Gutachten haben die Orthopäden Prof. Dr. R. und der Facharzt für Chirurgie R. unter dem 28. September 2007 erstattet.
20 
Zum Unfallhergang haben die Gutachter aufgrund Klägerangaben folgende Ausführungen festgehalten. Der Kläger habe am 23. Juni 2005 gegen etwa 22.30 Uhr eine sogenannte Rückschlammanlage gereinigt. Dazu habe er wie üblich auf einem etwa vier Stufen hohen Podest gestanden und mit der rechten Hand den Hochdruckreiniger zum Reinigen des Trichters der Anlage bedient. Dabei habe er sich mit den Füßen im Schlauch des Hochdruckreinigers verfangen und sei rückwärts die Podeststufen heruntergestolpert. Er habe sich noch reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten können. Hierbei sei es zu einem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Zuerst habe er wenig Probleme gehabt und weitergearbeitet, im Verlauf seien aber stärker werdende Schmerzen aufgetreten. Am Folgetag habe er dann deutliche Schmerzen und eine deutliche Schwellung im Schulter- bzw. Oberarmbereich rechts bemerkt. Deswegen habe er dann auch am 25. Juni 2005 seinen Hausarzt, Dr. S. in ..., aufgesucht, bei dem er schon einige Tage zuvor, am 16. Juni 2005 wegen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter in Behandlung gewesen sei. Damals sei eine Periarthritis der rechten Schulter diagnostiziert worden, die mit Diclofenac und Dialgirex behandelt worden sei. Bei der Untersuchung am 25. Juni 2005 sei ein Verrutschen der langen Bizepssehne mittels Ultraschall diagnostiziert worden. Am 2. Juli 2005 seien dem Kläger erneut Schmerzmittel verordnet worden, bevor es am 4. Juli 2005 zu einer Röntgenuntersuchung der rechten Schulter in zwei Richtungen sowie zu einer Sonographie gekommen sei. Sonographisch sei die Ruptur der langen Bizepssehne dabei gesichert worden.
21 
Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung am 29. August 2007 haben die Dres. R. und R. folgende orthopädische Diagnosen gestellt: Ruptur der langen Bizepssehne rechts, degenerative Schultereckgelenksarthrose (AC-Gelenksarthrose) rechts mit beginnendem subacromialen Impingementsyndrom, chronisch rezidivierende Lumbago, Zustand nach Carpaltunnelsyndrom-Operation beidseits, Zustand nach Verletzung des rechten Daumens im Kindesalter.
22 
Die Diagnose der Ruptur der langen Bizepssehne lasse sich allein durch die klinische Untersuchung eindeutig stellen. Bei der grob orientierenden Bewegungsuntersuchung der rechten Schulter habe sich bei der Abduktion ein nicht immer reproduzierbares schmerzhaftes Ziehen und Knacken in Form eines Painful arcs von etwa 70/80 Grad, Abduktion bis etwa 130 Grad reichend gezeigt. Die Anteversion (das Vorwärtsstrecken des Armes) habe aktiv kein Problem bereitet, gegen Widerstand habe sich aber eine deutliche Schwäche im Vergleich zur gesunden linken Seite gezeigt. Zudem sei bei der groben Kraftprüfung eine deutliche Kraftminderung des Bizepsmuskels rechts festzustellen gewesen. Zudem habe der Kläger ziehende Schmerzen seitlich der Schulter bis zum Oberarm auslaufend angegeben. Außerdem habe sich über dem abgerutschten Muskelbauch eine Druckschmerzhaftigkeit etwa dem Sehnen-Muskel-Übergang entsprechend gefunden. Das nach hinten Führen des rechten Armes in die sogenannte Schürzenbinderposition sei kaum möglich gewesen, auf der linken Seite hingegen unproblematisch gelungen. Dies liege an einer schmerzhaften Einschränkung, ein Ziehen trete im Bereich der Schulter und des Oberarmes auf. Dementsprechend sei die Überprüfung der Subscapularismuskulatur nicht aussagekräftig möglich gewesen. Links habe sich ein unauffälliger Befund gezeigt.
23 
Auch die Diagnose der AC-Gelenksarthrose beruhe im Wesentlichen auf der klinischen Untersuchung sowie auf einer Auswertung des Kernspinbefunds. Inwieweit diese AC-Gelenksarthrose bereits im Jahre 2005 zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe, lasse sich anhand der vorliegenden Untersuchungen nicht feststellen. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, dass die Röntgenaufnahmen vom 4. Juni 2005 zumindest ein noch nahezu unauffälliges AC-Gelenk zeigten.
24 
Der Riss der langen Bizepssehne sei sicherlich durch den Arbeitsunfall aufgetreten. Im Nachhinein sei anhand der Aktenlage aber nicht mehr sicher zu beurteilen, ob es zunächst lediglich zu einer Dislokation und später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen sei, oder ob es sich um einen sofortigen Riss gehandelt habe, der zunächst nicht eindeutig diagnostizierbar gewesen sei. Insgesamt gesehen sei dies jedoch unerheblich, weil die gerissene Bizepssehne eindeutig von dem angegebenen Arbeitsunfall herrühre. Inwieweit eine Vorschädigung der Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe, sei spekulativ. Die Aktenlage und die Anamnese zeigten lediglich, dass der Kläger einige Tage zuvor bereits wegen Schulterbeschwerden rechts behandelt worden sei. Die Ursachen für diese vorbestehenden Schulterbeschwerden könnten vielfältig sein, z. B. eine Entzündung des subacromialen Schleimbeutels, eine Verkalkung im Bereich der Rotatorenmanschette oder eben eine AC-Gelenksarthrose. Im Nachhinein sei sicherlich nicht mehr exakt zu klären, was damals Auslöser dieses Schmerzsyndroms gewesen sei. Ebenso wenig sei im Nachhinein zu klären, inwieweit eine Degeneration der langen Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Fest stehe jedoch, dass mit zunehmenden Alter auch das Sehnenmaterial einem Verschleiß unterliege, dem unterschiedliche Ursachen zugrunde lägen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände habe man davon auszugehen, dass eine gewisse Degeneration der langen Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 sicherlich kein Bagatelltrauma ausgelöst habe. Es sei vielmehr durchaus geeignet gewesen, eine Sehnenverletzung, wie sie der Kläger erlitten habe, herbeizuführen. Somit wäre dann zumindest eine Verschlimmerung einer vorbestehenden Gesundheitsstörung eingetreten. Die übrigen gestellten Diagnosen (chronisch rezidivierender Lumbago und Zustand nach CTS-Operation beidseitig) stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis.
25 
Die Folge des vom Kläger am 23. Juni 2005 erlittenen Arbeitsunfalls sei eine deutliche Kraftminderung durch Riss der langen Bizepssehne rechts. Behandlungsbedürftigkeit für die Unfallfolgen habe sicherlich zwei bis drei Monate nach dem Unfall bestanden. In Zusammenschau der vorliegenden Untersuchungsergebnisse, der körperlichen Untersuchung und der anamnestischen Angaben sowie der Angaben des Hausarztes Dr. S. sei sicherlich eine MdE von 20 bis zum Ende des zweiten Unfalljahres anzusetzen; auf Dauer wahrscheinlich ebenfalls eine MdE von 20.
26 
Auf die gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. hat die Beklagte mit fachärztlicher Stellungnahme des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. W., vom 18. Dezember 2007 reagiert.
27 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 1615/07) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die Klage ist zulässig und begründet.
29 
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen und durch Unfallrente zu entschädigen.
30 
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort „infolge“ drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette - Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden - weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund eines Gesundheits-(erst)-Schadens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R).
31 
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war (Bundessozialgericht, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 34/03 R m. w. N.). Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können; kann eine Ursache jedoch nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn in Betracht zu ziehen ist (BSGE 61, 127 ff.). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R JURIS).
32 
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der fundierten gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. (Gutachten vom 28. September 2007) fest, dass das vom Kläger erlittene Unfallereignis vom 23. Juni 2005 den Riss der langen Bizepssehne des rechten Arms überwiegend wahrscheinlich verursacht hat. Dabei kommt es, wie von den Gerichtsgutachtern zutreffend angemerkt, nicht darauf an, ob es unmittelbar am Unfalltag lediglich zu einer Dislokation und erst einige Tage später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen ist. Denn der vom Kläger konsistent von Anbeginn an geschilderte Unfallhergang stellt - erste Voraussetzung - einen geeigneten Verletzungsmechanismus dar. Seinen unbestrittenen Angaben zufolge stolperte der Kläger mit den Füßen im Schlauch eines Hochdruckreinigers verfangen rückwärts Podeststufen herunter, als er eine Rückschlammanlage mit dem Hockdruckreiniger gereinigt hat. Dabei hat er sich reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten und so einen Sturz vermeiden können. Dabei ist es zu dem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Dementsprechend verneinen die Gerichtsgutachter nachvollziehbar ein Bagatelltrauma. Die Tatsache, dass der Unfallhergang einen geeigneten Verletzungsmechanismus darstellt, ergibt sich für das Gericht weiter aus den Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Seite 507, auf der unter dem Schlagwort „geeignete Verletzungsmechanismen“ zur Verletzung einer Supraspinatussehne ausdrücklich ausgeführt wird: massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Arms, Sturz beim Fensterputzen aus der Höhe nach vorn mit noch festhaltender Hand; Treppensturz mit der Hand am Geländer. Diese Unfallhergänge sind für eine Verursachung zwar nicht beweisend, aber durchaus geeignet. Die Voraussetzungen für weitergehende Kausalitätsüberlegungen sind damit gegeben; die wesentliche (Teil-)Ursache ist zu ermitteln.
33 
Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Gegenargumentation der Beklagten, beim Unfallereignis vom 23. Juni 2005 handele es sich lediglich um ein auslösendes Moment, bei dem eine bestehende Vorerkrankung der rechten Schulter gelegenheitsursächlich verwirklicht worden sei, vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen. Das von der Beklagten zu Recht beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers ist im Hinblick auf Schulterverletzungen blank, d. h. ohne Eintrag. Der Kläger ist also wegen Schulterbeschwerden niemals arbeitsunfähig gewesen. Der einzige Hinweis, der sich auf eine Vorerkrankung der rechten Schulter des Klägers ergibt, findet sich in der apodiktisch knappen Befunddarstellung des Hausarztes des Klägers, Dr. S., vom 29. Oktober 2005, in der es heißt, der Kläger sei am 16. Juni 2005 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter mit Schmerzmitteln versorgt worden. Die medizinische Bezeichnung Periarthritis ist ein Sammelbegriff für Reizungen, Entzündungen im Weichteilbereich an einem Gelenk, insbesondere auch in den Sehnenansätzen und dem Verlauf der Sehnen, an Schleimbeutel und an Muskeln im gelenknahen Bereich. Damit könnte eine Vorerkrankung der später, nach dem Unfallereignis gerissenen Bizepssehne beim Kläger zwar in der Tat vorgelegen haben; gegen eine wesentliche Degeneration der langen Bizepssehne bereits zum Unfallzeitpunkt spricht aber nach Aktenlage, dass in der Röntgenuntersuchung vom 4. Juli 2005 - also nur wenige Tage nach dem Unfallereignis - keine gravierenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer AC-Gelenksarthrose erkennbar gewesen sind. Ebenso wenig werden solche Veränderungen in der damals durchgeführten Sonographie der Schulter beschrieben. Die von der Beklagten gleichwohl aufgestellte These, auslösendes Moment für die Bizepssehnenruptur sei in erster Linie die AC-Gelenksarthrose gewesen, müssen somit als „rein spekulativ“ beurteilt werden (so zutreffend Gutacher Prof. Dr. R.).
34 
Die Beklagte muss sich in diesem Zusammenhang auch vorhalten lassen, den Sachverhalt nicht adäquat aufgeklärt und durchermittelt zu haben. Sie stützt ihre Argumentation allein auf ein Wort des Hausarztes des Klägers Dr. S. vom 29. Oktober 2005 („Periarthritis“), bei dem es nicht einmal für notwendig erachtet worden ist, durch nochmalige Nachfrage um präzisere Angaben zu bitten. Geschweige denn hat die Beklagte, wie es bereits im Verwaltungsverfahren geboten gewesen wäre, ein orthopädisch-chirurgisches Sachverständigengutachten als Zusammenhangsgutachten veranlasst. Diese Verfahrensweise hat dazu geführt, dass allein das Gericht die Sachverhaltsaufklärungsarbeit hat leisten müssen und geleistet hat.
35 
Soweit sich die Beklagte dann der Sachverhaltsermittlung im gerichtlichen Verfahren aufgenommen hat, ist dies der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zufolge (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 8/07 R, Terminsbericht Nr. 7/08 vom 8. Februar 2008; zuvor bereits entsprechend: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2007, L 17 U 125/704, Breith. 2008, S. 104, 110 ff.) erheblich verfahrensfehlerhaft geschehen. Denn bei der Anforderung der gutachtlichen Äußerung von Dr. W. hat die Beklagte gegen die Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII verstoßen, weil sie den Kläger weder vorher auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hingewiesen noch ihm mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. § 200 Abs. 2 SGB VII gilt auch für Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen, die ein Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt. Bei der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Dezember 2007, die immerhin elf Seiten umfasst, handelt es sich um ein Gutachten im Sinn von § 200 Abs. 2 SGB VII; der dort verwendete Begriff ist weit auszulegen und erfasst alle sachkundigen Äußerungen, die ihrem Inhalt nach Gutachtenscharakter haben (vgl. Bundessozialgericht, a. a. O.). Ausgenommen sind lediglich prüfärztliche Stellungnahmen von dem Organisationsbereich des Versicherungsträgers zuzurechnenden Ärzten, das heißt von solchen Ärzten, die beim Versicherungsträger angestellt sind oder denen gegenüber der Versicherungsträger weisungsbefugt ist. Dies ist bei Dr. W., der als Chefarzt eines nicht im Organisationsbereich der Beklagten stehenden Krankenhauses beschäftigt ist, offenkundig nicht der Fall. Dr. W. hat mit der Beklagten, wie von der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau N., fernmündlich dem Kammervorsitzenden bestätigt, lediglich einen Beratervertrag als freier Mitarbeiter.
36 
Gutachten, die unter Verstoß gegen die den Schutz der Sozialdaten bezweckenden Belehrungspflicht zustande gekommen sind, dürfen vom Gericht nicht verwertet werden. Da die gutachtliche Stellungnahme von Dr. W. Bestandteil der Gerichtsakte geworden ist, erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot auf diese Stellungnahme, deren Inhalt das Gericht folglich nicht zur Kenntnis nehmen darf und nicht zur Kenntnis genommen hat.
37 
Schließlich merkte das Gericht an, dass angesichts des blanken Vorerkrankungsverzeichnisses und unter besonderer Berücksichtigung des noch relativ jungen Alters des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses - damals ist der Kläger erst knapp 37 Jahre alt gewesen - objektiv nichts für wesentliche degenerative Veränderungen an Schultergelenk und Sehnen des rechten Arms spricht. In dieses Bild fügt sich eine weitere Tatsache schlüssig ein. Der linke Arm des Klägers und das linke Schultergelenk sind den gutachtlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. R. zufolge ohne jeden krankhaften Befund gewesen, insbesondere habe sich dort keine arthritische Erkrankung nachweisen lassen.
38 
Das Gericht folgt dem Gutachter Prof. Dr. R. auch im Hinblick auf seine Einschätzung zur MdE, die er auf Dauer mit 20 bewertet. Zur Begründung führt Prof. Dr. R. aus, dass eine deutliche Kraftminderung durch den Riss der langen Bizepssehne rechts beim Kläger auszumachen ist. Diese Kraftminderung führt zwar bei leichten Alltagsbewegungen zu nur kaum feststellbaren Auffälligkeiten und hat für solche Bewegungen mithin auch kaum einschränkenden Charakter. Dies deshalb, weil ein Teil der Funktion der langen Bizepssehne durch die kurze Bizepssehne übernommen werden kann. Dadurch wird auch das typische Abrutschen des Muskelbauchs im Alltagsleben nahezu unbemerkt bleiben oder lediglich als kosmetisch störend empfunden. Ganz anders aber sieht die Situation bei körperlich starker Arbeit, wie sie der Kläger bis heute zu verrichten hat, aus. Hierbei wirkt die deutliche Kraftminderung im rechten Arm durch Riss der langen Bizepssehne nicht unerheblich leistungseinschränkend. Dies gilt erst Recht im Hinblick darauf, dass es sich beim Kläger um einen Rechtshänder handelt. Mit der MdE-Bewertung aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen des rechten Arms liegt der Gutachter Prof. Dr. R. im Übrigen auch im Rahmen dessen, was Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 514 vorgeben. Dort heißt es zu den Beurteilungswerten für die MdE bei Sehnenrissen pauschalierend, dass bei einem Quermaß der schmerzhaften Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die Beweglichkeit des Arms beim Vorwärts- und Rückwärtsdreh sowie beim seitwärts Drehen sowie bei der Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff eine MdE von 10 bis 20 vom Hundert festzustellen ist. Im Rahmen dieser Bandbreite, wenn auch am oberen Ende, liegt die entsprechende Empfehlung von Prof. Dr. R.
39 
Der Beginn der Unfallrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sind, einen Anspruch auf Rente. Der Versicherungsfall ist mit dem Unfallereignis vom 23. Juni 2005 eingetreten. Mit Ablauf von 26 Wochen nach diesem Unfallereignis - vorliegend also ab dem 29. Dezember 2005 - beginnt damit die dem Kläger zu gewährende Unfallrente.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe

 
28 
Die Klage ist zulässig und begründet.
29 
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen und durch Unfallrente zu entschädigen.
30 
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort „infolge“ drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette - Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden - weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund eines Gesundheits-(erst)-Schadens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R).
31 
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war (Bundessozialgericht, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 34/03 R m. w. N.). Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können; kann eine Ursache jedoch nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn in Betracht zu ziehen ist (BSGE 61, 127 ff.). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R JURIS).
32 
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der fundierten gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. (Gutachten vom 28. September 2007) fest, dass das vom Kläger erlittene Unfallereignis vom 23. Juni 2005 den Riss der langen Bizepssehne des rechten Arms überwiegend wahrscheinlich verursacht hat. Dabei kommt es, wie von den Gerichtsgutachtern zutreffend angemerkt, nicht darauf an, ob es unmittelbar am Unfalltag lediglich zu einer Dislokation und erst einige Tage später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen ist. Denn der vom Kläger konsistent von Anbeginn an geschilderte Unfallhergang stellt - erste Voraussetzung - einen geeigneten Verletzungsmechanismus dar. Seinen unbestrittenen Angaben zufolge stolperte der Kläger mit den Füßen im Schlauch eines Hochdruckreinigers verfangen rückwärts Podeststufen herunter, als er eine Rückschlammanlage mit dem Hockdruckreiniger gereinigt hat. Dabei hat er sich reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten und so einen Sturz vermeiden können. Dabei ist es zu dem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Dementsprechend verneinen die Gerichtsgutachter nachvollziehbar ein Bagatelltrauma. Die Tatsache, dass der Unfallhergang einen geeigneten Verletzungsmechanismus darstellt, ergibt sich für das Gericht weiter aus den Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Seite 507, auf der unter dem Schlagwort „geeignete Verletzungsmechanismen“ zur Verletzung einer Supraspinatussehne ausdrücklich ausgeführt wird: massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Arms, Sturz beim Fensterputzen aus der Höhe nach vorn mit noch festhaltender Hand; Treppensturz mit der Hand am Geländer. Diese Unfallhergänge sind für eine Verursachung zwar nicht beweisend, aber durchaus geeignet. Die Voraussetzungen für weitergehende Kausalitätsüberlegungen sind damit gegeben; die wesentliche (Teil-)Ursache ist zu ermitteln.
33 
Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Gegenargumentation der Beklagten, beim Unfallereignis vom 23. Juni 2005 handele es sich lediglich um ein auslösendes Moment, bei dem eine bestehende Vorerkrankung der rechten Schulter gelegenheitsursächlich verwirklicht worden sei, vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen. Das von der Beklagten zu Recht beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers ist im Hinblick auf Schulterverletzungen blank, d. h. ohne Eintrag. Der Kläger ist also wegen Schulterbeschwerden niemals arbeitsunfähig gewesen. Der einzige Hinweis, der sich auf eine Vorerkrankung der rechten Schulter des Klägers ergibt, findet sich in der apodiktisch knappen Befunddarstellung des Hausarztes des Klägers, Dr. S., vom 29. Oktober 2005, in der es heißt, der Kläger sei am 16. Juni 2005 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter mit Schmerzmitteln versorgt worden. Die medizinische Bezeichnung Periarthritis ist ein Sammelbegriff für Reizungen, Entzündungen im Weichteilbereich an einem Gelenk, insbesondere auch in den Sehnenansätzen und dem Verlauf der Sehnen, an Schleimbeutel und an Muskeln im gelenknahen Bereich. Damit könnte eine Vorerkrankung der später, nach dem Unfallereignis gerissenen Bizepssehne beim Kläger zwar in der Tat vorgelegen haben; gegen eine wesentliche Degeneration der langen Bizepssehne bereits zum Unfallzeitpunkt spricht aber nach Aktenlage, dass in der Röntgenuntersuchung vom 4. Juli 2005 - also nur wenige Tage nach dem Unfallereignis - keine gravierenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer AC-Gelenksarthrose erkennbar gewesen sind. Ebenso wenig werden solche Veränderungen in der damals durchgeführten Sonographie der Schulter beschrieben. Die von der Beklagten gleichwohl aufgestellte These, auslösendes Moment für die Bizepssehnenruptur sei in erster Linie die AC-Gelenksarthrose gewesen, müssen somit als „rein spekulativ“ beurteilt werden (so zutreffend Gutacher Prof. Dr. R.).
34 
Die Beklagte muss sich in diesem Zusammenhang auch vorhalten lassen, den Sachverhalt nicht adäquat aufgeklärt und durchermittelt zu haben. Sie stützt ihre Argumentation allein auf ein Wort des Hausarztes des Klägers Dr. S. vom 29. Oktober 2005 („Periarthritis“), bei dem es nicht einmal für notwendig erachtet worden ist, durch nochmalige Nachfrage um präzisere Angaben zu bitten. Geschweige denn hat die Beklagte, wie es bereits im Verwaltungsverfahren geboten gewesen wäre, ein orthopädisch-chirurgisches Sachverständigengutachten als Zusammenhangsgutachten veranlasst. Diese Verfahrensweise hat dazu geführt, dass allein das Gericht die Sachverhaltsaufklärungsarbeit hat leisten müssen und geleistet hat.
35 
Soweit sich die Beklagte dann der Sachverhaltsermittlung im gerichtlichen Verfahren aufgenommen hat, ist dies der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zufolge (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 8/07 R, Terminsbericht Nr. 7/08 vom 8. Februar 2008; zuvor bereits entsprechend: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2007, L 17 U 125/704, Breith. 2008, S. 104, 110 ff.) erheblich verfahrensfehlerhaft geschehen. Denn bei der Anforderung der gutachtlichen Äußerung von Dr. W. hat die Beklagte gegen die Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII verstoßen, weil sie den Kläger weder vorher auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hingewiesen noch ihm mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. § 200 Abs. 2 SGB VII gilt auch für Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen, die ein Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt. Bei der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Dezember 2007, die immerhin elf Seiten umfasst, handelt es sich um ein Gutachten im Sinn von § 200 Abs. 2 SGB VII; der dort verwendete Begriff ist weit auszulegen und erfasst alle sachkundigen Äußerungen, die ihrem Inhalt nach Gutachtenscharakter haben (vgl. Bundessozialgericht, a. a. O.). Ausgenommen sind lediglich prüfärztliche Stellungnahmen von dem Organisationsbereich des Versicherungsträgers zuzurechnenden Ärzten, das heißt von solchen Ärzten, die beim Versicherungsträger angestellt sind oder denen gegenüber der Versicherungsträger weisungsbefugt ist. Dies ist bei Dr. W., der als Chefarzt eines nicht im Organisationsbereich der Beklagten stehenden Krankenhauses beschäftigt ist, offenkundig nicht der Fall. Dr. W. hat mit der Beklagten, wie von der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau N., fernmündlich dem Kammervorsitzenden bestätigt, lediglich einen Beratervertrag als freier Mitarbeiter.
36 
Gutachten, die unter Verstoß gegen die den Schutz der Sozialdaten bezweckenden Belehrungspflicht zustande gekommen sind, dürfen vom Gericht nicht verwertet werden. Da die gutachtliche Stellungnahme von Dr. W. Bestandteil der Gerichtsakte geworden ist, erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot auf diese Stellungnahme, deren Inhalt das Gericht folglich nicht zur Kenntnis nehmen darf und nicht zur Kenntnis genommen hat.
37 
Schließlich merkte das Gericht an, dass angesichts des blanken Vorerkrankungsverzeichnisses und unter besonderer Berücksichtigung des noch relativ jungen Alters des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses - damals ist der Kläger erst knapp 37 Jahre alt gewesen - objektiv nichts für wesentliche degenerative Veränderungen an Schultergelenk und Sehnen des rechten Arms spricht. In dieses Bild fügt sich eine weitere Tatsache schlüssig ein. Der linke Arm des Klägers und das linke Schultergelenk sind den gutachtlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. R. zufolge ohne jeden krankhaften Befund gewesen, insbesondere habe sich dort keine arthritische Erkrankung nachweisen lassen.
38 
Das Gericht folgt dem Gutachter Prof. Dr. R. auch im Hinblick auf seine Einschätzung zur MdE, die er auf Dauer mit 20 bewertet. Zur Begründung führt Prof. Dr. R. aus, dass eine deutliche Kraftminderung durch den Riss der langen Bizepssehne rechts beim Kläger auszumachen ist. Diese Kraftminderung führt zwar bei leichten Alltagsbewegungen zu nur kaum feststellbaren Auffälligkeiten und hat für solche Bewegungen mithin auch kaum einschränkenden Charakter. Dies deshalb, weil ein Teil der Funktion der langen Bizepssehne durch die kurze Bizepssehne übernommen werden kann. Dadurch wird auch das typische Abrutschen des Muskelbauchs im Alltagsleben nahezu unbemerkt bleiben oder lediglich als kosmetisch störend empfunden. Ganz anders aber sieht die Situation bei körperlich starker Arbeit, wie sie der Kläger bis heute zu verrichten hat, aus. Hierbei wirkt die deutliche Kraftminderung im rechten Arm durch Riss der langen Bizepssehne nicht unerheblich leistungseinschränkend. Dies gilt erst Recht im Hinblick darauf, dass es sich beim Kläger um einen Rechtshänder handelt. Mit der MdE-Bewertung aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen des rechten Arms liegt der Gutachter Prof. Dr. R. im Übrigen auch im Rahmen dessen, was Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 514 vorgeben. Dort heißt es zu den Beurteilungswerten für die MdE bei Sehnenrissen pauschalierend, dass bei einem Quermaß der schmerzhaften Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die Beweglichkeit des Arms beim Vorwärts- und Rückwärtsdreh sowie beim seitwärts Drehen sowie bei der Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff eine MdE von 10 bis 20 vom Hundert festzustellen ist. Im Rahmen dieser Bandbreite, wenn auch am oberen Ende, liegt die entsprechende Empfehlung von Prof. Dr. R.
39 
Der Beginn der Unfallrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sind, einen Anspruch auf Rente. Der Versicherungsfall ist mit dem Unfallereignis vom 23. Juni 2005 eingetreten. Mit Ablauf von 26 Wochen nach diesem Unfallereignis - vorliegend also ab dem 29. Dezember 2005 - beginnt damit die dem Kläger zu gewährende Unfallrente.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
im Rahmen des § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass die betroffene Person der Übermittlung widerspricht; die betroffene Person ist von dem Verantwortlichen zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form schriftlich oder elektronisch auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen,
1a.
im Rahmen der Geltendmachung und Durchsetzung sowie Abwehr eines Erstattungs- oder Ersatzanspruchs,
2.
im Rahmen des § 69 Absatz 4 und 5 und des § 71 Absatz 1 Satz 3,
3.
im Rahmen des § 94 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches.

(3) Ein Widerspruchsrecht besteht nicht in den Fällen des § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, des § 275c Absatz 1 und des § 275d Absatz 1 des Fünften Buches, soweit die Daten durch Personen nach Absatz 1 übermittelt werden.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 203/10
Verkündet am:
9. Juni 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Satz 2

a) Bei einem Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen, die als Sachleistungen
gegenüber der Pflegeversicherung abgerechnet werden, ist die Vergütung
nicht im Sinne des § 621 BGB nach Zeitabschnitten bemessen.

b) Der Vertrag eines nach den Bestimmungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch
Pflegebedürftigen mit einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung über
ambulante pflegerische Leistungen ist ein Vertrag über Dienste höherer Art.

c) § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB XI regelt die Kündigung eines Vertrags über ambulante
pflegerische Leistungen innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem ersten
Pflegeeinsatz, ohne im Übrigen in die bestehenden Kündigungsregelungen des
Dienstvertragsrechts einzugreifen.

d) Die von einem ambulanten Pflegedienst gestellte Geschäftsbedingung in einem
Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen, der Kunde könne den Pflegevertrag
mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündigen, benachteiligt den Pflegebedürftigen
unangemessen und ist unwirksam.
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 203/10 - LG Koblenz
AG Andernach
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juni 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigungsklausel in einem von der Klägerin vorformulierten Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen.
2
Die Klägerin ist Trägerin einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1, § 72 SGB XI. Sie ist aufgrund eines Vertrags nach § 132a Abs. 2 SGB V auch befugt, Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit den Krankenkassen abzurechnen. Dementsprechend erbringt sie für ihre Kunden Leistungen der Pflegeversicherung und/oder Leistungen der Krankenversicherung sowie frei vereinbarte Leistungen
3
Mit der während des Rechtsstreits verstorbenen früheren Beklagten, die der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) zugeordnet war (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI), bestand ein Pflegevertrag vom 25. Juli 2007. Nach einem Krankenhausaufenthalt vom 20. bis 26. November 2008 kündigte diese den Pflegevertrag am 28. November 2008. Sie nahm angebotene Leistungen der Klägerin nicht mehr entgegen, sondern beauftragte einen anderen Pflegedienst. Die Klägerin, die der Auffassung ist, das Vertragsverhältnis habe im Hinblick auf eine Kündigungsfrist von 14 Tagen erst zum 12. Dezember 2008 sein Ende gefunden, berechnete der früheren Beklagten für die Zeit vom 27. November bis 12. Dezember 2008 die Leistungen, die üblicherweise zu erbringen gewesen wären, ohne Ansatz von Fahrtkosten.
4
Zur Beendigung des Vertrags heißt es in dessen Nummer 6: Der Vertrag endet mit Kündigung oder Tod des Kunden. Bei vorübergehendem stationären Aufenthalt (Kurzzeitpflege, Krankenhaus , Rehabilitationseinrichtung etc.) ruht der Vertrag. Der Kunde kann diesen Vertrag in den ersten zwei Wochen ab Aushändigung eines schriftlichen Exemplars hinsichtlich der Pflegeversicherungsleistungen jederzeit ohne Angabe von Gründen fristlos kündigen. Danach bzw. ansonsten kann der Kunde den Pflegevertrag mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündigen. Hinsichtlich vereinbarter Leistungen der Krankenpflege (§ 37 SGB V) gilt, dass der Kunde den Vertrag jederzeit gem. § 627 BGB kündigen kann. Der Pflegedienst kann den Vertrag mit einer Frist von 4Wochen kündigen. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Die Rechte des Kunden bzw. des Pflegedienstes auf Kündigung aus wichtigem Grund bleiben unberührt.
5
Die - unter Berücksichtigung nicht weiter streitiger Positionen - auf Zahlung von 449,67 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die Revision ist nicht begründet.

I.


7
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die in dem von der Klägerin gestellten Vertrag vereinbarte 14-tägige Kündigungsfrist der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält. Ohne diese Vereinbarung wäre der Vertrag nach § 621 Nr. 5 BGB jederzeit kündbar, da die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen sei und das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit der Klägerin nicht vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehme. Eine andere Kündigungsfrist sei auch nicht der Bestimmung des § 120 Abs. 2 SGB XI zu entnehmen, die ein besonderes Kündigungsrecht während einer Probezeit vorsehe.
8
Zwar sei § 621 Nr. 5 BGB abdingbar, aber bei allgemeinen Geschäftsbedingungen sei § 307 BGB zu berücksichtigen. Die vereinbarte 14-tägige Kündigungsfrist stelle eine erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar, die auch Nachteile von einigem Gewicht für den Pflegebedürftigen begründe. Er könne ein besonderes Interesse an der sofortigen Kündigungs- möglichkeit haben. Die von der (früheren) Beklagten in Anspruch genommenen Pflegeleistungen hätten ihre Intimsphäre und ihren persönlichen Bereich betroffen , ohne dass sie sich eine bestimmte Pflegeperson habe aussuchen können. Es sei zu Pflegemängeln gekommen. Auch wenn zwischen den Parteien streitig sei, wer diese Mängel zu vertreten habe, und entsprechende Unstimmigkeiten - auch wegen möglicher Beweisschwierigkeiten - nicht ohne weiteres ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB begründeten, müsse ein Pflegebedürftiger sich fristlos von dem Vertrag lösen können, weil er sich anderenfalls von einem Pflegedienst, zu dem er das Vertrauen verloren habe, pflegen lassen oder für diesen Zeitraum einen zusätzlichen Pflegedienst bezahlen müsse.
9
Demgegenüber sei der Pflegedienst weniger schutzwürdig. Er müsse ohnehin, etwa in Fällen eines Krankenhausaufenthaltes oder des Todes des Pflegebedürftigen, flexibel sein. Auch dass die Klägerin im Interesse des Pflegebedürftigen auf ein jederzeitiges Kündigungsrecht verzichte, mache wegen der unterschiedlichen Interessenlage beider Vertragsparteien die Kündigungsklausel für den Pflegebedürftigen nicht angemessen.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
11
1. Rechtsfehlerfrei ist die Überlegung des Berufungsgerichts, dass beim Fehlen einer vertraglichen Kündigungsregelung das hier eingegangene Dienstverhältnis jederzeit gekündigt werden konnte, weil die Vergütung nicht im Sinne des § 621 BGB nach Zeitabschnitten bemessen ist. Die Klägerin erhält für ihre Tätigkeit, die sie nach dem Vertrag monatlich abrechnet, keinen Monatslohn im Sinne des § 621 Nr. 3 BGB. Ihre Tätigkeit wird vielmehr, wie auch die von ihr vorgelegten Abrechnungen vom 1. Dezember 2008 über im Monat November 2008 erbrachte Leistungen der Pflegeversicherung und Krankenversicherung zeigen, nach bestimmten Leistungen und Leistungskomplexen vergütet, die sie für die Pflegebedürftige - soweit es um Leistungen der Pflegeversicherung geht - auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI erbracht hat. Auch wenn sich die Vergütung monatlich in einer weitgehend identischen Größenordnung bewegen wird - vorausgesetzt, die zur Pflege erforderlichen Maßnahmen werden regelmäßig abgerufen -, ist ihr Maß nicht an einen Zeitfaktor gebunden, sondern hängt von der Erbringung bestimmter, gegenständlich beschriebener Leistungen ab.
12
2. Nicht zu beanstanden ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die in § 621 BGB geregelten Kündigungsfristen, auch die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 621 Nr. 5 BGB, dispositiv sind und durch eine Vereinbarung der Parteien abbedungen werden können. Geschieht dies - wie hier - durch vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Klägerin der Pflegebedürftigen gestellt hat, unterliegen diese der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
13
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
14
b) Zutreffend sieht das Berufungsgericht in der 14-tägigen Kündigungsfrist eine erhebliche Abweichung von der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nach § 621 Nr. 5 BGB, die in Bezug auf das hier in Rede stehende Vertragsverhältnis zu einer Schwerstpflegebedürftigen mit Nachteilen verbunden ist, die ein erhebliches Gewicht haben. Aus der Sicht des Pflegebedürftigen handelt es sich um ein Vertragsverhältnis, das in besonderer Weise - siehe nur die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI aufgeführten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege - die Intimsphäre des Betroffenen berührt und mit einer großen persönlichen Nähe zu der die Pflege gewährenden Person verbunden ist. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Pflegebedürftige auf diese Pflegeverrichtungen ständig angewiesen ist, handelt es sich doch in den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität um Dienste, die - ähnlich wie in § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzt - aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Das ist nicht etwa deshalb anders, weil der Pflegebedürftige keinen Einfluss darauf hat, welcher Mitarbeiter des Pflegedienstes ihn zu unterstützen hat. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass der Pflegebedürftige, der sich nach Maßgabe des § 37 SGB XI mit Hilfe von Pflegegeld die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung selbst beschaffen könnte, sich einer zugelassenen Pflegeeinrichtung anvertraut, die ihre pflegerischen Leistungen nach § 71 Abs. 1 SGB XI unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft zu erbringen hat. Diese Pflegefachkraft musste - zum Zeitpunkt des hier maßgebenden Vertragsschlusses - neben dem Abschluss einer Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger, als Kinderkrankenschwester oder Kinderkrankenpfleger oder als Altenpflegerin oder als Altenpfleger eine in § 71 Abs. 3 SGB XI näher beschriebene praktische Berufserfahrung im erlernten Pflegeberuf erworben haben (nach der derzeit gültigen Fassung heißt es statt "Krankenschwester oder Krankenpfleger" jetzt "Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger").
15
c) Ob die vertragliche Kündigungsregelung auch von der Norm des § 627 Abs. 1 BGB abweicht, was die Vorinstanzen nicht geprüft haben, hängt davon ab, ob die von der Klägerin übernommenen Verrichtungen als Dienste höherer Art im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind. Das Oberlandesgericht Hamburg (OLGR 1999, 125, 126), das in einer Kündigungsfrist von einer Woche eine nach § 9 AGBG unwirksame Abweichung von § 621 Nr. 5 BGB gesehen hat, hat diese Frage verneint (ähnlich AG Bad Schwartau, Urteil vom 9. Juli 2009 - 7 C 210/09, juris Rn. 16), weil Berufstätigkeiten wie die ambulante Kranken -, Alten- und Behindertenpflege mit den Vertrauensberufen der Rechtsanwälte , Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Ärzte nicht zu vergleichen seien und häufig von nur angelernten Personen erbracht werden könnten. Sie erforderten zwar persönliche Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit; dies seien aber keine gerade den Inhalt des hier strittigen Dienstvertrags prägenden Merkmale wie die Pflicht zur Verschwiegenheit beim Anwaltsvertrag. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Stuttgart (Sozialrecht aktuell 2010, 228, 230 f) die Leistungen ambulanter Pflegedienste als Dienste höherer Art eingeordnet.
16
Der Senat hält die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart für vorzugswürdig.
17
aa) Dass bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 SGB V ein Kündigungsrecht des Dienstberechtigten nach § 627 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, sieht die Klägerin in den von ihr gestellten Vertragsbedingungen selbst so. Hintergrund für diese Auffassung ist, dass für die häusli- che Krankenpflege sowohl zur Vermeidung oder Verkürzung einer ansonsten vorzunehmenden stationären Behandlung (§ 37 Abs. 1 SGB V) als auch zur Behandlungssicherungspflege (§ 37 Abs. 2 SGB V), wie sie hier im November 2008 vor der Aufnahme der früheren Beklagten in stationäre Krankenhausbehandlung stattgefunden hat, therapeutische Leistungen in Rede stehen, um bei einem erkrankten Patienten das Ziel einer ambulanten ärztlichen Behandlung zu sichern. Es liegt nahe, dass solche Tätigkeiten, die die ärztliche Behandlung im Haushalt des (kranken) Pflegebedürftigen ergänzen und sichern sollen, deren Charakter als Dienste höherer Art teilen. Die besondere Vertrauensstellung des Dienstverpflichteten, wie sie für die Anwendung des § 627 BGB typisch ist, wird indiziell dadurch bestätigt, dass auch der Krankenpfleger als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, einer Schweigepflicht unterliegt, deren Verletzung nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und - für die berufsmäßig tätigen Gehilfen - in Verbindung mit § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB mit Strafe bedroht ist (vgl. Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 203 Rn. 35; MünchKomm-StGB/Cierniak, § 203 Rn. 31). Ebenso wenig wie beim Arzt ist es für die Qualifizierung einer Leistung als Dienst höherer Art von Bedeutung , ob der Berufsträger sie selbst vornimmt oder ob er sie - im Rahmen seiner Berufspflichten - durch einen Helfer unter seiner Verantwortung vornehmen lässt.
18
bb) Der Senat tritt der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart bei, dass es bei der allgemeinen Pflege, die nicht Krankenpflege ist, keine ins Gewicht fallenden Unterschiede gibt, die eine andere rechtliche Einordnung rechtfertigen würden. Natürlich sind Hilfen in der hauswirtschaftlichen Versorgung für sich genommen keine Dienste höherer Art. Für die Beurteilung einer zugelassenen Pflegeeinrichtung ist der Hilfebedarf jedoch als Ganzes in Rechnung zu stellen, wobei die Hilfen im Bereich der Körperpflege besonders bedeutsam sind, um - etwa bei Schwerstpflegebedürftigen - Dekubitusschäden zu vermeiden. Die bereits angeführten persönlichen Voraussetzungen für die verantwortliche Pflegefachkraft eines zugelassenen Pflegedienstes verdeutlichen, dass den Berufen der Krankenschwester und des Krankenpflegers sowie denjenigen der Altenpflegerin und des Altenpflegers dieselbe Bedeutung beigemessen wird, wobei auch der Altenpfleger als Angehöriger eines Heilberufs, der im Altenpflegegesetz (i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. August 2003, BGBl. I S. 1690) seine nähere Ausgestaltung gefunden hat, mit seinen Gehilfen der Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterliegt (vgl. Lenckner/Eisele aaO). Der Senat stimmt dem Oberlandesgericht Stuttgart (aaO S. 231) darin zu, dass der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, der neben Fachwissen auch den persönlichen Lebensbereich in einer vertraulichen bis intimen Form betrifft, nicht hinter der Betreuung durch einen Inkassobeauftragten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. April 2004 - III ZR 279/03, NJW-RR 2004, 989), einen Partnerschaftsvermittler (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1989 - IVa ZR 354/87, BGHZ 106, 341, 345 f) oder Angehörige anderer Berufe im Gesundheitsbereich zurückbleibt (vgl. zum Krankengymnasten AG Andernach NJW-RR 1994, 121; zum Heilpraktiker LG Kassel NJW-RR 1999, 1281; vgl. im Einzelnen MünchKomm -BGB/Henssler, 5. Aufl., § 627 Rn. 20; Staudinger/Preis, BGB, Bearb. 2002, § 627 Rn. 19).
19
cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus der Bestimmung des § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB XI, nach der der Pflegebedürftige den Pflegevertrag innerhalb von zwei Wochen nach dem ersten Pflegeeinsatz ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann. Die Bestimmung wurde durch Art. 1 Nr. 23 des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes vom 9. September 2001 (BGBl. I S. 2320) in das Elfte Buch Sozialgesetzbuch eingefügt. Mit ihr sollten - abgesehen vom Zivilrecht - erstmals Vorgaben zum Vertragsverhältnis zwischen dem Träger eines Pflegedienstes und den von ihm betreuten Pflegebedürftigen eingeführt werden. Dabei stand das Bestreben im Vordergrund , neben den sich aus dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ergebenden Ansprüchen auf die Gewährung von Sachleistungen durch zugelassene Pflegeeinrichtungen auch die "individualrechtliche" Verpflichtung des Pflegedienstes gegenüber dem Pflegebedürftigen zu verdeutlichen und ins Bewusstsein zu rücken, dass mit Abschluss eines schriftlich fixierten Pflegevertrags Transparenz geschaffen wird, indem die Pflegebedürftigen über ihre Rechte und Pflichten hinreichend informiert werden und eine ausreichende Rechtsklarheit auch im Rechtsverhältnis zu dem Träger des Pflegedienstes besteht. Zur Kündigungsregelung in § 120 Abs. 2 SGB XI wird ausgeführt, sie ermögliche zunächst eine probeweise Inanspruchnahme des Pflegedienstes. Bei der Regelung handele es sich nicht um eine Kündigungsfrist, sondern um eine Frist, innerhalb derer das Recht zur fristlosen Kündigung wahrgenommen werden könne (vgl. BT-Drucks. 14/5395 S. 47).
20
Danach lässt § 120 Abs. 2 SGB XI die allgemein geltenden Vorschriften des Dienstvertragsrechts, insbesondere § 621 Nr. 5 BGB, unberührt. Der Regelung kann auch nicht im Umkehrschluss entnommen werden, abgesehen von Fällen einer fristlosen Kündigung nach § 626 BGB könne ein Pflegevertrag nach Ablauf von 14 Tagen nach dem ersten Pflegeeinsatz nur noch unter Inanspruchnahme einer bestimmen Frist und unter Angabe bestimmter Gründe gekündigt werden. Zwar mögen solche Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren bestanden haben, wofür sprechen könnte, dass die Vereinbarung einer Kündigungsfrist - auch durch einseitig gestellte Vertragsbedingungen - als nicht problematisch angesehen wurde. Es fehlt indes eine nähere, über die Dauer einer probeweisen Inanspruchnahme des Pflegedienstes hinausreichende Begrün- dung der Vorstellungen des Gesetzgebers, die den Schluss zuließen, er habe in die bestehenden Kündigungsregelungen des Dienstvertragsrechts eingreifen wollen.
21
d) Sind hiernach die Verrichtungen der Klägerin, auch soweit sie sich allein auf Sachleistungen der Pflegeversicherung beziehen, schwerpunktmäßig und typisierend als Dienste höherer Art zu qualifizieren, ist in der Abbedingung der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit für den Pflegebedürftigen, der - ob zu Recht oder Unrecht - sein Vertrauen in die Tätigkeit des Pflegedienstes verloren hat, eine unangemessene Benachteiligung seiner Interessen zu sehen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 2005 - III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; vom 9. Juni 2005 - III ZR 436/04, WM 2005, 1667, 1669 jew. mwN). Sie wird nicht dadurch aufgewogen, dass die Klägerin nach den von ihr gestellten Bedingungen eine Kündigungsfrist von vier Wochen zu beachten hat. Mit Recht weist das Landgericht darauf hin, dass der Verzicht der Klägerin auf eine kürzere Kündigungsfrist für sie eine andere Bedeutung hat und - wie hinzuzufügen ist – die Situation des Pflegebedürftigen nicht im Sinne eines angemessenen Ausgleichs verbessert. Ohnehin wäre die Klägerin nach § 627 Abs. 2 BGB bei Inanspruchnahme der Kündigungsberechtigung zur Rücksichtnahme verpflichtet, damit sich der Dienstberechtigte die notwendigen Dienste anderweit beschaffen kann.
22
3. Hat die frühere Beklagte daher den Pflegevertrag wirksam gekündigt, steht der Klägerin für die angebotenen, aber nicht mehr entgegengenommenen Leistungen keine Vergütung zu.
Schlick Dörr Herrmann
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
AG Andernach, Entscheidung vom 22.12.2009 - 63 C 96/09 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 10.08.2010 - 6 S 22/10 -

(1) Personen oder Stellen, die nicht in § 35 des Ersten Buches genannt und denen Sozialdaten übermittelt worden sind, dürfen diese nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind. Eine Übermittlung von Sozialdaten nach den §§ 68 bis 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch an eine nicht-öffentliche Stelle auf deren Ersuchen hin ist nur zulässig, wenn diese sich gegenüber der übermittelnden Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt werden. Die Dritten haben die Daten in demselben Umfang geheim zu halten wie die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen. Sind Sozialdaten an Gerichte oder Staatsanwaltschaften übermittelt worden, dürfen diese gerichtliche Entscheidungen, die Sozialdaten enthalten, weiter übermitteln, wenn eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle zur Übermittlung an den weiteren Dritten befugt wäre. Abweichend von Satz 4 ist eine Übermittlung nach § 115 des Bundesbeamtengesetzes und nach Vorschriften, die auf diese Vorschrift verweisen, zulässig. Sind Sozialdaten an Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften, Gerichte oder Behörden der Gefahrenabwehr übermittelt worden, dürfen diese die Daten unabhängig vom Zweck der Übermittlung sowohl für Zwecke der Gefahrenabwehr als auch für Zwecke der Strafverfolgung und der Strafvollstreckung speichern, verändern, nutzen, übermitteln, in der Verarbeitung einschränken oder löschen.

(2) Werden Daten an eine nicht-öffentliche Stelle übermittelt, so sind die dort beschäftigten Personen, welche diese Daten speichern, verändern, nutzen, übermitteln, in der Verarbeitung einschränken oder löschen, von dieser Stelle vor, spätestens bei der Übermittlung auf die Einhaltung der Pflichten nach Absatz 1 hinzuweisen.

(3) Ergibt sich im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 66 die Notwendigkeit, dass eine Strafanzeige zum Schutz des Vollstreckungsbeamten erforderlich ist, so dürfen die zum Zweck der Vollstreckung übermittelten Sozialdaten auch zum Zweck der Strafverfolgung gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt, in der Verarbeitung eingeschränkt oder gelöscht werden, soweit dies erforderlich ist. Das Gleiche gilt auch für die Klärung von Fragen im Rahmen eines Disziplinarverfahrens.

(4) Sind Sozialdaten an Gerichte oder Staatsanwaltschaften für die Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens übermittelt worden, so dürfen sie nach Maßgabe der §§ 476, 487 Absatz 4 der Strafprozessordnung und der §§ 49b und 49c Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt, in der Verarbeitung eingeschränkt oder gelöscht werden.

(5) Behörden der Zollverwaltung dürfen Sozialdaten, die ihnen zum Zweck der Vollstreckung übermittelt worden sind, auch zum Zweck der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche anderer Stellen als der in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen verarbeiten.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der 1975 geborene Kläger war bereits während seines Gartenbaustudiums für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit Baumschulerzeugnissen" - tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin war die " H Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" (im Folgenden: Komplementär-GmbH). Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren ursprünglich die Eltern des Klägers mit einer Einlage in Höhe von insgesamt 20 000 DM sowie Herr D (im Folgenden D.) mit einer Einlage in Höhe von 30 000 DM. D. war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Kommanditisten der Beigeladenen zu 1. waren D. mit einer Kommanditeinlage von 15 000 DM und die Mutter des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM. Die Beigeladene zu 1. ist dem Einzelunternehmen "Baumschule H" (im Folgenden: Baumschule) "vorgeschaltet", um die Baumschule von Haftungsrisiken aus dem Handel mit den Erzeugnissen zu entlasten. Die Baumschule verkauft sämtliche Pflanzen an die Beigeladene zu 1., die sie wiederum an Gartenzentren weiterverkauft. Die Baumschule ist der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. Sie verfügte über ca 100 Beschäftigte, während die Beigeladene zu 1. als "Vertriebsgesellschaft" über neun Beschäftigte verfügte. Die Baumschule ist ein Hof im Sinn der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige Hoferbe. Die Nachfolge ist zum 1.1.2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger führt seit diesem Zeitpunkt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung übernommen.

3

Der Kläger wurde durch einen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003 neben dem Geschäftsführer D. zum weiteren Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. bestellt. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführerordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weiterhin wurde der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Monatsgehalt wurde ein Betrag in Höhe von 2100 Euro brutto vereinbart. Im Krankheitsfall sollte eine sechsmonatige Weiterzahlung der Bezüge erfolgen. Als Jahresurlaub wurden 24 Arbeitstage vereinbart. Zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Baumschule wurde der Kläger am 1.1.2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1.

4

Durch Bescheid vom 23.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der Angaben des Klägers in einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung fest, dass der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei.

5

Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 22.10.2009; Urteil des LSG vom 5.11.2010). Das LSG ist von fehlender Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen und hat ausgeführt: Für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung sprächen zwar der Anstellungsvertrag, die Vereinbarung eines monatlichen festen Gehalts, der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub; zudem habe der Kläger mangels Kapitalbeteiligung im streitigen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Gleichwohl habe der Kläger "in der Familiengesellschaft" wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken das Geschäft geführt. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Er habe in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter D. über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt. Er habe bereits seine Diplomarbeit über "die Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen" geschrieben und konkrete Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebs entwickelt. Wesentliche Geschäftsbereiche habe er selbst wahrgenommen. Er habe die Verhandlungen mit wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater gewesen. Der Kläger habe über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich - "dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1." - tätig waren. Er habe die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt. Weder der Gesellschafter D. noch die Mutter des Klägers hätten seine Aktivitäten tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet. Besonders zu berücksichtigen seien die familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger habe als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. und künftiger Inhaber der Baumschule und Hoferbe ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der "miteinander verbundenen Unternehmen" gehabt. Aufgrund der vorliegenden Konstellation sei der Mitgeschäftsführer und Gesellschafter D. eher vom Kläger abhängig gewesen als umgekehrt.

6

Mit der allein von ihm eingelegten Revision rügt der RV-Träger (Beigeladene zu 2.) sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere eine Divergenz zur seit dem Jahr 2006 ergangenen Rechtsprechung des BSG(BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da nach der Rechtsauffassung des LSG eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheide, wenn die tatsächlichen Verhältnisse (vorliegend eine familiäre Verbundenheit und eine Verbindung von zwei Unternehmen) die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechenden rechtlichen Aspekte überlagern. Dabei habe das LSG nicht die aktuelle Rechtsprechung des BSG berücksichtigt, wonach maßgeblich die Rechtsbeziehung sei, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Bei einem Geschäftsführer, der wie der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH ist, sei auf die ihm eingeräumte Rechtsmacht abzustellen. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch der Gesellschaftsvertrag unterwürfen jedoch Änderungen der Vertragsbestimmungen der Schriftform. Entsprechende Änderungen seien nicht dokumentiert, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung weder habe herbeiführen noch verhindern können.

7

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben, soweit sie die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betreffen und die Klage insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Urteile. Er habe in Bezug auf die Beigeladene zu 1. ohne Beschränkungen handeln können. Ein nach dem Gesellschaftsvertrag eventuell erforderliches Zustimmungserfordernis der Kommanditisten für außergewöhnliche Geschäfte sei stillschweigend abbedungen worden. Die Schriftformklausel sei hierfür ohne Belang, da auch sie stillschweigend abbedungen worden sei.

10

Die Beklagte hat sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2. angeschlossen. Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. äußern sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 1.2.2003 bis 31.12.2005 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten Krankenkasse (als Einzugsstelle) erweisen sich insoweit als rechtmäßig. In diesem Umfang sind die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und ist die Klage abzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Meinung ist (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu 2. zum einen die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den familiären Umständen und der besonderen wirtschaftlichen Verbindung zwischen zwei Unternehmen ausschlaggebende Bedeutung zu, und zum anderen dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

13

2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Berufung der Beklagten gegen das die Bescheide der Beklagten aufhebende SG-Urteil zurückgewiesen. Das LSG ist zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Typus der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen, hat in diesem Rahmen aber die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den individualvertraglichen sowie handels- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Zutreffend hat das LSG Merkmale der konkret vom Kläger ausgeübten Tätigkeit festgestellt (hierzu b). Die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung und Beurteilung des Gesamtbilds der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit kann jedoch aufgrund der fehlerhaften Maßstabsbildung keinen Bestand haben (hierzu c). Damit sind auch die vom LSG entscheidungserheblich in den Fokus gerückten familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen miteinander nicht geeignet, die Annahme von Selbstständigkeit zu rechtfertigen (hierzu d).

15

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV (vgl § 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.2.2002, BGBl I 754). Nach § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Die Beigeladene zu 2. weist in ihrer Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass bei der Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = ZIP 2006, 678 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 29.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; ferner auch BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

17

Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier nach den Feststellungen des LSG zwar insbesondere von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu c). Daher vermögen auch die Gesichtspunkte "familiäre Umstände" und "Verbindung der beiden Unternehmen" kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen (hierzu d).

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003, der deren Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer Geschäftsführer neben dem Geschäftsführer D. der Beigeladenen zu 1. tätig. Rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" - unabhängig von der Frage insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat das LSG nicht festgestellt.

20

c) Der Kläger verrichtete seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

21

Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder an der Beigeladenen zu 1. noch an deren Komplementär-GmbH beteiligt. Er war weder Kommanditist der Beigeladenen zu 1. noch Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Vielmehr war er insoweit als Fremdgeschäftsführer anzusehen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH hat das BSG jedoch regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und diese nur unter besonderen Umständen verneint (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN).

22

Der Kläger war auch in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Nach § 2 Abs 1 des Anstellungsvertrags hatte er seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung zu stellen.

23

Der Kläger war zudem auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Vielmehr war neben ihm D. als weiterer Geschäftsführer tätig. Eine Einschränkung der Befugnisse von D. als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. hat das LSG nicht festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen aus dem Jahr 2006, dass er für die Geschäftsbereiche "Kredit, Steuern, Werbung, Investition" exklusiv zuständig war. Die Geschäftsbereiche "Einkauf, Vertrieb, Personal" fielen danach aber sowohl in die Zuständigkeit des Klägers als auch in die Zuständigkeit des D. Auch in der praktischen Zusammenarbeit bewahrte sich D. einen eigenen Aufgabenbereich: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkte er seine Tätigkeit mehr auf den praktischen Bereich des Unternehmens, insbesondere auf die Verpackung und Übersendung der Ware. Auch ist ausdrücklich festgestellt worden, dass D. dem Kläger lediglich "in seinen Geschäftsbereichen" völlig freie Hand gelassen habe. Schließlich haben die Vorinstanzen auch bei der Feststellung, dass der Kläger über die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden habe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für den Geschäftsbereich galt, für den er zuständig war.

24

Weder die dem Kläger im Anstellungsvertrag eingeräumte Handlungsfreiheit noch die darin eingeräumte Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot können eine Selbstständigkeit des Klägers im Rechtssinne rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Handlungsfreiheit des Klägers von vornherein nur auf bestimmte Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1. bezog. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1 RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17). Im Übrigen ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG S 4; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Auch der von den Vorinstanzen ohne konkrete Feststellungen angeführte Verzicht des Klägers auf einen Teil des Jahresurlaubs spricht per se nicht für Selbstständigkeit, da es auch unter (abhängig) Beschäftigten vorkommt, dass diese auf einen Teil ihres Jahresurlaubs verzichten. Der Verzicht auf einen Teil des Jahresurlaubs hat somit lediglich indiziellen Charakter (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60).

25

Eine solche, noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung des Klägers in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu 1. bestand während des gesamten streitigen Zeitraums. Als Mitgeschäftsführer blieb er in die vorgegebene Organisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Der Kläger besaß keine rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der betrieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien bzw der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass diese Rahmenbedingungen keinen bloßen, auf den Innenbereich der juristischen Person beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise im Steuerrecht nach sich ziehen. So macht § 164 S 1 HGB bei einer KG Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, von der Zustimmung der grundsätzlich von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossenen Kommanditisten abhängig. Zwar ist § 164 HGB dispositiv. Der Kernbereich der Kommanditistenrechte ist jedoch unantastbar (vgl hierzu zB Hopt in Hopt ua, HGB, 35. Aufl 2012, § 164 RdNr 6). Hinzu kommt, dass sog Grundlagengeschäfte, die das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen, stets der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (vgl § 114 HGB; BGHZ 132, 263, 266). Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann vorliegend aus der vom LSG angenommenen faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten "stillschweigend" abbedungen worden seien. Dabei kommt es auch auf die Frage des Einhaltens der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Schriftform nicht an. Vor dem Hintergrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften (vgl §§ 114, 119 Abs 1 HGB) ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus sieht § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags, der der Gründung der Beigeladenen zu 1. zugrunde lag, ausdrücklich vor, dass zur Geschäftsführung und Vertretung die Komplementärin berechtigt und verpflichtet ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1. oder der Komplementär-GmbH, die eine Änderung der Geschäftsführerbefugnisse oder eine Definition der Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten innerhalb der Beigeladenen zu 1. dokumentieren würden, haben SG und LSG nicht festgestellt. Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1.

26

d) Entgegen der Auffassung des LSG sind auch weder die familiären Umstände (hierzu im Folgenden aa) noch die Verbindung der beiden Unternehmen (hierzu bb) geeignet, die Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen.

27

aa) Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hatte (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

28

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 124). Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

29

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Grundsätze über die rechtliche Relevanz familiärer Rücksichtnahme auf den vorliegenden Fall einer GmbH & Co. KG - bestehend aus natürlichen Personen und einer juristischen Person - überhaupt übertragbar sind. Vorliegend bestanden "familiäre" Beziehungen des Klägers lediglich zu einem der beiden Kommanditisten der Beigeladenen zu 1., nämlich seiner Mutter. Zu D. als weiterem Mehrheits-Kommanditisten und gleichzeitigem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen festgestellt worden. Zur Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. sind verwandtschaftliche Beziehungen von vornherein ausgeschlossen. Selbst zu den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. bestanden nur teilweise verwandtschaftliche Beziehungen des Klägers, nämlich soweit diese seine Eltern waren bzw nach dem Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft seine Mutter war. Die Mehrheit der Geschäftsanteile in der Komplementär-GmbH wie auch die Mehrheit der Kommanditeinlagen lagen bei D.

30

bb) Die konkrete wirtschaftliche Situation bzw die faktische Verbindung der Beigeladenen zu 1. zur Baumschule als "vorgeschaltetem" Einzelunternehmen sind schließlich ebenfalls nicht geeignet, eine Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen. Eine auch sozialversicherungsrechtlich - möglicherweise - relevante wirtschaftliche Verflechtung der Beigeladenen zu 1. zu der im streitigen Zeitraum vom Vater des Klägers betriebenen Baumschule - beispielsweise innerhalb einer Konzernstruktur (vgl § 18 AktG) - haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Verbindung beider Unternehmen miteinander bestand nach den Feststellungen lediglich insoweit, als die Baumschule der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. war. Diese wirtschaftliche Situation legt zwar die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Baumschule nahe. Hieraus allein ergäbe sich aber keine Änderung der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1., da der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Eigentümer bzw Betriebsinhaber der Baumschule war. Er hatte seinerzeit lediglich die Aussicht, als Hoferbe die Baumschule zu übernehmen, was jedoch erst später zum 1.1.2006 erfolgte.

31

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung zu entrichtenden Beiträge.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Die Erteilung eines Auftrags im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche seiner Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der Auftragserteilung

1.
den Auftragsverarbeiter, die bei diesem vorhandenen technischen und organisatorischen Maßnahmen und ergänzenden Weisungen,
2.
die Art der Daten, die im Auftrag verarbeitet werden sollen, und den Kreis der betroffenen Personen,
3.
die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Verarbeitung der Daten im Auftrag erfolgen soll, sowie
4.
den Abschluss von etwaigen Unterauftragsverhältnissen
schriftlich oder elektronisch anzeigt. Soll eine öffentliche Stelle mit der Verarbeitung von Sozialdaten beauftragt werden, hat diese rechtzeitig vor der Auftragserteilung die beabsichtigte Beauftragung ihrer Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde schriftlich oder elektronisch anzuzeigen.

(2) Der Auftrag zur Verarbeitung von Sozialdaten darf nur erteilt werden, wenn die Verarbeitung im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem diesem nach § 35 Absatz 7 des Ersten Buches gleichgestellten Staat, oder, sofern ein Angemessenheitsbeschluss gemäß Artikel 45 der Verordnung (EU) 2016/679 vorliegt, in einem Drittstaat oder in einer internationalen Organisation erfolgt.

(3) Die Erteilung eines Auftrags zur Verarbeitung von Sozialdaten durch nicht-öffentliche Stellen ist nur zulässig, wenn

1.
beim Verantwortlichen sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder
2.
die übertragenen Arbeiten beim Auftragsverarbeiter erheblich kostengünstiger besorgt werden können.
Dies gilt nicht, wenn Dienstleister in der Informationstechnik, deren absolute Mehrheit der Anteile oder deren absolute Mehrheit der Stimmen dem Bund oder den Ländern zusteht, mit vorheriger Genehmigung der obersten Dienstbehörde des Verantwortlichen beauftragt werden.

(4) Ist der Auftragsverarbeiter eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle, gelten neben den §§ 85 und 85a die §§ 9, 13, 14 und 16 des Bundesdatenschutzgesetzes. Bei den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen, die nicht solche des Bundes sind, tritt anstelle des oder der Bundesbeauftragten insoweit die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle. Ist der Auftragsverarbeiter eine nicht-öffentliche Stelle, unterliegt dieser der Aufsicht der gemäß § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes zuständigen Behörde.

(5) Absatz 3 gilt nicht bei Verträgen über die Prüfung oder Wartung automatisierter Verfahren oder von Datenverarbeitungsanlagen durch andere Stellen im Auftrag, bei denen ein Zugriff auf Sozialdaten nicht ausgeschlossen werden kann. Die Verträge sind bei zu erwartenden oder bereits eingetretenen Störungen im Betriebsablauf unverzüglich der Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde mitzuteilen.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
im Rahmen des § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass die betroffene Person der Übermittlung widerspricht; die betroffene Person ist von dem Verantwortlichen zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form schriftlich oder elektronisch auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen,
1a.
im Rahmen der Geltendmachung und Durchsetzung sowie Abwehr eines Erstattungs- oder Ersatzanspruchs,
2.
im Rahmen des § 69 Absatz 4 und 5 und des § 71 Absatz 1 Satz 3,
3.
im Rahmen des § 94 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches.

(3) Ein Widerspruchsrecht besteht nicht in den Fällen des § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, des § 275c Absatz 1 und des § 275d Absatz 1 des Fünften Buches, soweit die Daten durch Personen nach Absatz 1 übermittelt werden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält. Bei den Geschäftsführern der Versicherungsträger tritt an die Stelle der Aufsichtsbehörde der Vorstand.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses oder Beirats gilt § 16 Abs. 4 entsprechend.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Ist eine Löschung von Sozialdaten im Fall nicht automatisierter Datenverarbeitung wegen der besonderen Art der Speicherung nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich und ist das Interesse der betroffenen Person an der Löschung als gering anzusehen, besteht das Recht der betroffenen Person auf und die Pflicht des Verantwortlichen zur Löschung von Sozialdaten gemäß Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 ergänzend zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/679 genannten Ausnahmen nicht. In diesem Fall tritt an die Stelle einer Löschung die Einschränkung der Verarbeitung gemäß Artikel 18 der Verordnung (EU) 2016/679. Die Sätze 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn die Sozialdaten unrechtmäßig verarbeitet wurden.

(2) Wird die Richtigkeit von Sozialdaten von der betroffenen Person bestritten und lässt sich weder die Richtigkeit noch die Unrichtigkeit der Daten feststellen, gilt ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679, dass dies keine Einschränkung der Verarbeitung bewirkt, soweit es um die Erfüllung sozialer Aufgaben geht; die ungeklärte Sachlage ist in geeigneter Weise festzuhalten. Die bestrittenen Daten dürfen nur mit einem Hinweis hierauf verarbeitet werden.

(3) Ergänzend zu Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 gilt Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend im Fall des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a und d der Verordnung (EU) 2016/679, solange und soweit der Verantwortliche Grund zu der Annahme hat, dass durch eine Löschung schutzwürdige Interessen der betroffenen Person beeinträchtigt würden. Der Verantwortliche unterrichtet die betroffene Person über die Einschränkung der Verarbeitung, sofern sich die Unterrichtung nicht als unmöglich erweist oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde.

(4) Sind Sozialdaten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig, gilt ergänzend zu Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2016/679 Absatz 1 entsprechend, wenn einer Löschung satzungsmäßige oder vertragliche Aufbewahrungsfristen entgegenstehen.

(5) Das Recht auf Widerspruch gemäß Artikel 21 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 gegenüber einer öffentlichen Stelle besteht nicht, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt, oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung von Sozialdaten verpflichtet.

(6) § 71 Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit Zustellungen durch Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts vorgeschrieben sind, gelten die §§ 2 bis 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes. § 5 Abs. 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes und § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind auf die nach § 73 Absatz 2 Satz 2 Nummer 5 bis 9 und Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes als Bevollmächtigte zugelassenen Personen entsprechend anzuwenden. Diese Vorschriften gelten auch, soweit Zustellungen durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vorgeschrieben sind.

(2) Für die übrigen Behörden gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Zustellungsverfahren.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten durch die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden gesetzlichen Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist und für die Zwecke erfolgt, für die die Daten erhoben worden sind. Ist keine Erhebung vorausgegangen, dürfen die Daten nur für die Zwecke geändert oder genutzt werden, für die sie gespeichert worden sind.

(2) Die nach Absatz 1 gespeicherten Daten dürfen von demselben Verantwortlichen für andere Zwecke nur gespeichert, verändert oder genutzt werden, wenn

1.
die Daten für die Erfüllung von Aufgaben nach anderen Rechtsvorschriften dieses Gesetzbuches als diejenigen, für die sie erhoben wurden, erforderlich sind,
2.
es zur Durchführung eines bestimmten Vorhabens der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erforderlich ist und die Voraussetzungen des § 75 Absatz 1, 2 oder 4a Satz 1 vorliegen.

(3) Eine Speicherung, Veränderung oder Nutzung von Sozialdaten ist zulässig, wenn sie für die Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Disziplinarbefugnissen, der Rechnungsprüfung oder der Durchführung von Organisationsuntersuchungen für den Verantwortlichen oder für die Wahrung oder Wiederherstellung der Sicherheit und Funktionsfähigkeit eines informationstechnischen Systems durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erforderlich ist. Das gilt auch für die Veränderung oder Nutzung zu Ausbildungs- und Prüfungszwecken durch den Verantwortlichen, soweit nicht überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Person entgegenstehen.

(4) Sozialdaten, die ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle, der Datensicherung oder zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Betriebes einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert werden, dürfen nur für diese Zwecke verändert, genutzt und in der Verarbeitung eingeschränkt werden.

(5) Für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung oder Planung im Sozialleistungsbereich erhobene oder gespeicherte Sozialdaten dürfen von den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen nur für ein bestimmtes Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung im Sozialleistungsbereich oder der Planung im Sozialleistungsbereich verändert oder genutzt werden. Die Sozialdaten sind zu anonymisieren, sobald dies nach dem Forschungs- oder Planungszweck möglich ist. Bis dahin sind die Merkmale gesondert zu speichern, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Sie dürfen mit den Einzelangaben nur zusammengeführt werden, soweit der Forschungs- oder Planungszweck dies erfordert.

(1) Jeder hat Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten (§ 67 Absatz 2 Zehntes Buch) von den Leistungsträgern nicht unbefugt verarbeitet werden (Sozialgeheimnis). Die Wahrung des Sozialgeheimnisses umfasst die Verpflichtung, auch innerhalb des Leistungsträgers sicherzustellen, dass die Sozialdaten nur Befugten zugänglich sind oder nur an diese weitergegeben werden. Sozialdaten der Beschäftigten und ihrer Angehörigen dürfen Personen, die Personalentscheidungen treffen oder daran mitwirken können, weder zugänglich sein noch von Zugriffsberechtigten weitergegeben werden. Der Anspruch richtet sich auch gegen die Verbände der Leistungsträger, die Arbeitsgemeinschaften der Leistungsträger und ihrer Verbände, die Datenstelle der Rentenversicherung, die in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen, Integrationsfachdienste, die Künstlersozialkasse, die Deutsche Post AG, soweit sie mit der Berechnung oder Auszahlung von Sozialleistungen betraut ist, die Behörden der Zollverwaltung, soweit sie Aufgaben nach § 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und § 66 des Zehnten Buches durchführen, die Versicherungsämter und Gemeindebehörden sowie die anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen (§ 2 Absatz 3 des Adoptionsvermittlungsgesetzes), soweit sie Aufgaben nach diesem Gesetzbuch wahrnehmen, und die Stellen, die Aufgaben nach § 67c Absatz 3 des Zehnten Buches wahrnehmen. Die Beschäftigten haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei den genannten Stellen das Sozialgeheimnis zu wahren.

(2) Die Vorschriften des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches und der übrigen Bücher des Sozialgesetzbuches regeln die Verarbeitung von Sozialdaten abschließend, soweit nicht die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung unmittelbar gilt. Für die Verarbeitungen von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2016/679 fallenden Tätigkeiten finden die Verordnung (EU) 2016/679 und dieses Gesetz entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.

(2a) Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt unberührt.

(3) Soweit eine Übermittlung von Sozialdaten nicht zulässig ist, besteht keine Auskunftspflicht, keine Zeugnispflicht und keine Pflicht zur Vorlegung oder Auslieferung von Schriftstücken, nicht automatisierten Dateisystemen und automatisiert verarbeiteten Sozialdaten.

(4) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse stehen Sozialdaten gleich.

(5) Sozialdaten Verstorbener dürfen nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des Zehnten Buches verarbeitet werden. Sie dürfen außerdem verarbeitet werden, wenn schutzwürdige Interessen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen dadurch nicht beeinträchtigt werden können.

(6) Die Absätze 1 bis 5 finden neben den in Absatz 1 genannten Stellen auch Anwendung auf solche Verantwortliche oder deren Auftragsverarbeiter,

1.
die Sozialdaten im Inland verarbeiten, sofern die Verarbeitung nicht im Rahmen einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum erfolgt, oder
2.
die Sozialdaten im Rahmen der Tätigkeiten einer inländischen Niederlassung verarbeiten.
Sofern die Absätze 1 bis 5 nicht gemäß Satz 1 anzuwenden sind, gelten für den Verantwortlichen oder dessen Auftragsverarbeiter nur die §§ 81 bis 81c des Zehnten Buches.

(7) Bei der Verarbeitung zu Zwecken gemäß Artikel 2 der Verordnung (EU) 2016/679 stehen die Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gleich. Andere Staaten gelten insoweit als Drittstaaten.

Tenor

Das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 20. Mai 2009 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte zu verurteilen ist, der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 50 vH zu zahlen.

2

Die Klägerin befand sich am 15.5.2000 auf dem Weg von ihrer Arbeitsstätte, dem Amt für Landwirtschaft in G, zu ihrer Wohnung. Aufgrund eines Staus musste sie anhalten. Ein Ford Transit fuhr auf ihr stehendes Kraftfahrzeug (Kfz) auf und schob es auf das davor stehende Kfz. Die angeschnallte Klägerin wurde bei dem Unfall nach vorne und wieder zurück geschleudert. Sie konnte am Unfallort mit dem Unfallgegner und der Polizei die Formalitäten abwickeln und fuhr mit dem Pkw nach Hause. Wegen starker Schmerzen an der Wirbelsäule musste sie sich drei Stunden später in die ambulante Notfallbehandlung im Kreiskrankenhaus Meißen begeben. Die Erstdiagnose der dortigen Ärzte lautete: "HWS - Schleudertrauma, Schädelprellung". Vom 19. bis 27.5.2000 schloss sich eine stationäre Krankenhausbehandlung an. In der Folge weiteten sich die Beschwerden aus. Die Beklagte zahlte der Klägerin bis 4.4.2002 Verletztengeld.

3

Mit Schreiben vom 25.1.2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige die Einholung eines unfallchirurgischen Haupt- und eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens. Sie schlug drei namentlich benannte Haupt- sowie einen namentlich benannten Zusatzgutachter, sonst solche der jeweiligen Einrichtung, vor und wies die Klägerin auf ihr Widerspruchsrecht hin. Die Klägerin widersprach den Vorschlägen der Beklagten und schlug vor, das Evangelische Stift St. M. in K. solle mit der Begutachtung beauftragt werden, da sie dort bereits behandelt wurde. Die Beklagte ernannte Prof. Dr. B. vom Evangelischen Stift St. M. zum Hauptgutachter. Auf dessen Veranlassung wurde bei Dr. S. (Dr S) das neurologische Gutachten vom 18.3.2001 eingeholt.

4

Mit Bescheid vom 4.3.2002 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. In dem Bescheid regelte sie weiter: "Wegen der Folgen des Arbeitsunfalls besteht kein Anspruch auf Rente." Zur Begründung führte sie aus, Unfallfolgen lägen nach ausgeheilter "Zerrung der Halswirbelsäule (HWS) und der Halsweichteile“ nicht mehr vor. Unfallunabhängig bestehe eine Konversionsneurose mit dadurch bedingter Bewegungseinschränkung der HWS, der Schultergelenke sowie Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Der Widerspruch der Klägerin blieb im Widerspruchsbescheid vom 2.7.2002 ohne Erfolg.

5

Die Klägerin hat beim SG Dresden Klage erhoben. Sie hat Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH begehrt. Mit Schriftsatz vom 13.2.2004 hat die Beklagte dem SG die "Beratungsärztliche Stellungnahme" der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. (Dr H) vom 29.12.2003 vorgelegt, die das SG der klägerischen Seite übersandt hat. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19.7.2006 abgewiesen. Ein Zusammenhang zwischen den umfangreichen Beschwerden und dem Unfall bestehe nicht. Der Unfall habe über den Zeitpunkt der Zahlung von Verletztengeld hinaus keine objektivierbaren Folgen hinterlassen.

6

Die Klägerin hat gegen das Urteil des SG beim Sächsischen LSG Berufung eingelegt. Sie hat ihr Begehren dahingehend erweitert, dass ihr Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 vH zu zahlen sei. Das LSG müsse ein Unfallrekonstruktions- und ein biomechanisches Gutachten einholen, um die Kräfte festzustellen, die auf ihre HWS eingewirkt hätten. Die Diagnose einer Konversionsneurose sei abzulehnen, da sie von einem Orthopäden gestellt worden sei.

7

Das LSG hat die Berufung mit Urteil vom 20.5.2009 zurückgewiesen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Gesundheitsstörungen und dem Unfall habe sich nicht wahrscheinlich machen lassen. Das Unfallgeschehen sei an sich in der Lage gewesen, ein whiplash-syndrome zu verursachen. Die Klägerin habe durch den Arbeitsunfall nicht näher bezeichnete Gesundheitserstschäden erlitten, denn sie sei bei der Kollision erheblichen Beschleunigungskräften ausgesetzt gewesen. Ein solches Trauma bewirke "in der Regel" eine Zerrung im Hirnstamm, was sich in messbaren Versagungszuständen äußern könne. Die Klägerin weise aber nur zum Teil eine spezifische Symptomatik auf. Daneben bestehe eine damit verwandte Symptomatik, welche keineswegs dem Unfallgeschehen zuzuordnen sei. Über die Ursachen des vorhandenen eher untypischen Beschwerdebilds könne nur spekuliert werden. In der Urteilsbegründung hat sich das LSG überwiegend auf eigene Recherchen gestützt und ist den Gerichtsgutachtern, zB Prof. St., ausdrücklich nicht gefolgt. Es sei wahrscheinlich, dass die bestehenden Beschwerden in den Zusammenhang mit den von Dr H dokumentierten gesundheitlichen Auffälligkeiten einzuordnen seien.

8

Die Klägerin hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 8 Abs 1 Satz 1, Abs 2 iVm § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Der Wegeunfall habe zu Gesundheitsfolgeschäden geführt, die eine Verletztenrente nach einer MdE mit wenigstens 50 vH bedingten. Das LSG habe bei der Klägerin Gesundheitsschäden festgestellt. Dagegen habe es eine Konkurrenzursache, also einen Vorschaden, nicht bejaht. Ausdrücklich habe das LSG ein pseudoneurasthenisches Syndrom, eine Konversionsneurose, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung und einen psychischen Konflikt verneint und den Unfall als Gelegenheitsursache ausgeschlossen. Damit seien die Voraussetzungen einer Rentengewährung zu bejahen.

9

Des Weiteren erhebt die Klägerin Verfahrensrügen. Das LSG habe die Berufung nicht aufgrund eigener Auswertung medizinischer Fachliteratur und aufgrund eigenen Erfahrungswissens zurückweisen dürfen. Dies sei aber geschehen, da das Gericht sich weder auf eines der eingeholten gerichtlichen Gutachten gestützt noch ein weiteres ärztliches Zusammenhangsgutachten auf aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand eingeholt habe. Wenn das LSG sich auf eigene Sachkunde und selbst ausgewertete Veröffentlichungen stützen wolle, müsse es die Klägerin auf seine Kenntnisse und Erfahrungen sowie die herangezogene Literatur hinweisen. Da dies nicht geschehen sei, verletze das Urteil das rechtliche Gehör der Klägerin. Das LSG habe ein Beweisverwertungsverbot nicht beachtet. Es habe sich auf die Stellungnahme der Dr H vom 29.12.2003 gestützt, die aber nicht verwertbar sei. Es könne dahin stehen, ob es sich um eine beratungsärztliche Stellungnahme oder ein Gutachten handele, denn auch als Stellungnahme nehme die Äußerung Bezug auf das Zusatzgutachten des Dr S vom 18.3.2001, das unter Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften eingeholt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Senats bestehe deshalb bezüglich des Gutachtens Dr S ein Beweisverwertungsverbot, das sich auf alle weiteren Gutachten und ärztlichen Stellungnahmen erstrecke, die hierauf aufbauten.

10

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 20. Mai 2009, das Urteil des SG Dresden vom 19. Juli 2006 sowie den ablehnenden Verwaltungsakt im Bescheid der Beklagten vom 4. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 50 vH seit 5. April 2002 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Ausgehend von einer Vielzahl in Betracht kommender Erkrankungen fehle es an der Feststellung konkreter Gesundheitsstörungen auf der Grundlage eines üblichen Diagnosesystems und unter Verwendung der dortigen Begriffe und Bezeichnungen. Im Recht der Versicherungsfälle nach dem SGB VII gebe es keine Beweisregel, wonach bei fehlender Alternativursache die versicherte Ursache automatisch die wesentliche Ursache sei (unter Hinweis auf BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R). Die beratungsfachärztliche Stellungnahme der Dr H sei verwertbar, da die Klägerin von ihrem höchstpersönlichen Widerspruchsrecht keinen Gebrauch gemacht habe. Die Stellungnahme sei beim SG in den Rechtsstreit eingeführt worden. Die Klägerin habe die Nichtverwertbarkeit der Stellungnahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht gerügt und dadurch ihr Rügerecht verloren.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist sowohl wegen Verletzung von materiellem Bundesrecht (dazu 1.) als auch wegen durchgreifender Verfahrensrügen (dazu 2.) im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie der darin getroffenen Feststellungen und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

14

1. Über die mit der Revision weiterverfolgten Anfechtungsklagen wegen der ablehnenden Verwaltungsakte in den Bescheiden der Beklagten und die Leistungsklage auf Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 50 vH kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da die tatsächlichen Feststellungen des LSG keine abschließende Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche erlauben.

15

a) Nach § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - hier eines Arbeitsunfalls - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vH gemindert ist, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Um das Vorliegen einer MdE beurteilen zu können, ist zunächst zu fragen, ob das aktuelle körperliche oder geistige Leistungsvermögen beeinträchtigt ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang dadurch die Arbeitsmöglichkeiten der versicherten Person auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert werden.

16

Die Bemessung des Grades der MdE erfolgt als Tatsachenfeststellung des Gerichts, die dieses gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft(stRspr zB BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 2). Die zur Bemessung der MdE in Rechtsprechung und Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind dabei zu beachten. Sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen ständigem Wandel (BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 14/03 R - BSGE 93, 63 = SozR 4-2700 § 56 Nr 1).

17

Vorliegend würde die Einschätzung der MdE der Klägerin voraussetzen, dass der als Arbeitsunfall anerkannte Verkehrsunfall bei der Klägerin eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens hervorgerufen hat. Das Bestehen einer Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens muss ausgehend von konkreten Funktionseinbußen beurteilt werden. Soweit die MdE sich nicht ausnahmsweise unmittelbar aus den Unfallfolgen erschließt, bilden festgestellte und eindeutig nach gängigen Diagnosesystemen konkret zu bezeichnende Krankheiten (BSG 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 22)die Tatsachengrundlage, von der ausgehend die Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Leistungsvermögens auf dem Gebiet des gesamten Erwerbslebens zu beurteilen ist (vgl BSG vom 19.8.2003 - B 2 U 50/02 R - Juris RdNr 23; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 22).

18

Nach diesen Maßstäben kann der Senat über das Bestehen eines Rentenanspruchs der Klägerin nicht entscheiden, da das LSG keine Feststellungen über die bei der Klägerin bestehende MdE getroffen hat. Es verneint zwar eine Reihe von Gesundheitsstörungen der Klägerin und diskutiert eine Reihe anderer als möglicherweise gegeben, stellt aber nicht positiv fest, welche Funktionseinschränkungen aufgrund welcher Gesundheitsstörungen aktuell vorliegen. Deshalb kann der Senat nicht entscheiden, ob und ggf in welchem Umfang die Erwerbsfähigkeit der Klägerin eingeschränkt ist.

19

b) Der Senat kann auch nicht dahingestellt lassen, ob und ggf welche Beeinträchtigungen des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens vorliegen. Auf die Feststellung dieser Tatsachen könnte nur verzichtet werden, wenn der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einer vorliegenden MdE sicher auszuschließen wäre. Auch hierzu hat das LSG die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen.

20

Voraussetzung eines Rentenanspruchs ist ua, dass der Versicherungsfall die Arbeitsmöglichkeiten von Versicherten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindert, bei dem jeweiligen Versicherten also eine MdE verursacht (BSG vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R - SozR 4-2700 § 56 Nr 2; Burchardt in Becker ua, Gesetzliche Unfallversicherung - Kommentar, § 56 RdNr 11). Zur Feststellung des Ursachenzusammenhangs ist zunächst zu prüfen, ob die MdE durch einen nachgewiesenen Versicherungsfall im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht worden ist. Bejahendenfalls ist weiter zu fragen, ob auch andere - ebenfalls sicher feststehende - Faktoren, wie Vorerkrankung, Nacherkrankung, innere Ursache usw, im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne kausal für das Bestehen einer MdE geworden sind. Wird die MdE sowohl durch den Versicherungsfall als auch durch andere Faktoren verursacht, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen, ob die MdE "wesentlich" durch den Versicherungsfall (mit)verursacht worden ist. Für diese Feststellung genügt bei der Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (stRspr BSG vom 2.2.1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38 S 105 f; BSG vom 30.4.1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 S 3 f). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 20).

21

Zwar hat das LSG vorliegend den Arbeitsunfall sowie andere Umstände als Ursachen diskutiert, es hat aber nicht festgestellt, dass entweder der Arbeitsunfall oder eine andere Ursache (zB Vorerkrankungen) oder beide Umstände für eine Beeinträchtigung des Leistungsvermögens eine Ursache gesetzt haben.

22

Mithin fehlt es für eine abschließende Entscheidung über den Anspruch auf Rente nach § 56 SGB VII neben der Feststellung einer MdE (oben a) auch daran, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen Versicherungsfall und einer möglichen MdE weder festgestellt noch auszuschließen ist (oben b). Daher kann der Senat nicht entscheiden, ob ein Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Abs 1 Satz 1 SGB VII besteht oder nicht besteht.

23

3. Das Urteil des LSG und die darin getroffenen Feststellungen sind auch wegen zulässig und begründet erhobener Verfahrensrügen aufzuheben.

24

a) Das LSG hat, wie von der Klägerin im Einzelnen dargelegt wurde, deren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) verletzt.

25

Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung des Gerichts überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG vom 13.10.1993 - 2 BU 79/93 - SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfG vom 29.5.1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Wenn ein Gericht - wie hier - eigene Sachkunde bei der Urteilsfindung berücksichtigen will, muss es den Beteiligten die Grundlagen für seine Sachkunde offenbaren. Das Gericht muss darlegen, worauf seine Sachkunde beruht und was diese beinhaltet, damit die Beteiligten dazu Stellung nehmen und ihre Prozessführung hierauf einrichten können (zur Gehörsverletzung bei Unterlassung dieses Hinweises: BSG vom 5.3.2002 - B 2 U 27/01 R - Juris RdNr 20 f mwN).

26

Das LSG hat eine Überraschungsentscheidung getroffen, da es nicht den eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten gefolgt ist, sondern seine Zusammenhangsbeurteilung allein auf eine von ihm selbst unter Auswertung der unfallmedizinischen Literatur entwickelte Beurteilung, also auf eigene Sachkunde, gestützt hat. Vor der Entscheidung hat es die Beteiligten nicht auf das Bestehen eigener medizinischer Sachkunde hingewiesen und ihnen nicht erläutert, was diese beinhaltet. Damit liegt der gerügte Verfahrensfehler vor. Die Entscheidung kann auf dem Verfahrensfehler beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass die Klägerin, hätte sie Kenntnis von der Sachkunde des LSG und deren Inhalten erhalten, die von ihr aufgezeigten Einwendungen vorgebracht und dadurch das LSG zu einer anderen Entscheidung gebracht hätte.

27

b) Das LSG hat die Pflicht zur Sachaufklärung (§ 103 SGG) verletzt.

28

Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die Frage, ob ein Ursachenzusammenhang - zB zwischen beruflichen Einwirkungen und einer Erkrankung - zu bejahen ist, vom Tatsachengericht unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt bestehenden aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten ist (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7 RdNr 21). Nichts anderes kann gelten, wenn es bei einem geltend gemachten Rentenanspruch um die Beurteilung geht, ob ein Ursachenzusammenhang zwischen einem Versicherungsfall und einer geltend gemachten MdE besteht.

29

Diesen Anforderungen an die Sachaufklärung ist das LSG nicht gerecht geworden. Zwar hat es medizinische Sachverständigengutachten eingeholt, ist diesen aber nicht gefolgt. Da das LSG nach seiner Rechtsauffassung kein Gutachten eingeholt hatte, das den Ursachenzusammenhang dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechend beurteilte, hätte es (weitere) medizinische Ermittlungen durchführen müssen, die diesen Anforderungen entsprechen. Zwar können die Gerichte zur Entscheidungsfindung auch einschlägige wissenschaftliche Publikationen heranziehen (vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 21). Diese dienen aber regelmäßig nicht der Beurteilung eines Ursachenzusammenhangs durch das Gericht selbst, sondern der kritischen Überprüfung eingeholter Gutachten daraufhin, ob sie dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen.

30

c) Demgegenüber wird das LSG die Stellungnahme der Dr H bei seiner erneuten Beweiswürdigung verwerten dürfen. Denn die weitere von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge, diese Stellungnahme sei wegen eines Verstoßes gegen § 200 Abs 2 SGB VII nicht verwertbar, ist unbegründet.

31

Die Klägerin rügt, das LSG habe die Äußerung der Ärztin Dr H vom 29.12.2003 nicht verwerten dürfen, da diese einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Auch wenn es sich bei dieser Äußerung um eine beratungsärztliche Stellungnahme handele, sei sie nicht verwertbar, da darin auf das Gutachten des Dr S abgestellt werde, das seinerseits unter Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften eingeholt worden sei. Aufgrund der Fernwirkung des Beweisverwertungsgebots bezüglich des Gutachtens Dr S sei auch die beratungsärztliche Stellungnahme der Dr H unverwertbar, was sie rechtzeitig gerügt habe.

32

Das LSG durfte und darf die ärztliche Stellungnahme der Dr H verwerten, denn weder hat die Beklagte die Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht (§ 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII; dazu aa) noch hat sie das Auswahlrecht der Klägerin (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII; dazu bb) verletzt.

33

aa) Die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII iVm § 76 Abs 2 SGB X kann ein Beweisverwertungsverbot auslösen (BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 50 f). Zwar besteht kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist (vgl BVerfG vom 19.9.2006, 2 BvR 2115/01, BVerfGK 9, 174, 196). Ein Beweisverwertungsverbot ist aber bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen außer Acht gelassen worden sind (vgl BVerfG vom 12.4.2005, 2 BvR 1027/02, BVerfGE 113, 29, 61). Ein solches unmittelbar aus den Grundrechten abgeleitetes Beweisverwertungsverbot ist allerdings nur anzunehmen, wenn der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist (vgl BVerfG vom 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, BVerfGE 109, 279, 320; BVerfG vom 9.11.2010, 2 BvR 2101/09).

34

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Recht, Widerspruch gegen die Weitergabe von Sozialdaten einlegen zu können, den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG; dazu zuletzt BVerfG vom 21.9.2010, 1 BvR 1865/10) berührt. Aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dürfte sich kein verfassungsrechtliches Gebot ableiten lassen, die Betroffenen ausdrücklich über ihr gesetzliches Widerspruchsrecht belehren zu müssen. Auch außerhalb des SGB VII können Betroffene der Weitergabe von Sozialdaten widersprechen, wenn diese besonders schutzwürdig sind (§ 76 Abs 2 SGB X). Eine Belehrungspflicht bei jeder Weitergabe von Sozialdaten ist außerhalb des SGB VII nicht geregelt. Verletzungen des Sozialdatenschutzes führen dort vielmehr in erster Linie zu den in §§ 81 f SGB X normierten Rechtsfolgen. Die Regelung des § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII dürfte daher eine spezifisch verfahrensrechtliche Belehrungspflicht im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung begründen. Eine Verletzung der Belehrungspflicht könnte danach als einfachrechtlicher Verfahrenfehler zu qualifizieren sein (vgl auch Köhler ZFSH/SGB 2009, 451, 455).

35

Vor diesem Hintergrund ist weiter fraglich, ob die Verletzung datenschutzrechtlicher Regelungen ggf nur zum Verbot der Verwertung des rechtswidrig erhobenen Beweismittels führt, oder ob dies Beweisverwertungsverbot - kraft Fernwirkung - sogar auf später erhobene Beweismittel durchschlägt, die auf das unter Verletzung von Datenschutz- oder Verfahrensrechten eingeholte Gutachten Bezug nehmen (so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

36

Die Annahme einer solchen Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots ist in der Literatur auf Kritik gestoßen (kritisch Bieresborn, Anm zu B 2 U 8/07 R, SGb 2009, 49, 51; Behrens/Froede, NZS 2009, 129, 134; zum Vergleich mit fehlender Belehrungspflicht im Strafrecht: Köhler in ZFSH/SGB 2009, 451, 460 f; "schwer erträglich" Kunze, VSSR 2009, 205, 216; "nicht überzeugend" C. Wagner in jurisPR-SozR 25/2008 Anm 6). Diese Kritik führt vor allem an, dass in der Rechtsprechung des BVerfG und der obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten in aller Regel abgelehnt wird (vgl BVerfG vom 8.12.2005 - 2 BvR 1686/04 - BVerfGK 7, 61; BGH vom 28.4.1987 - 5 StR 666/86 - BGHSt 34, 362; BGH vom 24.8.1983 - 3 StR 136/83 - BGHSt 32, 68, 71; BGH vom 6.8.1987 - 4 StR 333/87 - BGHSt 35, 32). Diese Kritik sowie die ständige Rechtsprechung dieser Gerichte werden bei erneuter Prüfung der Problematik zu bedenken sein.

37

Vorliegend kommt es auf diese grundsätzlichen Erwägungen nicht an. Das LSG durfte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr H vielmehr schon deshalb verwerten, weil eine Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht nicht vorliegt.

38

Eine Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht besteht nach dem Tatbestand des § 200 Abs 2 SGB VII nur für ärztliche "Gutachten". Auf ärztliche Stellungnahmen von Beteiligten ist die Regelung nicht anwendbar. Dr H hat aber für die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme abgegeben. Die Beklagte hat die Ärztin nicht zur Sachverständigen bestellt, sondern nur ihre fachliche Bewertung des Gutachtens eines bestellten Sachverständigen eingeholt. Dr H hat ihre Stellungnahme als beratungsärztliche Äußerung bezeichnet. Auch ihrem Inhalt nach hat sie die Klägerin nicht untersucht und kein Gutachten nach Aktenlage abgegeben. Jeder Beteiligte ist nach dem SGG vielmehr berechtigt, sein Vorbringen auch auf Äußerungen von Beratungsärzten, Hausärzten oder behandelnde Fachärzte zu stützen.

39

Die Stellungnahme der Dr H, in der auf das Gutachten des Dr S hingewiesen wird, ist auch schon deshalb nicht unverwertbar, weil dieses Gutachten seinerseits nicht unter Verletzung der Pflicht zur Belehrung über das Widerspruchsrecht eingeholt wurde.

40

Der Senat hatte auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler tatsächlich vorliegt und dabei festgestellt, dass die Klägerin vor Einholung des Gutachtens Dr S mit Schreiben vom 25.1.2001 nach § 200 Abs 2 Halbs 2 SGB VII über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden war. Die Beklagte schlug der Klägerin mit Schreiben vom 25.1.2001 Gutachter zur Auswahl vor und belehrte sie in demselben Schreiben über ihr Widerspruchsrecht. Diese Belehrung erfolgte zwar nicht in Bezug auf einen namentlich benannten Arzt, hier zB Dr S. Dies ist nach dem Wortlaut der Vorschrift aber auch nicht geboten, denn diese fordert eine im Zusammenhang mit dem Vorschlag von Gutachtern oder deren Beauftragung zu erteilende Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 76 Abs 2 SGB X. Diesen Anforderungen genügte die Beklagte, als sie die Klägerin allgemein, rechtzeitig und vollständig darüber belehrt hat, dass ihre Sozialdaten an die zu beauftragenden Gutachter weitergegeben werde und sie der Weitergabe der Daten widersprechen kann.

41

bb) Die Beklagte hat auch nicht das Auswahlrecht der Klägerin (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII) verletzt.

42

Der Senat ließ in der Entscheidung vom 5.2.2008 (B 2 U 8/07 R, BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1) offen, ob die Verletzung des Auswahlrechts (§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII) ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht (BSG aaO, RdNr 57). Inzwischen hat er entschieden, dass die Verletzung des Auswahlrechts nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wenn der Betroffene die Verletzung des Auswahlrechts nicht rechtzeitig rügt (Rügeobliegenheit). Durch die Rüge wird der Unfallversicherungsträger in die Lage versetzt, die eingetretene Rechtsverletzung zu beseitigen sowie zeitnah und nach Maßgabe der §§ 20, 67 ff SGB X, 200 f SGB VII neue Ermittlungen durchzuführen, um dem Beschleunigungsgebot aus § 9 Satz 2 SGB X entsprechend zügig über geltend gemachte Ansprüche zu entscheiden(§ 2 Abs 2 SGB I). Hier kann aber dahingestellt bleiben, ob die anwaltlich vertretene Klägerin rechtzeitig die Verletzung des Auswahlrechts bei Einholung des Gutachtens Dr S gerügt und der Begutachtung durch diesen Arzt widersprochen hätte (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - Juris RdNr 33 f; zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen), denn die Beklagte hat schon das Auswahlrecht der Klägerin nicht verletzt.

43

Zwar dürfte das Auswahlrecht der Versicherten nach § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII auch bezüglich der Zusatzgutachter zu beachten sein(vgl Dahm in Lauterbach, UV , Stand August 2009, § 200 RdNr 17 mwN). Die Verletzung kommt in Betracht, denn die Beklagte hat der Klägerin nicht mehrere namentlich benannte Zusatzgutachter vorgeschlagen. Das Auswahlrecht der Klägerin ist dennoch nicht verletzt, denn der Vorschlag mehrerer Zusatzgutachter zur Auswahl war im vorliegenden Fall entbehrlich ("soll").

44

Der Verzicht der Beklagten auf Benennung von mehreren Zusatzgutachtern zur Auswahl war nicht rechtswidrig, denn es lag ein atypischer Fall vor. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, dass die Einholung eines orthopädischen und eines Haupt- und eines neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachtens beabsichtigt sei. Hierzu schlug sie der Klägerin drei Hauptgutachter und einen Zusatzgutachter zur Auswahl vor. Die Klägerin wandte sich gegen die Begutachtung durch einen der vorgeschlagenen Gutachter und teilte mit, sie wolle durch einen Arzt des Evangelischen Stifts St. M. in K. begutachtet werden. Die Beklagte folgte dem Vorschlag der Klägerin und beauftragte Chefarzt Prof. Dr. B. vom Evangelischen Stift St. M. mit dem Hauptgutachten. Sie bat ihn, bei einem namentlich nicht benannten Arzt ein neurologisch-psychiatrisches Zusatzgutachten einzuholen. Der Hauptgutachter wählte Dr S als Zusatzgutachter aus und beauftragte ihn.

45

Zur Erreichung der mit der Vorschlagspflicht verfolgten Zwecke war es vorliegend nicht geboten, der Klägerin mehrere Zusatzgutachter zur Auswahl zu benennen. § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII bezweckt die Gewährleistung eines transparenten Verfahrens, die Bereitstellung eines Pools von Gutachtern und die Sicherung des Datenschutzes(BT-Drucks 13/4853, S 22). Möglicherweise dient die Regelung, ohne dass dies allerdings Erwähnung in der Gesetzesbegründung gefunden hätte, auch der Verhinderung einer Übermacht des Unfallversicherungsträgers im Verfahren (so der Senat im Urteil vom 5.2.2008 aaO, RdNr 37 bis 39; kritisch dazu Kunze, VSSR 2009, 205, 209 f).

46

Die Versicherte schlug der Beklagten selbst vor, die Begutachtung solle in einer von ihr gewählten Einrichtung erfolgen. Die Beklagte folgte dem Vorschlag. Sie musste, da die Einrichtung weit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs lag, dort keinen Pool von zur Begutachtung kompetenten Ärzten vorhalten. Die Beklagte nahm auch keinen Einfluss auf die Auswahl der Person des Zusatzgutachters, denn sie überließ die Auswahl dem von der Klägerin gewünschten Hauptgutachter und griff nicht in die Auswahl des Zusatzgutachters ein (vgl auch Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand Januar 2011, § 200 SGB VII Anm 4.3; kritisch C. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII § 200 RdNr 39). Vorliegend kommt hinzu, dass Dr S kein Hauptgutachten erstattet hat, sondern als Zusatzgutachter für den Hauptgutachter tätig geworden ist. Die Beauftragung eines vom Versicherten gewünschten Arztes löst auch kein weiteres/neues Auswahlverfahren aus.

47

Nach allem ist die Verfahrensrüge der Klägerin unbegründet; das LSG durfte und darf die Stellungnahme der Dr H verwerten.

48

4. In dem wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG aktuelle medizinische Gutachten zu der Frage einzuholen haben, ob konkret zu bezeichnende Gesundheitsstörungen vorliegen, die zu bestimmten Funktionseinschränkungen führen, die bei der Klägerin eine MdE verursachen. Soweit dies zu bejahen ist, ist weiter gutachtlich zu klären, ob zwischen Versicherungsfall und der MdE ein Ursachenzusammenhang besteht und ob daneben andere Ursachen die MdE begründen. Falls mehrere Ursachen für die MdE festgestellt werden, wird zu beurteilen sein, ob der Arbeitsunfall für den Eintritt der MdE eine rechtlich wesentliche Ursache war. Dabei ist das LSG nicht gehindert, die von der Beklagten erhobenen Gutachten und die von ihr vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahmen zu verwerten.

49

5. Das LSG hat in der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Löschung eines von ihr eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens.

2

Auf die ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit (BK) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 13.5.2003 mit, dass beabsichtigt sei, das Vorliegen einer BK durch ein ärztliches Gutachten feststellen zu lassen. Sie schlug als Gutachter Dr. Sch., , Dr. B., , und die "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A., , " vor. Ferner wies sie darauf hin, dass das Gutachten auf Grund einer Untersuchung erstattet werden soll, zu der der Gutachter andere Ärzte hinzuziehen könne, und der Kläger der Übermittlung der Unterlagen über die bisherigen Feststellungen an den Gutachter nach den Vorschriften über den Sozialdatenschutz gemäß § 76 Abs 2 SGB X widersprechen könne. Mit eigenhändigem Schreiben vom 20.5.2003 erklärte der Kläger sein Einverständnis mit dem Gutachter "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A.".

3

Dr. S. erstellte am 27.7.2003 als Mitglied der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A. nach Untersuchung des Klägers (am 25.7.2003) ein Gutachten. Daraufhin lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ab (Bescheid vom 2.10.2003; Widerspruchsbescheid vom 16.12.2003).

4

Der Kläger hat hiergegen am 6.1.2004 beim SG Köln geklagt. Am 20.5.2005 beantragte er bei der Beklagten, das Gutachten von Dr. S. vom 27.7.2003 zu löschen, hilfsweise, es zu sperren. Dies lehnte die Beklagte im Bescheid vom 22.7.2005 ab. Das SG hat "die Klage" abgewiesen (Urteil vom 30.11.2005). Sowohl die Ablehnung der Feststellung einer BK 2108 als auch die der Entfernung des Gutachtens aus den Verwaltungsakten, die nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei, seien rechtmäßig; der Kläger habe ein etwaiges Rügerecht verwirkt.

5

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat das Verfahren, soweit die Klagen gegen die Ablehnung des Löschungsanspruchs gerichtet waren, zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt und zur Nachholung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt. Nachdem die Beklagte den Widerspruch zurückgewiesen hatte (Widerspruchsbescheid vom 19.7.2007), hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 3.9.2008). Das Gutachten von Dr. S. sei nicht wegen Verstoßes gegen das in § 200 Abs 2 SGB VII geregelte Widerspruchs- und Auswahlrecht in rechtlich unzulässiger Weise zu Stande gekommen. Mit der Auswahl der "Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." habe der Kläger der Übermittlung seiner Sozialdaten an die Gemeinschaftspraxis zugestimmt. Ihm seien auch mehrere Gutachter vorgeschlagen worden. Dass sich sein Einverständnis nicht auf die Gemeinschaftspraxis, sondern allein auf Prof. Dr. Dr. A. bezogen habe, sei nicht zu erkennen gewesen. Aber auch unabhängig davon sei das von einem nicht namentlich bezeichneten Mitglied einer Gemeinschaftspraxis erstellte Gutachten nicht zu entfernen. Nach der Rechtsprechung des BSG könnten lediglich Verstöße gegen das Widerspruchsrecht durch Entfernung des Gutachtens aus der Akte geheilt werden.

6

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung seines Löschungsanspruchs aus § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X. Das Gutachten von Dr. S. sei wegen Verstoßes gegen sein Auswahl- und Widerspruchsrecht des § 200 Abs 2 SGB VII zu löschen. Eine Gemeinschaftspraxis sei kein Gutachter im Sinne dieser Vorschrift, sondern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der allein die Ärzte als Rechtspersonen höchstpersönlich handelten. Da das Gutachterauswahlrecht nicht nur zur Verbesserung der Verfahrenstransparenz beitragen, sondern auch die Mitwirkungsrechte der Versicherten stärken solle, sei die Benennung eines individualisierten Arztes zwingend erforderlich. Nach dem Empfängerhorizont sei lediglich Prof. Dr. Dr. A. als Gutachter vorgeschlagen worden. Dieser hätte das Gutachten erstellen und dafür Sorge tragen müssen, dass die sich aus der Begutachtung ergebenden Daten den anderen Ärzten der Gemeinschaftspraxis nicht zugänglich gemacht würden. Mit der Auswahl der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A. sei kein Einverständnis zur Übermittlung der Sozialdaten an die anderen Ärzte der Gemeinschaftspraxis erklärt worden. Von einem Versicherten könnten Kenntnisse über den rechtlichen Status einer Gemeinschaftspraxis nicht verlangt werden. Durch die Datenübermittlung an Dr. S. sei zudem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt worden. Dieser Verstoß ziehe ein Beweisverwertungsverbot nach sich. Dem stehe nicht entgegen, dass Prof. Dr. Dr. A. in einer späteren Stellungnahme zu demselben Ergebnis wie Dr. S. gekommen sei.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. September 2008 und des Sozialgerichts Köln vom 30. November 2005 sowie die ablehnende Entscheidung im Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass er einen Anspruch auf Löschung des Gutachtens des Dr. S. vom 27. Juli 2003 hat, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, das Gutachten von Dr. S. vom 27. Juli 2003 zu löschen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie schließt sich den Ausführungen der Vorinstanz an.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Löschung des von ihr im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens.

11

1. Das LSG hatte zulässig den Rechtsstreit über den Löschungsanspruch von demjenigen über den Anspruch auf Feststellung einer BK 2108 getrennt und gesondert über den streitigen Löschungsanspruch entschieden. Denn es handelt sich um zwei unterschiedliche Rechtsfolgen und somit um unterschiedliche Streitgegenstände. Ferner ersetzt oder ändert die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ihre Feststellung nicht, er habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 2108. Daher war die den Löschungsanspruch verneinende Feststellung entgegen dem SG nicht Gegenstand des die Feststellung einer BK 2108 betreffenden Klageverfahrens iS des § 96 Abs 1 SGG geworden.

12

Die Entscheidung über den Löschungsanspruch ist für die Entscheidung des Rechtsstreits um die BK 2108 und diese für jene darüber hinaus auch nicht vorgreiflich iS des § 114 Abs 2 Satz 1 SGG. Dies gilt auch für die Frage, ob das ärztliche Gutachten, das der Kläger gelöscht haben will, im Streit um die BK 2108 verwertbar ist. Denn der Löschungsanspruch hängt allein von der Unzulässigkeit einer Speicherung von Sozialdaten ab. Hingegen ist für diesen Anspruch unerheblich, ob ein von der Verwaltung eingeholtes und tatsächlich nicht gelöschtes (Verwaltungs-) Gutachten vom Gericht (im Urkundsbeweis) gewürdigt werden darf oder einem Beweisverwertungsverbot unterfällt und deshalb für die Überzeugungsbildung des Gerichts nicht verwertbar ist. Denn die Frage der Verwertbarkeit von Sozialdaten stellt sich dem Gericht nur hinsichtlich solcher von einem Träger übermittelter Sozialdaten, die ihm "ungelöscht" zur Kenntnis gebracht wurden. Eine spätere, ggf gerichtlich erstrittene, tatsächliche Löschung der Daten in den Dateiträgern/Akten der Verwaltung kann diese erworbene Kenntnis des Gerichts, gegen das der Löschungsanspruch nicht gerichtet ist, nicht beseitigen.

13

2. Die zulässige Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) gegen die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ist unbegründet. Denn dieser Verwaltungsakt (vom 22.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2007) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

14

Daher konnte offen bleiben, mit welcher Klage in Fällen der vorliegenden Art die Anfechtungsklage zulässigerweise verbunden werden kann. Der Kläger hat sie (entsprechend der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 21.3.2006 - B 2 U 24/04 R - SozR 4-1300 § 84 Nr 1 RdNr 25; vgl auch BVerwG, Urteil vom 9.6.2010 - 6 C 5/09) mit einer Verpflichtungsklage (Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Anspruchs auf Löschung) kombiniert. Er hat sie hilfsweise mit einer (unechten <§ 54 Abs 4 SGG> oder echten<§ 54 Abs 5 SGG>) Leistungsklage auf tatsächliche Durchführung der Löschung verbunden (vgl zu den Klagearten VG Karlsruhe, Urteil vom 14.4.2010 - 3 RK 2309/09; Bieresborn in: von Wulffen, SGB X, § 84 RdNr 10). Unabhängig davon, ob die Verpflichtungsklage als spezielle Leistungsklage oder die unechte oder die allgemeine Leistungsklage gegeben und zulässig war, stand fest, dass (nur und jedenfalls) eine dieser Klagen zulässig war, sodass das BSG in jedem Fall zu einer Entscheidung in der Sache befugt war. Einer Bestimmung, welche dieser Klagen zulässig war, bedurfte es trotz des Haupt- und Hilfsantrags nicht, weil jede von ihnen, sofern zulässig, unbegründet war. Denn sie alle sind nur dann begründet, wenn der Kläger den abgelehnten Löschungsanspruch hat. Mit der Abweisung der Anfechtungsklage gegen diese Ablehnung steht aber fest, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Anspruchs auf Löschung und auch keinen Anspruch unmittelbar auf Löschung durch die Beklagte hat.

15

Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob die das Leistungsbegehren betreffenden Revisionsanträge des Klägers, "das Gutachten" zu löschen, hinreichend bestimmt waren. Dies war zweifelhaft, weil er grundsätzlich die Sozialdaten, deren Löschung er begehrt, so genau hätte bezeichnen müssen, dass im Urteil klar hätte ausgesprochen werden können, was die Beklagte in dem Gutachten hätte löschen müssen.

16

3. Die Feststellung der Beklagten, der Kläger habe keinen Löschungsanspruch gegen sie, ist rechtmäßig.

17

Als Anspruchsgrundlage kommt einzig § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X in Betracht (a). Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch des Klägers zu entscheiden (b). Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Selbst wenn vorliegend eine Verletzung des Auswahlrechts aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII vorliegen sollte und diese überhaupt geeignet wäre, die Unzulässigkeit der "Speicherung" zu begründen, wäre dieser Verfahrensmangel unbeachtlich geworden, weil der Kläger ihn der Beklagten nicht rechtzeitig mitgeteilt hat (c).

18

a) Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Der vom Informationseingriff Betroffene hat das Recht, vom Träger die Unkenntlichmachung seiner unzulässig gespeicherten Sozialdaten zu verlangen.

19

Diese Norm ist, wie in der genannten Senatsentscheidung vom 21.3.2006 vorausgesetzt, eine Anspruchsgrundlage. Der Bürger kann eine Löschung beanspruchen, obwohl § 38 SGB I (Rechtsanspruch bei gebundenen Sozialleistungen auch ohne Feststellung eines individualschützenden Normzwecks) nicht gilt. Denn § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X ist eine drittschützende Norm. Sie soll dem Schutz der von einem Informationseingriff betroffenen Bürger, mithin einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis, dienen und ihnen die Rechtsmacht zuweisen, gegen die Verwaltung durchzusetzen, dass die Ergebnisse des Eingriffs, die gespeicherten Sozialdaten, gelöscht werden.

20

§ 20 Abs 2 Nr 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), der gemäß § 1 Abs 2 BDSG nur auf personenbezogene Daten anwendbar ist, ist gegenüber § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X subsidiär(§ 1 Abs 3 Satz 1 BDSG; vgl auch § 84 Abs 1a SGB X; offen gelassen im BSG-Urteil vom 13.10.1992 - 5 RJ 16/92 - BSGE 71, 170 ff). Denn § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X ist eine Rechtsvorschrift des Bundes, die die Löschung (auch) personenbezogener (Sozial-) Daten regelt.

21

b) Die Beklagte war zuständig und befugt, verbindlich festzustellen, der Kläger habe den gegen sie erhobenen Löschungsanspruch nicht. Wie ua § 83 Abs 4 bis 6 SGB X hinsichtlich der Ablehnung eines Auskunftsanspruchs zeigt, lässt es das Gesetz iS des Gesetzesvorbehalts des § 31 SGB I zu, dass der Verwaltungsträger über das Bestehen eines im Zusammenhang mit gespeicherten Daten gegen ihn erhobenen Anspruchs selbst verbindlich entscheiden darf.

22

c) Die Speicherung des Gutachtens war zulässig iS des § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X.

23

aa) Es konnte offen bleiben, ob ein Löschungsanspruch nach Einfügung eines in Papierform erstellten Gutachtens in eine Verwaltungsakte, die ein "Speichern auf einem Datenträger" iS des § 84 Abs 2 Satz 1 iVm § 67 Abs 6 Satz 2 Nr 1 SGB X ist, entgegen dem Gesetzeswortlaut die Löschung des ganzen Gutachtens oder nur diejenige von einzelnen unzulässig gespeicherten Sozialdaten erfasst. Unterstellt, der Anspruch erfasse die Löschung des ganzen Gutachtens, hat die Beklagte nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes des § 35 SGB I iVm §§ 67 ff SGB X zulässig gehandelt(§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X). Denn das Einfügen des Gutachtens in die Verwaltungsakte war zur Erfüllung der Aufgabe der Beklagten erforderlich, über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer BK 2108 rechtmäßig zu entscheiden. Die Daten waren ferner zu dem Zweck gespeichert worden, die das Verfahren abschließende Entscheidung darüber vorzubereiten und ggf später zu überprüfen, ob der Kläger die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2108 erfüllt und den erhobenen Feststellungsanspruch hat.

24

bb) SGB X-spezifische Unzulässigkeitsgründe liegen nicht vor. Insbesondere berührt die Rüge des Klägers, es sei infolge der Verletzung seines Auswahlrechts auch sein Widerspruchsrecht verletzt, nicht die Zulässigkeit einer Speicherung von Sozialdaten gemäß § 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X.

25

Die Beklagte hatte den Kläger gemäß § 200 Abs 2 SGB VII ua auf sein Widerspruchsrecht aus § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X hingewiesen. Ferner war sie zur Datenübermittlung an die "Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." nach § 69 Abs 1 Nr 1 SGB X sowie wegen des eigenhändig erklärten "Einverständnisses" des Klägers mit dieser Gemeinschaftspraxis als Gutachter befugt, unabhängig davon, ob der Kläger damit für sie nicht erkennbar gemeint hatte, er habe nur Prof. Dr. Dr. A. persönlich als Gutachter ausgewählt. Außerdem war sie (auch) zur Entgegennahme der von dem im Geheimnisverbund des § 78 Abs 1 Satz 1 SGB X stehenden Dr. S. erhobenen Daten gemäß § 76 Abs 2 Nr 1 SGB X ermächtigt. Der Kläger hatte nicht widersprochen.

26

cc) Die Beachtung des Auswahlrechts ist in § 67c SGB X nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Speicherung von Sozialdaten ausgestaltet. Auch keine andere Vorschrift des SGB regelt ausdrücklich, dass eine Verletzung des Auswahlrechts die Rechtsfolge der Unzulässigkeit der Speicherung von Sozialdaten begründet.

27

§ 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII sieht diese Rechtsfolge jedenfalls nicht ausdrücklich vor.

28

Es musste aber nicht abschließend geklärt werden, ob diese Vorschrift dennoch so verstanden werden darf, als ob sie gleichwohl die Unzulässigkeit der Speicherung sinngemäß und noch hinreichend bestimmt anordne. Denn die mögliche Verletzung dieses Verfahrensrechts des Klägers war unbeachtlich geworden.

29

Es kann offen bleiben, ob die Beklagte das einfachgesetzliche verwaltungsverfahrensrechtliche Auswahlrecht des Klägers aus § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII verletzt hat.

30

Nach dieser Vorschrift "soll" - dh im Regelfall, wenn mehrere geeignete Gutachter vorhanden sind, "muss" - der Unfallversicherungsträger vor Erteilung eines Gutachtensauftrags dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen. Dies entspricht im Regelfall dem Auswahlrecht aus § 14 Abs 5 Satz 3 und 4 SGB IX. Auch danach wird dem Wunsch des Leistungsberechtigten Rechnung getragen, wenn dieser sich für einen der (im Regelfall drei) vom Leistungsträger benannten Sachverständigen entschieden hat. Die Gutachter, zwischen denen der Versicherte auswählen darf, müssen folglich "benannt" werden. Ein eigenes, den Träger bindendes Vorschlagsrecht hat der Versicherte hingegen nicht (vgl Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 11 und Gutachtenkolloquium, Band 13, 1998, S 35, 44; Ricke in: Kasseler Komm, SGB VII, § 200 RdNr 3; Franke in: LPK-SGB VII, § 200 RdNr 3; Kliegel in: Lauterbach, SGB VII, 4. Aufl, 6. Lfg., März 1998, § 200 RdNr 8, 14; Becker, MEDSACH 2006, 74 f; Neumann, Unfallmedizinische Tagungen Heft 97, 1997, S 231, 239; Plagemann, NJW 1996, 3173, 3176). Dies spricht dafür, dass die Gutachter genau mit ihrem "Namen" (einschließlich der Berufsbezeichnung und der Anschrift) zu benennen sind. Nur dann ist grundsätzlich sichergestellt, dass der Versicherte ohne eigene Nachforschungen darüber, wen der Träger als Gutachter zur Auswahl vorschlägt, sich über die Benannten unterrichten und eine sachlich begründete Auswahl unter ihnen treffen kann. Wird hingegen eine Gemeinschaftspraxis nur mit dem Namen eines ihrer Ärzte bezeichnet, werden die anderen Gutachter gerade nicht benannt.

31

Es musste ebenfalls nicht entschieden werden, ob der Kläger erkannt hatte, dass die "Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. A." aus mehreren Ärzten und aus welchen sie bestand und ob er durch sein eigenhändiges Schreiben des Inhalts, er wähle diese Gemeinschaftspraxis, alle Ärzte der Gemeinschaftspraxis als Gutachter "auswählen" wollte.

32

dd) Eine (mögliche) Verletzung des Auswahlrechts war nämlich unbeachtlich geworden und konnte schon deshalb keine Unzulässigkeit der Speicherung begründen. Der Kläger war nämlich seiner verwaltungsverfahrensrechtlichen Obliegenheit nicht nachgekommen, der Beklagten unverzüglich mitzuteilen, dass nicht der von ihm angeblich allein ausgewählte Gutachter Prof. Dr. Dr. A., sondern der von ihm nach seinem Vortrag nicht ausgewählte Dr. S. die Begutachtung übernommen hatte.

33

Ein Versicherter, der meint, dass nicht der von ihm ausgewählte Arzt das Gutachten erstellt, muss dem Unfallversicherungsträger unverzüglich mitteilen, dass er sein Auswahlrecht verletzt sieht (Rügeobliegenheit).

34

Grundsätzlich hat er dies unverzüglich anzuzeigen, sobald er erkennt, dass ein anderer als der von ihm gewählte Gutachter vom Träger zum Gutachter bestellt wurde oder die Begutachtung übernimmt. Das muss er nicht hinnehmen; es obliegt ihm aber, sein Auswahlrecht unverzüglich zu verteidigen. Daher kann nach den Umständen des Einzelfalls seine Mitwirkung an einer Gutachtenerstellung durch einen vom Träger bestellten Gutachter, den der Versicherte zuvor als von ihm nicht ausgewählt erkannt hat, die Genehmigung der vom Träger getroffenen Gutachterauswahl bedeuten. Erkennt der Versicherte den Fehler ausnahmsweise erst später, etwa bei Kenntnisnahme von dem Gutachten, obliegt es ihm besonders dringlich, dies unverzüglich dem Träger mitzuteilen. Denn nur dann kann dieser sofort die Lage klären und notfalls rechtzeitig ein Gutachten des vom Versicherten ausgewählten Sachverständigen einholen. Nur so kann der Träger sicherstellen, dass er seine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung auf ein Gutachten stützen kann, das ohne eine Verletzung des Auswahlrechts erstellt wurde.

35

Das Auswahlrecht des § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB VII ist rein verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur. Es ermöglicht dem Bürger eine qualifizierte Mitwirkung bei der behördlichen Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 20 SGB X) und dient der Förderung der Akzeptanz des das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsakts des Unfallversicherungsträgers, soweit er dem Gutachten des vom Bürger ausgewählten Gutachters folgt. Dadurch dient es mittelbar auch der besseren Durchsichtigkeit ("Transparenz") der Entscheidungsfindung des Trägers und des Datenflusses für den Versicherten.

36

Das Auswahlrecht bezweckt ausschließlich, im jeweiligen Verwaltungsverfahren einen inhaltlich richtigen und für den Versicherten akzeptablen verfahrensabschließenden Verwaltungsakt vorzubereiten. Von einer (beabsichtigten) Begutachtung durch einen vom Versicherten nicht ausgewählten Gutachter muss der Sozialversicherungsträger unverzüglich erfahren, um die Rechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen und das Verfahren unter Beachtung des Auswahlrechts durchführen zu können. Der Bürger, der bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihm bekannte Tatsachen angeben soll (§ 21 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB X), ist hier der einzige, der eine Verletzung seines Auswahlrechts rechtzeitig abwenden oder eine Heilung dieses Verfahrensfehlers rechtzeitig anstoßen kann.

37

Eine Verletzung des Auswahlrechts kann grundsätzlich nur bis zum Abschluss des jeweiligen Verwaltungsverfahrens vom Unfallversicherungsträger geheilt werden. Deshalb wird die Verletzung, auch wenn sie ungeheilt bleibt, mit dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens grundsätzlich unbeachtlich (vgl zur Rügeobliegenheit im Prüfungsrecht BVerwGE 96, 126, 129 ff, Juris-RdNr 18 f).

38

Dies gilt nur dann nicht, wenn der Bürger ausnahmsweise die Verletzung seines Auswahlrechts vor dem Erlass des abschließenden Verwaltungsakts nicht erkennen konnte, also keine Möglichkeit zur Rechtsverteidigung hatte, oder wenn der Träger das Auswahlrecht trotz einer rechtzeitigen Rüge des Bürgers nicht als verletzt ansieht und keine Heilung veranlasst. Dann kann der Bürger den Mangel auch noch im Widerspruchsverfahren geltend machen, sodass die Ausgangsbehörde, die auch die Abhilfebehörde ist, oder die Widerspruchsbehörde noch eine Heilung im Verantwortungsbereich der Verwaltung herbeiführen kann.

39

Wird erst danach gerügt, ist eine zweckwahrende Heilung des Auswahlrechts, die zu einem verfahrensfehlerfreien Abschluss des Verwaltungsverfahrens allein durch eine Entscheidung der Verwaltung führt, nicht mehr möglich. War nämlich eine (bestehende) Verletzung des Auswahlrechts auch bis zum Ende des Widerspruchsverfahrens nicht zu erkennen oder wurde sie, obwohl rechtzeitig gerügt, auch von der Widerspruchsbehörde des Trägers verneint, kann der Zweck des Auswahlrechts in dem jeweiligen Verwaltungsverfahren, in dem es besteht, nicht mehr erreicht werden. Der Verfahrensfehler bleibt ggf nur noch nach Maßgabe des § 42 Satz 1 SGB X rechtserheblich und kann nicht gesondert angefochten werden(so auch Kranig in: Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 26 und K § 199 RdNr 5; aA Thüringer LSG, Urteil vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06 - Juris RdNr 40; offen gelassen ua in BSGE 100, 25, 39 f, RdNr 57 f mwN; kritisch dazu C. Wagner in jurisPK-SGB VII, § 200 RdNr 51). Er führt zur Aufhebung des verfahrensabschließenden Verwaltungsakts, wenn nicht offensichtlich ist, dass die Auswahlrechtsverletzung die Entscheidung der Verwaltung in der Sache nicht beeinflusst hat.

40

ee) Der Kläger hat den (angeblichen) Verfahrensmangel im Verwaltungsverfahren nicht rechtzeitig angezeigt. Er hat die Beklagte in Kenntnis der Begutachtung durch Dr. S. bis zum Verfahrensabschluss nicht darauf hingewiesen, dass er mit seiner eigenhändigen Erklärung nur Prof. Dr. Dr. A. als Gutachter habe wählen wollen. Daher kam es für die Zulässigkeit der im Verwaltungsverfahren erfolgten Speicherung des Gutachtens des Dr. S. auf diesen nicht einmal mit dem Widerspruch, sondern erst vor dem SG gerügten Mangel des Verwaltungsverfahrens nicht an.

41

ff) Es gibt auch keine anwendbare Rechtsnorm außerhalb des SGB, welche die Speicherung eines Gutachtens datenschutzrechtlich für unzulässig erklärt, wenn das Gutachten von einem Gutachter erstellt wurde, den der Bürger nicht als Sachverständigen ausgewählt hat.

42

Insbesondere das vom Kläger angeführte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG), ein Abwehrrecht, verbietet die Speicherung eines Gutachtens in solchen Fällen nicht. Es gebietet dem Gesetzgeber grundsätzlich auch nicht, ein verletztes einfachgesetzliches Auswahlrecht als Unzulässigkeitsgrund für eine derartige Speicherung einzuführen. Dass das Auswahlrecht mittelbar auch die Durchsichtigkeit der Entscheidungsfindung des Trägers und die des Datenflusses für den Versicherten fördert, bedeutet noch nicht, dass es vom Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst wird und somit grundsätzlich allen Bürgern gegen alle Verwaltungsträger zustünde. Vielmehr ist es ein grundrechtlich nicht gebotenes, aber für ein bürgernahes Verwaltungsverfahren nützliches, einfachgesetzliches Verfahrensrecht der Versicherten gegen die Unfallversicherungsträger (und der Behinderten in Teilhabeverfahren).

43

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 23. Juni 2005 (Ausrutschen beim Reinigen der Rückschlammanlage) als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls ab dem 29. Dezember 2005 Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - von 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten aufgrund eines Arbeitsunfalls Unfallrente.
Der am ... Juli 1968 geborene Kläger, ein Produktionsarbeiter, der bei der X. GmbH in M. versicherungspflichtig beschäftigt ist, rutschte am 23. Juni 2005 gegen 22.30 Uhr beim Reinigen der Rückschlammanlage von der obersten Stufe einer Treppe. Dabei hielt er sich mit der rechten Hand am Geländer bzw. Handlauf fest. Dabei vernahm er ein deutliches Krachen in der rechten Schulter.
Am 25. Juni 2005 suchte der damals 180 cm groß und 105 kg schwere Kläger den Arzt Dr. S., auf. Laut Befundbericht von Dr. S. vom 29. Oktober 2005 stellte dieser anlässlich der Untersuchung des Klägers am 25. Juni 2005 mittels Ultraschall der rechten Schulter fest, dass die lange Bizepssehne nach innen verrutscht gewesen sei und der Kläger Schmerzen geklagt habe. Am 5. Juli 2005 sei die Ruptur der Bizepssehne nachzuweisen gewesen. Bereits vor dem 25. Juni 2005 habe er beim Kläger - am 16. Juni 2005 - Periarthritis der rechten Schulter diagnostiziert und als Schmerzmittel Diclofenac und Dialgirex verordnet. Diagnostiziert habe er Periarthritis und eine Ruptur der Bizepssehne.
Unter dem 5. Juli 2005 zeigte die Arbeitgeberin des Klägers der Beklagten den Unfall an. Die Arbeitgeberin schilderte den Unfallhergang wie folgt: Am 23. Juni 2005 sei der Kläger gegen 22.30 Uhr beim Reinigen der Rückschlammanlage von der obersten Stufe einer Treppe gerutscht. Beim Festhalten mit dem rechten Arm habe er sich diesen Arm verdreht. Dabei sei die Sehne aus der Fügung im Oberarm gesprungen und am Samstag, den 2. Juli 2005 gerissen. Die Angaben zum Unfallhergang beruhten auf der Schilderung des Klägers.
Am 25. August 2005 beantwortete der Kläger folgende ihm von der Beklagten gestellte Fragen: Er sei Rechtshänder und habe in seinem Beruf regelmäßig Gegenstände zu tragen. Nach dem Unfall am 23. Juni 2005 habe er dem behandelnden Arzt, Dr. S., mit dem Auto aufgesucht. Nach dem Unfall habe er seine Arbeit nicht fortgesetzt. Den Unfall habe er noch am Tag des Unfallereignisses, dem 23. Juni 2005, seinen Vorgesetzten gemeldet. Sport treibe er nicht. Frühere Erkrankungen, Unfälle oder Beschwerden an der Schulter habe er nicht gehabt. Bei dem Unfallereignis sei von einem Unfall infolge Sturzes auszugehen. Er habe den Sturz durch das Festhalten mit dem rechten Arm aber dämpfen können.
Im von der Beklagten daraufhin beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers, ..., ergaben sich folgende orthopädisch bedingte Arbeitsunfähigkeitszeiten:
16. bis 17. März 1995
Kreuzschmerzen
25. September bis 3. Oktober 1995
Kreuzschmerzen
29. September 2000
Carpaltunnelsyndrom
23. April 2001
Kreuzschmerzen
9. Juli 2001
Carpaltunnelsyndrom
23. August 2001
Prellung der Unterschenkel
23. September 2003
Rückenschmerzen
23. Februar 2005
Kreuzschmerzen
5. bis 18. Juli 2005
Ulz Muskel/Sehnen nnbez Reg
Unter dem 7. November 2005 teilte der Bezirksverband N... mit, der Kläger sei ab dem 25. Juni 2005 nur 14 Tage arbeitsunfähig geschrieben gewesen. Danach sei er wieder zur Arbeit gegangen.
Darauf veranlasste die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme durch den Chirurgen Dr. P., die dieser unter dem 19. Dezember 2005 verfasste. Darin führte Dr. P. aus, dass der Kläger laut Mitteilung von Dr. S., 7 Tage vor dem angeschuldigten Ereignis wegen einer Periarthritis der rechten Schulter behandelt und mit einem Antiphlogistikum und einem Analgetikum medikamentös therapiert worden sei. Dementsprechend sei die für den 25. Juni 2005 nachgewiesene Dislokation der langen Bizepssehne sowie die am 5. Juli 2005 diagnostizierte Ruptur der Bizepssehne nicht Folge des angeschuldigten Traumas vom 23. Juni 2005, sondern einer schicksalhaften Grunderkrankung der Schulter ursächlich anzulasten. Inwieweit durch das angeschuldigte Ereignis vom 23. Juni 2005 eine Verschlimmerung eingetreten sei und, ob ein derartiges Ereignis zu diesem Zeitpunkt hinreichend zu belegen sei, sei nach Aktenlage nicht zu klären, zumal auch aktuelle Befunde nicht vorlägen. Die Ruptur der langen Bizepssehne sei bei dem übergewichtigen Kläger offenbar lediglich sonographisch gesichert, sodass nach Aktenlage ein adäquates Trauma vom 23. Juni 2005 lediglich denkbar erscheine bei unstrittig vorbestehender Periarthritis Mitbehandlungsnotwendigkeit bereits ab dem 16. Juni 2005. Eine weitere Klärung nach Aktenlage sei nicht möglich. Eine Ruptur der langen Bizepssehne, sofern sie tatsächlich eingetreten sei, bedinge üblicherweise keine messbare Verletzungsfolge. Arbeitsunfähigkeit habe offensichtlich nur vom 23. Juni bis zum 6. Juli 2005 bestanden. Auch für diesen Zeitraum sei aus den genannten Gründen ein kausaler Zusammenhang dem angeschuldigten Trauma nicht wahrscheinlich zu machen. Daraufhin lehnte die Beklagte es mit Bescheid vom 3. März 2006 ab, das angeschuldigte Unfallereignis vom 23.06.2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu bewilligen. Zur Begründung hieß es nach Auswertung der medizinischen Unterlagen könne ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Ereignis vom 23. Juni 2005 und dem Bizepssehnenriss nicht wahrscheinlich gemacht werden. Der Bizepssehnenriss sei vielmehr auf eine schicksalhafte Grunderkrankung der Schulter zurückzuführen. Das Ereignis vom 23. Juni 2005 sei somit lediglich auslösendes Moment gewesen, da eine bereits vorhandene krankhafte Anlage vorgelegen habe, die so leicht ansprechbar gewesen sei, dass jedes andere alltägliche Ereignis etwa zu derselben Zeit die Erkrankung hätte auslösen können (sogenannte Gelegenheitsursache). Für die Behandlung sei die Krankenkasse der zuständige Leistungsträger.
10 
Zur Begründung des dagegen am 29. März 2006 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, der ihn behandelnde Arzt, Dr. S., sei der Auffassung, der Riss der Bizepssehne sei kein schicksalhaftes Ereignis gewesen, sondern ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dr. Steinmetz sei von der Beklagten nochmals zu befragen.
11 
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es erneut: Nach Auswertung aller vorliegenden medizinischen Unterlagen sei der Bizepssehnenriss nicht ursächlich auf das Ereignis vom 23. Juni 2005, sondern vielmehr auf eine schicksalhafte Grunderkrankung der Schulter zurückzuführen. Das Ereignis vom 23. Juni 2005 sei lediglich auslösendes Moment, weil eine bereits vorhandene krankhafte Anlage vorgelegen habe, die so leicht ansprechbar gewesen sei, dass jedes andere alltägliche Ereignis etwa zu derselben Zeit die Erkrankung hätte auch auslösen können. Damit sei das Vorliegen eines Arbeitsunfalls zu verneinen. Ansprüche auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung stünden dem Kläger nicht zu.
12 
Die vom Kläger dagegen aufgrund fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids am 5. Februar 2007 zum Sozialgericht Würzburg erhobene Klage hat das Sozialgericht Würzburg durch Beschluss vom 16. März 2007 an das örtlich zuständige Sozialgericht Karlsruhe verwiesen.
13 
Der Kläger ist weiter der Auffassung, der im Juni 2005 erlittene Bizepssehnenriss sei auf das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 zurückzuführen. Eine entsprechende weitere Sachaufklärung von Amts wegen werde angeregt.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 als Arbeitsunfall anzuerkennen und ihm aufgrund der Unfallfolgen ab dem 29. Dezember 2005 eine Unfallrente nach einer MdE von 20 vom Hundert in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Klage abzuweisen.
18 
Die Beklagte geht weiter davon aus, dass der Unfallhergang nicht geeignet gewesen sei, die geltend gemachten Unfallfolgen an der rechten Schulter auszulösen. Ursächlich für den Unfall sei vielmehr eine Periarthritis der rechten Schulter als dem Unfallereignis vorausgehende Grunderkrankung.
19 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers. Das Gutachten haben die Orthopäden Prof. Dr. R. und der Facharzt für Chirurgie R. unter dem 28. September 2007 erstattet.
20 
Zum Unfallhergang haben die Gutachter aufgrund Klägerangaben folgende Ausführungen festgehalten. Der Kläger habe am 23. Juni 2005 gegen etwa 22.30 Uhr eine sogenannte Rückschlammanlage gereinigt. Dazu habe er wie üblich auf einem etwa vier Stufen hohen Podest gestanden und mit der rechten Hand den Hochdruckreiniger zum Reinigen des Trichters der Anlage bedient. Dabei habe er sich mit den Füßen im Schlauch des Hochdruckreinigers verfangen und sei rückwärts die Podeststufen heruntergestolpert. Er habe sich noch reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten können. Hierbei sei es zu einem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Zuerst habe er wenig Probleme gehabt und weitergearbeitet, im Verlauf seien aber stärker werdende Schmerzen aufgetreten. Am Folgetag habe er dann deutliche Schmerzen und eine deutliche Schwellung im Schulter- bzw. Oberarmbereich rechts bemerkt. Deswegen habe er dann auch am 25. Juni 2005 seinen Hausarzt, Dr. S. in ..., aufgesucht, bei dem er schon einige Tage zuvor, am 16. Juni 2005 wegen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter in Behandlung gewesen sei. Damals sei eine Periarthritis der rechten Schulter diagnostiziert worden, die mit Diclofenac und Dialgirex behandelt worden sei. Bei der Untersuchung am 25. Juni 2005 sei ein Verrutschen der langen Bizepssehne mittels Ultraschall diagnostiziert worden. Am 2. Juli 2005 seien dem Kläger erneut Schmerzmittel verordnet worden, bevor es am 4. Juli 2005 zu einer Röntgenuntersuchung der rechten Schulter in zwei Richtungen sowie zu einer Sonographie gekommen sei. Sonographisch sei die Ruptur der langen Bizepssehne dabei gesichert worden.
21 
Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung am 29. August 2007 haben die Dres. R. und R. folgende orthopädische Diagnosen gestellt: Ruptur der langen Bizepssehne rechts, degenerative Schultereckgelenksarthrose (AC-Gelenksarthrose) rechts mit beginnendem subacromialen Impingementsyndrom, chronisch rezidivierende Lumbago, Zustand nach Carpaltunnelsyndrom-Operation beidseits, Zustand nach Verletzung des rechten Daumens im Kindesalter.
22 
Die Diagnose der Ruptur der langen Bizepssehne lasse sich allein durch die klinische Untersuchung eindeutig stellen. Bei der grob orientierenden Bewegungsuntersuchung der rechten Schulter habe sich bei der Abduktion ein nicht immer reproduzierbares schmerzhaftes Ziehen und Knacken in Form eines Painful arcs von etwa 70/80 Grad, Abduktion bis etwa 130 Grad reichend gezeigt. Die Anteversion (das Vorwärtsstrecken des Armes) habe aktiv kein Problem bereitet, gegen Widerstand habe sich aber eine deutliche Schwäche im Vergleich zur gesunden linken Seite gezeigt. Zudem sei bei der groben Kraftprüfung eine deutliche Kraftminderung des Bizepsmuskels rechts festzustellen gewesen. Zudem habe der Kläger ziehende Schmerzen seitlich der Schulter bis zum Oberarm auslaufend angegeben. Außerdem habe sich über dem abgerutschten Muskelbauch eine Druckschmerzhaftigkeit etwa dem Sehnen-Muskel-Übergang entsprechend gefunden. Das nach hinten Führen des rechten Armes in die sogenannte Schürzenbinderposition sei kaum möglich gewesen, auf der linken Seite hingegen unproblematisch gelungen. Dies liege an einer schmerzhaften Einschränkung, ein Ziehen trete im Bereich der Schulter und des Oberarmes auf. Dementsprechend sei die Überprüfung der Subscapularismuskulatur nicht aussagekräftig möglich gewesen. Links habe sich ein unauffälliger Befund gezeigt.
23 
Auch die Diagnose der AC-Gelenksarthrose beruhe im Wesentlichen auf der klinischen Untersuchung sowie auf einer Auswertung des Kernspinbefunds. Inwieweit diese AC-Gelenksarthrose bereits im Jahre 2005 zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe, lasse sich anhand der vorliegenden Untersuchungen nicht feststellen. In diesem Zusammenhang sei zu bemerken, dass die Röntgenaufnahmen vom 4. Juni 2005 zumindest ein noch nahezu unauffälliges AC-Gelenk zeigten.
24 
Der Riss der langen Bizepssehne sei sicherlich durch den Arbeitsunfall aufgetreten. Im Nachhinein sei anhand der Aktenlage aber nicht mehr sicher zu beurteilen, ob es zunächst lediglich zu einer Dislokation und später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen sei, oder ob es sich um einen sofortigen Riss gehandelt habe, der zunächst nicht eindeutig diagnostizierbar gewesen sei. Insgesamt gesehen sei dies jedoch unerheblich, weil die gerissene Bizepssehne eindeutig von dem angegebenen Arbeitsunfall herrühre. Inwieweit eine Vorschädigung der Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe, sei spekulativ. Die Aktenlage und die Anamnese zeigten lediglich, dass der Kläger einige Tage zuvor bereits wegen Schulterbeschwerden rechts behandelt worden sei. Die Ursachen für diese vorbestehenden Schulterbeschwerden könnten vielfältig sein, z. B. eine Entzündung des subacromialen Schleimbeutels, eine Verkalkung im Bereich der Rotatorenmanschette oder eben eine AC-Gelenksarthrose. Im Nachhinein sei sicherlich nicht mehr exakt zu klären, was damals Auslöser dieses Schmerzsyndroms gewesen sei. Ebenso wenig sei im Nachhinein zu klären, inwieweit eine Degeneration der langen Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Fest stehe jedoch, dass mit zunehmenden Alter auch das Sehnenmaterial einem Verschleiß unterliege, dem unterschiedliche Ursachen zugrunde lägen. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände habe man davon auszugehen, dass eine gewisse Degeneration der langen Bizepssehne zum Unfallzeitpunkt vorgelegen habe. Andererseits sei zu berücksichtigen, dass das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 sicherlich kein Bagatelltrauma ausgelöst habe. Es sei vielmehr durchaus geeignet gewesen, eine Sehnenverletzung, wie sie der Kläger erlitten habe, herbeizuführen. Somit wäre dann zumindest eine Verschlimmerung einer vorbestehenden Gesundheitsstörung eingetreten. Die übrigen gestellten Diagnosen (chronisch rezidivierender Lumbago und Zustand nach CTS-Operation beidseitig) stünden nicht im Zusammenhang mit dem Unfallereignis.
25 
Die Folge des vom Kläger am 23. Juni 2005 erlittenen Arbeitsunfalls sei eine deutliche Kraftminderung durch Riss der langen Bizepssehne rechts. Behandlungsbedürftigkeit für die Unfallfolgen habe sicherlich zwei bis drei Monate nach dem Unfall bestanden. In Zusammenschau der vorliegenden Untersuchungsergebnisse, der körperlichen Untersuchung und der anamnestischen Angaben sowie der Angaben des Hausarztes Dr. S. sei sicherlich eine MdE von 20 bis zum Ende des zweiten Unfalljahres anzusetzen; auf Dauer wahrscheinlich ebenfalls eine MdE von 20.
26 
Auf die gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. hat die Beklagte mit fachärztlicher Stellungnahme des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. W., vom 18. Dezember 2007 reagiert.
27 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und den Inhalt der Prozessakte (S 4 U 1615/07) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
28 
Die Klage ist zulässig und begründet.
29 
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen und durch Unfallrente zu entschädigen.
30 
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort „infolge“ drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette - Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden - weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund eines Gesundheits-(erst)-Schadens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R).
31 
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war (Bundessozialgericht, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 34/03 R m. w. N.). Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können; kann eine Ursache jedoch nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn in Betracht zu ziehen ist (BSGE 61, 127 ff.). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R JURIS).
32 
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der fundierten gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. (Gutachten vom 28. September 2007) fest, dass das vom Kläger erlittene Unfallereignis vom 23. Juni 2005 den Riss der langen Bizepssehne des rechten Arms überwiegend wahrscheinlich verursacht hat. Dabei kommt es, wie von den Gerichtsgutachtern zutreffend angemerkt, nicht darauf an, ob es unmittelbar am Unfalltag lediglich zu einer Dislokation und erst einige Tage später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen ist. Denn der vom Kläger konsistent von Anbeginn an geschilderte Unfallhergang stellt - erste Voraussetzung - einen geeigneten Verletzungsmechanismus dar. Seinen unbestrittenen Angaben zufolge stolperte der Kläger mit den Füßen im Schlauch eines Hochdruckreinigers verfangen rückwärts Podeststufen herunter, als er eine Rückschlammanlage mit dem Hockdruckreiniger gereinigt hat. Dabei hat er sich reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten und so einen Sturz vermeiden können. Dabei ist es zu dem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Dementsprechend verneinen die Gerichtsgutachter nachvollziehbar ein Bagatelltrauma. Die Tatsache, dass der Unfallhergang einen geeigneten Verletzungsmechanismus darstellt, ergibt sich für das Gericht weiter aus den Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Seite 507, auf der unter dem Schlagwort „geeignete Verletzungsmechanismen“ zur Verletzung einer Supraspinatussehne ausdrücklich ausgeführt wird: massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Arms, Sturz beim Fensterputzen aus der Höhe nach vorn mit noch festhaltender Hand; Treppensturz mit der Hand am Geländer. Diese Unfallhergänge sind für eine Verursachung zwar nicht beweisend, aber durchaus geeignet. Die Voraussetzungen für weitergehende Kausalitätsüberlegungen sind damit gegeben; die wesentliche (Teil-)Ursache ist zu ermitteln.
33 
Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Gegenargumentation der Beklagten, beim Unfallereignis vom 23. Juni 2005 handele es sich lediglich um ein auslösendes Moment, bei dem eine bestehende Vorerkrankung der rechten Schulter gelegenheitsursächlich verwirklicht worden sei, vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen. Das von der Beklagten zu Recht beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers ist im Hinblick auf Schulterverletzungen blank, d. h. ohne Eintrag. Der Kläger ist also wegen Schulterbeschwerden niemals arbeitsunfähig gewesen. Der einzige Hinweis, der sich auf eine Vorerkrankung der rechten Schulter des Klägers ergibt, findet sich in der apodiktisch knappen Befunddarstellung des Hausarztes des Klägers, Dr. S., vom 29. Oktober 2005, in der es heißt, der Kläger sei am 16. Juni 2005 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter mit Schmerzmitteln versorgt worden. Die medizinische Bezeichnung Periarthritis ist ein Sammelbegriff für Reizungen, Entzündungen im Weichteilbereich an einem Gelenk, insbesondere auch in den Sehnenansätzen und dem Verlauf der Sehnen, an Schleimbeutel und an Muskeln im gelenknahen Bereich. Damit könnte eine Vorerkrankung der später, nach dem Unfallereignis gerissenen Bizepssehne beim Kläger zwar in der Tat vorgelegen haben; gegen eine wesentliche Degeneration der langen Bizepssehne bereits zum Unfallzeitpunkt spricht aber nach Aktenlage, dass in der Röntgenuntersuchung vom 4. Juli 2005 - also nur wenige Tage nach dem Unfallereignis - keine gravierenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer AC-Gelenksarthrose erkennbar gewesen sind. Ebenso wenig werden solche Veränderungen in der damals durchgeführten Sonographie der Schulter beschrieben. Die von der Beklagten gleichwohl aufgestellte These, auslösendes Moment für die Bizepssehnenruptur sei in erster Linie die AC-Gelenksarthrose gewesen, müssen somit als „rein spekulativ“ beurteilt werden (so zutreffend Gutacher Prof. Dr. R.).
34 
Die Beklagte muss sich in diesem Zusammenhang auch vorhalten lassen, den Sachverhalt nicht adäquat aufgeklärt und durchermittelt zu haben. Sie stützt ihre Argumentation allein auf ein Wort des Hausarztes des Klägers Dr. S. vom 29. Oktober 2005 („Periarthritis“), bei dem es nicht einmal für notwendig erachtet worden ist, durch nochmalige Nachfrage um präzisere Angaben zu bitten. Geschweige denn hat die Beklagte, wie es bereits im Verwaltungsverfahren geboten gewesen wäre, ein orthopädisch-chirurgisches Sachverständigengutachten als Zusammenhangsgutachten veranlasst. Diese Verfahrensweise hat dazu geführt, dass allein das Gericht die Sachverhaltsaufklärungsarbeit hat leisten müssen und geleistet hat.
35 
Soweit sich die Beklagte dann der Sachverhaltsermittlung im gerichtlichen Verfahren aufgenommen hat, ist dies der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zufolge (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 8/07 R, Terminsbericht Nr. 7/08 vom 8. Februar 2008; zuvor bereits entsprechend: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2007, L 17 U 125/704, Breith. 2008, S. 104, 110 ff.) erheblich verfahrensfehlerhaft geschehen. Denn bei der Anforderung der gutachtlichen Äußerung von Dr. W. hat die Beklagte gegen die Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII verstoßen, weil sie den Kläger weder vorher auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hingewiesen noch ihm mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. § 200 Abs. 2 SGB VII gilt auch für Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen, die ein Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt. Bei der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Dezember 2007, die immerhin elf Seiten umfasst, handelt es sich um ein Gutachten im Sinn von § 200 Abs. 2 SGB VII; der dort verwendete Begriff ist weit auszulegen und erfasst alle sachkundigen Äußerungen, die ihrem Inhalt nach Gutachtenscharakter haben (vgl. Bundessozialgericht, a. a. O.). Ausgenommen sind lediglich prüfärztliche Stellungnahmen von dem Organisationsbereich des Versicherungsträgers zuzurechnenden Ärzten, das heißt von solchen Ärzten, die beim Versicherungsträger angestellt sind oder denen gegenüber der Versicherungsträger weisungsbefugt ist. Dies ist bei Dr. W., der als Chefarzt eines nicht im Organisationsbereich der Beklagten stehenden Krankenhauses beschäftigt ist, offenkundig nicht der Fall. Dr. W. hat mit der Beklagten, wie von der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau N., fernmündlich dem Kammervorsitzenden bestätigt, lediglich einen Beratervertrag als freier Mitarbeiter.
36 
Gutachten, die unter Verstoß gegen die den Schutz der Sozialdaten bezweckenden Belehrungspflicht zustande gekommen sind, dürfen vom Gericht nicht verwertet werden. Da die gutachtliche Stellungnahme von Dr. W. Bestandteil der Gerichtsakte geworden ist, erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot auf diese Stellungnahme, deren Inhalt das Gericht folglich nicht zur Kenntnis nehmen darf und nicht zur Kenntnis genommen hat.
37 
Schließlich merkte das Gericht an, dass angesichts des blanken Vorerkrankungsverzeichnisses und unter besonderer Berücksichtigung des noch relativ jungen Alters des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses - damals ist der Kläger erst knapp 37 Jahre alt gewesen - objektiv nichts für wesentliche degenerative Veränderungen an Schultergelenk und Sehnen des rechten Arms spricht. In dieses Bild fügt sich eine weitere Tatsache schlüssig ein. Der linke Arm des Klägers und das linke Schultergelenk sind den gutachtlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. R. zufolge ohne jeden krankhaften Befund gewesen, insbesondere habe sich dort keine arthritische Erkrankung nachweisen lassen.
38 
Das Gericht folgt dem Gutachter Prof. Dr. R. auch im Hinblick auf seine Einschätzung zur MdE, die er auf Dauer mit 20 bewertet. Zur Begründung führt Prof. Dr. R. aus, dass eine deutliche Kraftminderung durch den Riss der langen Bizepssehne rechts beim Kläger auszumachen ist. Diese Kraftminderung führt zwar bei leichten Alltagsbewegungen zu nur kaum feststellbaren Auffälligkeiten und hat für solche Bewegungen mithin auch kaum einschränkenden Charakter. Dies deshalb, weil ein Teil der Funktion der langen Bizepssehne durch die kurze Bizepssehne übernommen werden kann. Dadurch wird auch das typische Abrutschen des Muskelbauchs im Alltagsleben nahezu unbemerkt bleiben oder lediglich als kosmetisch störend empfunden. Ganz anders aber sieht die Situation bei körperlich starker Arbeit, wie sie der Kläger bis heute zu verrichten hat, aus. Hierbei wirkt die deutliche Kraftminderung im rechten Arm durch Riss der langen Bizepssehne nicht unerheblich leistungseinschränkend. Dies gilt erst Recht im Hinblick darauf, dass es sich beim Kläger um einen Rechtshänder handelt. Mit der MdE-Bewertung aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen des rechten Arms liegt der Gutachter Prof. Dr. R. im Übrigen auch im Rahmen dessen, was Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 514 vorgeben. Dort heißt es zu den Beurteilungswerten für die MdE bei Sehnenrissen pauschalierend, dass bei einem Quermaß der schmerzhaften Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die Beweglichkeit des Arms beim Vorwärts- und Rückwärtsdreh sowie beim seitwärts Drehen sowie bei der Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff eine MdE von 10 bis 20 vom Hundert festzustellen ist. Im Rahmen dieser Bandbreite, wenn auch am oberen Ende, liegt die entsprechende Empfehlung von Prof. Dr. R.
39 
Der Beginn der Unfallrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sind, einen Anspruch auf Rente. Der Versicherungsfall ist mit dem Unfallereignis vom 23. Juni 2005 eingetreten. Mit Ablauf von 26 Wochen nach diesem Unfallereignis - vorliegend also ab dem 29. Dezember 2005 - beginnt damit die dem Kläger zu gewährende Unfallrente.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe

 
28 
Die Klage ist zulässig und begründet.
29 
Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Das Unfallereignis vom 23. Juni 2005 ist als Arbeitsunfall anzuerkennen und durch Unfallrente zu entschädigen.
30 
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Durch das Wort „infolge“ drückt § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII aus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden erforderlich ist. Diese sogenannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Der Bereich der haftungsbegründenden Kausalität ist u.a. betroffen, wenn es um die Frage geht, ob der Unfall wesentlich durch die versicherte Tätigkeit oder durch eine sogenannte innere Ursache hervorgerufen worden ist, während dem Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität die Kausalkette - Unfallereignis (primärer) Gesundheitsschaden und (sekundärer) Gesundheitsschaden - weitere Gesundheitsstörungen zuzuordnen ist. Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund eines Gesundheits-(erst)-Schadens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R).
31 
Für die Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und einen zweiten, wertenden Schritt, dass das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war (Bundessozialgericht, SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Während für die Grundlagen der Ursachenbeurteilung - versicherte Tätigkeit, Unfallereignis, Gesundheitsschaden - eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich ist, genügt für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände die für den wesentlichen Ursachenzusammenhang sprechenden Tatsachen so stark überwiegen, dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann und ernstliche Zweifel ausscheiden; die bloße Möglichkeit einer wesentlichen Verursachung genügt nicht (BSG, Urteil vom 07. September 2004, B 2 U 34/03 R m. w. N.). Dabei müssen auch körpereigene Ursachen erwiesen sein, um bei der Abwägung mit den anderen Ursachen berücksichtigt werden zu können; kann eine Ursache jedoch nicht sicher festgestellt werden, stellt sich nicht einmal die Frage, ob sie im konkreten Einzelfall auch nur als Ursache in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn in Betracht zu ziehen ist (BSGE 61, 127 ff.). Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeiten von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R JURIS).
32 
An diesem Prüfungsmaßstab orientiert, steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der fundierten gutachtlichen Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. R. (Gutachten vom 28. September 2007) fest, dass das vom Kläger erlittene Unfallereignis vom 23. Juni 2005 den Riss der langen Bizepssehne des rechten Arms überwiegend wahrscheinlich verursacht hat. Dabei kommt es, wie von den Gerichtsgutachtern zutreffend angemerkt, nicht darauf an, ob es unmittelbar am Unfalltag lediglich zu einer Dislokation und erst einige Tage später zu einer Ruptur der Bizepssehne gekommen ist. Denn der vom Kläger konsistent von Anbeginn an geschilderte Unfallhergang stellt - erste Voraussetzung - einen geeigneten Verletzungsmechanismus dar. Seinen unbestrittenen Angaben zufolge stolperte der Kläger mit den Füßen im Schlauch eines Hochdruckreinigers verfangen rückwärts Podeststufen herunter, als er eine Rückschlammanlage mit dem Hockdruckreiniger gereinigt hat. Dabei hat er sich reflexartig mit dem rechten Arm an einem Geländer bzw. Handlauf festhalten und so einen Sturz vermeiden können. Dabei ist es zu dem deutlichen Krachen in der rechten Schulter gekommen. Dementsprechend verneinen die Gerichtsgutachter nachvollziehbar ein Bagatelltrauma. Die Tatsache, dass der Unfallhergang einen geeigneten Verletzungsmechanismus darstellt, ergibt sich für das Gericht weiter aus den Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Seite 507, auf der unter dem Schlagwort „geeignete Verletzungsmechanismen“ zur Verletzung einer Supraspinatussehne ausdrücklich ausgeführt wird: massives plötzliches Rückwärtsreißen oder Heranführen des Arms, Sturz beim Fensterputzen aus der Höhe nach vorn mit noch festhaltender Hand; Treppensturz mit der Hand am Geländer. Diese Unfallhergänge sind für eine Verursachung zwar nicht beweisend, aber durchaus geeignet. Die Voraussetzungen für weitergehende Kausalitätsüberlegungen sind damit gegeben; die wesentliche (Teil-)Ursache ist zu ermitteln.
33 
Die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Gegenargumentation der Beklagten, beim Unfallereignis vom 23. Juni 2005 handele es sich lediglich um ein auslösendes Moment, bei dem eine bestehende Vorerkrankung der rechten Schulter gelegenheitsursächlich verwirklicht worden sei, vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht zu überzeugen. Das von der Beklagten zu Recht beigezogene Vorerkrankungsverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers ist im Hinblick auf Schulterverletzungen blank, d. h. ohne Eintrag. Der Kläger ist also wegen Schulterbeschwerden niemals arbeitsunfähig gewesen. Der einzige Hinweis, der sich auf eine Vorerkrankung der rechten Schulter des Klägers ergibt, findet sich in der apodiktisch knappen Befunddarstellung des Hausarztes des Klägers, Dr. S., vom 29. Oktober 2005, in der es heißt, der Kläger sei am 16. Juni 2005 wegen einer Periarthritis der rechten Schulter mit Schmerzmitteln versorgt worden. Die medizinische Bezeichnung Periarthritis ist ein Sammelbegriff für Reizungen, Entzündungen im Weichteilbereich an einem Gelenk, insbesondere auch in den Sehnenansätzen und dem Verlauf der Sehnen, an Schleimbeutel und an Muskeln im gelenknahen Bereich. Damit könnte eine Vorerkrankung der später, nach dem Unfallereignis gerissenen Bizepssehne beim Kläger zwar in der Tat vorgelegen haben; gegen eine wesentliche Degeneration der langen Bizepssehne bereits zum Unfallzeitpunkt spricht aber nach Aktenlage, dass in der Röntgenuntersuchung vom 4. Juli 2005 - also nur wenige Tage nach dem Unfallereignis - keine gravierenden degenerativen Veränderungen im Sinne einer AC-Gelenksarthrose erkennbar gewesen sind. Ebenso wenig werden solche Veränderungen in der damals durchgeführten Sonographie der Schulter beschrieben. Die von der Beklagten gleichwohl aufgestellte These, auslösendes Moment für die Bizepssehnenruptur sei in erster Linie die AC-Gelenksarthrose gewesen, müssen somit als „rein spekulativ“ beurteilt werden (so zutreffend Gutacher Prof. Dr. R.).
34 
Die Beklagte muss sich in diesem Zusammenhang auch vorhalten lassen, den Sachverhalt nicht adäquat aufgeklärt und durchermittelt zu haben. Sie stützt ihre Argumentation allein auf ein Wort des Hausarztes des Klägers Dr. S. vom 29. Oktober 2005 („Periarthritis“), bei dem es nicht einmal für notwendig erachtet worden ist, durch nochmalige Nachfrage um präzisere Angaben zu bitten. Geschweige denn hat die Beklagte, wie es bereits im Verwaltungsverfahren geboten gewesen wäre, ein orthopädisch-chirurgisches Sachverständigengutachten als Zusammenhangsgutachten veranlasst. Diese Verfahrensweise hat dazu geführt, dass allein das Gericht die Sachverhaltsaufklärungsarbeit hat leisten müssen und geleistet hat.
35 
Soweit sich die Beklagte dann der Sachverhaltsermittlung im gerichtlichen Verfahren aufgenommen hat, ist dies der jüngsten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zufolge (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Februar 2008, B 2 U 8/07 R, Terminsbericht Nr. 7/08 vom 8. Februar 2008; zuvor bereits entsprechend: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20. Juni 2007, L 17 U 125/704, Breith. 2008, S. 104, 110 ff.) erheblich verfahrensfehlerhaft geschehen. Denn bei der Anforderung der gutachtlichen Äußerung von Dr. W. hat die Beklagte gegen die Regelung in § 200 Abs. 2 SGB VII verstoßen, weil sie den Kläger weder vorher auf sein Widerspruchsrecht gegen die Übermittlung seiner Sozialdaten hingewiesen noch ihm mehrere Gutachter zur Auswahl benannt hat. § 200 Abs. 2 SGB VII gilt auch für Gutachten und gutachtlichen Stellungnahmen, die ein Unfallversicherungsträger im Laufe eines Gerichtsverfahrens in Auftrag gibt. Bei der gutachtlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 18. Dezember 2007, die immerhin elf Seiten umfasst, handelt es sich um ein Gutachten im Sinn von § 200 Abs. 2 SGB VII; der dort verwendete Begriff ist weit auszulegen und erfasst alle sachkundigen Äußerungen, die ihrem Inhalt nach Gutachtenscharakter haben (vgl. Bundessozialgericht, a. a. O.). Ausgenommen sind lediglich prüfärztliche Stellungnahmen von dem Organisationsbereich des Versicherungsträgers zuzurechnenden Ärzten, das heißt von solchen Ärzten, die beim Versicherungsträger angestellt sind oder denen gegenüber der Versicherungsträger weisungsbefugt ist. Dies ist bei Dr. W., der als Chefarzt eines nicht im Organisationsbereich der Beklagten stehenden Krankenhauses beschäftigt ist, offenkundig nicht der Fall. Dr. W. hat mit der Beklagten, wie von der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau N., fernmündlich dem Kammervorsitzenden bestätigt, lediglich einen Beratervertrag als freier Mitarbeiter.
36 
Gutachten, die unter Verstoß gegen die den Schutz der Sozialdaten bezweckenden Belehrungspflicht zustande gekommen sind, dürfen vom Gericht nicht verwertet werden. Da die gutachtliche Stellungnahme von Dr. W. Bestandteil der Gerichtsakte geworden ist, erstreckt sich das Beweisverwertungsverbot auf diese Stellungnahme, deren Inhalt das Gericht folglich nicht zur Kenntnis nehmen darf und nicht zur Kenntnis genommen hat.
37 
Schließlich merkte das Gericht an, dass angesichts des blanken Vorerkrankungsverzeichnisses und unter besonderer Berücksichtigung des noch relativ jungen Alters des Klägers zum Zeitpunkt des Unfallereignisses - damals ist der Kläger erst knapp 37 Jahre alt gewesen - objektiv nichts für wesentliche degenerative Veränderungen an Schultergelenk und Sehnen des rechten Arms spricht. In dieses Bild fügt sich eine weitere Tatsache schlüssig ein. Der linke Arm des Klägers und das linke Schultergelenk sind den gutachtlichen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. R. zufolge ohne jeden krankhaften Befund gewesen, insbesondere habe sich dort keine arthritische Erkrankung nachweisen lassen.
38 
Das Gericht folgt dem Gutachter Prof. Dr. R. auch im Hinblick auf seine Einschätzung zur MdE, die er auf Dauer mit 20 bewertet. Zur Begründung führt Prof. Dr. R. aus, dass eine deutliche Kraftminderung durch den Riss der langen Bizepssehne rechts beim Kläger auszumachen ist. Diese Kraftminderung führt zwar bei leichten Alltagsbewegungen zu nur kaum feststellbaren Auffälligkeiten und hat für solche Bewegungen mithin auch kaum einschränkenden Charakter. Dies deshalb, weil ein Teil der Funktion der langen Bizepssehne durch die kurze Bizepssehne übernommen werden kann. Dadurch wird auch das typische Abrutschen des Muskelbauchs im Alltagsleben nahezu unbemerkt bleiben oder lediglich als kosmetisch störend empfunden. Ganz anders aber sieht die Situation bei körperlich starker Arbeit, wie sie der Kläger bis heute zu verrichten hat, aus. Hierbei wirkt die deutliche Kraftminderung im rechten Arm durch Riss der langen Bizepssehne nicht unerheblich leistungseinschränkend. Dies gilt erst Recht im Hinblick darauf, dass es sich beim Kläger um einen Rechtshänder handelt. Mit der MdE-Bewertung aufgrund der festgestellten Funktionseinschränkungen des rechten Arms liegt der Gutachter Prof. Dr. R. im Übrigen auch im Rahmen dessen, was Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O., Seite 514 vorgeben. Dort heißt es zu den Beurteilungswerten für die MdE bei Sehnenrissen pauschalierend, dass bei einem Quermaß der schmerzhaften Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die Beweglichkeit des Arms beim Vorwärts- und Rückwärtsdreh sowie beim seitwärts Drehen sowie bei der Ausführung von Hinterhaupt-, Nacken- und Schürzengriff eine MdE von 10 bis 20 vom Hundert festzustellen ist. Im Rahmen dieser Bandbreite, wenn auch am oberen Ende, liegt die entsprechende Empfehlung von Prof. Dr. R.
39 
Der Beginn der Unfallrente richtet sich nach § 56 Abs. 1 SGB VII. Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert sind, einen Anspruch auf Rente. Der Versicherungsfall ist mit dem Unfallereignis vom 23. Juni 2005 eingetreten. Mit Ablauf von 26 Wochen nach diesem Unfallereignis - vorliegend also ab dem 29. Dezember 2005 - beginnt damit die dem Kläger zu gewährende Unfallrente.
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
im Rahmen des § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass die betroffene Person der Übermittlung widerspricht; die betroffene Person ist von dem Verantwortlichen zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form schriftlich oder elektronisch auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen,
1a.
im Rahmen der Geltendmachung und Durchsetzung sowie Abwehr eines Erstattungs- oder Ersatzanspruchs,
2.
im Rahmen des § 69 Absatz 4 und 5 und des § 71 Absatz 1 Satz 3,
3.
im Rahmen des § 94 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches.

(3) Ein Widerspruchsrecht besteht nicht in den Fällen des § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, des § 275c Absatz 1 und des § 275d Absatz 1 des Fünften Buches, soweit die Daten durch Personen nach Absatz 1 übermittelt werden.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

Tenor

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Oktober 2011 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt wurde, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten zu entfernen. Die Berufung der Klägerin wird auch insoweit zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Löschung beratungsärztlicher Stellungnahmen und eines Schriftsatzes aus den Verwaltungsakten der Beklagten, sowie ob sie nach § 44 SGB X einen Anspruch auf Rücknahme der Entscheidung über die Ablehnung einer Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 hat.

2

Am 24.10.2001 erlitt die Klägerin einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, als ihr Fahrzeug auf der Autobahn in einer Linkskurve einen Defekt an der Servolenkung hatte. Sie konnte das Fahrzeug nicht mehr lenken, es jedoch auf einem zufällig in gerader Fahrtrichtung gelegenen Parkplatz anhalten. Die Klägerin zeigte der Beklagten das Ereignis als Arbeitsunfall an. Die Beklagte stellte durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 11.6.2004 das Ereignis als Arbeitsunfall fest. Durch weiteren Verwaltungsakt in diesem Bescheid lehnte sie die Gewährung einer Verletztenrente ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 13.8.2004 ohne Erfolg.

3

In dem deswegen angestrengten Rechtsstreit sprach das SG Karlsruhe der Klägerin unter Anerkennung einer Panikstörung als Unfallfolge mit Urteil vom 10.2.2006 (S 4 U 3809/04) eine Rente nach einer MdE um 20 vH zu und wies die weitergehende Klage ab. Beide Beteiligten legten Berufung ein. Das LSG hob mit Urteil vom 21.2.2008 das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klagen insgesamt ab. Das LSG stützte sich auf das von ihm eingeholte Gutachten des Prof. Dr. Fo. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil des LSG auf und verwies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Das Gutachten Prof. Dr. Fo. sei nicht verwertbar, da es in wesentlichen Teilen nicht durch den Sachverständigen selbst, sondern durch den mitunterzeichnenden Arzt erstellt worden sei (Verletzung des § 407a Abs 2 Satz 1 ZPO). In dem wiedereröffneten Berufungsverfahren verblieb das LSG mit Urteil vom 14.5.2009 (L 10 U 5978/08) bei seiner ursprünglichen Entscheidung. Auch gegen dieses Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die durch Beschluss des Senats vom 4.8.2009 (B 2 U 164/09 B) als unzulässig verworfen wurde.

4

Noch vor Beendigung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde beantragte die Klägerin am 19.6.2009 bei der Beklagten, alle gutachterlichen Stellungnahmen in den Verwaltungsakten zu löschen, namentlich die ihr bekannten Stellungnahmen der Dres. W., H. und F. Sie beantragte auch, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 "aufzuheben". Auf diesen Antrag hin entfernte die Beklagte die Stellungnahmen des Dr. F. vom 13.10.2003 und des Dr. W. vom 9.4.2005 aus den Verwaltungsakten.

5

Durch Verwaltungsakt im Bescheid vom 28.8.2009 lehnte die Beklagte es ab, den Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 zurückzunehmen und ein neues Verwaltungsverfahren einzuleiten. Trotz Löschung der beiden ärztlichen Gutachten bestünden keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide. Die Beklagte lehnte es durch weiteren Verwaltungsakt in demselben Bescheid aber ab, weitere ärztliche Stellungnahmen zu löschen. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5.2.2010).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Karlsruhe erhoben, mit der sie unter Anfechtung dieser Bescheide die Zurücknahme der Rentenablehnung (Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004), Zahlung einer Rente sowie die Löschung aller beratungsärztlichen Stellungnahmen, insbesondere derjenigen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004, des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 begehrte. Das SG hat die Klagen durch Gerichtsbescheid vom 11.11.2010 abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, die zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen seien unter Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII zustande gekommen. Nach Löschung der ärztlichen Stellungnahmen ergebe sich eine neue Tatsachenlage, sodass die Beklagte in die Überprüfung der ursprünglichen Verwaltungsakte eintreten müsse. Dieser Anspruch sei auch deshalb gegeben, weil für das vom LSG im früheren Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Fo. ein Beweisverwertungsverbot bestehe, wie das BSG mit Beschluss vom 18.11.2008 entschieden habe. Das LSG hat mit Urteil vom 28.10.2011 den Bescheid der Beklagten vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 geändert und die Beklagte verpflichtet, auch die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

7

Die Klägerin und die Beklagte haben die vom LSG zugelassene Revision eingelegt.

8

Die Klägerin macht geltend, sie habe Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005, weil ein Verstoß gegen § 200 Abs 2 SGB VII vorliege. Außerdem beansprucht sie die Aufhebung der Rentenablehnung im Bescheid vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 auf der Grundlage des § 44 Abs 1 SGB X und Zahlung einer Rente wegen des fraglichen Arbeitsunfalls. Das Urteil des LSG beruhe auch auf einer Verletzung des § 44 SGB X. Das LSG lehne einen Anspruch auf Zurücknahme der ablehnenden Entscheidung über eine Rente ab, obwohl aufgrund der zu löschenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten eine hinreichende Tatsachengrundlage zur Beurteilung des Rentenanspruchs der Klägerin nicht mehr vorliege. Insbesondere sei das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar, weil dieses unter Verstoß gegen § 118 Abs 1 SGG iVm § 407a Abs 2 ZPO zustande gekommen sei und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Die Beklagte müsse den Anspruch erneut prüfen und eine Rente zahlen.

9

Die Klägerin beantragt:

        

1.    

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.10.2011 wird abgeändert.

        

2.    

Der Gerichtsbescheid des SG Karlsruhe vom 11.11.2010 wird aufgehoben.

        

3.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005 sowie die gutachterliche Stellungnahme des Herrn Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten zu entfernen.

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, unter Aufhebung des Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie des Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

10

Die Klägerin beantragt weiterhin,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2011 insoweit aufzuheben, als die Beklagte darin verpflichtet wird, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4.2004 und 28.5.2004 aus der Verwaltungsakte zu entfernen und die Berufung insoweit zurückzuweisen.

12

Die Beklagte beantragt weiterhin,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

13

Das Urteil des LSG beruhe auf einer Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII, soweit das LSG ein Beweisverwertungsverbot mit Fernwirkung für die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 angenommen habe. Diese könnten in der Verwaltungsakte verbleiben, verwertet und der Entscheidung zugrunde gelegt werden.

Entscheidungsgründe

14

Die nach Zulassung der Revision durch das LSG jeweils form- und fristgerecht eingelegten Revisionen der Klägerin und der Beklagten sind zulässig.

15

Die Klägerin begehrt die Änderung des Urteils des LSG, weil sie mit der Anfechtungs- und Leistungsklage die Entfernung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 sowie der gutachterlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 aus den Verwaltungsakten beanspruchen könne (1.). Sie beantragt auch, das Urteil des LSG im Hinblick auf die Entscheidung über das zweite, in objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) verbundene Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsbegehren zu ändern. Die Beklagte sei zu verurteilen, unter Aufhebung der Ablehnung einer Rücknahme und unter Verpflichtung zur Zurücknahme des die Rente ablehnenden Bescheids vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004, der Klägerin aufgrund des Arbeitsunfalls vom 24.10.2001 eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (2.). Schließlich begehrt die Beklagte mit ihrer Revision die Aufhebung der vom LSG ausgesprochenen Verpflichtung zur Löschung der ärztlichen Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 aus den Verwaltungsakten (3.).

16

Die Revision der Klägerin ist unbegründet, diejenige der Beklagten ist begründet.

17

1. Das wegen des Löschungsanspruchs zuletzt noch verfolgte Anfechtungs- und Leistungsbegehren der Klägerin ist hinreichend bestimmt und auch sonst zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin verfolgt in der Revision nur noch einen Anspruch auf Löschung der Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 (hierzu unter b) und eines Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 (hierzu sogleich unter a).

18

Die Anträge sind insoweit auch hinreichend bestimmt. Zwar bezieht sich der Antrag der Klägerin nicht auf einzelne Passagen mit Sozialdaten in den streitigen Dokumenten (vgl zu dieser Frage BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23). Der geltend gemachte Löschungsanspruch nach § 84 SGB X würde aber leer laufen, wenn aus einem Dokument - quasi Zeile für Zeile - die beanstandeten Sozialdaten benannt und deren Löschung, Entfernung usw jeweils einzeln beantragt werden müsste. Das verbleibende Dokument wäre zudem ohne Bezug zu einer konkreten Person oder einem konkreten Lebenssachverhalt und deshalb unbrauchbar.

19

Die Klägerin hat aber keinen Löschungsanspruch. Nach § 84 Abs 2 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Die Beklagte war zuständig und befugt, über den Löschungsanspruch der Klägerin zu entscheiden. Die "Speicherung" des Gutachtens war zulässig. Die Beklagte hat nach den Maßstäben des Sozialdatenschutzes zulässig gehandelt (§ 67c Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGB X), als sie den Schriftsatz vom 18.4.2005 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in die Verwaltungsakte einfügte, denn sie hatte auf Antrag der Klägerin über das Bestehen eines Anspruchs auf Feststellung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 56 SGB VII) zu entscheiden (vgl auch BSG vom 20.7.2010 - B 2 U 17/09 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 2 RdNr 23).

20

Der Senat hat bereits mit Urteil vom 20.7.2010 (aaO) infrage gestellt, ob § 200 Abs 2 SGB VII trotz seines Wortlauts, der eine solche Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht, so ausgelegt werden kann, dass die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung eines Gutachtens hinreichend bestimmt anordnet(BSG aaO RdNr 27 f). Diese Frage muss weiterhin nicht beantwortet werden, denn im vorliegenden Fall lagen schon jeweils die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 200 Abs 2 SGB VII für eine Unzulässigkeit der Speicherung nicht vor.

21

a) Ein Anspruch auf Löschung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.4.2005 besteht nicht.

22

Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII durch Erstellung oder Einreichung des Schriftsatzes eines Beteiligten bei Gericht scheidet schon im Ansatz aus. Die Regelung statuiert für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Rechtspflichten lediglich bei der Einholung von Gutachten. Ein solches liegt aber nicht in dem Schriftsatz der Beklagten vom 18.4.2005. Der damalige Geschäftsführer der Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens auf Veranlassung des LSG den Schriftsatz vom 18.4.2005 - ua zu medizinischen Fragen - beim LSG eingereicht. Stellungnahmen eines Beteiligten - auch wenn sie wie hier durch ein gesetzlich zuständiges Organ, im Rahmen von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren abgegeben werden - sind keine Gutachten. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Schriftsatz teilweise Sozialdaten enthält und enthalten muss.

23

Der Schriftsatz ist auch nicht aufgrund einer denkbaren Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu entfernen, denn die mögliche Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots betrifft nur (weitere) Beweismittel ("weiteres Beweismittel", so BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 63), nicht aber das bloße Vorbringen eines Beteiligten im Prozess.

24

b) Auch ein Anspruch auf Löschung der ärztlichen Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 besteht nicht, weil auch diese kein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII ist.

25

Das LSG hat - insoweit für den Senat bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, dass die Stellungnahme des Dr. H. vom 27.3.2006 zwölf Seiten umfasst und sich im Einzelnen mit dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. He. vom 11.3.2005 auseinandersetzt. Inhaltlich stellt sich die Stellungnahme von Dr. H. danach als fachärztliche, kritische Bewertung des Gutachtens des Dr. He. dar, die nicht überwiegend von eigenen Auswertungen der Akten und eigenen Schlussfolgerungen geprägt ist. Auf der Grundlage dieser vom LSG getroffenen und nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen hat das LSG zu Recht den rechtlichen Schluss gezogen, dass die streitige beratungsärztliche Stellungnahme nicht die Merkmale eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erfüllt.

26

"Nach ihrem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang mit den §§ 67 ff SGB X gilt die zitierte Vorschrift(gemeint ist § 200 Abs 2 SGB VII) für Gutachten, die der Unfallversicherungsträger zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben in Auftrag gibt. Der Begriff des Gutachtens wird im Gesetz selber nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend fällt darunter nicht jedwede Äußerung oder Stellungnahme eines medizinischen oder technischen Sachverständigen zu einzelnen Aspekten des Verfahrensgegenstandes, sondern nur die umfassende wissenschaftliche Bearbeitung einer im konkreten Fall relevanten fachlichen Fragestellung durch den Sachverständigen" (so wörtlich BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 16, s auch aaO RdNr 19, 26). Ein Gutachten liegt nur vor, wenn die Beantwortung der Fragen durch einen externen Sachverständigen, dh durch eine Person erfolgt, die dem Unfallversicherungsträger nicht angehört und mit diesem auch keinen Dienst- oder Beratungsvertrag abgeschlossen hat (BSG aaO RdNr 19; so auch Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 200 RdNr 17).

27

Die nach diesen rechtlichen Kriterien nicht die Qualität eines Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII erreichende Stellungnahme des Dr. H. unterliegt auch nicht kraft Fernwirkung einem Beweisverwertungsverbot, denn Dr. H. nimmt nicht auf ein anderes Gutachten Bezug, das seinerseits wegen Verstoßes gegen eine Pflicht aus § 200 Abs 2 SGB VII unverwertbar wäre. Der Senat kann deshalb aus Anlass dieses Falles auch nicht entscheiden (vgl schon BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3 RdNr 35 f), ob ein im Falle der Verletzung des § 200 Abs 2 Alt 1 SGB VII bestehendes Beweisverwertungsverbot für ein Gutachten eine Fernwirkung auf andere Beweismittel entfaltet, die das unverwertbare Beweismittel ihrerseits wiedergeben oder hierzu Stellung nehmen(kritisch dazu BSG aaO; bejahend aber BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 62 f).

28

Denn auch das Gutachten des Dr. He., mit dem sich Dr. H. in seiner beanstandeten Stellungnahme auseinandersetzte, unterliegt keinem Beweisverwertungsverbot nach § 200 Abs 2 SGB VII. Eine Verletzung des § 200 Abs 2 SGB VII liegt nicht vor, weil nicht ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, der allein Adressat der Pflichten dieser Regelung ist, das Gutachten des Dr. He. in Auftrag gegeben hat. Bei diesem Gutachten handelt es sich um ein Gerichtsgutachten, das nach Maßgabe der §§ 118 f SGG iVm §§ 402 f ZPO eingeholt wurde. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ihrerseits sind nicht verpflichtet, vor Erteilung eines Gutachtenauftrags die Beteiligten über ein Auswahlrecht oder ein Widerspruchsrecht zu belehren. Von dem vorliegenden Sachverhalt sind aber die Konstellationen zu unterscheiden, in denen ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung während eines Rechtsstreits selbst Aufträge für Gutachten vergibt. In diesen Fällen sind die Vorgaben des § 200 Abs 2 SGB VII wiederum zu beachten(dazu BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1).

29

Das auf Löschung eines Schriftsatzes und einer ärztlichen Stellungnahme gerichtete Revisionsbegehren der Klägerin ist mithin unbegründet.

30

2. Soweit die Klägerin mit der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (vgl zur Zulässigkeit dieser Kombination von Klagen: Mutschler in WzS 2009, 193, 196; Baumeister in jurisPK-SGB X, § 44 RdNr 154) die Beseitigung des ablehnenden Bescheids vom 28.8.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.2.2010 sowie die Zurücknahme der Rentenablehnung im Verwaltungsakt vom 11.6.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.8.2004 (Ausgangsbescheid) und Zahlung einer Rente begehrt, ist ihre Revision ebenfalls unbegründet.

31

Es liegen keine Anhaltspunkte iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X dafür vor, dass bei Erlass des Ausgangsbescheids das Recht unrichtig angewandt wurde. Auch hat sich nicht ergeben, dass die Beklagte seinerzeit von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich (inzwischen) als unrichtig erwiesen hat.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin unterliegt das Gutachten des Prof. Dr. Fo. jedenfalls in diesem (neuen) Verfahren nicht kraft Bindungswirkung gemäß § 170 Abs 5 SGG einem Verwertungsverbot. Zwar hat der Senat mit Beschluss vom 18.11.2008 (B 2 U 101/08 B) das Urteil eines anderen Senats des LSG aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen. Das BSG hat dabei entschieden, das Gutachten des Prof. Dr. Fo. sei gemäß § 407a Abs 2 ZPO unverwertbar. Der Zurückverweisungsbeschluss nach § 160a Abs 5 SGG ist eine urteilsgleiche Entscheidung, welche Bindungswirkung hat(s § 170 Abs 5 SGG; dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 19d aE). Allerdings besteht die Bindungswirkung des Beschlusses gemäß § 170 Abs 5 iVm Abs 2 Satz 2 SGG nur gegenüber dem Gericht, an das das BSG im anhängigen Rechtsstreit zurückverwiesen hat. Dieses Gericht ist bei "seiner Entscheidung" an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts gebunden. Dagegen ist ein anderer Senat des LSG, der - wie hier - in einem späteren Rechtsstreit wegen eines Löschungsanspruchs nach § 200 Abs 2 SGB VII und eines Anspruchs nach § 44 SGB X mit der Sache befasst war, nicht an die rechtliche Beurteilung des BSG aus dem früheren Verfahren gebunden. Die Vorinstanz konnte hier aufgrund der inzwischen gewonnenen Erkenntnisse nach Maßgabe des § 128 Abs 1 SGG darüber entscheiden, ob das Gutachten des Prof. Dr. Fo. verwertbar ist, ohne an die Rechtsauffassung des BSG aus dem vorherigen Verfahren gebunden zu sein.

33

Doch auch selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellen wollte, dass das Gutachten des Prof. Dr. Fo. unverwertbar ist, besteht dennoch kein Anspruch auf Zurücknahme des Ausgangsbescheids nach § 44 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB X und Zahlung einer Rente.

34

Die Unverwertbarkeit einer oder mehrerer unter vielen Berichten, Stellungnahmen und Gutachten indiziert einen Anspruch auf Rücknahme der die Rente ablehnenden Entscheidung nicht. Denn bei Prüfung eines Anspruchs auf Zugunsten-Entscheidung ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Sachverständigengutachten verwertbar ist oder nicht, sondern ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG (zum maßgeblichen Zeitpunkt einer Verpflichtungs- und Leistungsklage vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34)Erkenntnisse vorliegen, die die damaligen tatsächlichen Annahmen der Beklagten im Jahre 2004 hinsichtlich des Vorliegens oder Nichtvorliegens psychischer Unfallfolgen als unrichtig erscheinen lassen.

35

Auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel, zu denen auch die von Klägern vorgelegten Äußerungen von Hausärzten und Fachärzten (BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 5/10 R - SozR 4-2700 § 200 Nr 3) sowie von Unfallversicherungsträgern vorgelegte beratungsärztliche Stellungnahmen zählen (vgl Thüringer LSG vom 22.1.2009 - L 1 U 1089/06), hat das LSG zu Recht entschieden, dass die Beklagte im Jahr 2004 nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist. Das LSG hat sich ausführlich mit dem Vorbringen der Klägerin auseinandergesetzt und zur Verwertbarkeit des Gutachtens Prof. Dr. Fo. im Einzelnen argumentiert. Es hat aber gestützt auf das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin sowie die umfangreich beigezogenen Befunde und Aussagen behandelnder Ärzte sowie die eingeholten anderen Gutachten auch den Senat iS des § 163 SGG bindend festgestellt, dass die Klägerin nach dem Abklingen der durch den Unfall hervorgerufenen akuten Belastungssituation nicht mehr zusätzlich psychisch belastet war und ist.

36

3. Auf die Revision der Beklagten ist ihre Verurteilung durch das LSG, die Stellungnahmen des Dr. F. vom 28.4. und 28.5.2004 zu löschen, aufzuheben und die Entscheidung des LSG dahingehend abzuändern, dass die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückgewiesen wird.

37

Allerdings hat das LSG keine Feststellungen dazu getroffen, welche tatsächlichen Umstände die Stellungnahmen des Dr. F. kennzeichnen, sodass der Senat auf dieser Grundlage nicht prüfen konnte, ob diese als "Gutachten" iS des § 200 Abs 2 SGB VII anzusehen sind und deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen können. Das LSG hat seine Entscheidung nur auf die Begründung gestützt, dass die Beklagte einen Löschungsanspruch der Klägerin bezogen auf die "gutachtlichen Äußerungen" des Dr. F. vom 13.10.2003 anerkannt habe und daher nicht ersichtlich sei, weshalb nicht auch die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 "ohne weiteres" zu entfernen seien. Dem ist nicht zu folgen.

38

Die Anerkennung eines Löschungsanspruchs für die ärztliche Stellungnahme des Dr. F. vom 13.10.2003 durch die Beklagte bezieht sich nicht ipso jure auf alle Äußerungen, die dieser Arzt als "Beratungsarzt der Beklagten" zu welchen Fragen und zu welchem Zeitpunkt auch immer abgegeben hat. Wenn überhaupt, kann § 200 Abs 2 SGB VII eine Unzulässigkeit der Datenspeicherung nur begründen, wenn Dr. F. im Auftrag der Beklagten zwei "Gutachten" erstattet hätte (vgl BSG vom 5.2.2008 - B 2 U 8/07 R - BSGE 100, 25 = SozR 4-2700 § 200 Nr 1, RdNr 26).

39

Wie bereits ausgeführt - vgl oben 1b) - sind an den Begriff des Gutachtens iS des § 200 Abs 2 SGB VII hohe Anforderungen zu stellen. Das LSG hat insoweit lediglich festgestellt, dass Dr. F. die Stellungnahmen vom 28.4. und 28.5.2004 als Beratungsarzt der Beklagten abgegeben hat. Zu Umfang und Inhalt der Stellungnahmen hat es aber keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat daher aus Gründen der Prozessökonomie (Lüdtke in Hk-SGG, 4. Aufl 2012, § 163 RdNr 12) den Inhalt der Urkunden, so wie er sich aus den Verwaltungsakten ergibt, in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten unstreitig gestellt (zu dieser Möglichkeit: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 310; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 163 RdNr 5d). Dabei hat sich Folgendes ergeben:

40

Die Stellungnahme des Dr. F. vom 28.4.2004 umfasst ca eine Seite an Text und beantwortete "aktenmäßig" eine Frage zu dem Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik Bad D., in der die Klägerin behandelt worden war. Die Stellungnahme vom 28.5.2004 umfasst nur wenige Zeilen und beantwortete eine ergänzende Frage zur Kostenträgerschaft für diese Maßnahme. Beide Stellungnahmen beziehen sich weder auf Gutachten anderer Ärzte noch erwähnt Dr. F. seine Stellungnahme vom 13.10.2003.

41

Die Stellungnahmen stellen sich inhaltlich damit weder als Gutachten gemäß § 200 Abs 2 SGB VII dar, noch handelt es sich um Ergänzungen zu dem gelöschten Gutachten vom 13.10.2003. Da § 200 Abs 2 SGB VII schon seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nach nicht anwendbar ist, kann die Vorschrift die Unzulässigkeit der Speicherung der streitigen beratungsärztlichen Stellungnahmen nicht begründen.

42

Die Unzulässigkeit der Speicherung dieser Stellungnahmen kann auch nicht aus einer möglichen Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots abgeleitet werden. Ein Beweisverwertungsverbot für den in den Stellungnahmen angesprochenen Bericht einer Psychosomatischen Fachklinik kommt nicht in Betracht, weil es sich auch bei dem Entlassungsbericht einer Klinik, in der der oder die Versicherte behandelt wurde, nicht um ein Gutachten iS des § 200 Abs 2 SGB VII handelt.

43

Die Revision der Beklagten hatte daher Erfolg.

44

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

Fähig, am Verfahren beteiligt zu sein, sind

1.
natürliche und juristische Personen,
2.
Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann,
3.
Behörden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 203/10
Verkündet am:
9. Juni 2011
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Satz 2

a) Bei einem Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen, die als Sachleistungen
gegenüber der Pflegeversicherung abgerechnet werden, ist die Vergütung
nicht im Sinne des § 621 BGB nach Zeitabschnitten bemessen.

b) Der Vertrag eines nach den Bestimmungen des Elften Buches Sozialgesetzbuch
Pflegebedürftigen mit einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung über
ambulante pflegerische Leistungen ist ein Vertrag über Dienste höherer Art.

c) § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB XI regelt die Kündigung eines Vertrags über ambulante
pflegerische Leistungen innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach dem ersten
Pflegeeinsatz, ohne im Übrigen in die bestehenden Kündigungsregelungen des
Dienstvertragsrechts einzugreifen.

d) Die von einem ambulanten Pflegedienst gestellte Geschäftsbedingung in einem
Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen, der Kunde könne den Pflegevertrag
mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündigen, benachteiligt den Pflegebedürftigen
unangemessen und ist unwirksam.
BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - III ZR 203/10 - LG Koblenz
AG Andernach
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juni 2011 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dörr,
Dr. Herrmann, Seiters und Tombrink

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigungsklausel in einem von der Klägerin vorformulierten Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen.
2
Die Klägerin ist Trägerin einer zugelassenen ambulanten Pflegeeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 1, § 72 SGB XI. Sie ist aufgrund eines Vertrags nach § 132a Abs. 2 SGB V auch befugt, Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit den Krankenkassen abzurechnen. Dementsprechend erbringt sie für ihre Kunden Leistungen der Pflegeversicherung und/oder Leistungen der Krankenversicherung sowie frei vereinbarte Leistungen
3
Mit der während des Rechtsstreits verstorbenen früheren Beklagten, die der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) zugeordnet war (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI), bestand ein Pflegevertrag vom 25. Juli 2007. Nach einem Krankenhausaufenthalt vom 20. bis 26. November 2008 kündigte diese den Pflegevertrag am 28. November 2008. Sie nahm angebotene Leistungen der Klägerin nicht mehr entgegen, sondern beauftragte einen anderen Pflegedienst. Die Klägerin, die der Auffassung ist, das Vertragsverhältnis habe im Hinblick auf eine Kündigungsfrist von 14 Tagen erst zum 12. Dezember 2008 sein Ende gefunden, berechnete der früheren Beklagten für die Zeit vom 27. November bis 12. Dezember 2008 die Leistungen, die üblicherweise zu erbringen gewesen wären, ohne Ansatz von Fahrtkosten.
4
Zur Beendigung des Vertrags heißt es in dessen Nummer 6: Der Vertrag endet mit Kündigung oder Tod des Kunden. Bei vorübergehendem stationären Aufenthalt (Kurzzeitpflege, Krankenhaus , Rehabilitationseinrichtung etc.) ruht der Vertrag. Der Kunde kann diesen Vertrag in den ersten zwei Wochen ab Aushändigung eines schriftlichen Exemplars hinsichtlich der Pflegeversicherungsleistungen jederzeit ohne Angabe von Gründen fristlos kündigen. Danach bzw. ansonsten kann der Kunde den Pflegevertrag mit einer Frist von 14 Tagen ordentlich kündigen. Hinsichtlich vereinbarter Leistungen der Krankenpflege (§ 37 SGB V) gilt, dass der Kunde den Vertrag jederzeit gem. § 627 BGB kündigen kann. Der Pflegedienst kann den Vertrag mit einer Frist von 4Wochen kündigen. Die Kündigung bedarf der Schriftform. Die Rechte des Kunden bzw. des Pflegedienstes auf Kündigung aus wichtigem Grund bleiben unberührt.
5
Die - unter Berücksichtigung nicht weiter streitiger Positionen - auf Zahlung von 449,67 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die Revision ist nicht begründet.

I.


7
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die in dem von der Klägerin gestellten Vertrag vereinbarte 14-tägige Kündigungsfrist der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht standhält. Ohne diese Vereinbarung wäre der Vertrag nach § 621 Nr. 5 BGB jederzeit kündbar, da die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen sei und das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit der Klägerin nicht vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehme. Eine andere Kündigungsfrist sei auch nicht der Bestimmung des § 120 Abs. 2 SGB XI zu entnehmen, die ein besonderes Kündigungsrecht während einer Probezeit vorsehe.
8
Zwar sei § 621 Nr. 5 BGB abdingbar, aber bei allgemeinen Geschäftsbedingungen sei § 307 BGB zu berücksichtigen. Die vereinbarte 14-tägige Kündigungsfrist stelle eine erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung dar, die auch Nachteile von einigem Gewicht für den Pflegebedürftigen begründe. Er könne ein besonderes Interesse an der sofortigen Kündigungs- möglichkeit haben. Die von der (früheren) Beklagten in Anspruch genommenen Pflegeleistungen hätten ihre Intimsphäre und ihren persönlichen Bereich betroffen , ohne dass sie sich eine bestimmte Pflegeperson habe aussuchen können. Es sei zu Pflegemängeln gekommen. Auch wenn zwischen den Parteien streitig sei, wer diese Mängel zu vertreten habe, und entsprechende Unstimmigkeiten - auch wegen möglicher Beweisschwierigkeiten - nicht ohne weiteres ein Kündigungsrecht nach § 626 BGB begründeten, müsse ein Pflegebedürftiger sich fristlos von dem Vertrag lösen können, weil er sich anderenfalls von einem Pflegedienst, zu dem er das Vertrauen verloren habe, pflegen lassen oder für diesen Zeitraum einen zusätzlichen Pflegedienst bezahlen müsse.
9
Demgegenüber sei der Pflegedienst weniger schutzwürdig. Er müsse ohnehin, etwa in Fällen eines Krankenhausaufenthaltes oder des Todes des Pflegebedürftigen, flexibel sein. Auch dass die Klägerin im Interesse des Pflegebedürftigen auf ein jederzeitiges Kündigungsrecht verzichte, mache wegen der unterschiedlichen Interessenlage beider Vertragsparteien die Kündigungsklausel für den Pflegebedürftigen nicht angemessen.

II.


10
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
11
1. Rechtsfehlerfrei ist die Überlegung des Berufungsgerichts, dass beim Fehlen einer vertraglichen Kündigungsregelung das hier eingegangene Dienstverhältnis jederzeit gekündigt werden konnte, weil die Vergütung nicht im Sinne des § 621 BGB nach Zeitabschnitten bemessen ist. Die Klägerin erhält für ihre Tätigkeit, die sie nach dem Vertrag monatlich abrechnet, keinen Monatslohn im Sinne des § 621 Nr. 3 BGB. Ihre Tätigkeit wird vielmehr, wie auch die von ihr vorgelegten Abrechnungen vom 1. Dezember 2008 über im Monat November 2008 erbrachte Leistungen der Pflegeversicherung und Krankenversicherung zeigen, nach bestimmten Leistungen und Leistungskomplexen vergütet, die sie für die Pflegebedürftige - soweit es um Leistungen der Pflegeversicherung geht - auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI erbracht hat. Auch wenn sich die Vergütung monatlich in einer weitgehend identischen Größenordnung bewegen wird - vorausgesetzt, die zur Pflege erforderlichen Maßnahmen werden regelmäßig abgerufen -, ist ihr Maß nicht an einen Zeitfaktor gebunden, sondern hängt von der Erbringung bestimmter, gegenständlich beschriebener Leistungen ab.
12
2. Nicht zu beanstanden ist weiter die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die in § 621 BGB geregelten Kündigungsfristen, auch die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des § 621 Nr. 5 BGB, dispositiv sind und durch eine Vereinbarung der Parteien abbedungen werden können. Geschieht dies - wie hier - durch vorformulierte Vertragsbedingungen, die die Klägerin der Pflegebedürftigen gestellt hat, unterliegen diese der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
13
a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach § 307 Abs. 2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
14
b) Zutreffend sieht das Berufungsgericht in der 14-tägigen Kündigungsfrist eine erhebliche Abweichung von der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit nach § 621 Nr. 5 BGB, die in Bezug auf das hier in Rede stehende Vertragsverhältnis zu einer Schwerstpflegebedürftigen mit Nachteilen verbunden ist, die ein erhebliches Gewicht haben. Aus der Sicht des Pflegebedürftigen handelt es sich um ein Vertragsverhältnis, das in besonderer Weise - siehe nur die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI aufgeführten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege - die Intimsphäre des Betroffenen berührt und mit einer großen persönlichen Nähe zu der die Pflege gewährenden Person verbunden ist. Auch wenn man berücksichtigt, dass der Pflegebedürftige auf diese Pflegeverrichtungen ständig angewiesen ist, handelt es sich doch in den Bereichen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität um Dienste, die - ähnlich wie in § 627 Abs. 1 BGB vorausgesetzt - aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen. Das ist nicht etwa deshalb anders, weil der Pflegebedürftige keinen Einfluss darauf hat, welcher Mitarbeiter des Pflegedienstes ihn zu unterstützen hat. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass der Pflegebedürftige, der sich nach Maßgabe des § 37 SGB XI mit Hilfe von Pflegegeld die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung selbst beschaffen könnte, sich einer zugelassenen Pflegeeinrichtung anvertraut, die ihre pflegerischen Leistungen nach § 71 Abs. 1 SGB XI unter der ständigen Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft zu erbringen hat. Diese Pflegefachkraft musste - zum Zeitpunkt des hier maßgebenden Vertragsschlusses - neben dem Abschluss einer Ausbildung als Krankenschwester oder Krankenpfleger, als Kinderkrankenschwester oder Kinderkrankenpfleger oder als Altenpflegerin oder als Altenpfleger eine in § 71 Abs. 3 SGB XI näher beschriebene praktische Berufserfahrung im erlernten Pflegeberuf erworben haben (nach der derzeit gültigen Fassung heißt es statt "Krankenschwester oder Krankenpfleger" jetzt "Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger").
15
c) Ob die vertragliche Kündigungsregelung auch von der Norm des § 627 Abs. 1 BGB abweicht, was die Vorinstanzen nicht geprüft haben, hängt davon ab, ob die von der Klägerin übernommenen Verrichtungen als Dienste höherer Art im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind. Das Oberlandesgericht Hamburg (OLGR 1999, 125, 126), das in einer Kündigungsfrist von einer Woche eine nach § 9 AGBG unwirksame Abweichung von § 621 Nr. 5 BGB gesehen hat, hat diese Frage verneint (ähnlich AG Bad Schwartau, Urteil vom 9. Juli 2009 - 7 C 210/09, juris Rn. 16), weil Berufstätigkeiten wie die ambulante Kranken -, Alten- und Behindertenpflege mit den Vertrauensberufen der Rechtsanwälte , Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Ärzte nicht zu vergleichen seien und häufig von nur angelernten Personen erbracht werden könnten. Sie erforderten zwar persönliche Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit; dies seien aber keine gerade den Inhalt des hier strittigen Dienstvertrags prägenden Merkmale wie die Pflicht zur Verschwiegenheit beim Anwaltsvertrag. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Stuttgart (Sozialrecht aktuell 2010, 228, 230 f) die Leistungen ambulanter Pflegedienste als Dienste höherer Art eingeordnet.
16
Der Senat hält die Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart für vorzugswürdig.
17
aa) Dass bei Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 SGB V ein Kündigungsrecht des Dienstberechtigten nach § 627 Abs. 1 BGB in Betracht kommt, sieht die Klägerin in den von ihr gestellten Vertragsbedingungen selbst so. Hintergrund für diese Auffassung ist, dass für die häusli- che Krankenpflege sowohl zur Vermeidung oder Verkürzung einer ansonsten vorzunehmenden stationären Behandlung (§ 37 Abs. 1 SGB V) als auch zur Behandlungssicherungspflege (§ 37 Abs. 2 SGB V), wie sie hier im November 2008 vor der Aufnahme der früheren Beklagten in stationäre Krankenhausbehandlung stattgefunden hat, therapeutische Leistungen in Rede stehen, um bei einem erkrankten Patienten das Ziel einer ambulanten ärztlichen Behandlung zu sichern. Es liegt nahe, dass solche Tätigkeiten, die die ärztliche Behandlung im Haushalt des (kranken) Pflegebedürftigen ergänzen und sichern sollen, deren Charakter als Dienste höherer Art teilen. Die besondere Vertrauensstellung des Dienstverpflichteten, wie sie für die Anwendung des § 627 BGB typisch ist, wird indiziell dadurch bestätigt, dass auch der Krankenpfleger als Angehöriger eines Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert, einer Schweigepflicht unterliegt, deren Verletzung nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB und - für die berufsmäßig tätigen Gehilfen - in Verbindung mit § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB mit Strafe bedroht ist (vgl. Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 203 Rn. 35; MünchKomm-StGB/Cierniak, § 203 Rn. 31). Ebenso wenig wie beim Arzt ist es für die Qualifizierung einer Leistung als Dienst höherer Art von Bedeutung , ob der Berufsträger sie selbst vornimmt oder ob er sie - im Rahmen seiner Berufspflichten - durch einen Helfer unter seiner Verantwortung vornehmen lässt.
18
bb) Der Senat tritt der Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart bei, dass es bei der allgemeinen Pflege, die nicht Krankenpflege ist, keine ins Gewicht fallenden Unterschiede gibt, die eine andere rechtliche Einordnung rechtfertigen würden. Natürlich sind Hilfen in der hauswirtschaftlichen Versorgung für sich genommen keine Dienste höherer Art. Für die Beurteilung einer zugelassenen Pflegeeinrichtung ist der Hilfebedarf jedoch als Ganzes in Rechnung zu stellen, wobei die Hilfen im Bereich der Körperpflege besonders bedeutsam sind, um - etwa bei Schwerstpflegebedürftigen - Dekubitusschäden zu vermeiden. Die bereits angeführten persönlichen Voraussetzungen für die verantwortliche Pflegefachkraft eines zugelassenen Pflegedienstes verdeutlichen, dass den Berufen der Krankenschwester und des Krankenpflegers sowie denjenigen der Altenpflegerin und des Altenpflegers dieselbe Bedeutung beigemessen wird, wobei auch der Altenpfleger als Angehöriger eines Heilberufs, der im Altenpflegegesetz (i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. August 2003, BGBl. I S. 1690) seine nähere Ausgestaltung gefunden hat, mit seinen Gehilfen der Norm des § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterliegt (vgl. Lenckner/Eisele aaO). Der Senat stimmt dem Oberlandesgericht Stuttgart (aaO S. 231) darin zu, dass der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen, der neben Fachwissen auch den persönlichen Lebensbereich in einer vertraulichen bis intimen Form betrifft, nicht hinter der Betreuung durch einen Inkassobeauftragten (vgl. hierzu Senatsurteil vom 29. April 2004 - III ZR 279/03, NJW-RR 2004, 989), einen Partnerschaftsvermittler (vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 1989 - IVa ZR 354/87, BGHZ 106, 341, 345 f) oder Angehörige anderer Berufe im Gesundheitsbereich zurückbleibt (vgl. zum Krankengymnasten AG Andernach NJW-RR 1994, 121; zum Heilpraktiker LG Kassel NJW-RR 1999, 1281; vgl. im Einzelnen MünchKomm -BGB/Henssler, 5. Aufl., § 627 Rn. 20; Staudinger/Preis, BGB, Bearb. 2002, § 627 Rn. 19).
19
cc) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht aus der Bestimmung des § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB XI, nach der der Pflegebedürftige den Pflegevertrag innerhalb von zwei Wochen nach dem ersten Pflegeeinsatz ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann. Die Bestimmung wurde durch Art. 1 Nr. 23 des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes vom 9. September 2001 (BGBl. I S. 2320) in das Elfte Buch Sozialgesetzbuch eingefügt. Mit ihr sollten - abgesehen vom Zivilrecht - erstmals Vorgaben zum Vertragsverhältnis zwischen dem Träger eines Pflegedienstes und den von ihm betreuten Pflegebedürftigen eingeführt werden. Dabei stand das Bestreben im Vordergrund , neben den sich aus dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ergebenden Ansprüchen auf die Gewährung von Sachleistungen durch zugelassene Pflegeeinrichtungen auch die "individualrechtliche" Verpflichtung des Pflegedienstes gegenüber dem Pflegebedürftigen zu verdeutlichen und ins Bewusstsein zu rücken, dass mit Abschluss eines schriftlich fixierten Pflegevertrags Transparenz geschaffen wird, indem die Pflegebedürftigen über ihre Rechte und Pflichten hinreichend informiert werden und eine ausreichende Rechtsklarheit auch im Rechtsverhältnis zu dem Träger des Pflegedienstes besteht. Zur Kündigungsregelung in § 120 Abs. 2 SGB XI wird ausgeführt, sie ermögliche zunächst eine probeweise Inanspruchnahme des Pflegedienstes. Bei der Regelung handele es sich nicht um eine Kündigungsfrist, sondern um eine Frist, innerhalb derer das Recht zur fristlosen Kündigung wahrgenommen werden könne (vgl. BT-Drucks. 14/5395 S. 47).
20
Danach lässt § 120 Abs. 2 SGB XI die allgemein geltenden Vorschriften des Dienstvertragsrechts, insbesondere § 621 Nr. 5 BGB, unberührt. Der Regelung kann auch nicht im Umkehrschluss entnommen werden, abgesehen von Fällen einer fristlosen Kündigung nach § 626 BGB könne ein Pflegevertrag nach Ablauf von 14 Tagen nach dem ersten Pflegeeinsatz nur noch unter Inanspruchnahme einer bestimmen Frist und unter Angabe bestimmter Gründe gekündigt werden. Zwar mögen solche Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahren bestanden haben, wofür sprechen könnte, dass die Vereinbarung einer Kündigungsfrist - auch durch einseitig gestellte Vertragsbedingungen - als nicht problematisch angesehen wurde. Es fehlt indes eine nähere, über die Dauer einer probeweisen Inanspruchnahme des Pflegedienstes hinausreichende Begrün- dung der Vorstellungen des Gesetzgebers, die den Schluss zuließen, er habe in die bestehenden Kündigungsregelungen des Dienstvertragsrechts eingreifen wollen.
21
d) Sind hiernach die Verrichtungen der Klägerin, auch soweit sie sich allein auf Sachleistungen der Pflegeversicherung beziehen, schwerpunktmäßig und typisierend als Dienste höherer Art zu qualifizieren, ist in der Abbedingung der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit für den Pflegebedürftigen, der - ob zu Recht oder Unrecht - sein Vertrauen in die Tätigkeit des Pflegedienstes verloren hat, eine unangemessene Benachteiligung seiner Interessen zu sehen (vgl. Senatsurteile vom 19. Mai 2005 - III ZR 437/04, NJW 2005, 2543; vom 9. Juni 2005 - III ZR 436/04, WM 2005, 1667, 1669 jew. mwN). Sie wird nicht dadurch aufgewogen, dass die Klägerin nach den von ihr gestellten Bedingungen eine Kündigungsfrist von vier Wochen zu beachten hat. Mit Recht weist das Landgericht darauf hin, dass der Verzicht der Klägerin auf eine kürzere Kündigungsfrist für sie eine andere Bedeutung hat und - wie hinzuzufügen ist – die Situation des Pflegebedürftigen nicht im Sinne eines angemessenen Ausgleichs verbessert. Ohnehin wäre die Klägerin nach § 627 Abs. 2 BGB bei Inanspruchnahme der Kündigungsberechtigung zur Rücksichtnahme verpflichtet, damit sich der Dienstberechtigte die notwendigen Dienste anderweit beschaffen kann.
22
3. Hat die frühere Beklagte daher den Pflegevertrag wirksam gekündigt, steht der Klägerin für die angebotenen, aber nicht mehr entgegengenommenen Leistungen keine Vergütung zu.
Schlick Dörr Herrmann
Seiters Tombrink
Vorinstanzen:
AG Andernach, Entscheidung vom 22.12.2009 - 63 C 96/09 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 10.08.2010 - 6 S 22/10 -

(1) Personen oder Stellen, die nicht in § 35 des Ersten Buches genannt und denen Sozialdaten übermittelt worden sind, dürfen diese nur zu dem Zweck verarbeiten, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind. Eine Übermittlung von Sozialdaten nach den §§ 68 bis 77 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift in diesem Gesetzbuch an eine nicht-öffentliche Stelle auf deren Ersuchen hin ist nur zulässig, wenn diese sich gegenüber der übermittelnden Stelle verpflichtet hat, die Daten nur für den Zweck zu verarbeiten, zu dem sie ihr übermittelt werden. Die Dritten haben die Daten in demselben Umfang geheim zu halten wie die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen. Sind Sozialdaten an Gerichte oder Staatsanwaltschaften übermittelt worden, dürfen diese gerichtliche Entscheidungen, die Sozialdaten enthalten, weiter übermitteln, wenn eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle zur Übermittlung an den weiteren Dritten befugt wäre. Abweichend von Satz 4 ist eine Übermittlung nach § 115 des Bundesbeamtengesetzes und nach Vorschriften, die auf diese Vorschrift verweisen, zulässig. Sind Sozialdaten an Polizeibehörden, Staatsanwaltschaften, Gerichte oder Behörden der Gefahrenabwehr übermittelt worden, dürfen diese die Daten unabhängig vom Zweck der Übermittlung sowohl für Zwecke der Gefahrenabwehr als auch für Zwecke der Strafverfolgung und der Strafvollstreckung speichern, verändern, nutzen, übermitteln, in der Verarbeitung einschränken oder löschen.

(2) Werden Daten an eine nicht-öffentliche Stelle übermittelt, so sind die dort beschäftigten Personen, welche diese Daten speichern, verändern, nutzen, übermitteln, in der Verarbeitung einschränken oder löschen, von dieser Stelle vor, spätestens bei der Übermittlung auf die Einhaltung der Pflichten nach Absatz 1 hinzuweisen.

(3) Ergibt sich im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens nach § 66 die Notwendigkeit, dass eine Strafanzeige zum Schutz des Vollstreckungsbeamten erforderlich ist, so dürfen die zum Zweck der Vollstreckung übermittelten Sozialdaten auch zum Zweck der Strafverfolgung gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt, in der Verarbeitung eingeschränkt oder gelöscht werden, soweit dies erforderlich ist. Das Gleiche gilt auch für die Klärung von Fragen im Rahmen eines Disziplinarverfahrens.

(4) Sind Sozialdaten an Gerichte oder Staatsanwaltschaften für die Durchführung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens übermittelt worden, so dürfen sie nach Maßgabe der §§ 476, 487 Absatz 4 der Strafprozessordnung und der §§ 49b und 49c Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt, in der Verarbeitung eingeschränkt oder gelöscht werden.

(5) Behörden der Zollverwaltung dürfen Sozialdaten, die ihnen zum Zweck der Vollstreckung übermittelt worden sind, auch zum Zweck der Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Ansprüche anderer Stellen als der in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen verarbeiten.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Tenor

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2. werden das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufgehoben, soweit es die Feststellung der Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betrifft.

Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens zu erstatten. Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 als Beschäftigter in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) versicherungspflichtig war.

2

Der 1975 geborene Kläger war bereits während seines Gartenbaustudiums für die Beigeladene zu 1. - eine GmbH & Co. KG mit dem Unternehmensgegenstand "Handel mit Baumschulerzeugnissen" - tätig. Persönlich haftende Gesellschafterin war die " H Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung" (im Folgenden: Komplementär-GmbH). Gesellschafter der Komplementär-GmbH waren ursprünglich die Eltern des Klägers mit einer Einlage in Höhe von insgesamt 20 000 DM sowie Herr D (im Folgenden D.) mit einer Einlage in Höhe von 30 000 DM. D. war zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Kommanditisten der Beigeladenen zu 1. waren D. mit einer Kommanditeinlage von 15 000 DM und die Mutter des Klägers mit einer Kommanditeinlage von 10 000 DM. Die Beigeladene zu 1. ist dem Einzelunternehmen "Baumschule H" (im Folgenden: Baumschule) "vorgeschaltet", um die Baumschule von Haftungsrisiken aus dem Handel mit den Erzeugnissen zu entlasten. Die Baumschule verkauft sämtliche Pflanzen an die Beigeladene zu 1., die sie wiederum an Gartenzentren weiterverkauft. Die Baumschule ist der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. Sie verfügte über ca 100 Beschäftigte, während die Beigeladene zu 1. als "Vertriebsgesellschaft" über neun Beschäftigte verfügte. Die Baumschule ist ein Hof im Sinn der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige Hoferbe. Die Nachfolge ist zum 1.1.2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger führt seit diesem Zeitpunkt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung übernommen.

3

Der Kläger wurde durch einen zwischen ihm und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003 neben dem Geschäftsführer D. zum weiteren Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. bestellt. In dem Vertrag wurde festgehalten, dass der Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführerordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weiterhin wurde der Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Als Monatsgehalt wurde ein Betrag in Höhe von 2100 Euro brutto vereinbart. Im Krankheitsfall sollte eine sechsmonatige Weiterzahlung der Bezüge erfolgen. Als Jahresurlaub wurden 24 Arbeitstage vereinbart. Zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Baumschule wurde der Kläger am 1.1.2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1.

4

Durch Bescheid vom 23.8.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.2007 stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle aufgrund der Angaben des Klägers in einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung fest, dass der Kläger in der Zeit vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig sei.

5

Die dagegen erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen (Urteil des SG vom 22.10.2009; Urteil des LSG vom 5.11.2010). Das LSG ist von fehlender Versicherungspflicht des Klägers ausgegangen und hat ausgeführt: Für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung sprächen zwar der Anstellungsvertrag, die Vereinbarung eines monatlichen festen Gehalts, der Anspruch auf Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall sowie der Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub; zudem habe der Kläger mangels Kapitalbeteiligung im streitigen Zeitraum nicht die Rechtsmacht gehabt, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Gleichwohl habe der Kläger "in der Familiengesellschaft" wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken das Geschäft geführt. Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen. Er habe in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter D. über die erforderlichen Branchenkenntnisse verfügt. Er habe bereits seine Diplomarbeit über "die Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen" geschrieben und konkrete Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebs entwickelt. Wesentliche Geschäftsbereiche habe er selbst wahrgenommen. Er habe die Verhandlungen mit wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater gewesen. Der Kläger habe über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich - "dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1." - tätig waren. Er habe die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt. Weder der Gesellschafter D. noch die Mutter des Klägers hätten seine Aktivitäten tatsächlich kontrolliert. Darüber hinaus habe der Kläger regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet. Besonders zu berücksichtigen seien die familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger habe als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1. und künftiger Inhaber der Baumschule und Hoferbe ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der "miteinander verbundenen Unternehmen" gehabt. Aufgrund der vorliegenden Konstellation sei der Mitgeschäftsführer und Gesellschafter D. eher vom Kläger abhängig gewesen als umgekehrt.

6

Mit der allein von ihm eingelegten Revision rügt der RV-Träger (Beigeladene zu 2.) sinngemäß eine Verletzung von § 7 Abs 1 SGB IV, insbesondere eine Divergenz zur seit dem Jahr 2006 ergangenen Rechtsprechung des BSG(BSG Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66; BSG Urteil vom 24.1.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 7), da nach der Rechtsauffassung des LSG eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheide, wenn die tatsächlichen Verhältnisse (vorliegend eine familiäre Verbundenheit und eine Verbindung von zwei Unternehmen) die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses sprechenden rechtlichen Aspekte überlagern. Dabei habe das LSG nicht die aktuelle Rechtsprechung des BSG berücksichtigt, wonach maßgeblich die Rechtsbeziehung sei, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Bei einem Geschäftsführer, der wie der Kläger nicht Gesellschafter der GmbH ist, sei auf die ihm eingeräumte Rechtsmacht abzustellen. Sowohl der Anstellungsvertrag als auch der Gesellschaftsvertrag unterwürfen jedoch Änderungen der Vertragsbestimmungen der Schriftform. Entsprechende Änderungen seien nicht dokumentiert, weshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger Beschlüsse der Gesellschafterversammlung weder habe herbeiführen noch verhindern können.

7

Die Beigeladene zu 2. beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 5. November 2010 und des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben, soweit sie die Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 betreffen und die Klage insoweit abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beigeladenen zu 2. zurückzuweisen.

9

Er verteidigt die angefochtenen Urteile. Er habe in Bezug auf die Beigeladene zu 1. ohne Beschränkungen handeln können. Ein nach dem Gesellschaftsvertrag eventuell erforderliches Zustimmungserfordernis der Kommanditisten für außergewöhnliche Geschäfte sei stillschweigend abbedungen worden. Die Schriftformklausel sei hierfür ohne Belang, da auch sie stillschweigend abbedungen worden sei.

10

Die Beklagte hat sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2. angeschlossen. Die Beigeladenen zu 1., 3. und 4. äußern sich nicht.

Entscheidungsgründe

11

Die auf die Feststellung von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV im Zeitraum 1.2.2003 bis 31.12.2005 beschränkte Revision der Beigeladenen zu 2. ist zulässig und begründet. Bescheid und Widerspruchsbescheid der beklagten Krankenkasse (als Einzugsstelle) erweisen sich insoweit als rechtmäßig. In diesem Umfang sind die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und ist die Klage abzuweisen.

12

1. Obwohl die Beigeladene zu 2. in der Revisionsbegründung entgegen § 164 Abs 2 S 3 SGG keine Rechtsnorm ausdrücklich bezeichnet hat, die sie durch das Urteil des LSG als verletzt ansieht, ist die Revision noch zulässig. Denn es reicht aus, wenn sich aus dem Inhalt der Darlegungen des Revisionsklägers ergibt, dass er sich mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat und inwieweit er bei der Auslegung der angewandten Rechtsvorschriften anderer Meinung ist (BSG SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2 mwN; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 9c, 11 mwN). Die Revisionsbegründung macht hinreichend deutlich, dass die Beigeladene zu 2. zum einen die Auffassung des LSG angreift, bei der Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit komme den familiären Umständen und der besonderen wirtschaftlichen Verbindung zwischen zwei Unternehmen ausschlaggebende Bedeutung zu, und zum anderen dadurch § 7 Abs 1 SGB IV als verletzt ansieht.

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2. Die Revision der Beigeladenen zu 2. ist auch begründet.

14

Zu Unrecht hat das LSG die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen RV verneint und die Berufung der Beklagten gegen das die Bescheide der Beklagten aufhebende SG-Urteil zurückgewiesen. Das LSG ist zunächst zutreffend von den in der Rechtsprechung des BSG zum Typus der Beschäftigung aufgestellten Rechtssätzen ausgegangen, hat in diesem Rahmen aber die jüngere Rechtsprechung zum Vorrang der tatsächlichen Verhältnisse gegenüber den individualvertraglichen sowie handels- und gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen nicht hinreichend berücksichtigt (hierzu a). Zutreffend hat das LSG Merkmale der konkret vom Kläger ausgeübten Tätigkeit festgestellt (hierzu b). Die hierauf aufbauende rechtliche Würdigung und Beurteilung des Gesamtbilds der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit kann jedoch aufgrund der fehlerhaften Maßstabsbildung keinen Bestand haben (hierzu c). Damit sind auch die vom LSG entscheidungserheblich in den Fokus gerückten familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen miteinander nicht geeignet, die Annahme von Selbstständigkeit zu rechtfertigen (hierzu d).

15

a) Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen RV (vgl § 1 Nr 1 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.2.2002, BGBl I 754). Nach § 7 Abs 1 SGB IV in seiner bis heute unverändert geltenden Fassung ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zum Ganzen zB zuletzt BSG SozR 4-2400 § 28e Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 6 RdNr 14 mwN; siehe insbesondere auch BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 69 f, Nr 13 S 31 f und Nr 4 S 13, jeweils mwN; BSGE 78, 34, 36 = SozR 3-2940 § 2 Nr 5 S 26 f mwN; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit vgl BVerfG SozR 3-2400 § 7 Nr 11).

16

Die Beigeladene zu 2. weist in ihrer Revisionsbegründung zu Recht darauf hin, dass bei der Feststellung des Gesamtbilds den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zukommt. Zwar hat der Senat noch im Urteil vom 22.6.2005 (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 5 RdNr 7) ausgeführt, dass beim Abweichen der Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen letztere den Ausschlag geben. Jedoch hat er diese Aussage in Zusammenfassung älterer Entscheidungen nachfolgend präzisiert (insbesondere BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 17; ebenso Urteil vom 25.1.2006 - B 12 KR 30/04 R - USK 2006-8 = ZIP 2006, 678 = Die Beiträge, Beilage 2006, 66, und Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge, Beilage 2008, 333, 341 f): Danach sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Hieran hat der Senat seither festgehalten (vgl zB BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - USK 2009-25; BSG Urteil vom 29.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 17; ferner auch BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 12 KR 25/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 17, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

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Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzurücken: Die tatsächlichen Verhältnisse weichen hier nach den Feststellungen des LSG zwar insbesondere von den Regelungen des zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossenen Anstellungsvertrags ab, jedoch führt dies mit Blick auf die Frage des Vorliegens einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit zu keinem anderen Ergebnis (hierzu c). Daher vermögen auch die Gesichtspunkte "familiäre Umstände" und "Verbindung der beiden Unternehmen" kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen (hierzu d).

18

b) Die dargestellten Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, denn der Kläger war im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Betrieb tätig. Die alleinige Betriebs- bzw Unternehmensinhaberin war die Beigeladene zu 1., die als GmbH & Co. KG ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschafter dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen (hierzu vgl nur BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, RdNr 21 mwN)und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss.

19

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1. im Rahmen einer Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist der "Anstellungsvertrag" vom 27.1.2003, der deren Vertragsverhältnis bestimmte. Dieser Vertrag hatte sowohl nach der Bezeichnung als auch nach seinem vom LSG festgestellten Inhalt - monatliches festes Gehalt, Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Anspruch auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub - ein Arbeitsverhältnis zum Gegenstand. Auf der Grundlage dieses Vertrages wurde der Kläger als weiterer Geschäftsführer neben dem Geschäftsführer D. der Beigeladenen zu 1. tätig. Rechtlich relevante Änderungen des schriftlichen "Anstellungsvertrags" - unabhängig von der Frage insoweit einzuhaltender Formerfordernisse - hat das LSG nicht festgestellt.

20

c) Der Kläger verrichtete seine Geschäftsführertätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 1.2.2003 bis 31.12.2005 im Rahmen einer (abhängigen) Beschäftigung.

21

Der Kläger war im streitigen Zeitraum weder an der Beigeladenen zu 1. noch an deren Komplementär-GmbH beteiligt. Er war weder Kommanditist der Beigeladenen zu 1. noch Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Vielmehr war er insoweit als Fremdgeschäftsführer anzusehen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH hat das BSG jedoch regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen und diese nur unter besonderen Umständen verneint (vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 79 mwN).

22

Der Kläger war auch in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Nach § 2 Abs 1 des Anstellungsvertrags hatte er seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung zu stellen.

23

Der Kläger war zudem auch nicht alleiniger Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. Vielmehr war neben ihm D. als weiterer Geschäftsführer tätig. Eine Einschränkung der Befugnisse von D. als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. hat das LSG nicht festgestellt. Zwar ergibt sich aus dem vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen aus dem Jahr 2006, dass er für die Geschäftsbereiche "Kredit, Steuern, Werbung, Investition" exklusiv zuständig war. Die Geschäftsbereiche "Einkauf, Vertrieb, Personal" fielen danach aber sowohl in die Zuständigkeit des Klägers als auch in die Zuständigkeit des D. Auch in der praktischen Zusammenarbeit bewahrte sich D. einen eigenen Aufgabenbereich: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen beschränkte er seine Tätigkeit mehr auf den praktischen Bereich des Unternehmens, insbesondere auf die Verpackung und Übersendung der Ware. Auch ist ausdrücklich festgestellt worden, dass D. dem Kläger lediglich "in seinen Geschäftsbereichen" völlig freie Hand gelassen habe. Schließlich haben die Vorinstanzen auch bei der Feststellung, dass der Kläger über die Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden habe, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies nur für den Geschäftsbereich galt, für den er zuständig war.

24

Weder die dem Kläger im Anstellungsvertrag eingeräumte Handlungsfreiheit noch die darin eingeräumte Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot können eine Selbstständigkeit des Klägers im Rechtssinne rechtfertigen. Dies gilt schon deshalb, weil sich nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Handlungsfreiheit des Klägers von vornherein nur auf bestimmte Geschäftsbereiche der Beigeladenen zu 1. bezog. Zudem hat das BSG bereits entschieden, dass die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot nicht zwingend für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spricht (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 1 RdNr 11 und Nr 8 RdNr 17). Im Übrigen ist die Wahrnehmung von Handlungsfreiheiten für leitende Angestellte, die in einem Betrieb höhere Dienste leisten, geradezu charakteristisch. Sie werden dennoch im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung geleistet, wenn sie - wie hier - fremdbestimmt bleiben, weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen (stRspr seit BSGE 16, 289, 294 = SozR Nr 30 zu § 165 RVO und BSGE 21, 57, 58 f = SozR Nr 2 zu § 2 AVG S 4; in jüngerer Zeit zB BSG SozR 3-2940 § 3 Nr 2 S 9 mwN; BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 und SozR 3-2400 § 7 Nr 20 S 80; vgl - zum Fehlen einer Eingliederung einer hauswirtschaftlichen Familienbetreuerin - BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R - USK 2011-125 = Juris RdNr 22; vgl zum Begriff des "Betriebes" BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 ff). Wie weit die Lockerung des Weisungsrechts in der Vorstellung des Gesetzgebers gehen kann, ohne dass deswegen die Stellung als Beschäftigter entfällt, zeigen beispielhaft die gesetzlichen Sonderregelungen zur Versicherungsfreiheit von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft in der RV und Arbeitslosenversicherung (§ 1 S 4 SGB VI sowie § 27 Abs 1 Nr 5 SGB III), die regelmäßig abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (stRspr BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 65; BSGE 100, 62 = SozR 4-2600 § 1 Nr 3, RdNr 16; BSGE 107, 185 = SozR 4-2600 § 1 Nr 6, RdNr 14). Allein weit reichende Entscheidungsbefugnisse eines "leitenden Angestellten", der in funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess einem gemilderten Weisungsrecht unterliegt, machen diesen nicht schon zu einem Selbstständigen. Auch der von den Vorinstanzen ohne konkrete Feststellungen angeführte Verzicht des Klägers auf einen Teil des Jahresurlaubs spricht per se nicht für Selbstständigkeit, da es auch unter (abhängig) Beschäftigten vorkommt, dass diese auf einen Teil ihres Jahresurlaubs verzichten. Der Verzicht auf einen Teil des Jahresurlaubs hat somit lediglich indiziellen Charakter (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17 S 60).

25

Eine solche, noch dem Typus der Beschäftigung zuzuordnende Eingliederung des Klägers in eine vorgegebene Ordnung des Betriebes der Beigeladenen zu 1. bestand während des gesamten streitigen Zeitraums. Als Mitgeschäftsführer blieb er in die vorgegebene Organisation der Beigeladenen zu 1. eingebunden. Der Kläger besaß keine rechtliche Möglichkeit, auf die konkrete Ausgestaltung der betrieblichen Organisation der Beigeladenen zu 1. Einfluss zu nehmen. Die Organe einer juristischen Person können nicht in einem rechtsfreien bzw der Beliebigkeit der Beteiligten unterstehenden Raum agieren. Vielmehr sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie insbesondere durch das Zivilrecht ausgestaltet sind, zu beachten. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass diese Rahmenbedingungen keinen bloßen, auf den Innenbereich der juristischen Person beschränkten Anwendungsbereich haben, sondern vielfältige und umfangreiche weitere Konsequenzen, etwa zum Schutz von Gläubigern, bei Haftungsfragen oder beispielsweise im Steuerrecht nach sich ziehen. So macht § 164 S 1 HGB bei einer KG Handlungen, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgehen, von der Zustimmung der grundsätzlich von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossenen Kommanditisten abhängig. Zwar ist § 164 HGB dispositiv. Der Kernbereich der Kommanditistenrechte ist jedoch unantastbar (vgl hierzu zB Hopt in Hopt ua, HGB, 35. Aufl 2012, § 164 RdNr 6). Hinzu kommt, dass sog Grundlagengeschäfte, die das Gesellschaftsverhältnis und seine Gestaltung betreffen, stets der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (vgl § 114 HGB; BGHZ 132, 263, 266). Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen kann vorliegend aus der vom LSG angenommenen faktischen Nichtwahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten durch die dazu gesellschaftsrechtlich berufenen Organe nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass dadurch die ihnen zugrundeliegenden Rechte und Pflichten "stillschweigend" abbedungen worden seien. Dabei kommt es auch auf die Frage des Einhaltens der in dem Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Schriftform nicht an. Vor dem Hintergrund der umfangreichen gesellschaftsrechtlichen Verfahrens- und Formvorschriften (vgl §§ 114, 119 Abs 1 HGB) ist eine "stillschweigende" Änderung der grundlegenden rechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus sieht § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrags, der der Gründung der Beigeladenen zu 1. zugrunde lag, ausdrücklich vor, dass zur Geschäftsführung und Vertretung die Komplementärin berechtigt und verpflichtet ist. Änderungen des Gesellschaftsvertrags oder Gesellschafterbeschlüsse der Beigeladenen zu 1. oder der Komplementär-GmbH, die eine Änderung der Geschäftsführerbefugnisse oder eine Definition der Wahrnehmung von Aufsichts-, Kontroll- und Weisungsrechten innerhalb der Beigeladenen zu 1. dokumentieren würden, haben SG und LSG nicht festgestellt. Der Kläger hatte auch weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, wie ein beherrschender oder zumindest mit einer Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen jederzeit abzuwenden (vgl hierzu allgemein zB BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 4 S 13 f; aus jüngerer Zeit BSG <12. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 7 RdNr 28 und<11a. Senat> SozR 4-2400 § 7 Nr 8 RdNr 15, jeweils mwN). Hierzu fehlte es bereits an einer Beteiligung des Klägers am Stammkapital der Beigeladenen zu 1.

26

d) Entgegen der Auffassung des LSG sind auch weder die familiären Umstände (hierzu im Folgenden aa) noch die Verbindung der beiden Unternehmen (hierzu bb) geeignet, die Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen.

27

aa) Das BSG hat in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung - überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrechts - auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbstständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigwerden innerhalb einer Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war (BSG Urteil vom 29.10.1986 - 7 RAr 43/85 - USK 86145; BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170; BSG Urteil vom 14.12.1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7 S 6; BSG Urteil vom 28.1.1992 - 11 RAr 133/90 - USK 9201; BSG Urteil vom 11.2.1993 - 7 RAr 48/92 - USK 9347; im konkreten Fall abgelehnt: BSG Urteil vom 10.5.2007 - B 7a AL 8/06 R - USK 2007-53; umgekehrt allerdings : BSG SozR 3-4100 § 104 Nr 8 S 37). Ohne Geschäftsführerstellung hat der 12. Senat eine - nach den allgemeinen Grundsätzen eigentlich ausgeschlossene - selbstständige Tätigkeit für den Fall als gegeben erachtet, dass der in einer GmbH Tätige neben seinem Ehegatten alleiniger oder gleichberechtigter Gesellschafter der GmbH ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 17). Dabei hat der Senat jedoch nicht auf eine familiäre Verbundenheit, sondern maßgebend auf die mit der Gesellschafterstellung verbundene Rechtsmacht abgestellt (BSG, aaO, S 58, 60). Weitergehend hatte allerdings der 3. Senat bereits 1971 die Selbstständigkeit eines nicht zum (ggf weiteren) Geschäftsführer bestellten Minderheitsgesellschafters angenommen, weil dieser in der betrieblichen Praxis der mit ihm verheirateten Geschäftsführerin und Mehrheitsgesellschafterin vollständig gleichgestellt gewesen sei sowie sich faktisch als zweiter Geschäftsführer betätigt und neben der hauptamtlichen Geschäftsführerin die GmbH nach außen vertreten hatte (BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO; vgl auch BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 72/92 - USK 9448). Noch darüber hinausgehend hat der 11. Senat des BSG eine selbstständige Tätigkeit sogar im Fall des - nicht an der GmbH beteiligten und nicht zum Geschäftsführer bestellten - Sohnes eines Allein-Gesellschafter-Geschäftsführers für möglich gehalten (BSGE 66, 168 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; in Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe vgl aber BSG SozR Nr 22 zu § 165 RVO). Dabei ist der 11. Senat davon ausgegangen, dass für einen Fremdgeschäftsführer einer Familiengesellschaft, der mit den Gesellschaftern familiär verbunden ist, eine Ausnahme von der Beschäftigtenstellung in Betracht komme, wenn er faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen konnte und geführt hat, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 8.12.1987 - 7 RAr 25/86 - USK 87170). Diese Ausnahme solle - so der 11. Senat - auch gelten, wenn der Alleingesellschafter zugleich Alleingeschäftsführer ist und die Tätigkeit der faktischen Leitung des Betriebes formal auf der Ebene unter dem Geschäftsführer ausgeübt werde. Indessen lasse eine bloß "probeweise" Leitung des Betriebs durch den als Unternehmensnachfolger vorgesehenen Sohn eine (abhängige) Beschäftigung nicht entfallen. Wollten die Eltern, dass der Sohn den Betrieb in der bisherigen Art fortführe, und erlaube es ihre Mitarbeit im Betrieb verbunden mit ihrer Rechtsstellung als Gesellschafter und Geschäftsführer, diesen Willen durchzusetzen, so habe für den Sohn die fremdbestimmte betriebliche Ordnung im Sinne einer Beschäftigung fortbestanden, auch wenn er sich innerhalb des durch die bisherige Betriebsführung vorgegebenen Rahmens frei bewegen durfte (BSGE 66, 168, 170 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 4 f; zu einer solchen Konstellation vgl auch LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.5.2010 - L 11 KR 1423/08).

28

Der Senat kann vorliegend offenlassen, ob der vom 11. Senat des BSG formulierten Rechtsauffassung (ggf modifiziert bzw auf gänzlich atypische Sonderfälle beschränkt) bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann oder ob - wofür einiges spricht - der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht als Teil der tatsächlichen Verhältnisse, auf die auch der 11. Senat ausdrücklich hingewiesen hat, maßgebende Bedeutung beizumessen ist. Für Letzteres spricht, dass entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit ist, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde (kritisch aus diesem Grunde auch Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 124). Eine solche "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103; zuletzt Urteil des Senats vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 16).

29

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit die Grundsätze über die rechtliche Relevanz familiärer Rücksichtnahme auf den vorliegenden Fall einer GmbH & Co. KG - bestehend aus natürlichen Personen und einer juristischen Person - überhaupt übertragbar sind. Vorliegend bestanden "familiäre" Beziehungen des Klägers lediglich zu einem der beiden Kommanditisten der Beigeladenen zu 1., nämlich seiner Mutter. Zu D. als weiterem Mehrheits-Kommanditisten und gleichzeitigem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sind keine verwandtschaftlichen Beziehungen festgestellt worden. Zur Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. sind verwandtschaftliche Beziehungen von vornherein ausgeschlossen. Selbst zu den Gesellschaftern der Komplementär-GmbH der Beigeladenen zu 1. bestanden nur teilweise verwandtschaftliche Beziehungen des Klägers, nämlich soweit diese seine Eltern waren bzw nach dem Ausscheiden des Vaters aus der Gesellschaft seine Mutter war. Die Mehrheit der Geschäftsanteile in der Komplementär-GmbH wie auch die Mehrheit der Kommanditeinlagen lagen bei D.

30

bb) Die konkrete wirtschaftliche Situation bzw die faktische Verbindung der Beigeladenen zu 1. zur Baumschule als "vorgeschaltetem" Einzelunternehmen sind schließlich ebenfalls nicht geeignet, eine Selbstständigkeit des Klägers zu bejahen. Eine auch sozialversicherungsrechtlich - möglicherweise - relevante wirtschaftliche Verflechtung der Beigeladenen zu 1. zu der im streitigen Zeitraum vom Vater des Klägers betriebenen Baumschule - beispielsweise innerhalb einer Konzernstruktur (vgl § 18 AktG) - haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Eine Verbindung beider Unternehmen miteinander bestand nach den Feststellungen lediglich insoweit, als die Baumschule der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1. war. Diese wirtschaftliche Situation legt zwar die Annahme einer wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1. von der Baumschule nahe. Hieraus allein ergäbe sich aber keine Änderung der Beurteilung der Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1., da der Kläger im streitigen Zeitraum nicht Eigentümer bzw Betriebsinhaber der Baumschule war. Er hatte seinerzeit lediglich die Aussicht, als Hoferbe die Baumschule zu übernehmen, was jedoch erst später zum 1.1.2006 erfolgte.

31

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der Anteil der zu erstattenden Kosten entspricht dem Verhältnis der im streitigen Zeitraum für den Kläger zur gesetzlichen RV und zur Arbeitsförderung zu entrichtenden Beiträge.

(1) § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, daß der Unfallversicherungsträger auch auf ein gegenüber einem anderen Sozialleistungsträger bestehendes Widerspruchsrecht hinzuweisen hat, wenn dieser nicht selbst zu einem Hinweis nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 des Zehnten Buches verpflichtet ist.

(2) Vor Erteilung eines Gutachtenauftrages soll der Unfallversicherungsträger dem Versicherten mehrere Gutachter zur Auswahl benennen; die betroffene Person ist außerdem auf ihr Widerspruchsrecht nach § 76 Abs. 2 des Zehnten Buches hinzuweisen und über den Zweck des Gutachtens zu informieren.

(1) Die Erteilung eines Auftrags im Sinne des Artikels 28 der Verordnung (EU) 2016/679 zur Verarbeitung von Sozialdaten ist nur zulässig, wenn der Verantwortliche seiner Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde rechtzeitig vor der Auftragserteilung

1.
den Auftragsverarbeiter, die bei diesem vorhandenen technischen und organisatorischen Maßnahmen und ergänzenden Weisungen,
2.
die Art der Daten, die im Auftrag verarbeitet werden sollen, und den Kreis der betroffenen Personen,
3.
die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Verarbeitung der Daten im Auftrag erfolgen soll, sowie
4.
den Abschluss von etwaigen Unterauftragsverhältnissen
schriftlich oder elektronisch anzeigt. Soll eine öffentliche Stelle mit der Verarbeitung von Sozialdaten beauftragt werden, hat diese rechtzeitig vor der Auftragserteilung die beabsichtigte Beauftragung ihrer Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde schriftlich oder elektronisch anzuzeigen.

(2) Der Auftrag zur Verarbeitung von Sozialdaten darf nur erteilt werden, wenn die Verarbeitung im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem diesem nach § 35 Absatz 7 des Ersten Buches gleichgestellten Staat, oder, sofern ein Angemessenheitsbeschluss gemäß Artikel 45 der Verordnung (EU) 2016/679 vorliegt, in einem Drittstaat oder in einer internationalen Organisation erfolgt.

(3) Die Erteilung eines Auftrags zur Verarbeitung von Sozialdaten durch nicht-öffentliche Stellen ist nur zulässig, wenn

1.
beim Verantwortlichen sonst Störungen im Betriebsablauf auftreten können oder
2.
die übertragenen Arbeiten beim Auftragsverarbeiter erheblich kostengünstiger besorgt werden können.
Dies gilt nicht, wenn Dienstleister in der Informationstechnik, deren absolute Mehrheit der Anteile oder deren absolute Mehrheit der Stimmen dem Bund oder den Ländern zusteht, mit vorheriger Genehmigung der obersten Dienstbehörde des Verantwortlichen beauftragt werden.

(4) Ist der Auftragsverarbeiter eine in § 35 des Ersten Buches genannte Stelle, gelten neben den §§ 85 und 85a die §§ 9, 13, 14 und 16 des Bundesdatenschutzgesetzes. Bei den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen, die nicht solche des Bundes sind, tritt anstelle des oder der Bundesbeauftragten insoweit die nach Landesrecht für die Kontrolle des Datenschutzes zuständige Stelle. Ist der Auftragsverarbeiter eine nicht-öffentliche Stelle, unterliegt dieser der Aufsicht der gemäß § 40 des Bundesdatenschutzgesetzes zuständigen Behörde.

(5) Absatz 3 gilt nicht bei Verträgen über die Prüfung oder Wartung automatisierter Verfahren oder von Datenverarbeitungsanlagen durch andere Stellen im Auftrag, bei denen ein Zugriff auf Sozialdaten nicht ausgeschlossen werden kann. Die Verträge sind bei zu erwartenden oder bereits eingetretenen Störungen im Betriebsablauf unverzüglich der Rechts- oder Fachaufsichtsbehörde mitzuteilen.

(1) Die nachfolgenden Begriffsbestimmungen gelten ergänzend zu Artikel 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; L 314 vom 22.11.2016, S. 72; L 127 vom 23.5.2018, S. 2) in der jeweils geltenden Fassung.

(2) Sozialdaten sind personenbezogene Daten (Artikel 4 Nummer 1 der Verordnung (EU) 2016/679), die von einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch verarbeitet werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben.

(3) Aufgaben nach diesem Gesetzbuch sind, soweit dieses Kapitel angewandt wird, auch

1.
Aufgaben auf Grund von Verordnungen, deren Ermächtigungsgrundlage sich im Sozialgesetzbuch befindet,
2.
Aufgaben auf Grund von über- und zwischenstaatlichem Recht im Bereich der sozialen Sicherheit,
3.
Aufgaben auf Grund von Rechtsvorschriften, die das Erste und das Zehnte Buch für entsprechend anwendbar erklären, und
4.
Aufgaben auf Grund des Arbeitssicherheitsgesetzes und Aufgaben, soweit sie den in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen durch Gesetz zugewiesen sind. § 8 Absatz 1 Satz 3 des Arbeitssicherheitsgesetzes bleibt unberührt.

(4) Werden Sozialdaten von einem Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches verarbeitet, ist der Verantwortliche der Leistungsträger. Ist der Leistungsträger eine Gebietskörperschaft, so sind der Verantwortliche die Organisationseinheiten, die eine Aufgabe nach einem der besonderen Teile dieses Gesetzbuches funktional durchführen.

(5) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter § 81 Absatz 3 fallen.

(1) Die Übermittlung von Sozialdaten, die einer in § 35 des Ersten Buches genannten Stelle von einem Arzt oder einer Ärztin oder einer anderen in § 203 Absatz 1 und 4 des Strafgesetzbuches genannten Person zugänglich gemacht worden sind, ist nur unter den Voraussetzungen zulässig, unter denen diese Person selbst übermittlungsbefugt wäre.

(2) Absatz 1 gilt nicht

1.
im Rahmen des § 69 Absatz 1 Nummer 1 und 2 für Sozialdaten, die im Zusammenhang mit einer Begutachtung wegen der Erbringung von Sozialleistungen oder wegen der Ausstellung einer Bescheinigung übermittelt worden sind, es sei denn, dass die betroffene Person der Übermittlung widerspricht; die betroffene Person ist von dem Verantwortlichen zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in allgemeiner Form schriftlich oder elektronisch auf das Widerspruchsrecht hinzuweisen,
1a.
im Rahmen der Geltendmachung und Durchsetzung sowie Abwehr eines Erstattungs- oder Ersatzanspruchs,
2.
im Rahmen des § 69 Absatz 4 und 5 und des § 71 Absatz 1 Satz 3,
3.
im Rahmen des § 94 Absatz 2 Satz 2 des Elften Buches.

(3) Ein Widerspruchsrecht besteht nicht in den Fällen des § 275 Absatz 1 bis 3 und 3b, des § 275c Absatz 1 und des § 275d Absatz 1 des Fünften Buches, soweit die Daten durch Personen nach Absatz 1 übermittelt werden.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält. Bei den Geschäftsführern der Versicherungsträger tritt an die Stelle der Aufsichtsbehörde der Vorstand.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses oder Beirats gilt § 16 Abs. 4 entsprechend.

(1) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.

(2) Der Ablehnungsantrag ist bei dem Gericht oder Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, vor seiner Vernehmung zu stellen, spätestens jedoch binnen zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Der Antrag kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(3) Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden.

(4) Die Entscheidung ergeht von dem im zweiten Absatz bezeichneten Gericht oder Richter durch Beschluss.

(5) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den sie für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.