Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 23. Okt. 2015 - L 8 AL 4146/14

bei uns veröffentlicht am23.10.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.08.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX hat.
Bei dem Kläger, geboren 1968, deutscher Staatsangehöriger, wurde mit Bescheid des Landratsamts L. vom 20.03.2013 (Blatt 12/13 der Beklagtenakte) wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand ein Grad der Behinderung von 30 seit 30.03.2012 festgestellt. Infolge eines Arbeitsunfalles im Jahr 2010 mit plurifragmentärer intraartikulärer Grundgliedgelenksfraktur am 2. Finger rechts besteht eine ausgeprägte Bewegungseinschränkung mit Beugekontraktur, zuletzt mit funktioneller Einsteifung im Grundgelenk bei 70o im Grundgelenk und 30o im proximalen Interphalagealgelenk (vgl. Auskunft Dr. M., Blatt 24 der Senatsakte; Auskunft Prof. Dr. H., Blatt 48 der Senatsakte). Im Übrigen bestehen Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich (vgl. Auskunft Dr. M., Blatt 25 der Senatsakte).
Der Kläger ist seit dem 01.05.2011 in Teilzeit (27,5 Stunden/Woche) in Wechsel- und Nachtschicht beim Klinikum L. im Personen- und Patientenbegleitdienst (Patientenbegleiter) beschäftigt (Blatt 4 der Beklagtenakte).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 02.01.2013 (Blatt 1/2 der Beklagtenakte) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. In dem von ihm ausgefüllten und der Beklagten vorgelegten Antragsformular (Blatt 3/7 der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend, seit einem Arbeitsunfall im Jahr 2010 leide er unter Rückenschmerzen und den Folgen einer Trümmerfraktur der rechten Hand. Er arbeite nur in Teilzeit, sei Vater von zwei Kindern und wünsche sich eine Absicherung.
Die Beklagte befragte den Arbeitgeber des Klägers, dessen Schwerbehindertenvertretung und dessen Betriebsrat. Diese teilten am 21.10.2013 bzw. 22.10.2013 (dazu vgl. Blatt 24/27, 28/31, 32/36 der Beklagtenakte) mit, die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers seien bekannt, wirkten sich jedoch auf die Tätigkeit des Klägers nicht aus. Der Arbeitsplatz des Klägers sei behinderungsgerecht gestaltet. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes aufgrund behinderungsbedingter Auswirkungen oder sonstiger Gründe liege nicht vor.
Nachdem sich der Kläger auf Aufforderungen, seinen Antrag auf Gleichstellung näher zu begründen (Schreiben vom 08.10.2013), nicht geäußert hatte und nach entsprechenden Hinweisen, versagte die Beklagte die Gleichstellung nach § 66 SGB I aufgrund fehlender Mitwirkung (Bescheid vom 17.12.2013, Blatt 38 der Beklagtenakte).
Der Bevollmächtigte des Klägers übersandte mit Schreiben vom 27.12.2013 eine Erklärung des Klägers mit weiteren Ausführungen zur Begründung des Antrags (Blatt 41/42 der Beklagtenakte). Der Kläger gab u.a. an er habe anhaltende starke Schmerzen. Er könne aufgrund der Schmerzen seine Hand nicht voll nutzen und sei somit nicht voll leistungsfähig. Darüber hinaus erhob der Kläger am 20.01.2014 (Blatt 43 der Beklagtenakte) Widerspruch zu dessen Begründung er darauf verwies, er habe vorgetragen, warum und weshalb sich seine Behinderung auf die täglich Arbeit auswirke. Seine Leistungsfähigkeit sei schmerzbedingt eingeschränkt und er sei nicht mehr in der Lage, die rechte Hand mit voller Kraft einzusetzen.
Mit Bescheid vom 05.02.2014 (Blatt 45 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 (Blatt 46/49 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Der Kläger könne seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit Einschränkungen nachkommen. Der Arbeitsgeber, der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung hätten eine behindertenbedingte Arbeitsplatzgefährdung verneint.
Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Heilbronn am 24.03.2014 erhobenen Klage hat der Kläger u.a. vorgetragen, er arbeite auf Kosten seiner Restgesundheit. Er könne aufgrund seiner Schmerzen und der Gebrauchseinschränkung seiner Hand seine Arbeit nur mit erheblichen Beschwerden ausüben. Sein Arbeitsplatz sei nicht behinderungsgerecht gestaltet und für ihn nicht geeignet. Er arbeite jedoch trotz der Schmerzen, weil er andernfalls eine Entlassung befürchte. Ferner drohe sich die Gebrauchsfähigkeit seiner rechten Hand zu verschlechtern, wenn er weiterhin als Patientenbegleiter arbeite. Er müsse oft bettlägerige oder im Rollstuhl sitzende Patienten begleiten und benötige die volle Kraft der Hand, obwohl ihm dies erhebliche Beschwerden bereite.
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Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 26.08.2014 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Erforderlich sei eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes aufgrund der Behinderung. Vorliegend hätten der Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung und der Betriebsrat übereinstimmend mitgeteilt, dass keine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes vorliege. Ferner handele es sich - auch nach dem eigenen Vortrag des Klägers - nicht um einen geeigneten Arbeitsplatz.
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Gegen den seinem Bevollmächtigten am 28.08.2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.09.2014 beim SG (Eingang beim Landessozialgericht Baden-Württemberg am 01.10.2014) Berufung eingelegt. Er habe anlässlich des Arbeitsunfalls eine Trümmerfraktur des Zeigefingers erlitten. Selbst drei Operationen hätten die Hand und ihre Funktion nicht wieder herstellen können. Der rechte Zeigefinger und das dazugehörige Gelenk stünden deutlich und klauenhaft vor. Eine Amputation sei angeraten worden. Außerdem leide er unter Schmerzen der Wirbelsäule, wo Bandscheibenvorfälle im Bereich der Lendenwirbelsäule festgestellt worden seien. Er müsse als Patientenbegleiter die rechte Hand so einsetzen, dass er Schmerzen habe. An schlechten Tagen müsse er Medikamente einnehmen, um die rechte Hand bestimmungsgemäß als Patientenbegleiter beim Schieben von Betten und Rollstühlen und beim Umsetzen der Patienten einsetzen. Es verstehe sich von selbst, dass er diese Probleme nicht an die große Glocke hänge und den Arbeitgeber, den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung hierüber informiere. Er habe die Zähne zusammengebissen und den Wunsch, den Arbeitsplatz zu erhalten. Die konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes liege auf der Hand. Er könne selbstverständlich den Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes genügen. Niemand habe sich bisher Gedanken darüber gemacht, ob man es nicht dem Arbeitgeber zumuten könne, seinen Arbeitsplatz so auszugestalten, dass er behindertengerecht sei. Hier habe man dem sozialrechtlichen Untersuchungsgrundsatz nachkommen können und müssen. Außerdem sei es so, dass er selbstverständlich als Patientenbegleiter tätig sein könne, wenn er nicht gezwungen sei, die verletzte Hand massiv einzusetzen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 26.08.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 17.12.13 und 05.02.14 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.14 zu verpflichten, ihn einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Eine Gleichstellung könne nur für einen geeigneten Arbeitsplatz ausgesprochen werden. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimme sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen.
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Der Senat hat die ihm vom Kläger benannten behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 24/45 und 46/51 der Senatsakte Bezug genommen.
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Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin und Chirotherapie Dr. M. hat in seiner schriftlichen Aussage vom 01.12.2014 angegeben, der Kläger sei zuletzt am 12.09.2013 bei ihm gewesen. Die Frage, ob der Kläger noch in der Lage sei, ohne unmittelbare Gefährdung seiner Gesundheit Tätigkeiten als Patientenbegleiter in einer Klinik sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben, hat er bejaht, dagegen die Frage, ob der Kläger behinderungsbedingt unverzichtbare Tätigkeiten am Arbeitsplatz als Patientenbegleiter nicht oder nur noch unter Inkaufnahme sofort oder sicher deswegen künftig auftretender gesundheitsschädlicher Folgen verrichten kann, verneint (d.h. der Kläger könne unverzichtbare Arbeiten noch ausüben).
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Prof. Dr. H. hat in seiner Stellungnahme vom 20.12.2014 über die letzte Vorstellung des Klägers am 12.05.2014 zwecks Begutachtung im Rahmen eines zweiten Rentengutachtens berichtet. Der Kläger habe nach wie vor über ziehende Schmerzen und Krämpfe, die in den Unterarm ziehen, berichtet. Er müsse oft Schmerztabletten einnehmen. Die Wetterfühligkeit und die Verfärbung des Fingers bei kühlem Wetter bestünden nach wie vor. Weiter habe der Kläger darüber geklagt, dass er sich immer häufiger an dem Finger stoße, da er weniger spüre und dass er die rechte Hand nur schlecht benutzen könne, aufgrund des fehlenden Faustschlusses. Schwere handwerkliche Arbeit sei durch die vorhandene Gesundheitsstörung nicht möglich. Schätze man die Patientenbegleitung als leichte Tätigkeit ein, sei diese ohne Nachteil für den Kläger durchführbar. Es werde durch die Tätigkeit als Patientenbegleiter im vollschichtigen Umfang keine wesentliche unmittelbare Gefährdung der Gesundheit eintreten. Er gehe davon aus, dass der Kläger unverzichtbare Tätigkeiten am Arbeitsplatz als Patientenbegleiter ausüben könne ohne sofortige oder künftig auftretende gesundheitsschädliche Folgen in Kauf nehmen zu müssen, da es sich um keine schwere handwerkliche Tätigkeit handele.
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Der Senat hat des Weiteren das Gutachten von Prof. Dr. H. vom 16.06.2014 von der BG Bau beigezogen (zum Gutachten vgl. Blatt 58/61 der Senatsakte).
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 68, 69 der Senatsakte).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
24 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
25 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG) wendet (zur Klageart vgl. BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris RdNr. 9); sein Antrag wurde insoweit sachdienlich verstanden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.12.2013, mit dem die Beklagte die Gleichstellung des Klägers mangels Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt hatte. Denn mit dem Bescheid vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 hat die Beklagte die Verfügung aus dem Bescheid vom 17.12.2013 i.S.d. § 48 SGB X aufgehoben (dazu vgl. BSG 22.02.1995 – 4 RA 44/94 – BSGE 76, 16-28 = SozR 3-1200 § 66 Nr. 3 = SozR 3-1200 § 61 Nr. 1 = juris RdNr. 38), denn sie hat deutlich gemacht, dass nach Nachholung der Mitwirkung die bisherige Verfügung keine Geltung mehr haben und vielmehr nach materiellem Recht entschieden werden soll.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragsstellung in erster Linie dieser Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris; zuletzt vgl. BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 12).
27 
Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
28 
Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung „soll“ in § 2 Abs. 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der Beklagten ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5, = juris RdNr. 34; BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - juris; BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris).
29 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Gleichstellung erfolgt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch feststellenden Verwaltungsakt nach § 69 SGB IX. (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 13).
30 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4; BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 13).
31 
Der Begriff des Arbeitsplatzes ist in § 73 Abs. 1 SGB IX definiert. Danach sind Arbeitsplätze alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer usw. beschäftigt werden. Der weite Arbeitsplatzbegriff des Abs. 1 wird in Abs. 3 der Vorschrift dahingehend eingeschränkt, dass es sich um einen solchen mit einem Arbeitszeitumfang von 18 Stunden pro Woche handeln muss. Der behinderte Mensch muss daher über eine Resterwerbsfähigkeit verfügen, die ihm die Ausübung einer Beschäftigung von mindestens 18 Stunden pro Woche ermöglicht (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 17)
32 
Vorliegend wird eine Gleichstellung zum Zwecke der Erhaltung des konkreten Arbeitsplatzes geltend gemacht. Einen Anspruch auf Gleichstellung zu diesem Zweck hat der Kläger jedoch nicht.
33 
Der zu schützende Arbeitsplatz muss für den behinderten Menschen geeignet sein (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 18). Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden (dazu vgl. auch Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38, 39). Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 19; BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris RdNr. 16; Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38). Die Beklagte und die Gerichte haben die konkreten Behinderungen und ihre Auswirkungen auf die Eignung des behinderten Menschen für den konkreten Arbeitsplatz zu ermitteln. Danach haben sie zu entscheiden, ob der Arbeitsplatz entweder schon für sich betrachtet geeignet ist oder der Arbeitsplatz jedenfalls durch Umsetzung von Leistungen der Rehabilitationsträger oder des Arbeitgebers so gestaltet werden kann, dass der behinderte Mensch die Anforderungen des Arbeitsplatzes erfüllen kann, ohne seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 19). Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann (Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38). Dagegen ist der Arbeitsplatz nicht schon deshalb ungeeignet, weil Behandlungsbedürftigkeit oder gesundheitlich bedingte Fehlzeiten aufgetreten sind, solange darin ohne Mitwirkung der Arbeitsplatzbelastung nur die Erscheinungsform der Behinderung zum Ausdruck kommt oder trotz Mitwirkung der Arbeitsplatzbelastung keine substanzielle Verschlechterung der Erkrankung oder Ausweitung des Behinderungszustandes zu erwarten ist (vgl. Senatsurteil vom 28.02.2014 a.a.O). Der Einwand des Kläger-bevollmächtigten, die Erfordernisse an die Geeignetheit des Arbeitsplatzes und an die behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung seien widersprüchlich, trifft daher nicht zu. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innegehaltenen - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung (Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38); ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
34 
Diese konkrete Betrachtungsweise bei der Prüfung der Eignung des Arbeitsplatzes ergibt sich bei Auslegung des § 2 Abs. 3 SGB IX nach seinem Sinn und Zweck. Eine Gleichstellung soll erfolgen, damit die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben gesichert wird. Nach der Alt. 2 soll dieses Ziel dadurch erreicht werden, dass er seinen Arbeitsplatz behalten kann (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20). Der behinderte Mensch kann aber immer nur den Arbeitsplatz „behalten“, den er konkret innehat (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20). Die Frage nach der Eignung „eines“ Arbeitsplatzes für den behinderten Menschen kann daher nicht abstrakt für alle Arbeitsplätze geprüft werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20).
35 
Soweit der Kläger selbst angibt, der Arbeitsplatz sei für ihn nicht geeignet, so beschreibt er eine Situation, in der er schon gar nicht dem Schutzbereich des § 2 Abs. 3 SGB IX untersteht. Der Senat konnte jedoch auf Grundlage der Auskünfte der behandelnden Ärzte und des beigezogenen, für die BG Bau erstellten Gutachtens feststellen, dass der Kläger an einem für ihn geeigneten Arbeitsplatz eingesetzt wird. Der konkrete Arbeitsplatz des Klägers ist durch die Begleitung von Patienten geprägt. Dazu muss der Kläger seine rechte Hand einsetzen, auch um Betten bzw. Rollstühle zu schieben. Um eine schwere handwerkliche Tätigkeit handelt es sich nicht. Zwar muss der Kläger seine Hand einsetzen, doch kann das gelegentliche Schieben von Betten und Rollstühlen einer dauernden schweren handwerklichen Tätigkeit nicht gleichgesetzt werden. So konnte Prof. Dr. H. bloß schwere handwerkliche Arbeiten ausschließen. Außerdem konnte er, der als Chefarzt der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie der OKM Orthopädischen Klinik M. GmbH die Tätigkeit eines Patientenbetreuers kennt, mitteilen, dass der Kläger noch in der Lage ist, ohne unmittelbare Gefährdung seiner Gesundheit, Tätigkeiten als Patientenbegleiter in seiner Klinik im vollschichtigen Umfang auszuüben. Das hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. M. bestätigt. Auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. H., das der Senat bei der BG Bau beigezogen hatte, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit des Klägers als Patientenbetreuer für den Kläger auch unter Berücksichtigung der Behinderung an der Hand ungeeignet wäre oder dieser auf Kosten der Restgesundheit arbeiten würde. Der Senat sieht sich insoweit durch die Auskünfte und Einschätzungen des Arbeitgebers, dessen Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates bestätigt. Insbesondere ergeben sich aus deren Auskünfte auch keine relevanten behinderungsbedingten Fehlzeiten oder Leistungsminderungen, die auf eine Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes hindeuten könnten.
36 
Nachdem der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, musste der Senat auch nicht in seine Erwägungen einstellen, ob dieser geeignet gemacht werden oder der Kläger durch innerbetriebliche Umsetzung einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann. Der geeignete Arbeitsplatz des Klägers ist jedoch nicht in Folge seiner Behinderung gefährdet, weshalb eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX nicht erforderlich ist und ein Gleichstellungsanspruch nicht besteht.
37 
Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung muss ein Ursachenzusammenhang bestehen („infolge“; BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 22). Ein solcher liegt vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten (BSG a.a.O. m.w.N.). Die Kausalitätsprüfung hat nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen (BSG a.a.O.). Insoweit muss der behinderte Mensch bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar sein (BSG a.a.O. m.w.N.). Ausreichend für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ist es, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist (BSG a.a.O.; Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 RdNr. 96; Schimanski in Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dagegen reichen betriebliche Defizite wie Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch persönliche Schwierigkeiten mit Vorgesetzten nicht aus, weil diese Umstände nicht auf der Behinderung beruhen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris).
38 
Um den Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung annehmen zu können, ist keine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises erforderlich (BSG a.a.O. RdNr. 23 unter Hinweis auf BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris). Vielmehr genügt, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann (BSG a.a.O. m.w.N.).
39 
Hinweise für die Erforderlichkeit einer Gleichstellung zur Erhaltung des Arbeitsplatzes sind z.B. eine behinderungsbedingt verminderten Arbeitsleistung trotz eines behinderungsgerecht ausgestatteten Arbeitsplatzes, in Abmahnungen oder Abfindungsangeboten im Zusammenhang mit behinderungsbedingt verminderter Leistungsfähigkeit oder in notwendigen Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter sowie in eingeschränkter beruflicher Mobilität (BSG a.a.O. RdNr. 24).
40 
Die Antwort auf die Frage nach dem Kausalzusammenhang iS des § 2 Abs 3 SGB IX ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O. RdNr. 25) nicht aus der Alternative einer entweder nur abstrakten oder konkreten Prognoseentscheidung über die Arbeitsplatzgefährdung. Der behinderte Mensch soll in das Arbeitsleben integriert bleiben. Er kann deshalb einerseits nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in aller Regel zu spät (BSG a.a.O. RdNr. 26). Andererseits reicht eine rein abstrakte Gefährdung nicht aus, weil – „abstrakt“ betrachtet - das Arbeitsverhältnis des leistungsgeminderten behinderten Menschen stets gefährdet sein kann (BSG a.a.O. RdNr. 26). So ist ein wesentlicher bei der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigender Umstand die arbeitsrechtliche Sicherung, die der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz (§ 73 SGB IX) erlangt hat (BSG a.a.O. RdNR. 27).
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Der Senat konnte feststellen, dass beim Kläger gesundheitliche Einschränkungen bestehen, als er seine rechte Hand nicht mehr zu 100 % einsetzen kann. Jedoch kann er die am Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten, wenn auch ggf. mit Schmerzen der Hand bzw. der Wirbelsäule, vollständig erfüllen; er ist nicht auf Unterstützung durch andere Mitarbeiter angewiesen. Seine Behinderungen wirken sich nicht in häufigen Fehlzeiten aus. So hat der Arbeitgeber keinerlei häufige Fehlzeiten mitteilen können (Blatt 30 der Beklagtenakte). Auch der behandelnde Orthopäde Dr. M. konnte keine regelmäßige und zeitnahe Behandlung der Hand bzw. der Wirbelsäule darstellen. Vielmehr hat er in seiner Auskunft vom 01.12.2014 eine letzte Vorstellung des Klägers am 12.09.2013 berichten können. Prof. Dr. H. hat den Kläger letztmals im Jahr 2011 behandelt, danach lediglich im Rahmen von Rentenbegutachtungen für die BG Bau gesehen. Dieser Umstand deutet nicht auf eine erhebliche bzw. relevante Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers und damit auch nicht auf eine Gefährdung des Arbeitsplatzes hin. Auch ist das Arbeitsverhältnis ungekündigt, doch könnte dies nach den Regelungen des TVöD ordentlich gekündigt werden; Ermahnungen oder Abmahnungen wegen einer behinderungsbedingt verminderten Leistung konnte der Senat nicht feststellen. Auch hat der Arbeitgeber mitgeteilt, der Arbeitsplatz sei nicht gefährdet, eine Kündigung nicht ausgesprochen und ein Aufhebungsvertrag nicht vereinbart. Vor diesem Hintergrund musste der Senat feststellen, dass der Kläger angesichts der Anforderungen des Arbeitsplatzes auch trotz der Behinderungen bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten nicht in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist; auch kann sein Arbeitsplatz durch eine Gleichstellung nicht sicherer gemacht werden. Eine Gleichstellung ist damit nicht zur Erhaltung des Arbeitsplatzes erforderlich, weshalb ein Anspruch auf Gleichstellung i.S.d. § 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX nicht besteht.
42 
Auch im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. In dieser Variante will § 2 Abs. 3 SGB IX das Grund-recht aus Art. 12 Abs. 1 GG, mithin die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen, objektivrechtlich gewährleisten (BSG 06.08. 2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21 unter Hinweis auf Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl. 2012, Vorb. vor Art 1 RdNr. 3 m.w.N.). Auch Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Lit. a und e UN-BRK und Art. 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) geben Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs. 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw. der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21 unter Hinweis auf OVG Niedersachsen 25.01.2011 - 5 LC 190/09 - juris; BSG 01.03.2011 – B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris; BSG 06.08. 2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21).
43 
Jedoch setzt diese Variante des Gleichstellunganspruchs voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19). Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands („behalten können“) hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19). Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alternative 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19), denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann. Auch im Wortlaut des § 2 Abs. 3 i.V.m. § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung „einen“ für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 20). Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 20).
44 
Vorliegend hat der Kläger nicht angegeben, dass und welchen konkreten anderen Arbeitsplatz er außerhalb des Unternehmens seines Arbeitgebers anstrebt. Schon damit scheitert ein Gleichstellungsanspruch zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes.
45 
Der Senat stellt damit fest, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, dieser jedoch nicht in Folge der Behinderung des Klägers gefährdet ist. Auch hat der Kläger außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers keinen konkreten geeigneten Arbeitsplatz benannt, den er erlangen will. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
46 
Der Sachverhalt ist vollständig ermittelt, weshalb weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht zu erfolgen haben. Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. H. im Wege des Urkundsbeweises verwerten können. Auch hat der Senat die Auskünfte der behandelnden, als sachverständige Zeugen befragten Ärzte verwertet. Ein zusätzliches - von Amts wegen eingeholtes - Gutachten war ebenso wenig erforderlich, wie sonstige Ermittlungen. Das vorliegende Gutachten und die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, haben dem Senat in Verbindung mit den Auskünften des Arbeitsgebers, dessen Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten, die Stellungnahmen und die weiteren ärztlichen Unterlagen und Aussagen bzw. Auskünfte gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters und der Ärzte bzw. der Aussagenden zu zweifeln.
47 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
48 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

23 
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben dem zugestimmt und der Senat hält eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
24 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, jedoch unbegründet.
25 
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014, gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG) wendet (zur Klageart vgl. BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris RdNr. 9); sein Antrag wurde insoweit sachdienlich verstanden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 17.12.2013, mit dem die Beklagte die Gleichstellung des Klägers mangels Mitwirkung nach § 66 SGB I versagt hatte. Denn mit dem Bescheid vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 hat die Beklagte die Verfügung aus dem Bescheid vom 17.12.2013 i.S.d. § 48 SGB X aufgehoben (dazu vgl. BSG 22.02.1995 – 4 RA 44/94 – BSGE 76, 16-28 = SozR 3-1200 § 66 Nr. 3 = SozR 3-1200 § 61 Nr. 1 = juris RdNr. 38), denn sie hat deutlich gemacht, dass nach Nachholung der Mitwirkung die bisherige Verfügung keine Geltung mehr haben und vielmehr nach materiellem Recht entschieden werden soll.
26 
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Gleichstellungsbegehrens ist wegen der Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragsstellung in erster Linie dieser Zeitpunkt. Allerdings müssen wegen des Zwecks der Regelung auch wesentliche Änderungen der Sach- und Rechtslage bis zur letzten mündlichen Verhandlung Berücksichtigung finden (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris; zuletzt vgl. BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 12).
27 
Der Bescheid der Beklagten vom 05.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.02.2014 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
28 
Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung „soll“ in § 2 Abs. 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der Beklagten ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5, = juris RdNr. 34; BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - juris; BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris).
29 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Gleichstellung erfolgt gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX auf Antrag des behinderten Menschen durch feststellenden Verwaltungsakt nach § 69 SGB IX. (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 13).
30 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4; BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 13).
31 
Der Begriff des Arbeitsplatzes ist in § 73 Abs. 1 SGB IX definiert. Danach sind Arbeitsplätze alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer usw. beschäftigt werden. Der weite Arbeitsplatzbegriff des Abs. 1 wird in Abs. 3 der Vorschrift dahingehend eingeschränkt, dass es sich um einen solchen mit einem Arbeitszeitumfang von 18 Stunden pro Woche handeln muss. Der behinderte Mensch muss daher über eine Resterwerbsfähigkeit verfügen, die ihm die Ausübung einer Beschäftigung von mindestens 18 Stunden pro Woche ermöglicht (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 17)
32 
Vorliegend wird eine Gleichstellung zum Zwecke der Erhaltung des konkreten Arbeitsplatzes geltend gemacht. Einen Anspruch auf Gleichstellung zu diesem Zweck hat der Kläger jedoch nicht.
33 
Der zu schützende Arbeitsplatz muss für den behinderten Menschen geeignet sein (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 18). Der behinderte Mensch darf grundsätzlich durch die geschuldete Arbeitsleistung nicht gesundheitlich überfordert werden (dazu vgl. auch Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38, 39). Auf der anderen Seite führt das Auftreten oder Hinzutreten einer behinderungsbedingten Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens für sich genommen noch nicht zum Wegfall der Geeignetheit des Arbeitsplatzes. Die Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich individuell-konkret nach dem Eignungs- und Leistungspotential des behinderten Menschen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 19; BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris RdNr. 16; Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38). Die Beklagte und die Gerichte haben die konkreten Behinderungen und ihre Auswirkungen auf die Eignung des behinderten Menschen für den konkreten Arbeitsplatz zu ermitteln. Danach haben sie zu entscheiden, ob der Arbeitsplatz entweder schon für sich betrachtet geeignet ist oder der Arbeitsplatz jedenfalls durch Umsetzung von Leistungen der Rehabilitationsträger oder des Arbeitgebers so gestaltet werden kann, dass der behinderte Mensch die Anforderungen des Arbeitsplatzes erfüllen kann, ohne seinen Gesundheitszustand zu verschlechtern (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 19). Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann (Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38). Dagegen ist der Arbeitsplatz nicht schon deshalb ungeeignet, weil Behandlungsbedürftigkeit oder gesundheitlich bedingte Fehlzeiten aufgetreten sind, solange darin ohne Mitwirkung der Arbeitsplatzbelastung nur die Erscheinungsform der Behinderung zum Ausdruck kommt oder trotz Mitwirkung der Arbeitsplatzbelastung keine substanzielle Verschlechterung der Erkrankung oder Ausweitung des Behinderungszustandes zu erwarten ist (vgl. Senatsurteil vom 28.02.2014 a.a.O). Der Einwand des Kläger-bevollmächtigten, die Erfordernisse an die Geeignetheit des Arbeitsplatzes und an die behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung seien widersprüchlich, trifft daher nicht zu. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innegehaltenen - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung (Senatsurteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 501/13 – juris Rdnr. 38); ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
34 
Diese konkrete Betrachtungsweise bei der Prüfung der Eignung des Arbeitsplatzes ergibt sich bei Auslegung des § 2 Abs. 3 SGB IX nach seinem Sinn und Zweck. Eine Gleichstellung soll erfolgen, damit die Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben gesichert wird. Nach der Alt. 2 soll dieses Ziel dadurch erreicht werden, dass er seinen Arbeitsplatz behalten kann (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20). Der behinderte Mensch kann aber immer nur den Arbeitsplatz „behalten“, den er konkret innehat (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20). Die Frage nach der Eignung „eines“ Arbeitsplatzes für den behinderten Menschen kann daher nicht abstrakt für alle Arbeitsplätze geprüft werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 20).
35 
Soweit der Kläger selbst angibt, der Arbeitsplatz sei für ihn nicht geeignet, so beschreibt er eine Situation, in der er schon gar nicht dem Schutzbereich des § 2 Abs. 3 SGB IX untersteht. Der Senat konnte jedoch auf Grundlage der Auskünfte der behandelnden Ärzte und des beigezogenen, für die BG Bau erstellten Gutachtens feststellen, dass der Kläger an einem für ihn geeigneten Arbeitsplatz eingesetzt wird. Der konkrete Arbeitsplatz des Klägers ist durch die Begleitung von Patienten geprägt. Dazu muss der Kläger seine rechte Hand einsetzen, auch um Betten bzw. Rollstühle zu schieben. Um eine schwere handwerkliche Tätigkeit handelt es sich nicht. Zwar muss der Kläger seine Hand einsetzen, doch kann das gelegentliche Schieben von Betten und Rollstühlen einer dauernden schweren handwerklichen Tätigkeit nicht gleichgesetzt werden. So konnte Prof. Dr. H. bloß schwere handwerkliche Arbeiten ausschließen. Außerdem konnte er, der als Chefarzt der Klinik für Hand- und Plastische Chirurgie der OKM Orthopädischen Klinik M. GmbH die Tätigkeit eines Patientenbetreuers kennt, mitteilen, dass der Kläger noch in der Lage ist, ohne unmittelbare Gefährdung seiner Gesundheit, Tätigkeiten als Patientenbegleiter in seiner Klinik im vollschichtigen Umfang auszuüben. Das hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. M. bestätigt. Auch aus dem Gutachten des Prof. Dr. H., das der Senat bei der BG Bau beigezogen hatte, ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit des Klägers als Patientenbetreuer für den Kläger auch unter Berücksichtigung der Behinderung an der Hand ungeeignet wäre oder dieser auf Kosten der Restgesundheit arbeiten würde. Der Senat sieht sich insoweit durch die Auskünfte und Einschätzungen des Arbeitgebers, dessen Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates bestätigt. Insbesondere ergeben sich aus deren Auskünfte auch keine relevanten behinderungsbedingten Fehlzeiten oder Leistungsminderungen, die auf eine Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes hindeuten könnten.
36 
Nachdem der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, musste der Senat auch nicht in seine Erwägungen einstellen, ob dieser geeignet gemacht werden oder der Kläger durch innerbetriebliche Umsetzung einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen kann. Der geeignete Arbeitsplatz des Klägers ist jedoch nicht in Folge seiner Behinderung gefährdet, weshalb eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX nicht erforderlich ist und ein Gleichstellungsanspruch nicht besteht.
37 
Zwischen der Behinderung und der Erforderlichkeit der Gleichstellung muss ein Ursachenzusammenhang bestehen („infolge“; BSG 06.08.2014 – B 11 AL 16/13 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 6 = juris RdNr. 22). Ein solcher liegt vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Art und Schwere der Behinderung die Schwierigkeit begründet ist, den geeigneten Arbeitsplatz zu behalten (BSG a.a.O. m.w.N.). Die Kausalitätsprüfung hat nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu erfolgen (BSG a.a.O.). Insoweit muss der behinderte Mensch bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar sein (BSG a.a.O. m.w.N.). Ausreichend für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs ist es, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen ist (BSG a.a.O.; Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 RdNr. 96; Schimanski in Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dagegen reichen betriebliche Defizite wie Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch persönliche Schwierigkeiten mit Vorgesetzten nicht aus, weil diese Umstände nicht auf der Behinderung beruhen (BSG a.a.O. unter Hinweis auf LSG Baden-Württemberg 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris).
38 
Um den Kausalzusammenhang zwischen Behinderung und Erforderlichkeit der Gleichstellung annehmen zu können, ist keine absolute Sicherheit im Sinne des Vollbeweises erforderlich (BSG a.a.O. RdNr. 23 unter Hinweis auf BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1 = juris). Vielmehr genügt, dass der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden kann (BSG a.a.O. m.w.N.).
39 
Hinweise für die Erforderlichkeit einer Gleichstellung zur Erhaltung des Arbeitsplatzes sind z.B. eine behinderungsbedingt verminderten Arbeitsleistung trotz eines behinderungsgerecht ausgestatteten Arbeitsplatzes, in Abmahnungen oder Abfindungsangeboten im Zusammenhang mit behinderungsbedingt verminderter Leistungsfähigkeit oder in notwendigen Hilfeleistungen anderer Mitarbeiter sowie in eingeschränkter beruflicher Mobilität (BSG a.a.O. RdNr. 24).
40 
Die Antwort auf die Frage nach dem Kausalzusammenhang iS des § 2 Abs 3 SGB IX ergibt sich nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O. RdNr. 25) nicht aus der Alternative einer entweder nur abstrakten oder konkreten Prognoseentscheidung über die Arbeitsplatzgefährdung. Der behinderte Mensch soll in das Arbeitsleben integriert bleiben. Er kann deshalb einerseits nicht darauf verwiesen werden abzuwarten, bis der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, die auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielen. In einer solchen Situation käme eine Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX in aller Regel zu spät (BSG a.a.O. RdNr. 26). Andererseits reicht eine rein abstrakte Gefährdung nicht aus, weil – „abstrakt“ betrachtet - das Arbeitsverhältnis des leistungsgeminderten behinderten Menschen stets gefährdet sein kann (BSG a.a.O. RdNr. 26). So ist ein wesentlicher bei der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigender Umstand die arbeitsrechtliche Sicherung, die der behinderte Mensch auf dem konkreten Arbeitsplatz (§ 73 SGB IX) erlangt hat (BSG a.a.O. RdNR. 27).
41 
Der Senat konnte feststellen, dass beim Kläger gesundheitliche Einschränkungen bestehen, als er seine rechte Hand nicht mehr zu 100 % einsetzen kann. Jedoch kann er die am Arbeitsplatz anfallenden Tätigkeiten, wenn auch ggf. mit Schmerzen der Hand bzw. der Wirbelsäule, vollständig erfüllen; er ist nicht auf Unterstützung durch andere Mitarbeiter angewiesen. Seine Behinderungen wirken sich nicht in häufigen Fehlzeiten aus. So hat der Arbeitgeber keinerlei häufige Fehlzeiten mitteilen können (Blatt 30 der Beklagtenakte). Auch der behandelnde Orthopäde Dr. M. konnte keine regelmäßige und zeitnahe Behandlung der Hand bzw. der Wirbelsäule darstellen. Vielmehr hat er in seiner Auskunft vom 01.12.2014 eine letzte Vorstellung des Klägers am 12.09.2013 berichten können. Prof. Dr. H. hat den Kläger letztmals im Jahr 2011 behandelt, danach lediglich im Rahmen von Rentenbegutachtungen für die BG Bau gesehen. Dieser Umstand deutet nicht auf eine erhebliche bzw. relevante Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers und damit auch nicht auf eine Gefährdung des Arbeitsplatzes hin. Auch ist das Arbeitsverhältnis ungekündigt, doch könnte dies nach den Regelungen des TVöD ordentlich gekündigt werden; Ermahnungen oder Abmahnungen wegen einer behinderungsbedingt verminderten Leistung konnte der Senat nicht feststellen. Auch hat der Arbeitgeber mitgeteilt, der Arbeitsplatz sei nicht gefährdet, eine Kündigung nicht ausgesprochen und ein Aufhebungsvertrag nicht vereinbart. Vor diesem Hintergrund musste der Senat feststellen, dass der Kläger angesichts der Anforderungen des Arbeitsplatzes auch trotz der Behinderungen bei wertender Betrachtung in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten nicht in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist; auch kann sein Arbeitsplatz durch eine Gleichstellung nicht sicherer gemacht werden. Eine Gleichstellung ist damit nicht zur Erhaltung des Arbeitsplatzes erforderlich, weshalb ein Anspruch auf Gleichstellung i.S.d. § 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX nicht besteht.
42 
Auch im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. In dieser Variante will § 2 Abs. 3 SGB IX das Grund-recht aus Art. 12 Abs. 1 GG, mithin die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen, objektivrechtlich gewährleisten (BSG 06.08. 2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21 unter Hinweis auf Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl. 2012, Vorb. vor Art 1 RdNr. 3 m.w.N.). Auch Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Lit. a und e UN-BRK und Art. 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) geben Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs. 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw. der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21 unter Hinweis auf OVG Niedersachsen 25.01.2011 - 5 LC 190/09 - juris; BSG 01.03.2011 – B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4 = juris; BSG 06.08. 2014 – B 11 AL 5/14 R –, SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 21).
43 
Jedoch setzt diese Variante des Gleichstellunganspruchs voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19). Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands („behalten können“) hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19). Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alternative 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 19), denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann. Auch im Wortlaut des § 2 Abs. 3 i.V.m. § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung „einen“ für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 20). Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden (BSG 06.08.2014 – B 11 AL 5/14 R – SozR 4-3250 § 2 Nr. 5 = juris RdNr. 20).
44 
Vorliegend hat der Kläger nicht angegeben, dass und welchen konkreten anderen Arbeitsplatz er außerhalb des Unternehmens seines Arbeitgebers anstrebt. Schon damit scheitert ein Gleichstellungsanspruch zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes.
45 
Der Senat stellt damit fest, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, dieser jedoch nicht in Folge der Behinderung des Klägers gefährdet ist. Auch hat der Kläger außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers keinen konkreten geeigneten Arbeitsplatz benannt, den er erlangen will. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
46 
Der Sachverhalt ist vollständig ermittelt, weshalb weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht zu erfolgen haben. Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. H. im Wege des Urkundsbeweises verwerten können. Auch hat der Senat die Auskünfte der behandelnden, als sachverständige Zeugen befragten Ärzte verwertet. Ein zusätzliches - von Amts wegen eingeholtes - Gutachten war ebenso wenig erforderlich, wie sonstige Ermittlungen. Das vorliegende Gutachten und die vorliegenden ärztlichen Unterlagen, haben dem Senat in Verbindung mit den Auskünften des Arbeitsgebers, dessen Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrates die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs 1 ZPO). Das Gutachten, die Stellungnahmen und die weiteren ärztlichen Unterlagen und Aussagen bzw. Auskünfte gehen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthalten keine unlösbaren inhaltlichen Widersprüche und geben keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters und der Ärzte bzw. der Aussagenden zu zweifeln.
47 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
48 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
49 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Für die Berechnung des Übergangsgeldes während des Bezuges von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden 65 Prozent eines fiktiven Arbeitsentgelts zugrunde gelegt, wenn

1.
die Berechnung nach den §§ 66 und 67 zu einem geringeren Betrag führt,
2.
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist oder
3.
der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt.

(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Leistungsempfänger der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die seiner beruflichen Qualifikation entspricht. Dafür gilt folgende Zuordnung:

1.
für eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung (Qualifikationsgruppe 1) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,
2.
für einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,
3.
für eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße und
4.
bei einer fehlenden Ausbildung (Qualifikationsgruppe 4) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße, mindestens jedoch ein Arbeitsentgelt in Höhe des Betrages, der sich ergibt, wenn der Mindestlohn je Zeitstunde nach § 1 Absatz 2 Satz 1 des Mindestlohngesetzes in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Mindestlohngesetzes jeweils erlassenen Verordnung mit einem Siebtel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes gilt, vervielfacht wird.
Maßgebend ist die Bezugsgröße, die für den Wohnsitz oder für den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsempfänger im letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Leistung gilt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.
Der Kläger, geboren 1957, ist seit dem 01.01.1992 als Servicetechniker im Außendienst bei der Firma S. GmbH beschäftigt. In diesem Zusammenhang muss er mit einem Kundendienstfahrzeug die Kunden des Unternehmens aufsuchen und dort Wartungen bzw. Reparaturen an Gabelstaplern der Marke S. vornehmen.
Einen früheren Gleichstellungsantrag vom 17.12.2009 (Blatt 12 des vorderen Teils der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2010 ab (Blatt 16 des vorderen Teils der Beklagtenakte), da dem Kläger bisher nur ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 wegen Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Arthrose, Bluthochdruck und Hämorrhoiden zuerkannt war (dazu vgl. Blatt 6/7 des vorderen Teils der Beklagtenakte).
Am 27.01.2010 (Eingang bei der Beklagten; unterzeichnet vom Kläger am 17.01.2010) stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gleichstellung (Blatt 1/5 des vorderen Teils der Beklagtenakte). Hierzu gab er an, das Arbeitsverhältnis sei ausschließlich aus anderen, nicht behinderungsbedingten Gründen („Auftragsmangel“) gefährdet; der Arbeitgeber habe eine Kündigung nicht angedroht. Er begehre, wegen gesundheitlicher Einschränkungen gleichgestellt zu werden.
Nachdem das Landratsamt S.-B.-Kreis mit Bescheid vom 03.02.2010 einen GdB von 30 seit 22.12.2009 wegen Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Bluthochdruck, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Arthrose, Hämorrhoiden und depressive Verstimmung zuerkannt hatte (Blatt 18/19 des vorderen Teils der Beklagtenakte) und der Kläger dies der Beklagten am 08.02.2010 mitgeteilt hatte (Blatt 17 des vorderen Teils der Beklagtenakte), befragte die Beklagte den Arbeitgeber und dessen Betriebsrat. Der Arbeitgeber - bei dem eine Schwerbehindertenvertretung nicht besteht - erklärte mit Stellungnahme vom 18.02.2010 (Blatt 22/24 des vorderen Teils der Beklagtenakte), dass ihm die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nicht bekannt seien und der derzeitige Arbeitsplatz aus seiner Sicht auch nicht behinderungsgerecht gestaltet sei. Eine Verbesserung könne auch nicht durch technische Hilfe erreicht werden, da der Kläger an wechselnden Einsatzorten bei verschiedenen Kunden eingesetzt werde. Auf die Frage, ob der Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung gefährdet sei, gab der Arbeitgeber an, dass dies der Fall sei in Abhängigkeit von der Behinderung. Aus sonstigen Gründen sei der Arbeitsplatz nicht gefährdet. Der Betriebsrat teilte in seiner Stellungnahme vom 24.02.2010 (Blatt 25/26 des vorderen Teils der Beklagtenakte) mit, dass auch ihm gesundheitliche Einschränkungen des Klägers nicht bekannt seien. Er gehe aber davon aus, dass es sich um die Knieverletzung des Klägers handele. Der Arbeitsplatz sei aufgrund behinderungsbedingter Auswirkungen gefährdet, wenn der Kläger durch seine Behinderung nicht mehr arbeiten könne. Aus sonstigen Gründen sei der Arbeitsplatz nicht gefährdet.
Auf telefonische Nachfrage seitens der Beklagten (Blatt 27 des vorderen Teils der Beklagtenakte) teilte der Kläger bzgl. der nicht behinderungsbedingten Gründe für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes mit, nicht genau benennen zu können, wo bzw. bei welchen Tätigkeiten er durch seine Behinderung konkret eingeschränkt sei. Er gab an, er befürchte, in Zukunft vermehrt auszufallen, und er habe Angst, dass die Kniebeschwerden sich verschlimmern könnten.
Mit Bescheid vom 19.03.2010 (Blatt 28 des vorderen Teils der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Die Prüfung habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Arbeitsplatz des Klägers aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet sei und er zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes auf den Schutz der Gleichstellung angewiesen sei.
Mit seinem Widerspruch vom 23.03.2010 (Blatt 29 des vorderen Teils der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend (Blatt 32/34 des vorderen Teils der Beklagtenakte), er verfüge nur über beschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache und kenne sich mit behördlichen Formularen nicht aus. Nunmehr sei seit Ende 2009 auch eine depressive Erkrankung hervorgetreten, die mehr und mehr in den Vordergrund trete. Aufgrund der wegen dieser Erkrankungen gegebenen Behinderungen sei seine Gleichstellung zur Erhaltung des Arbeitsplatzes bei der Firma S. GmbH erforderlich. Aufgrund seiner Erkrankungen sei die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit jedoch beeinträchtigt. So falle es ihm infolge der Funktionsbeeinträchtigung der Kniegelenke schwer, längere Fahrstrecken zu den Kunden ohne Unterbrechung zurückzulegen. Auch könne er vor Ort bei den Kunden die Servicearbeiten wegen der reduzierten Beweglichkeit des Kniegelenks nicht in derselben Geschwindigkeit ausführen wie andere Techniker. Infolge dieser Beeinträchtigung und der damit verbundenen langsameren Arbeitsausführung und der häufigeren Pausen sehe er sich vermehrt Kritik des Arbeitgebers und der Kollegen ausgesetzt. Es würde Druck ausgeübt, mit dem er immer weniger zu recht komme. Die Mobbing-Situation habe zur Ausbildung einer depressiven Erkrankung geführt. Wegen der Verschlimmerung des Zustandes sei ihm auch eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt worden. Der Arbeitgeber habe ihm mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Leistungen für die Dauer von 3 bis 6 Monaten in das sogenannte Personal-Center versetzt werde, womit er nicht einverstanden gewesen sei. Es sei zu einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht Freiburg (Az: 13 Ca 6/10) gekommen. Ferner sei auch auszuführen, dass sein Arbeitsplatz selbst durchaus behindertengerecht gestaltet sei. Er habe gegenüber dem Arbeitgeber vor längerer Zeit auf die gesundheitlichen Probleme im Bereich der Knie und der Schwierigkeiten bei Durchführung von Fahrten mit dem Dienstfahrzeug hingewiesen. Der Arbeitgeber habe einen speziellen orthopädischen Sitz in sein Dienstfahrzeug einbauen lassen, um den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten.
Die Beklagte forderte den Arbeitgeber zur Stellungnahme auf. Der Arbeitgeber gab in seiner Stellungnahme vom 17.05.2010 an (Blatt 4 des hinteren Teils der Beklagtenakte), der Kläger sei infolge konjunktureller Minderauslastung in der Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.03.2010 zu 100 % in Kurzarbeit gewechselt. Aus unternehmensinternen, organisatorischen Gründen würden Mitarbeiter, die zu 100 % in Kurzarbeit seien, auf einer eigenen Kostenstelle (sog. Personal-Center) geführt. Ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Klägers und dessen Wechsel in die Kurzarbeit bzw. in das Personal-Center bestehe nicht. Nach dem Ende der Kurzarbeit sei der Kläger mit Wirkung zum 01.04.2010 auf seine bisherige Stelle zurückgekehrt. Er sei jedoch zunächst arbeitsunfähig erkrankt (01.04.2010 bis 05.05.2010). In der Zeit vom 06.05.2010 bis 10.05.2010 hätte der Kläger noch Resturlaub aus dem Jahr 2009 genommen. Seit dem 11.05.2010 sei der Kläger wieder aktiv auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig.
10 
Mit Schreiben vom 07.06.2010 teilte der Kläger mit (Blatt 8/9 des hinteren Teils der Beklagtenakte), dass er bis April 2010 Mitglied des Betriebsrats gewesen sei. Nach der Betriebsratsneuwahl sei er jetzt lediglich Ersatzmitglied des Betriebsrats. Leistungsmängel seien ihm anlässlich der Güteverhandlung vom 28.01.2010 vor dem Arbeitsgericht Freiburg sowohl vom Personalleiter Herr R. als auch vom Service-Leiter Herr H. vorgehalten worden. Daher sei er auch aufgefordert worden, sich zur Elektrofachkraft fortzubilden.
11 
Der Arbeitgeber hat der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 29.06.2010 (Blatt 26/27 des hinteren Teils der Beklagtenakte) angegeben, anlässlich der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Freiburg dem Kläger keine Leistungsmängel vorgehalten zu haben. Während der Zeit der Kurzarbeit sei dem Kläger die Qualifizierung zur Elektrofachkraft angeboten worden. Ein Zusammenhang zwischen der Anordnung von Kurzarbeit und etwaigen Leistungsmängeln habe ausdrücklich nicht bestanden. Auch zu keiner anderen Zeit und bei keiner anderen Angelegenheit seien Leistungsmängel mit dem Kläger erörtert worden. In den Dienstwagen des Klägers sei ein Schwingsitz mit Komfortausrüstung eingebaut worden. Der Einbau dieses Sitzes basiere auf einem Attest von Dr. Z. (Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie) vom 28.09.2007 und sei aufgrund degenerativer Veränderungen im Bereich beider Schultern, der Lendenwirbelsäule und des rechten Kniegelenks empfohlen worden. Eine Umschulung sei dem Kläger seitens der Firma S. GmbH zu keiner Zeit angeboten worden. Auf telefonische Nachfrage teilte der Arbeitgeber mit (Blatt 28 des hinteren Teils der Beklagtenakte), dass es sich bei der Qualifizierung zur Elektrofachkraft um eine Vertiefung im Umfang von 2 x 5 Tage gehandelt habe, die den Teilnehmer befähigen solle, auch an Starkstromgeräten im Rahmen von Servicearbeiten tätig zu sein.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes sei auch nach den Ermittlungen im Widerspruchsverfahren nicht erkennbar.
13 
Am 16.08.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. U.a. hat der Kläger ausgeführt, er habe schon seit 2007 Probleme, längere Zeit im Auto zu sitzen, um Kunden anzufahren. Er leide unter einer Behinderung beider Schultergelenke, unter einem Schulter-Arm-Syndrom, unter Arthrose, Hämorrhoiden sowie einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes mit Knorpelschäden am rechten Kniegelenk. Diese Beschwerden hätten schon 2007 bestanden und hätten sich in der Folge, insbesondere auch im Kalenderjahr 2009 deutlich verschlechtert. Schon 2007 sei er vom 27.04.2007 bis zum 04.05.2007 für nahezu 2 Wochen und sodann vom 23.07.2007 bis 23.09.2007 für 2 Monate aufgrund seiner Beeinträchtigungen und Behinderungen krankgeschrieben gewesen. Im Kalenderjahr 2009 sei er krankgeschrieben gewesen für nahezu 3 Wochen vom 10.02.2009 bis 27.02.2009 und ab dem 14.12.2009 bis zum 30.03.2010. Dem Arbeitgeber sei seit 2007 bekannt, dass er unter einem Schulter-Arm-Syndrom und einer Behinderung beider Schultergelenke, unter Arthrose, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und Funktionsbehinderung am rechten Kniegelenk leide, weshalb dieser auch einen orthopädischen Sitz in das Servicefahrzeug habe einbauen lassen. Aufgrund der häufigen und zuletzt lang anhaltenden krankheitsbedingten Fehlzeiten habe es der Arbeitgeber unternommen, ihn mürbe zu machen. Gerade deswegen habe der Arbeitgeber ihn und keinen seiner Kollegen auf Kurzarbeit 100 % gesetzt und ihm durch den Serviceleiter H. Vorwürfe gemacht. Im Übrigen habe es im Frühjahr 2010 eine Wirtschaftskrise nicht mehr gegeben. Er müsse, wie jeder andere Servicetechniker auch, in jeweils ungünstiger Körperhaltung zum Teil schwere Lasten heben und schwere Hebelbewegungen ausführen. Es sei nachvollziehbar, dass ein körperlich Eingeschränkter mit Schulter-Arm-Syndrom und Behinderung beider Schultergelenke sowie Arthrose nicht mit gleicher Arbeitsgeschwindigkeit und Effektivität arbeiten könne, wie ein Gesunder. Erschwerend komme hinzu, dass er aufgrund der Knieschädigung auch über die Beine/Abstützung der Füße keine Kraft als Gegengewicht aufbauen könne. Er sei in seiner Arbeitsfähigkeit gegenüber Gesunden erheblich eingeschränkt. Weiter komme hinzu, dass er längere Fahrzeiten nicht mehr ohne Pausen unternehmen könne, weil er trotz des orthopädischen Sitzes im Fahrzeug hierzu nicht in der Lage sei.
14 
Mit Urteil vom 17.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX seien nicht erfüllt. Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstige die Erlangung und schütze das Behalten eines Arbeitsplatzes. Der Schutz beschränke sich auf geeignete Arbeitsplätze. Es erscheine schon als fraglich, ob der Kläger überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne habe. Da der Kläger bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes sei, komme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass wegen der Behinderung des Klägers ein Verlust seines Arbeitsplatzes drohe. Zunächst sei festzuhalten, dass der Kläger selbst angegeben habe, das Arbeitsverhältnis sei ausschließlich aus anderen, nicht behinderungsbedingten Gründen, namentlich wegen Auftragsmangels, gefährdet. Obwohl er diese Angabe im Laufe des Verfahrens deutlich relativiert habe, habe der Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass der Arbeitsplatz betriebsbedingt gefährdet sei. Anhaltspunkte für eine betriebsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes seien aber weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Auch die befristete Versetzung des Klägers in Kurzarbeit vom 01.02.2010 bis 31.03.2010 ändere hieran nichts. Die Kurzarbeit solle gerade eine konjunkturelle Minderauslastung des Arbeitgebers auffangen ohne Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen zu müssen, sodass hierin keine konkrete betriebsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes gesehen werden könne. Auch aus sonstigen Gründen sei eine konkrete Arbeitsplatzgefährdung nicht erkennbar. Seit dem 11.05.2010 sei der Kläger wieder aktiv auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig und die mitgeteilten krankheitsbedingten Fehlzeiten ließen ein dauerhaft erhöhtes Ausmaß aufgrund der Behinderung nicht erkennen (26.01.2004 bis 28.02.2004 Hämorrhoiden-OP; 27.04.2007 bis 04.05.2007; 23.07.2007 bis 23.09.2007 Knie-OP; 10.02.2009 bis 27.02.2009; 14.12.2009 bis 30.03.2010; 01.04.2010 bis 05.05.2010; Jahr 2011: ca. 6 Wochen; Jahr 2012 bis zur mündlichen Verhandlung am 17.10.2012: ca. 3 Wochen). Die angegebene verminderte behinderungsbedingte Arbeitsleistung habe nach Aktenlage bisher nicht zu entsprechenden arbeitsrechtlichen Reaktionen des Arbeitgebers geführt.
15 
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 07.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.02.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Im Wesentlichen wiederholt er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren und führt ergänzend aus: Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien unstreitig und so gravierend, dass das SG im Ergebnis zu Unrecht angezweifelt habe, ob sein Arbeitsplatz geeignet sei. Das SG habe sich jedoch auch seinem Vortrag nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sein Arbeitsplatz sei behinderungsbedingt gefährdet durch Mobbing seitens des Arbeitgebers, der Versetzung im Jahr 2010 in 100 % Kurzarbeit als einziger Mitarbeiter, der Verlangsamung seiner Arbeitsgeschwindigkeit durch Behinderung, des Wegfalls des Sonderkündigungsschutzes als Betriebsratsmitglied sowie der unwahren Leugnung der Kenntnis von Behinderungsgründen durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Es habe gar keinen Auftragsrückgang gegeben. Seine Versetzung als einzigem Mitarbeiter in 100 % Kurzarbeit habe dazu gedient, ihn möglichst mürbe zu machen. Nur, weil er sich arbeitsgerichtlich zur Wehr gesetzt habe, sei dort eine Einigung gefunden worden, wonach er nicht für drei Monate, sondern nur für zwei Monate, Februar 2010 und März 2010 als einziger Mitarbeiter in Kurzarbeit 100 % versetzt worden sei. In dieser mündlichen Verhandlung sei von Mitarbeitern des Arbeitgebers ausdrücklich gerügt worden, dass er Leistungsmängel habe und er deswegen auch in Kurzarbeit versetzt worden sei. Das SG habe diese Zusammenhänge unzutreffend gewürdigt. Soweit der Arbeitgeber behaupte, ihm seien keine Beeinträchtigungen bekannt, gebe er selber zu, aufgrund dieser Beeinträchtigung, die ihm durch Attest eines Chirurgen nachgewiesen seien, einen behindertengerechten Sitz eingebaut zu haben. Der Arbeitgeber habe eher ein ureigenes Interesse daran, zu verhindern, dass er als einem Behinderten Gleichgestellter behandelt werde. Gleiches gelte auch für den Betriebsrat, der von einem dem Arbeitgeber sehr gewogenen Betriebsratsvorsitzenden geführt werde. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass über seine Angelegenheit in seiner Abwesenheit verhandelt worden sei. Das SG habe auch verkannt, dass ihm kein besonderer Kündigungsschutz als Betriebsratsmitglied, auch kein nachlaufender Schutz als Betriebsratsmitglied (mehr) zustehe. Das SG gehe auch insoweit fehl, als es versuche, über die Geeignetheit des Arbeitsplatzes ein weiteres Ausschlusskriterium zu finden. Er sei ja seit 2010 auf seinem Arbeitsplatz weiterhin durchgängig tätig. Er weise damit nach, dass er, wenn auch unter Aufbietung größter Mühen, langsamer als übrige Servicemitarbeiter unter Schmerzen und Problemen seine Arbeit ausübe und dies könne.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.10.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 zu verurteilen, ihn aufgrund seines Antrags vom 17.12.2009 gemäß § 2 Absatz 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit die Vorgänge um die Versetzung des Klägers in Kurzarbeit als schikanöses Vorgehen dargestellt würden, sei dies spekulativ und ohne hinreichende nachgewiesene Grundlage. Auch ein behauptetes tendenziöses Verhalten des Betriebsrates sei nicht geeignet, eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes zu begründen. Unabhängig davon, dass lediglich mit Unterstellungen gearbeitet werde, würde auch die Bejahung einer behinderungsbedingten Beeinträchtigung durch den Arbeitgeber nicht automatisch eine Gleichstellung nach sich ziehen. Wesentlich sei, ob eine konkrete Gefährdung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Soweit der Kläger meine, es liege ein geeigneter Arbeitsplatz vor, weil er seit 2010 wieder durchgängig auf seinem Arbeitsplatz tätig sei, sei dieser Schluss nicht zwingend. Könne die Tätigkeit nicht ausgeübt werden, ohne die Restgesundheit zu gefährden, sei ein solcher Arbeitsplatz grundsätzlich nicht geeignet. Dies könne jedoch dahinstehen, da eine behinderungsbedingte Gefährdung nicht vorliege.
21 
Die Sach- und Rechtslage wurde in einem Erörterungstermin am 12.06.2013 mit den Beteiligten besprochen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 30/31 der Senatsakte) Bezug genommen.
22 
Mit Schreiben vom 09.08.2013 (Blatt 36/39 der Senatsakte) hat der Kläger u.a. ausgeführt, vor einem Neufeststellungsantrag beim Landratsamt wolle er die Operationen seiner Schulter abwarten. Er habe auch keinen Arbeitsplatz im herkömmlichen Sinne. Er sei im Außendienst mit einem Servicefahrzeug als Monteur beschäftigt. Er übernehme Wartungsarbeiten und Reparaturen an Gabelstaplern bei Kunden seines Arbeitsgebers. Teilweise verfügten die Kunden über einen eigenen kleinen Werkstattbereich oder über eine Hebebühne bzw. eine Fahrgrube. Anderenorts sei überhaupt nichts vorhanden, was unterstützend sein könnte; der Gabelstapler stehe in einer Ecke einer Halle oder in einer Garage und müsse dort repariert oder gewartet werden. In seinem Servicefahrzeug fahre er diejenigen Ersatzteile, Schmiermittel, Wartungsmaterialien und Werkzeuge mit, die er für seine Tätigkeiten benötige. Dabei fänden sich auch große hydraulische Wagenheber, um die Gabelstapler bzw. Teile der Gabelstapler anheben zu können. Seine Tätigkeit erfolge händisch mit Werkzeugen, die er mit seiner Muskelkraft zu bedienen habe. Wartungsarbeiten etwa am Motor der Gabelstapler seien eher die einfacheren Aufgaben. Aufwendiger seien Reparaturen am Motor und der Abgasanlage. Am schwerwiegendsten seien Reparaturen am Hydrauliksystem des Gabelstaplers. Hier seien dicke Hydraulikleitungen verbaut, die noch viel dickere und schwerere hydraulische Metallzylinder antrieben. Je nachdem, wo es zu Undichtigkeiten oder Verstopfungen komme, müsse in sehr unergonomischer Arbeitshaltung mit schwerem Werkzeug versucht werden, hydraulische Anschlüsse zu lösen, neue Hydraulikzylinder oder Leitungen einzuziehen, gar den ganzen Kompressor auszubauen und auszutauschen. Es handele sich insoweit um Handarbeit mit schweren Werkzeugen und schweren Bauteilen. Hydraulikzylinder könnten leicht Gewichte von 5 Kilo bis 50 Kilo erreichen. Für die ganz schweren Bauteile könne er sich der Hilfsmittel aus seinem Servicefahrzeug, z.B. Flaschenzug und Montagegalgen bedienen. Die konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes seit 2009 ergebe sich daraus, dass er nach wie vor und immer wieder durch die für ihn zuständigen Mitarbeiter der Firma S. aus der Niederlassung F. darauf hingewiesen werde, dass er langsamer und schlechter arbeite, als vergleichbare Servicemonteure.
23 
Der Kläger hat ein Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 13.06.2013 vorgelegt (Blatt 41 der Senatsakte), worin dieser eine beidseitige Acromioclavicular-Gelenk-Arthrose beschreibt, die am 06.06.2013 mit einer Radiosynoviorthese versorgt wurde. Im Verlauf sei es zu persistierenden Schmerzen mit Bewegungseinschränkungen und Arbeitsunfähigkeit vom 10.06.2013 bis 16.06.2013 gekommen.
24 
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 49/54, 55/69 und 70/78 der Senatsakte Bezug genommen.
25 
Der Nuklearmediziner Dr. L. hat in seiner Auskunft vom 05.09.2013 mitgeteilt, den Kläger am 28.11.2012 zur Abklärung der Schilddrüsengröße und -funktion sowie am 09.01.2013 zur Abklärung bei Verdacht auf entzündlich aktivierte Arthrose des Schulter-Eckgelenks beidseits untersucht zu haben. Der Befund vom 09.01.2013 habe eine Synovitis (Entzündung) in den Schulter-Eckgelenken bds. bei Arthrosen der Schulter-Eckgelenke bds. ergeben. Darüber hinaus bestünden beginnende Arthrosen der Kniegelenke bds. sowie eine Spondylarthrosenbildung der Wirbelsäule. Obwohl nicht bekannt sei, welcher beruflichen Tätigkeit der Kläger nachgehe, könne bei der nachgewiesenen Struma mit Jodmangel und (latenter) Unterfunktion (Hypothyreose) nicht von einer generellen Beeinträchtigung im Berufs- bzw. Lebensalltag ausgegangen werden. Die entzündlich aktivierten Arthrosen der Schulter-Eckgelenke seien am 28.02. und 06.06.2013 behandelt worden. Ob und in welchem Ausmaß ein Erfolg allein hierdurch erzielt werden konnte, sei nicht bekannt. Bei anhaltend entzündlich aktivierter Arthrosen der Schulter-Eckgelenke könne es sicher im Alltag eines Außendienstmonteurs bei überwiegender Arbeiten über Kopf zu Beschwerden kommen. Da dies sicher nicht 6 Stunden am Tag und arbeitstäglich an 5 Tagen pro Woche vorkomme, sei eher nicht von einer Einschränkung auszugehen.
26 
Der Facharzt für Innere Medizin Dr. H. hat dem Senat am 06.09.2013 geschrieben, beim Kläger lägen orthopädische Erkrankungen in Form eines BWS-Syndroms, einer Chondropathia patellae bds., einer Innenmeniskusläsion mit OP im August 2007 re. sowie eine Akromioklavikular-Gelenk-Arthrose bds. vor. Nach Aktenlage habe zuletzt im August 2011 eine deutliche Symptomatik im Sinne einer Lumbago bestanden, die auch zur Vorstellung bei Orthopäden geführt habe. Er könne fachlich nicht beurteilen, ob sich die vorhandenen Gesundheitsstörungen im Einzelnen bei einer beruflichen Tätigkeit des Klägers nachteilig auswirkten.
27 
Dr. Z. , Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, hat in seiner Auskunft vom 30.09.2013 angegeben, er habe den Kläger von 07/2006 bis 10/2011 behandelt. Es bestehe ein Knorpelschaden im rechten Kniegelenk sowie eine Lumboischialgie. Anhand der Unterlagen sei nicht zu beurteilen ob sich dies nachteilig auf eine berufliche Tätigkeit des Klägers auswirke, da sich der Kläger zuletzt im September/Oktober 2011 in seiner Behandlung befunden habe.
28 
Hierzu hat der Kläger (Schreiben vom 17.10.2013, Blatt 79 der Senatsakte) ausgeführt, die ärztlichen Auskünfte bestätigten, dass bei seinem Krankheitsbild mit weiteren krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen sei.
29 
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt (Blatt 80 der Senatsakte) aus den ärztlichen Stellungnahmen lasse sich weder eine konkrete behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes, noch eine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Klägers entnehmen.
30 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 82, 83 der Senatsakte).
31 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
32 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
33 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
34 
Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Soweit der Kläger schon für die Zeit seiner Antragstellung am 17.12.2009, über die die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.01.2010 entschieden hat, eine Gleichstellung begehrt, ist die Klage nur deswegen zulässig, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 erneut über diesen Zeitraum entschieden hat und so den Weg einer gerichtlichen Prüfung eröffnet hat.
36 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
37 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt damit zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4).
38 
Geschützt ist nur das Erlangen bzw. Behalten eines geeigneten Arbeitsplatzes. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; Christians in GK-SGB IX, § 2 RdNr. 143 ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX, der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen. Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich damit individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - , juris, dort RdNr. 16, BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1) unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber und den Rehabilitationsträgern obliegenden Verpflichtungen. Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innehabenden - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung; ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
39 
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Zwar hat der Kläger auf die aus seiner Sicht auftretenden Schwierigkeiten, Schmerzen, sein langsameres Arbeitstempo usw. hingewiesen, doch konnten die vom Senat befragten Ärzte durchgehend bestätigen, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Lediglich dauerhafte Überkopfarbeiten, die am Arbeitsplatz des Klägers auch nach seiner eigenen Schilderung nicht vorkommen, wurden ausgeschlossen. Überlastungsbedingte Akuterkrankungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten von relevantem Ausmaß (feststellbar waren über die bereits vom SG mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten hinaus lediglich solche im Juni 2011, im August 2011 sowie im Februar, März und Juni 2013 im Umfang von jeweils einigen Tagen) konnte weder der Kläger noch die befragten Ärzte darlegen. Der Kläger arbeitet damit nach den Feststellungen des Senats weder auf Kosten seiner Gesundheit noch führen die Behinderungen bei ihm zu Einschränkungen, die die Ausführung der an seinem Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben einschränken würde. Insoweit hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, bestimmte anfallende Aufgaben nicht mehr verrichten zu können. Er hat vielmehr auf Schmerzen und ein verlangsamtes Arbeitstempo verwiesen. Für dieses Ergebnis eines geeigneten Arbeitsplatzes spricht auch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. vom 05.09.2013 und die darin mitgeteilten ärztlichen Behandlungsdaten. Wegen der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Erkrankungen, die als Behinderungen im Bescheid der Versorgungsverwaltung festgestellt sind, kam es neben den genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten auch zu ärztlichen Behandlungen im Juli, August, September und Oktober 2011 wegen Rückenbeschwerden, im Oktober 2010, Januar 2011, Januar und Juni 2013 wegen Schulterbeschwerden und im Februar und November 2011 sowie Januar und Februar 2013 wegen Kniebeschwerden. Auch hat insbesondere Dr. L. hinsichtlich der Arthrosen der Schultergelenke eine Einschränkung der Geeignetheit verneint. Auch Überlastungssyndrome mit der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung und eine progredient verlaufende Erkrankung, die eine Gesundheitsverschlechterung in der Zukunft wahrscheinlich macht, konnten die behandelnden Ärzte nicht darlegen. Soweit der Kläger angibt, keine längeren Strecken ohne Pausen fahren zu können, führt auch dies nicht zur Ungeeignetheit des innegehaltenen Arbeitsplatzes. Denn durch den Vortrag des Klägers wird insoweit nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seinen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen könnte. Denn nicht jede aus einer Behinderung folgende Beeinträchtigung führt zur Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes; anderes hätte nämlich zur Folge, dass jede behinderungsbedingte Einschränkung letztlich zu einem Verlust des Gleichstellungsanspruchs führen würde. Vielmehr ist Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes nur anzunehmen, wenn wegen der Behinderung einzelne oder alle am Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden können oder die Arbeitserbringung am konkreten Arbeitsplatz nur auf Kosten der Gesundheit erfolgt, also die Arbeitsplatzbedingungen ursächliche Einwirkung auf die Erkrankung haben bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung neben anderen Ursachen mitwirkt, was eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung durch die Arbeitsleistung bedingen oder eine solche sicher erwarten lassen muss.
40 
Der Senat ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem vom Kläger innegehaltenen Arbeitsplatz um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt. Denn aus den dokumentierten ärztlichen Behandlungsdaten ergibt sich, dass die Behandlungsbedürftigkeit ohne ursächliche Einwirkung der Arbeitsplatzbedingungen aufgetreten, also allein der Erscheinungsform der bestehenden Behinderungen geschuldet waren, bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung zwar mitgewirkt hat, aber eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung nicht zu erwarten war, also wiederum nur die bestehende Erscheinungsform der Behinderung in den ärztlichen Behandlungsdaten zum Ausdruck kam.
41 
Aber auch obwohl der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, ist er nicht einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Denn es fehlt die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können"). Kausalität im gesetzlichen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG). Ausreichend ist für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen darstellt (Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr. 96.; Schimanski in: Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dabei ist vor allem der konkrete Arbeitsplatz im Blick zu behalten. Denn im Fall der Gleichstellung zum Behalten eines Arbeitsplatzes ist Funktion der Gleichstellung die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsplatz im Betrieb, im Fall der Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist Ziel die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsmarkt (sinngemäß Luthe a.a.O. RdNr. 95). Dagegen ist bei der Beurteilung der Schwerbehinderteneigenschaft eine abstrakte Beurteilung anzustellen. Ob wegen behinderungsbedingter Minderleistung eine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu befürchten ist oder es nicht allein auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit ankommt, sondern auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und im Betrieb mit den sonstigen sozialen Kontextbedingungen des Beschäftigten im Betrieb bei der wertenden Betrachtung einer Arbeitsplatzgefährdung abzustellen ist (so Luthe, a.a.O.), kann dahinstehen. Umstände, die eine solche durch die Gleichstellung bezweckte Schutzbedürftigkeit begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.
42 
Aus den von den Ärzten mitgeteilten Befunden lassen sich nur Einschränkungen hinsichtlich des dauerhaften Überkopfarbeitens ableiten (vgl. Auskunft Dr. L. ). Weitere Einschränkungen, insbesondere Leistungseinschränkungen, bestehen nicht. Auch konnten die Ärzte Arbeitsunfähigkeitszeiten, die wegen ihrer Häufigkeit oder der Dauer der einzelnen Arbeitsunfähigkeit relevante betriebliche Bedeutung erlangt hätten und die auf körperliche Folgen der Berufsausübung schließen ließen, nicht mitteilen. Des Weiteren hat der Kläger zuerst selbst vorgetragen, sein Arbeitsplatz sei nicht behinderungsbedingt gefährdet, sondern wegen Auftragsmangels. Weist der Kläger damit am konkreten Arbeitsplatz wegen seiner Behinderung gegenüber nichtbehinderten Arbeitnehmern keine Leistungsbeeinträchtigungen auf, so ist auch im Sinne der vom BSG als ausreichend angesehenen abstrakten Arbeitsplatzgefährdung durch eine Behinderung (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; ebenso LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; a.A. LSG 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris; Schleswig-Holsteinisches LSG 14.12.2012 - L 3 AL 36/11 - juris; LSG Nordrhein-Westphalen 12.04.2010 - L 19 AL 21/09 - juris) vorliegend jedenfalls die vorhandene Behinderung nicht wesentliche Ursache einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber nicht behinderten Kollegen und damit einer Arbeitsplatzgefährdung, weshalb eine Gleichstellung nicht zu beanspruchen ist. Nämlich nur dann, wenn der Kläger auf seinem Arbeitsplatz gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig wäre, würde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1). Da sich jedoch weder durch den Arbeitgeber noch seitens der Ärzte behinderungsbedingte Einschränkungen der Konkurrenzfähigkeit des Klägers gegenüber seinen nichtbehinderten Kollegen nachweisen haben lassen, bedarf es einer Gleichstellung nicht.
43 
Sofern der Kläger eine behinderungsbedingte Minderleistung behauptet, weil er im Vergleich zu seinen Kollegen eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit habe bzw. auf langen Fahrten Pausen machen müsse, und seine Arbeitsplatzgefährdung dadurch als nachgewiesen erachtet, weil er als einziger Kurzarbeit zu 100 % habe hinnehmen müssen, ist dies nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber Leistungsmängel wegen körperlicher Beeinträchtigungen weder arbeitsrechtlich gerügt noch im Verfahren auf Gleichstellung mitgeteilt hat und auch der Betriebsrat dazu nichts beitragen konnte, vielmehr ist das vom Kläger benutzte Kundendienstfahrzeug durch den Arbeitgeber mit einem orthopädisch angepassten Sitz ausgestattet worden, sind auch andere Gründe für eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit denkbar, wie individuelles handwerkliches Geschick, nur hinreichendes Organisationsvermögen oder nur hinreichend konkretes Arbeitsplatzengagement. Körperliche Beeinträchtigungen sind, wie oben ausgeführt, bei einem grundsätzlich gesundheitlich geeigneten Arbeitsplatz vorliegend nach den eingeholten ärztlichen Aussagen nicht zwingend die Ursache für ein herabgesetztes Arbeitstempo, sondern allenfalls mögliche Ursache neben auch anderen denkbaren Möglichkeiten. Der im Erörterungstermin am 12.06.2013 erteilten Auflage, die konkreten Hinweise für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes und hierzu zu befragende Personen zu benennen, ist der Kläger auch nach Erinnerung mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2013 nicht nachgekommen. Hierbei kann der Senat als wahr unterstellen, dass die behaupteten Hinweise seitens zuständiger Mitarbeiter des Arbeitgebers an den Kläger, er arbeite langsamer und schlechter im Vergleich zu den anderen Servicemonteuren, zutrifft. Dass seitens der Kollegen und des Betriebes dies aus behinderungsbedingten Gründen angenommen wird, hat der Kläger entgegen der ihm erteilten Auflagen nicht unter Beweis gestellt. Dies widerspricht auch den eingeholten Angaben des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren.
44 
Da der Kläger aber derzeit weder einen anderen Arbeitsplatz sucht, noch eine Kündigung droht, war er auch nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 3 Alternative 1 SGB IX) einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
45 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
46 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
32 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
33 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
34 
Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Soweit der Kläger schon für die Zeit seiner Antragstellung am 17.12.2009, über die die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.01.2010 entschieden hat, eine Gleichstellung begehrt, ist die Klage nur deswegen zulässig, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 erneut über diesen Zeitraum entschieden hat und so den Weg einer gerichtlichen Prüfung eröffnet hat.
36 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
37 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt damit zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4).
38 
Geschützt ist nur das Erlangen bzw. Behalten eines geeigneten Arbeitsplatzes. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; Christians in GK-SGB IX, § 2 RdNr. 143 ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX, der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen. Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich damit individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - , juris, dort RdNr. 16, BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1) unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber und den Rehabilitationsträgern obliegenden Verpflichtungen. Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innehabenden - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung; ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
39 
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Zwar hat der Kläger auf die aus seiner Sicht auftretenden Schwierigkeiten, Schmerzen, sein langsameres Arbeitstempo usw. hingewiesen, doch konnten die vom Senat befragten Ärzte durchgehend bestätigen, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Lediglich dauerhafte Überkopfarbeiten, die am Arbeitsplatz des Klägers auch nach seiner eigenen Schilderung nicht vorkommen, wurden ausgeschlossen. Überlastungsbedingte Akuterkrankungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten von relevantem Ausmaß (feststellbar waren über die bereits vom SG mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten hinaus lediglich solche im Juni 2011, im August 2011 sowie im Februar, März und Juni 2013 im Umfang von jeweils einigen Tagen) konnte weder der Kläger noch die befragten Ärzte darlegen. Der Kläger arbeitet damit nach den Feststellungen des Senats weder auf Kosten seiner Gesundheit noch führen die Behinderungen bei ihm zu Einschränkungen, die die Ausführung der an seinem Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben einschränken würde. Insoweit hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, bestimmte anfallende Aufgaben nicht mehr verrichten zu können. Er hat vielmehr auf Schmerzen und ein verlangsamtes Arbeitstempo verwiesen. Für dieses Ergebnis eines geeigneten Arbeitsplatzes spricht auch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. vom 05.09.2013 und die darin mitgeteilten ärztlichen Behandlungsdaten. Wegen der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Erkrankungen, die als Behinderungen im Bescheid der Versorgungsverwaltung festgestellt sind, kam es neben den genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten auch zu ärztlichen Behandlungen im Juli, August, September und Oktober 2011 wegen Rückenbeschwerden, im Oktober 2010, Januar 2011, Januar und Juni 2013 wegen Schulterbeschwerden und im Februar und November 2011 sowie Januar und Februar 2013 wegen Kniebeschwerden. Auch hat insbesondere Dr. L. hinsichtlich der Arthrosen der Schultergelenke eine Einschränkung der Geeignetheit verneint. Auch Überlastungssyndrome mit der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung und eine progredient verlaufende Erkrankung, die eine Gesundheitsverschlechterung in der Zukunft wahrscheinlich macht, konnten die behandelnden Ärzte nicht darlegen. Soweit der Kläger angibt, keine längeren Strecken ohne Pausen fahren zu können, führt auch dies nicht zur Ungeeignetheit des innegehaltenen Arbeitsplatzes. Denn durch den Vortrag des Klägers wird insoweit nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seinen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen könnte. Denn nicht jede aus einer Behinderung folgende Beeinträchtigung führt zur Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes; anderes hätte nämlich zur Folge, dass jede behinderungsbedingte Einschränkung letztlich zu einem Verlust des Gleichstellungsanspruchs führen würde. Vielmehr ist Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes nur anzunehmen, wenn wegen der Behinderung einzelne oder alle am Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden können oder die Arbeitserbringung am konkreten Arbeitsplatz nur auf Kosten der Gesundheit erfolgt, also die Arbeitsplatzbedingungen ursächliche Einwirkung auf die Erkrankung haben bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung neben anderen Ursachen mitwirkt, was eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung durch die Arbeitsleistung bedingen oder eine solche sicher erwarten lassen muss.
40 
Der Senat ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem vom Kläger innegehaltenen Arbeitsplatz um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt. Denn aus den dokumentierten ärztlichen Behandlungsdaten ergibt sich, dass die Behandlungsbedürftigkeit ohne ursächliche Einwirkung der Arbeitsplatzbedingungen aufgetreten, also allein der Erscheinungsform der bestehenden Behinderungen geschuldet waren, bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung zwar mitgewirkt hat, aber eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung nicht zu erwarten war, also wiederum nur die bestehende Erscheinungsform der Behinderung in den ärztlichen Behandlungsdaten zum Ausdruck kam.
41 
Aber auch obwohl der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, ist er nicht einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Denn es fehlt die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können"). Kausalität im gesetzlichen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG). Ausreichend ist für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen darstellt (Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr. 96.; Schimanski in: Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dabei ist vor allem der konkrete Arbeitsplatz im Blick zu behalten. Denn im Fall der Gleichstellung zum Behalten eines Arbeitsplatzes ist Funktion der Gleichstellung die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsplatz im Betrieb, im Fall der Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist Ziel die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsmarkt (sinngemäß Luthe a.a.O. RdNr. 95). Dagegen ist bei der Beurteilung der Schwerbehinderteneigenschaft eine abstrakte Beurteilung anzustellen. Ob wegen behinderungsbedingter Minderleistung eine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu befürchten ist oder es nicht allein auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit ankommt, sondern auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und im Betrieb mit den sonstigen sozialen Kontextbedingungen des Beschäftigten im Betrieb bei der wertenden Betrachtung einer Arbeitsplatzgefährdung abzustellen ist (so Luthe, a.a.O.), kann dahinstehen. Umstände, die eine solche durch die Gleichstellung bezweckte Schutzbedürftigkeit begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.
42 
Aus den von den Ärzten mitgeteilten Befunden lassen sich nur Einschränkungen hinsichtlich des dauerhaften Überkopfarbeitens ableiten (vgl. Auskunft Dr. L. ). Weitere Einschränkungen, insbesondere Leistungseinschränkungen, bestehen nicht. Auch konnten die Ärzte Arbeitsunfähigkeitszeiten, die wegen ihrer Häufigkeit oder der Dauer der einzelnen Arbeitsunfähigkeit relevante betriebliche Bedeutung erlangt hätten und die auf körperliche Folgen der Berufsausübung schließen ließen, nicht mitteilen. Des Weiteren hat der Kläger zuerst selbst vorgetragen, sein Arbeitsplatz sei nicht behinderungsbedingt gefährdet, sondern wegen Auftragsmangels. Weist der Kläger damit am konkreten Arbeitsplatz wegen seiner Behinderung gegenüber nichtbehinderten Arbeitnehmern keine Leistungsbeeinträchtigungen auf, so ist auch im Sinne der vom BSG als ausreichend angesehenen abstrakten Arbeitsplatzgefährdung durch eine Behinderung (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; ebenso LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; a.A. LSG 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris; Schleswig-Holsteinisches LSG 14.12.2012 - L 3 AL 36/11 - juris; LSG Nordrhein-Westphalen 12.04.2010 - L 19 AL 21/09 - juris) vorliegend jedenfalls die vorhandene Behinderung nicht wesentliche Ursache einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber nicht behinderten Kollegen und damit einer Arbeitsplatzgefährdung, weshalb eine Gleichstellung nicht zu beanspruchen ist. Nämlich nur dann, wenn der Kläger auf seinem Arbeitsplatz gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig wäre, würde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1). Da sich jedoch weder durch den Arbeitgeber noch seitens der Ärzte behinderungsbedingte Einschränkungen der Konkurrenzfähigkeit des Klägers gegenüber seinen nichtbehinderten Kollegen nachweisen haben lassen, bedarf es einer Gleichstellung nicht.
43 
Sofern der Kläger eine behinderungsbedingte Minderleistung behauptet, weil er im Vergleich zu seinen Kollegen eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit habe bzw. auf langen Fahrten Pausen machen müsse, und seine Arbeitsplatzgefährdung dadurch als nachgewiesen erachtet, weil er als einziger Kurzarbeit zu 100 % habe hinnehmen müssen, ist dies nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber Leistungsmängel wegen körperlicher Beeinträchtigungen weder arbeitsrechtlich gerügt noch im Verfahren auf Gleichstellung mitgeteilt hat und auch der Betriebsrat dazu nichts beitragen konnte, vielmehr ist das vom Kläger benutzte Kundendienstfahrzeug durch den Arbeitgeber mit einem orthopädisch angepassten Sitz ausgestattet worden, sind auch andere Gründe für eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit denkbar, wie individuelles handwerkliches Geschick, nur hinreichendes Organisationsvermögen oder nur hinreichend konkretes Arbeitsplatzengagement. Körperliche Beeinträchtigungen sind, wie oben ausgeführt, bei einem grundsätzlich gesundheitlich geeigneten Arbeitsplatz vorliegend nach den eingeholten ärztlichen Aussagen nicht zwingend die Ursache für ein herabgesetztes Arbeitstempo, sondern allenfalls mögliche Ursache neben auch anderen denkbaren Möglichkeiten. Der im Erörterungstermin am 12.06.2013 erteilten Auflage, die konkreten Hinweise für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes und hierzu zu befragende Personen zu benennen, ist der Kläger auch nach Erinnerung mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2013 nicht nachgekommen. Hierbei kann der Senat als wahr unterstellen, dass die behaupteten Hinweise seitens zuständiger Mitarbeiter des Arbeitgebers an den Kläger, er arbeite langsamer und schlechter im Vergleich zu den anderen Servicemonteuren, zutrifft. Dass seitens der Kollegen und des Betriebes dies aus behinderungsbedingten Gründen angenommen wird, hat der Kläger entgegen der ihm erteilten Auflagen nicht unter Beweis gestellt. Dies widerspricht auch den eingeholten Angaben des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren.
44 
Da der Kläger aber derzeit weder einen anderen Arbeitsplatz sucht, noch eine Kündigung droht, war er auch nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 3 Alternative 1 SGB IX) einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
45 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
46 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Gleichstellung der Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gem. § 2 Abs. 3 SGB IX streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist als Sekretärin bei einer Großbuchbinderei beschäftigt. Ihr wurde mit Bescheid vom 25. August 1992 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen Blutungsstörungen und Verwachsungsbeschwerden nach gynäkologischen Operationen, rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach ventraler und dorso-lateraler Versteifungsoperation L 5/S 1 zuerkannt. Mit Bescheid vom 7. Juli 2009 wurde seit 29. Oktober 2008 ein GdB von 40 festgestellt (zugrundeliegende Behinderungen: Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Fingerpolyarthrose, Bronchialasthma).
Am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Sie gab u.a. an, von ihrem Chef seit einigen Jahren schikaniert zu werden, aber nicht wegen der Behinderung, denn davon wisse er erst seit ein paar Tagen. Als sie 2007 eine Kur angetreten habe, habe ihr Chef gesagt, dass sie häufig krank sei und sich überlegen müsse, wie es weitergehen solle. Seitdem habe sie sich in dem Betrieb sehr zurückgehalten. Sie spreche mit ihrem Chef auch nur noch wenig und in rauem Ton. Sie werde für Fehler verantwortlich gemacht, die sie nicht begangen habe. Sie habe den Antrag auf Gleichstellung gestellt, damit man sie nicht entlassen könne.
Gegenüber der Beklagten erklärte der Arbeitgeber am 26. November 2008, dass ihm die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin bekannt seien. Zur Verbesserung des Arbeitsplatzes käme ein behindertengerechter Stuhl oder ein Umzug in ein anderes Gebäude in Betracht. Eine Umsetzung sei nicht möglich. Der Arbeitsplatz sei weder aus behinderungsbedingten noch aus sonstigen Gründen gefährdet. Die Beklagte lehnte eine Gleichstellung mit Bescheid vom 27. November 2008 ab. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, dass sich durch die Schikanierung seitens ihres Arbeitgebers eine Gefährdung ihres Arbeitsplatzes ergebe. Sie verwies dazu auf eine vorgelegte Übersicht über die Krankheitstage (2006: 22 Tage Arbeitsunfähigkeit wegen einer Meniskusschädigung und eines Infekts; 2007. 29 Tage Fehlzeit wegen Kreuzschmerz, Zervikobrachial-Syndrom und Gonarthrose; 2008: 3 Tage Fehlzeit wegen chronischer Sinusitis). Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Angesichts der Fehlzeiten lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine behinderungsbedingte Kündigung bevorstehe. Die Schikane durch ihren Arbeitgeber stehe nicht im Zusammenhang mit behinderungsbedingten Fehlzeiten.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf die Erhöhung des GdB auf 40. Die erforderliche Behandlung ihrer Erkrankungen sei sehr zeitaufwändig. Die Fehlzeiten seien nur deshalb so niedrig gewesen, weil sie Angst vor einem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehabt habe. Die 2007 von ihrem Arbeitgeber angedrohte Kündigung stehe nach wie vor im Raum.
Das SG hat nach schriftlicher Befragung des Arbeitgebers, der die bisherigen Angaben bestätigte (Auskunft vom 7. Dezember 2009), die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes erforderlich sei. Dazu müssten Tatsachen dargetan und ggf. bewiesen sein, die die Prognose einer behinderungsbedingten deutlichen Risikoerhöhung des Arbeitsplatzverlustes trügen. Solche Tatsachen seien weder dargetan noch ersichtlich. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, ihr Chef schikaniere sie nicht wegen ihrer Behinderung. Entscheidend komme hinzu, dass der Arbeitgeber nur 2007 anlässlich einer Kur eine Bemerkung gemacht habe, die man als Androhung einer Kündigung interpretieren könne. Seitdem habe der Arbeitgeber trotz erneuter Fehlzeiten dieser Aussage keine Taten folgen lassen oder die Kündigungsandrohung erneuert. Sowohl eine Anfrage der Beklagten nach einer drohenden Kündigung als auch eine des Gerichts habe er abschlägig beantwortet. Dass er dies strategisch getan habe, sei reine Spekulation. Damit lägen keine Anhaltspunkte mehr dafür vor, dass eine Kündigung drohe.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. August 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Bereits die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei nicht zulässig, denn der Sachverhalt sei nicht hinreichend geklärt. Das Gericht hätte hinsichtlich der Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung gefährdet ist, auf die Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung in einer mündlichen Verhandlung zurückgreifen müssen. Es sei gegenüber dem SG umfangreich ausgeführt worden, dass die Klägerin seitens ihres Arbeitgebers im Jahre 2007 auf häufige Fehlzeiten im Sinne einer Kündigungsandrohung angesprochen worden sei. Es sei ferner ausgeführt worden, dass die Kündigungsandrohung aus 2007 fortwirke. Im weiteren Verlauf hätten sich bei der Klägerin erhebliche weitere behinderungsbedingte Fehlzeiten ergeben. Dies habe zur Folge, dass sich das Kündigungsrisiko der Klägerin stetig erhöhe. Auch sei eine Erneuerung der Kündigungsandrohung nicht erforderlich, denn die Androhung, die sich aus dem Gespräch 2007 ergab, wirke weiterhin fort. Selbstverständlich habe der Arbeitgeber die Frage nach einer drohenden Kündigung gegenüber dem SG verneint, denn sonst hätte das SG die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen müssen, was zu entsprechenden Kündigungserschwerungen führen würde. Das SG habe damit die Auskunft des Arbeitgebers unzutreffend gewürdigt. Es habe völlig außer Acht gelassen, dass der Arbeitgeber mit einer derartigen Auskunft auch eigene Interessen verfolge.
Auch sei eine Anpassung des Arbeitsplatzes erforderlich, um diesen für die Klägerin leidensgerecht zu gestalten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
10 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen verlieren werde oder ihr eine Kündigung drohe. Die Kündigungsandrohung aus dem Jahr 2007 liege lange zurück und habe sich offensichtlich nicht wiederholt.
14 
Eine behindertengerechte Ausstattung eines Arbeitsplatzes sei vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Erbringung dieser Leistungen hänge nicht vom Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung ab. Eine Gleichstellung diene nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Insoweit sei es Sache der Klägerin, geeignete und erforderliche Maßnahmen von ihrem Arbeitgeber einzufordern. Das generelle Bedürfnis eines Behinderten nach Förderung und Rücksichtnahme könne eine Gleichstellung mit den schwerbehinderten Menschen jedenfalls nicht begründen.
15 
In einem Termin zur Beweisaufnahme am 22. Oktober 2010 wurde der Arbeitgeber der Klägerin als Zeuge befragt. Dieser hat erklärt: „Es gab oft Gespräche über die Aufgabenstellung und den Gesundheitszustand der Klägerin, eine Kündigungsandrohung aufgrund des Gesundheitszustandes oder einer Minderleistung gab es nicht. Auch steht eine Kündigung aktuell nicht im Raum. Auch eine Kündigungsdrohung steht nicht im Raum.“ Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen.
16 
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin ausgeführt, dass sie seit Beginn der Angelegenheit herausragende Ereignisse dokumentiert habe; hierzu wird auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen. So habe es seit 2008 seitens des Zeugen immer wieder Aufforderungen gegeben, frühzeitig in Rente zu gehen bzw. Andeutungen, das Arbeitsverhältnis anderweitig zu beendigen. Im November 2008 sei sie gefragt worden, wann sie in Rente gehen möchte. Es sei das 2-Jahres-Modell vorgeschlagen worden. Am 18. November 2008 sei die Klägerin von Frau Wa. gefragt worden, ob man jetzt jemanden für sie einstellen solle oder noch nicht; sie gehe jetzt für ein paar Tage in Urlaub und wolle dies vorher erledigen. Die Klägerin sei auch wiederholt auf Umstände angesprochen worden, die zu Unrecht als Fehler ihrerseits gedeutet worden seien. Auch auf das Nichterscheinen beim Umzug des Unternehmens an einem Samstag sei sie seitens des Zeugen in unfreundlichem Ton angesprochen und darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie erneut die einzige gewesen sei, die am Samstag anlässlich des Umzugs ins neue Büro nicht gearbeitet habe. Die Klägerin habe zu der Zeit ihre krank im Bett liegende Mutter versorgt. Darüber hinaus habe der Zeuge mitgeteilt, Überstunden nicht zu bezahlen, da sie ihren Arbeitsplatz nicht ordentlich verlassen habe. Außerdem habe dieser erklärt, er erwarte mehr Einsatz von ihr, er sei sehr unzufrieden mit ihr. Auch habe der Zeuge die Klägerin gefragt, ob diese ihm Anlass geben wolle, sie loszuwerden, sie würde es nach seinem Gefühl nach darauf anlegen. Des Weiteren sei sie während eines Krankenhausaufenthalts viermal von der Arbeit aus angerufen worden, weil ihre Vertretung die Arbeitsabläufe nicht gekannt habe. Während dieser Zeit habe der Zeuge sie auch aufgefordert, ihn zu einem Kunden zu begleiten um dort eine Übergabe durchzuführen. Auf die Ablehnung seitens der Klägerin habe der Zeuge trotz der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ungehalten reagiert. Im Dezember 2009 habe der Zeuge sie erneut aufgefordert, sich hinsichtlich der Altersteilzeit zu äußern.
17 
Der Arbeitsplatz der Klägerin sei geeignet. Es sei mit einem relativ geringen Aufwand möglich die Klägerin ausreichend vor Zug und Staub zu schützen, so dass die Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund ihrer Atemwegserkrankungen auf ein akzeptables Maß beschränkt würden. Im Übrigen zeige sich die Eignung des Arbeitsplatzes bereits darin, dass die Klägerin ihre Aufgaben nach wie vor zu erfüllen vermöge.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsakte, die Akte des SG sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
20 
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt, sie ist zulässig. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
22 
Das SG durfte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, denn aus seiner Sicht war der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt, weitere Beweise mussten nicht erhoben werden, auch weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Das SG hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und diese gehört. Dabei hatten die Beteiligten nichts vorgebracht, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstand.
23 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Soll-Formulierung bedeutet kein freies Ermessen; lediglich im besonders begründeten Ausnahmefall kann eine Versagung der Gleichstellung in Betracht gezogen werden kann (Luthe in jurisPK-SGB IX § 2 SGB IX Rn. 105; Zoppik in Hassel/ Gurgel/ Otto, Handbuch des Fachanwalts - Sozialrecht, 2. Auflage, Kapitel 11 Rdnr. 76). Es sind auch die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 68 ff SGB IX zu beachten.
24 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX sind vorliegend nicht erfüllt.
25 
Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstigt die Erlangung und schützt das Behalten eines Arbeitsplatzes. Geschützt ist dabei nicht jeder beliebige Arbeitsplatz. Vielmehr ist der Schutz beschränkt auf geeignete Arbeitsplätze (Luthe a.a.O. Rn. 102). Dem Senat erscheint insoweit schon als fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Denn angesichts des bei der Klägerin vorhandenen Bronchialasthmas erscheint die Geeignetheit des Arbeitsplatzes mit der von der Klägerin aber auch dem Zeugen geschilderten Staubbelastung, die in Folge des in der Buchbinderei verwendeten mit Druckpuder beschichteten Papiers im gesamten Gebäudekomplex und auch im Büro der Klägerin vorhanden ist, als zweifelhaft.
26 
Auf diese Frage kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht an, denn es liegt kein Grund für eine Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX vor. Eine Gleichstellung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn behinderte Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Da die Klägerin bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes ist, käme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn die Klägerin infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass wegen der Behinderung der Klägerin ein Verlust ihres Arbeitsplatzes droht. Erforderlich ist insoweit, dass ein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht. Es müssen mithin Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss zulassen, dass der Arbeitsplatz wegen der Behinderung konkret gefährdet ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. April 2010 - L 19 AL 51/09 - juris Rn. 27). Solche Tatsachen liegen nicht vor.
27 
Zunächst hat der als Zeuge vernommene Arbeitgeber mitgeteilt, dass weder eine Kündigung noch eine Kündigungsdrohung im Raum steht. Auch wenn die Klägerin dem Zeugen ein strategisches Aussageverhalten unterstellt, ergeben sich weder aus seiner Aussage, noch aus den Angaben der Klägerin Anhaltspunkte, die diesen Verdacht untermauern würden. Vielmehr wäre für ihn eine Gleichstellung der Klägerin im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX günstig (vgl. dazu Goebel in jurisPK-SGB IX, § 75 SGB IX Rn. 7; Zoppik a.a.O. Rdnr. 78), da das Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erfüllt hat.
28 
Dass der Zeuge die Klägerin in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vorruhestandsregelungen und eine Beschäftigung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angesprochen hat, kann nicht als konkretes Drohen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verstanden werden. Derartige - auch der Personalplanung und der vom Zeugen geschilderten wirtschaftlich angespannten Lage des Unternehmens geschuldete - Gespräche sind zulässig und begründen für sich keine konkrete Gefahr, aus behinderungsbedingten Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren.
29 
Auch hinsichtlich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin sieht der Senat keine konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Zwar hat der Zeuge auf die erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten hingewiesen, jedoch auch mitgeteilt, darauf eine Kündigung nicht stützen zu können. Dadurch wird für den Senat deutlich, dass der Arbeitgeber an die Fehlzeiten der Klägerin eine behinderungsbedingte Kündigung nicht knüpft. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg die Fehlzeiten der Klägerin ohne rechtliche Folgen hingenommen hat. Die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten berechtigen den Arbeitgeber auch heute nicht mehr zu einer Kündigung.
30 
Soweit die Klägerin meint, die zeitaufwändige Behandlung ihrer Behinderungen begründe eine Gleichstellung, so kann der Senat dem - auch in der Zusammenschau mit den sonstigen krankheitsbedingten Fehlzeiten - nicht folgen. Denn die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankungen bzw. Behinderungen führt nach den von der Klägerin aber auch den vom Zeugen geschilderten Umständen nicht dazu, dass deswegen der Verlust des Arbeitsplatzes konkret droht.
31 
Auch die ggf. im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt der Klägerin geäußerte Kündigungsdrohung - ob eine solche ausgesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern - hat heute keine Wirkungen mehr. Alleine schon durch folgenlosen Zeitablauf nach nunmehr annähernd vier Jahren ist davon auszugehen, dass eine damalige Drohung nicht mehr wirksam ist. Denn auch die in den Folgejahren aufgetretenen Fehlzeiten haben weder zu einer Wiederholung oder einem Aufgreifen der damaligen Drohung geführt und die Klägerin auch nicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten abgehalten.
32 
Soweit die Klägerin meint, vom Arbeitgeber, dem Zeugen, gemobbt zu werden, ist dieses Verhalten bzw. Empfinden nicht auf eine bei der Klägerin bestehende Behinderung zurückzuführen. Vielmehr scheint dieses Verhalten bzw. Empfinden dem Charakter des Zeugen und der Klägerin geschuldet zu sein; die Klägerin bezeichnet insoweit sich als auch den Zeugen als schwierigen Charakter, mit dem man am besten auskomme, wenn man ihn morgens nicht beachte. Zwischenmenschliche Problemsituationen begründen aber nicht die behinderungsbedingte Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes.
33 
Ebenso begründen weder tatsächliche (z.B. solche, wie sie zu der Abmahnung geführt haben, als die Klägerin über mehrere Tage hinweg die Eingangspost falsch abgestempelt hat) oder angebliche bzw. bestrittene Fehlleistungen der Klägerin noch die Bezahlung und Ausführung von Überstunden durch die Klägerin die konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes in Folge infolge ihrer Behinderung. Denn die tatsächlichen bzw. angeblichen bzw. bestrittenen Fehlleistungen und auch die Bezahlung bzw. Ausführung von Überstunden stehen nicht im Zusammenhang mit den Behinderungen der Klägerin.
34 
Weder einzeln noch in der Zusammenschau der genannten Gründe konnte sich der Senat damit vom Vorliegen einer konkreten Gefahr eines behinderungsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes überzeugen. Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch einfach persönliche Schwierigkeiten miteinander, die wie hier nicht auf einer Behinderung sondern auf dem Charakter der Klägerin und des Zeugen beruhen, begründen keinen Anspruch auf Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Auch soweit das Begehren der Klägerin darauf zielt, mit einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX einen besser den Behinderungen angepassten Arbeitsplatz zu bekommen und den Arbeitgeber zu Umbaumaßnahmen zu veranlassen, begründet dies keinen Anspruch auf Gleichstellung. Insoweit ist auf die im Beweisaufnahmetermin erklärte Bereitschaft des Zeugen hinzuweisen, eine Verbesserung des Arbeitsplatzes mit einem finanziellen Aufwand von wenigen 100 Euro vorzunehmen. Im Übrigen ist eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation (z.B. § 13 ff SGB VI). Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht an den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung geknüpft. Insoweit dient die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX auch nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

Gründe

 
19 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
20 
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt, sie ist zulässig. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
22 
Das SG durfte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, denn aus seiner Sicht war der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt, weitere Beweise mussten nicht erhoben werden, auch weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Das SG hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und diese gehört. Dabei hatten die Beteiligten nichts vorgebracht, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstand.
23 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Soll-Formulierung bedeutet kein freies Ermessen; lediglich im besonders begründeten Ausnahmefall kann eine Versagung der Gleichstellung in Betracht gezogen werden kann (Luthe in jurisPK-SGB IX § 2 SGB IX Rn. 105; Zoppik in Hassel/ Gurgel/ Otto, Handbuch des Fachanwalts - Sozialrecht, 2. Auflage, Kapitel 11 Rdnr. 76). Es sind auch die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 68 ff SGB IX zu beachten.
24 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX sind vorliegend nicht erfüllt.
25 
Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstigt die Erlangung und schützt das Behalten eines Arbeitsplatzes. Geschützt ist dabei nicht jeder beliebige Arbeitsplatz. Vielmehr ist der Schutz beschränkt auf geeignete Arbeitsplätze (Luthe a.a.O. Rn. 102). Dem Senat erscheint insoweit schon als fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Denn angesichts des bei der Klägerin vorhandenen Bronchialasthmas erscheint die Geeignetheit des Arbeitsplatzes mit der von der Klägerin aber auch dem Zeugen geschilderten Staubbelastung, die in Folge des in der Buchbinderei verwendeten mit Druckpuder beschichteten Papiers im gesamten Gebäudekomplex und auch im Büro der Klägerin vorhanden ist, als zweifelhaft.
26 
Auf diese Frage kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht an, denn es liegt kein Grund für eine Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX vor. Eine Gleichstellung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn behinderte Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Da die Klägerin bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes ist, käme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn die Klägerin infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass wegen der Behinderung der Klägerin ein Verlust ihres Arbeitsplatzes droht. Erforderlich ist insoweit, dass ein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht. Es müssen mithin Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss zulassen, dass der Arbeitsplatz wegen der Behinderung konkret gefährdet ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. April 2010 - L 19 AL 51/09 - juris Rn. 27). Solche Tatsachen liegen nicht vor.
27 
Zunächst hat der als Zeuge vernommene Arbeitgeber mitgeteilt, dass weder eine Kündigung noch eine Kündigungsdrohung im Raum steht. Auch wenn die Klägerin dem Zeugen ein strategisches Aussageverhalten unterstellt, ergeben sich weder aus seiner Aussage, noch aus den Angaben der Klägerin Anhaltspunkte, die diesen Verdacht untermauern würden. Vielmehr wäre für ihn eine Gleichstellung der Klägerin im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX günstig (vgl. dazu Goebel in jurisPK-SGB IX, § 75 SGB IX Rn. 7; Zoppik a.a.O. Rdnr. 78), da das Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erfüllt hat.
28 
Dass der Zeuge die Klägerin in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vorruhestandsregelungen und eine Beschäftigung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angesprochen hat, kann nicht als konkretes Drohen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verstanden werden. Derartige - auch der Personalplanung und der vom Zeugen geschilderten wirtschaftlich angespannten Lage des Unternehmens geschuldete - Gespräche sind zulässig und begründen für sich keine konkrete Gefahr, aus behinderungsbedingten Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren.
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Auch hinsichtlich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin sieht der Senat keine konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Zwar hat der Zeuge auf die erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten hingewiesen, jedoch auch mitgeteilt, darauf eine Kündigung nicht stützen zu können. Dadurch wird für den Senat deutlich, dass der Arbeitgeber an die Fehlzeiten der Klägerin eine behinderungsbedingte Kündigung nicht knüpft. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg die Fehlzeiten der Klägerin ohne rechtliche Folgen hingenommen hat. Die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten berechtigen den Arbeitgeber auch heute nicht mehr zu einer Kündigung.
30 
Soweit die Klägerin meint, die zeitaufwändige Behandlung ihrer Behinderungen begründe eine Gleichstellung, so kann der Senat dem - auch in der Zusammenschau mit den sonstigen krankheitsbedingten Fehlzeiten - nicht folgen. Denn die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankungen bzw. Behinderungen führt nach den von der Klägerin aber auch den vom Zeugen geschilderten Umständen nicht dazu, dass deswegen der Verlust des Arbeitsplatzes konkret droht.
31 
Auch die ggf. im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt der Klägerin geäußerte Kündigungsdrohung - ob eine solche ausgesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern - hat heute keine Wirkungen mehr. Alleine schon durch folgenlosen Zeitablauf nach nunmehr annähernd vier Jahren ist davon auszugehen, dass eine damalige Drohung nicht mehr wirksam ist. Denn auch die in den Folgejahren aufgetretenen Fehlzeiten haben weder zu einer Wiederholung oder einem Aufgreifen der damaligen Drohung geführt und die Klägerin auch nicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten abgehalten.
32 
Soweit die Klägerin meint, vom Arbeitgeber, dem Zeugen, gemobbt zu werden, ist dieses Verhalten bzw. Empfinden nicht auf eine bei der Klägerin bestehende Behinderung zurückzuführen. Vielmehr scheint dieses Verhalten bzw. Empfinden dem Charakter des Zeugen und der Klägerin geschuldet zu sein; die Klägerin bezeichnet insoweit sich als auch den Zeugen als schwierigen Charakter, mit dem man am besten auskomme, wenn man ihn morgens nicht beachte. Zwischenmenschliche Problemsituationen begründen aber nicht die behinderungsbedingte Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes.
33 
Ebenso begründen weder tatsächliche (z.B. solche, wie sie zu der Abmahnung geführt haben, als die Klägerin über mehrere Tage hinweg die Eingangspost falsch abgestempelt hat) oder angebliche bzw. bestrittene Fehlleistungen der Klägerin noch die Bezahlung und Ausführung von Überstunden durch die Klägerin die konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes in Folge infolge ihrer Behinderung. Denn die tatsächlichen bzw. angeblichen bzw. bestrittenen Fehlleistungen und auch die Bezahlung bzw. Ausführung von Überstunden stehen nicht im Zusammenhang mit den Behinderungen der Klägerin.
34 
Weder einzeln noch in der Zusammenschau der genannten Gründe konnte sich der Senat damit vom Vorliegen einer konkreten Gefahr eines behinderungsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes überzeugen. Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch einfach persönliche Schwierigkeiten miteinander, die wie hier nicht auf einer Behinderung sondern auf dem Charakter der Klägerin und des Zeugen beruhen, begründen keinen Anspruch auf Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Auch soweit das Begehren der Klägerin darauf zielt, mit einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX einen besser den Behinderungen angepassten Arbeitsplatz zu bekommen und den Arbeitgeber zu Umbaumaßnahmen zu veranlassen, begründet dies keinen Anspruch auf Gleichstellung. Insoweit ist auf die im Beweisaufnahmetermin erklärte Bereitschaft des Zeugen hinzuweisen, eine Verbesserung des Arbeitsplatzes mit einem finanziellen Aufwand von wenigen 100 Euro vorzunehmen. Im Übrigen ist eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation (z.B. § 13 ff SGB VI). Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht an den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung geknüpft. Insoweit dient die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX auch nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

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b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

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Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Für die Berechnung des Übergangsgeldes während des Bezuges von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden 65 Prozent eines fiktiven Arbeitsentgelts zugrunde gelegt, wenn

1.
die Berechnung nach den §§ 66 und 67 zu einem geringeren Betrag führt,
2.
Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht erzielt worden ist oder
3.
der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Leistungen länger als drei Jahre zurückliegt.

(2) Für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts ist der Leistungsempfänger der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die seiner beruflichen Qualifikation entspricht. Dafür gilt folgende Zuordnung:

1.
für eine Hochschul- oder Fachhochschulausbildung (Qualifikationsgruppe 1) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertstel der Bezugsgröße,
2.
für einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meisterin oder Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung (Qualifikationsgruppe 2) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Dreihundertsechzigstel der Bezugsgröße,
3.
für eine abgeschlossene Ausbildung in einem Ausbildungsberuf (Qualifikationsgruppe 3) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Vierhundertfünfzigstel der Bezugsgröße und
4.
bei einer fehlenden Ausbildung (Qualifikationsgruppe 4) ein Arbeitsentgelt in Höhe von einem Sechshundertstel der Bezugsgröße, mindestens jedoch ein Arbeitsentgelt in Höhe des Betrages, der sich ergibt, wenn der Mindestlohn je Zeitstunde nach § 1 Absatz 2 Satz 1 des Mindestlohngesetzes in Verbindung mit der auf der Grundlage des § 11 Absatz 1 Satz 1 des Mindestlohngesetzes jeweils erlassenen Verordnung mit einem Siebtel der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, die für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst des Bundes gilt, vervielfacht wird.
Maßgebend ist die Bezugsgröße, die für den Wohnsitz oder für den gewöhnlichen Aufenthaltsort der Leistungsempfänger im letzten Kalendermonat vor dem Beginn der Leistung gilt.

Haben Leistungsempfänger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld bezogen und wird im Anschluss daran eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben ausgeführt, so wird bei der Berechnung der diese Leistungen ergänzenden Leistung zum Lebensunterhalt von dem bisher zugrunde gelegten Arbeitsentgelt ausgegangen; es gilt die für den Rehabilitationsträger jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.
Der Kläger, geboren 1957, ist seit dem 01.01.1992 als Servicetechniker im Außendienst bei der Firma S. GmbH beschäftigt. In diesem Zusammenhang muss er mit einem Kundendienstfahrzeug die Kunden des Unternehmens aufsuchen und dort Wartungen bzw. Reparaturen an Gabelstaplern der Marke S. vornehmen.
Einen früheren Gleichstellungsantrag vom 17.12.2009 (Blatt 12 des vorderen Teils der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.01.2010 ab (Blatt 16 des vorderen Teils der Beklagtenakte), da dem Kläger bisher nur ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 wegen Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Arthrose, Bluthochdruck und Hämorrhoiden zuerkannt war (dazu vgl. Blatt 6/7 des vorderen Teils der Beklagtenakte).
Am 27.01.2010 (Eingang bei der Beklagten; unterzeichnet vom Kläger am 17.01.2010) stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Gleichstellung (Blatt 1/5 des vorderen Teils der Beklagtenakte). Hierzu gab er an, das Arbeitsverhältnis sei ausschließlich aus anderen, nicht behinderungsbedingten Gründen („Auftragsmangel“) gefährdet; der Arbeitgeber habe eine Kündigung nicht angedroht. Er begehre, wegen gesundheitlicher Einschränkungen gleichgestellt zu werden.
Nachdem das Landratsamt S.-B.-Kreis mit Bescheid vom 03.02.2010 einen GdB von 30 seit 22.12.2009 wegen Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk, Bluthochdruck, Schulter-Arm-Syndrom, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Arthrose, Hämorrhoiden und depressive Verstimmung zuerkannt hatte (Blatt 18/19 des vorderen Teils der Beklagtenakte) und der Kläger dies der Beklagten am 08.02.2010 mitgeteilt hatte (Blatt 17 des vorderen Teils der Beklagtenakte), befragte die Beklagte den Arbeitgeber und dessen Betriebsrat. Der Arbeitgeber - bei dem eine Schwerbehindertenvertretung nicht besteht - erklärte mit Stellungnahme vom 18.02.2010 (Blatt 22/24 des vorderen Teils der Beklagtenakte), dass ihm die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers nicht bekannt seien und der derzeitige Arbeitsplatz aus seiner Sicht auch nicht behinderungsgerecht gestaltet sei. Eine Verbesserung könne auch nicht durch technische Hilfe erreicht werden, da der Kläger an wechselnden Einsatzorten bei verschiedenen Kunden eingesetzt werde. Auf die Frage, ob der Arbeitsplatz aufgrund der Behinderung gefährdet sei, gab der Arbeitgeber an, dass dies der Fall sei in Abhängigkeit von der Behinderung. Aus sonstigen Gründen sei der Arbeitsplatz nicht gefährdet. Der Betriebsrat teilte in seiner Stellungnahme vom 24.02.2010 (Blatt 25/26 des vorderen Teils der Beklagtenakte) mit, dass auch ihm gesundheitliche Einschränkungen des Klägers nicht bekannt seien. Er gehe aber davon aus, dass es sich um die Knieverletzung des Klägers handele. Der Arbeitsplatz sei aufgrund behinderungsbedingter Auswirkungen gefährdet, wenn der Kläger durch seine Behinderung nicht mehr arbeiten könne. Aus sonstigen Gründen sei der Arbeitsplatz nicht gefährdet.
Auf telefonische Nachfrage seitens der Beklagten (Blatt 27 des vorderen Teils der Beklagtenakte) teilte der Kläger bzgl. der nicht behinderungsbedingten Gründe für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes mit, nicht genau benennen zu können, wo bzw. bei welchen Tätigkeiten er durch seine Behinderung konkret eingeschränkt sei. Er gab an, er befürchte, in Zukunft vermehrt auszufallen, und er habe Angst, dass die Kniebeschwerden sich verschlimmern könnten.
Mit Bescheid vom 19.03.2010 (Blatt 28 des vorderen Teils der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte den Antrag auf Gleichstellung ab. Die Prüfung habe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Arbeitsplatz des Klägers aus behinderungsbedingten Gründen gefährdet sei und er zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes auf den Schutz der Gleichstellung angewiesen sei.
Mit seinem Widerspruch vom 23.03.2010 (Blatt 29 des vorderen Teils der Beklagtenakte) machte der Kläger u.a. geltend (Blatt 32/34 des vorderen Teils der Beklagtenakte), er verfüge nur über beschränkte Kenntnisse der deutschen Sprache und kenne sich mit behördlichen Formularen nicht aus. Nunmehr sei seit Ende 2009 auch eine depressive Erkrankung hervorgetreten, die mehr und mehr in den Vordergrund trete. Aufgrund der wegen dieser Erkrankungen gegebenen Behinderungen sei seine Gleichstellung zur Erhaltung des Arbeitsplatzes bei der Firma S. GmbH erforderlich. Aufgrund seiner Erkrankungen sei die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit jedoch beeinträchtigt. So falle es ihm infolge der Funktionsbeeinträchtigung der Kniegelenke schwer, längere Fahrstrecken zu den Kunden ohne Unterbrechung zurückzulegen. Auch könne er vor Ort bei den Kunden die Servicearbeiten wegen der reduzierten Beweglichkeit des Kniegelenks nicht in derselben Geschwindigkeit ausführen wie andere Techniker. Infolge dieser Beeinträchtigung und der damit verbundenen langsameren Arbeitsausführung und der häufigeren Pausen sehe er sich vermehrt Kritik des Arbeitgebers und der Kollegen ausgesetzt. Es würde Druck ausgeübt, mit dem er immer weniger zu recht komme. Die Mobbing-Situation habe zur Ausbildung einer depressiven Erkrankung geführt. Wegen der Verschlimmerung des Zustandes sei ihm auch eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt worden. Der Arbeitgeber habe ihm mitgeteilt, dass er aufgrund seiner Leistungen für die Dauer von 3 bis 6 Monaten in das sogenannte Personal-Center versetzt werde, womit er nicht einverstanden gewesen sei. Es sei zu einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht Freiburg (Az: 13 Ca 6/10) gekommen. Ferner sei auch auszuführen, dass sein Arbeitsplatz selbst durchaus behindertengerecht gestaltet sei. Er habe gegenüber dem Arbeitgeber vor längerer Zeit auf die gesundheitlichen Probleme im Bereich der Knie und der Schwierigkeiten bei Durchführung von Fahrten mit dem Dienstfahrzeug hingewiesen. Der Arbeitgeber habe einen speziellen orthopädischen Sitz in sein Dienstfahrzeug einbauen lassen, um den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten.
Die Beklagte forderte den Arbeitgeber zur Stellungnahme auf. Der Arbeitgeber gab in seiner Stellungnahme vom 17.05.2010 an (Blatt 4 des hinteren Teils der Beklagtenakte), der Kläger sei infolge konjunktureller Minderauslastung in der Zeit vom 01.02.2010 bis zum 31.03.2010 zu 100 % in Kurzarbeit gewechselt. Aus unternehmensinternen, organisatorischen Gründen würden Mitarbeiter, die zu 100 % in Kurzarbeit seien, auf einer eigenen Kostenstelle (sog. Personal-Center) geführt. Ein Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung des Klägers und dessen Wechsel in die Kurzarbeit bzw. in das Personal-Center bestehe nicht. Nach dem Ende der Kurzarbeit sei der Kläger mit Wirkung zum 01.04.2010 auf seine bisherige Stelle zurückgekehrt. Er sei jedoch zunächst arbeitsunfähig erkrankt (01.04.2010 bis 05.05.2010). In der Zeit vom 06.05.2010 bis 10.05.2010 hätte der Kläger noch Resturlaub aus dem Jahr 2009 genommen. Seit dem 11.05.2010 sei der Kläger wieder aktiv auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig.
10 
Mit Schreiben vom 07.06.2010 teilte der Kläger mit (Blatt 8/9 des hinteren Teils der Beklagtenakte), dass er bis April 2010 Mitglied des Betriebsrats gewesen sei. Nach der Betriebsratsneuwahl sei er jetzt lediglich Ersatzmitglied des Betriebsrats. Leistungsmängel seien ihm anlässlich der Güteverhandlung vom 28.01.2010 vor dem Arbeitsgericht Freiburg sowohl vom Personalleiter Herr R. als auch vom Service-Leiter Herr H. vorgehalten worden. Daher sei er auch aufgefordert worden, sich zur Elektrofachkraft fortzubilden.
11 
Der Arbeitgeber hat der Beklagten daraufhin mit Schreiben vom 29.06.2010 (Blatt 26/27 des hinteren Teils der Beklagtenakte) angegeben, anlässlich der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Freiburg dem Kläger keine Leistungsmängel vorgehalten zu haben. Während der Zeit der Kurzarbeit sei dem Kläger die Qualifizierung zur Elektrofachkraft angeboten worden. Ein Zusammenhang zwischen der Anordnung von Kurzarbeit und etwaigen Leistungsmängeln habe ausdrücklich nicht bestanden. Auch zu keiner anderen Zeit und bei keiner anderen Angelegenheit seien Leistungsmängel mit dem Kläger erörtert worden. In den Dienstwagen des Klägers sei ein Schwingsitz mit Komfortausrüstung eingebaut worden. Der Einbau dieses Sitzes basiere auf einem Attest von Dr. Z. (Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie) vom 28.09.2007 und sei aufgrund degenerativer Veränderungen im Bereich beider Schultern, der Lendenwirbelsäule und des rechten Kniegelenks empfohlen worden. Eine Umschulung sei dem Kläger seitens der Firma S. GmbH zu keiner Zeit angeboten worden. Auf telefonische Nachfrage teilte der Arbeitgeber mit (Blatt 28 des hinteren Teils der Beklagtenakte), dass es sich bei der Qualifizierung zur Elektrofachkraft um eine Vertiefung im Umfang von 2 x 5 Tage gehandelt habe, die den Teilnehmer befähigen solle, auch an Starkstromgeräten im Rahmen von Servicearbeiten tätig zu sein.
12 
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Gefährdung des Arbeitsplatzes sei auch nach den Ermittlungen im Widerspruchsverfahren nicht erkennbar.
13 
Am 16.08.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. U.a. hat der Kläger ausgeführt, er habe schon seit 2007 Probleme, längere Zeit im Auto zu sitzen, um Kunden anzufahren. Er leide unter einer Behinderung beider Schultergelenke, unter einem Schulter-Arm-Syndrom, unter Arthrose, Hämorrhoiden sowie einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenkes mit Knorpelschäden am rechten Kniegelenk. Diese Beschwerden hätten schon 2007 bestanden und hätten sich in der Folge, insbesondere auch im Kalenderjahr 2009 deutlich verschlechtert. Schon 2007 sei er vom 27.04.2007 bis zum 04.05.2007 für nahezu 2 Wochen und sodann vom 23.07.2007 bis 23.09.2007 für 2 Monate aufgrund seiner Beeinträchtigungen und Behinderungen krankgeschrieben gewesen. Im Kalenderjahr 2009 sei er krankgeschrieben gewesen für nahezu 3 Wochen vom 10.02.2009 bis 27.02.2009 und ab dem 14.12.2009 bis zum 30.03.2010. Dem Arbeitgeber sei seit 2007 bekannt, dass er unter einem Schulter-Arm-Syndrom und einer Behinderung beider Schultergelenke, unter Arthrose, Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und Funktionsbehinderung am rechten Kniegelenk leide, weshalb dieser auch einen orthopädischen Sitz in das Servicefahrzeug habe einbauen lassen. Aufgrund der häufigen und zuletzt lang anhaltenden krankheitsbedingten Fehlzeiten habe es der Arbeitgeber unternommen, ihn mürbe zu machen. Gerade deswegen habe der Arbeitgeber ihn und keinen seiner Kollegen auf Kurzarbeit 100 % gesetzt und ihm durch den Serviceleiter H. Vorwürfe gemacht. Im Übrigen habe es im Frühjahr 2010 eine Wirtschaftskrise nicht mehr gegeben. Er müsse, wie jeder andere Servicetechniker auch, in jeweils ungünstiger Körperhaltung zum Teil schwere Lasten heben und schwere Hebelbewegungen ausführen. Es sei nachvollziehbar, dass ein körperlich Eingeschränkter mit Schulter-Arm-Syndrom und Behinderung beider Schultergelenke sowie Arthrose nicht mit gleicher Arbeitsgeschwindigkeit und Effektivität arbeiten könne, wie ein Gesunder. Erschwerend komme hinzu, dass er aufgrund der Knieschädigung auch über die Beine/Abstützung der Füße keine Kraft als Gegengewicht aufbauen könne. Er sei in seiner Arbeitsfähigkeit gegenüber Gesunden erheblich eingeschränkt. Weiter komme hinzu, dass er längere Fahrzeiten nicht mehr ohne Pausen unternehmen könne, weil er trotz des orthopädischen Sitzes im Fahrzeug hierzu nicht in der Lage sei.
14 
Mit Urteil vom 17.10.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX seien nicht erfüllt. Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstige die Erlangung und schütze das Behalten eines Arbeitsplatzes. Der Schutz beschränke sich auf geeignete Arbeitsplätze. Es erscheine schon als fraglich, ob der Kläger überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne habe. Da der Kläger bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes sei, komme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Die Kammer habe sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass wegen der Behinderung des Klägers ein Verlust seines Arbeitsplatzes drohe. Zunächst sei festzuhalten, dass der Kläger selbst angegeben habe, das Arbeitsverhältnis sei ausschließlich aus anderen, nicht behinderungsbedingten Gründen, namentlich wegen Auftragsmangels, gefährdet. Obwohl er diese Angabe im Laufe des Verfahrens deutlich relativiert habe, habe der Prozessbevollmächtigte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass der Arbeitsplatz betriebsbedingt gefährdet sei. Anhaltspunkte für eine betriebsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes seien aber weder konkret vorgetragen noch ersichtlich. Auch die befristete Versetzung des Klägers in Kurzarbeit vom 01.02.2010 bis 31.03.2010 ändere hieran nichts. Die Kurzarbeit solle gerade eine konjunkturelle Minderauslastung des Arbeitgebers auffangen ohne Arbeitnehmer betriebsbedingt kündigen zu müssen, sodass hierin keine konkrete betriebsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes gesehen werden könne. Auch aus sonstigen Gründen sei eine konkrete Arbeitsplatzgefährdung nicht erkennbar. Seit dem 11.05.2010 sei der Kläger wieder aktiv auf seinem bisherigen Arbeitsplatz tätig und die mitgeteilten krankheitsbedingten Fehlzeiten ließen ein dauerhaft erhöhtes Ausmaß aufgrund der Behinderung nicht erkennen (26.01.2004 bis 28.02.2004 Hämorrhoiden-OP; 27.04.2007 bis 04.05.2007; 23.07.2007 bis 23.09.2007 Knie-OP; 10.02.2009 bis 27.02.2009; 14.12.2009 bis 30.03.2010; 01.04.2010 bis 05.05.2010; Jahr 2011: ca. 6 Wochen; Jahr 2012 bis zur mündlichen Verhandlung am 17.10.2012: ca. 3 Wochen). Die angegebene verminderte behinderungsbedingte Arbeitsleistung habe nach Aktenlage bisher nicht zu entsprechenden arbeitsrechtlichen Reaktionen des Arbeitgebers geführt.
15 
Gegen das seinem Bevollmächtigten am 07.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.02.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Im Wesentlichen wiederholt er sein Vorbringen aus dem Klageverfahren und führt ergänzend aus: Seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien unstreitig und so gravierend, dass das SG im Ergebnis zu Unrecht angezweifelt habe, ob sein Arbeitsplatz geeignet sei. Das SG habe sich jedoch auch seinem Vortrag nicht ausreichend auseinandergesetzt. Sein Arbeitsplatz sei behinderungsbedingt gefährdet durch Mobbing seitens des Arbeitgebers, der Versetzung im Jahr 2010 in 100 % Kurzarbeit als einziger Mitarbeiter, der Verlangsamung seiner Arbeitsgeschwindigkeit durch Behinderung, des Wegfalls des Sonderkündigungsschutzes als Betriebsratsmitglied sowie der unwahren Leugnung der Kenntnis von Behinderungsgründen durch Arbeitgeber und Betriebsrat. Es habe gar keinen Auftragsrückgang gegeben. Seine Versetzung als einzigem Mitarbeiter in 100 % Kurzarbeit habe dazu gedient, ihn möglichst mürbe zu machen. Nur, weil er sich arbeitsgerichtlich zur Wehr gesetzt habe, sei dort eine Einigung gefunden worden, wonach er nicht für drei Monate, sondern nur für zwei Monate, Februar 2010 und März 2010 als einziger Mitarbeiter in Kurzarbeit 100 % versetzt worden sei. In dieser mündlichen Verhandlung sei von Mitarbeitern des Arbeitgebers ausdrücklich gerügt worden, dass er Leistungsmängel habe und er deswegen auch in Kurzarbeit versetzt worden sei. Das SG habe diese Zusammenhänge unzutreffend gewürdigt. Soweit der Arbeitgeber behaupte, ihm seien keine Beeinträchtigungen bekannt, gebe er selber zu, aufgrund dieser Beeinträchtigung, die ihm durch Attest eines Chirurgen nachgewiesen seien, einen behindertengerechten Sitz eingebaut zu haben. Der Arbeitgeber habe eher ein ureigenes Interesse daran, zu verhindern, dass er als einem Behinderten Gleichgestellter behandelt werde. Gleiches gelte auch für den Betriebsrat, der von einem dem Arbeitgeber sehr gewogenen Betriebsratsvorsitzenden geführt werde. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass über seine Angelegenheit in seiner Abwesenheit verhandelt worden sei. Das SG habe auch verkannt, dass ihm kein besonderer Kündigungsschutz als Betriebsratsmitglied, auch kein nachlaufender Schutz als Betriebsratsmitglied (mehr) zustehe. Das SG gehe auch insoweit fehl, als es versuche, über die Geeignetheit des Arbeitsplatzes ein weiteres Ausschlusskriterium zu finden. Er sei ja seit 2010 auf seinem Arbeitsplatz weiterhin durchgängig tätig. Er weise damit nach, dass er, wenn auch unter Aufbietung größter Mühen, langsamer als übrige Servicemitarbeiter unter Schmerzen und Problemen seine Arbeit ausübe und dies könne.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.10.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 zu verurteilen, ihn aufgrund seines Antrags vom 17.12.2009 gemäß § 2 Absatz 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
18 
Die Beklagte beantragt,
19 
die Berufung zurückzuweisen.
20 
Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Soweit die Vorgänge um die Versetzung des Klägers in Kurzarbeit als schikanöses Vorgehen dargestellt würden, sei dies spekulativ und ohne hinreichende nachgewiesene Grundlage. Auch ein behauptetes tendenziöses Verhalten des Betriebsrates sei nicht geeignet, eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes zu begründen. Unabhängig davon, dass lediglich mit Unterstellungen gearbeitet werde, würde auch die Bejahung einer behinderungsbedingten Beeinträchtigung durch den Arbeitgeber nicht automatisch eine Gleichstellung nach sich ziehen. Wesentlich sei, ob eine konkrete Gefährdung des Arbeitsverhältnisses vorliege. Soweit der Kläger meine, es liege ein geeigneter Arbeitsplatz vor, weil er seit 2010 wieder durchgängig auf seinem Arbeitsplatz tätig sei, sei dieser Schluss nicht zwingend. Könne die Tätigkeit nicht ausgeübt werden, ohne die Restgesundheit zu gefährden, sei ein solcher Arbeitsplatz grundsätzlich nicht geeignet. Dies könne jedoch dahinstehen, da eine behinderungsbedingte Gefährdung nicht vorliege.
21 
Die Sach- und Rechtslage wurde in einem Erörterungstermin am 12.06.2013 mit den Beteiligten besprochen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 30/31 der Senatsakte) Bezug genommen.
22 
Mit Schreiben vom 09.08.2013 (Blatt 36/39 der Senatsakte) hat der Kläger u.a. ausgeführt, vor einem Neufeststellungsantrag beim Landratsamt wolle er die Operationen seiner Schulter abwarten. Er habe auch keinen Arbeitsplatz im herkömmlichen Sinne. Er sei im Außendienst mit einem Servicefahrzeug als Monteur beschäftigt. Er übernehme Wartungsarbeiten und Reparaturen an Gabelstaplern bei Kunden seines Arbeitsgebers. Teilweise verfügten die Kunden über einen eigenen kleinen Werkstattbereich oder über eine Hebebühne bzw. eine Fahrgrube. Anderenorts sei überhaupt nichts vorhanden, was unterstützend sein könnte; der Gabelstapler stehe in einer Ecke einer Halle oder in einer Garage und müsse dort repariert oder gewartet werden. In seinem Servicefahrzeug fahre er diejenigen Ersatzteile, Schmiermittel, Wartungsmaterialien und Werkzeuge mit, die er für seine Tätigkeiten benötige. Dabei fänden sich auch große hydraulische Wagenheber, um die Gabelstapler bzw. Teile der Gabelstapler anheben zu können. Seine Tätigkeit erfolge händisch mit Werkzeugen, die er mit seiner Muskelkraft zu bedienen habe. Wartungsarbeiten etwa am Motor der Gabelstapler seien eher die einfacheren Aufgaben. Aufwendiger seien Reparaturen am Motor und der Abgasanlage. Am schwerwiegendsten seien Reparaturen am Hydrauliksystem des Gabelstaplers. Hier seien dicke Hydraulikleitungen verbaut, die noch viel dickere und schwerere hydraulische Metallzylinder antrieben. Je nachdem, wo es zu Undichtigkeiten oder Verstopfungen komme, müsse in sehr unergonomischer Arbeitshaltung mit schwerem Werkzeug versucht werden, hydraulische Anschlüsse zu lösen, neue Hydraulikzylinder oder Leitungen einzuziehen, gar den ganzen Kompressor auszubauen und auszutauschen. Es handele sich insoweit um Handarbeit mit schweren Werkzeugen und schweren Bauteilen. Hydraulikzylinder könnten leicht Gewichte von 5 Kilo bis 50 Kilo erreichen. Für die ganz schweren Bauteile könne er sich der Hilfsmittel aus seinem Servicefahrzeug, z.B. Flaschenzug und Montagegalgen bedienen. Die konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes seit 2009 ergebe sich daraus, dass er nach wie vor und immer wieder durch die für ihn zuständigen Mitarbeiter der Firma S. aus der Niederlassung F. darauf hingewiesen werde, dass er langsamer und schlechter arbeite, als vergleichbare Servicemonteure.
23 
Der Kläger hat ein Attest des Facharztes für Innere Medizin Dr. H. vom 13.06.2013 vorgelegt (Blatt 41 der Senatsakte), worin dieser eine beidseitige Acromioclavicular-Gelenk-Arthrose beschreibt, die am 06.06.2013 mit einer Radiosynoviorthese versorgt wurde. Im Verlauf sei es zu persistierenden Schmerzen mit Bewegungseinschränkungen und Arbeitsunfähigkeit vom 10.06.2013 bis 16.06.2013 gekommen.
24 
Der Senat hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 49/54, 55/69 und 70/78 der Senatsakte Bezug genommen.
25 
Der Nuklearmediziner Dr. L. hat in seiner Auskunft vom 05.09.2013 mitgeteilt, den Kläger am 28.11.2012 zur Abklärung der Schilddrüsengröße und -funktion sowie am 09.01.2013 zur Abklärung bei Verdacht auf entzündlich aktivierte Arthrose des Schulter-Eckgelenks beidseits untersucht zu haben. Der Befund vom 09.01.2013 habe eine Synovitis (Entzündung) in den Schulter-Eckgelenken bds. bei Arthrosen der Schulter-Eckgelenke bds. ergeben. Darüber hinaus bestünden beginnende Arthrosen der Kniegelenke bds. sowie eine Spondylarthrosenbildung der Wirbelsäule. Obwohl nicht bekannt sei, welcher beruflichen Tätigkeit der Kläger nachgehe, könne bei der nachgewiesenen Struma mit Jodmangel und (latenter) Unterfunktion (Hypothyreose) nicht von einer generellen Beeinträchtigung im Berufs- bzw. Lebensalltag ausgegangen werden. Die entzündlich aktivierten Arthrosen der Schulter-Eckgelenke seien am 28.02. und 06.06.2013 behandelt worden. Ob und in welchem Ausmaß ein Erfolg allein hierdurch erzielt werden konnte, sei nicht bekannt. Bei anhaltend entzündlich aktivierter Arthrosen der Schulter-Eckgelenke könne es sicher im Alltag eines Außendienstmonteurs bei überwiegender Arbeiten über Kopf zu Beschwerden kommen. Da dies sicher nicht 6 Stunden am Tag und arbeitstäglich an 5 Tagen pro Woche vorkomme, sei eher nicht von einer Einschränkung auszugehen.
26 
Der Facharzt für Innere Medizin Dr. H. hat dem Senat am 06.09.2013 geschrieben, beim Kläger lägen orthopädische Erkrankungen in Form eines BWS-Syndroms, einer Chondropathia patellae bds., einer Innenmeniskusläsion mit OP im August 2007 re. sowie eine Akromioklavikular-Gelenk-Arthrose bds. vor. Nach Aktenlage habe zuletzt im August 2011 eine deutliche Symptomatik im Sinne einer Lumbago bestanden, die auch zur Vorstellung bei Orthopäden geführt habe. Er könne fachlich nicht beurteilen, ob sich die vorhandenen Gesundheitsstörungen im Einzelnen bei einer beruflichen Tätigkeit des Klägers nachteilig auswirkten.
27 
Dr. Z. , Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, hat in seiner Auskunft vom 30.09.2013 angegeben, er habe den Kläger von 07/2006 bis 10/2011 behandelt. Es bestehe ein Knorpelschaden im rechten Kniegelenk sowie eine Lumboischialgie. Anhand der Unterlagen sei nicht zu beurteilen ob sich dies nachteilig auf eine berufliche Tätigkeit des Klägers auswirke, da sich der Kläger zuletzt im September/Oktober 2011 in seiner Behandlung befunden habe.
28 
Hierzu hat der Kläger (Schreiben vom 17.10.2013, Blatt 79 der Senatsakte) ausgeführt, die ärztlichen Auskünfte bestätigten, dass bei seinem Krankheitsbild mit weiteren krankheitsbedingten Ausfallzeiten zu rechnen sei.
29 
Die Beklagte hat hierzu ausgeführt (Blatt 80 der Senatsakte) aus den ärztlichen Stellungnahmen lasse sich weder eine konkrete behinderungsbedingte Gefährdung des Arbeitsplatzes, noch eine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Klägers entnehmen.
30 
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 82, 83 der Senatsakte).
31 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
32 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
33 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
34 
Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Soweit der Kläger schon für die Zeit seiner Antragstellung am 17.12.2009, über die die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.01.2010 entschieden hat, eine Gleichstellung begehrt, ist die Klage nur deswegen zulässig, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 erneut über diesen Zeitraum entschieden hat und so den Weg einer gerichtlichen Prüfung eröffnet hat.
36 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
37 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt damit zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4).
38 
Geschützt ist nur das Erlangen bzw. Behalten eines geeigneten Arbeitsplatzes. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; Christians in GK-SGB IX, § 2 RdNr. 143 ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX, der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen. Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich damit individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - , juris, dort RdNr. 16, BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1) unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber und den Rehabilitationsträgern obliegenden Verpflichtungen. Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innehabenden - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung; ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
39 
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Zwar hat der Kläger auf die aus seiner Sicht auftretenden Schwierigkeiten, Schmerzen, sein langsameres Arbeitstempo usw. hingewiesen, doch konnten die vom Senat befragten Ärzte durchgehend bestätigen, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Lediglich dauerhafte Überkopfarbeiten, die am Arbeitsplatz des Klägers auch nach seiner eigenen Schilderung nicht vorkommen, wurden ausgeschlossen. Überlastungsbedingte Akuterkrankungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten von relevantem Ausmaß (feststellbar waren über die bereits vom SG mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten hinaus lediglich solche im Juni 2011, im August 2011 sowie im Februar, März und Juni 2013 im Umfang von jeweils einigen Tagen) konnte weder der Kläger noch die befragten Ärzte darlegen. Der Kläger arbeitet damit nach den Feststellungen des Senats weder auf Kosten seiner Gesundheit noch führen die Behinderungen bei ihm zu Einschränkungen, die die Ausführung der an seinem Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben einschränken würde. Insoweit hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, bestimmte anfallende Aufgaben nicht mehr verrichten zu können. Er hat vielmehr auf Schmerzen und ein verlangsamtes Arbeitstempo verwiesen. Für dieses Ergebnis eines geeigneten Arbeitsplatzes spricht auch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. vom 05.09.2013 und die darin mitgeteilten ärztlichen Behandlungsdaten. Wegen der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Erkrankungen, die als Behinderungen im Bescheid der Versorgungsverwaltung festgestellt sind, kam es neben den genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten auch zu ärztlichen Behandlungen im Juli, August, September und Oktober 2011 wegen Rückenbeschwerden, im Oktober 2010, Januar 2011, Januar und Juni 2013 wegen Schulterbeschwerden und im Februar und November 2011 sowie Januar und Februar 2013 wegen Kniebeschwerden. Auch hat insbesondere Dr. L. hinsichtlich der Arthrosen der Schultergelenke eine Einschränkung der Geeignetheit verneint. Auch Überlastungssyndrome mit der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung und eine progredient verlaufende Erkrankung, die eine Gesundheitsverschlechterung in der Zukunft wahrscheinlich macht, konnten die behandelnden Ärzte nicht darlegen. Soweit der Kläger angibt, keine längeren Strecken ohne Pausen fahren zu können, führt auch dies nicht zur Ungeeignetheit des innegehaltenen Arbeitsplatzes. Denn durch den Vortrag des Klägers wird insoweit nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seinen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen könnte. Denn nicht jede aus einer Behinderung folgende Beeinträchtigung führt zur Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes; anderes hätte nämlich zur Folge, dass jede behinderungsbedingte Einschränkung letztlich zu einem Verlust des Gleichstellungsanspruchs führen würde. Vielmehr ist Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes nur anzunehmen, wenn wegen der Behinderung einzelne oder alle am Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden können oder die Arbeitserbringung am konkreten Arbeitsplatz nur auf Kosten der Gesundheit erfolgt, also die Arbeitsplatzbedingungen ursächliche Einwirkung auf die Erkrankung haben bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung neben anderen Ursachen mitwirkt, was eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung durch die Arbeitsleistung bedingen oder eine solche sicher erwarten lassen muss.
40 
Der Senat ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem vom Kläger innegehaltenen Arbeitsplatz um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt. Denn aus den dokumentierten ärztlichen Behandlungsdaten ergibt sich, dass die Behandlungsbedürftigkeit ohne ursächliche Einwirkung der Arbeitsplatzbedingungen aufgetreten, also allein der Erscheinungsform der bestehenden Behinderungen geschuldet waren, bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung zwar mitgewirkt hat, aber eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung nicht zu erwarten war, also wiederum nur die bestehende Erscheinungsform der Behinderung in den ärztlichen Behandlungsdaten zum Ausdruck kam.
41 
Aber auch obwohl der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, ist er nicht einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Denn es fehlt die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können"). Kausalität im gesetzlichen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG). Ausreichend ist für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen darstellt (Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr. 96.; Schimanski in: Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dabei ist vor allem der konkrete Arbeitsplatz im Blick zu behalten. Denn im Fall der Gleichstellung zum Behalten eines Arbeitsplatzes ist Funktion der Gleichstellung die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsplatz im Betrieb, im Fall der Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist Ziel die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsmarkt (sinngemäß Luthe a.a.O. RdNr. 95). Dagegen ist bei der Beurteilung der Schwerbehinderteneigenschaft eine abstrakte Beurteilung anzustellen. Ob wegen behinderungsbedingter Minderleistung eine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu befürchten ist oder es nicht allein auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit ankommt, sondern auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und im Betrieb mit den sonstigen sozialen Kontextbedingungen des Beschäftigten im Betrieb bei der wertenden Betrachtung einer Arbeitsplatzgefährdung abzustellen ist (so Luthe, a.a.O.), kann dahinstehen. Umstände, die eine solche durch die Gleichstellung bezweckte Schutzbedürftigkeit begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.
42 
Aus den von den Ärzten mitgeteilten Befunden lassen sich nur Einschränkungen hinsichtlich des dauerhaften Überkopfarbeitens ableiten (vgl. Auskunft Dr. L. ). Weitere Einschränkungen, insbesondere Leistungseinschränkungen, bestehen nicht. Auch konnten die Ärzte Arbeitsunfähigkeitszeiten, die wegen ihrer Häufigkeit oder der Dauer der einzelnen Arbeitsunfähigkeit relevante betriebliche Bedeutung erlangt hätten und die auf körperliche Folgen der Berufsausübung schließen ließen, nicht mitteilen. Des Weiteren hat der Kläger zuerst selbst vorgetragen, sein Arbeitsplatz sei nicht behinderungsbedingt gefährdet, sondern wegen Auftragsmangels. Weist der Kläger damit am konkreten Arbeitsplatz wegen seiner Behinderung gegenüber nichtbehinderten Arbeitnehmern keine Leistungsbeeinträchtigungen auf, so ist auch im Sinne der vom BSG als ausreichend angesehenen abstrakten Arbeitsplatzgefährdung durch eine Behinderung (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; ebenso LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; a.A. LSG 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris; Schleswig-Holsteinisches LSG 14.12.2012 - L 3 AL 36/11 - juris; LSG Nordrhein-Westphalen 12.04.2010 - L 19 AL 21/09 - juris) vorliegend jedenfalls die vorhandene Behinderung nicht wesentliche Ursache einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber nicht behinderten Kollegen und damit einer Arbeitsplatzgefährdung, weshalb eine Gleichstellung nicht zu beanspruchen ist. Nämlich nur dann, wenn der Kläger auf seinem Arbeitsplatz gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig wäre, würde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1). Da sich jedoch weder durch den Arbeitgeber noch seitens der Ärzte behinderungsbedingte Einschränkungen der Konkurrenzfähigkeit des Klägers gegenüber seinen nichtbehinderten Kollegen nachweisen haben lassen, bedarf es einer Gleichstellung nicht.
43 
Sofern der Kläger eine behinderungsbedingte Minderleistung behauptet, weil er im Vergleich zu seinen Kollegen eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit habe bzw. auf langen Fahrten Pausen machen müsse, und seine Arbeitsplatzgefährdung dadurch als nachgewiesen erachtet, weil er als einziger Kurzarbeit zu 100 % habe hinnehmen müssen, ist dies nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber Leistungsmängel wegen körperlicher Beeinträchtigungen weder arbeitsrechtlich gerügt noch im Verfahren auf Gleichstellung mitgeteilt hat und auch der Betriebsrat dazu nichts beitragen konnte, vielmehr ist das vom Kläger benutzte Kundendienstfahrzeug durch den Arbeitgeber mit einem orthopädisch angepassten Sitz ausgestattet worden, sind auch andere Gründe für eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit denkbar, wie individuelles handwerkliches Geschick, nur hinreichendes Organisationsvermögen oder nur hinreichend konkretes Arbeitsplatzengagement. Körperliche Beeinträchtigungen sind, wie oben ausgeführt, bei einem grundsätzlich gesundheitlich geeigneten Arbeitsplatz vorliegend nach den eingeholten ärztlichen Aussagen nicht zwingend die Ursache für ein herabgesetztes Arbeitstempo, sondern allenfalls mögliche Ursache neben auch anderen denkbaren Möglichkeiten. Der im Erörterungstermin am 12.06.2013 erteilten Auflage, die konkreten Hinweise für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes und hierzu zu befragende Personen zu benennen, ist der Kläger auch nach Erinnerung mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2013 nicht nachgekommen. Hierbei kann der Senat als wahr unterstellen, dass die behaupteten Hinweise seitens zuständiger Mitarbeiter des Arbeitgebers an den Kläger, er arbeite langsamer und schlechter im Vergleich zu den anderen Servicemonteuren, zutrifft. Dass seitens der Kollegen und des Betriebes dies aus behinderungsbedingten Gründen angenommen wird, hat der Kläger entgegen der ihm erteilten Auflagen nicht unter Beweis gestellt. Dies widerspricht auch den eingeholten Angaben des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren.
44 
Da der Kläger aber derzeit weder einen anderen Arbeitsplatz sucht, noch eine Kündigung droht, war er auch nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 3 Alternative 1 SGB IX) einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
45 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
46 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Gründe

 
32 
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.
33 
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.
34 
Der Bescheid der Beklagten vom 19.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2010 ist rechtmäßig. Der Kläger wird nicht in seinen Rechten verletzt. Er hat keinen Anspruch auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Soweit der Kläger schon für die Zeit seiner Antragstellung am 17.12.2009, über die die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 18.01.2010 entschieden hat, eine Gleichstellung begehrt, ist die Klage nur deswegen zulässig, weil die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22.07.2010 erneut über diesen Zeitraum entschieden hat und so den Weg einer gerichtlichen Prüfung eröffnet hat.
36 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt oder Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland) vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können.
37 
Der Kläger, der sowohl Wohnsitz als auch Beschäftigung i.S.d. § 73 SGB IX im Inland aufweist, als auch über die Zuerkennung eines GdB von weniger als 50 und mindestens 30 verfügt, erfüllt damit zwar die persönlichen Voraussetzungen der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX. Jedoch erfüllt der Kläger nicht die weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX. Dazu müsste er infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen (Alternative 1) oder nicht behalten (Alternative 2) können. Die beiden Tatbestandsalternativen können kumulativ oder auch nur alternativ vorliegen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4). Zweck der Gleichstellung ist es, die ungünstige Konkurrenz-/Wettbewerbssituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSG 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4).
38 
Geschützt ist nur das Erlangen bzw. Behalten eines geeigneten Arbeitsplatzes. Bei der Prüfung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes sind die besonderen Verpflichtungen aller Versicherungsträger zur Rehabilitation sowie die aus § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX folgenden Verpflichtungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen (LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; Christians in GK-SGB IX, § 2 RdNr. 143 ff.). Besondere Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang § 81 Abs. 4 Nr. 5 SGB IX, der schwerbehinderten - und ihnen gleichgestellten - Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf Ausstattung ihres Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen zubilligt. Für die Bejahung der Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX muss es deshalb genügen, dass der behinderte Mensch durch Leistungen zur Rehabilitation oder eine vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellende behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes in die Lage versetzt werden kann, diesen vollwertig auszufüllen. Die erforderliche Geeignetheit des Arbeitsplatzes bestimmt sich damit individuell nach dem Eignungs- und Leistungspotential des Klägers als behinderter Mensch (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - , juris, dort RdNr. 16, BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1) unter Berücksichtigung der dem Arbeitgeber und den Rehabilitationsträgern obliegenden Verpflichtungen. Ungeeignet für einen konkreten Arbeitsplatz ist somit derjenige, der behinderungsbedingt nicht in der Lage ist, unverzichtbare Tätigkeiten an seinem Arbeitsplatz auszuüben oder diese nur unter Inkaufnahme sofort oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in der Zukunft deswegen auftretender gesundheitsschädlicher Folgen noch verrichten kann. Der Zweck der Gleichstellung, die Verbesserung der Wettbewerbschancen der behinderten Menschen am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsmarkt, wird nicht erreicht, wenn die Leistungsanforderungen des konkreten Arbeitsplatzes von vornherein nicht erfüllt werden können oder die konkrete Tätigkeit zu einer zunehmenden Gesundheitsverschlechterung führt, was aller Voraussicht nach zu einer weiteren Verschlechterung der Wettbewerbschancen führt. Fehlt das Tatbestandsmerkmal des geeigneten - derzeit innehabenden - Arbeitsplatzes, besteht kein Anspruch auf Gleichstellung; ggf. wäre dann zu prüfen, ob eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes vorzunehmen ist (vgl. BSG 02.03.2000, a.a.O., RdNr.19, 20).
39 
Vorliegend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Zwar hat der Kläger auf die aus seiner Sicht auftretenden Schwierigkeiten, Schmerzen, sein langsameres Arbeitstempo usw. hingewiesen, doch konnten die vom Senat befragten Ärzte durchgehend bestätigen, dass der Kläger einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Lediglich dauerhafte Überkopfarbeiten, die am Arbeitsplatz des Klägers auch nach seiner eigenen Schilderung nicht vorkommen, wurden ausgeschlossen. Überlastungsbedingte Akuterkrankungen oder Arbeitsunfähigkeitszeiten von relevantem Ausmaß (feststellbar waren über die bereits vom SG mitgeteilten Arbeitsunfähigkeitszeiten hinaus lediglich solche im Juni 2011, im August 2011 sowie im Februar, März und Juni 2013 im Umfang von jeweils einigen Tagen) konnte weder der Kläger noch die befragten Ärzte darlegen. Der Kläger arbeitet damit nach den Feststellungen des Senats weder auf Kosten seiner Gesundheit noch führen die Behinderungen bei ihm zu Einschränkungen, die die Ausführung der an seinem Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben einschränken würde. Insoweit hat der Kläger auch zu keinem Zeitpunkt vorgetragen, bestimmte anfallende Aufgaben nicht mehr verrichten zu können. Er hat vielmehr auf Schmerzen und ein verlangsamtes Arbeitstempo verwiesen. Für dieses Ergebnis eines geeigneten Arbeitsplatzes spricht auch die sachverständige Zeugenaussage von Dr. H. vom 05.09.2013 und die darin mitgeteilten ärztlichen Behandlungsdaten. Wegen der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Erkrankungen, die als Behinderungen im Bescheid der Versorgungsverwaltung festgestellt sind, kam es neben den genannten Arbeitsunfähigkeitszeiten auch zu ärztlichen Behandlungen im Juli, August, September und Oktober 2011 wegen Rückenbeschwerden, im Oktober 2010, Januar 2011, Januar und Juni 2013 wegen Schulterbeschwerden und im Februar und November 2011 sowie Januar und Februar 2013 wegen Kniebeschwerden. Auch hat insbesondere Dr. L. hinsichtlich der Arthrosen der Schultergelenke eine Einschränkung der Geeignetheit verneint. Auch Überlastungssyndrome mit der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung und eine progredient verlaufende Erkrankung, die eine Gesundheitsverschlechterung in der Zukunft wahrscheinlich macht, konnten die behandelnden Ärzte nicht darlegen. Soweit der Kläger angibt, keine längeren Strecken ohne Pausen fahren zu können, führt auch dies nicht zur Ungeeignetheit des innegehaltenen Arbeitsplatzes. Denn durch den Vortrag des Klägers wird insoweit nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass der Kläger auch unter Berücksichtigung dieser Einschränkungen seinen Arbeitsplatz nicht mehr ausfüllen könnte. Denn nicht jede aus einer Behinderung folgende Beeinträchtigung führt zur Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes; anderes hätte nämlich zur Folge, dass jede behinderungsbedingte Einschränkung letztlich zu einem Verlust des Gleichstellungsanspruchs führen würde. Vielmehr ist Ungeeignetheit des Arbeitsplatzes nur anzunehmen, wenn wegen der Behinderung einzelne oder alle am Arbeitsplatz anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden können oder die Arbeitserbringung am konkreten Arbeitsplatz nur auf Kosten der Gesundheit erfolgt, also die Arbeitsplatzbedingungen ursächliche Einwirkung auf die Erkrankung haben bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung neben anderen Ursachen mitwirkt, was eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung durch die Arbeitsleistung bedingen oder eine solche sicher erwarten lassen muss.
40 
Der Senat ist unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem vom Kläger innegehaltenen Arbeitsplatz um einen geeigneten Arbeitsplatz handelt. Denn aus den dokumentierten ärztlichen Behandlungsdaten ergibt sich, dass die Behandlungsbedürftigkeit ohne ursächliche Einwirkung der Arbeitsplatzbedingungen aufgetreten, also allein der Erscheinungsform der bestehenden Behinderungen geschuldet waren, bzw. die Arbeitsplatzbelastung an der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung zwar mitgewirkt hat, aber eine substantielle Verschlechterung der Erkrankung bzw. Ausweitung der Behinderung nicht zu erwarten war, also wiederum nur die bestehende Erscheinungsform der Behinderung in den ärztlichen Behandlungsdaten zum Ausdruck kam.
41 
Aber auch obwohl der Kläger über einen geeigneten Arbeitsplatz verfügt, ist er nicht einem schwerbehinderten Menschen i.S.d. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Denn es fehlt die vom Gesetz geforderte Kausalität ("infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung nicht behalten können"). Kausalität im gesetzlichen Sinn liegt nämlich nur vor, wenn bei wertender Betrachtung in der Behinderung, also gerade in ihrer Art und Schwere, die Schwierigkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes liegt (BSG a.a.O. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerwG). Ausreichend ist für die Darlegung des Ursachenzusammenhangs, wenn die Behinderung zumindest eine wesentliche Mitursache für die Arbeitsmarktprobleme des behinderten Menschen darstellt (Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr. 96.; Schimanski in: Großmann, SGB IX, § 2 RdNr. 229). Dabei ist vor allem der konkrete Arbeitsplatz im Blick zu behalten. Denn im Fall der Gleichstellung zum Behalten eines Arbeitsplatzes ist Funktion der Gleichstellung die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsplatz im Betrieb, im Fall der Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes ist Ziel die Integration des Behinderten in den jeweiligen Arbeitsmarkt (sinngemäß Luthe a.a.O. RdNr. 95). Dagegen ist bei der Beurteilung der Schwerbehinderteneigenschaft eine abstrakte Beurteilung anzustellen. Ob wegen behinderungsbedingter Minderleistung eine Gefährdung des Arbeitsplatzes zu befürchten ist oder es nicht allein auf die Einschränkung der Funktionsfähigkeit ankommt, sondern auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und im Betrieb mit den sonstigen sozialen Kontextbedingungen des Beschäftigten im Betrieb bei der wertenden Betrachtung einer Arbeitsplatzgefährdung abzustellen ist (so Luthe, a.a.O.), kann dahinstehen. Umstände, die eine solche durch die Gleichstellung bezweckte Schutzbedürftigkeit begründen, liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor.
42 
Aus den von den Ärzten mitgeteilten Befunden lassen sich nur Einschränkungen hinsichtlich des dauerhaften Überkopfarbeitens ableiten (vgl. Auskunft Dr. L. ). Weitere Einschränkungen, insbesondere Leistungseinschränkungen, bestehen nicht. Auch konnten die Ärzte Arbeitsunfähigkeitszeiten, die wegen ihrer Häufigkeit oder der Dauer der einzelnen Arbeitsunfähigkeit relevante betriebliche Bedeutung erlangt hätten und die auf körperliche Folgen der Berufsausübung schließen ließen, nicht mitteilen. Des Weiteren hat der Kläger zuerst selbst vorgetragen, sein Arbeitsplatz sei nicht behinderungsbedingt gefährdet, sondern wegen Auftragsmangels. Weist der Kläger damit am konkreten Arbeitsplatz wegen seiner Behinderung gegenüber nichtbehinderten Arbeitnehmern keine Leistungsbeeinträchtigungen auf, so ist auch im Sinne der vom BSG als ausreichend angesehenen abstrakten Arbeitsplatzgefährdung durch eine Behinderung (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1; ebenso LSG 09.08.2013 - L 12 AL 238/12 - n.v.; a.A. LSG 18.01.2011 - L 13 AL 3853/10 - juris; Schleswig-Holsteinisches LSG 14.12.2012 - L 3 AL 36/11 - juris; LSG Nordrhein-Westphalen 12.04.2010 - L 19 AL 21/09 - juris) vorliegend jedenfalls die vorhandene Behinderung nicht wesentliche Ursache einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber nicht behinderten Kollegen und damit einer Arbeitsplatzgefährdung, weshalb eine Gleichstellung nicht zu beanspruchen ist. Nämlich nur dann, wenn der Kläger auf seinem Arbeitsplatz gegenüber Nichtbehinderten nicht mehr konkurrenzfähig wäre, würde diese ungünstige Konkurrenzsituation durch eine Gleichstellung verbessert und somit der Arbeitsplatz sicherer gemacht (BSG 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, 10 = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1). Da sich jedoch weder durch den Arbeitgeber noch seitens der Ärzte behinderungsbedingte Einschränkungen der Konkurrenzfähigkeit des Klägers gegenüber seinen nichtbehinderten Kollegen nachweisen haben lassen, bedarf es einer Gleichstellung nicht.
43 
Sofern der Kläger eine behinderungsbedingte Minderleistung behauptet, weil er im Vergleich zu seinen Kollegen eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit habe bzw. auf langen Fahrten Pausen machen müsse, und seine Arbeitsplatzgefährdung dadurch als nachgewiesen erachtet, weil er als einziger Kurzarbeit zu 100 % habe hinnehmen müssen, ist dies nicht überzeugend. Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber Leistungsmängel wegen körperlicher Beeinträchtigungen weder arbeitsrechtlich gerügt noch im Verfahren auf Gleichstellung mitgeteilt hat und auch der Betriebsrat dazu nichts beitragen konnte, vielmehr ist das vom Kläger benutzte Kundendienstfahrzeug durch den Arbeitgeber mit einem orthopädisch angepassten Sitz ausgestattet worden, sind auch andere Gründe für eine geringere Arbeitsgeschwindigkeit denkbar, wie individuelles handwerkliches Geschick, nur hinreichendes Organisationsvermögen oder nur hinreichend konkretes Arbeitsplatzengagement. Körperliche Beeinträchtigungen sind, wie oben ausgeführt, bei einem grundsätzlich gesundheitlich geeigneten Arbeitsplatz vorliegend nach den eingeholten ärztlichen Aussagen nicht zwingend die Ursache für ein herabgesetztes Arbeitstempo, sondern allenfalls mögliche Ursache neben auch anderen denkbaren Möglichkeiten. Der im Erörterungstermin am 12.06.2013 erteilten Auflage, die konkreten Hinweise für eine Gefährdung des Arbeitsplatzes und hierzu zu befragende Personen zu benennen, ist der Kläger auch nach Erinnerung mit richterlicher Verfügung vom 12.08.2013 nicht nachgekommen. Hierbei kann der Senat als wahr unterstellen, dass die behaupteten Hinweise seitens zuständiger Mitarbeiter des Arbeitgebers an den Kläger, er arbeite langsamer und schlechter im Vergleich zu den anderen Servicemonteuren, zutrifft. Dass seitens der Kollegen und des Betriebes dies aus behinderungsbedingten Gründen angenommen wird, hat der Kläger entgegen der ihm erteilten Auflagen nicht unter Beweis gestellt. Dies widerspricht auch den eingeholten Angaben des Arbeitgebers im Verwaltungsverfahren.
44 
Da der Kläger aber derzeit weder einen anderen Arbeitsplatz sucht, noch eine Kündigung droht, war er auch nicht zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (§ 2 Abs. 3 Alternative 1 SGB IX) einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
45 
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
46 
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Gleichstellung der Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gem. § 2 Abs. 3 SGB IX streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist als Sekretärin bei einer Großbuchbinderei beschäftigt. Ihr wurde mit Bescheid vom 25. August 1992 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 wegen Blutungsstörungen und Verwachsungsbeschwerden nach gynäkologischen Operationen, rezidivierende Lumbalgien bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach ventraler und dorso-lateraler Versteifungsoperation L 5/S 1 zuerkannt. Mit Bescheid vom 7. Juli 2009 wurde seit 29. Oktober 2008 ein GdB von 40 festgestellt (zugrundeliegende Behinderungen: Verwachsungsbeschwerden nach Bauchoperation, Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, Fingerpolyarthrose, Bronchialasthma).
Am 31. Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Sie gab u.a. an, von ihrem Chef seit einigen Jahren schikaniert zu werden, aber nicht wegen der Behinderung, denn davon wisse er erst seit ein paar Tagen. Als sie 2007 eine Kur angetreten habe, habe ihr Chef gesagt, dass sie häufig krank sei und sich überlegen müsse, wie es weitergehen solle. Seitdem habe sie sich in dem Betrieb sehr zurückgehalten. Sie spreche mit ihrem Chef auch nur noch wenig und in rauem Ton. Sie werde für Fehler verantwortlich gemacht, die sie nicht begangen habe. Sie habe den Antrag auf Gleichstellung gestellt, damit man sie nicht entlassen könne.
Gegenüber der Beklagten erklärte der Arbeitgeber am 26. November 2008, dass ihm die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin bekannt seien. Zur Verbesserung des Arbeitsplatzes käme ein behindertengerechter Stuhl oder ein Umzug in ein anderes Gebäude in Betracht. Eine Umsetzung sei nicht möglich. Der Arbeitsplatz sei weder aus behinderungsbedingten noch aus sonstigen Gründen gefährdet. Die Beklagte lehnte eine Gleichstellung mit Bescheid vom 27. November 2008 ab. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, dass sich durch die Schikanierung seitens ihres Arbeitgebers eine Gefährdung ihres Arbeitsplatzes ergebe. Sie verwies dazu auf eine vorgelegte Übersicht über die Krankheitstage (2006: 22 Tage Arbeitsunfähigkeit wegen einer Meniskusschädigung und eines Infekts; 2007. 29 Tage Fehlzeit wegen Kreuzschmerz, Zervikobrachial-Syndrom und Gonarthrose; 2008: 3 Tage Fehlzeit wegen chronischer Sinusitis). Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2009 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Angesichts der Fehlzeiten lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine behinderungsbedingte Kündigung bevorstehe. Die Schikane durch ihren Arbeitgeber stehe nicht im Zusammenhang mit behinderungsbedingten Fehlzeiten.
Die Klägerin hat am 15. Juni 2009 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie auf die Erhöhung des GdB auf 40. Die erforderliche Behandlung ihrer Erkrankungen sei sehr zeitaufwändig. Die Fehlzeiten seien nur deshalb so niedrig gewesen, weil sie Angst vor einem Verlust ihres Arbeitsplatzes gehabt habe. Die 2007 von ihrem Arbeitgeber angedrohte Kündigung stehe nach wie vor im Raum.
Das SG hat nach schriftlicher Befragung des Arbeitgebers, der die bisherigen Angaben bestätigte (Auskunft vom 7. Dezember 2009), die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass eine konkrete Gefährdung des Arbeitsplatzes erforderlich sei. Dazu müssten Tatsachen dargetan und ggf. bewiesen sein, die die Prognose einer behinderungsbedingten deutlichen Risikoerhöhung des Arbeitsplatzverlustes trügen. Solche Tatsachen seien weder dargetan noch ersichtlich. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, ihr Chef schikaniere sie nicht wegen ihrer Behinderung. Entscheidend komme hinzu, dass der Arbeitgeber nur 2007 anlässlich einer Kur eine Bemerkung gemacht habe, die man als Androhung einer Kündigung interpretieren könne. Seitdem habe der Arbeitgeber trotz erneuter Fehlzeiten dieser Aussage keine Taten folgen lassen oder die Kündigungsandrohung erneuert. Sowohl eine Anfrage der Beklagten nach einer drohenden Kündigung als auch eine des Gerichts habe er abschlägig beantwortet. Dass er dies strategisch getan habe, sei reine Spekulation. Damit lägen keine Anhaltspunkte mehr dafür vor, dass eine Kündigung drohe.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am 16. Juli 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 13. August 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Bereits die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei nicht zulässig, denn der Sachverhalt sei nicht hinreichend geklärt. Das Gericht hätte hinsichtlich der Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung gefährdet ist, auf die Möglichkeit einer weiteren Sachaufklärung in einer mündlichen Verhandlung zurückgreifen müssen. Es sei gegenüber dem SG umfangreich ausgeführt worden, dass die Klägerin seitens ihres Arbeitgebers im Jahre 2007 auf häufige Fehlzeiten im Sinne einer Kündigungsandrohung angesprochen worden sei. Es sei ferner ausgeführt worden, dass die Kündigungsandrohung aus 2007 fortwirke. Im weiteren Verlauf hätten sich bei der Klägerin erhebliche weitere behinderungsbedingte Fehlzeiten ergeben. Dies habe zur Folge, dass sich das Kündigungsrisiko der Klägerin stetig erhöhe. Auch sei eine Erneuerung der Kündigungsandrohung nicht erforderlich, denn die Androhung, die sich aus dem Gespräch 2007 ergab, wirke weiterhin fort. Selbstverständlich habe der Arbeitgeber die Frage nach einer drohenden Kündigung gegenüber dem SG verneint, denn sonst hätte das SG die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichstellen müssen, was zu entsprechenden Kündigungserschwerungen führen würde. Das SG habe damit die Auskunft des Arbeitgebers unzutreffend gewürdigt. Es habe völlig außer Acht gelassen, dass der Arbeitgeber mit einer derartigen Auskunft auch eigene Interessen verfolge.
Auch sei eine Anpassung des Arbeitsplatzes erforderlich, um diesen für die Klägerin leidensgerecht zu gestalten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
10 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 12. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Berufung zurückzuweisen.
13 
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz aus behinderungsbedingten Gründen verlieren werde oder ihr eine Kündigung drohe. Die Kündigungsandrohung aus dem Jahr 2007 liege lange zurück und habe sich offensichtlich nicht wiederholt.
14 
Eine behindertengerechte Ausstattung eines Arbeitsplatzes sei vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Erbringung dieser Leistungen hänge nicht vom Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung ab. Eine Gleichstellung diene nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern. Insoweit sei es Sache der Klägerin, geeignete und erforderliche Maßnahmen von ihrem Arbeitgeber einzufordern. Das generelle Bedürfnis eines Behinderten nach Förderung und Rücksichtnahme könne eine Gleichstellung mit den schwerbehinderten Menschen jedenfalls nicht begründen.
15 
In einem Termin zur Beweisaufnahme am 22. Oktober 2010 wurde der Arbeitgeber der Klägerin als Zeuge befragt. Dieser hat erklärt: „Es gab oft Gespräche über die Aufgabenstellung und den Gesundheitszustand der Klägerin, eine Kündigungsandrohung aufgrund des Gesundheitszustandes oder einer Minderleistung gab es nicht. Auch steht eine Kündigung aktuell nicht im Raum. Auch eine Kündigungsdrohung steht nicht im Raum.“ Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen.
16 
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin ausgeführt, dass sie seit Beginn der Angelegenheit herausragende Ereignisse dokumentiert habe; hierzu wird auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen auf Blatt ... bis ... der Berufungsakte Bezug genommen. So habe es seit 2008 seitens des Zeugen immer wieder Aufforderungen gegeben, frühzeitig in Rente zu gehen bzw. Andeutungen, das Arbeitsverhältnis anderweitig zu beendigen. Im November 2008 sei sie gefragt worden, wann sie in Rente gehen möchte. Es sei das 2-Jahres-Modell vorgeschlagen worden. Am 18. November 2008 sei die Klägerin von Frau Wa. gefragt worden, ob man jetzt jemanden für sie einstellen solle oder noch nicht; sie gehe jetzt für ein paar Tage in Urlaub und wolle dies vorher erledigen. Die Klägerin sei auch wiederholt auf Umstände angesprochen worden, die zu Unrecht als Fehler ihrerseits gedeutet worden seien. Auch auf das Nichterscheinen beim Umzug des Unternehmens an einem Samstag sei sie seitens des Zeugen in unfreundlichem Ton angesprochen und darauf aufmerksam gemacht worden, dass sie erneut die einzige gewesen sei, die am Samstag anlässlich des Umzugs ins neue Büro nicht gearbeitet habe. Die Klägerin habe zu der Zeit ihre krank im Bett liegende Mutter versorgt. Darüber hinaus habe der Zeuge mitgeteilt, Überstunden nicht zu bezahlen, da sie ihren Arbeitsplatz nicht ordentlich verlassen habe. Außerdem habe dieser erklärt, er erwarte mehr Einsatz von ihr, er sei sehr unzufrieden mit ihr. Auch habe der Zeuge die Klägerin gefragt, ob diese ihm Anlass geben wolle, sie loszuwerden, sie würde es nach seinem Gefühl nach darauf anlegen. Des Weiteren sei sie während eines Krankenhausaufenthalts viermal von der Arbeit aus angerufen worden, weil ihre Vertretung die Arbeitsabläufe nicht gekannt habe. Während dieser Zeit habe der Zeuge sie auch aufgefordert, ihn zu einem Kunden zu begleiten um dort eine Übergabe durchzuführen. Auf die Ablehnung seitens der Klägerin habe der Zeuge trotz der bestehenden Arbeitsunfähigkeit ungehalten reagiert. Im Dezember 2009 habe der Zeuge sie erneut aufgefordert, sich hinsichtlich der Altersteilzeit zu äußern.
17 
Der Arbeitsplatz der Klägerin sei geeignet. Es sei mit einem relativ geringen Aufwand möglich die Klägerin ausreichend vor Zug und Staub zu schützen, so dass die Beeinträchtigungen der Klägerin aufgrund ihrer Atemwegserkrankungen auf ein akzeptables Maß beschränkt würden. Im Übrigen zeige sich die Eignung des Arbeitsplatzes bereits darin, dass die Klägerin ihre Aufgaben nach wie vor zu erfüllen vermöge.
18 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsakte, die Akte des SG sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
20 
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt, sie ist zulässig. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
22 
Das SG durfte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, denn aus seiner Sicht war der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt, weitere Beweise mussten nicht erhoben werden, auch weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Das SG hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und diese gehört. Dabei hatten die Beteiligten nichts vorgebracht, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstand.
23 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Soll-Formulierung bedeutet kein freies Ermessen; lediglich im besonders begründeten Ausnahmefall kann eine Versagung der Gleichstellung in Betracht gezogen werden kann (Luthe in jurisPK-SGB IX § 2 SGB IX Rn. 105; Zoppik in Hassel/ Gurgel/ Otto, Handbuch des Fachanwalts - Sozialrecht, 2. Auflage, Kapitel 11 Rdnr. 76). Es sind auch die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 68 ff SGB IX zu beachten.
24 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX sind vorliegend nicht erfüllt.
25 
Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstigt die Erlangung und schützt das Behalten eines Arbeitsplatzes. Geschützt ist dabei nicht jeder beliebige Arbeitsplatz. Vielmehr ist der Schutz beschränkt auf geeignete Arbeitsplätze (Luthe a.a.O. Rn. 102). Dem Senat erscheint insoweit schon als fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Denn angesichts des bei der Klägerin vorhandenen Bronchialasthmas erscheint die Geeignetheit des Arbeitsplatzes mit der von der Klägerin aber auch dem Zeugen geschilderten Staubbelastung, die in Folge des in der Buchbinderei verwendeten mit Druckpuder beschichteten Papiers im gesamten Gebäudekomplex und auch im Büro der Klägerin vorhanden ist, als zweifelhaft.
26 
Auf diese Frage kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht an, denn es liegt kein Grund für eine Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX vor. Eine Gleichstellung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn behinderte Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Da die Klägerin bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes ist, käme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn die Klägerin infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass wegen der Behinderung der Klägerin ein Verlust ihres Arbeitsplatzes droht. Erforderlich ist insoweit, dass ein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht. Es müssen mithin Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss zulassen, dass der Arbeitsplatz wegen der Behinderung konkret gefährdet ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. April 2010 - L 19 AL 51/09 - juris Rn. 27). Solche Tatsachen liegen nicht vor.
27 
Zunächst hat der als Zeuge vernommene Arbeitgeber mitgeteilt, dass weder eine Kündigung noch eine Kündigungsdrohung im Raum steht. Auch wenn die Klägerin dem Zeugen ein strategisches Aussageverhalten unterstellt, ergeben sich weder aus seiner Aussage, noch aus den Angaben der Klägerin Anhaltspunkte, die diesen Verdacht untermauern würden. Vielmehr wäre für ihn eine Gleichstellung der Klägerin im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX günstig (vgl. dazu Goebel in jurisPK-SGB IX, § 75 SGB IX Rn. 7; Zoppik a.a.O. Rdnr. 78), da das Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erfüllt hat.
28 
Dass der Zeuge die Klägerin in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vorruhestandsregelungen und eine Beschäftigung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angesprochen hat, kann nicht als konkretes Drohen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verstanden werden. Derartige - auch der Personalplanung und der vom Zeugen geschilderten wirtschaftlich angespannten Lage des Unternehmens geschuldete - Gespräche sind zulässig und begründen für sich keine konkrete Gefahr, aus behinderungsbedingten Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren.
29 
Auch hinsichtlich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin sieht der Senat keine konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Zwar hat der Zeuge auf die erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten hingewiesen, jedoch auch mitgeteilt, darauf eine Kündigung nicht stützen zu können. Dadurch wird für den Senat deutlich, dass der Arbeitgeber an die Fehlzeiten der Klägerin eine behinderungsbedingte Kündigung nicht knüpft. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg die Fehlzeiten der Klägerin ohne rechtliche Folgen hingenommen hat. Die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten berechtigen den Arbeitgeber auch heute nicht mehr zu einer Kündigung.
30 
Soweit die Klägerin meint, die zeitaufwändige Behandlung ihrer Behinderungen begründe eine Gleichstellung, so kann der Senat dem - auch in der Zusammenschau mit den sonstigen krankheitsbedingten Fehlzeiten - nicht folgen. Denn die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankungen bzw. Behinderungen führt nach den von der Klägerin aber auch den vom Zeugen geschilderten Umständen nicht dazu, dass deswegen der Verlust des Arbeitsplatzes konkret droht.
31 
Auch die ggf. im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt der Klägerin geäußerte Kündigungsdrohung - ob eine solche ausgesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern - hat heute keine Wirkungen mehr. Alleine schon durch folgenlosen Zeitablauf nach nunmehr annähernd vier Jahren ist davon auszugehen, dass eine damalige Drohung nicht mehr wirksam ist. Denn auch die in den Folgejahren aufgetretenen Fehlzeiten haben weder zu einer Wiederholung oder einem Aufgreifen der damaligen Drohung geführt und die Klägerin auch nicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten abgehalten.
32 
Soweit die Klägerin meint, vom Arbeitgeber, dem Zeugen, gemobbt zu werden, ist dieses Verhalten bzw. Empfinden nicht auf eine bei der Klägerin bestehende Behinderung zurückzuführen. Vielmehr scheint dieses Verhalten bzw. Empfinden dem Charakter des Zeugen und der Klägerin geschuldet zu sein; die Klägerin bezeichnet insoweit sich als auch den Zeugen als schwierigen Charakter, mit dem man am besten auskomme, wenn man ihn morgens nicht beachte. Zwischenmenschliche Problemsituationen begründen aber nicht die behinderungsbedingte Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes.
33 
Ebenso begründen weder tatsächliche (z.B. solche, wie sie zu der Abmahnung geführt haben, als die Klägerin über mehrere Tage hinweg die Eingangspost falsch abgestempelt hat) oder angebliche bzw. bestrittene Fehlleistungen der Klägerin noch die Bezahlung und Ausführung von Überstunden durch die Klägerin die konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes in Folge infolge ihrer Behinderung. Denn die tatsächlichen bzw. angeblichen bzw. bestrittenen Fehlleistungen und auch die Bezahlung bzw. Ausführung von Überstunden stehen nicht im Zusammenhang mit den Behinderungen der Klägerin.
34 
Weder einzeln noch in der Zusammenschau der genannten Gründe konnte sich der Senat damit vom Vorliegen einer konkreten Gefahr eines behinderungsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes überzeugen. Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch einfach persönliche Schwierigkeiten miteinander, die wie hier nicht auf einer Behinderung sondern auf dem Charakter der Klägerin und des Zeugen beruhen, begründen keinen Anspruch auf Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Auch soweit das Begehren der Klägerin darauf zielt, mit einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX einen besser den Behinderungen angepassten Arbeitsplatz zu bekommen und den Arbeitgeber zu Umbaumaßnahmen zu veranlassen, begründet dies keinen Anspruch auf Gleichstellung. Insoweit ist auf die im Beweisaufnahmetermin erklärte Bereitschaft des Zeugen hinzuweisen, eine Verbesserung des Arbeitsplatzes mit einem finanziellen Aufwand von wenigen 100 Euro vorzunehmen. Im Übrigen ist eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation (z.B. § 13 ff SGB VI). Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht an den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung geknüpft. Insoweit dient die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX auch nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

Gründe

 
19 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
20 
Nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt hatten, konnte der Senat den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
21 
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt, sie ist zulässig. In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2009 ist nicht rechtswidrig; die Klägerin ist nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
22 
Das SG durfte den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG entscheiden, denn aus seiner Sicht war der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt, weitere Beweise mussten nicht erhoben werden, auch weist die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Das SG hatte die Beteiligten mit Schreiben vom 16. März 2010 auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hingewiesen und diese gehört. Dabei hatten die Beteiligten nichts vorgebracht, was einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegenstand.
23 
Gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Diese Soll-Formulierung bedeutet kein freies Ermessen; lediglich im besonders begründeten Ausnahmefall kann eine Versagung der Gleichstellung in Betracht gezogen werden kann (Luthe in jurisPK-SGB IX § 2 SGB IX Rn. 105; Zoppik in Hassel/ Gurgel/ Otto, Handbuch des Fachanwalts - Sozialrecht, 2. Auflage, Kapitel 11 Rdnr. 76). Es sind auch die verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 68 ff SGB IX zu beachten.
24 
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 3 SGB IX sind vorliegend nicht erfüllt.
25 
Die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX begünstigt die Erlangung und schützt das Behalten eines Arbeitsplatzes. Geschützt ist dabei nicht jeder beliebige Arbeitsplatz. Vielmehr ist der Schutz beschränkt auf geeignete Arbeitsplätze (Luthe a.a.O. Rn. 102). Dem Senat erscheint insoweit schon als fraglich, ob die Klägerin überhaupt einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat. Denn angesichts des bei der Klägerin vorhandenen Bronchialasthmas erscheint die Geeignetheit des Arbeitsplatzes mit der von der Klägerin aber auch dem Zeugen geschilderten Staubbelastung, die in Folge des in der Buchbinderei verwendeten mit Druckpuder beschichteten Papiers im gesamten Gebäudekomplex und auch im Büro der Klägerin vorhanden ist, als zweifelhaft.
26 
Auf diese Frage kommt es vorliegend jedoch letztlich nicht an, denn es liegt kein Grund für eine Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX vor. Eine Gleichstellung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn behinderte Menschen infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Da die Klägerin bereits im Besitz eines ungekündigten Arbeitsplatzes ist, käme eine Gleichstellung nur in Betracht, wenn die Klägerin infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung den Arbeitsplatz nicht behalten könnte. Der Senat konnte sich jedoch nicht davon überzeugen, dass wegen der Behinderung der Klägerin ein Verlust ihres Arbeitsplatzes droht. Erforderlich ist insoweit, dass ein konkreter Verlust des Arbeitsplatzes droht; eine bloß abstrakte Gefährdung des Arbeitsplatzes genügt nicht. Es müssen mithin Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss zulassen, dass der Arbeitsplatz wegen der Behinderung konkret gefährdet ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. April 2010 - L 19 AL 51/09 - juris Rn. 27). Solche Tatsachen liegen nicht vor.
27 
Zunächst hat der als Zeuge vernommene Arbeitgeber mitgeteilt, dass weder eine Kündigung noch eine Kündigungsdrohung im Raum steht. Auch wenn die Klägerin dem Zeugen ein strategisches Aussageverhalten unterstellt, ergeben sich weder aus seiner Aussage, noch aus den Angaben der Klägerin Anhaltspunkte, die diesen Verdacht untermauern würden. Vielmehr wäre für ihn eine Gleichstellung der Klägerin im Hinblick auf die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX günstig (vgl. dazu Goebel in jurisPK-SGB IX, § 75 SGB IX Rn. 7; Zoppik a.a.O. Rdnr. 78), da das Unternehmen die Beschäftigungsquote nicht erfüllt hat.
28 
Dass der Zeuge die Klägerin in den vergangenen Jahren mehrfach auf Vorruhestandsregelungen und eine Beschäftigung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze angesprochen hat, kann nicht als konkretes Drohen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes verstanden werden. Derartige - auch der Personalplanung und der vom Zeugen geschilderten wirtschaftlich angespannten Lage des Unternehmens geschuldete - Gespräche sind zulässig und begründen für sich keine konkrete Gefahr, aus behinderungsbedingten Gründen den Arbeitsplatz zu verlieren.
29 
Auch hinsichtlich der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin sieht der Senat keine konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes. Zwar hat der Zeuge auf die erhöhten Arbeitsunfähigkeitszeiten hingewiesen, jedoch auch mitgeteilt, darauf eine Kündigung nicht stützen zu können. Dadurch wird für den Senat deutlich, dass der Arbeitgeber an die Fehlzeiten der Klägerin eine behinderungsbedingte Kündigung nicht knüpft. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der Arbeitgeber über viele Jahre hinweg die Fehlzeiten der Klägerin ohne rechtliche Folgen hingenommen hat. Die in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten berechtigen den Arbeitgeber auch heute nicht mehr zu einer Kündigung.
30 
Soweit die Klägerin meint, die zeitaufwändige Behandlung ihrer Behinderungen begründe eine Gleichstellung, so kann der Senat dem - auch in der Zusammenschau mit den sonstigen krankheitsbedingten Fehlzeiten - nicht folgen. Denn die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankungen bzw. Behinderungen führt nach den von der Klägerin aber auch den vom Zeugen geschilderten Umständen nicht dazu, dass deswegen der Verlust des Arbeitsplatzes konkret droht.
31 
Auch die ggf. im Jahr 2007 im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt der Klägerin geäußerte Kündigungsdrohung - ob eine solche ausgesprochen worden war, konnte der Zeuge nicht mehr erinnern - hat heute keine Wirkungen mehr. Alleine schon durch folgenlosen Zeitablauf nach nunmehr annähernd vier Jahren ist davon auszugehen, dass eine damalige Drohung nicht mehr wirksam ist. Denn auch die in den Folgejahren aufgetretenen Fehlzeiten haben weder zu einer Wiederholung oder einem Aufgreifen der damaligen Drohung geführt und die Klägerin auch nicht von Arbeitsunfähigkeitszeiten abgehalten.
32 
Soweit die Klägerin meint, vom Arbeitgeber, dem Zeugen, gemobbt zu werden, ist dieses Verhalten bzw. Empfinden nicht auf eine bei der Klägerin bestehende Behinderung zurückzuführen. Vielmehr scheint dieses Verhalten bzw. Empfinden dem Charakter des Zeugen und der Klägerin geschuldet zu sein; die Klägerin bezeichnet insoweit sich als auch den Zeugen als schwierigen Charakter, mit dem man am besten auskomme, wenn man ihn morgens nicht beachte. Zwischenmenschliche Problemsituationen begründen aber nicht die behinderungsbedingte Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes.
33 
Ebenso begründen weder tatsächliche (z.B. solche, wie sie zu der Abmahnung geführt haben, als die Klägerin über mehrere Tage hinweg die Eingangspost falsch abgestempelt hat) oder angebliche bzw. bestrittene Fehlleistungen der Klägerin noch die Bezahlung und Ausführung von Überstunden durch die Klägerin die konkrete Gefahr des Verlustes des Arbeitsplatzes in Folge infolge ihrer Behinderung. Denn die tatsächlichen bzw. angeblichen bzw. bestrittenen Fehlleistungen und auch die Bezahlung bzw. Ausführung von Überstunden stehen nicht im Zusammenhang mit den Behinderungen der Klägerin.
34 
Weder einzeln noch in der Zusammenschau der genannten Gründe konnte sich der Senat damit vom Vorliegen einer konkreten Gefahr eines behinderungsbedingten Verlustes des Arbeitsplatzes überzeugen. Missverständnisse, nicht geklärte Zuständigkeiten, ein unfreundlicher Umgang miteinander, unklare Arbeitsanweisungen, fachliche Defizite und fehlendes Verständnis für die jeweilige Situation des anderen oder auch einfach persönliche Schwierigkeiten miteinander, die wie hier nicht auf einer Behinderung sondern auf dem Charakter der Klägerin und des Zeugen beruhen, begründen keinen Anspruch auf Gleichstellung im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX.
35 
Auch soweit das Begehren der Klägerin darauf zielt, mit einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX einen besser den Behinderungen angepassten Arbeitsplatz zu bekommen und den Arbeitgeber zu Umbaumaßnahmen zu veranlassen, begründet dies keinen Anspruch auf Gleichstellung. Insoweit ist auf die im Beweisaufnahmetermin erklärte Bereitschaft des Zeugen hinzuweisen, eine Verbesserung des Arbeitsplatzes mit einem finanziellen Aufwand von wenigen 100 Euro vorzunehmen. Im Übrigen ist eine behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes vorrangig Aufgabe der Rehabilitationsträger als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder als Leistung der medizinischen Rehabilitation (z.B. § 13 ff SGB VI). Die Erbringung dieser Leistungen ist nicht an den Status einer Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung geknüpft. Insoweit dient die Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX auch nicht dazu, die Durchsetzung behinderungsgerechter Arbeitsbedingungen zu erleichtern.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, dabei berücksichtigt der Senat, dass die Klägerin im Ergebnis erfolglos geblieben ist.
37 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. April 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit ist ein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten nach § 2 Abs 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX).

2

Der 1966 geborene Kläger ist Beamter auf Lebenszeit. Seit 1992 ist er bei der Deutschen Telekom AG beschäftigt und seit November 2002 als Transfermitarbeiter bei der Personal-Service-Agentur Vivento, einer 100 %-igen Tochter der Deutschen Telekom AG, eingesetzt. Die Personal-Service-Agentur Vivento bietet Outsourcing und Projektmanagement an und vermittelt Fachpersonal zu Unternehmen und Behörden. Das zuständige Versorgungsamt stellte zugunsten des Klägers einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 ua wegen eines psychischen Leidens fest (Bescheid vom 8.6.2005; Widerspruchsbescheid vom 11.7.2005).

3

Den Antrag des Klägers vom 26.8.2005, ihn mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.1.2006; Widerspruchsbescheid vom 1.12.2006). Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mainz vom 30.6.2008; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Unkündbarkeit als Beamter auf Lebenszeit keiner Konkurrenzsituation ausgesetzt sei, die eine Gleichstellung mit Schwerbehinderten rechtfertige. Nur in Ausnahmefällen könnten auch Arbeitsplätze von Beamten auf Lebenszeit gefährdet sein, beispielsweise, wenn die Behörde aufgelöst werde oder der Dienstherr ein Verfahren auf Zur-Ruhe-Setzung wegen Dienstunfähigkeit einleite. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsplatz des Klägers auch nur abstrakt gefährdet sei. Deshalb bedürfe die Frage, ob er rechtmäßig als Transfermitarbeiter eingesetzt werde, keiner abschließenden Beurteilung. Unerheblich sei auch, ob die Personal-Service-Agentur Vivento ggf erwäge, den Kläger an eine andere Organisationseinheit zu versetzen. Der Kläger sei durch seinen Beamtenstatus hinreichend gegen widerrechtliche Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes geschützt.

4

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX, der grundsätzlich auch auf Beamte Anwendung finde. Dies gelte jedenfalls in Fällen, in denen - wie hier - ein Beamter aus dem klassischen Beamtenverhältnis gezwungenermaßen heraustrete, ihm kein Dienstposten mehr zugewiesen und er aufgefordert werde, sich zu bewerben. Betroffene Beamte müssten vielfach auf den offenen Arbeitsmarkt ausweichen bzw sollten durch Transfergesellschaften wie Vivento dauerhaft vermittelt werden und gerieten so in eine dem Beamtenverhältnis untypische Konkurrenzsituation. Das LSG habe seinen Vortrag verfahrensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen und hierdurch sein rechtliches Gehör verletzt.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn einem Schwerbehinderten gleichzustellen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Es fehlen hinreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 SGG) zu den Voraussetzungen für eine Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX.

9

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 25.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2006 (§ 95 SGG), gegen den sich der Kläger mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG) wehrt.

10

Nach § 2 Abs 3 SGB IX(in der Normfassung des SGB IX vom 19.6.2001 - BGBl I 1056) sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen(mit einem GdB von wenigstens 50; § 2 Abs 2 SGB IX) gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. § 2 Abs 2 SGB IX knüpft die Schwerbehinderung an einen GdB von 50 sowie den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder die rechtmäßige Beschäftigung iS des § 73 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzes.

11

Zwar erfüllt der Kläger die persönlichen Voraussetzungen eines anerkannten GdB von 30 und des Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland; jedoch ist der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen des LSG nicht in der Lage zu beurteilen, ob der Kläger infolge seiner Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht (behalten oder) erlangen kann. Ein Anspruch des Klägers ist jedenfalls nicht schon mangels Gefährdung seines Arbeitsplatzes ausgeschlossen.

12

Die Gleichstellung Beamter (oder anderer unkündbarer Arbeitnehmer) scheidet zunächst - wovon auch das LSG ausgeht - nicht generell wegen deren Unkündbarkeit aus. Dies zeigt schon der Wortlaut des § 2 Abs 3 SGB IX in seiner Bezugnahme auf § 73 SGB IX, der den Begriff des Arbeitsplatzes als Stelle definiert, auf der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Beamte und Beamtinnen, Richter und Richterinnen sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Auch Sinn und Zweck der Gleichstellung lassen nicht den Schluss zu, dass Beamte nicht dem Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX unterfallen. Die Gleichstellung dient dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-2870 § 2 Nr 1 S 6 f). Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Alternativen, nämlich der Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes (Alternative 2) sowie der Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 73 SGB IX (Alternative 1), die kumulativ, aber auch nur alternativ vorliegen können(BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f).

13

Die Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes dient dazu, bei einer Arbeitsplatzgefährdung den Arbeitsplatz sicherer zu machen. Deshalb bedarf es - wie das LSG zu Recht annimmt - einer besonderen Prüfung bei Personengruppen mit einem "sicheren Arbeitsplatz", wie bei Beamten, Richtern auf Lebenszeit und Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz (Backendorf/Ritz in Bihr/Fuchs/Krauskopf/Ritz, SGB IX, 2006, § 68 RdNr 39). Bei diesen Personengruppen können die allgemeinen Voraussetzungen der Gleichstellung wegen Arbeitsplatzgefährdung zwar vorliegen, es bedarf aber einer besonderen Begründung, warum trotz Kündigungsschutz der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Dies ist bei einem Beamten beispielsweise der Fall, wenn behinderungsbedingt die Versetzung in den Ruhestand (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.5.2002 - L 9 AL 241/01; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.11.1995 - L 6 AR 159/94 -, ZfS 1996, 375 ff; Luthe in jurisPraxiskommentar SGB IX, 2010, § 2 RdNr 102; Backendorf/Ritz, aaO, RdNr 39) oder die behinderungsbedingte Versetzung oder Umsetzung auf einen anderen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz droht (Backendorf/Ritz aaO; Luthe aaO). Einen Gleichstellungsanspruch wegen Arbeitsplatzgefährdung nehmen Rechtsprechung und Literatur daneben auch dann an, wenn die Behörde aufgelöst wird (LSG Nordrhein-Westfalen aaO; Luthe aaO; Cramer, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl 1998, § 2 RdNr 5), obwohl in einem solchen Fall der Arbeitsplatz nicht (nur) gefährdet ist, sondern tatsächlich wegfällt und auch nicht zu erkennen ist, weshalb bei der Auflösung einer Behörde der Arbeitsplatz nachvollziehbar unsicherer ist als bei einem nichtbehinderten Kollegen. Hier wäre - wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes - eher an eine Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten (neuen) Arbeitsplatzes zu denken (siehe dazu unten).

14

Das LSG hat einen drohenden Verlust des Arbeitsplatzes bezogen auf die Tätigkeit als "Transfermitarbeiter" bei der Vivento im Hinblick auf die Unkündbarkeit des Klägers zwar pauschal und ohne nähere Begründung verneint. Der Kläger hatte seinen ursprünglichen Arbeitsplatz mit dem Wechsel in diese Gesellschaft, bei der er seit November 2002 eingesetzt und als "Transfermitarbeiter" geführt wird, allerdings bereits verloren. Das LSG hätte sich deshalb nicht mit der Prüfung der 2. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zum Erhalt des Arbeitsplatzes) begnügen dürfen. Vielmehr hätte es auch bei Unkündbarkeit des Klägers prüfen müssen, ob wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 2 Abs 3 SGB IX (Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes) vorliegen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der ursprüngliche Arbeitsplatz eines Beamten nicht mehr existiert, sei es, weil die Behörde aufgelöst wurde, sei es aus anderen Gründen, und der Beamte in eine andere Beschäftigung oder Tätigkeit vermittelt werden soll und selbst eine solche Vermittlung - unabhängig von der Frage eines Anspruchs auf eine amtsangemessene Beschäftigung - wünscht. Ob der Beamtenstatus hinreichend gegen (widerrechtliche) Versetzungen und den Verlust eines amtsangemessenen Arbeitsplatzes schützt, ist dabei ohne Bedeutung. Die Freiheit, auch als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, kann nämlich nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Arbeitnehmern bei der Arbeitsuche schlechter gestellt wird.

15

Ob eine derartige Fallgestaltung vorliegt, kann den Feststellungen des LSG nicht entnommen werden. Danach hat der Betriebsrat zwar auf Anfrage der Beklagten mitgeteilt, dass der Kläger "Transfermitarbeiter" sei und versucht werde, ihn auf einen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln, wobei Schwerbehinderte und mit Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen bei gleicher Eignung bei allen Stellenbesetzungen bevorzugt würden. Eigene Feststellungen des LSG hierzu fehlen jedoch. Diese wird es ggf nachzuholen haben. Um den Vermittlungswunsch des Beamten zu belegen, ist dabei schon der Antrag, einem Schwerbehinderten gleichgestellt zu werden, ausreichend. Ihm kann insoweit indizielle Bedeutung beigemessen werden, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung des Beamten oder einer Glaubhaftmachung hinsichtlich des Vermittlungswunsches bedarf. Ein Anspruch auf Gleichstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Kläger "infolge" seiner Behinderung (Kausalität) bei wertender Betrachtung (im Sinne einer wesentlichen Bedingung) in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Nichtbehinderten in besonderer Weise beeinträchtigt und deshalb nur schwer vermittelbar ist. Entscheidendes Kriterium für die Gleichstellung ist deshalb die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (BSGE 86, 10, 14 f = SozR 3-3870 § 2 Nr 1 S 6 f). Aus der besonders geregelten und geschützten Stellung des Beamten resultiert kein mangelnder Bezug zum Arbeitsmarkt, wie schon § 73 SGB IX zeigt (siehe oben). Die Konkurrenzfähigkeit des Klägers misst sich dabei nicht allein an seiner früheren - bis 2002 oder in der Vivento ausgeübten - Tätigkeit und seinen beruflichen Wünschen, sondern auch an den Tätigkeiten, auf die etwaige Vermittlungsbemühungen erstreckt werden. Entsprechende Feststellungen wird das LSG ggf nachzuholen haben (zum maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung einer Gleichstellung vgl BSG, aaO).

16

Sollte das LSG eine mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Klägers im dargestellten Sinne feststellen, hat der Kläger einen Anspruch ("soll") auf die Gleichstellung zur Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Sie hat zur Folge, dass der Gleichgestellte auf die Pflichtplatzquote des Arbeitgebers angerechnet wird. Für einen potenziellen Arbeitgeber wird auf diese Weise ein Anreiz geschaffen, den Arbeitslosen einzustellen. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie auch in anderen vergleichbaren Fällen - der Arbeitsagentur ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt der Arbeitsagentur nur dann die Möglichkeit zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Auch insoweit hat das LSG ggf entsprechende Feststellungen nachzuholen. Im Übrigen wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

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1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

25

b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

33

Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

34

c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

35

3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

36

Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

37

Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

38

Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

39

Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

40

Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

41

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Als Reisekosten werden die erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen, die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben stehen. Zu den Reisekosten gehören auch die Kosten

1.
für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen der Art oder Schwere der Behinderung erforderlich ist,
2.
für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls,
3.
für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist sowie
4.
für den erforderlichen Gepäcktransport.

(2) Während der Ausführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden im Regelfall auch Reisekosten für zwei Familienheimfahrten je Monat übernommen. Anstelle der Kosten für die Familienheimfahrten können für Fahrten von Angehörigen vom Wohnort zum Aufenthaltsort der Leistungsempfänger und zurück Reisekosten übernommen werden.

(3) Reisekosten nach Absatz 2 werden auch im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen, wenn die Leistungen länger als acht Wochen erbracht werden.

(4) Fahrkosten werden in Höhe des Betrages zugrunde gelegt, der bei Benutzung eines regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels der niedrigsten Beförderungsklasse des zweckmäßigsten öffentlichen Verkehrsmittels zu zahlen ist, bei Benutzung sonstiger Verkehrsmittel in Höhe der Wegstreckenentschädigung nach § 5 Absatz 1 des Bundesreisekostengesetzes. Bei Fahrpreiserhöhungen, die nicht geringfügig sind, hat auf Antrag des Leistungsempfängers eine Anpassung der Fahrkostenentschädigung zu erfolgen, wenn die Maßnahme noch mindestens zwei weitere Monate andauert. Kosten für Pendelfahrten können nur bis zur Höhe des Betrages übernommen werden, der unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Behinderung bei einer zumutbaren auswärtigen Unterbringung für Unterbringung und Verpflegung zu leisten wäre.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin gemäß § 2 Abs 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen ist.

2

Die 1982 geborene Klägerin ist seit September 2002 als Angestellte bei der J. (FHH) im mittleren Dienst vollzeitbeschäftigt. Bei ihr ist wegen einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) seit 23.7.2010 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

3

Am 24.9.2010 beantragte die Klägerin bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Zwar sei ihr derzeitiges Beschäftigungsverhältnis unbefristet und ungekündigt. Auch könne sie ihre bisherige Tätigkeit ohne Einschränkung ausüben. Sie benötige die Gleichstellung aber, um ihre Vermittlungschancen für ein neues Arbeitsverhältnis bzw einen neuen Ausbildungsplatz zu verbessern. Im Juli 2009 bewarb sich die Klägerin bei der F. für eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst). Nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch bot ihr die F. zum 1.10.2009 die Einstellung unter dem Vorbehalt an, dass der personalärztliche Dienst diese befürworte. Später lehnte die F. die Einstellung ab (Bescheid vom 30.9.2009). Sie verwies auf ein Gutachten des ärztlichen Dienstes, wonach die Klägerin nicht über die für die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Rechtsmittel der Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid der F. sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid der FHH vom 27.9.2010; Urteil des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 11.1.2013 - 8 K 3007/10). Das Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg (1 Bf 32/13) ist noch anhängig.

4

Die Beklagte lehnte den Gleichstellungsantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 18.10.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.2.2011).

5

Die Klägerin hat Klage zum Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und darauf verwiesen, Art 27 Abs 1 Lit e) und g) des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 13.12.2006 (BGBl 2008 II, S 1419; UN-Behindertenrechtskonvention, im Folgenden: UN-BRK) sei zu beachten. Danach habe sie als behinderter Mensch hinsichtlich ihres Berufs ein weitgehendes Wahlrecht; auch berufliche Aufstiegschancen seien zu berücksichtigen. Die Beklagte hat entgegnet, der berufliche Aufstieg könne nicht durch eine Gleichstellung gefördert werden. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10.9.2012). Der Wunsch nach beruflichem Aufstieg falle nicht unter das "Erlangen" eines geeigneten Arbeitsplatzes iS des § 2 Abs 3 SGB IX.

6

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen (Urteil vom 30.10.2013). Es müsse dem behinderten Menschen mittels Gleichstellung ermöglicht werden, einen Arbeitsplatz zu erlangen, der seinen beruflichen Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten entspreche. Die Freiheit, als Beamter ein neues Tätigkeitsfeld zu suchen, dürfe nicht dadurch eingeschränkt werden, dass ein Beamter gegenüber anderen behinderten Menschen bei der Gleichstellung schlechtergestellt werde.

7

Die Beklagte rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision das Vorliegen eines Verfahrensfehlers. Das LSG habe den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des OVG Hamburg (1 Bf 32/13) wegen Übernahme in das Beamtenverhältnis aussetzen müssen. Die Entscheidung des OVG sei für die hier zu treffende Entscheidung präjudiziell. Zwar liege eine Aussetzung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Zur Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen habe hier aber die Pflicht bestanden, den Rechtsstreit auszusetzen. Die Aussetzung sei auch geboten, weil das LSG die Beweise dahingehend gewürdigt habe, dass die Klägerin - jedenfalls nach Gleichstellung - gesundheitlich für eine Berufung in das Beamtenverhältnis geeignet sei. Die Beklagte rügt auch die Verletzung des § 2 Abs 3 SGB IX. Dessen Voraussetzungen seien nicht gegeben. Die Klägerin sei unbefristet auf einem geeigneten Arbeitsplatz beschäftigt. Sie begehre die Gleichstellung zum Zwecke der Förderung des beruflichen Aufstiegs. Die Gleichstellung könne nicht begehrt werden, um Diskriminierungen zu beseitigen, die durch die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung bei der Bewerbung um die Übernahme in ein (anderes) Beamtenverhältnis entstehen. Insofern sei bei öffentlichen Arbeitgebern ein besonderes Verständnis für Menschen mit Behinderung vorauszusetzen. Ein Anspruch auf Gleichstellung ergebe sich auch nicht aus der UN-BRK.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 30. Oktober 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. September 2012 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

10

Das LSG sei nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits verpflichtet gewesen. Die Klägerin habe Anspruch auf Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX. Durch die Gleichstellung komme sie bei der Prüfung der Übernahme in das Anwärterverhältnis in den Genuss des Eignungsmaßstabs, der für schwerbehinderte Beamtenanwärter gelte. Diese Einstellungsvoraussetzungen könne sie erfüllen. Ohne Gleichstellung könne sie den für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen.

11

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten, über die der Senat nach erklärtem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Sozialgerichtsgesetz), ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.2.2011, gegen den sich die Klägerin mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) wehrt (zur Klageart: BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4, RdNr 9; zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Klage vgl Senatsurteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R).

14

1. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin durch feststellenden Verwaltungsakt einem behinderten Menschen gleichzustellen.

15

Gemäß § 2 Abs 3 SGB IX sollen behinderte Menschen mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs 2 SGB IX vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz iS des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können(zum Verfahren vgl § 68 Abs 2 S 1, § 69 SGB IX). Zu den Voraussetzungen einer Gleichstellung nach Maßgabe des § 2 Abs 3 SGB IX im Einzelnen wird auf die Parallelentscheidung des Senats vom 6.8.2014 (B 11 AL 16/13 R) verwiesen.

16

Die Klägerin erstrebt die Gleichstellung, weil sie ohne diese den konkret angestrebten und für sie geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann (Alt 1). Dagegen macht sie nicht geltend, den von ihr besetzten Arbeitsplatz behalten zu wollen (Alt 2), sodass hier nur Alt 1 der Vorschrift zu prüfen ist.

17

2. a) Die Gleichstellung nach Maßgabe des Erlangungstatbestands (§ 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX) setzt voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will.

18

Die Klägerin möchte einen Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen. Arbeitsplätze im Sinne der Vorschrift sind auch Stellen, auf denen Beamte und Beamtinnen sowie die zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellten beschäftigt werden. Der angestrebte Arbeitsplatz als Beamtin auf Widerruf im gehobenen Dienst der Steuerverwaltung erfüllt diese Voraussetzungen.

19

Der Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) setzt weiter voraus, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz anstrebt. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Nach der zweiten Alternative des Gleichstellungstatbestands ("behalten können") hat eine Gleichstellung zu erfolgen, um dem behinderten Menschen das Behalten seines Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Ziel dieser Regelung ist es, dass der behinderte Mensch den konkret von ihm besetzten und für ihn geeigneten Arbeitsplatz behalten kann. Auch für den Erlangungs-Tatbestand (Alt 1) ist zu verlangen, dass der behinderte Mensch einen konkreten Arbeitsplatz erlangen will. Dies ist schon geboten, um den Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 SGB IX nicht zu überdehnen. Würde es genügen, dass es - abstrakt betrachtet - (irgendwelche) Arbeitsplätze gibt, für die der behinderte Mensch, der Gleichstellung bedürfte, um sie zu erlangen, wäre fast jeder behinderte Mensch mit GdB 30 oder 40 gleichzustellen. Denn der behinderte Mensch müsste nur Arbeitsplätze benennen, die er ohne Gleichstellung nicht erlangen kann.

20

Auch im Wortlaut des § 2 Abs 3 iVm § 73 SGB IX ist eine Konkretisierung angelegt, wenn dort zur Voraussetzung erhoben wird, dass der behinderte Mensch kausal durch die Behinderung "einen" für ihn geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Weder die Frage der Kausalität noch die Frage der Eignung des Arbeitsplatzes kann abstrakt und allgemein für alle denkbaren Arbeitsplätze geprüft werden.

21

Schließlich spricht der Zweck der Regelung, die Sicherung oder Herstellung von Teilhabe am Arbeitsleben, für diese Auslegung. Die Vorschrift will - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - damit auch die Freiheit der Berufswahl des behinderten Menschen schützen. Das Grundrecht aus Art 12 Abs 1 Grundgesetz (GG) will diese Freiheit ua objektivrechtlich gewährleisten (vgl Jarass in Jarass/Pieroth, GG 12. Aufl 2012, Vorb vor Art 1 RdNr 3 mwN). Auch Art 27 Abs 1 S 2 Lit a und e UN-BRK und Art 21, 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geben (EUGrdRCh) Hinweise zur Auslegung des § 2 Abs 3 SGB IX, denn nach diesen völkerrechtlichen und supranationalen Normen ist ein diskriminierungsfreier Zustand anzustreben. Dieser ist nicht bereits dadurch hergestellt, dass ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, vielmehr muss auch der Zugang zu anderen bzw der Wechsel von Berufsfeldern diskriminierungsfrei ermöglicht werden (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

22

Andererseits knüpfen die Voraussetzungen der Gleichstellung nicht an einer abstrakten Teilhabe des behinderten Menschen am Arbeitsleben an, sondern schützen das Erlangen von bestimmten Arbeitsplätzen (zu Alt 2 Bayerisches LSG Urteil vom 15.2.2001 - L 9 AL 381/99 - Juris RdNr 22; Bayerisches LSG Urteil vom 18.12.2013 - L 10 AL 104/11; aA Luthe in jurisPK-SGB IX, § 2 SGB IX RdNr 100 f). § 2 Abs 3 SGB IX versteht die angestrebte Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben also konkret.

23

Die Tatsache, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz inne hat, steht dem Anspruch auf Gleichstellung zur Erlangung eines (anderen) Arbeitsplatzes nicht entgegen. Zwar bedarf die Klägerin keiner Gleichstellung, um ihren bisherigen Arbeitsplatz behalten zu können. Das Behalten des Arbeitsplatzes will sie mit diesem Rechtsstreit auch nicht erreichen. Sie möchte vielmehr (nur) einen neuen Arbeitsplatz erlangen. Hierauf hat sie ihr Begehren in zulässiger Weise beschränkt (BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4). Die Alternative 1 des § 2 Abs 3 SGB IX setzt aber schon seinem Wortlaut nach nur voraus, dass der behinderte Mensch ohne Gleichstellung einen Arbeitsplatz nicht erlangen kann. Die Vorschrift hat nicht zur weiteren Voraussetzung, dass ein Antragsteller ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz innehat.

24

Das Recht auf Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes haben nicht nur arbeitslose behinderte Menschen, sondern auch behinderte Menschen, die sich beruflich verändern wollen. Denn ein diskriminierungsfreier Zustand ist nach Art 21 und Art 26 EUGrdRCh nicht bereits dann hergestellt, wenn ein behinderter Mensch in irgendeiner Weise eine Tätigkeit ausüben kann, die regelmäßig im Beamtenverhältnis ausgeübt wird; vielmehr müssen Gesetzgeber und Dienstherr die Voraussetzungen zum Zugang zum Beamtenverhältnis in der Weise modifizieren, dass ein diskriminierungsfreier Zugang zur Ausübung der entsprechenden Tätigkeit gerade im Beamtenverhältnis ermöglicht wird (vgl OVG Niedersachsen Urteil vom 25.1.2011 - 5 LC 190/09 - Juris; Hessisches LSG Urteil vom 19.6.2013 - L 6 AL 116/12 - Juris).

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b) Die Klägerin erfüllt die genannten Voraussetzungen.

26

Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen für eine Gleichstellung, denn sie hat sowohl ihren Wohnsitz als auch ihren Arbeitsplatz im Inland. Bei ihr ist ein GdB von 30 festgestellt. Sie möchte einen konkreten Arbeitsplatz iS des § 73 Abs 1 SGB IX erlangen, nämlich den einer Beamtin auf Widerruf bei der Finanzbehörde FHH für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin.

27

Der angestrebte Arbeitsplatz ist für die Klägerin geeignet. Das LSG hat die Geeignetheit des angestrebten Arbeitsplatzes festgestellt, ohne dass die Beteiligten insoweit Verfahrensrügen erhoben hätten. Nachdem die Klägerin schon bisher die Anforderungen einer Vollzeittätigkeit auf einem Büroarbeitsplatz erfüllte, bestehen auch keine Zweifel, dass die angestrebte Tätigkeit für sie geeignet ist, sie also gesundheitlich auf Dauer nicht überfordert.

28

Sie bedarf kausal wegen ihrer Behinderung der Gleichstellung, um den konkreten Arbeitsplatz erlangen zu können. Ohne die behinderungsbedingten Einschränkungen wäre sie für den angestrebten Arbeitsplatz eingestellt worden. Es spricht auch viel dafür, dass sie nach erfolgter Gleichstellung die gesundheitlichen Anforderungen für die Einstellung von Beamtinnen auf Widerruf erfüllen wird.

29

Die Anforderungen an die gesundheitliche Eignung von Bewerbern für das Beamtenverhältnis hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) jüngst konkretisiert. Danach erfüllt ein Beamtenbewerber die Voraussetzung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis nicht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintritt (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244). Das BVerwG hat damit die zuvor geltenden Anforderungen zwar gelockert, es hält aber weitere Modifikationen der Eignungsanforderungen für Bewerber, die weder schwerbehindert noch schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind, verfassungsrechtlich nicht für geboten (BVerwG aaO - Juris RdNr 34 f).

30

Erfüllen Bewerber diese gesundheitlichen Anforderungen nicht, können sie in der FHH einen Arbeitsplatz im Beamtenverhältnis nur erlangen, wenn sie schwerbehindert sind oder schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Denn für diese Personengruppen bestimmt das hier einschlägige und vom LSG festgestellte Landesrecht (§ 9 Abs 5 S 3 der Verordnung über die Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22.12.2009; HmbGVBl 2009, 511), dass von gleichgestellten Personen nur ein geringeres Maß körperlicher Eignung verlangt werden darf. Danach erfüllen schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Personen die gesundheitlichen Anforderungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis, wenn für etwa zehn Jahre eine höhere Wahrscheinlichkeit als 50 vH dafür spricht, dass der Beamte dienstfähig bleibt und in diesem Zeitraum keine krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als etwa zwei Monaten pro Jahr auftreten werden. Die Wahrscheinlichkeit einer einmaligen, längeren Ausfallzeit steht einer positiven Prognose nicht entgegen (vgl auch Hamburgisches OVG Urteil vom 26.9.2008 - 1 Bf 19/08, bestätigt durch BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris).

31

Ob die Klägerin ohne Anerkennung einer Gleichstellung die Einstellungsanforderungen für Arbeitsplätze von Beamten im gehobenen Dienst erfüllt, wie sie das BVerwG formuliert hat (BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244), erscheint fraglich. Die Entscheidung hierüber obliegt nicht dem Senat, sondern ist von den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit in deren Zuständigkeit zu treffen. Bislang hat die Klägerin eine positive Entscheidung über ihre Einstellung jedenfalls nicht erlangt.

32

Nach aktuellem Sachstand hat die Klägerin infolge der Behinderung einen Wettbewerbsnachteil; denn sie kann aufgrund ihrer Behinderung den angestrebten Arbeitsplatz nicht erlangen. Dieser Nachteil kann durch die Gleichstellung ausgeglichen werden; denn das LSG hat festgestellt, dass die Klägerin einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen möchte und diesen (bisher) "infolge" ihrer Behinderung nicht erlangen kann. Dies genügt, um einen Anspruch auf Gleichstellung zu bejahen.

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Die Sorge der Beklagten, dass eine Gleichstellung in Fällen der vorliegenden Art zu einer Konturlosigkeit und Ausuferung der Gleichstellung führen würde, vermag der Senat nur bedingt zu teilen. Einerseits hat der Gleichstellungsanspruch nach § 2 Abs 3 Alt 1 SGB IX eine Reihe von Voraussetzungen, die insbesondere im Parallelverfahren erläutert wurden(BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 11 AL 16/13 R). Wenn die Beklagte trotz dieser Anforderungen künftig eine größere Zahl an Gleichstellungen vornehmen müsste, als dies bisher der Fall war, ist dies eine Folge der im Bundesrecht, aber auch im supranationalen Recht und Völkerrecht angelegten und ins Bundesrecht übernommenen Förderung der Teilhabe und Beseitigung der Diskriminierung von behinderten Menschen (vgl § 1 SGB IX).

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c) Ein Anspruch auf Gleichstellung scheitert schließlich nicht daran, dass die Beklagte über die Gleichstellung grundsätzlich nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden hat. Mit der Formulierung "soll" in § 2 Abs 3 SGB IX hat der Gesetzgeber - wie in anderen vergleichbaren Fällen - der BA ein gebundenes Ermessen zugestanden. Die Sollvorschrift gibt ihr nur dann die Möglichkeit, zu einer anderen Entscheidung als der Gleichstellung zu gelangen, wenn außergewöhnliche Umstände dies rechtfertigen (atypischer Fall). Sofern ein solcher - wie hier - nicht vorliegt, ist die BA zur Gleichstellung verpflichtet (BSG Urteil vom 2.3.2000 - B 7 AL 46/99 R; BSG Urteil vom 1.3.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, 4 = SozR 4-3250 § 2 Nr 4).

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3. Die Verfahrensrüge der Beklagten ist unzulässig, weil die ihr zugrunde liegenden Tatsachen nicht in der nach § 164 Abs 2 S 3 SGG gebotenen Weise aufzeigt wurden.

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Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 S 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG Urteil vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 42 RdNr 19 mwN). Daran fehlt es hier.

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Es ist schon fraglich, ob die Beklagte eine Pflicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinreichend aufgezeigt hat. Zwar kann das Ermessen des Gerichts, einen Rechtsstreit auszusetzen, auf diese Entscheidung hin reduziert sein (zB BSG Beschluss vom 19.7.2006 - B 11a AL 7/06 B). Die Beklagte hat aber nicht dargetan, dass die Voraussetzungen der Aussetzung nach § 114 Abs 2 S 1 SGG vorlagen. Dies wäre nur der Fall, wenn die Entscheidung des LSG von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhinge, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits - hier desjenigen beim OVG - bildete.

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Zwar entscheidet das OVG (irgendwann) über den Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. Inwieweit die Entscheidung des LSG über die Gleichstellung von dem Ausgang des Rechtsstreits beim OVG abhängt, ist in der Revisionsbegründung nicht herausgearbeitet worden. Insoweit trifft zwar zu, dass sich der Rechtsstreit wegen Gleichstellung auf sonstige Weise hätte erledigen können, wenn die Klägerin dort die Einstellung auf den begehrten Arbeitsplatz erlangt hätte. Schon dies ist aber nicht zwingend. Würde das OVG die Einstellung dagegen ablehnen oder die potentielle Arbeitgeberin zu einer neuen Entscheidung über die Einstellung verpflichten, wäre für diesen Rechtsstreit weder positiv noch negativ etwas entschieden.

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Im Gegenteil könnte auch argumentiert werden, dass die Entscheidung dieses Rechtsstreits für denjenigen beim OVG präjudiziell ist, weil die Prüfung der gesundheitlichen Eignung der Bewerberin für die Stelle einer Beamtin auf Widerruf sich nach anderen beamtenrechtlichen Maßstäben richtet, wenn die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wäre (vgl BVerwG Beschluss vom 23.4.2009 - 2 B 79/08 - veröffentlicht bei Juris; BVerwG Urteil vom 25.7.2013 - 2 C 12/11 - BVerwGE 147, 244).

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Die Beklagte hat auch nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung des LSG auf dem gerügten Verfahrensmangel beruhen kann (zu dieser Anforderung: Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12c). Dabei muss deutlich werden, dass der Verfahrensfehler den Inhalt der Entscheidung beeinflusst hat (BSG Beschluss vom 7.7.2009 - B 11 AL 108/08 B). Daran fehlt es, wenn die Beklagte lediglich behauptet, das LSG hätte den Rechtsstreit aussetzen müssen. Dass und inwieweit die unterlassene Aussetzung die Sachentscheidung beeinflusst haben könnte, wird nicht dargetan.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

(1) Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 3 schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen Menschen mit Behinderungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 156 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).

(1) Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sind auf die Beweisaufnahme die §§ 358 bis 363, 365 bis 378, 380 bis 386, 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 bis 390, 392 bis 406 Absatz 1 bis 4, die §§ 407 bis 444, 478 bis 484 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Weigerung nach § 387 der Zivilprozeßordnung ergeht durch Beschluß.

(2) Zeugen und Sachverständige werden nur beeidigt, wenn das Gericht dies im Hinblick auf die Bedeutung des Zeugnisses oder Gutachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits für notwendig erachtet.

(3) Der Vorsitzende kann das Auftreten eines Prozeßbevollmächtigten untersagen, solange die Partei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens unbegründet ausgeblieben ist und hierdurch der Zweck der Anordnung vereitelt wird.

(1) Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet.

(2) Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.