Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. Okt. 2016 - L 5 KA 3599/13

bei uns veröffentlicht am26.10.2016

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2013 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird endgültig auf 8.768,48 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung eines im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) verfügten Arzneimittelregresses (Jahr 2007).
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis), der im Jahr 2007 die HNO-Ärzte Dr. M. und Dres. E. K. und S. G. angehören. Sie nimmt (seit Februar 2006) mit Vertragsarztsitz in R. an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Die (für die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen zuständige) Prüfungsstelle (der G. P. B.-W.) leitete bei der Klägerin für das Jahr 2007 eine Wirtschaftlichkeitsprüfung (Richtgrößenprüfung) ein. Mit Schreiben vom 06.10.2009 teilte sie der Klägerin mit, bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 15 % sei von Amts wegen eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchzuführen. Bei dieser Prüfung handele es sich um eine Auffälligkeitsprüfung für den Zeitraum eines Kalenderjahres auf der Grundlage der Arzneimittel-Richtgrößenvereinbarung 2007. Man habe im Rahmen der Vorabprüfung ermittelt, dass das Arzneimittelverordnungsvolumen der Klägerin im Kalenderjahr 2007 das individuelle Richtgrößenvolumen um mehr als 15 % (um 88,47 %) übersteige, was auf Grund der vorliegenden Daten ersichtlich nicht in vollem Umfang auf Praxisbesonderheiten beruhe. Die Klägerin erhalte Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Anhörungsschreiben waren zur näheren Erläuterung Anlagen beigefügt (u.a. Anlage 1 Verordnungsstatistik Arzneimittel nach Richtgrößen; Anlage 3 zur Anwendung des Filters 6a des von den Prüfgremien zur Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten angewandten Filterverfahrens). Außerdem war eine CD-ROM beigefügt mit dem Hinweis, die berücksichtigten Wirkstoffe seien in der Aggregatliste und in der Rezeptpatientenliste nach Kosten entsprechend gekennzeichnet.
Mit Schreiben vom 21.10.2009 trug die Klägerin vor, ihre Praxis bestehe seit Februar 2006; das Jahr 2007 stelle das erste vollwertige Abrechnungsjahr dar. Bei ihr lägen Praxisbesonderheiten vor. So würden im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit an der Stadtklinik B.-B. (8 Belegbetten) überdurchschnittlich viele Operationen, vor allem im mittleren, aber auch im hohen Schwierigkeitsbereich, durchgeführt. Für die Vor- und Nachbehandlung der Patienten würden in erhöhtem Maße entsprechende Arzneimittel benötigt. Weitere Praxisbesonderheiten bestünden im Bereich der Allergologie (höherer Anteil an Patienten mit Hyposensibilisierungsbehandlung; hierfür allergologische Qualifikation) und der Otoneurologie (Behandlung von Patienten mit Tinnitus bzw. Hörsturz); bei der Tinnitus- bzw. Hörsturzbehandlung gebe es auch kompensatorische Einsparungen durch die Vermeidung stationärer Infusionsbehandlungen.
Mit Bescheid vom 16.12.2009 setzte die Prüfungsstelle für das Jahr 2007 einen Regressbetrag i.H.v. 10.392,00 EUR fest; ein nach Maßgabe des § 106 Abs. 5a Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) unterbreitetes Vergleichsangebot lehnte die Klägerin ab. Zur Begründung führte die Prüfungsstelle aus, man habe die Verordnungsweise der Klägerin aufgrund der Überschreitung des Richtgrößenvolumens geprüft. Für den Verordnungszeitraum 2007 seien vorab die festgestellten Kosten für prüfgruppenübergreifende bzw. prüfungsspezifische wirkstoffbezogene Praxisbesonderheiten (PB-Wirkstoffe) für verschiedene Wirkstoffe von dem Verordnungsvolumen abgezogen worden. Darüber hinaus habe man ebenfalls vorab prüfgruppenspezifisch die indikationsbezogenen Praxisbesonderheiten (PB-Indikationen) berücksichtigt. Nach Abzug dieser Kostenanteile überschreite das praxisindividuelle Verordnungsvolumen der Klägerin das individuelle Richtgrößenvolumen um 88,47 %. Deswegen habe man eine Richtgrößenprüfung der Arzneimittelverordnungsweise eingeleitet. Dabei sei auch zu prüfen, inwieweit Praxisbesonderheiten die Überschreitung des Richtgrößenvolumens rechtfertigten, und ob kompensierende Einsparungen vorlägen. Zur Prüfung der Praxisbesonderheiten werde ein Filterverfahren angewendet. Der Filter 6 (mit den Unterfiltern 6a und 6c) habe vergleichsgruppenspezifische, indikationsbezogene Praxisbesonderheiten zum Gegenstand. Mit dem Filter 6a (quartalsbezogene Durchschnittsbetrachtung - Berücksichtigung der Mehrfälle) sei ermittelt worden, wie hoch in der Vergleichsgruppe die Anzahl der Fälle (Rezeptpatientenfälle) und deren prozentualer Anteil an den gesamten Behandlungsfallzahlen sei, die in einem Quartal mindestens eine Verordnung mit einem der entsprechenden Wirkstoffe erhalten hätten. Außerdem habe man die durchschnittlichen Fallkosten (je Rezeptpatientenfall) der Vergleichsgruppe errechnet. Dieselbe Berechnung sei sodann für die Praxis der Klägerin durchgeführt worden. Grundlage für die Berechnung der durchschnittlichen Fallkosten seien die tatsächlichen Ausgaben für die entsprechenden Arzneimittel in der jeweiligen Indikation im Jahr 2007 gewesen. Liege der Anteil an Rezeptpatientenfällen mit entsprechenden Verordnungen in der Prüfpraxis nicht über dem Anteil dieser Fälle der Vergleichsgruppe, seien die Richtgrößen als ausreichend anzusehen. Erst ein höherer Anteil an Rezeptpatientenfällen könne einen Mehraufwand (als Praxisbesonderheit) begründen. Mit dem Filter 6c (quartalsbezogene Durchschnittsbetrachtung - Berücksichtigung der Mehrkosten) werde für verschiedene Indikationen die Anzahl der Rezeptpatientenfälle der Praxis wie beim Filter 6a ermittelt. Auch die Berechnung der indikationstypischen, durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe werde wie beim Filter 6a durchgeführt. Anerkannt würden die durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe jedoch ab dem ersten indikationsbezogenen Rezeptpatientenfall, höchstens aber die selbst veranlassten Kosten dieser Arzneimittel. Die Anerkennung der nach diesen Filtern berechneten Mehrkosten (als Praxisbesonderheit) erfolge dabei unter dem Vorbehalt einer stichprobenhaften Überprüfung des indikationsgemäßen Einsatzes der Arzneimittel.
Hinsichtlich der Verordnung von Antibiotika seien die (als Praxisbesonderheit) berechtigten Mehrkosten der Klägerin unter Anwendung des Filters 6a berechnet worden. Dadurch werde dem Mehraufwand Rechnung getragen, der in der Praxis der Klägerin durch die ambulanten Operationen entstanden sei. Eine Differenzierung nach operierenden und nicht operierenden Praxen erfolge dabei aber nicht. Zum einen würden in der Vergleichsgruppe Antibiotika nämlich auch außerhalb der operativen Tätigkeit verordnet. Zum anderen würden auch von operierenden Praxen postoperative antibiotische Behandlungen durchgeführt. Der durchschnittliche Anteil der Rezeptpatientenfälle betrage im Jahr 2007 in der Vergleichsgruppe 9,67 %, in der Praxis der Klägerin 13,30 %. Die Differenz von 3,63 % entspreche bei der Behandlungsfallzahl der Klägerin (10.763 Fälle) 391 zusätzlichen Fällen mit Antibiotikamedikation. Für diese, über den Durchschnitt der Vergleichsgruppe hinausgehenden Rezeptpatientenfälle würden die durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe i.H.v. 22,42 EUR als (wegen Praxisbesonderheit) berechtigter (wirtschaftlicher) Mehraufwand, insgesamt also 8.766,22 EUR, anerkannt.
Hinsichtlich der Indikation Hyposensibilisierung seien die anzuerkennenden Mehrkosten unter Anwendung des Filters 6c berechnet worden. Dabei habe man die durchschnittlichen Jahreskosten je Hyposensibilisierungspatient für die Vergleichsgruppe und die Praxis der Klägerin ermittelt und dadurch berücksichtigt, dass bei der Hyposensibilisierungsbehandlung unterschiedliche Therapieschemata angewandt würden (z.B. perenniale bzw. saisonale Therapie). Die Klägerin habe im Jahr 2007 insgesamt 124 Patienten Hyposensibilisierungsmittel mit durchschnittlichen Jahresfallkosten von 535,37 EUR verordnet. Die durchschnittlichen Jahresfallkosten der Vergleichsgruppe betrügen insoweit 506,63 EUR. Multipliziert mit den durchschnittlichen Jahreskosten der Vergleichsgruppe ergäben sich Mehrkosten i.H.v. 62.822,12 EUR, die man (als Praxisbesonderheit) von dem Ausgabenvolumen der Klägerin abgezogen habe. Gleichwohl seien die Richtgrößen und damit auch das für die Praxis der Klägerin maßgebliche Richtgrößenvolumen nicht angepasst worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in den Basisquartalen der Richtgrößenberechnung (2/2005 bis 1/2006) von allen Praxen der Vergleichsgruppe verordnete Hyposensibilisierungsmittel mit etwa einem Drittel der gesamten Verordnungskosten in die Bildung der Richtgrößen eingeflossen seien. Die Behandlung von Tinnitus durch HNO-Ärzte stelle keine Praxisbesonderheit dar, da es sich insoweit um eine fachgruppentypische Indikation handele. Entsprechendes gelte für die Behandlung des Hörsturzes. Auch die Verordnung von Antihistaminika bzw. Kortikoidnasensprays sei typisch für die Fachgruppe der HNO-Ärzte. Aufgrund des breiten Indikationsspektrums würden diese Arzneimittel von allen Praxen der Fachgruppe verordnet. Die entsprechenden Kosten seien daher in den Richtgrößen enthalten und nicht als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen.
Nach Abzug von (weiteren) Kosten für Sonderaggregate (584,41 EUR) ergäben sich für die Praxis der Klägerin (unter Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten) bereinigte Verordnungskosten i.H.v. 138.954,63 EUR (Gesamtverordnungskosten 211.127,38 EUR - PB -Antibiotika 8.766,22 EUR - PB-Hyposensibilisierung 62.822,12 EUR - Sonderaggregate 584,41 EUR), die ihr Richtgrößenvolumen (100.842,66 EUR) um 37,79 % überstiegen. Das (zu Gunsten der Klägerin) um 25 % erhöhte Richtgrößenvolumen von 126.053,33 EUR werde (mit der Brutto-Regresssumme) in Höhe von 12.901,30 EUR überschritten. Nach Abzug von Zuzahlungen der Versicherten und Apotheken- und Herstellerrabatten ergebe sich der Netto-Regressbetrag von 10.392,00 EUR.
Am 07.01.2010 erhob die Klägerin Widerspruch. Die Beigeladene zu 1) erhob am 29.01.2010 ebenfalls Widerspruch.
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Die Klägerin trug vor, die Prüfungsstelle habe nur die ambulant-operativen Tätigkeiten, nicht jedoch die belegärztlich-operativen Tätigkeiten berücksichtigt. Die im Hinblick auf die belegärztliche Tätigkeit verordneten Arzneimittel würden in den Richtgrößen - wegen der geringen Anzahl von Belegärzten unter den zugelassenen HNO-Ärzten - nur in geringstem Umfang abgebildet. Der auf der belegärztlichen Tätigkeit beruhende Verordnungsaufwand müsse daher zusätzlich als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden. Nach der Entlassung der Patienten aus der belegärztlichen Versorgung seien regelmäßig postoperative Antibiotikagaben notwendig, namentlich durch die Arzneimittel Keimax und Clinda-Saar. Da diese Verordnungen bei nicht belegärztlich versorgten Patienten durch die Krankenhäuser (im Rahmen des Pflegesatzes) erfolgten, könne hier anders als im ambulant-operativen Bereich nicht auf die auch von nicht operierenden HNO-Ärzten durchgeführten postoperativen antibiotischen Behandlungen verwiesen werden. Vor allem bei der Nasen- und Nebenhöhlenchirurgie sei außerdem die postoperative Verordnung topischer Kortikoide erforderlich. In ihrer Praxis werde als am besten geeignetes Arzneimittel Nasonex (Wirkstoff Mometason) verordnet, das zwar etwas teurer als ältere Arzneimittel, aber deutlich nebenwirkungsärmer und damit letztendlich wirtschaftlicher sei. Bei der Indikation allergische Rhinitis würden topische Kortikoide nur verordnet, wenn schwächere Antiallergika nicht wirksam gewesen seien. Man lasse sich das von den Patienten regelmäßig schriftlich bestätigen; die Unterlagen würden noch vorgelegt. In ihrer Praxis werde außerdem ein größerer Anteil von Patienten mit onkologischen Erkrankungen des Digestivtraktes behandelt, weswegen häufig die Verordnung von Sondennahrung notwendig sei, was nur teilweise durch den Hausarzt erfolgen könne. Auch dies müsse man als Praxisbesonderheit anerkennen. Bei der antiallergischen Medikation würden freiverkäufliche Antihistaminika bevorzugt. Hätten diese keine ausreichende Wirkung, müsse man potentere moderne Antihistaminika verordnen. Aus § 106 Abs. 5c Satz 7 SGB V bzw. der einschlägigen Gesetzesbegründung folge, dass in den ersten zwei Jahren, in denen eine Praxis das Richtgrößenvolumen um mehr als 25 % überschreite, die Regressfestsetzung pauschal erfolge und wegen des Maximalbetrags von 25.000,00 EUR die Festsetzung erstmals im dritten Jahr zulässig sei. Die Vorschrift sei zwar zum 01.01.2011 in Kraft getreten, aber gleichwohl anwendbar, da es hinsichtlich des auf Neubescheidung gerichteten Begehrens des Vertragsarztes auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses bzw. des Sozialgerichts ankomme.
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Die Beigeladene zu 1) trug vor, man habe (in Fällen der vorliegenden Art) zugunsten aller betroffenen Vertragsärzte Widerspruch eingelegt, weil man in erheblichem Umfang versteckte Rechenfehler festgestellt habe; sämtliche Entscheidungen müssten nochmals detailliert und unter nachvollziehbarer Beschreibung aller Rechenoperationen und -formeln überprüft werden. Nach ihrer Auffassung lägen durch die im Vorhinein verbindlich vorgegebene Prüfmethode zahlreiche Verstöße gegen Recht und Gesetz, die sozialgerichtliche Rechtsprechung und verschiedene Denkgesetze sowie mathematisch-statistische Grundsätze vor. Durch den (wiederum) außerordentlich späten Beginn der Prüfung sei die Pflicht zur Amtsermittlung bekannter oder geltend gemachter Praxisbesonderheiten verletzt worden und die Ärzte hätten nicht ausreichend angehört werden können, da ihnen für die erforderliche Datenaufbereitung nicht ausreichend Zeit belassen worden sei. Das von der Prüfungsstelle angewandte Filterverfahren sei zur Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten unzureichend und damit letztendlich ungeeignet. Mit diesem Verfahren nicht erfasste Praxisbesonderheiten blieben zu Unrecht unberücksichtigt. Das Filterverfahren führe notwendig zu einer schematischen Prüfung nach strikten Vorgaben unter Außerachtlassung der den Prüfungsgremien eröffneten Ermessens- und Beurteilungsspielräume. Die zahlreichen Rechenfehler und Ungleichbehandlungen zeigten, dass die gebotene intellektuelle Nachprüfung des Prüfergebnisses gänzlich unterblieben sei. Nach Abzug der unter Anwendung des Filterverfahrens errechneten Beträge für Praxisbesonderheiten und nach Zubilligung eines Aufschlags von 25 % auf das jeweilige Richtgrößenvolumen komme es (immer noch) bei 77 % der Orthopäden, bei 59 % der Chirurgen und bei 71 % der Augenärzte zum Regress, während die Regressquote bei Hautärzten und bei HNO-Ärzten nur 30 % bzw. 28 % betrage. Bei einer durchschnittlichen Regressquote von 46 % begründeten diese hohen Abweichungen bei einzelnen Fachgruppen die Vermutung der Unangemessenheit der Prüfung. Die individuelle Berechnung der Praxisbesonderheiten durch Anwendung des Filterverfahrens sei uneinheitlich und für die Ärzte nicht nachvollziehbar. Im Fall der Klägerin sei die Praxisbesonderheit Antibiotika-Verordnung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insoweit habe die Prüfungsstelle nur einen Bruchteil der als wirtschaftlich anerkannten Kosten abgesetzt. Nach ihrer, der Beigeladenen zu 1), Berechnung ergebe sich eine wirtschaftliche - also gerechtfertigte - Überschreitung der Richtgröße von 18.674,55 EUR, während die Prüfungsstelle insoweit nur einen Überschreitungsbetrag von 8.766,22 EUR anerkannt habe. Außerdem seien - anders als in anderen Fällen - allgemeine Diätetika, wie Fresubin und Isosource - wohl versehentlich - nicht berücksichtigt worden. Schließlich müssten sehr teure Einzelfälle als Praxisbesonderheit anerkannt werden. Ein solcher Einzelfall liege vor, wenn die Richtgröße um das 30- bis 50-fache überschritten werde. In der Patientenliste der Klägerin gebe es solche Fälle. Insgesamt werde wohl kein Regressbetrag verbleiben.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2011 hob der Beklagte den Bescheid der Prüfungsstelle vom 16.12.2009 auf und setzte den Regressbetrag für das Jahr 2007 auf 8.768,48 EUR fest; die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wurde für notwendig erklärt. Ein nach Maßgabe des § 106 Abs. 5a Satz 4 SGB V unterbreitetes Vergleichsangebot lehnte die Klägerin (erneut) ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, Praxisbesonderheiten, die bei der Richtgrößenprüfung im Jahr 2005 berücksichtigt worden seien, seien nicht schon deswegen auch bei der Richtgrößenprüfung für das Jahr 2007 anzuerkennen; hierfür gebe es keine rechtliche Grundlage. Für die Feststellung von Praxisbesonderheiten bei der Versorgung mit Arzneimitteln komme es darauf an, ob die Arzneimittelversorgung verhältnismäßig teuer sei, man also annehmen könne, dass die für die Vergleichsgruppe vereinbarten Richtgrößen die Verhältnisse der jeweiligen Praxis, etwa bei überdurchschnittlicher Verordnungshäufigkeit, nicht oder nur zum Teil angemessen berücksichtigten. Eine Praxisbesonderheit liege nicht vor, wenn die Arzneimittelversorgung sich im Ausgleich unterschiedlicher Verordnungshäufigkeiten und Fallkosten vieler unterschiedlicher Präparate in das vom Richtgrößenbetrag repräsentierte Verordnungs- und Fallkostenspektrum einfüge.
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Zur Feststellung von Praxisbesonderheiten werde das Filterverfahren angewendet. Dabei handele es sich um ein (transparentes) mehrstufiges Verfahren der Datenauswertung. Die Anerkennung oder Ablehnung von Praxisbesonderheiten sei nicht schematische Folge der Ergebnisse des Filterverfahrens. Das Filterverfahren auf Grund medizinischer und statistischer Überlegungen schaffe die Grundlage für die jeweils intellektuell begründete Entscheidung über Praxisbesonderheiten.
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Vergleichsgruppe sei hier die Fachgruppe der HNO-Ärzte. Grundsätzlich werde die Anzahl der Fälle (der Vergleichsgruppe) ermittelt, in denen die Patienten in einem Quartal jeweils mindestens eine Verordnung mit einem der betroffenen Wirkstoffe erhalten hätten (Rezeptfall). Außerdem werde der prozentuale Anteil der Rezeptfälle an den Behandlungsfällen festgestellt. Schließlich würden die durchschnittlichen Fallkosten des entsprechenden Rezeptfalls der Vergleichsgruppe errechnet. Grundlage für die Berechnung der durchschnittlichen Fallkosten seien die tatsächlichen Ausgaben für die betroffenen Arzneimittel in der Indikation im maßgeblichen Verordnungsjahr. Dieselben Berechnungen würden sodann für die Prüfpraxis durchgeführt. Die Vergleichswerte der Verordnungskosten bei den Indikationen, die als Praxisbesonderheiten angesehen würden, errechneten sich aus den Daten der Ärzte, die für diese Indikation Verordnungen ausgestellt hätten. Die Rüge, die Vergleichsgruppe sei zu groß und undifferenziert oder die Durchschnittskosten seien kein tauglicher Maßstab, sei daher nicht berechtigt.
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Für die Indikation Hyposensibilisierung würden bei der Klägerin Mehrkosten von 62.822,12 EUR anerkannt. Dabei habe man berücksichtigt, dass bei dieser Behandlung unterschiedliche (quartalsübergreifende, etwa perenniale oder saisonale) Therapieschemata angewandt würden. Deshalb werde nicht auf die Verordnungskosten je Rezeptfall, sondern auf die Verordnungskosten je Rezeptpatient, also auf die Jahreskosten, abgestellt. Hierdurch ergäben sich auch Änderungen im Anteil der zu berücksichtigenden Patienten. Die durchschnittlichen jährlichen Verordnungskosten der Vergleichsgruppe betrügen 506,63 EUR und seien damit verhältnismäßig hoch. Als Praxisbesonderheit würden (mangels ausreichender Abbildung des in Rede stehenden Behandlungsbereichs in den Richtgrößen) maximal die Durchschnittsjahreskosten der Vergleichsgruppe für jeden Rezeptpatienten anerkannt; den Durchschnittskosten komme der Anschein der Wirtschaftlichkeit zu. Im Jahr 2007 habe die Klägerin 124 Rezeptpatienten mit Hyposensibilisierungslösungen zu Kosten von insgesamt 66.385,40 EUR behandelt. Ihre Kosten betrügen 535,37 EUR im Jahresdurchschnitt. Die Durchschnittskosten der Fachgruppe multipliziert mit 124 Rezeptpatienten ergäben den Betrag (für Praxisbesonderheiten) von 62.822,12 EUR. Vom Verordnungsvolumen der Klägerin würden außerdem Beschaffungskosten i.H.v. 463,94 EUR abgezogen.
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Für die Verordnung von Antibiotika würden Mehrkosten von 8.766,22 EUR anerkannt. Die Verordnungshäufigkeit von Antibiotika in der Vergleichsgruppe mit einer Rezeptfallquote von 9,67 % sei nicht allzu hoch und schwanke, so dass angesichts der im Hinblick auf die Höhe der maßgebenden Richtgrößen nicht unerheblichen Verordnungskosten der Klägerin ein Mehraufwand als Praxisbesonderheit berücksichtigt werden müsse. Die durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe betrügen 22,42 EUR. Ein Mehraufwand werde als Praxisbesonderheit jedoch nur dann anerkannt, wenn die Anzahl der einschlägigen Fälle überdurchschnittlich hoch sei. Ein weiterer Mehraufwand für Antibiotika wegen belegärztlicher Tätigkeit sei demgegenüber nicht anzuerkennen. Von Belang seien (nur) vor- und nachstationäre Arzneimittelverordnungen, da die stationäre Behandlung nicht zu Lasten des Richtgrößenvolumens gehe. Statistisch sei aber nicht erkennbar, dass der ambulante Antibiotikabedarf bei stationär behandelten Patienten größer sei als bei Patienten, die ausschließlich ambulant behandelt würden. Die bevorstehende bzw. bereits erfolgte stationäre Versorgung mit Antibiotika spreche eher für das Gegenteil. Die durchschnittlichen Verordnungskosten für Antibiotika unterschieden sich selbst beim Vergleich der ambulant operierenden HNO-Ärzte mit den (gar) nicht operierenden HNO-Ärzten nur geringfügig um 0,05 EUR. Aufgrund der geringen Anzahl von Belegärzten (unter den HNO-Ärzten) sei davon auszugehen, dass die nicht belegärztlich tätigen HNO-Ärzte in einem ähnlichen Umfang vor- und nachstationär Patienten versorgten.
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Die Gesamtkosten für Sondennahrung würden i.H.v. 2.015,54 EUR (für 2 Patienten) von den Gesamtverordnungskosten der Klägerin abgezogen, ebenso die Noctu-Gebühr von 62,50 EUR und Kosten für Tracheo-Kompressen von 53,03 EUR sowie Kosten des von der Prüfungsstelle anerkannten Sonderaggregats von 4,94 EUR.
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Die Verordnung von Antihistaminika sowie von Kortikoidnasensprays begründe keine Praxisbesonderheit; dies stelle eine fachgruppentypische und aufgrund des breiten Indikationsspektrums hinreichend in den Richtgrößen berücksichtigte Leistung dar. Entsprechendes gelte für die Behandlung des Tinnitus und des Hörsturzes.
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Kompensierende Einsparungen könnten nicht berücksichtigt werden. Einsparungen in anderen Leistungsbereichen seien nur relevant, wenn sie in einem kausalen Zusammenhang mit den Mehrausgaben bei den Arzneikosten stünden. Die in der Praxis der Klägerin und der Vergleichsgruppe vorhandenen Daten seien für valide statistische Aussagen hierzu ungeeignet. Außerdem sei etwa die Verordnung einer Krankenhausbehandlung anstelle einer möglichen ambulanten medikamentösen Therapie unwirtschaftlich und deshalb unzulässig. Keine Praxisbesonderheit liege auch in der nahtlosen Weiterführung einer Klinikentlasstherapie und der Betreuung kostenaufwändiger Patienten. Schwere Behandlungsfälle kämen in allen Praxen der Vergleichsgruppe vor. Darauf beruhende Aufwendungen seien in den Richtgrößen enthalten und dadurch angemessen berücksichtigt.
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Für eine Regressablösevereinbarung gemäß § 106 Abs. 5d Satz 1 SGB V gebe es keine Grundlage, weil sich die Praxis der Klägerin in Art und Umfang der behandelten Erkrankungen nicht von der Typik der Fachgruppe unterscheide. Die seit 01.01.2011 geltende Regelung in § 106 Abs. 5c Satz 7 SGB V, wonach der Regress für die ersten beiden Jahre einer regressrelevanten Überschreitung des Richtgrößenvolumens auf 25.000,00 EUR begrenzt sei, sei nicht einschlägig und ggf. in einem zweiten regressrelevanten Jahr zu berücksichtigen; deshalb könne offenbleiben, ob die Vorschrift hier überhaupt anwendbar sei.
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Am 01.08.2011 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit Beschluss vom 24.02.2012 lud das SG die Beigeladenen zum Verfahren bei.
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Die Klägerin trug vor, der Beklagte hätte die Vorschrift in § 106 Abs. 5e Satz 1 SGB V anwenden müssen. Er habe sich bei der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten im Wesentlichen am Anteil der entsprechenden Rezeptpatientenfälle in der Vergleichsgruppe orientiert. Werde dieser Anteil in der Prüfpraxis überschritten, würden in der Regel die Mehrfälle auf der Basis der durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit anerkannt. Im Übrigen würden Praxisbesonderheiten aber nicht anerkannt, es sei denn, der Anteil der entsprechenden Verordnungsart in der Vergleichsgruppe stelle sich als sehr gering dar; dann berücksichtige der Beklagte alle Rezeptpatientenfälle mit den Durchschnittsfallkosten als Praxisbesonderheit. Diese Verfahrensweise hinsichtlich der Behandlung von Praxisbesonderheiten sei rechtsfehlerhaft. Mit der strikten Orientierung an der Fallhäufigkeit werde nicht berücksichtigt, dass eine Praxisbesonderheit in einem überdurchschnittlichen Anteil besonders schwerer Verordnungsfälle, denen nur vergleichsweise wenige Fälle mit geringerem Verordnungsvolumen gegenüberstünden, liegen könne. Die Behandlung von Hyposensibilisierungspatienten sei als Praxisbesonderheit nur mit den Durchschnittsjahreskosten der Fachgruppe (Minderbetrag zum Aufwand ihrer Praxis insoweit 3.463,28 EUR) berücksichtigt worden. Der Beklagte begründe das damit, dass dem Wert des Fachgruppendurchschnitts der Anschein der Wirtschaftlichkeit zukomme. Hierauf stelle aber nur die statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten und nicht die Richtgrößenprüfung ab. Der Beklagte hätte in seinem Bescheid daher näher darlegen müssen, weshalb sich gerade der Durchschnittsaufwand der Fachgruppe im Bereich Hyposensibilisierung als wirtschaftlich darstellen solle, zumal nach den (insoweit zutreffenden) Feststellungen des Beklagten die statistische Grundlage für die Durchschnittswertbildung äußerst schmal sei. Außerdem habe sie im Anhörungsverfahren auf das Vorliegen einer besonderen allergologischen Qualifikation hingewiesen. Hinsichtlich der Verordnung von Antibiotika werde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, insoweit liege nur eine geringe Rezeptfallquote vor. Ungeachtet dessen würden jedoch nur die „Mehrfälle“ gegenüber der Vergleichsgruppe anerkannt, ohne zu begründen, weshalb hier anders als bei der gleichfalls durch eine geringe Rezeptfallquote gekennzeichneten Hyposensibilisierungsbehandlung verfahren werde. Zumindest wären nähere Darlegungen dazu erforderlich gewesen, ab wann von einer Rezeptfallquote auszugehen sei, bei der im Rahmen von Praxisbesonderheiten nicht nur die „Mehrfälle“ gegenüber der Vergleichsgruppe anerkannt würden. Im Hinblick auf die Beschränkung der Anerkennung von Praxisbesonderheiten auf die Durchschnittskosten gälten die zur Hyposensibilisierungsbehandlung dargelegten Einwendungen entsprechend; außerdem hätte insoweit auch die belegärztliche Tätigkeit berücksichtigt werden müssen. Es sei keineswegs ersichtlich, dass nicht belegärztlich tätige HNO-Ärzte im gleichen Umfang Patienten vor- und nachstationär zu versorgen hätten. Für die nicht belegärztlich tätigen HNO-Ärzte sei die Vorschrift in § 115a SGB V einschlägig. Sie versorge in ihrer Praxis die Patienten demgegenüber selbst auch vor- und nachstationär. Durch die belegärztliche Tätigkeit entstehe ein besonderer Aufwand (auch) bei der Verordnung topischer Kortikoide. Der Beklagte habe darauf beruhende Praxisbesonderheiten unter Hinweis auf die Fachgruppentypizität dieser Behandlung nicht anerkannt. Die Fachgruppentypizität einer Leistung allein schließe das Vorliegen von Praxisbesonderheiten freilich nicht aus. Entscheidend sei vielmehr, dass ein wirtschaftlicher Mehraufwand wegen einer besonderen individuellen Qualifikation - hier der belegärztlichen Tätigkeit - entstehe. Gegenüber der Vergleichsgruppe sei auch ein höherer Anteil von Patienten mit Leistungen der Nasen- und Nebenhöhlenchirurgie (im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit) versorgt worden. Auch im Hinblick auf die Antihistaminika sei der Hinweis auf die Fachgruppentypizität nicht ausreichend, da insoweit ein Zusammenhang mit der antiallergischen Medikation bestehe, wofür in ihrer Praxis eine entsprechende Zusatzqualifikation vorliege.
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Der Beklagte trat der Klage entgegen. Er trug vor, der angefochtene Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Es sei sachgerecht und zulässig, die Praxis der Klägerin mit den Praxen ihrer Fachgruppe zu vergleichen. Er habe seinen Beurteilungsspielraum bei der Feststellung von Praxisbesonderheiten fehlerfrei ausgeübt und insoweit eine eigenständige Beurteilung vorgenommen, wobei das Filterverfahren als Verfahren der Datenauswertung (nur) ein technisches Instrument darstelle, das die notwendige Beurteilung größtenteils erst ermögliche. Mit der Anwendung des Filterverfahrens zur Beurteilung von Praxisbesonderheiten würden die einschlägigen Prüfungsmaßstäbe rechtsfehlerfrei umgesetzt. Der in § 106 Abs. 5e Satz 1 SGB V (neu) vorgesehene Vorrang der Beratung gelte zwar auch für Zeiträume vor Inkrafttreten der Vorschrift, jedoch nur dann, wenn die Prüfungsstelle noch keine Regressfestsetzung vorgenommen habe. Hier habe die Prüfungsstelle den Verordnungsregress aber schon vor Inkrafttreten des § 106 Abs. 5e SGB V verfügt. Im Hinblick auf die Hyposensibilisierungsbehandlung als Praxisbesonderheit sei der Vergleich mit der Fachgruppe der HNO-Ärzte wie die Anerkennung höchstens der durchschnittlichen Jahresverordnungskosten der Vergleichsgruppe zulässig und sachgerecht. Bei der Vorabprüfung und der Einleitung des Prüfverfahrens seien zwar noch ausschließlich Kosten für Mehrfälle der Klägerin anerkannt worden (Filter 6a des Filterverfahrens), also nur für solche Rezeptfälle, die die Klägerin im Vergleich zur Gruppe der HNO-Ärzte zusätzlich versorgt habe (Mehrkosten 21.071,12 EUR). Im Prüfungsbescheid habe die Prüfungsstelle stattdessen aber nach Maßgabe des Filters 6c des Filterverfahrens durchschnittliche Jahresverordnungskosten der Vergleichsgruppe als Mehrkosten anerkannt (Mehrkosten 62.822,12 EUR); das sei im Widerspruchsverfahren bestätigt worden. In die Berechnung der durchschnittlichen Jahresverordnungskosten seien nicht alle HNO-Ärzte in Baden-Württemberg einbezogen worden, sondern nur diejenigen, die Allergenextrakte verordnet hätten. Eine weitere Verfeinerung der Vergleichsgruppe sei nicht geboten. Auf die Führung einer Zusatzbezeichnung (Allergologie) komme es für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nicht an. Der Erwerb von Kenntnissen in der Diagnostik und Therapie allergologischer Erkrankungen gehöre zum Inhalt der Weiterbildung jedes HNO-Arztes. Auch die Art der Behandlung unterscheide sich bei Ärzten mit Zusatzbezeichnung und ohne Zusatzbezeichnung nicht; sie hänge vom Beschwerdebild ab. Das Vorbringen der Klägerin, wegen der Zusatzbezeichnung Allergologie würden mehr Allergiepatienten behandelt, sei mit dem Filterverfahren abgedeckt, da die Patienten ab dem ersten indikationsbezogenen Fall berücksichtigt worden seien. Man habe zur Veranschaulichung anhand einer Beispielsberechnung für das Verordnungsjahr 2008 die durchschnittlichen Jahreskosten für die Verordnung von Hyposensibilisierungslösungen ausschließlich bei den Praxen, die Allergietests durchführten, errechnet; sie hätten sich auf 560,84 EUR belaufen. Im Verordnungsjahr 2008 seien maximal die Durchschnittskosten der bisherigen Vergleichsgruppe von 559,81 EUR anerkannt worden. Der minimale Unterschied von 1,03 EUR könne ihre Berechnungsweise nicht widerlegen. Für das Verordnungsjahr 2007 sei von ähnlichen Verhältnissen auszugehen. Die durchschnittlichen Jahresverordnungskosten der Vergleichsgruppe i.H.v. 506,63 EUR im Verordnungsjahr 2007 ergäben sich aus der Division der Gesamtausgaben und der Zahl der entsprechenden Rezeptpatienten. Im Verordnungsjahr 2007 sei auf die Ausgaben für Hyposensibilisierungslösungen rund ein Drittel der gesamten Arzneimittelausgaben der HNO-Ärzte entfallen. In der Praxis der Klägerin machten die Gesamtkosten für Hyposensibilisierungslösungen einen Anteil von 31,4 % (im Jahr 2007) aus. Damit unterscheide sich dieser Kostenanteil nicht wesentlich vom Kostenanteil der Vergleichsgruppe. Bei der Berechnung habe man die Kosten unterschiedlicher Therapieschemata berücksichtigt. Man habe die Richtgrößenprüfung nicht mit der statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten vermengt. Die Ermittlung von durchschnittlichen Fall- bzw. Patientenkosten sei eine im Beurteilungsspielraum der Prüfgremien liegende und danach zulässige Methode, um den wirtschaftlichen Anteil an den indikationsbezogenen Kosten zu berechnen, die als Praxisbesonderheit in Betracht kommen könnten. Insoweit gehe man in Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung davon aus, dass die Vergleichsgruppe insgesamt wirtschaftlich behandele und verordne, so dass der ermittelte Vergleichswert zur Quantifizierung verwendet werden könne. Wenn zusätzlich gefordert werde, die Gesamtkosten für Hyposensibilisierungslösungen von den Verordnungskosten der Klägerin abzuziehen, sie also so zu stellen, als hätte sie diese Kosten nicht verursacht, müssten aus systematischen Gründen zwingend auch die Richtgrößenwerte entsprechend bereinigt werden. Das habe man nicht vorgenommen. Daher verbleibe der Klägerin für jeden Behandlungsfall, in dem keine Hyposensibilisierungslösung verordnet worden sei, bzw. in dem überhaupt kein Rezept ausgestellt worden sei, die volle, also „falsch hohe“ Richtgröße. Hinsichtlich der Antibiotikaverordnung würden der Klägerin die Mehrfälle in Höhe der durchschnittlichen Fallkosten der Vergleichsgruppe als Praxisbesonderheit anerkannt. Die Verordnung von Antibiotika sei für HNO-Ärzte fachgruppentypisch. Eine Berücksichtigung von Mehrkosten komme überhaupt nur in Betracht, weil die durchschnittlichen Fallkosten höher seien als die Richtgröße. Die Anerkennung eines Mehraufwandes lasse sich hierauf allein aber nicht stützen. Da eine allgemeine fachgruppentypische Therapie in Rede stehe, seien deren Kosten regelmäßig in der Richtgröße enthalten. Im Vergleich zu den Kosten für Hyposensibilisierungslösungen seien die durchschnittlichen Fallkosten bei den Antibiotika wesentlich niedriger und damit deutlich näher an der Richtgröße. Das rechtfertige die unterschiedliche Gewichtung der beiden Indikationen in der Prüfung der Praxisbesonderheiten. Die Mehrkosten würden deshalb nur im Rahmen des Filterverfahrens als Filter 6a für die festgestellten Mehrfälle entweder mit den Fallkosten der Praxis, wenn diese niedriger seien als diejenigen der Vergleichsgruppe, oder mit den Fallkosten der Vergleichsgruppe berücksichtigt. Die Anerkennung eines zusätzlichen Mehraufwandes aufgrund der belegärztlichen Tätigkeit als Praxisbesonderheit komme nicht in Betracht. Es sei statistisch nicht erkennbar, dass der ambulante Therapiebedarf (Antibiotikabedarf) bei stationär behandelten Patienten größer sei als bei Patienten, die ausschließlich ambulant behandelt würden. Auch sei aufgrund der geringen Anzahl von Belegärzten davon auszugehen, dass die nicht belegärztlich tätigen HNO-Ärzte in einem ähnlichen Umfang wie die HNO-Belegärzte vor- und nachstationär Patienten versorgten. Während des Aufenthalts in der Klinik erhielten die Patienten die Medikamente vom Krankenhaus. Da Belegpatienten nur wenige Tage stationär versorgt würden, dürfte bei ihnen der Bedarf für eine weitergehende Medikamentenbehandlung nach der Entlassung eher geringer sein als bei Patienten, die ambulant operiert worden seien. Die Vorschrift in § 115a SGB V sei hier nicht einschlägig. Die Klägerin habe nicht dargetan, inwieweit die Belegarzttätigkeit kausal einen Mehraufwand bei topischen Kortikoiden verursache. Es handele sich dabei um Nasensalben, die zum typischen Verordnungsspektrum aller HNO-Ärzte gehörten.
24 
Am 24.07.2013 fand die mündliche Verhandlung des SG statt. Der Vertreter des Beklagten erklärte, aus Sicht des Beklagten liege eine Praxisbesonderheit vor, wenn bei Arzneimittelverordnungen ein deutlicher Mehrverordnungsaufwand über dem Fachgruppendurchschnitt entstehe und die durchschnittlichen Verordnungskosten je Fall deutlich über der Richtgröße lägen.
25 
Mit Urteil vom 24.07.2013 hob das SG den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.07.2011 (mit Ausnahme der Erklärung der Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren als notwendig) auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klage sei als Anfechtungsklage zulässig und auch begründet. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten sei hinsichtlich der Festsetzung eines Arzneimittelregresses für 2007 (einschlägige Richtgröße für die Fachgruppe der HNO-Ärzte für Mitglieder bzw. Familienversicherte 11,20 EUR und 5,73 EUR für Rentnerversicherte) rechtswidrig. Der Beklagte habe sich bei seiner Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten widersprüchlich verhalten und außerdem das konkrete Vorbringen der Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt. Die Vorschrift in § 106 Abs. 5e Satz 1 SGB V n.F. („Beratung vor Regress“) sei allerdings nicht einschlägig, weil das Verwaltungsverfahren bereits vor Inkrafttreten dieser Vorschrift (zum 01.01.2012) abgeschlossen gewesen sei (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.02.2013, - L 5 KA 222/13 ER-B -, nicht veröffentlicht). Hinsichtlich der Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten komme den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum zu. Der Beklagte habe insoweit, wie sein Vertreter in der mündlichen Verhandlung bekräftigt habe, maßgeblich darauf abgestellt, ob die geprüfte (Arzneimittel-)Versorgung verhältnismäßig teuer gewesen sei, so dass davon ausgegangen werden könne, dass die Richtgrößen im Fall der individuellen Gegebenheiten einer Praxis, beispielsweise bei überdurchschnittlicher Verordnungshäufigkeit, die Arzneimittelversorgung nicht oder nur zum Teil angemessen berücksichtigten. Maßgebliches Anknüpfungskriterium für die Beurteilung von Praxisbesonderheiten seien aus Sicht des Beklagten daher eine über dem Durchschnitt der Vergleichsgruppe liegende Verordnungsmenge und deutlich über der Richtgröße liegende durchschnittliche Verordnungskosten je Fall. Nach Angaben des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung sei hiervon bei der Arzneimittelrichtgröße der HNO-Ärzte im Jahr 2007 ab einem Betrag von etwa 20,00 EUR ausgegangen worden. Die Anwendung des Filterverfahrens als technisches Instrument sei nicht zu beanstanden, soweit es als Aufgreifkriterium für die Prüfung von Praxisbesonderheiten angewendet werde. Ungeachtet dessen fehle es vorliegend aber an der hinreichenden Würdigung der von der Klägerin geltend gemachten (besonderen) Gegebenheiten ihrer Praxis. Der Beklagte habe der Klägerin unter Anwendung des Filterverfahrens Praxisbesonderheiten nur wegen der Verordnungshäufigkeit von Antibiotika zugestanden und diese mit Mehrkosten von 8.766,22 EUR bewertet, dabei aber die Maßgaben der einschlägigen Rechtsprechung nicht ausreichend beachtet. Mit einer gegenüber der Vergleichsgruppe höheren Verordnungshäufigkeit und die Richtgröße übersteigenden Verordnungskosten je Fall für sich allein könnten Praxisbesonderheiten nämlich nicht begründet werden. Die von den Prüfgremien unter Anwendung des Filterverfahrens - Filter 6a - vorgenommene Beurteilung (des Vorliegens von Praxisbesonderheiten) beruhe aber maßgeblich auf dieser (rechtsfehlerhaften) Annahme. So könne eine besondere Verordnungshäufigkeit nicht nur - was eine Praxisbesonderheit begründen könnte - auf Besonderheiten des Patientenzuschnitts der Praxis, sondern - was eine Praxisbesonderheit nicht begründen könnte - auch auf einer unwirtschaftlichen Verordnungsweise der Praxis beruhen. Hierzu fänden sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids keine näheren Erwägungen. Der Beklagte habe der Klägerin zwar Praxisbesonderheiten bei der Antibiotikaverordnung (teilweise) zugestanden. Seine Beurteilungsentscheidung sei insoweit aber gleichwohl rechtlich fehlerhaft (unvollständig), weil er wegen der alleinigen Anwendung des Filterverfahrens (Filter 6a) die von der Klägerin (zusätzlich) geltend gemachten Praxisbesonderheiten hinsichtlich der vermehrten Verordnung der Antibiotika Keimax und Clinda-Saar infolge belegärztlicher Tätigkeit nicht ausreichend gewürdigt habe. Der Beklagte habe keine (Beurteilungs-)Erwägungen zu den Ursachen der erhöhten Verordnungshäufigkeit dieser Arzneimittel und zur tatsächlichen, nicht nur abstrakt nach Maßgabe des Filterverfahrens berechneten Abweichung gegenüber der Vergleichsgruppe angestellt. Die Beurteilungsentscheidung des Beklagten sei außerdem widersprüchlich, da er wegen der erhöhten Verordnungshäufigkeit von Antibiotika mit einem Mehraufwand von 22,42 EUR je Fall Praxisbesonderheiten anerkannt, sich aber mit der von der Klägerin ebenfalls unter Hinweis auf die belegärztliche Tätigkeit geltend gemachten erhöhten Verordnungshäufigkeit des Arzneimittels Nasonex nicht näher befasst habe. Die Klägerin habe dieses Arzneimittel mit einem Anteil am Verordnungsvolumen ihrer Praxis von 11,58 % deutlich überdurchschnittlich (Verordnungsvolumen der Vergleichsgruppe 5,86 %) verordnet. Die Bruttoverordnungskosten je Verordnung von 20,74 EUR überstiegen den vom Vertreter des Beklagten (in der mündlichen Verhandlung) - als Aufgreifkriterium für die Beurteilung von Praxisbesonderheiten - genannten (Grenz-)Betrag von 20,00 EUR. Die Gründe, aus denen der Beklagte den Filter 6a des Filterverfahrens zur Prüfung von Praxisbesonderheiten hinsichtlich der Verordnung von Nasonex gleichwohl nicht angewandt habe, seien im angefochtenen Bescheid nur unzureichend festgehalten. Hierzu werde lediglich ausgeführt, die Verordnung von Kortikoidnasensprays sei fachgruppentypisch und aufgrund des breiten Indikationsspektrums dieser Arzneimittel hinreichend in den Richtgrößen berücksichtigt. Diese Erwägung gelte aber gleichermaßen für die - vom Beklagten als Praxisbesonderheit anerkannten - Verordnungskosten für Antibiotika. Der Beklagte habe sich - von dem dargelegten Wertungswiderspruch abgesehen - in der Begründung seines Bescheids zudem mit den vor allem hinsichtlich der Verordnung von Antibiotika und des Arzneimittels Nasonex geltend gemachten Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit nicht hinreichend auseinandergesetzt. Mit der Anerkennung der erhöhten Verordnungshäufigkeit von Antibiotika als Praxisbesonderheit habe der Beklagte zugestanden, dass die Praxis der Klägerin über eine Patientenschaft verfüge, die in vermehrtem Maße Antibiotika benötige. Die Ursache hierfür habe er wegen der schematischen Anwendung des Filterverfahrens aber nicht ermittelt und sich auch mit dem konkreten Vorbringen der Klägerin, Ursache sei die belegärztliche Tätigkeit, nicht ausreichend befasst, obwohl es plausibel sei, dass die Praxis der Klägerin gerade wegen der belegärztlichen Tätigkeit über einen gegenüber der Vergleichsgruppe höheren Anteil operierter Patienten verfüge, die mit Antibiotika behandelt werden müssten. Der Beklagte sei dem nicht nachgegangen, habe vielmehr in der Begründung des angefochtenen Bescheids nur ausgeführt, aufgrund der geringen Anzahl von Belegärzten (unter den HNO-Ärzten) sei davon auszugehen, dass die nicht belegärztlich und die belegärztlich tätigen HNO-Ärzte Patienten in einem ähnlichen Umfang vor- und nachstationär versorgten. Der Beklagte hätte dies freilich unter Auswertung entsprechender statistischer Daten näher prüfen und im Bescheid auch darlegen müssen und sich nicht mit bloßen Annahmen begnügen dürfen. Entsprechendes gelte für die von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Praxisbesonderheit hinsichtlich des erhöhten Verordnungsaufwands topischer Kortikoide (Arzneimittel Nasonex) durch Leistungen der Nasen- und Nebenhöhlenchirurgie. Auch insoweit sei wegen der belegärztlichen Tätigkeit ein erhöhter Anteil operierter Patienten plausibel, weshalb der Beklagte dem Vorbringen der Klägerin durch konkrete Prüfung im Einzelfall hätte nachgehen und die Ergebnisse seiner Ermittlungen in der Begründung des angefochtenen Bescheids hätte darlegen müssen. Da der angefochtene Bescheid aus den dargelegten Gründen rechtswidrig sei, sei eine nähere (rechtliche) Prüfung des von den Prüfgremien angewandten Filterverfahrens entbehrlich. Der Fall der Klägerin stütze aber jedenfalls die Bedenken der Beigeladenen zu 1), nach deren Auffassung die Richtgrößenprüfung unter Anwendung des Filterverfahrens dem Einzelfall nicht ausreichend gerecht werde. Rechtlich nicht zu beanstanden sei, dass der Beklagte zur Beurteilung von Praxisbesonderheiten bei Hyposensibilisierungsbehandlungen auf die durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe zurückgegriffen habe; insoweit habe er die rechtlichen Grenzen seines Beurteilungsspielraums gewahrt. Der Beklagte habe rechtsfehlerfrei davon ausgehen dürfen, dass Ärzte, die Hyposensibilisierungsbehandlungen durchführten, im Durchschnitt wirtschaftlich handelten; eine unzulässige Vermengung der für die Richtgrößenprüfung und die Prüfung nach Durchschnittswerten geltenden Grundsätze liege darin nicht. Die Verordnung von Antihistaminika habe der Beklagte zu Recht als fachgruppentypisch beurteilt und damit auch zu Recht den entsprechenden Mehraufwand in der Praxis der Klägerin nicht auf eine Praxisbesonderheit zurückgeführt.
26 
Gegen das ihm am 06.08.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 22.08.2013 Berufung eingelegt. Er wiederholt und bekräftigt sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Anerkennung und Quantifizierung von Praxisbesonderheiten unter Anwendung des Filterverfahrens stehe in Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung. Überschreite das Verordnungsvolumen einer Praxis das Richtgrößenvolumen um mehr als 25 %, sei grundsätzlich unwirtschaftliche Verordnungsweise anzunehmen, es sei denn, der Arzt, der insoweit die Beweislast trage, könne dartun, dass die Überschreitung ganz oder teilweise auf Praxisbesonderheiten beruhe. Die Richtgrößenwerte je Fachgruppe beruhten (nach Maßgabe der Richtgrößenvereinbarung 2007) auf den Arzneimittelverordnungskosten der Fachgruppe aus den Vorjahren, die im Hinblick auf anzunehmende Kostenentwicklungen und Neuzulassungen von Arzneimitteln angepasst würden. Die Gesamtkosten der Fachgruppe würden durch die Gesamtbehandlungsfallzahl der Fachgruppe geteilt. Die dadurch errechneten Werte stellten die durchschnittlichen Verordnungskosten je Behandlungsfall der Fachgruppe dar. Dabei müsse beachtet werden, dass in die Berechnung auch Behandlungsfälle einbezogen würden, in denen Arzneimittel nicht verordnet worden seien („Verdünnerfälle“). In den so ermittelten Richtgrößen seien die durchschnittliche Verteilung von medikamentös zu behandelnden Krankheitsbildern (Indikationen) und deren durchschnittliche Arzneimitteltherapiekosten innerhalb der Fachgruppe abgebildet. Die Richtgrößen und damit das Richtgrößenvolumen deckten in einer Praxis die Arzneimittelkosten für die Behandlung einer durchschnittlichen Patientenschaft mit einer durchschnittlichen Verteilung der Krankheitsbilder bei einem durchschnittlichen Anteil von „Verdünnerfällen“ ab. Die medikamentöse Behandlung einer durchschnittlichen Patientenschaft könne daher keine Praxisbesonderheit sein.
27 
Das von den Prüfgremien (zur Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten) angewandte Filterverfahren diene der Datenauswertung. Es ermögliche, die Besonderheiten der Patientenschaft und daraus folgend die Besonderheiten der medikamentösen Therapie einer Praxis, basierend auch auf Besonderheiten der beruflichen Qualifikation des Arztes und der Praxisausstattung, vergleichend zu ermitteln. Das Verfahren beruhe auf einer intellektuell begründeten Basis aus medizinischen und statistischen Überlegungen. Eine Indikation sei grundsätzlich nur dann als Praxisbesonderheit im Rahmen des Filterverfahrens anzusehen, wenn ihre durchschnittlichen Arzneimitteltherapiekosten die Richtgröße der Fachgruppe deutlich überstiegen. Hierbei seien bestehende Wirtschaftlichkeitspotenziale innerhalb der gesamten Fachgruppe bei der Berechnung der durchschnittlichen Arzneimitteltherapiekosten zu berücksichtigen. Des Weiteren könnten nur die Indikationen im Rahmen des Filterverfahrens berücksichtigt werden, die bei Vorliegen der entsprechenden Diagnose grundsätzlich einer medikamentösen Therapie bedürften. Die Quantifizierung der Praxisbesonderheiten nach dem Filterverfahren beruhe auf der Analyse der verordneten Arzneimittel, definiert über die Wirkstoffe gemäß des anatomisch-therapeutisch-chemischen Klassifikationssystems (ATC-Code), die für die jeweilige Indikation zugelassen seien. Von dem verordneten Wirkstoff könne bei indikationsgerechtem Einsatz auf die Diagnose des Patienten geschlossen werden. Eine Quantifizierung anhand anderer Daten sei weniger geeignet. Das Filterverfahren beruhe daher auf so genannten indikationsbezogenen Rezeptfällen. Ein indikationsbezogener Rezeptfall entstehe, wenn ein Patient in einem Quartal mindestens eine Verordnung mit einem der definierten indikationstypischen Wirkstoffe erhalten habe. Ein Patient könne somit maximal 4 Rezeptfälle im Jahr auslösen.
28 
Der Filter 4 des Filterverfahrens erfasse sehr seltene Erkrankungen; die Arzneimittelkosten für ihre Behandlung würden vollumfänglich als Praxisbesonderheit anerkannt. Der Filter 5 des Filterverfahrens erfasse Indikationen, deren durchschnittliche Rezeptfallkosten lediglich die Richtgrößen einzelner Facharztgruppen deutlich überstiegen und deren indizierte Anwendung vorausgesetzt werden könne. Praxisbesonderheiten könnten hinsichtlich dieser Indikationen nur bei Fachgruppen vorliegen, bei denen die Richtgrößen deutlich geringer seien als die Quartalskosten der Arzneimitteltherapie. Rezeptfallkosten dieser Indikationen überstiegen die Richtgrößen derart, dass bereits die medikamentöse Therapie eines Patienten zu einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens führen könne. Der durchschnittliche Anteil an Verdünnerfällen genüge bei diesen Indikationen nicht, um einen Ausgleich der Verordnungskosten im Rahmen des Richtgrößenvolumens zu gewährleisten. Es bestehe kein Wirtschaftlichkeitspotenzial innerhalb der zugelassenen Arzneimitteltherapie. Auch diese Kosten würden daher vollumfänglich als Praxisbesonderheit anerkannt.
29 
Der Filter 6c des Filterverfahrens erfasse Indikationen, bei denen hinsichtlich der Arzneimitteltherapie ein Wirtschaftlichkeitspotenzial bestehe und deren Rezeptfallkosten bezogen auf den Quartals- bzw. Jahreszeitraum die Richtgröße der Fachgruppe deutlich überstiegen. Die Rezeptfallkosten dieser Indikationen überstiegen die Richtgrößen derart, dass (auch hier) bereits die medikamentöse Therapie eines Patienten zu einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens führen könne. Auch hier genüge der durchschnittliche Anteil an Verdünnerfällen zum Ausgleich nicht. Als Praxisbesonderheit würden für jeden Behandlungsfall, der mindestens eine Verordnung eines indikationstypischen Arzneimittels erhalten habe, wegen des vorhandenen Wirtschaftlichkeitspotenzials maximal die durchschnittlichen Arzneimittelkosten der Fachgruppe in dieser Indikation anerkannt.
30 
Der Filter 6a des Filterverfahrens erfasse Indikationen, bei denen hinsichtlich der Arzneimitteltherapie ein Wirtschaftlichkeitspotenzial bestehe und deren durchschnittliche Rezeptfallkosten bei einem durchschnittlichen Behandlungsanteil durch das Richtgrößenvolumen abgedeckt seien. Die Rezeptfallkosten dieser Indikationen überstiegen die Richtgröße der Fachgruppe deutlich, seien aber durch die Höhe des zugewiesenen Richtgrößenvolumens unter Annahme eines durchschnittlichen Anteils an Verdünnerfällen abgedeckt. Diese Indikationen könnten daher erst dann eine Praxisbesonderheit begründen, wenn bei der Praxis ein gegenüber der Fachgruppe überdurchschnittlicher Anteil an (medikamentös zu behandelnden) Fällen vorliege (Mehrfälle). Aufgrund bestehender Wirtschaftlichkeitspotenziale würden die Mehrfälle jedoch nur mit den durchschnittlichen Rezeptfallkosten der Vergleichsgruppe dieser Indikation als Praxisbesonderheit anerkannt. Zur Berechnung würden die Rezeptfallanteile der jeweiligen Indikationen an den Gesamtbehandlungsfällen der Vergleichsgruppe und der jeweiligen Praxis gebildet. Hierbei werde zunächst die Zahl der Rezeptfälle in der Indikation ermittelt. Die so ermittelten Rezeptfälle der Indikation würden ins Verhältnis zu der Gesamtbehandlungsfallzahl gesetzt. Dies ergebe den prozentualen Anteil der Behandlungsfälle, bei denen mindestens eine Verordnung über einen Wirkstoff in der betreffenden Indikation erfolgt sei. Aus der Differenz der Anteile der Vergleichsgruppe und der Praxis würden die Mehrfälle der Praxis ermittelt.
31 
Ausgehend davon, dass in den vom Filterverfahren erfassten Indikationen eine Arzneimitteltherapie nur bei bestehender Notwendigkeit durchgeführt werde, liege einem erhöhten Verordnungsanteil nach seiner, des Beklagten, Auffassung eine besondere Patientenschaft zugrunde. Einer gesonderten Feststellung der Gründe für den erhöhten Verordnungsanteil der geprüften Praxis im Vergleich zur Fachgruppe bedürfe es daher nicht; deswegen sei auch eine Auseinandersetzung mit den praxisindividuellen Gegebenheiten des Einzelfalls entgegen der Auffassung des SG entbehrlich.
32 
Hinsichtlich der Antibiotikaverordnung sei wegen der Gefahr von Resistenzentwicklungen und wegen der nicht unerheblichen Nebenwirkungen dieser Arzneimittel (grundsätzlich) von der Notwendigkeit der Verordnung des Antibiotikums auszugehen. Einem erhöhten Verordnungsanteil von Antibiotika werde unabhängig davon, ob er durch belegärztliche oder ambulante Behandlungen begründet sei, durch die Anerkennung von Mehrfällen ausreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus sei die Anerkennung eines zusätzlichen Mehraufwands als Praxisbesonderheit für Arzneimittel wegen belegärztlicher Tätigkeit nicht begründet, weil statistisch nicht erkennbar sei, dass der ambulante Therapiebedarf bei stationär behandelten Patienten größer sei als bei ausschließlich ambulant behandelten Patienten. Eine verfeinerte Betrachtung der Vergleichsgruppen mit Daten aus dem Prüfjahr 2010 zur Antibiotikabehandlung führe zu folgendem Ergebnis: Belegarztpraxen der Fachgruppe der HNO-Ärzte hätten durchschnittlich in 9,91 % aller Behandlungsfälle ein Antibiotikum mit durchschnittlichen Rezeptfallkosten von 20,86 EUR pro Quartal verordnet. Die übrigen ambulant tätigen Praxen wiesen einen Verordnungsanteil von 9,20 % und Rezeptfallkosten von 19,34 EUR in dieser Indikation auf. Die belegärztliche Tätigkeit in diesem Verordnungszeitraum habe somit nicht zu signifikant höheren Kosten geführt. Beim Vergleich der ambulant operierenden HNO-Ärzte mit den nicht operierenden HNO-Ärzten hätten sich die durchschnittlichen Verordnungskosten für Antibiotika im Jahr 2007 nur um 0,05 EUR unterschieden. Daraus werde ersichtlich, dass durch die Anwendung des Filterverfahrens, d.h. durch Festlegung von Indikationen als Praxisbesonderheit, gewährleistet sei, dass der notwendige Mehrbedarf in der Arzneimitteltherapie in dieser Indikation unabhängig davon berücksichtigt werde, welche konkrete Fallgestaltung in der Praxis zu diesem Mehrbedarf führe.
33 
Die Anerkennung oder Ablehnung einer Praxisbesonderheit sei keine bloß schematische Folge der Anwendung des Filterverfahrens. Er, der Beklagte, nehme bezüglich der Nutzung des Filterkonzepts im Rahmen der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Praxisbesonderheit“ jeweils eine fallbezogene, praxisindividuelle Abwägung mit dem Ziel vor, festzustellen ob das jeweilige Ergebnis einzelfallgerecht sei. So habe eine Auswertung der Verordnungsdaten der Praxis der Klägerin für das Jahr 2007 für Patienten, für die im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit die Gebührenordnungspositionen (GOP) 36231 bis 36238 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) abgerechnet worden seien, Verordnungskosten für Antibiotika von ca. 450,00 EUR und für Kortikoidnasensprays von ca. 350,00 EUR ergeben. Insgesamt seien im Jahr 2007 in der Praxis der Klägerin ca. 32.000,00 EUR auf die Verordnung von Antibiotika und ca. 22.000,00 EUR auf die Verordnung von Kortikoidnasensprays entfallen. Das zeige, dass wegen der belegärztlichen Tätigkeit kein als Praxisbesonderheit zu berücksichtigender Mehrbedarf in diesen Indikationen bestehe.
34 
Den Vorwurf des SG, er habe sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob nicht auch für die Verordnung des Arzneimittels Nasonex die Anwendung des Filters 6a in Erwägung zu ziehen sei, weise er zurück. Die Mehrzahl der Kortikoidnasensprays sei lediglich zur symptomatischen Behandlung einer saisonalen allergischen oder perennialen Rhinitis sowie zur Behandlung von Anzeichen und Symptomen von Nasenpolypen zugelassen. Die Indikationsstellung sowie die Dauer der Therapie bei der Verordnung von Kortikoidnasensprays seien aufgrund der symptomatischen Behandlung der Beschwerden deutlich weniger strikt als bei der Verordnung von Antibiotika. Die Voraussetzung zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit im Rahmen des Filters 6a bedürfe aber gerade des Vorliegens einer konkreten Indikationsstellung zur medikamentösen Therapie in jedem Fall. Mehrfälle bei der Verordnung von Kortikoidnasensprays seien nicht generell durch die Notwendigkeit dieser Verordnung begründet. Des Weiteren bestünden innerhalb der Fachgruppe der HNO-Ärzte hinsichtlich der Verordnung von Kortikoidnasensprays erhebliche Wirtschaftlichkeitspotenziale, weshalb die durchschnittlichen Fallkosten der Fachgruppe nicht als Bezugswert für eine wirtschaftliche Verordnungsweise herangezogen werden könnten. Die Analyse der Verordnungsdaten für 2009 habe für die Fachgruppe der HNO-Ärzte einen Verordnungsanteil für Nasensprays mit dem Wirkstoff Mometason (Nasonex) von 86,85 % an allen kortikoidhaltigen Nasensprays ergeben. Dies, obwohl es keine eindeutige Evidenz dafür gebe, dass eines der verschiedenen topisch angewendeten Kortikoide eine überlegene Wirkung habe. Unter diesen Bedingungen seien ohne Einschränkung bei Wirksamkeit und Verträglichkeit deutliche Kostensenkungen möglich, wenn relativ teure Präparate, wie Nasonex, durch preisgünstige Budesonid-Präparate ersetzt würden. Der Kostenunterschied zwischen Nasensprays mit dem Wirkstoff Budesonid und dem Wirkstoff Mometason habe im Jahr 2007 0,50 EUR betragen; Budenosid sei 43,2 % günstiger als Mometason. Die durchschnittlichen Rezeptfallkosten der Praxis der Klägerin für kortikoidhaltige Nasensprays hätten bei 23,17 EUR pro Quartal gelegen. Dabei entfalle der maßgebliche Kostenanteil auf die Verordnung von Nasonex. Ausgehend von einem Einsparpotenzial bei der Verordnung von Budesonid-Nasensprays von etwa 40 % ergäben sich wirtschaftliche Rezeptfallkosten in dieser Indikation für die Praxis der Klägerin von 13,90 EUR pro Quartal. Dies könne in Anbetracht der Richtgröße von 11,20 EUR für Mitglieder und Familienversicherte bzw. 5,73 EUR für Rentnerversicherte keine Praxisbesonderheit darstellen. Die vom SG herangezogenen durchschnittlichen Kosten je Verordnung von Nasonex i.H.v. 20,74 EUR seien nicht geeignet, eine Praxisbesonderheit zu rechtfertigen, da diese keinen Quartalsbezug aufwiesen, der jedoch im Rahmen der Ermittlung der Richtgrößen herangezogen werde. Eine Anerkennung kortikoidhaltiger Nasensprays als Praxisbesonderheit im Rahmen des Filterverfahrens sei somit generell nicht möglich. Auch bei Betrachtung des Einzelfalls der Klägerin könne eine Praxisbesonderheit nicht angenommen werden.
35 
Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Berücksichtigung bzw. Nichtberücksichtigung einzelner Indikationen bei Anwendung des Filterverfahrens durch medizinisch-pharmakologische, statistische und wirtschaftliche Überlegungen begründet sei. Besonderheiten, die sich in der geprüften Praxis aufgrund von Tätigkeitsschwerpunkten und einer besonderen Patientenschaft innerhalb der definierten Filter-Indikationen ergäben, seien durch die dargelegte Filtersystematik ausreichend berücksichtigt und bedürften daher keiner weiterführenden individuellen Überprüfung. Soweit darüber hinaus Praxisbesonderheiten geltend gemacht worden seien, die nicht Bestandteil der definierten Filter-Indikationen seien, habe man diese individuell betrachtet und bewertet.
36 
Der Beklagte beantragt,
37 
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.07.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
38 
Die Klägerin beantragt,
39 
die Berufung zurückzuweisen.
40 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Grundproblem bestehe darin, dass der Beklagte mit dem Filterverfahren zur Feststellung von Praxisbesonderheiten eine generalisierende, die Verhältnisse der einzelnen Praxis nicht in den Blick nehmende, Vorgehensweise gewählt habe. Entscheidend sei im Rahmen des Filterverfahrens allein, ob in Bezug auf bestimmte Indikationen gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt ein höherer Anteil an einschlägigen Rezeptpatienten vorliege. Werde das unter Anwendung des jeweiligen Filters (hier Filter 6 bzw. Unterfilter 6a oder 6c) festgestellt, werde - abhängig von der jeweiligen Indikation (vom jeweiligen Filter) - der Mehranteil an Rezeptfällen teils als Mehrfälle (mit den konkreten Kosten), teils (nur) mit den Durchschnittsverordnungskosten der Fachgruppe als Praxisbesonderheit anerkannt. Ob eine bestimmte Indikation als Praxisbesonderheit zu gelten habe, bestimme der Beklagte mit dem Filterverfahren daher nach generellen, für die gesamte Fachgruppe gültigen Kriterien. Liege danach eine Praxisbesonderheit vor, bemesse sich deren Umfang (Kostenvolumen) ausschließlich nach dem (statistischen) Verhältnis des Verordnungsverhaltens der Praxis zum Verordnungsverhalten des Fachgruppendurchschnitts (hinsichtlich der Berücksichtigung der Mehrfälle der Praxis bzw. hinsichtlich der Berechnung des Überschreitungsvolumens nach Durchschnittsverordnungskosten). Nach der (zur Prüfung nach Durchschnittswerten ergangenen, auf die Richtgrößenprüfung aber übertragbaren) Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Praxisbesonderheiten - wie nach dem Wortsinn des Begriffs - müssten Praxisbesonderheiten aber letztendlich auf Besonderheiten in der Patientenzusammensetzung beruhen, was regelmäßig auf praxisindividuelle Besonderheiten, wie eine besondere Qualifikation des Arztes oder die Anwendung besonderer Behandlungsmethoden zurückgehe. Bei der Richtgrößenprüfung stelle sich (insoweit anders als bei der Prüfung nach Durchschnittswerten) nur die (zusätzliche) Frage, in welchem Umfang ein dem Grunde nach infolge Praxisbesonderheiten (als wirtschaftlich) anzuerkennender Mehraufwand im Hinblick auf die Erfassung des entsprechenden Verordnungsverhaltens durch die Richtgröße anzuerkennen sei. Die Vorgehensweise der Prüfgremien weiche von diesen Grundstrukturen zur Prüfung von Praxisbesonderheiten fundamental ab. Das gelte sowohl für die Prüfung, ob eine Praxisbesonderheit dem Grunde nach vorliege, wie für die Prüfung, in welcher Höhe auf ihr beruhende Kosten (als wirtschaftlich) anzuerkennen seien. Das SG habe den (verfahrens-)strukturellen (Beurteilungs-)Fehler des Beklagten in seinem Urteil zutreffend dargestellt. Der Beklagte halte gleichwohl an der (rechtsfehlerhaften) schematischen Anwendung des Filterverfahrens fest. Die letztendlich darauf zurückgehenden Begründungsmängel des angefochtenen Bescheids (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch, SGB X) seien nicht gemäß § 41 Abs. 2 SGB X geheilt; das Vorbringen des Vorsitzenden des (als Kollegialorgan verfassten) Beklagten im Berufungsverfahren genüge hierfür nicht. Im Übrigen sei nach wie vor nicht nachvollziehbar, weshalb hinsichtlich der Verordnung von Antibiotika - anders als hinsichtlich der Verordnung von Hyposensibilisierungslösungen - nur die den Fachgruppendurchschnitt übersteigenden Mehrfälle und nicht alle (Rezept-)Fälle ihrer Praxis als Praxisbesonderheit berücksichtigt worden seien. Dass sie im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit Antibiotika nur im Umfang von 450,00 EUR verordnet haben solle, könne sie nicht nachvollziehen. Auf den Zusammenhang der Belegarzttätigkeit und der Antibiotikaverordnung habe sie bereits mehrfach hingewiesen; daran halte sie fest. Auch insoweit sei das Vorbringen des Beklagten (wiederum) generalisierend. Er vergleiche nämlich Durchschnittswerte von Praxistypen (Belegarztpraxen, ambulant-operativ tätige Praxen, konservativ tätige Praxen) miteinander, ohne die individuellen Verhältnisse ihrer Praxis zu erfassen und zu berücksichtigen. Dass sich der Belegarztstatus, zumal bei seiner Seltenheit in der Fachgruppe der HNO-Ärzte, auf die Zusammensetzung der Patientenschaft und damit auch auf das Verordnungsverhalten auswirken könne, sei offensichtlich. Für die Verordnung von Kortikoidnasensprays gelte entsprechendes wie für die Verordnung von Antibiotika. Außerdem überschreite der Durchschnittswert ihrer Praxis von 13,90 EUR insoweit jedenfalls deutlich die Richtgröße der Rentnerversicherten. Der Beklagte habe schließlich nicht berücksichtigt, dass das Arzneimittel Nasonex in ihrer Praxis überwiegend wegen seiner besonderen Wirkungsweise bei Kindern und Jugendlichen - als Hauptpatientengruppe der Nasennebenhöhlenchirurgie - verordnet werde, weil es sich wegen fehlender Bioverfügbarkeit nicht auf die Wachstumsfugen auswirke.
41 
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
42 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten des SG, des Beklagten und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
I.
43 
Die Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand ist (allein) der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.07.2011 (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011, - B 6 KA 13/10 R -, in juris). Mit dem darin festgesetzten Regressbetrag von 8.768,48 EUR ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
II.
44 
Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Er wird hinsichtlich der Beurteilung (der Feststellung und Bewertung) von Praxisbesonderheiten den Anforderungen, die aus Sicht der gerichtlichen Rechtskontrolle an eine rechtsfehlerfreie Beurteilungsentscheidung gestellt werden müssen, nicht in vollem Umfang gerecht.
45 
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren (allein) noch über die Beurteilung (Feststellung und Bewertung) von Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit der in der Praxis der Klägerin tätigen Ärzte. Die Klägerin führt hierauf die vermehrte Verordnung von Antibiotika (namentlich der Arzneimittel Keimax und Clinda-Saar) und von Kortikoidnasensprays (Arzneimittel Nasonex) zurück. Der Beklagte hat eine Praxisbesonderheit wegen belegärztlicher Tätigkeit demgegenüber nicht angenommen. Nicht mehr streitig sind Praxisbesonderheiten wegen der Durchführung von Hyposensibilisierungs- oder Tinnitus- und Hörsturzbehandlungen; die Klägerin hat Anschlussberufung nicht eingelegt und die hierauf bezogene Entscheidung des Beklagten akzeptiert.
1.)
46 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Regressbescheids für das Jahr 2007 ist § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden und seither - auch im Prüfjahr 2007 - (nahezu) unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190, im Folgenden nur: SGB V). Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, sind die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind. Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben. Etwas Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris Rdnr. 30). Der zum 01.01.2012 eingeführte Grundsatz „Beratung vor Regress“ (§ 106 Abs. 5e SGB V n.F.) ist (worüber die Beteiligten nicht mehr streiten) hier noch nicht anzuwenden, auch wenn er für (Prüf-)Verfahren gilt, die (wie hier) am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (auch dazu näher BSG, Urteil vom 22.10.2014, a.a.O.)
47 
Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Vorschrift regelt für die in § 106 Abs. 5a ff. SGB V normierte Richtgrößenprüfung (als praktisch bedeutsamste Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung) einen besonderen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegen den Vertragsarzt wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise (insbesondere von Arzneimitteln, § 31 SGB V - vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015, - B 6 KA 45/14 R -, in juris m.w.N.). Der Mehraufwand der Krankenkassen, also der vom Vertragsarzt zu erstattende Schaden, umfasst (nur) die tatsächliche (Netto-)Kostenbelastung der Krankenkassen. Schadensmindernd sind daher (insbesondere) die Zuzahlungen der Versicherten und Apothekenrabatte zu berücksichtigen (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 148).
48 
Das (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumen des Vertragsarztes i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V wird auf der Grundlage von gesamtvertraglich festgelegten (Arzneimittel-)Richtgrößen berechnet. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigung) bis zum 15.11. für das jeweils folgende Kalenderjahr zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Leistungen nach § 31 SGB V (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifisch fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Insoweit dienen die Richtgrößen der (vorausschauenden) Steuerung des Verordnungsverhaltens. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 4 SGB V löst die Überschreitung des Richtgrößenvolumens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V (Richtgrößenprüfung) aus. Insoweit dienen die Richtgrößen der (rückschauenden) Prüfung des Verordnungsverhaltens; sie haben dabei die Funktion von normativ festgelegten (und nicht nur statistisch ermittelten) Vergleichswerten (vgl. jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 249).
49 
Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V liegen vor, wenn für die Prüfpraxis ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der eigenen Patientenschaft und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden können (juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 192 m.N. zur Rechtsprechung des BSG). Die Abrechnung eines (bloßen) „Mehr“ an fachgruppentypischen Leistungen begründet keine Praxisbesonderheit (dazu näher etwa BSG, Urteil vom 29.06.2011, - B 6 KA 17/10 R -, in juris). Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V sind in der Prüfungsvereinbarung - (nur) klarstellend-deklaratorisch (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 200) - Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten festzulegen. Für die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten haben die Prüfgremien (auch) bei der Richtgrößenprüfung einen Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich daher darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Wirtschaftlichkeit“ ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris m.w.N.).
50 
Für die richtige und vollständige Ermittlung des (Praxisbesonderheiten-)Sachverhalts gelten im Ausgangspunkt die allgemeinen Regelungen des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB X ermitteln die Behörden, hier die Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen. Sind Praxisbesonderheiten erkennbar oder kommt das Vorliegen von Praxisbesonderheiten ernsthaft in Betracht, müssen die Prüfgremien von Amts wegen entsprechende Ermittlungen durchführen (vgl. dazu auch etwa jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 194 zu offenkundigen Praxisbesonderheiten). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X bestimmt die Behörde (u.a.) die Art der Ermittlungen; sie kann zur Durchführung der Amtsermittlung (ohne Weiteres) auch maschinelle Verfahren der Datenverarbeitung als Hilfsmittel der Amtsermittlung anwenden. Der Amtsermittlungspflicht der Behörden steht die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten gegenüber. Diese sollen gemäß § 21 Abs. 2 SGB X bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Das Gesetz legt Näheres hierzu nicht fest. Art und Umfang der den Beteiligten obliegenden Mitwirkung hängen (u.a.) von der Eigenart des Verfahrensgegenstandes, der Sachkunde der Verfahrensbeteiligten und den Einzelfallumständen im Übrigen ab. In der vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände, wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen, dem Vertragsarzt; diese Darlegungslast geht über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs. 2 SGB X hinaus. Grundsätzlich ist es daher Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn sie allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Der Vertragsarzt ist gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht ergeben und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.2013, - B 6 KA 40/12 R -, in juris Rdnr. 18). Die Darlegungen müssen substantiiert sein und spezielle Strukturen der Praxis, aus denen Praxisbesonderheiten folgen können, aufzeigen. Die bloße Auflistung von Behandlungsfällen mit Diagnosen und Verordnungsdaten genügt nicht. Notwendig ist grundsätzlich, dass der Arzt seine Patientenschaft und deren Erkrankungen systematisiert, etwa schwerpunktmäßig behandelte Erkrankungen aufzählt und mitteilt, welcher Prozentsatz der Patienten ihnen jeweils zuzuordnen ist und welcher Aufwand an Behandlung bzw. Arzneimitteln durchschnittlich für die Therapie einer solchen Erkrankung erforderlich ist (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 194 f. m.N. zur Rechtsprechung des BSG). Überspannte Anforderungen dürfen aber nicht gestellt werden. Die Prüfgremien müssen die Darlegungen des Arztes aufgreifen und, soweit veranlasst, zum Gegenstand weiterer Ermittlungen von Amts wegen machen und dabei - im Wechselspiel von Amtsermittlung und (gesteigerter) Mitwirkungsobliegenheit des Vertragsarztes - auf ggf. notwendige Konkretisierungen hinwirken.
51 
In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwands nach § 106 Abs. 5a SGB V - seit 01.01.2011 - innerhalb von 2 Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen (§ 105 Abs. 2 Satz 7 2. Halbsatz SGB V); davor war eine Ausschlussfrist von 4 Jahren maßgeblich (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 309).
2.)
52 
Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Regressbescheid zwar als formell rechtmäßig; er ist von der zuständigen Behörde in einem rechtfehlerfreien Verwaltungsverfahren, insbesondere unter Wahrung der für die Regressfestsetzung maßgeblichen (Ausschluss-)Frist erlassen worden. Der Regressbescheid ist aber materiell rechtswidrig. Der Beklagte hat die von der Klägerin als Ursache der vermehrten Verordnung von Antibiotika und von topischen Kortikoiden geltend gemachten Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit nicht rechtsfehlerfrei beurteilt. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass er hierfür ein auf statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen beruhendes Filterverfahren angewendet hat; rechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht (unten a). In der Begründung des Regressbescheids sind die hier maßgeblichen Subsumtionserwägungen jedoch nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht worden (unten b).
a)
53 
Die Prüfgremien sind befugt, zur Beurteilung von Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V ein auf statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen beruhendes, so genanntes „Filterverfahren“ anzuwenden. Das folgt schon aus ihrer Befugnis, Art und Umfang der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu bestimmen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) und begründet für sich allein einen rechtlich beachtlichen Beurteilungsmangel nicht.
54 
Grundlage des Filterverfahrens sind indikationsbezogene Rezeptfälle (Behandlungsfälle i.S.d. § 21 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, BMV-Ä) mit mindestens einem definierten indikationstypischen Wirkstoff. Das Filterverfahren vergleicht das Verordnungsverhalten der Prüfpraxis mit dem Verordnungsverhalten einer Durchschnittspraxis (der Fachgruppe), indem es dem Anteil indikationsbezogener Rezeptfälle der Prüfpraxis den entsprechenden Anteil der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis - den Fachgruppendurchschnittswert - gegenüberstellt. Dem liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, dass die (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis - bei unterstelltem medizinisch richtigem und grundsätzlich auch wirtschaftlichem ärztlichen Handeln des Großteils der Ärzte (vgl. juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 46) - eine (fachgruppen-)durchschnittliche Patientenschaft mit durchschnittlich verteilten Krankheitsbildern bei durchschnittlichem Anteil von Verdünnerfällen behandelt, so dass sie insgesamt (auch nur) ein durchschnittliches (Arzneimittel-)Verordnungsvolumen benötigt, das wiederum dem an Hand der Richtgrößen berechneten (Arzneimittel-)Verordnungsvolumen - dem (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumen - entspricht. Weist die Prüfpraxis - medizinisch korrektes und grundsätzlich wirtschaftliches ärztliches Handeln ebenfalls unterstellt - für eine mit dem Filterverfahren geprüfte Indikation einen höheren Rezeptfallanteil als die (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis auf, kommt eine Praxisbesonderheit der Prüfpraxis i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in Betracht. Der hierauf entfallende (Arzneimittel-)Mehraufwand der Prüfpraxis würde dann im Grundsatz nicht auf unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten, sondern auf einem spezifischen, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichenden Verordnungsbedarf der in der Prüfpraxis behandelten Patientenschaft beruhen.
55 
Die Filter 4 und 5 werden auf sehr seltene Indikationen (Filter 4) bzw. Indikationen mit die Richtgrößen einzelner Fachgruppen deutlich übersteigenden (durch einen durchschnittlichen Verdünnerscheinanteil nicht kompensierte) Rezeptfallkosten (Filter 5) ohne Wirtschaftlichkeitspotenzial in der Arzneimitteltherapie angewandt. Der Arzt kann die Arzneimittel bei medizinisch richtigem Verhalten in Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot verordnen. Damit ist eine Praxisbesonderheit festgestellt. Sie wird mit den tatsächlichen Arzneimittelkosten der einschlägigen Rezeptfälle bewertet.
56 
Die Filter 6a und 6c werden auf Indikationen mit die Richtgröße der Fachgruppe (jeweils) deutlich übersteigenden Rezeptfallkosten angewandt, bei denen aber im Grundsatz ein Wirtschaftlichkeitspotenzial in der Arzneimitteltherapie besteht. Der Arzt kann die Arzneimittel bei medizinisch richtigem Verhalten verordnen, hat aber einen nutzbaren Wirtschaftlichkeitsspielraum, etwa durch Verordnung preisgünstigerer Arzneimittel. Der Filter 6a erfasst Indikationen, bei denen die (deutlich über der Fachgruppenrichtgröße liegenden) Rezeptfallkosten bei durchschnittlichem Anteil an Verdünnerscheinen (noch) im Richtgrößenvolumen bleiben, und bei denen von der Notwendigkeit der Verordnung in jedem einzelnen Fall ausgegangen werden kann: das trifft etwa auf die Verordnung von Antibiotika zu. Weist die Prüfpraxis gegenüber der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis einen höheren Anteil an Rezeptfällen dieser Filterkategorie auf, ist damit eine Praxisbesonderheit festgestellt; sie wird (ohne weitere Prüfung) mit den Rezeptfallkosten des Fachgruppendurchschnitts für alle Mehrfälle bewertet. Der Filter 6c erfasst Indikationen, bei denen die (deutlich über der Fachgruppenrichtgröße liegenden) Rezeptfallkosten bei durchschnittlichem Anteil an Verdünnerscheinen (noch) im Richtgrößenvolumen bleiben, und bei denen nicht ohne Weiteres von der Notwendigkeit der Verordnung in jedem einzelnen Fall ausgegangen werden kann; das trifft - nach Auffassung des Beklagten - etwa auf die Verordnung von Kortikoidnasensprays zu. Weist die Prüfpraxis gegenüber der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis einen höheren Anteil an Rezeptfällen dieser Filterkategorie auf, ist damit eine Praxisbesonderheit nicht ohne Weiteres festgestellt und die Mehrfälle werden daher auch nicht ohne Weiteres mit den Rezeptfallkosten des Fachgruppendurchschnitts bewertet.
57 
Das Filterverfahren stellt als maschinelles Verfahren (letztendlich im Interesse der Vertragsärzte) ein Hilfsmittel der behördlichen Amtsermittlung dar (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Es hat erkennbare und deshalb vom Vertragsarzt im Rahmen seiner (gesteigerten) Mitwirkungsobliegenheit (§ 21 Abs. 2 SGB X) nicht erst noch darzulegende Praxisbesonderheiten zum Gegenstand und macht sie sichtbar, indem es aus der (unübersehbaren) Fülle von Arzneimittelverordnungssachverhalten (Rezeptfällen) als Praxisbesonderheiten der Prüfpraxis feststell- und bewertbare Arzneimittelverordnungssachverhalte (Rezeptfälle) „herausfiltert“. Das Filterverfahren beruht auf tatsächlichen (wertenden) Grundannahmen zum (medizinisch richtigen und wirtschaftlichen) Verordnungsverhalten des Großteils der Ärzte und auf der elektronisch gestützten Auswertung der bei der Verordnung von Arzneimitteln angefallenen Daten nach statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen. Gegen die Anwendung des Filterverfahrens als Hilfsmittel der Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Anderes gälte nur dann, wenn das Filterverfahren strukturelle Fehler aufwiese, die notwendig zur Feststellung eines unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalts führen müssten, der wiederum nicht Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beurteilungsentscheidung sein könnte. Hierfür ist aber nichts ersichtlich oder substantiiert geltend gemacht. Im Hinblick auf die statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätze des Filterverfahrens hat der Senat keine Veranlassung zu einer näheren Prüfung, etwa durch Begutachtung auf dem Fachgebiet der medizinischen Informatik. Das Vorbringen der Beigeladenen zu 1), die ohne weitere Substantiierung und nur unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht unerklärliche Streuung der Regressquoten (von 77 % bei den Orthopäden bis 28 % bei den HNO-Ärzten; Durchschnitt 46 %) versteckte Rechenfehler und Verstöße gegen mathematisch-statistische Grundsätze behauptet hat, genügt dafür nicht; ein entsprechender Beweisantrag ist auch nicht gestellt worden. Im Hinblick auf die tatsächlichen (wertenden) Grundannahmen des Filterverfahrens bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Dass die Grundannahme wirtschaftlichen Handelns (Abrechnens) eines Großteils der Ärzte unmittelbar auf die Durchschnittsprüfung (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V) bezogen ist, steht ihrer Heranziehung zur Feststellung (und Bewertung) von Praxisbesonderheiten in der Richtgrößenprüfung nicht entgegen. Rechtlich unerheblich ist auch, dass der Fachgruppendurchschnittswert - anders als die (wie vorstehend dargelegt ebenfalls als Durchschnittswert) fungierende Richtgröße - (rein) statistisch ermittelt und nicht normativ festgelegt wird. Es gibt keinen Rechtssatz, der den Prüfgremien die Anwendung jeglicher rein statistischer Methoden im Rahmen der Richtgrößenprüfung untersagen würde. Die Prüfgremien sind bei der Anwendung des als solchen rechtlich unbedenklichen Filterverfahrens von rechtlichen Maßgaben freilich nicht gänzlich freigestellt. Behördliche Verfahrenshandlungen, wie die Entscheidung zur Anwendung des Filterverfahrens im Einzelfall und ggf. auch die Auswahl des jeweiligen Filters, müssen sachgerecht und frei von Rechtsfehlern erfolgen, um etwaige (Folge-)Fehler in der Sachverhaltsfeststellung, die rechtlich beachtliche Beurteilungsfehler zur Folge haben könnten, zu vermeiden; (Verfahrens-)Entscheidungen der Prüfgremien hinsichtlich der Anwendung des Filterverfahrens wären aber gesondert nicht anfechtbar (vgl. etwa § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und BSG, Urteil vom 10.12.1992, - 11 RAr 71/91 -; auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.11.2010, - L 5 KA 4293/10 ER-B -, beide in juris).
58 
Da das Filterverfahren (nur) ein Hilfsmittel der behördlichen Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) zur Sichtbarmachung der aus der Fülle der Verordnungsdaten erkennbaren Praxisbesonderheiten darstellt und als wesentlich auf statistischen Grundsätzen beruhendes maschinelles Verfahren die Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht vollständig erfassen kann, bedarf es notwendig der Ergänzung durch eine intellektuelle (Einzelfall-)Prüfung. Diese hat im Rahmen der das (Beurteilungs-)Verfahren abschließenden Beurteilungsentscheidung der Prüfgremien zu erfolgen. Die auf intellektueller Prüfung beruhende Beurteilungsentscheidung hat zum einen die Ergebnisse des Filterverfahrens zum Gegenstand, die nach intellektueller Prüfung als (Teil-)Beurteilungsergebnis übernommen oder ggf. verworfen oder korrigiert werden können. Die Beurteilungsentscheidung muss zum andern aber auch vom Vertragsarzt in Erfüllung seiner gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit (§ 21 Abs. 2 SGB X) hinreichend substantiiert geltend gemachte - oder außerhalb des Filterverfahrens - sonst erkennbare Praxisbesonderheiten zum Gegenstand haben. Anderes wäre mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, GG) als (wesentlicher) rechtlicher Grenze des behördlichen Beurteilungsspielraums nicht vereinbar. Die Pflicht der Prüfgremien zur abschließenden intellektuellen Prüfung und Beurteilung von Praxisbesonderheiten (i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V) ist damit (auch) notwendige Folge und Ergänzung ihrer Befugnis, hierüber eine autonome und der gerichtlichen Rechtskontrolle in der Sache weitgehend entzogene Beurteilungsentscheidung zu treffen. Das (Ermittlungs-)Ergebnis des Filterverfahrens darf daher nicht unbesehen als Beurteilungsergebnis übernommen werden. Da eine rechtsfehlerfreie Beurteilungsentscheidung Rechtsfehler auch im Beurteilungsvorgang nicht aufweisen darf, kommt es auf das Beurteilungsergebnis und dessen - möglicherweise (erst) durch Nachberechnungen, ggf. im Gerichtsverfahren, bestätigte - Richtigkeit für sich allein nicht an.
59 
Wie der Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren betont hat, führen die Prüfgremien eine intellektuelle (Einzelfall-)Prüfung der vorstehend beschriebenen Art regelmäßig durch. Sie beurteilen Praxisbesonderheiten entgegen der Annahme der Klägerin und auch der Beigeladenen zu 1) nicht pauschal durch ungeprüfte Übernahme der Ergebnisse des Filterverfahrens. Das gilt ersichtlich auch für den vorliegenden Fall. Nach dem glaubhaften Bekunden des Vertreters (Vorsitzenden) des Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats hat man eine fallbezogene, praxisindividuelle Beurteilung vorgenommen, um festzustellen, ob das (maschinelle) Filterergebnis den Verhältnissen der Praxis der Klägerin, namentlich der geltend gemachten belegärztlichen Tätigkeit, gerecht wird und dafür Verordnungsdaten der Patienten ausgewertet, für die im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit die GOPen 36231 bis 36238 EBM abgerechnet worden sind. Ebenso sind Beurteilungserwägungen zur Auswahl des für die Verordnung des Arzneimittels Nasonex anzuwendenden Filters - Filter 6a oder 6c - angestellt worden; der Beklagte hat das in seiner Berufungserwiderung im Einzelnen unwidersprochen dargetan. Ob diese Erwägungen in der Sache frei von Rechtsfehlern sind und welche Folgen eine ggf. rechtsfehlerhafte Filterwahl für die abschließende Beurteilungsentscheidung des Beklagten hätte, kann der Senat offenlassen, da sich die Beurteilungsentscheidung des Beklagten aus anderen - sogleich (unter b) darzulegenden Gründen - als rechtsfehlerhaft erweist.
b)
60 
Die Subsumtionserwägungen des Beklagten sind in der Begründung des Regressbescheids nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht worden.
61 
Eine der gerichtlichen Rechtskontrolle in der Sache weitgehend entzogene Beurteilungsentscheidung der Verwaltungsbehörde muss nicht nur den Anforderungen gerecht werden, die das Gesetz (hinsichtlich der - uneingeschränkten - Handlungssteuerung) an das Verwaltungshandeln stellt. Sie muss (hinsichtlich der - eingeschränkten - Kontrollsteuerung) im Besonderen auch die Anforderungen wahren, die für die Gewährung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutzes unerlässlich sind. Deshalb muss die Verwaltungsbehörde (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/ 14 R -, in juris) die im Einzelfall maßgeblichen Beurteilungserwägungen für den Adressaten ihrer Beurteilungsentscheidung und für das Gericht erkennbar und nachvollziehbar darlegen. Das hat „im Rahmen des Möglichen“ zu geschehen, weshalb Überzogenes nicht verlangt werden darf. Zu verlangen ist aber, dass die Beurteilungserwägungen namentlich zu substantiiertem und nicht von vornherein unplausiblem Vorbringen des Vertragsarztes in der Begründung des Bescheids so niedergelegt werden, dass die Verfahrensbeteiligten und im Streitfall die Gerichte nachvollziehen können, weshalb die Behörde dem Vorbringen nicht gefolgt ist und eine andere Entscheidung getroffen hat. Nachfolgende Erläuterungen, etwa in einem Gerichtsverfahren, genügen dafür grundsätzlich nicht.
62 
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Regressbescheid nicht ausreichend gerecht. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des SG und nimmt zunächst auf die entsprechenden Darlegungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auszuführen:
63 
Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren stets - auch schon im Zuge der Anhörung vor Ergehen des Bescheids der Prüfungsstelle - betont, dass die in ihrer Praxis tätigen Ärzte anders als die (weit) überwiegende Mehrzahl der HNO-Ärzte belegärztlich tätig sind und im Zuge dieser Tätigkeit an der Stadtklinik B.-B. überdurchschnittlich viele Operationen, vor allem im mittleren, aber auch im hohen Schwierigkeitsbereich durchführen, weswegen für Vor- und Nachbehandlungen der Patienten entsprechende Arzneimittel in vermehrtem Maß - vor allem Antibiotika und Kortikoidnasensprays - benötigt würden. Zur Begründung des gegen den Bescheid der Prüfungsstelle eingelegten Widerspruchs hat die Klägerin ihr Vorbringen bekräftigt und geltend gemacht, es seien zu Unrecht nur die ambulant-operativen, nicht jedoch die belegärztlichen Tätigkeiten berücksichtigt und es sei auch nicht ausreichend gewürdigt, dass die wegen der belegärztlichen Tätigkeit verordneten Arzneimittel wegen der geringen Zahl der belegärztlich tätigen HNO-Ärzte in den Arzneimittelrichtgrößen nur in geringstem Umfang abgebildet würden. Die Klägerin hat hierfür im Besonderen die Verordnung der Antibiotika Keimax und Clinda-Saar hervorgehoben und insoweit auf Unterschiede zur Verordnung im Rahmen ambulant-operativer Tätigkeit verwiesen. Außerdem ist das Erfordernis der Verordnung von Kortikoidnasensprays (Arzneimittel Nasonex) im Zusammenhang mit der belegärztlich erbrachten Nasennebenhöhlenchirurgie - und nicht nur der Behandlung allergischer Rhinitis - angeführt worden. Der Beklagte hat - ebenso wie die Prüfungsstelle - Praxisbesonderheiten im Hinblick auf die Verordnung von Antibiotika indessen nur nach Maßgabe der Ergebnisse des Filterverfahrens - der Anwendung des Filters 6a - festgestellt und bewertet. Die - nachvollziehbar und plausibel - geltend gemachten Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit sind nicht näher gewürdigt worden. Die Prüfungsstelle hat - durch Anwendung des Filterverfahrens - ausdrücklich nur dem Mehraufwand Rechnung getragen, der in der Praxis der Klägerin durch die ambulanten Operationen entstanden ist. Das Beurteilungsergebnis - Anerkennung eines Mehraufwands von 8.766,22 EUR - entspricht dem Filterergebnis bei Anwendung des Filters 6a. Der - für die Rechtskontrolle als Streitgegenstand maßgebliche - Bescheid des Beklagten hat dies übernommen; in seiner Begründung ist lediglich thesenartig ergänzend angemerkt, ein weiterer Mehraufwand für Antibiotika wegen belegärztlicher Tätigkeit sei nicht anzuerkennen, weil statistisch nicht erkennbar sei, dass der ambulante Antibiotikabedarf bei stationär behandelten Patienten größer sei als bei ausschließlich ambulant behandelten Patienten. Es folgen noch - ebenfalls allgemein gehaltene und auf das konkrete Vorbringen der Klägerin nicht eingehende - Anmerkungen zum geringen Unterschied der durchschnittlichen Verordnungskosten für Antibiotika bei ambulant und (gar) nicht operierenden HNO-Ärzten (von 0,05 EUR) und zu der letztendlich ebenfalls (nur) thesenartig auf die geringe Anzahl belegärztlich tätiger HNO-Ärzte gestützte Annahme, dass nicht belegärztlich tätige HNO-Ärzte in ähnlichem Umfang vor- und nachstationär Patienten versorgten. Zur Verordnung von Kortikoidnasensprays wegen der belegärztlich erbrachten Nebenhöhlenchirurgie finden sich keine Beurteilungserwägungen; insoweit stellt der Beklagte (nicht anders als die Prüfungsstelle) lediglich darauf ab, es handele sich um eine fachgruppentypische Leistung, was so nicht richtig ist. Die Klägerin hat nämlich gerade geltend gemacht, die vermehrte Verordnung dieser Arzneimittel beruhe nicht (nur) auf fachgruppentypischen Leistungen (zur Behandlung allergischer Rhinitis), sondern auf ihrer fachgruppenuntypisch vermehrten belegärztlich operativen Tätigkeit in der Nebenhöhlenchirurgie.
64 
Mit den genannten Darlegungen sind die maßgeblichen Subsumtionserwägungen in der Begründung des angefochtenen Bescheids nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht. Der Senat unterstellt, dass, wie vom Beklagten glaubhaft bekundet worden ist, eine intellektuelle Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Einzelfallumstände, namentlich im Hinblick auf die Verordnungsnotwendigkeiten bei belegärztlicher Tätigkeit, in der Sache stattgefunden hat. Der Senat kann die hierzu angestellten Subsumtionserwägungen aber der Begründung des angefochtenen Bescheids in ausreichendem Maße nicht entnehmen. Insoweit finden sich im Kern nur vom Einzelfall der Klägerin (wiederum) weitgehend gelöste statistisch-allgemeine und thesenartig gehaltene Erwägungen. Sie ermöglichen eine effektive Rechtskontrolle der Prüfentscheidung nicht, lassen es insbesondere nicht zu, die (als stattgehabt unterstellten) Subsumtionserwägungen daraufhin zu überprüfen, ob sie vollständig und rechtsfehlerfrei gewesen sind. Um (überzogenen) Formalismus geht es hier nicht. Bei einem Verwaltungsakt mit Beurteilungsspielraum, der – wie ein Regressbescheid - seinen Adressaten einerseits in hohem Maße belasten kann und der andererseits wegen bestehender Sachgesetzlichkeiten der gerichtlichen Rechtskontrolle im Kern weitgehend entzogen ist, muss der Begründung des Verwaltungsakts klar und nachvollziehbar zu entnehmen sein, dass die Behörde alle beurteilungsrelevanten Umstände, namentlich das stichhaltige und nicht von vornherein unplausible Beteiligtenvorbringen, in ihre Beurteilungserwägungen einbezogen hat und es müssen die Beurteilungserwägungen so verdeutlicht werden, dass sich auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden können. Daran hat es hier gefehlt. Dieser Mangel kann durch die Erläuterungen, die der Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens gegeben hat, nicht beseitigt werden.
III.
65 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
66 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Gründe

 
I.
43 
Die Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand ist (allein) der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.07.2011 (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.2011, - B 6 KA 13/10 R -, in juris). Mit dem darin festgesetzten Regressbetrag von 8.768,48 EUR ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG).
II.
44 
Die Berufung des Beklagten ist jedoch nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Er wird hinsichtlich der Beurteilung (der Feststellung und Bewertung) von Praxisbesonderheiten den Anforderungen, die aus Sicht der gerichtlichen Rechtskontrolle an eine rechtsfehlerfreie Beurteilungsentscheidung gestellt werden müssen, nicht in vollem Umfang gerecht.
45 
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren (allein) noch über die Beurteilung (Feststellung und Bewertung) von Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit der in der Praxis der Klägerin tätigen Ärzte. Die Klägerin führt hierauf die vermehrte Verordnung von Antibiotika (namentlich der Arzneimittel Keimax und Clinda-Saar) und von Kortikoidnasensprays (Arzneimittel Nasonex) zurück. Der Beklagte hat eine Praxisbesonderheit wegen belegärztlicher Tätigkeit demgegenüber nicht angenommen. Nicht mehr streitig sind Praxisbesonderheiten wegen der Durchführung von Hyposensibilisierungs- oder Tinnitus- und Hörsturzbehandlungen; die Klägerin hat Anschlussberufung nicht eingelegt und die hierauf bezogene Entscheidung des Beklagten akzeptiert.
1.)
46 
Rechtsgrundlage des angefochtenen Regressbescheids für das Jahr 2007 ist § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden und seither - auch im Prüfjahr 2007 - (nahezu) unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I, S. 2190, im Folgenden nur: SGB V). Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, sind die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind. Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben. Etwas Anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris Rdnr. 30). Der zum 01.01.2012 eingeführte Grundsatz „Beratung vor Regress“ (§ 106 Abs. 5e SGB V n.F.) ist (worüber die Beteiligten nicht mehr streiten) hier noch nicht anzuwenden, auch wenn er für (Prüf-)Verfahren gilt, die (wie hier) am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (auch dazu näher BSG, Urteil vom 22.10.2014, a.a.O.)
47 
Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch die Prüfungsstelle den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Vorschrift regelt für die in § 106 Abs. 5a ff. SGB V normierte Richtgrößenprüfung (als praktisch bedeutsamste Form der Wirtschaftlichkeitsprüfung) einen besonderen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch der Krankenkassen gegen den Vertragsarzt wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise (insbesondere von Arzneimitteln, § 31 SGB V - vgl. BSG, Urteil vom 28.10.2015, - B 6 KA 45/14 R -, in juris m.w.N.). Der Mehraufwand der Krankenkassen, also der vom Vertragsarzt zu erstattende Schaden, umfasst (nur) die tatsächliche (Netto-)Kostenbelastung der Krankenkassen. Schadensmindernd sind daher (insbesondere) die Zuzahlungen der Versicherten und Apothekenrabatte zu berücksichtigen (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 148).
48 
Das (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumen des Vertragsarztes i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V wird auf der Grundlage von gesamtvertraglich festgelegten (Arzneimittel-)Richtgrößen berechnet. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner nach § 84 Abs. 1 SGB V (Landesverbände der Krankenkassen, Ersatzkassen und Kassenärztliche Vereinigung) bis zum 15.11. für das jeweils folgende Kalenderjahr zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Leistungen nach § 31 SGB V (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifisch fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V (Arznei- und Verbandmittel) nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 84 Abs. 6 Satz 3 SGB V). Insoweit dienen die Richtgrößen der (vorausschauenden) Steuerung des Verordnungsverhaltens. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 4 SGB V löst die Überschreitung des Richtgrößenvolumens eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs. 5a SGB V (Richtgrößenprüfung) aus. Insoweit dienen die Richtgrößen der (rückschauenden) Prüfung des Verordnungsverhaltens; sie haben dabei die Funktion von normativ festgelegten (und nicht nur statistisch ermittelten) Vergleichswerten (vgl. jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 249).
49 
Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V liegen vor, wenn für die Prüfpraxis ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungs- bzw. Verordnungsbedarf der eigenen Patientenschaft und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden können (juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 192 m.N. zur Rechtsprechung des BSG). Die Abrechnung eines (bloßen) „Mehr“ an fachgruppentypischen Leistungen begründet keine Praxisbesonderheit (dazu näher etwa BSG, Urteil vom 29.06.2011, - B 6 KA 17/10 R -, in juris). Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 5 SGB V sind in der Prüfungsvereinbarung - (nur) klarstellend-deklaratorisch (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 200) - Maßstäbe zur Prüfung der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten festzulegen. Für die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten haben die Prüfgremien (auch) bei der Richtgrößenprüfung einen Beurteilungsspielraum. Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich daher darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs „Wirtschaftlichkeit“ ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/14 R -, in juris m.w.N.).
50 
Für die richtige und vollständige Ermittlung des (Praxisbesonderheiten-)Sachverhalts gelten im Ausgangspunkt die allgemeinen Regelungen des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrensrechts. Gemäß § 20 Abs. 1 SGB X ermitteln die Behörden, hier die Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen. Sind Praxisbesonderheiten erkennbar oder kommt das Vorliegen von Praxisbesonderheiten ernsthaft in Betracht, müssen die Prüfgremien von Amts wegen entsprechende Ermittlungen durchführen (vgl. dazu auch etwa jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 194 zu offenkundigen Praxisbesonderheiten). Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X bestimmt die Behörde (u.a.) die Art der Ermittlungen; sie kann zur Durchführung der Amtsermittlung (ohne Weiteres) auch maschinelle Verfahren der Datenverarbeitung als Hilfsmittel der Amtsermittlung anwenden. Der Amtsermittlungspflicht der Behörden steht die Mitwirkungsobliegenheit der Beteiligten gegenüber. Diese sollen gemäß § 21 Abs. 2 SGB X bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Das Gesetz legt Näheres hierzu nicht fest. Art und Umfang der den Beteiligten obliegenden Mitwirkung hängen (u.a.) von der Eigenart des Verfahrensgegenstandes, der Sachkunde der Verfahrensbeteiligten und den Einzelfallumständen im Übrigen ab. In der vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände, wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen, dem Vertragsarzt; diese Darlegungslast geht über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs. 2 SGB X hinaus. Grundsätzlich ist es daher Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn sie allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Der Vertragsarzt ist gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss und nicht erst im nachfolgenden Gerichtsverfahren, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht ergeben und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 05.06.2013, - B 6 KA 40/12 R -, in juris Rdnr. 18). Die Darlegungen müssen substantiiert sein und spezielle Strukturen der Praxis, aus denen Praxisbesonderheiten folgen können, aufzeigen. Die bloße Auflistung von Behandlungsfällen mit Diagnosen und Verordnungsdaten genügt nicht. Notwendig ist grundsätzlich, dass der Arzt seine Patientenschaft und deren Erkrankungen systematisiert, etwa schwerpunktmäßig behandelte Erkrankungen aufzählt und mitteilt, welcher Prozentsatz der Patienten ihnen jeweils zuzuordnen ist und welcher Aufwand an Behandlung bzw. Arzneimitteln durchschnittlich für die Therapie einer solchen Erkrankung erforderlich ist (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 194 f. m.N. zur Rechtsprechung des BSG). Überspannte Anforderungen dürfen aber nicht gestellt werden. Die Prüfgremien müssen die Darlegungen des Arztes aufgreifen und, soweit veranlasst, zum Gegenstand weiterer Ermittlungen von Amts wegen machen und dabei - im Wechselspiel von Amtsermittlung und (gesteigerter) Mitwirkungsobliegenheit des Vertragsarztes - auf ggf. notwendige Konkretisierungen hinwirken.
51 
In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die Festsetzung eines den Krankenkassen zu erstattenden Mehraufwands nach § 106 Abs. 5a SGB V - seit 01.01.2011 - innerhalb von 2 Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums erfolgen (§ 105 Abs. 2 Satz 7 2. Halbsatz SGB V); davor war eine Ausschlussfrist von 4 Jahren maßgeblich (jurisPK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 309).
2.)
52 
Davon ausgehend erweist sich der angefochtene Regressbescheid zwar als formell rechtmäßig; er ist von der zuständigen Behörde in einem rechtfehlerfreien Verwaltungsverfahren, insbesondere unter Wahrung der für die Regressfestsetzung maßgeblichen (Ausschluss-)Frist erlassen worden. Der Regressbescheid ist aber materiell rechtswidrig. Der Beklagte hat die von der Klägerin als Ursache der vermehrten Verordnung von Antibiotika und von topischen Kortikoiden geltend gemachten Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit nicht rechtsfehlerfrei beurteilt. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass er hierfür ein auf statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen beruhendes Filterverfahren angewendet hat; rechtliche Bedenken bestehen dagegen nicht (unten a). In der Begründung des Regressbescheids sind die hier maßgeblichen Subsumtionserwägungen jedoch nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht worden (unten b).
a)
53 
Die Prüfgremien sind befugt, zur Beurteilung von Praxisbesonderheiten i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V ein auf statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen beruhendes, so genanntes „Filterverfahren“ anzuwenden. Das folgt schon aus ihrer Befugnis, Art und Umfang der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen zu bestimmen (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) und begründet für sich allein einen rechtlich beachtlichen Beurteilungsmangel nicht.
54 
Grundlage des Filterverfahrens sind indikationsbezogene Rezeptfälle (Behandlungsfälle i.S.d. § 21 Abs. 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte, BMV-Ä) mit mindestens einem definierten indikationstypischen Wirkstoff. Das Filterverfahren vergleicht das Verordnungsverhalten der Prüfpraxis mit dem Verordnungsverhalten einer Durchschnittspraxis (der Fachgruppe), indem es dem Anteil indikationsbezogener Rezeptfälle der Prüfpraxis den entsprechenden Anteil der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis - den Fachgruppendurchschnittswert - gegenüberstellt. Dem liegt ersichtlich die Erwägung zugrunde, dass die (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis - bei unterstelltem medizinisch richtigem und grundsätzlich auch wirtschaftlichem ärztlichen Handeln des Großteils der Ärzte (vgl. juris-PK-SGB V/Clemens § 106 Rdnr. 46) - eine (fachgruppen-)durchschnittliche Patientenschaft mit durchschnittlich verteilten Krankheitsbildern bei durchschnittlichem Anteil von Verdünnerfällen behandelt, so dass sie insgesamt (auch nur) ein durchschnittliches (Arzneimittel-)Verordnungsvolumen benötigt, das wiederum dem an Hand der Richtgrößen berechneten (Arzneimittel-)Verordnungsvolumen - dem (Arzneimittel-)Richtgrößenvolumen - entspricht. Weist die Prüfpraxis - medizinisch korrektes und grundsätzlich wirtschaftliches ärztliches Handeln ebenfalls unterstellt - für eine mit dem Filterverfahren geprüfte Indikation einen höheren Rezeptfallanteil als die (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis auf, kommt eine Praxisbesonderheit der Prüfpraxis i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V in Betracht. Der hierauf entfallende (Arzneimittel-)Mehraufwand der Prüfpraxis würde dann im Grundsatz nicht auf unwirtschaftlichem Verordnungsverhalten, sondern auf einem spezifischen, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichenden Verordnungsbedarf der in der Prüfpraxis behandelten Patientenschaft beruhen.
55 
Die Filter 4 und 5 werden auf sehr seltene Indikationen (Filter 4) bzw. Indikationen mit die Richtgrößen einzelner Fachgruppen deutlich übersteigenden (durch einen durchschnittlichen Verdünnerscheinanteil nicht kompensierte) Rezeptfallkosten (Filter 5) ohne Wirtschaftlichkeitspotenzial in der Arzneimitteltherapie angewandt. Der Arzt kann die Arzneimittel bei medizinisch richtigem Verhalten in Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot verordnen. Damit ist eine Praxisbesonderheit festgestellt. Sie wird mit den tatsächlichen Arzneimittelkosten der einschlägigen Rezeptfälle bewertet.
56 
Die Filter 6a und 6c werden auf Indikationen mit die Richtgröße der Fachgruppe (jeweils) deutlich übersteigenden Rezeptfallkosten angewandt, bei denen aber im Grundsatz ein Wirtschaftlichkeitspotenzial in der Arzneimitteltherapie besteht. Der Arzt kann die Arzneimittel bei medizinisch richtigem Verhalten verordnen, hat aber einen nutzbaren Wirtschaftlichkeitsspielraum, etwa durch Verordnung preisgünstigerer Arzneimittel. Der Filter 6a erfasst Indikationen, bei denen die (deutlich über der Fachgruppenrichtgröße liegenden) Rezeptfallkosten bei durchschnittlichem Anteil an Verdünnerscheinen (noch) im Richtgrößenvolumen bleiben, und bei denen von der Notwendigkeit der Verordnung in jedem einzelnen Fall ausgegangen werden kann: das trifft etwa auf die Verordnung von Antibiotika zu. Weist die Prüfpraxis gegenüber der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis einen höheren Anteil an Rezeptfällen dieser Filterkategorie auf, ist damit eine Praxisbesonderheit festgestellt; sie wird (ohne weitere Prüfung) mit den Rezeptfallkosten des Fachgruppendurchschnitts für alle Mehrfälle bewertet. Der Filter 6c erfasst Indikationen, bei denen die (deutlich über der Fachgruppenrichtgröße liegenden) Rezeptfallkosten bei durchschnittlichem Anteil an Verdünnerscheinen (noch) im Richtgrößenvolumen bleiben, und bei denen nicht ohne Weiteres von der Notwendigkeit der Verordnung in jedem einzelnen Fall ausgegangen werden kann; das trifft - nach Auffassung des Beklagten - etwa auf die Verordnung von Kortikoidnasensprays zu. Weist die Prüfpraxis gegenüber der (Fachgruppen-)Durchschnittspraxis einen höheren Anteil an Rezeptfällen dieser Filterkategorie auf, ist damit eine Praxisbesonderheit nicht ohne Weiteres festgestellt und die Mehrfälle werden daher auch nicht ohne Weiteres mit den Rezeptfallkosten des Fachgruppendurchschnitts bewertet.
57 
Das Filterverfahren stellt als maschinelles Verfahren (letztendlich im Interesse der Vertragsärzte) ein Hilfsmittel der behördlichen Amtsermittlung dar (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Es hat erkennbare und deshalb vom Vertragsarzt im Rahmen seiner (gesteigerten) Mitwirkungsobliegenheit (§ 21 Abs. 2 SGB X) nicht erst noch darzulegende Praxisbesonderheiten zum Gegenstand und macht sie sichtbar, indem es aus der (unübersehbaren) Fülle von Arzneimittelverordnungssachverhalten (Rezeptfällen) als Praxisbesonderheiten der Prüfpraxis feststell- und bewertbare Arzneimittelverordnungssachverhalte (Rezeptfälle) „herausfiltert“. Das Filterverfahren beruht auf tatsächlichen (wertenden) Grundannahmen zum (medizinisch richtigen und wirtschaftlichen) Verordnungsverhalten des Großteils der Ärzte und auf der elektronisch gestützten Auswertung der bei der Verordnung von Arzneimitteln angefallenen Daten nach statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätzen. Gegen die Anwendung des Filterverfahrens als Hilfsmittel der Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Anderes gälte nur dann, wenn das Filterverfahren strukturelle Fehler aufwiese, die notwendig zur Feststellung eines unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalts führen müssten, der wiederum nicht Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beurteilungsentscheidung sein könnte. Hierfür ist aber nichts ersichtlich oder substantiiert geltend gemacht. Im Hinblick auf die statistischen und medizinisch-pharmakologischen Grundsätze des Filterverfahrens hat der Senat keine Veranlassung zu einer näheren Prüfung, etwa durch Begutachtung auf dem Fachgebiet der medizinischen Informatik. Das Vorbringen der Beigeladenen zu 1), die ohne weitere Substantiierung und nur unter Hinweis auf die aus ihrer Sicht unerklärliche Streuung der Regressquoten (von 77 % bei den Orthopäden bis 28 % bei den HNO-Ärzten; Durchschnitt 46 %) versteckte Rechenfehler und Verstöße gegen mathematisch-statistische Grundsätze behauptet hat, genügt dafür nicht; ein entsprechender Beweisantrag ist auch nicht gestellt worden. Im Hinblick auf die tatsächlichen (wertenden) Grundannahmen des Filterverfahrens bestehen ebenfalls keine rechtlichen Bedenken. Dass die Grundannahme wirtschaftlichen Handelns (Abrechnens) eines Großteils der Ärzte unmittelbar auf die Durchschnittsprüfung (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V) bezogen ist, steht ihrer Heranziehung zur Feststellung (und Bewertung) von Praxisbesonderheiten in der Richtgrößenprüfung nicht entgegen. Rechtlich unerheblich ist auch, dass der Fachgruppendurchschnittswert - anders als die (wie vorstehend dargelegt ebenfalls als Durchschnittswert) fungierende Richtgröße - (rein) statistisch ermittelt und nicht normativ festgelegt wird. Es gibt keinen Rechtssatz, der den Prüfgremien die Anwendung jeglicher rein statistischer Methoden im Rahmen der Richtgrößenprüfung untersagen würde. Die Prüfgremien sind bei der Anwendung des als solchen rechtlich unbedenklichen Filterverfahrens von rechtlichen Maßgaben freilich nicht gänzlich freigestellt. Behördliche Verfahrenshandlungen, wie die Entscheidung zur Anwendung des Filterverfahrens im Einzelfall und ggf. auch die Auswahl des jeweiligen Filters, müssen sachgerecht und frei von Rechtsfehlern erfolgen, um etwaige (Folge-)Fehler in der Sachverhaltsfeststellung, die rechtlich beachtliche Beurteilungsfehler zur Folge haben könnten, zu vermeiden; (Verfahrens-)Entscheidungen der Prüfgremien hinsichtlich der Anwendung des Filterverfahrens wären aber gesondert nicht anfechtbar (vgl. etwa § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und BSG, Urteil vom 10.12.1992, - 11 RAr 71/91 -; auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.11.2010, - L 5 KA 4293/10 ER-B -, beide in juris).
58 
Da das Filterverfahren (nur) ein Hilfsmittel der behördlichen Amtsermittlung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) zur Sichtbarmachung der aus der Fülle der Verordnungsdaten erkennbaren Praxisbesonderheiten darstellt und als wesentlich auf statistischen Grundsätzen beruhendes maschinelles Verfahren die Umstände des jeweiligen Einzelfalls nicht vollständig erfassen kann, bedarf es notwendig der Ergänzung durch eine intellektuelle (Einzelfall-)Prüfung. Diese hat im Rahmen der das (Beurteilungs-)Verfahren abschließenden Beurteilungsentscheidung der Prüfgremien zu erfolgen. Die auf intellektueller Prüfung beruhende Beurteilungsentscheidung hat zum einen die Ergebnisse des Filterverfahrens zum Gegenstand, die nach intellektueller Prüfung als (Teil-)Beurteilungsergebnis übernommen oder ggf. verworfen oder korrigiert werden können. Die Beurteilungsentscheidung muss zum andern aber auch vom Vertragsarzt in Erfüllung seiner gesteigerten Mitwirkungsobliegenheit (§ 21 Abs. 2 SGB X) hinreichend substantiiert geltend gemachte - oder außerhalb des Filterverfahrens - sonst erkennbare Praxisbesonderheiten zum Gegenstand haben. Anderes wäre mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, GG) als (wesentlicher) rechtlicher Grenze des behördlichen Beurteilungsspielraums nicht vereinbar. Die Pflicht der Prüfgremien zur abschließenden intellektuellen Prüfung und Beurteilung von Praxisbesonderheiten (i.S.d. § 106 Abs. 5a Satz 3 SGB V) ist damit (auch) notwendige Folge und Ergänzung ihrer Befugnis, hierüber eine autonome und der gerichtlichen Rechtskontrolle in der Sache weitgehend entzogene Beurteilungsentscheidung zu treffen. Das (Ermittlungs-)Ergebnis des Filterverfahrens darf daher nicht unbesehen als Beurteilungsergebnis übernommen werden. Da eine rechtsfehlerfreie Beurteilungsentscheidung Rechtsfehler auch im Beurteilungsvorgang nicht aufweisen darf, kommt es auf das Beurteilungsergebnis und dessen - möglicherweise (erst) durch Nachberechnungen, ggf. im Gerichtsverfahren, bestätigte - Richtigkeit für sich allein nicht an.
59 
Wie der Beklagte im Klage- und Berufungsverfahren betont hat, führen die Prüfgremien eine intellektuelle (Einzelfall-)Prüfung der vorstehend beschriebenen Art regelmäßig durch. Sie beurteilen Praxisbesonderheiten entgegen der Annahme der Klägerin und auch der Beigeladenen zu 1) nicht pauschal durch ungeprüfte Übernahme der Ergebnisse des Filterverfahrens. Das gilt ersichtlich auch für den vorliegenden Fall. Nach dem glaubhaften Bekunden des Vertreters (Vorsitzenden) des Beklagten in der mündlichen Verhandlung des Senats hat man eine fallbezogene, praxisindividuelle Beurteilung vorgenommen, um festzustellen, ob das (maschinelle) Filterergebnis den Verhältnissen der Praxis der Klägerin, namentlich der geltend gemachten belegärztlichen Tätigkeit, gerecht wird und dafür Verordnungsdaten der Patienten ausgewertet, für die im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit die GOPen 36231 bis 36238 EBM abgerechnet worden sind. Ebenso sind Beurteilungserwägungen zur Auswahl des für die Verordnung des Arzneimittels Nasonex anzuwendenden Filters - Filter 6a oder 6c - angestellt worden; der Beklagte hat das in seiner Berufungserwiderung im Einzelnen unwidersprochen dargetan. Ob diese Erwägungen in der Sache frei von Rechtsfehlern sind und welche Folgen eine ggf. rechtsfehlerhafte Filterwahl für die abschließende Beurteilungsentscheidung des Beklagten hätte, kann der Senat offenlassen, da sich die Beurteilungsentscheidung des Beklagten aus anderen - sogleich (unter b) darzulegenden Gründen - als rechtsfehlerhaft erweist.
b)
60 
Die Subsumtionserwägungen des Beklagten sind in der Begründung des Regressbescheids nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht worden.
61 
Eine der gerichtlichen Rechtskontrolle in der Sache weitgehend entzogene Beurteilungsentscheidung der Verwaltungsbehörde muss nicht nur den Anforderungen gerecht werden, die das Gesetz (hinsichtlich der - uneingeschränkten - Handlungssteuerung) an das Verwaltungshandeln stellt. Sie muss (hinsichtlich der - eingeschränkten - Kontrollsteuerung) im Besonderen auch die Anforderungen wahren, die für die Gewährung i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG effektiven Rechtsschutzes unerlässlich sind. Deshalb muss die Verwaltungsbehörde (vgl. BSG, Urteil vom 22.10.2014, - B 6 KA 8/ 14 R -, in juris) die im Einzelfall maßgeblichen Beurteilungserwägungen für den Adressaten ihrer Beurteilungsentscheidung und für das Gericht erkennbar und nachvollziehbar darlegen. Das hat „im Rahmen des Möglichen“ zu geschehen, weshalb Überzogenes nicht verlangt werden darf. Zu verlangen ist aber, dass die Beurteilungserwägungen namentlich zu substantiiertem und nicht von vornherein unplausiblem Vorbringen des Vertragsarztes in der Begründung des Bescheids so niedergelegt werden, dass die Verfahrensbeteiligten und im Streitfall die Gerichte nachvollziehen können, weshalb die Behörde dem Vorbringen nicht gefolgt ist und eine andere Entscheidung getroffen hat. Nachfolgende Erläuterungen, etwa in einem Gerichtsverfahren, genügen dafür grundsätzlich nicht.
62 
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Regressbescheid nicht ausreichend gerecht. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des SG und nimmt zunächst auf die entsprechenden Darlegungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auszuführen:
63 
Die Klägerin hat im Verwaltungsverfahren stets - auch schon im Zuge der Anhörung vor Ergehen des Bescheids der Prüfungsstelle - betont, dass die in ihrer Praxis tätigen Ärzte anders als die (weit) überwiegende Mehrzahl der HNO-Ärzte belegärztlich tätig sind und im Zuge dieser Tätigkeit an der Stadtklinik B.-B. überdurchschnittlich viele Operationen, vor allem im mittleren, aber auch im hohen Schwierigkeitsbereich durchführen, weswegen für Vor- und Nachbehandlungen der Patienten entsprechende Arzneimittel in vermehrtem Maß - vor allem Antibiotika und Kortikoidnasensprays - benötigt würden. Zur Begründung des gegen den Bescheid der Prüfungsstelle eingelegten Widerspruchs hat die Klägerin ihr Vorbringen bekräftigt und geltend gemacht, es seien zu Unrecht nur die ambulant-operativen, nicht jedoch die belegärztlichen Tätigkeiten berücksichtigt und es sei auch nicht ausreichend gewürdigt, dass die wegen der belegärztlichen Tätigkeit verordneten Arzneimittel wegen der geringen Zahl der belegärztlich tätigen HNO-Ärzte in den Arzneimittelrichtgrößen nur in geringstem Umfang abgebildet würden. Die Klägerin hat hierfür im Besonderen die Verordnung der Antibiotika Keimax und Clinda-Saar hervorgehoben und insoweit auf Unterschiede zur Verordnung im Rahmen ambulant-operativer Tätigkeit verwiesen. Außerdem ist das Erfordernis der Verordnung von Kortikoidnasensprays (Arzneimittel Nasonex) im Zusammenhang mit der belegärztlich erbrachten Nasennebenhöhlenchirurgie - und nicht nur der Behandlung allergischer Rhinitis - angeführt worden. Der Beklagte hat - ebenso wie die Prüfungsstelle - Praxisbesonderheiten im Hinblick auf die Verordnung von Antibiotika indessen nur nach Maßgabe der Ergebnisse des Filterverfahrens - der Anwendung des Filters 6a - festgestellt und bewertet. Die - nachvollziehbar und plausibel - geltend gemachten Praxisbesonderheiten wegen belegärztlicher Tätigkeit sind nicht näher gewürdigt worden. Die Prüfungsstelle hat - durch Anwendung des Filterverfahrens - ausdrücklich nur dem Mehraufwand Rechnung getragen, der in der Praxis der Klägerin durch die ambulanten Operationen entstanden ist. Das Beurteilungsergebnis - Anerkennung eines Mehraufwands von 8.766,22 EUR - entspricht dem Filterergebnis bei Anwendung des Filters 6a. Der - für die Rechtskontrolle als Streitgegenstand maßgebliche - Bescheid des Beklagten hat dies übernommen; in seiner Begründung ist lediglich thesenartig ergänzend angemerkt, ein weiterer Mehraufwand für Antibiotika wegen belegärztlicher Tätigkeit sei nicht anzuerkennen, weil statistisch nicht erkennbar sei, dass der ambulante Antibiotikabedarf bei stationär behandelten Patienten größer sei als bei ausschließlich ambulant behandelten Patienten. Es folgen noch - ebenfalls allgemein gehaltene und auf das konkrete Vorbringen der Klägerin nicht eingehende - Anmerkungen zum geringen Unterschied der durchschnittlichen Verordnungskosten für Antibiotika bei ambulant und (gar) nicht operierenden HNO-Ärzten (von 0,05 EUR) und zu der letztendlich ebenfalls (nur) thesenartig auf die geringe Anzahl belegärztlich tätiger HNO-Ärzte gestützte Annahme, dass nicht belegärztlich tätige HNO-Ärzte in ähnlichem Umfang vor- und nachstationär Patienten versorgten. Zur Verordnung von Kortikoidnasensprays wegen der belegärztlich erbrachten Nebenhöhlenchirurgie finden sich keine Beurteilungserwägungen; insoweit stellt der Beklagte (nicht anders als die Prüfungsstelle) lediglich darauf ab, es handele sich um eine fachgruppentypische Leistung, was so nicht richtig ist. Die Klägerin hat nämlich gerade geltend gemacht, die vermehrte Verordnung dieser Arzneimittel beruhe nicht (nur) auf fachgruppentypischen Leistungen (zur Behandlung allergischer Rhinitis), sondern auf ihrer fachgruppenuntypisch vermehrten belegärztlich operativen Tätigkeit in der Nebenhöhlenchirurgie.
64 
Mit den genannten Darlegungen sind die maßgeblichen Subsumtionserwägungen in der Begründung des angefochtenen Bescheids nicht ausreichend nachvollziehbar verdeutlicht. Der Senat unterstellt, dass, wie vom Beklagten glaubhaft bekundet worden ist, eine intellektuelle Prüfung der von der Klägerin geltend gemachten Einzelfallumstände, namentlich im Hinblick auf die Verordnungsnotwendigkeiten bei belegärztlicher Tätigkeit, in der Sache stattgefunden hat. Der Senat kann die hierzu angestellten Subsumtionserwägungen aber der Begründung des angefochtenen Bescheids in ausreichendem Maße nicht entnehmen. Insoweit finden sich im Kern nur vom Einzelfall der Klägerin (wiederum) weitgehend gelöste statistisch-allgemeine und thesenartig gehaltene Erwägungen. Sie ermöglichen eine effektive Rechtskontrolle der Prüfentscheidung nicht, lassen es insbesondere nicht zu, die (als stattgehabt unterstellten) Subsumtionserwägungen daraufhin zu überprüfen, ob sie vollständig und rechtsfehlerfrei gewesen sind. Um (überzogenen) Formalismus geht es hier nicht. Bei einem Verwaltungsakt mit Beurteilungsspielraum, der – wie ein Regressbescheid - seinen Adressaten einerseits in hohem Maße belasten kann und der andererseits wegen bestehender Sachgesetzlichkeiten der gerichtlichen Rechtskontrolle im Kern weitgehend entzogen ist, muss der Begründung des Verwaltungsakts klar und nachvollziehbar zu entnehmen sein, dass die Behörde alle beurteilungsrelevanten Umstände, namentlich das stichhaltige und nicht von vornherein unplausible Beteiligtenvorbringen, in ihre Beurteilungserwägungen einbezogen hat und es müssen die Beurteilungserwägungen so verdeutlicht werden, dass sich auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden können. Daran hat es hier gefehlt. Dieser Mangel kann durch die Erläuterungen, die der Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens gegeben hat, nicht beseitigt werden.
III.
65 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 2 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
66 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
67 
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 31 Arznei- und Verbandmittel, Verordnungsermächtigung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 41 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern


(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Be

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44a


Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder ge

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 84 Arznei- und Heilmittelvereinbarung


(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils fol

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 115a Vor- und nachstationäre Behandlung im Krankenhaus


(1) Das Krankenhaus kann bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um 1. die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollst

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei ihrer Neubescheidung die Rechtsauf

Bundessozialgericht Urteil, 11. Mai 2011 - B 6 KA 13/10 R

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Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wu

Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss, 12. Nov. 2010 - L 5 KA 4293/10 ER-B

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Tenor Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart von 27.8.2010 wird zurückgewiesen.Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, auch soweit sich dieses erledigt hat.Der Streitwert wird für beid

Referenzen

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Das Krankenhaus kann bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um

1.
die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung) oder
2.
im Anschluß an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung).
Das Krankenhaus kann die Behandlung nach Satz 1 auch durch hierzu ausdrücklich beauftragte niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses oder der Arztpraxis erbringen. Absatz 2 Satz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt. Die nachstationäre Behandlung darf sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen, bei Organübertragungen nach § 9 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes drei Monate nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten. Die Frist von 14 Tagen oder drei Monaten kann in medizinisch begründeten Einzelfällen im Einvernehmen mit dem einweisenden Arzt verlängert werden. Kontrolluntersuchungen bei Organübertragungen nach § 9 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes dürfen vom Krankenhaus auch nach Beendigung der nachstationären Behandlung fortgeführt werden, um die weitere Krankenbehandlung oder Maßnahmen der Qualitätssicherung wissenschaftlich zu begleiten oder zu unterstützen. Eine notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses während der vor- und nachstationären Behandlung wird im Rahmen des Sicherstellungsauftrags durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleistet. Das Krankenhaus hat den einweisenden Arzt über die vor- oder nachstationäre Behandlung sowie diesen und die an der weiteren Krankenbehandlung jeweils beteiligten Ärzte über die Kontrolluntersuchungen und deren Ergebnis unverzüglich zu unterrichten. Die Sätze 2 bis 6 gelten für die Nachbetreuung von Organspendern nach § 8 Abs. 3 Satz 1 des Transplantationsgesetzes entsprechend.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und der Landesausschuß des Verbandes der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam und im Benehmen mit der kassenärztlichen Vereinigung die Vergütung der Leistungen mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Die Vergütung soll pauschaliert werden und geeignet sein, eine Verminderung der stationären Kosten herbeizuführen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam geben im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Empfehlungen zur Vergütung ab. Diese gelten bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 1. Kommt eine Vereinbarung über die Vergütung innerhalb von drei Monaten nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zur Aufnahme der Verhandlungen aufgefordert hat, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf Antrag einer Vertragspartei oder der zuständigen Landesbehörde die Vergütung fest.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Das Krankenhaus kann bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um

1.
die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung) oder
2.
im Anschluß an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg zu sichern oder zu festigen (nachstationäre Behandlung).
Das Krankenhaus kann die Behandlung nach Satz 1 auch durch hierzu ausdrücklich beauftragte niedergelassene Vertragsärzte in den Räumen des Krankenhauses oder der Arztpraxis erbringen. Absatz 2 Satz 5 findet insoweit keine Anwendung.

(2) Die vorstationäre Behandlung ist auf längstens drei Behandlungstage innerhalb von fünf Tagen vor Beginn der stationären Behandlung begrenzt. Die nachstationäre Behandlung darf sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen, bei Organübertragungen nach § 9 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes drei Monate nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten. Die Frist von 14 Tagen oder drei Monaten kann in medizinisch begründeten Einzelfällen im Einvernehmen mit dem einweisenden Arzt verlängert werden. Kontrolluntersuchungen bei Organübertragungen nach § 9 Absatz 2 des Transplantationsgesetzes dürfen vom Krankenhaus auch nach Beendigung der nachstationären Behandlung fortgeführt werden, um die weitere Krankenbehandlung oder Maßnahmen der Qualitätssicherung wissenschaftlich zu begleiten oder zu unterstützen. Eine notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses während der vor- und nachstationären Behandlung wird im Rahmen des Sicherstellungsauftrags durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte gewährleistet. Das Krankenhaus hat den einweisenden Arzt über die vor- oder nachstationäre Behandlung sowie diesen und die an der weiteren Krankenbehandlung jeweils beteiligten Ärzte über die Kontrolluntersuchungen und deren Ergebnis unverzüglich zu unterrichten. Die Sätze 2 bis 6 gelten für die Nachbetreuung von Organspendern nach § 8 Abs. 3 Satz 1 des Transplantationsgesetzes entsprechend.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und der Landesausschuß des Verbandes der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren mit der Landeskrankenhausgesellschaft oder mit den Vereinigungen der Krankenhausträger im Land gemeinsam und im Benehmen mit der kassenärztlichen Vereinigung die Vergütung der Leistungen mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes. Die Vergütung soll pauschaliert werden und geeignet sein, eine Verminderung der stationären Kosten herbeizuführen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam geben im Benehmen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Empfehlungen zur Vergütung ab. Diese gelten bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Satz 1. Kommt eine Vereinbarung über die Vergütung innerhalb von drei Monaten nicht zustande, nachdem eine Vertragspartei schriftlich zur Aufnahme der Verhandlungen aufgefordert hat, setzt die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf Antrag einer Vertragspartei oder der zuständigen Landesbehörde die Vergütung fest.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).

3

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.

4

Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.

5

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.

7

Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.

10

Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.

11

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.

12

Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).

15

1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).

16

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).

17

b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

18

aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren(§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

19

bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (in diesem Sinne auch SG Marburg, Urteil vom 15.12.2010 - S 10 KA 597/09 - juris RdNr 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr 10; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr 599c; weitergehend Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 279: "bei Leistungen, die … generell ausgeschlossen sind"). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben.

20

(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".

21

Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V)oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V)Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.

22

In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.

23

Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V(s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.

24

(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc)bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.

25

Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.

26

Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

27

(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.

28

Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.

29

cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.

30

(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.

31

Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.

32

(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR(zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.

33

(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.

34

2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.

35

a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.

36

Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird(BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).

37

Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird(vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.

38

b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO(so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).

40

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 7. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2013 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner neuen Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen.

2

Der Kläger nimmt seit 1980 als hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 16.11.2011 setzte die Prüfungsstelle wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 einen Regress in Höhe von 19 596,24 Euro fest. Mit Bescheid vom 10.5.2012 aus der Sitzung vom 27.3.2012 wies der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch des Klägers zurück. Das SG hat der Klage des Klägers stattgegeben und den Bescheid des Beklagten mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine individuelle Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anzubieten sei(Urteil vom 3.4.2013). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2013).

3

Zur Begründung hat es ausgeführt, § 106 Abs 5e SGB V entfalte im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung. Dem Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-​VStG) sei nicht zu entnehmen, ob diese Regelung auf schon abgeschlossene Prüfzeiträume oder laufende Prüfverfahren anzuwenden sei; eine Übergangsregelung fehle. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimme sich daher nach den allgemeinen für das intertemporale Recht geltenden Grundsätzen. Eine Regelung sei danach nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hätten. Mithin fänden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung die Vorschriften Anwendung, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten hätten.

4

Der Gesetzgeber habe versucht, mit einer Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um einen Satz 7 nachzubessern; Satz 7 gelte jedoch nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung durch Verkündung im Bundesgesetzblatt am 26.10.2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit der Regelung habe klargestellt werden sollen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V verankerte Grundsatz "Beratung vor Regress" auch für bei Inkrafttreten des § 106 Abs 5e SGB V zum 1.1.2012 noch nicht abgeschlossene Richtgrößenprüfungen gelte. Eine Klarstellung setze begrifflich voraus, dass bereits zuvor etwas geregelt gewesen sei, wenngleich missverständlich oder auslegungsbedürftig. Der Bezugspunkt der "Klarstellung", nämlich § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-​VStG vom 1.1.2012, enthalte jedoch keine Rückwirkung. Die Regelung greife für Prüfquartale ab dem 1.1.2012 und nicht schon für solche aus 2009. Demzufolge fehle der vermeintlichen Klarstellung jede Grundlage; sie laufe leer. § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V habe keinen klarstellenden, sondern einen konstitutiven Charakter.

5

Der Bescheid sei auch im Übrigen rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Es sei grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn treffe die Darlegungslast. Dem Kläger habe bereits im Verwaltungsverfahren die Pflicht oblegen, dezidiert eine besondere Patientenstruktur darzulegen und ggf nachzuweisen. Sein pauschales Vorbringen gebe weder Erkenntnisse über den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und damit die Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie noch über die Anzahl dieser Patienten und den damit verbundenen tatsächlichen Mehraufwand. Die beispielhafte Darlegung zu einzelnen Patienten genüge diesen Anforderungen nicht.

6

Mit ihren Revisionen rügen der Kläger sowie die zu 7. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Verletzung von Bundesrecht.

7

Der Kläger führt aus, das LSG gehe ohne Erwägungen zu den unterschiedlichen Grundsätzen intertemporalen Rechts und ohne Subsumtion unter die Voraussetzungen von der Anwendung des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts aus. § 106 Abs 5e SGB V sei jedoch als formelle Verfahrensvoraussetzung einzuordnen mit der Folge, dass das Recht im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gelte. Die Norm stelle keine materiell-rechtliche Vorgabe dar, da sie nicht die Anspruchsvoraussetzungen oder den -inhalt des Regressanspruchs regele, sondern vielmehr einen Verfahrensabschluss - allenfalls eine Rechtsfolge - festlege. Der rechtliche Gehalt des § 106 Abs 5e SGB V werde erst nach der materiellen Anspruchsprüfung relevant, wenn es um die Frage gehe, ob eine Beratung vorgeschaltet werden müsse oder direkt regressiert werden dürfe.

8

Unter Beachtung der Besonderheiten und des Ablaufs des Prüfverfahrens im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei es auch ansonsten richtig und sachgerecht, das Recht im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Anwendung finden zu lassen, wie dies das BSG mit Urteil vom 24.11.1993 (6 RKa 20/91 - SozR 3-2200 § 368n Nr 6) entschieden habe. Das Verfahren zur Feststellung der "Überschreitung" erstrecke sich über den geprüften Zeitraum hinweg bis in die Gegenwart des Verwaltungsverfahrens, weil erst in diesem die Möglichkeit bestehe, Praxisbesonderheiten geltend zu machen. Die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten sei nicht einem nachträglichen Erlöschensgrund für den Regressanspruch gleichzusetzen, sondern hindere bereits das Entstehen des Anspruchs.

9

Soweit das BSG regelmäßig auf den Verordnungszeitraum bzw den Zeitpunkt des geprüften Quartals abstelle, sei dies in dieser Allgemeinheit verfehlt. Solches sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen dann angezeigt, wenn es um inhaltiche Vorgaben zur Verordnungstätigkeit gehe, die der Arzt im Vorfeld kennen müsse; alle anderen Regelungen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, deren rechtstechnischer Inhalt zur Steuerung des Verhaltens des Arztes bei vorheriger Kenntnis der Vorschrift nicht geeignet sei, könnten nicht als materielle Regelungen gelten, bei denen in jedem Fall das zum Prüfzeitraum geltende Recht Anwendung finden müsse.

10

Auch bei Anwendung des Geltungszeitraumprinzips müsse der Grundsatz "Beratung vor Regress" hier angewandt werden, weil die Rechtsentwicklung dafür spreche, die Rechtsänderung mit sofortiger Wirkung auf die laufenden Verfahren anzuwenden. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" habe bereits zuvor gegolten, sei von den Prüfgremien jedoch häufig nicht beachtet bzw umgesetzt worden. Die Umwandlung einer Sollvorschrift in eine Mussvorschrift spreche dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift mit dem Tag des Inkrafttretens habe angewandt wissen wollen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Sofortwirkung der Rechtsänderung vor, da die Rechtsstellung des betroffenen Vertragsarztes durch § 106 Abs 5e SGB V verbessert werde ein etwaiges Vertrauen der Krankenkassen in den Fortbestand der Rechtslage nicht schutzwürdig sei.

11

Die vom Gesetzgeber durch Satz 7 aaO bezweckte Klarstellung laufe gerade nicht leer. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien - im Sinne einer authentischen Auslegung - ausdrücklich betont, dass die Prüfgremien das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht anzuwenden hätten; er selbst interpretiere damit seine Norm im Gefüge des intertemporalen Rechts. Eine echte Rückwirkung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V liege nicht vor. Der dem Regress zugrunde liegende Sachverhalt sei erst mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides abgeschlossen, sodass in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossen worden sei, nicht in einen bereits abgewickelten Sachverhalt eingegriffen werde. Die konkrete Erstattungspflicht entstehe erst mit der Entscheidung der Prüfungsstelle. Eine unzulässige Rückwirkung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Grundsatz "Beratung vor Regress" die Rechtsposition der Vertragsärzte verbessere. Die Rechtsstellung der Krankenkassen sei nicht vor einer Änderung der Rechtslage geschützt, weil sie sich weder auf die Grundrechte noch auf den aus Art 20 Abs 3 GG abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnten.

12

In der Sache habe das LSG zunächst nicht berücksichtigt, dass die Prüfgremien für die Jahre 2006 und 2007 bereits Praxisbesonderheiten - Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter sowie für die Behandlung von Patienten mit psychischen Krankheitsbildern - anerkannt hätten. Da sich das Patientengut nicht verändert habe, hätte es sich dem LSG nahezu aufdrängen müssen, über eine Selbstbindung der Prüfgremien gemäß Art 3 GG nachzudenken. Zumindest müsse den Vorentscheidungen Indizwirkung zugebilligt werden.

13

Das LSG habe zudem zu Unrecht das Vorliegen von Praxisbesonderheiten verneint. Anhand bestimmter nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (engl: International Classification of Diseases and Related Health Problems ) verschlüsselter Diagnosen ließen sich Patienten und Namen herausfiltern und hieraus errechnen, welchen Anteil Patienten mit einer bestimmten Gesundheitsstörung oder mit einer Kumulation bestimmter Gesundheitsstörungen eine Praxis - auch im Vergleich zur Fachgruppe - aufweise. Anhand dieser Zahlen habe er - der Kläger - bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass er mehr Patienten mit bestimmten Gesundheitsstörungen (Gastroösophageale Refluxkrankheit , depressive Episode und nicht primär insulinabhängiger Diabetes ) behandeln müsse als der Fachgruppendurchschnitt. Er habe auch angegeben, welche Medikamente benötigt worden seien; anstelle des Präparatenamens habe er dabei mit der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen-Klassifikation gearbeitet. Zudem habe er den Kausalzusammenhang dargestellt sowie die Mehrkosten beziffert.

14

Damit der "Amtsermittlungsgrundsatz" nicht leer laufe, sei die Mitwirkungspflicht auf solche Tatsachen beschränkt, die der Beweisbelastete auch beibringen könne. Wenn sich aus der Zusammenschau der vom Arzt vorgelegten Informationen zweifelsfrei ergebe, dass dieser denknotwendigerweise höhere Verordnungskosten als der Durchschnitt seiner Fachgruppe haben müsse, dann sei die Grenze des Möglichen für den Arzt erreicht. Es obliege dann den Prüfgremien, Praxisbesonderheiten, die aus Verordnungsdaten oder der Honorarabrechnung unmittelbar erkennbar seien, von Amts wegen weiter nachzugehen.

15

Bei Betrachtung des Gesamtablaufs der in den Jahren 2006 bis 2011 durchgeführten Prüfungen erweise sich das Vorgehen des Beklagten als willkürlich, weil sich weder das Verordnungsverhalten noch der anwaltliche Vortrag geändert habe, während der Beklagte vormalig als substantiiert anerkannten Vortrag in den Folgejahren als unsubstantiiert zurückgewiesen habe, andererseits vormals als unsubstantiiert gewerteter Vortrag in den Folgejahren als substantiiert angesehen werde. Gründe für seinen Sinneswandel habe der Beklagte nicht angegeben. Soweit der Beklagte auf ein Umdenken bezüglich der Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verweise, wäre diese Abkehr von einer zuvor anerkannten rechtlichen Bewertung nur bei entsprechender Begründung bzw Änderung der Rechtslage möglich; an diesen Voraussetzungen fehle es.

16

Zudem verletze das LSG sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG, indem es die Entscheidung des Beklagten, keine weiteren Praxisbesonderheiten anzuerkennen, nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe. Es fehle an einem tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht, denn es sei nicht ersichtlich, welche Informationen den Prüfgremien zur Verfügung stehen sollten, die die Gerichte im Rahmen einer Kontrolle nicht zur Entscheidung heranziehen und auch inhaltlich beurteilen könnten. Schließlich verstoße die Richtgrößenbildung gegen höherrangiges Recht, weil die Richtgrößen seit 2002 nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen bestimmt werden sollten; die Untergliederung allein nach Mitgliedern/Familienversicherten und Rentnern genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht.

17

Die Beigeladene zu 7. schließt sich den Ausführungen des Klägers an. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" finde auch auf Verfahren Anwendung, in denen der Widerspruchsbescheid zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 ergangen sei. Der Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V sei klar und eindeutig und regele den zeitlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des § 106 Abs 5e SGB V ausdrücklich. Auch die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien seien unmissverständlich in dem Sinne, dass der Grundsatz "Beratung vor Regress" ab dem 1.1.2012 für alle laufenden Verfahren gelte.

18

Der Kläger und die Beigeladene zu 7. beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 3.4.2013 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

20

§ 106 Abs 5e SGB V in der Fassung des GKV-VStG könne für Prüfzeiträume vor dem 1.1.2012 keine Geltung beanspruchen. § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V stelle eine materielle Regelung dar, da es sich bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 SGB V um eine Sanktion handele. Auch Systematik und Ablauf einer Wirtschaftlichkeitsprüfung begründeten eine Anwendbarkeit des § 106 Abs 5e SGB V ab dem 1.1.2012 nicht. Die Prüfung setze Maßstäbe und Konsequenzen voraus, an denen der Vertragsarzt seine ärztliche Tätigkeit ausrichten könne und auszurichten habe. Die Beurteilung setze demzufolge auf der zeitgleichen Geltung von Prüfkriterien und Verhalten auf. Dass die Beurteilung von Praxisbesonderheiten systematisch erst im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolge, ändere nichts daran, dass der Erstattungsanspruch grundsätzlich retrospektiv auf der Grundlage der tatsächlichen Behandlungsverhältnisse im jeweiligen Prüfungszeitraum festgestellt werde. Die Neufassung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V gelte nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es hätte einer konstitutiv rückwirkenden Regelung ab 1.1.2012 bedurft, um zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossene Verfahren zu erfassen; eine solche sei in der "Klarstellung zur Rechtslage" nicht zu sehen.

21

Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Entscheidungen der Prüfgremien zu den Jahren 2006 bzw 2007 seien unter keinem Gesichtspunkt präjudiziell. Der für das Jahr 2006 geschlossene Vergleich sei durch Anerkennung der Mehrkosten für additive Schmerztherapie - darunter PPI - bestimmt gewesen; zu den PPI habe jedoch aufgrund von (negativen) Studien im Prüfjahr 2009 ein Umdenken stattgefunden. Die Richtgrößenvereinbarung (RGV) 2009 sehe eine ausreichende - wenn auch grobe - Altersgliederung vor; im Übrigen handele es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollregelung. Entscheidend sei, dass das von den Vertragsparteien vereinbarte Prüfungskonzept insgesamt eine schlüssige Aussage zur Wirtschaftlichkeit bei Überprüfung anhand der Richtgrößensumme erlaube.

22

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

23

Die Revisionen des Klägers und der beigeladenen KÄV sind begründet. Das LSG hat der Berufung des Beklagten zu Unrecht stattgegeben. Der Beklagte muss - wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat - über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 16.11.2011 erneut entscheiden.

24

Zu Recht hat das LSG angenommen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang der Beratung der Regressfestsetzung nicht entgegensteht: Diese Regelung findet auf den angefochtenen Bescheid noch keine Anwendung, da das Verwaltungsverfahren vor Inkrafttreten des die rückwirkende Geltung der Norm anordnenden § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V abgeschlossen war. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit den vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner gastroenterologischen Praxisausrichtung auseinandersetzt.

25

1. Rechtsgrundlage der Festsetzung eines Regresses ist § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(in der ab dem 1.1.2004 geltenden und seither - nahezu - unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens (RGVol) um mehr als 25 vH nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

26

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Bescheid des Beklagten nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anstelle eines Regresses lediglich eine individuelle Beratung hätte festgesetzt werden dürfen.

27

a. Zwar bestimmt § 106 Abs 5e SGB V(in der Fassung des Art 1 Nr 38 Buchst d GKV-VStG vom 22.12.2011 , gemäß Art 15 Abs 1 GKV-VStG am 1.1.2012 in Kraft getreten), dass abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V bei einer erstmaligen Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH eine individuelle Beratung nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V erfolgt(Satz 1 aaO). Der hierdurch vorgegebene Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") findet im zu beurteilenden Prüfverfahren jedoch (noch) keine Anwendung. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 106 Abs 5e SGB V nach seinem Satz 7 auch für (Prüf-)Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Diese Geltungsanordnung wurde erst mit Wirkung zum 26.10.2012 eingefügt (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) und betrifft somit nur Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die nach dem 25.10.2012 ergangen sind. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:

28

§ 106 Abs 5e SGB V in der vom 1.1.2012 bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung war nur für Prüfverfahren maßgeblich, die Prüfzeiträume nach dem Inkrafttreten der Norm betrafen, weil nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das im Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich ist (aa.). Etwas anderes gilt nur, wenn es ausdrücklich angeordnet ist; derartiges war § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung nicht zu entnehmen (bb.). Eine solche ausdrückliche Geltungsanordnung in Bezug auf zurückliegende Prüfzeiträume enthält (erst) der nachträglich (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) angefügte und gemäß Art 15 Abs 1 des Gesetzes am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V; dieser bestimmt, dass Abs 5e aaO auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (cc.). Dem Ergebnis, dass erst Satz 7 aaO eine Rückbezüglichkeit der Regelungen des § 106 Abs 5e SGB V bewirkt hat, stehen auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts nicht entgegen(dd.). § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V war allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten noch nicht in Kraft getreten und daher noch nicht zu beachten(ee.).

29

aa. Für die rechtliche Beurteilung, welche Rechtsfolgen sich aus einer Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH ergeben, ist grundsätzlich das im jeweiligen Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich; bis zum Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V galt dies auch für die Anwendung des § 106 Abs 5e SGB V.

30

(1) Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Danach sind für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist.

31

Auf diese Entscheidung hat der Senat nachfolgend Bezug genommen und - konkret auf § 106 Abs 5e SGB V bezogen - ausgeführt, dass diese Vorschrift nur für Prüfverfahren gilt, die Zeiträume nach ihrem Inkrafttreten betreffen(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12). Zu ergänzen ist, dass der Senat in zahlreichen Entscheidungen zu § 106 SGB V auf das für den jeweiligen Prüfzeitraum maßgebliche Recht abgestellt hat, auch ohne dies näher zu begründen(vgl aus jüngerer Zeit zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 10; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 12).

32

(2) Etwas anderes gilt nach der Senatsrechtsprechung lediglich dann, wenn es um die Gestaltung des Prüfverfahrens als solches geht, etwa wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 unter Bezugnahme auf BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert. Dies betrifft etwa Regelungen über die Zuständigkeit, die Besetzung von Verwaltungsstellen, das Verfahren bzw die Form von Entscheidungen. Verfahrensvorschriften werden nach allgemeinen Grundsätzen mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar wirksam (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9).

33

Bei der in § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V normierten Suspendierung von Regressen, denen keine Beratung vorangegangen ist, handelt es sich jedoch nicht um derartige Verfahrensvorschriften. Vielmehr betrifft die Regelung die Durchführung des Prüfverfahrens als solches und damit materielles Recht (so auch Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 106 RdNr 33; zur Annahme einer materiell-rechtlichen Regelung neigt auch Weinrich, GesR 2014, 390, 394; vgl auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 238): Der Grundsatz "Beratung vor Regress" lässt sich den in der (zitierten) Senatsrechtsprechung angesprochenen "Grundsätzen" zuordnen, "nach welchen ... diese Prüfung stattfindet". Das ergibt sich schon daraus, dass die "Beratung" nach Überschreitung des RGVol eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung darstellt, die der Arzt gerichtlich überprüfen lassen kann (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 10 f), die also ersichtlich nicht nur verfahrenstechnische Bedeutung hat. Unabhängig davon, ob man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V als Regelung der Voraussetzungen für die Festsetzung von Regressen versteht (nur bei mehrmaliger Überschreitung zulässig) oder als Regelung der Voraussetzungen für die Durchführung einer Beratung (nur bei erstmaliger Überschreitung), bestimmt die Norm die Voraussetzungen, unter denen eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen kann bzw muss. Versteht man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V hingegen allein als Regelung einer Rechtsfolge, indem vorgegeben wird, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsfolge "Regressfestsetzung" durch die Rechtsfolge "Beratung" ersetzt wird, ändert sich nichts: Die Rechtsfolge ist - quasi als "Kehrseite" der Tatbestandsvoraussetzungen - Teil des materiellen Rechts.

34

(3) Der Maßgeblichkeit des im Prüfungszeitrum geltenden Rechts steht auch nicht entgegen, dass üblicherweise bei einer Anfechtungsklage als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Begründetheit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw des Widerspruchsbescheides angenommen wird (vgl die Nachweise bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33). Zunächst ist dem geltenden Recht kein "allgemeiner Grundsatz" zu entnehmen, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen (zwingend) die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist (so schon BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17). Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts entspricht lediglich einer "Faustregel" mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17; BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 12 mwN; in diesem Sinne auch BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 = Juris RdNr 10).

35

Zudem kommt für die materiell-rechtlichen Regelungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage schon aus Sachgründen nicht in Betracht. Bei den im Falle eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verhängten Prüfmaßnahmen handelt es sich um Reaktionen auf ein nicht den gesetzlichen (konkret den § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V)und den vertraglichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Arztes. Daher muss der Vertragsarzt bereits zu Beginn des jeweiligen Prüfzeitraums erkennen können, welche Regelungen für ihn insoweit maßgeblich sind, da er nur so sein Verhalten darauf einstellen kann. Es liegt auf der Hand, dass das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten eines Arztes nicht nach Maßstäben beurteilt werden kann, die erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten sind, bei Vornahme der - den Gegenstand der Prüfung bildenden - Verordnungen aber noch nicht galten. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 24.11.1993 für die rechtliche Beurteilung einer auf die Behandlungsweise bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt hat (siehe BSG SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 13 f), hält er hieran nicht mehr fest.

36

bb. Nach der Rechtsprechung des Senats wie auch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts (siehe 2.b.dd) kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Prüfungszeitraum gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Dass § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung auch für Prüfverfahren Geltung besitzen sollte, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, ist jedoch weder der Norm selbst noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Das Gesetz enthält insoweit keinerlei Regelungen, die die Anwendung der Norm auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anordnen; auch der Gesetzesbegründung zum GKV-VStG lässt sich kein dahingehender Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass das neue Recht mit sofortiger Wirkung auf alle noch "offenen" Prüfverfahren Anwendung finden sollte, da sie sich hierzu überhaupt nicht verhält. Die im Zusammenhang mit der nachträglichen Einfügung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V geäußerte gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers ("Klarstellung") vermag hieran nichts zu ändern(siehe hierzu <2.b.cc.(1)>).

37

cc. Eine gesetzliche Anordnung des Inhalts, dass der Beratungsvorrang auch auf Prüfverfahren Anwendung finden soll, die bereits abgeschlossene Prüfzeiträume betreffen, enthält erst der am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V. Dieser bestimmt, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang einer individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung für alle Verfahren der Richtgrößenprüfung gilt, die nicht bis zum 31.12.2011 durch einen Bescheid des Beschwerdeausschusses abgeschlossen waren (zur Verneinung einer verfassungswidrigen Rückwirkung zu Lasten der Krankenkassen siehe das Urteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 23 ff).

38

(1) § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V enthält allerdings keine bloße Klarstellung, sondern eine Änderung der Rechtslage in Form einer ausdrücklichen - konstitutiven - gesetzlichen Geltungsanordnung(in diesem Sinne bereits Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218b; siehe auch SG Marburg Beschluss vom 16.12.2013 - S 12 KA 565/13 ER - Juris RdNr 18: "rückwirkend … in Kraft gesetzt …"; zweifelnd auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12: "(unterstellt) klarstellende Neuregelung"; aA Weinrich, GesR 2014, 390, 394; Christophers, ZMGR 2014, 11, 13). Zwar heißt es in der Satz 7 aaO betreffenden Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95): "Klarstellung zur Rechtslage. Der Grundsatz 'Beratung vor Regress' gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-​VStG am 1. Januar 2012 für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Prüfgremien - auch soweit sie zurückliegende Prüfzeiträume betreffen." Diese Annahme geht jedoch fehl.

39

Eine Klarstellung setzt voraus, dass etwas dem Grunde nach bereits angelegt ist und nur vorsorglich noch einmal verdeutlicht werden soll, dass dies so ist. Dies ist in Bezug auf die in Satz 7 aaO getroffene Regelung, dass § 106 Abs 5e SGB V auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren, jedoch nicht der Fall. § 106 Abs 5e SGB V fand - vor Einfügung des Satzes 7 aaO als einer ausdrücklichen Geltungsanordnung - gerade keine Anwendung auf Verfahren, welche vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, weil nach der Rechtsprechung des Senats für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das im jeweiligen Prüfzeitraum geltende Recht maßgeblich ist und § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung keinerlei Anhaltspunkte für eine rückbezügliche Wirkung der Norm enthielt.

40

Die Auffassung des Gesetzgebers, eine Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich (BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 47 = BGBl I 2014, 255, unter Hinweis auf BVerfGE 126, 369, 392). Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des BVerfG ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe, denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen (BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37). Eine vom Gesetzgeber beanspruchte Befugnis zur "authentischen" Interpretation wird daher von der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht anerkannt (vgl BVerfGE 65, 196, 215; BVerfGE 111, 54, 107; BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013, aaO, RdNr 48). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Regelung konstitutiv ist oder nur klarstellt, was nach Ansicht des Gesetzgebers ohnedies gegolten hat (BVerfGE 126, 369, 392). Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (BVerfGE 131, 20, 37 f; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 52, 55 f = BGBl I 2014, 255). Dies ist vorliegend der Fall.

41

(2) Regelungsinhalt des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist es, anzuordnen, dass die in den vorangehenden Sätzen des Abs 5e aaO enthaltenen Regelungen auch für (Prüf-)Verfahren gelten, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Unter "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist das Verwaltungsverfahren zu verstehen. Zwar ließe der Gesetzeswortlaut eine Auslegung dahingehend zu, dass Verfahren jeder Art - dh sowohl das Verwaltungsverfahren als auch das Gerichtsverfahren - erfasst werden sollen. Jedoch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, dass die Geltungsanordnung nicht bereits bei Gericht anhängige Verfahren erfassen soll (ebenso LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.2.2013 - L 5 KA 222/13 ER-B - Juris RdNr 36; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218c; siehe auch Weinrich, GesR 2014, 390). Dass mit dem Begriff "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V allein das Verwaltungsverfahren gemeint ist, folgt bereits daraus, dass sich die Regelung an die Prüfgremien - dh an die "Verwaltung" - richtet(Engelhard aaO). Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) verdeutlicht, dass die Neuregelung für ein bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenes Widerspruchsverfahren nicht gilt, "auch wenn eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses noch anhängig ist".

42

Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass "insoweit" die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze gelten, dürfte der Gesetzgeber den "Grundsatz" (bzw die "Faustregel") im Blick gehabt haben, dass der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich ist; dies bestätigen die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung (aaO), dass die Prüfgremien "das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" anzuwenden hätten. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, dass mit "Verfahren" nur das Verwaltungsverfahren gemeint ist. Das Verwaltungsverfahren wiederum umfasst sowohl das Verfahren vor der Prüfungsstelle als auch das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, da es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 22 mwN).

43

"Abgeschlossen" ist das Verfahren mit seiner "Beendigung", im verfahrensrechtlichen Sinne also - sofern es sich nicht anderweitig erledigt oder beendet wird - mit Erlass des Verwaltungsaktes (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13 und § 18 RdNr 1), das Widerspruchsverfahren entsprechend mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Darauf, ob das Verfahren "bestandskräftig" abgeschlossen ist, kommt es nicht an (so zutreffend Mutschler in Kasseler Komm, § 8 SGB X RdNr 11, unter Hinweis darauf, dass die Behörde nach dem Erlass des Verwaltungsaktes nichts mehr tun kann; ebenso Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13). Somit findet die Neuregelung dann keine Anwendung, wenn ein - verwaltungsverfahrensrechtlich vor dem in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V genannten Zeitpunkt abgeschlossenes - Verfahren durch gerichtliche Entscheidung zur erneuten Entscheidung an den Beschwerdeausschuss zurückverwiesen wird(Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218d), da es allein darauf ankommt, ob das Widerspruchsverfahren bei Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossen war oder nicht.

44

dd. Eine Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Rechts führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keiner anderen Beurteilung.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des BSG gilt bei Rechtsänderungen grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden; spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandene Lebensverhältnisse unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt (vgl zB BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt; dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw auszulegen ist (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21).

46

(2) Nach diesen - wegen der Besonderheiten des Vertragsarztrechts ohnehin nur sinngemäß übertragbaren - Maßstäben entspricht die Rechtsprechung des Senats zur Anwendbarkeit des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts dem Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Die Anwendung des Grundsatzes der sofortigen Anwendung des neuen Rechts kommt aus den bereits oben dargestellten Gründen nicht in Betracht, weil dem Gesetz - vor Einfügung des Satzes 7 aaO - weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen war, dass die Regelungen über den Vorrang der Beratung auch auf abgeschlossene Prüfzeiträume Anwendung finden sollten. Soweit in einzelnen - vom Kläger herangezogenen - Entscheidungen des BSG abweichende Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind, ist dies auf Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zurückzuführen.

47

ee. § 106 Abs 5e SGB V findet jedoch auch unter Berücksichtigung seines Satzes 7 ausschließlich auf (Prüf-)Verfahren Anwendung, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Da Satz 7 aaO mit Wirkung zum 26.10.2012 in Kraft getreten ist, entzieht er den vor seinem Inkrafttreten nach altem Recht ergangenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse nicht die Grundlage; eine derartige Regelungsabsicht hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden:

48

Zwar enthält § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V eine ausdrückliche Geltungsanordnung des Inhalts, dass § 106 Abs 5e SGB V - entgegen der Rechtsprechung des Senats zum jeweils maßgeblichen Recht - auch auf Prüfzeiträume Anwendung findet, die vor dem Inkrafttreten des Abs 5e am 1.1.2012 liegen, sofern die betreffenden Prüfverfahren am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Jedoch ist der Normbefehl insoweit nicht eindeutig, als Prüfverfahren betroffen sind, in denen die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses zwar nach dem 31.12.2011, jedoch vor Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 - dem auf die Verkündung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag (vgl Art 15 Abs 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften) - ergangen ist. Der Norm selbst kann zwar der Wille des Normgebers entnommen werden, auch diese Konstellationen in die begünstigende Wirkung des § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V einzubeziehen; dieser Annahme steht jedoch die Regelung zum Inkrafttreten der Geltungsanordnung am 26.10.2012 wie auch die Gesetzesbegründung selbst entgegen.

49

Der Gesetzgeber hätte § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V rückwirkend zum 1.1.2012 in Kraft setzen und damit auch solchen, das Verfahren abschließenden Entscheidungen aus der "Zwischenzeit" die rechtliche Basis - soweit es auf die Beratung ankommt - entziehen können. Das hat er jedoch nicht getan. Zudem hat der Gesetzgeber in der Begründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) darauf hingewiesen, dass er seine Regelung auf "noch nicht abgeschlossene Verfahren" beschränken will; auch hat er betont, dass die Prüfgremien das "zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" an​zuwenden haben. Dabei ist möglicherweise nicht hinreichend gesehen worden, dass die Beschwerdeausschüsse bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 aaO Verfahren "abschließen" und dabei das zum Zeitpunkt des jeweiligen Quartals geltende Recht anwenden mussten. Eine Regelungsabsicht, auch den auf dieser Basis ergangenen Bescheiden, die durchaus schon bestandskräftig geworden sein konnten, nachträglich rückwirkend die Grundlage zu entziehen, hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. In den Gesetzesmaterialien fehlen Hinweise, wie insoweit mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden umgegangen werden soll, also ob § 44 Abs 2 SGB X eingreifen oder die betroffenen Ärzte die Vollstreckung der Regresse der KÄV zugunsten der Krankenkassen mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen abwehren können sollen, und ob schon bezahlte Regresse rückabgewickelt werden müssen. Deshalb ist Satz 7 aaO so zu verstehen, dass der Vorrang der Beratung nach § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V nicht für solche Verfahren gilt, die vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen und in denen die abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses vor dem Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 ergangen ist. Davon ist der hier zu entscheidende Fall erfasst, weil der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 10.5.2012 dem Kläger am 11.5.2012 bekanntgegeben wurde.

50

b. Auf die Frage, ob der Kläger sein RGVol im streitbefangenen Jahr 2009 überhaupt "erstmalig" überschritten hat, kommt es angesichts des Umstandes, dass die Norm keine Anwendung findet, nicht an (zu den Anforderungen an eine "erstmalige" Überschreitung siehe Senatsurteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 58 ff).

51

3. Im Ergebnis hat das SG den Bescheid des Beklagten jedoch zu Recht aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verpflichtet, weil sich der Bescheid in der Sache wegen eines Begründungsmangels als rechtswidrig erweist.

52

a. Die - erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachten - Bedenken des Klägers gegen die Wirksamkeit der hier maßgeblichen RGV unter dem Aspekt der unzureichenden "altersgemäßen Gliederung" hält der Senat allerdings nicht für durchgreifend. § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V(in der ab dem 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets ) bestimmt, dass die Vertragspartner der RGV die (arztgruppenspezifischen und fallbezogenen) Richtgrößen zusätzlich nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen sollen. Die Vertragspartner sollen damit die Richtgrößen weiter ausdifferenzieren, um so eine stärker auf die Einzelpraxis ausgerichtete Berücksichtigung der medizinischen Behandlungserfordernisse zu erreichen (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309, S 9 zu § 84 Abs 6). Diese Regelung wird durch § 84 Abs 7 Satz 5 SGB V ergänzt, der vorgibt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit verbindlicher Wirkung für RGVen nach § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V die altersgemäße Gliederung der Patientengruppen bestimmen sollen.

53

Die auf dieser Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben der Spitzenorganisationen auf Bundesebene sehen hierzu eine Gliederung in vier Altersgruppen vor (siehe § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Anlage 2 der Rahmenvorgaben für das Jahr 2002, DÄ 2002, A 1540). In der hier maßgeblichen RGV wird demgegenüber nur - relativ grob - zwischen den Gruppen der Mitglieder/Familienversicherten und der Rentner unterschieden (siehe Anlage B zur RGV, Rheinisches Ärzteblatt 2009, 87). Dies ist jedoch noch hinnehmbar (aA SG Dresden Urteile vom 11.12.2013 - S 18 KA 31/10 ua - Juris), zum einen, weil es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollvorschrift handelt, zum anderen, weil die Rahmenvorgabe keine strikte Verpflichtung enthält, eine solche Regelung in die regionalen RGVen aufzunehmen: Gemäß § 2 Abs 2 Satz 3 der Rahmenvorgaben sind Abweichungen "hiervon" - dh von der in § 2 Abs 2 Satz 1 aaO vorgegebenen Altersgliederung - zulässig, "bis Satz 2 erfüllt ist". Nach Satz 2 aaO streben die Vereinbarungspartner an, noch im Jahr 2002 die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Verordnungsdaten und Fallzahlen entsprechend (der vorgegebenen Altersgliederung) geliefert werden können. Nachdem inzwischen die Unsicherheiten darüber, ob die Vertragspartner eine solche feinere Unterscheidung auf der Basis der von den Krankenkassen zu liefernden Daten (§ 296 SGB V) umsetzen können, beseitigt sind - so werden in den in B. und T. geltenden RGVen vier bzw sechs Kohorten unterschieden -, werden die regionalen Vertragspartner bis Ende des Jahres 2015 die RGVen der Rahmenempfehlung anzupassen haben, soweit sich das nicht als undurchführbar erweist; das wäre indessen konkret und nicht nur pauschal zu belegen.

54

b. Teilweise begründet sind die Einwände des Klägers allerdings, soweit er eine unzureichende Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten bzw eine unzureichende Begründung dazu rügt.

55

aa. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V kommt eine Erstattung von Mehraufwand nur in Betracht, wenn die Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf - bzw Verordnungsbedarf - des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14).

56

bb. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsge-mäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvoll-ziehbar ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger erhobenen Einwände fest.

57

Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es nicht an einem "tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht". Der Senat räumt den Prüfgremien in ständiger Rechtsprechung deshalb einen Beurteilungsspielraum ein, weil sich die die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise betreffenden Fragen zum Teil nur im Rahmen einer fachkundigen Beurteilung beantworten lassen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106). Ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien besteht nicht generell hinsichtlich aller Fragen der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung, sondern nur in Bezug auf solche Fragestellungen, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedürfen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Zu diesen Fragestellungen zählt der Senat insbesondere - für den Bereich der Richtgrößenprüfungen aber auch ausschließlich - die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 16 - jeweils zur Richtgrößenprüfung).

58

Fehl geht auch der Einwand des Klägers, der Senat verletze mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG. Dabei beachtet der Kläger nicht hinreichend, das die Prüfgremien erheblichen Begründungsanforderungen unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11), deren Beachtung von den Gerichten vollständig zu überprüfen ist. Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).

59

cc. Der Senat hält auch daran fest, dass der Umstand, dass die Prüfgremien für vorangegangene Prüfzeiträume Praxisbesonderheiten anerkannt hatten, nicht die Entscheidung präjudiziert, ob der Vertragsarzt in dem aktuell zur Beurteilung anstehenden Prüfzeitraum wirtschaftlich behandelt oder verordnet hat (zu hieraus folgenden Begründungsanforderungen siehe jedoch RdNr 64 <3.b.dd. (2)(a)>). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Prüfgremien für jedes Quartal erneut und gesondert eine Prüfung der Voraussetzungen des § 106 SGB V und eine Abwägung hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen vornehmen müssen(BSG USK 82196 S 897; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 235; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 20). Ebenso entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich der Vertragsarzt nicht auf einen Vertrauensschutz der Art berufen kann, dass es in vorangegangenen Quartalen zu keinen Honorarkürzungen gekommen und er daher davon ausgegangen sei, dass es auch in Zukunft zu keinen Honorarkürzungen kommen werde (BSG USK 97124; BSGE 78, 278, 283 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 198). Aus welchen Gründen keine Honorarkürzungen erfolgt sind - ob dies also auf der Anerkennung von Praxisbesonderheiten beruhte oder darauf, dass überhaupt kein Prüfverfahren durchgeführt wurde - ist insoweit ohne Bedeutung.

60

dd. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit der vom Kläger geltend gemachten gastroenterologischen Ausrichtung der Praxis auseinandersetzt.

61

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225). Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 224).

62

(2) Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Eingehenderer Ausführungen hätte es zum einen schon deswegen bedurft, weil der Beklagte in der Vergangenheit (insbesondere) für diesen Tätigkeitsschwerpunkt Praxisbesonderheiten anerkannt hatte (a). Zum anderen ist der Vortrag des Klägers zumindest in Bezug auf einen gastroenterologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint (b).

63

(a) Der Beklagte hatte für vorangehende Prüfungszeiträume das Vorliegen von Praxisbesonderheiten anerkannt. So ist nach den übereinstimmenden Angaben der Hauptbeteiligten jedenfalls im Bereich der Gastroenterologie eine Praxisbesonderheit gesehen worden; ob sich dies - so der Beklagte - allein auf die Anerkennung von Mehrkosten für additive Schmerztherapie bezog oder - wie der Kläger vorträgt - generell auf Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter, kann insoweit dahingestellt bleiben.

64

Haben die Prüfgremien in vorangegangenen Prüfzeiträumen Praxisbesonderheiten anerkannt, kann deren Vorliegen in nachfolgenden Prüfverfahren nicht pauschal unter Hinweis auf die grundsätzlich den Vertragsarzt treffende Darlegungs- und Feststellungslast (siehe hierzu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 mwN)verneint werden. Der Vertragsarzt erfüllt in derartigen Fällen die ihm obliegende besondere Mitwirkungspflicht (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40) bereits durch den Vortrag, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Praxis nicht verändert haben. Dann ist es Aufgabe der Prüfgremien, sich von Amts wegen mit den - als "offenkundig" im Sinne der Senatsrechtsprechung anzusehenden (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 43-44)- Umständen auseinanderzusetzen, die in der Vergangenheit zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit geführt haben. Es bedarf konkreter Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Prüfgremium nunmehr das Vorliegen solcher Praxisbesonderheiten verneint.

65

Es gehört zum Pflichtenkreis der Prüfgremien, eine Änderung ihrer Spruchpraxis in einer für die betroffenen Vertragsärzte nachvollziehbaren Weise zu begründen, da die Regressfestsetzung nur so die ihr immanente Beratungsfunktion erfüllen kann. Verhaltenssteuernde Wirkung kommt den Richtgrößen bzw den im Falle ihrer Überschreitung verhängten Sanktionen nur dann zu, wenn dem Vertragsarzt die maßgeblichen Umstände bekannt sind, sodass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Zu diesen Umständen gehört neben der Höhe des RGVol auch, ob bzw in welchem Umfang die Prüfgremien eine Überschreitung des RGVol als durch Praxisbesonderheiten begründet bzw gerechtfertigt ansehen. Daher erfordert die "Aberkennung" von Praxisbesonderheiten, dass die hierfür maßgeblichen Gründe dem Vertragsarzt bekanntgegeben werden. Derartige Ausführungen sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen.

66

(b) Unabhängig davon hätte der Vortrag des Klägers - jedenfalls in Bezug auf die im Bereich der Gastroenterologie geltend gemachten Besonderheiten - ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist.

67

Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 f mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14) die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt. Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv die Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt.

68

Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, bei den vermehrten Zuweisungen zur Gastroskopie handele es sich um Zuweisungen zur Diagnostik; die hiermit im Zusammenhang verordneten PPI würden für einen hausärztlich tätigen Internisten als fachgruppentypisch angesehen. Die Einzelfallschilderungen besonders kostenintensiver Patienten seien unsubstantiiert vorgetragen worden. Der Widerspruchsführer könne den erforderlichen Nachweis mit der eingereichten Einzelfalldarstellung nicht in der durch § 5 Abs 5 RGV geforderten dezidierten Form erbringen. Patientenlisten mit Diagnosen und Leistungsziffernstatistik gäben nur Auskunft über die Situation in der Praxis und belegten nicht, welche Abweichungen sich ggf gegenüber den Praxen der Vergleichsgruppe ergäben. Diese Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind.

69

In Bezug auf seinen gastroenterologischen Tätigkeitsbereich ist der Kläger seiner Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem er dargelegt und durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass seine (hausärztliche) Praxis einen gastroenterologischen Schwerpunkt hat. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem im Vergleich zu seiner Fachgruppe - den hausärztlich tätigen Internisten - signifikant erhöhten Anteil von Patienten mit Refluxkrankheit (Abweichung um mehr als 300 %), sowie daraus, dass er "Ösophago-Gastroduodenalen Komplex" doppelt so häufig abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Auch die Anzahl der von ihm durchgeführten Gastroskopien deutet auf ein von der Fachgruppe abweichendes Patientengut hin, weil Gastroskopien regelmäßig von im fachärztlichen Versorgungsbereich tätigen Internisten durchgeführt werden.

70

Diese für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf Diagnostik und Therapie von Refluxkrankheiten könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei Patienten mit der Diagnose "Refluxkrankheit" und/oder bei Patienten, bei denen eine Magenspiegelung durchgeführt wird, ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel. Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der - ohnehin auf "Zuweisungen zur Gastroskopie" beschränkte - Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf (insbesondere) an PPI besteht, könnte naheliegen.

71

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten. Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend geschehen.

72

Soweit der Kläger weitere Praxisbesonderheiten in anderen Behandlungsgebieten als der Gastroenterologie geltend macht, ist sein Vorbringen von vornherein nicht ausreichend, um das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zu begründen. In Bezug auf die höhere Anzahl von Patienten mit Depressionen und mit nicht primär insulinabhängigem Diabetes stellt der geltend gemachte Mehraufwand im Verordnungsbereich nicht mehr als eine Behauptung dar; soweit er einen Schwerpunkt bei Patienten mit metabolischem Syndrom geltend macht, wird dies allein durch die angegebenen vier Beispielsfälle nicht belegt.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Beklagte die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., da diese keine Anträge gestellt haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 7. Oktober 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 2012 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2009 wird insoweit aufgehoben, als ein Regress von mehr als 115 446,93 Euro festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 4/5 und der Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Regresses im Rahmen einer Richtgrößenprüfung für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln in Höhe von insgesamt 144 308,66 Euro für die Jahre 2003 bis 2005.

2

Der Kläger war bis zum Ablauf des Quartals III/2006 als hausärztlicher Internist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beendete seine Tätigkeit nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen mit Vollendung des 68. Lebensjahres.

3

Im Jahr 2004 teilte die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein - Kammer Prüfung Arznei - dem Kläger mit, für die Jahre 2001 und 2002 habe er sein Richtgrößenvolumen überschritten. Entsprechende Mitteilungen erfolgten auch für die Folgejahre. In seinen Erwiderungsschreiben wies der Kläger ua darauf hin, dass er viele Rentner und Diabetiker behandele.

4

Mit Bescheid vom 14.12.2007 entschied der Prüfungsausschuss, trotz der festgestellten Überschreitungen der Richtgrößenvolumina (2003: 97,07 %; 2004: 55,26 %; 2005: 62,41 %) keine Maßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen, da die im Rahmen der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a bis 5d SGB V vorgesehenen Maßnahmen grundsätzlich nur gegenüber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch als Vertragsärzte tätigen Ärzten eingeleitet werden dürften. Auf den Widerspruch der beigeladenen Krankenkassenverbände setzte der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 7.10.2009 einen Regress in Höhe von 40 309,84 Euro für 2003, in Höhe von 45 596,30 Euro für 2004 und in Höhe von 58 402,52 Euro für 2005 fest (insgesamt 144 308,66 Euro).

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

6

Das LSG hat zur Begründung seines Urteils vom 7.10.2014 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Festsetzung von Regressen nach Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Zwar könnten nur aktive Vertragsärzte ein individuelles Richtgrößenvolumen (IRV) nach § 106 Abs 5d SGB V vereinbaren, doch sei diese Option nicht Voraussetzung eines Regresses. § 106 Abs 5a SGB V erfasse alle Vertragsärzte, und nach der Rechtsprechung des BSG könnten Arzneikostenregresse als Konsequenz eines bestimmten Verordnungsverhaltens auch noch nach dem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung festgesetzt werden.

7

Die für den Erlass des Regressbescheides maßgebliche Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Die Verkürzung der Ausschlussfrist auf nur noch zwei Jahre (§ 106 Abs 2 Satz 7 SGB V)erfasse den hier zu beurteilenden Fall nicht, weil sie erst ab dem 1.1.2008 gelte. Maßgeblich für die Wahrung der Ausschlussfrist sei nicht die Entscheidung des Beklagten vom 7.10.2009, sondern die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, obwohl der Ausschuss keinen Regress gegen den Kläger festgesetzt habe. Die erst zum 1.1.2012 in Kraft getretene Regelung des § 106 Abs 5e SGB V ("Beratung vor Regress") sei auf die streitgegenständliche Regressfestsetzung auch dann nicht anwendbar, wenn das Widerspruchsverfahren schon vor dem 31.12.2011 abgeschlossen sei, sich aber ein Gerichtsverfahren angeschlossen habe. Auch die Begrenzung der Richtgrößenregresse auf maximal 25 000 Euro im Fall einer erstmaligen Überschreitung um mehr als 25 % gemäß § 106 Abs 5c Satz 7 SGB V begünstige den Kläger nicht, da sie erst zum 1.1.2011 in Kraft getreten sei. Den Praxisbesonderheiten des Klägers habe der Beklagte hinreichend durch die Berücksichtigung der Wirkstoffe und Indikationen der Anlagen 2 und 3 zu den jeweiligen Richtgrößenvereinbarungen sowie durch die kostenmindernde Berücksichtigung einzelner "teurer" Patienten (HIV, Mundboden CA, Morbus Crohn, Niereninsuffizienz, PCP, CREST) Rechnung getragen. Dem vom Kläger vorgetragenen hohen Altersdurchschnitt seiner Patienten werde bereits durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen, wobei der Richtwert für Rentner deutlich höher liege als der für Mitglieder und Angehörige. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht jedes Abweichen in der Praxisstruktur vom statistischen Normalfall kostenmindernd berücksichtigt werden müsse, weil § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V die Festsetzung eines Regresses erst ab einem Überschreiten der Richtgrößen um mehr als 25 % vorsehe und somit ein gesetzlicher Sicherheitspuffer bestehe. Nicht zu verkennen sei, dass der Kläger durch die Regressfestsetzung und die Rückforderung durch die Beigeladene zu 5. stark belastet sei. Dem könne aber nur im Rahmen der Entscheidung der Beigeladenen zu 5. über einen Erlass der Rückforderung nach § 76 SGB IV Rechnung getragen werden.

8

Seine Revision begründet der Kläger damit, dass gegen ihn nach seinem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung kein Regress mehr festgesetzt werden dürfe. Im Übrigen sei die maßgebliche zweijährige Ausschlussfrist nicht gewahrt, der Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verletzt und Praxisbesonderheiten seien unzureichend berücksichtigt worden.

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 9.5.2012 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7.10.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7.10.2009 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

11

Die Annahme des Klägers, nach Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit könne kein Regress mehr festgesetzt werden, stehe nicht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Zutreffend sei das LSG auch davon ausgegangen, dass vorliegend die Zwei-Jahres-Frist gemäß § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V keine Anwendung finde. Bis zum 31.12.2007 habe eine vierjährige Ausschlussfrist gegolten. Diese sei durch den Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007 gehemmt. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 in laufende Verwaltungsverfahren habe eingreifen wollen. Vielmehr habe er sicherstellen wollen, dass das reine Prüfungsverfahren bis zum Erlass des ersten Bescheides innerhalb der nunmehr gesetzlich geregelten Ausschlussfrist von zwei Jahren abgeschlossen werde. Mit dem Erlass des Bescheides sei der gesetzgeberische Zweck, dass nämlich der Betroffene das vorläufige Ergebnis des Abschlusses einer Prüfung kenne, vollständig erreicht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine vorrangige Beratung nach § 106 Abs 5e SGB V. Diese Regelung sei erst am 1.1.2012 in Kraft getreten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG sei sie nur auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse anzuwenden, die nach dem 25.10.2012 ergangen seien.

12

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

13

Die Beigeladene zu 5. trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Prüfung, ob seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Stundung bzw der Erlass einer Forderung iS des § 106 Abs 5c SGB V iVm § 76 SGB IV gewährt werde, streng von der Prüfung, ob und in welcher Höhe der zugrunde liegende Regress durch die Prüfgremien rechtmäßig festgesetzt worden sei, getrennt werden müsse.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist teilweise erfolgreich. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass auch gegen den nicht mehr vertragsärztlich tätigen Kläger ein Regress nach § 106 Abs 5a SGB V festgesetzt werden kann(1.). Die Festsetzung des Regresses war auch nicht verfristet (2.). Der angefochtene Bescheid verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" (3.). Der Regressbetrag ist aber wegen der unterlassenen Hinwirkung auf eine Vereinbarung um 20 % zu reduzieren (4.). Der Bescheid ist im Übrigen rechtmäßig (5.). Über Stundung oder Erlass der Rückforderung der beigeladenen KÄV gegen den Kläger ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden (6.).

15

1. Rechtsgrundlage für die Regressfestsetzung für das Jahr 2003 ist § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets vom 19.12.2001, BGBl I 3773) bzw für die Jahre 2004 und 2005 § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Nach diesen nahezu wortgleichen Regelungen hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

16

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Festsetzung des Regresses nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht ausgeschlossen ist, weil der Kläger seit Oktober 2006 nicht mehr vertragsärztlich tätig ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Prüfgremien nach § 106 SGB V auch dann noch gemäß § 48 Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) einen sonstigen Schaden feststellen können, wenn der Arzt nicht mehr vertragsärztlich tätig ist(BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 25). Zwar ging es in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall, der die fehlerhafte Ausstellung von Verordnungen betraf, nicht um die Frage, ob überhaupt ein Regress festgesetzt werden kann, sondern darum, ob die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden des Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung noch zuständig sind (Abgrenzung von § 49 BMV-Ä zu § 48 BMV-Ä, bzw - je nach Fallkonstellation - zu § 106 Abs 2 SGB V). Jedoch hat der Senat als unzweifelhaft angesehen, "dass die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden eines Arztes ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen den Vertragsarzt hinsichtlich vergangener Quartale durchführen können, und ebenso, dass die KÄV noch sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen vertragsärztlicher Fehlabrechnungen durchführen kann". Der frühere Status als Vertragsarzt entfaltet Nachwirkungen und den vertrags(zahn)ärztlichen Institutionen stehen nachwirkende Regelungsbefugnisse zu. Der Arzt hätte es ansonsten in der Hand "sich durch ein Ausscheiden aus der Versorgung einem Verfahren vor den Prüfgremien zu entziehen" (BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 28, 26). Diese Grundsätze hat der Senat in einer weiteren Entscheidung ebenfalls vom 20.3.2013, in der es um die Feststellung eines sonstigen Schadens nach §§ 21, 22 Bundesmantelvertrag/Zahnärzte ging, bekräftigt und vertieft. Zwar sei der (Zahn)Arzt mit Beendigung seiner Zulassung nicht mehr in das System der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung eingebunden, soweit aber Ansprüche ihren Ursprung in der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit haben, sind die fachkundig besetzten Gremien und Institutionen berufen, die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Tätigkeit zu beurteilen. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Leistungserbringer während ihrer Tätigkeit im System einem besonderen Regime der ärztlichen Selbstverwaltung und der mit Vertretern der K(Z)ÄV und der Krankenkasse (KKn) fachkundig besetzten Gremien zu unterwerfen, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit beendet wird (BSG SozR 4-5545 § 23 Nr 2 RdNr 24). Von dieser Rechtsprechung des Senats, welche allgemein auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung abstellt, ist auch die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V erfasst. Der umfassenden Verpflichtung des Vertragsarztes zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots steht die entsprechende Verpflichtung der Prüfgremien zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegenüber (Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 SGB V, RdNr 20; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14,K § 106 RdNr 22, 71a). Grundsätzlich dürfen kein Arzt oder Gruppen von ärztlichen Leistungserbringern von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen bleiben (BSGE 75, 220, 223 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24, S 131, 134; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33, S 277, 282, RdNr 20 mwN).

17

Für die Richtgrößenprüfung ist keine Ausnahme von diesem Grundsatz aus § 106 Abs 5d SGB V abzuleiten. Nach § 106 Abs 5d Satz 1 SGB V idF des GMG wird abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V ein zu erstattender Mehraufwand nicht festgesetzt, soweit der Prüfungsausschuss (jetzt: die Prüfungsstelle) mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet. In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten (§ 106 Abs 5d Satz 2 SGB V). § 106 Abs 5d SGB V erweitert die Handlungsoptionen der Beteiligten, indem diese auf Überschreitungen des Richtgrößenvolumens zukunftsbezogen reagieren können.

18

Der Gesetzgeber hält diesen Verzicht auf einen Regress in den Fällen für sachgerecht, "in denen sich der Arzt verpflichtet, eine mit dem Prüfungsausschuss vereinbarte praxisbezogene Richtgröße einzuhalten". Durch die Regelung soll anstelle einer auf die Vergangenheit gerichteten Ausgleichspflicht eine für die Zukunft wirksame Begrenzung des Verordnungsvolumens der Arztpraxis gewährleistet werden (BT-Drucks 15/1525 S 117). Diese Möglichkeit der Regressvermeidung ändert aber nichts daran, dass jeder Arzt, der das Wirtschaftlichkeitsgebot bei seinen Verordnungen nicht eingehalten hat, den KKn den auf diese Weise verursachten Mehraufwand zu ersetzen hat. Insoweit entspricht der Regressanspruch der KKn einem besonderen Typus eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs (vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 17 mwN). Die Vorgabe von Richtgrößen, die nach § 84 Abs 6 Satz 3 SGB V den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot leiten soll, wird durch die gesetzlich normative Pflicht zum Ausgleich des Mehraufwandes bei Überschreitung der Richtgrößen praktisch durchgesetzt. Das Verordnungsverhalten des Arztes wird gesteuert, weil er damit rechnen muss, für eine nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigte Richtgrößenüberschreitung Regress leisten zu müssen. Die verhaltenssteuernde Wirkung der Richtgrößen (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 65; SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 18) bezieht sich auf den jeweils zu beurteilenden Zeitraum der Verordnungstätigkeit des Arztes. Für diesen Zeitraum wird - notwendigerweise erst nach seinem Ablauf - ggf ein Regress festgesetzt, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wie das Verordnungsverhalten des betroffenen Arztes zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem ihm ein Regressbescheid der Prüfstelle oder des Beschwerdeausschusses bekanntgegeben wird. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch Ärzte, die wissen, dass sie demnächst aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausscheiden und deshalb nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V keine zukunftsbezogene individuelle Richtgröße mehr vereinbaren können, bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit das Wirtschaftlichkeitsgebot auch bei ihren Verordnungen nach § 31 SGB V beachten.

19

Die Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße stellt auf den "Normalfall", dh auf den weiterhin tätigen Vertragsarzt ab. Ärzte, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit beendet haben, können über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung gemäß § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht mehr vermeiden. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt darin jedoch nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl zB BVerfG Beschluss vom 2.5.2006 - 1 BvR 1275/97 - NJW 2006, 2175, 2177; BVerfGE 115, 381, 389 mwN). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl zB BVerfGE 107, 133, 141 mwN). Dass Ärzte, die nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, einen bereits festgestellten Regress nicht durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße abwenden können, liegt in der Natur der Sache.

20

Der Kläger hat während seiner vertragsärztlichen Tätigkeit wie jeder andere Arzt das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten und wird über die Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel in die Verantwortlichkeit für die Begrenzung der Arzneimittelausgaben der KKn (vgl BT-Drucks 12/3608 S 100) einbezogen. Die Differenzierung zwischen den Ärzten, die über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung vermeiden können, und den Ärzten, denen diese Möglichkeit nicht (mehr) offensteht, ist diese durch einen sachlichen Grund im Sinne der og Rechtsprechung des BVerfG gerechtfertigt. § 106 Abs 5d SGB V bietet die (zusätzliche) Möglichkeit, zukunftsgerichtet auf die Vertragsärzte einzuwirken. Dies ist bei nicht mehr tätigen Vertragsärzten nicht mehr möglich. Im Übrigen wird der Kläger genauso behandelt wie alle anderen Vertragsärzte, die - aus anderen Gründen - keine IRV abschließen können aber wollen. Der Kreis dieser Ärzte ist nämlich entgegen der Darstellung des Klägers nicht auf die nicht mehr tätigen Vertragsärzte beschränkt. Insbesondere die Ärzte, die in Ärztekooperationen tätig sind und beabsichtigen, die Kooperationsform in näherer Zukunft zu ändern oder aufzugeben oder Ärzte, die planen, ihre weitere Tätigkeit beispielsweise innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) fortzusetzen, können Richtgrößenvereinbarungen entweder nicht oder nur unter Berücksichtigung der geplanten Kooperationsform abschließen. Die in § 106 Abs 5d Satz 2 SGB V vorgesehene Verpflichtungserklärung dahingehend, jeweils den sich aus einer Überschreitung der IRV ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, kann der Arzt, der sich mit anderen Ärzten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen oder als angestellter Arzt in einem MVZ tätig werden will, allenfalls unter Einbeziehung der Partner oder des MVZ wirksam abgeben. Doch auch für die Ärzte, die in unveränderter Form weiterhin vertragsärztlich tätig sind, bietet § 106 Abs 5d SGB V keine Garantie für die Vermeidung einer Regressfestsetzung. § 106 Abs 5d SGB V kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Arzt von sich aus den Abschluss einer IRV anregt, was die Kenntnis von dieser Option voraussetzt. § 106 Abs 5d SGB V normiert keine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 15 f). Zudem besteht für die Beteiligten kein Kontrahierungszwang (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14, K § 106 RdNr 221d mwN), sodass die Verhandlungen über eine IRV auch scheitern können, wenn keine Übereinstimmung hinsichtlich ihres Inhalts erzielt wird.

21

Die Möglichkeit, einen an sich gerechtfertigten Regress durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße vermeiden zu können, ist keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines Regresses. Dabei ist unmaßgeblich, ob ein Vertragsarzt freiwillig oder - wie der Kläger - wegen Erreichens der 2006 noch geltenden Altersgrenze aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Die IRV sichert - mit durchaus gravierenden Verpflichtungen des Vertragsarztes für die Zukunft - die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab. Wenn dieses Ziel nicht mehr erreichbar ist, bleibt die Lage so, wie sie schon vor Einführung der Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße war: Der Arzt muss auch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit den Schaden ersetzen, den er durch unwirtschaftliche Verordnungen verursacht hat.

22

2. Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht verfristet. Der Kläger dringt mit seinem Einwand, der Beklagte habe nach dem 1.1.2008 für die streitgegenständlichen Verordnungszeiträume 2003 bis 2005 keinen Regress mehr festsetzen können, weil die Zwei-Jahres-Frist nach § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V verstrichen gewesen sei, nicht durch.

23

§ 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V, wonach die Festsetzung eines den KKn zu erstattenden Mehraufwandes nach Abs 5a innerhalb von zwei Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraumes erfolgen muss, wurde durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügt. Nach der Rechtsprechung des Senats sind für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttreten von Gesetzesneufassungen abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich. Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSGE 92, 283, 285 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Dies hat der Senat auch im Zusammenhang mit der Regelung des § 106 Abs 5e SGB V erneut bekräftigt(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 34). Eine rein verfahrensrechtliche Regelung in diesem Sinne ist die Verkürzung der Ausschlussfrist für Richtgrößenprüfungen auf zwei Jahre nicht (anders wohl Engelhard SGb 2008, 150, 154). Die uneingeschränkte Anwendung der Verkürzung der Ausschlussfrist auf Richtgrößenprüfungen, die zum 31.12.2007 korrekt in Gang gesetzt, aber noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren, hätte zur Folge, dass in großem Umfang rechtmäßigen Bescheiden rückwirkend die Grundlage entzogen worden wäre. Das bedarf zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie sich etwa in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V findet; eine solche ist hier nicht getroffen worden. Die Zwei-Jahres-Frist gilt nur für Richtgrößenprüfungen, die Prüfzeiträume nach dem 1.1.2008 betreffen; dazu hat der Senat im Beschluss vom 28.8.2013 (B 6 KA 20/13 B - RdNr 10) klargestellt, dass sich aus dem Urteil SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 14 nicht ableiten lässt, dass es für das Eingreifen der Zwei-Jahres-Frist (auch) darauf ankommt, ob die Prüfgremien über Zeiträume bis Ende 2007 vor oder nach Inkrafttreten des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V entscheiden.

24

Maßgeblich ist daher, dass die vor Einfügung des § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V für Regressbescheide (auch) im Rahmen der Richtgrößenprüfung geltende vierjährige Ausschlussfrist für den gesamten streitbefangenen Zeitraum (2003 - 2005) gewahrt worden ist(zur vierjährigen Ausschlussfrist BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44 RdNr 24). Das ist durch den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, der nach § 37 Abs 2 SGB X als am 17.12.2007 bekannt gegeben gilt, für den gesamten betroffenen Zeitraum (2003 - 2005) geschehen.

25

Der Bescheid des Prüfungsausschusses (heute: der Prüfungsstelle) wahrt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Ausschlussfrist; es kommt weder auf den Bescheid des Beschwerdeausschusses noch darauf an, ob der Arzt bereits durch den Bescheid des Prüfungsausschusses oder erst durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses beschwert wird.

26

Der das Prüfverfahren abschließende Bescheid der Wirtschaftlichkeitsprüfung muss innerhalb von vier Jahren nach Festsetzung des von der Kürzungsmaßnahme betroffenen Honorars (bei Honorarkürzungen) bzw des geprüften Zeitraums (bei Verordnungsregressen) erlassen werden, weil es für den Vertragsarzt unzumutbar ist, über einen längeren Zeitraum hinweg nicht zu wissen, ob sein Behandlungs- bzw Verordnungsverhalten Gegenstand von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 28 f). Dieser Zustand des Nichtwissens wird aber durch den Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle beendet. Ab Kenntnis von dem Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle ist das Vertrauen des Vertragsarztes, nicht mehr mit Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen zu müssen, zerstört (BSG - B 6 KA 5/11 B - Juris, RdNr 8).

27

Der rechtlichen Wertung, dass mit Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses die vierjährige Ausschlussfrist gehemmt ist, steht nicht entgegen, dass dieser hier am 14.12.2007 gegen den Kläger keinen Regress festgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Wahrung der Ausschlussfrist allein darauf an, "dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn 'freisprechenden' Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch 'verbösernde' Entscheidungen treffen dürfen" (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN). Diese Erwägungen gelten auch für Richtgrößenprüfungen.

28

3. Entgegen der Auffassung des Klägers musste keine Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Senats findet der dort normierte Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die vor dem Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V am 26.10.2012 ergangen sind, keine Anwendung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 27). Der hier angefochtene Bescheid ist am 7.10.2009 ergangen.

29

Eine Verpflichtung zur vorrangigen Beratung ergibt sich auch nicht aus § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V, wonach gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorgehen sollen. Dabei handelt es sich nur um eine Soll-Vorschrift, die nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine solche unzweifelhafte Unwirtschaftlichkeit dann gegeben, wenn sich der Regress auf nicht verordnungsfähige Arzneimittel bezieht oder wenn im Bereich der statistischen Durchschnittsprüfung ein Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23; SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 27). Diese Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V gilt grundsätzlich auch für die Richtgrößenprüfung. Bei der Richtgrößenprüfung werden vor Feststellung der prozentualen Überschreitungen die Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Die beim Kläger festgestellten Überschreitungen des Richtgrößenvolumens von 109,72 % (2003), 59,34 % (2004) und 70,39 % (2005) zeigen - nach Abzug der Praxisbesonderheiten - einen Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des Senats. Inwieweit die Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V nach Ansicht des Klägers angesichts der "weiteren Grundentscheidungen des Gesetzgebers" obsolet sein soll, erschließt sich nicht. Der Kläger verweist auf die durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zum 1.1.2011 eingefügten Sätze 6 und 7 des § 106 Abs 5c SGB V. Diese betreffen aber nicht den Vorrang der Beratung, sondern beziehen sich auf die Möglichkeit der KKn, die Rückforderungen zu stunden oder zu erlassen und auf die Höhe des Regressbetrages (bei erstmaligem Überschreiten der Richtgrößen nicht mehr als 25 000 Euro für die ersten beiden Jahre). Die zum 1.1.2012 eingefügte Verpflichtung zur "Beratung vor Regress" in § 106 Abs 5e SGB V macht zudem deutlich, dass der Gesetzgeber insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abweichende Wertung der Beratung auch in Fällen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit vorgenommen hat. An der Maßgeblichkeit der bisherigen Rechtsprechung für Prüfungsverfahren, die bis zum 25.10.2012 abgeschlossen worden sind, ändert das nichts.

30

4. Der angefochtene Bescheid ist aber deshalb teilweise rechtswidrig, weil weder der Prüfungsausschuss noch der Beklagte vor der Festsetzung des Regressbetrages auf eine Vereinbarung iS des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hingewirkt haben. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Weiter heißt es in Satz 4: "Die Prüfungsstelle soll vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel zum Inhalt haben kann" (bis zum 1.1.2004 war die Regelung noch - nahezu wortgleich - in Satz 6 enthalten). § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V normiert eine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien. Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss sind auch in den Fällen, in denen der Vertragsarzt nicht von sich aus eine Vereinbarung beantragt oder sich diesbezüglich äußert, verpflichtet, auf eine Vereinbarung hinzuwirken. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 25 ff), statuiert diese Regelung - anders als § 106 Abs 5d SGB V - eine Hinwirkungspflicht(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 16 ff). Diese Verpflichtung trifft sowohl die Prüfungsstelle als auch den Beschwerdeausschuss. Eine Nichtbeachtung ist auch nicht im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich(Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 30).

31

Damit steht fest, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten zwar in der Sache richtig ist (vgl hierzu auch Ziff 5), er allerdings an dem Mangel leidet, dass dem Kläger keine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden ist. Der Senat hat entschieden, dass dann, wenn sich dieser Umstand vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz herausstellt, den Beteiligten im Rahmen des Verfahrens die Möglichkeit gegeben werden muss, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Da dies in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist, ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Senats hier so zu stellen, als hätte ihm der Beklagte die für ihn günstigste Möglichkeit einer Vereinbarung angeboten, die er akzeptiert hätte. Das hat hier eine Reduzierung des Regressbetrages um 20 % zur Folge (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 43). Das hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Frage gestellt.

32

5. Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GMG vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen.

33

Nach § 1 Abs 5 der Richtgrößenvereinbarung Arznei- und Verbandmittel für die Jahre 2003 und 2004 und - wortgleich - für das Jahr 2005 (abrufbar jeweils unter http://www.kvsh.de) erfolgt die Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten wie folgt: "Von der Richtgrößenbildung ausgenommen sind die Kosten der Arzneimittel der Anlage 2 dieser Vereinbarung, der Impfstoffe zur Prävention, des Sprechstundenbedarfs sowie solcher Therapien, die regelmäßig Praxisbesonderheiten begründen (Anlage 3 dieser Vereinbarung)." Entsprechend enthält die Anlage 2 eine Auflistung verschiedener teurer Arzneimittel und Anlage 3 diverser Indikationen, versehen mit dem Zusatz: "Bei den nachstehenden Indikationen ergeben sich Praxisbesonderheiten fallbezogen und indikationsabhängig im Hinblick auf Arzneimittel, die nicht in der Wirkstoffliste nach Anlage 2 dieser Empfehlung berücksichtigt sind." Dem angefochtenen Bescheid sind für die Jahre 2003 bis 2005 Auswertungsbögen beigefügt, aus denen sich im Einzelnen ua ergibt, welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 2 und welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 3 von den Verordnungskosten in Abzug gebracht wurde. Daneben wurden die Kosten für weitere - nicht in den Anlagen enthaltene - teure Arzneimittel bzw Therapien für einzelne Patienten abgezogen. Diese Patienten sind nicht namentlich benannt, sondern entweder mit den Initialen aufgeführt, oder in Gruppen (zB "Diverse Patienten - 5.500,07 - Sondennahrung") zusammengefasst. Der Kläger macht im Rahmen der Klagebegründung geltend, nicht alle teuren Patienten (Verordnungskosten über 2000 Euro im Jahr) seien berücksichtigt worden und hinsichtlich der berücksichtigten Patienten sei nicht nachvollziehbar, warum die entsprechenden Verordnungskosten nicht vollständig abgezogen worden seien. Dabei verkennt der Kläger, dass - außerhalb der in den Anlagen 2 und 3 genannten Arzneimittel und Indikationsgebiete - Verordnungskosten nicht allein deshalb als Praxisbesonderheiten anzuerkennen sind, weil sie einen bestimmten Betrag übersteigen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 35 RdNr 17; SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18). Die Ausführungen des Klägers zu seinem überwiegend aus älteren Rentnern bestehenden Patientenklientel sind nicht ausreichend. Es fehlt an jeglichem Vortrag dahingehend, inwieweit seine Patienten im Durchschnitt älter sind als die anderer Praxen und inwieweit gerade diese Patienten überdurchschnittliche Verordnungskosten verursacht haben. Zutreffend hat das LSG im Übrigen darauf hingewiesen, dass dem Altersdurchschnitt der Patienten schon durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen wird, wobei der Richtwert für die Rentner deutlich höher liegt als der für die Mitglieder und Familienversicherten. Soweit der Kläger geltend macht, dass bestimmte namentlich genannte Patienten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt seien, übersieht er, dass die für diese Patienten angefallenen Verordnungskosten teilweise schon nach den Anlagen 2 und 3 berücksichtigt wurden.

34

6. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die zu 5. beigeladene KÄV verpflichtet ist, ihren Rückforderungsanspruch gegen den Kläger nach § 106 Abs 5c Satz 4 SGB V zu stunden oder zu erlassen. Die Realisierung der "Erstattung des Mehraufwandes" iS des § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V erfolgt in der Weise, dass die Prüfungsstelle den Betrag festsetzt(§ 106 Abs 5c Satz 1 SGB V), und sich um diesen Betrag die von der KK an die KÄV zu entrichtende Gesamtvergütung mindert (aaO, S 2 jeweils in der hier maßgeblichen Fassung vor der Änderung der Norm durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.10.2010 mit Wirkung zum 1.1.2011; näher Senatsurteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). "In der jeweiligen Höhe" hat die KK Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt (aaO, S 3), die die KÄV erlassen oder stunden kann, wenn der Arzt nachweist, dass ihm die Rückforderung "wirtschaftlich gefährden" würde (aaO, S 5). Über Stundung und Erlass ist im Verwaltungsverfahren zwischen Arzt und KÄV zu entscheiden; daran sind (nach der hier noch maßgebenden Fassung vor Änderung durch das AMNOG) weder die KK noch die Prüfgremien beteiligt. Das gilt auch für ein anschließendes gerichtliches Verfahren. Der Anspruch der KK auf "Ausgleich des Mehraufwandes" ist durch die Minderung der Gesamtvergütung endgültig erfüllt. Stundung und Erlass betreffen allein die KÄV, die bewerten muss, wie weit sie die Kompensation der bereits eingetretenen Minderung der Gesamtvergütung durch Durchsetzung ihres Rückforderungsanspruchs gegen den Arzt tatsächlich realisieren kann oder will. Auf eine Entscheidung darüber und auf die fehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die KÄV hat auch der Arzt Anspruch, der aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Ob die zu 5. beigeladene KÄV über den entsprechenden Antrag des Klägers schon entschieden hat, hat das LSG nicht festgestellt. Dazu bestand auch keine Veranlassung, weil ein entsprechender Bescheid der KÄV unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Gegenstand des hier zu entscheidenden Verfahrens über die Höhe des den KKn zu ersetzenden Mehraufwandes ist.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO und trägt dem anteiligen Obsiegen der Beteiligten in den drei Rechtszügen Rechnung.

                          

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei ihrer Neubescheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale II/2005 bis I/2007.

2

Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für Chirurgie/Gefäßchirurgie bestehende Gemeinschaftspraxis mit Sitz in F. Beide Ärzte verfügen über Genehmigungen zur Sonographie in der Gefäßdiagnostik sowie zum ambulanten Operieren. Nach dem Honorarverteilungsvertrag (HVV), den die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit den Krankenkassen geschlossen hatte, war die Klägerin der Honoraruntergruppe der Fachärzte für Chirurgie (B 2.3) zugeordnet. Mit Wirkung zum 1.4.2007 ist die Gemeinschaftspraxis aufgelöst.

3

Am 16.2.2006 beantragte die Klägerin, ihr das RLV für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen. Mit Einführung des neuen EBM und eines geänderten HVV sei es bei den angiologisch tätigen Gefäßchirurgen zu einem dramatischen Einbruch der abrechenbaren Fallpunktzahl gekommen. Nach Rückführung von Stützungsmaßnahmen werde dies zur Existenzvernichtung führen. Während internistisch tätige Angiologen 1665 Punkte pro Fall abrechnen könnten, seien bei den Chirurgen für die identische Diagnostik nur 900 Punkte abrechenbar. Der Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen. Ein wesentlicher Bestandteil der Diagnostik sei die Durchführung der Duplexsonographie. Aufgrund ihrer besonderen Praxisausrichtung sei sie mit der Fachgruppe der Chirurgen nicht vergleichbar. Von den im Quartal II/2005 angeforderten 3 045 200 Punkten würden ihr lediglich 1 437 129,90 Punkte zum oberen Punktwert vergütet. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.4.2006 ab.

4

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2007 zurück. Nach dem HVV seien für die Praxis einschließlich des Gemeinschaftspraxis-Zuschlages folgende fachgruppenspezifische Fallpunktzahlen festgelegt worden:

        

Primärkassen:

Ersatzkassen:

Altersgruppe

0 - 56 - 59> 60

0 - 56 - 59> 60

Fallpunktzahl

6679261187

6048311033

5

Im Quartal II/2005 seien 1452 Fälle mit einem Punktwert von 997,1 Punkten zugrunde gelegt worden, woraus sich ein praxisbezogenes RLV von 1 447 789,2 Punkten ergeben habe. Mit ihrer Anforderung von 3 040 200,0 Punkten habe die Klägerin dieses Volumen um 1 592 410,8 Punkte überschritten. Im Quartal III/2005 betrage das Regelleistungsvolumen bei 1277 Fällen und einem Fallpunktwert von 1003,9 Punkten 1 281 980,3 Punkte. Tatsächlich abgerechnet habe sie 2 186 195,0 Punkte. Eine Analyse der Abrechnungsunterlagen habe ergeben, dass die Klägerin Leistungen nach den Nrn 33060, 33061, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä 2005) in größerem Umfang abgerechnet habe. Eine Ausnahmeregelung könne aber nur aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Eine Überprüfung der Versorgungssituation habe ergeben, dass weitere Ärzte im Planungsbereich F. über die Genehmigung zur Abrechnung der streitigen Leistungen verfügten und die Leistungen auch tatsächlich abrechneten. Ferner habe die Klägerin, da ihr Fallwert in den Quartalen II und III/2005 mehr als 5 % von den Referenzquartalen 2004 nach unten abgewichen sei, erhebliche Ausgleichszahlungen erhalten, die einer Ausnahmeregelung entgegenstünden.

6

Das SG hat mit Urteil vom 30.1.2008 die Klage abgewiesen. Ein zu berücksichtigender Ausnahmefall liege nicht vor. Bei der Begrenzung auf ein enges diagnostisches Leistungsspektrum, das im Wesentlichen von anderen Fachgruppen erbracht werde, sei eine Ausnahmeregelung nicht erforderlich, weil es hierdurch zu einer Verschiebung zwischen den Honoraruntergruppen käme. Der Zubilligung eines RLV in Höhe desjenigen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie stehe ferner entgegen, dass diese Gruppe auf ein anderes Leistungsspektrum als die Klägerin beschränkt sei.

7

Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 17.3.2010 das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Die Voraussetzungen der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV lägen nicht vor, weil eine Sicherstellungsproblematik nicht gegeben sei. Es sei nicht ersichtlich, dass ohne ihr Leistungsangebot die angiologische Versorgung der Versicherten in der Region der Praxis der Klägerin nicht mehr gewährleistet sei. Der HVV sei jedoch deshalb rechtswidrig, weil es an einer allgemeinen Härtefallregelung fehle. Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG fordere eine Ausnahme vom RLV auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelung über die RLV Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hätten und dieses spezifische Leistungsangebot durch das RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde. Für die Frage, wann eine solche Spezialisierung vorliege, könne an die Rechtsprechung des BSG zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden. Zum Merkmal der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä 1997 habe das BSG ausgeführt, dies setze eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine solche Spezialisierung seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Im Fall der Klägerin liege ein Härtefall vor, weil das ihr zuerkannte RLV ihre besondere, vom Durchschnitt der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtige. Bei ihr bestehe eine eindeutige Spezialisierung auf sonographische Untersuchungen zur Abklärung bestimmter Gefäßerkrankungen. Allein die sonographischen Leistungen nach den Nrn 33061 bis 33078 EBM-Ä 2005 hätten in den Quartalen II und III/2005 43,14 % bzw 38,9 % der Gesamtpunktzahl ausgemacht. Das Leistungsspektrum führe regelhaft zu einer deutlichen Überschreitung des RLV um durchschnittlich 1000 Punkte pro Fall. Das Fehlen einer Härtefallregelung werde auch nicht durch die unter zahlreichen Vorbehalten stehende Ziffer 7.5 HVV ausgeglichen, die Fallwertminderungen um mehr als 5 % im Vergleich zum Referenzquartal verhindern solle. Schließlich sei das Fehlen einer Härteregelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Bei der Feststellung der Sicherstellungsgründe iS der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV sei nicht auf alle atypischen Sonderfälle abzustellen, zu berücksichtigen sei vielmehr nur die konkrete Versorgungssituation im Umkreis der Praxis. Es könne nur darauf abgehoben werden, ob auch ohne das schwerpunktmäßige Leistungsangebot der zu beurteilenden Praxis die zu dem Versorgungsschwerpunkt gehörenden und prägenden Leistungen weiterhin erbracht werden könnten. Die Überprüfung der Versorgungssituation im Planungsbereich habe ergeben, dass in F.-Stadt vier Fachärzte für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen seien. Darüber hinaus seien dort acht Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig, sodass eine Sicherstellungsproblematik nicht bestehe. Der HVV enthalte mit Ziffer 6.3 letzter Absatz und Ziffer 7.5 bereits Härtefallregelungen. Allein in den Quartalen II/2005 bis IV/2006 habe die Klägerin Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV in Höhe von insgesamt 190 538,67 Euro erhalten. Ihr Honorar habe in den streitigen Quartalen auch deutlich über dem der Fachgruppe gelegen. Eine weitergehende Härtefallklausel sei von den gesetzlichen Vorgaben und den Vorgaben des Bewertungsausschusses nicht gedeckt. Nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 in Teil III Nr 3.1 könnten Anpassungen des RLV nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgenommen werden. Die Rechtsprechung des BSG zum Erfordernis einer allgemeinen Härteregelung sei vor der Einführung von RLV ergangen. Sie könne nur insoweit gelten, als sie nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Bewertungsausschusses stehe. Zwar sehe § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V und in Umsetzung dieser Vorgaben der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 in Teil F Nr 3.6 vor, dass auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen seien. Diese Regelung entfalte aber keine Rückwirkung, sodass sich aus ihr für den streitigen Zeitraum nichts herleiten lasse. Das Fehlen einer Härteregelung sei schließlich auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.3.2010 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Marburg vom 30.1.2008 zurückzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Allerdings komme auch Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV als Rechtsgrundlage in Betracht. Art 12 iVm Art 3 GG gebiete eine Ausnahmeregelung, wenn sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die RLV Ärzte in zulässiger Weise spezialisiert hätten und dieses Leistungsangebot durch das RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde. Bei beiden Ärzten seien mittlerweile ab dem Quartal I/2009 Praxisbesonderheiten anerkannt und die RLV entsprechend geändert worden.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Da der Senat diese Verpflichtung der beklagten KÄV aber aus anderen Gründen als das LSG bejaht, weist er die Revision mit der Maßgabe zurück, dass die Beklagte bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

13

1. Die Klägerin ist als Gemeinschaftspraxis auch nach ihrer Auflösung weiterhin beteiligtenfähig. Diese gilt für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (vgl BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; zuletzt Urteil des Senats vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - RdNr 33 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

14

Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass eine Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung nicht notwendig gewesen ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich bei der Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG handelt, die im Ermessen des Gerichts steht(stRspr, vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 12). Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 3 für die Gesamtvertragspartner; BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 35 für die Bundesmantelvertragspartner; ebenso BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 6 für den EKV-Z; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 2/10 R - RdNr 11 für die Vertragspartner des EBM-Ä, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V durch Art 1 Nr 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h <§ 85>) ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (vgl BSGE 95, 141 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 14; BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 8/10 R - RdNr 11 -, insoweit nicht in SozR abgedruckt), und eine solche Beiladung kann gemäß § 168 Satz 1 SGG in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 13; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 2/10 R - RdNr 11 mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

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2. Der in den streitbefangenen Quartalen geltende HVV entsprach mit der Einführung von RLV den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser - gemäß der ihm nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V übertragenen Aufgabe - am 29.10.2004 mit Wirkung für die Zeit ab 1.1.2005 beschlossen hatte (DÄ 2004, A 3129). Gemäß Teil III Nr 2.1 iVm Nr 3 dieses Beschlusses waren die KÄVen verpflichtet, in der Honorarverteilung RLV in der Weise festzulegen, dass arztgruppeneinheitliche Fallpunktzahlen vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert) zu erfolgen hatte. In der Anlage 1 zum Teil III des Beschlusses waren tabellarisch die erfassten Arztgruppen aufgeführt, die dem RLV unterlagen. Hierzu zählen auch die Fachärzte für Chirurgie.

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Kernpunkte der gesetzlichen Neuregelung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14 ff) dargelegt hat, nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V(in der Fassung des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, sowie - gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 SGB V - für darüber hinausgehende Leistungen abgestaffelte Punktwerte. Dementsprechend sahen die hier maßgeblichen HVV, die die Beklagte und die Krankenkassen zum 1.4.2005 und für die Folgezeit bis zum 31.3.2007 geschlossen hatten, in Ziffer 6.3 HVV die Bildung fallzahlabhängiger praxisindividueller RLV auf der Grundlage arztgruppenspezifischer Fallpunktzahlen sowie in Ziffer 6.4 HVV die Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honorarforderungen mit einem festen Punktwert von 4,0 Cent vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügt, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (so im Übrigen die Regelung in Teil III Nr 3 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004; vgl BSG aaO, RdNr 15) . Der Punktwert unterlag nach Punkt 2.2 der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV einer Quotierung, soweit der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreichte. Die über das praxisindividuelle RLV hinausgehenden Honorarforderungen waren nach Ziffer 6.4 HVV mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Cent zu bewerten.

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3. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Erhöhung ihres RLV verurteilt. Entgegen der Auffassung des LSG kommt als Rechtsgrundlage für eine Erhöhung des RLV aber Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV in Betracht.

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a. Dem LSG ist allerdings zuzustimmen, dass die Regelung keinen allgemeinen (Auffang-) Tatbestand für alle denkbaren Ausnahmefälle enthält, sondern Anpassungen nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung zulässt. Das ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem Wortlaut der Bestimmung (vgl zur Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen im EBM-Ä BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 10), wonach der Vorstand ermächtigt ist, "aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen". Nur für eine Anpassung unter Sicherstellungsgesichtspunkten findet sich im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 eine Ermächtigungsgrundlage. Nach Ziffer 3.1 dieses Beschlusses können im HVV "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und zur Zielerreichung einer Maßnahme in 1. Anpassungen des Regelleistungsvolumens vorgenommen werden". Diese Ermächtigung richtet sich an die Vertragspartner des HVV, die im HVV abstrakt-generelle Voraussetzungen für Abweichungen vom RLV statuieren können. Da abstrakt-generell nicht alle Fälle erfasst werden können, die eine Anpassung erfordern, ist nicht zu beanstanden, dass der HVV den Vorstand der Beklagten aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung zu Anpassungen des RLV im Einzelfall ermächtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Vorstand der KÄV zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigt werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 240 f mwN) .

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b. Die Beklagte hat aber die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Erhöhung der RLV der Klägerin zu eng ausgelegt, indem sie sich allein darauf berufen hat, dass weitere Ärzte im Planungsbereich der Praxis der Klägerin sonographische Leistungen erbringen. Das allein reicht zur Verneinung eines Sicherstellungsbedarfs iS der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV nicht aus. Das Merkmal der Sicherstellung ist in diesem Zusammenhang nicht so eng zu verstehen, dass es nur darauf ankommt, ob ohne die Antragstellerin die qualifizierte Leistung im Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Abgesehen davon, dass die Beklagte diesen Aspekt nicht näher geprüft, sondern allein auf die Anzahl der die Leistungen abrechnenden Ärzte abgestellt hat, greift diese Sichtweise zu kurz. Sie erlaubt bereits deswegen keine Beurteilung der Versorgungssituation, weil damit bei allen Vertragsärzten, die spezielle Leistungen anbieten, auf die jeweils anderen in der gleichen Situation verwiesen werden kann (vgl BSGE 87, 112, 119 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 139). Diese Herangehensweise eignet sich für die Beurteilung des Bedarfs für einen potentiell neu hinzutretenden Leistungserbringer, nicht aber für die Beurteilung der Versorgung durch die bereits vertragsärztlich tätigen Ärzte.

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Die Formulierung "aus Gründen der Sicherstellung" ist auch nicht notwendig so zu verstehen, dass - wie etwa bei einer Zulassung wegen Sonderbedarfs - ein Versorgungsdefizit in einem bestimmten regionalen Bereich festgestellt werden muss. Zwar spricht viel dafür, einen eingeführten Begriff in verschiedenen Regelungsbereichen gleichförmig auszulegen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 16). Das muss indes nicht zwingend so sein. Im Hinblick auf unterschiedliche Zielrichtungen in verschiedenen Regelungsbereichen kann vielmehr ein jeweils eigenes Verständnis eines Begriffes angezeigt sein. So hat der Senat etwa den Praxisbesonderheiten im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine andere Bedeutung beigemessen als im Bereich der Honorarverteilung, weil sie in beiden Bereichen grundlegend unterschiedliche Funktionen erfüllen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Dies trifft auch für den Gesichtspunkt der Sicherstellung der Versorgung im Zulassungsrecht einerseits, an dem die Beklagte sich orientiert, und für die Ausnahmeregelung der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV andererseits zu. Im Bereich der Honorarverteilung sind der Beklagten schon aus verwaltungspraktischen Gründen bei der Ermittlung des Versorgungsbedarfs Grenzen gesetzt. Detaillierte Feststellungen, wie sie für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung zu treffen sind (vgl BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 12 ff; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 9 RdNr 19 f, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen), können von der Beklagten im Rahmen einer Entscheidung nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV schon wegen der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen nicht gefordert werden. Andererseits kann der Sicherstellungsaspekt aber auch nicht darauf reduziert werden, dass nur ein solches Leistungsangebot unberücksichtigt bleibt, das für die Sicherstellung generell nicht sinnvoll ist. In diesem Sinn hat der Senat das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Zusammenhang mit der Ausnahme von der sog Teilbudgetierung im Hinblick auf einen Versorgungsschwerpunkt gemäß dem EBM-Ä 1996 ausgelegt (BSGE 87, 112, 119 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 139 f), weil durch die Versagung von Teilbudget-Aussetzungen keine spezifische Praxisausrichtung blockiert werden könne. Die von vornherein nur für einen kurzen Zeitraum eingeführten Teilbudgets könnten ihrer Natur nach kein Mittel zu einer langfristig angelegten Steuerung der Versorgungsstruktur und zur Verlagerung von Behandlungsschwerpunkten sein. Bei den RLV handelt es sich hingegen nicht um ein nur für einen kurzen Zeitraum eingeführtes Instrumentarium. Sie zielen zwar ebenfalls nicht auf eine Steuerung der Versorgungsstruktur, sondern in erster Linie auf die Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 15). Wenn das Gesetz aber jedenfalls in den hier streitbefangenen Quartalen keine Ausnahmen zulässt, spricht das für eine restriktivere Auslegung des Merkmals der Sicherstellung der Versorgung.

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Sachgerecht ist es, für die Auslegung der Nr 3.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sowie der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV die Rechtsprechung des Senats zum "besonderen Versorgungsbedarf" als Voraussetzung für eine Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets, die ebenfalls im Grundsatz auf eine arztgruppeneinheitliche Festlegung angelegt waren (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 17 RdNr 32), heranzuziehen und weiterzuentwickeln. Zwar fassen die RLV alle Leistungen zusammen, die als typische dem Praxis- und als spezielle den Zusatzbudgets zugewiesen waren (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 12 ff). Vergleichbar mit der Regelung in Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist jedoch die unter der Geltung der Praxis- und Zusatzbudgets im EBM-Ä vorgesehene Möglichkeit, im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Budgeterweiterung vorzunehmen. Zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" hat der Senat mehrfach ausgeführt, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung vorliegen müssten, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl hätten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 15 f; Nr 17 RdNr 36). Dabei hat er als mögliches Indiz für die Atypik im Vergleich zur Fachgruppe angesehen, dass im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegt. Zusätzlich sei erforderlich, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei, was voraussetze, dass das Gesamtleistungsvolumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch gewesen sei. Erhebliches Gewicht kann nach dieser Rechtsprechung dem Gesichtspunkt zukommen, dass das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem Spezialisierungsbereich die Budgetgrenze übersteigt. Aus einer derartig dokumentierten Spezialisierung können Rückschlüsse auf die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs gezogen werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 178).

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Diese Kriterien sind auch unter Geltung der RLV geeignet, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren. Eine vom Durchschnitt abweichende Praxisausrichtung, die Rückschlüsse auf einen Versorgungsbedarf erlaubt, kann sich auch hier in einem besonders hohen Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl zeigen. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen (vgl dazu Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 20/10 R -). Die Überschreitung des praxisindividuellen RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung dieser Leistungen im EBM-Ä. Dort sind auch die sonographischen Leistungen als arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen aufgeführt. Soweit die Beklagte ausführt, auch diese speziellen Leistungen seien in die Berechnung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen eingeflossen, ist dies zwar zutreffend. Sie finden sich in den Fallpunktzahlen für Chirurgen aber nur in sehr begrenztem Umfang wieder. Sonographische Leistungen werden in erster Linie von Internisten mit Schwerpunkt Angiologie und nur von wenigen Chirurgen erbracht. Im Fall der Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie, der die Klägerin angehört, kommt noch hinzu, dass sie auch die Fachärzte für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie, für Herzchirurgie und für Neurochirurgie und damit ein breites Leistungsspektrum umfasst. Sonographische Leistungen haben daher nur in einem Umfang Niederschlag in den Fallpunktzahlen gefunden, der einer auf diese Leistungen spezialisierten Praxis nicht gerecht werden kann.

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Besonderheiten einer Praxis streiten dann für eine Ausnahme von den RLV im Interesse der Sicherstellung, wenn der Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen überdurchschnittlich hoch ist. Dies wird in der Regel mit einem überdurchschnittlichen Gesamtpunktzahlvolumen einhergehen. Als überdurchschnittlich ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes jeweils eine Überschreitung des Durchschnitts bzw ein Anteil der Spezialleistungen von mindestens 20 % anzusehen (vgl BSGE 87, 112, 117 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 137; SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 178 f; SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 17). Um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, ist nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen. Ausreichend ist, dass sich die Überschreitungen als Durchschnittswert in einem Gesamtzeitraum von vier aufeinander folgenden Quartalen ergeben (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 35 zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen).

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Es spricht viel dafür, dass diese Voraussetzungen in den hier streitbefangenen Quartalen bei der Klägerin vorlagen. Das LSG hat für die Quartale II und III/2005 festgestellt, dass die sonographischen Leistungen einen Anteil von ca 43 % und 38 % an der Gesamtpunktzahl ausmachten. Im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt war die Leistungshäufigkeit im Spezialgebiet signifikant überdurchschnittlich. Das Leistungsspektrum der Klägerin führte zu einer deutlichen Überschreitung der durchschnittlichen Fallpunktzahl. Der Umstand, dass für beide Ärzte, die mittlerweile in Einzelpraxis tätig sind, ab 2009 eine Erhöhung der RLV-Fallwerte vorgenommen wurde, kann als Indiz für das Vorliegen von Besonderheiten auch bereits im streitigen Zeitraum gewertet werden. Die Beklagte wird hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

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Bei der Prüfung, ob eine Praxis in dem beschriebenen Sinne Besonderheiten aufweist, steht der Beklagten kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Einen solchen billigt der Senat in ständiger Rechtsprechung den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Zulassung wegen Sonderbedarfs, der Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis und bei der Erteilung einer Ermächtigung zu (vgl aus jüngster Zeit etwa BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 9, RdNr 18 mwN, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Für diese Entscheidungen ist eine Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich vorzunehmen, wobei eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen ist, die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Eine solche Bewertung ist aber, wie oben dargelegt, hier gerade nicht vorzunehmen. Da es vielmehr auf die ermittel- und nachvollziehbaren besonderen Verhältnisse der einzelnen Praxis im Vergleich zur Fachgruppe ankommt, besteht kein Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrang der KÄV. Ein Beurteilungsspielraum steht der Beklagten daher insoweit nicht zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 16 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 136; Nr 31 S 176).

26

Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von den RLV vorliegen, hat die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang eine Erhöhung der RLV vorzunehmen ist. Ziffer 6.3 HVV letzter Absatz begründet beim Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen ein subjektives Recht des betroffenen Arztes bzw hier der Gemeinschaftspraxis auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der KÄV über die Änderung der RLV (vgl zur Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 175).

27

c. Einer möglichen Erhöhung der RLV steht nicht entgegen, dass die Klägerin Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV erhalten hat. Nach dieser Regelung wurde zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM-Ä 2005 eine Minderung des Fallwertes im Abrechnungsquartal gegenüber dem entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % ausgeglichen (vgl zur Unzulässigkeit der entsprechenden Begrenzung der Fallwerterhöhung BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 38 ff). Derartige Zahlungen waren, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, von zahlreichen Voraussetzungen abhängig, ua auch von einem ausreichenden Honorarvolumen für diese Maßnahme. Sie sollten ohne Bezug zu einer Spezialisierung Verluste gegenüber den Referenzquartalen ausgleichen. Gegenüber der speziellen Vorschrift der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist die allgemeine Ausgleichsregelung der Ziffer 7.5 HVV nachrangig. Berücksichtigung finden die nach Ziffer 7.5 HVV geleisteten Zahlungen aber im Verrechnungswege bei einer etwaigen Honorarnachzahlung, wenn sich eine Erhöhung des RLV ergibt. Insofern ist auch möglich, dass im Hinblick auf bereits gewährte Ausgleichszahlungen eine Erhöhung der Fallpunktzahl ins Leere geht.

28

4. Sollten trotz der oben genannten Indizien die Voraussetzungen der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV nicht vorliegen, wäre grundsätzlich von der Beklagten weiter das Vorliegen eines Härtefalles zu prüfen. Entgegen der Auffassung des LSG ist der HVV nicht wegen Fehlens einer allgemeinen Härteklausel rechtswidrig. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 38; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 42 mwN) ausgeführt, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die Honorarverteilungsbestimmungen hineinzuinterpretieren ist, wenn ein Honorarverteilungsmaßstab (HVM) keine oder eine zu eng gefasste Härteklausel enthält. Es besteht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Als maßgeblichen Gesichtspunkt für die Notwendigkeit einer Härtefallregelung hat der Senat angesehen, dass der Normgeber des HVM nicht alle denkbaren besonderen Konstellationen vorhersehen kann (vgl SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196; BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210: Honorarbegrenzung auf individueller Bemessungsgrundlage). Das gilt in gleicher Weise für die Vertragspartner des HVV. Da die generellen Vorgaben des Bewertungsausschusses damit auch nicht in Frage gestellt werden, steht die Vorrangigkeit der von ihm aufgestellten Regelungen einer ungeschriebenen Härteklausel nicht grundsätzlich entgegen.

29

Eine allgemeine Härteklausel ist auch unter Geltung der RLV erforderlich. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass die Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis einer generellen Härteregelung überwiegend Vergütungssysteme betraf, bei denen die Honorierung nach einer individuellen, am Abrechnungsvolumen von Vorquartalen ausgerichteten Bemessungsgrundlage erfolgte (vgl etwa BSG aaO; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10). Auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich in seinen Grundlagen am Durchschnitt orientiert und damit notwendig nivelliert, ist aber zu berücksichtigen, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles hier eng zu ziehen, weil der HVV bereits in Ziffer 6.3 und Ziffer 7.5 Regelungen enthält, mit denen einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann daher nur noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVV durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht. Es müssten hier sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sein als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehen (vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 40; BSG, Beschlüsse vom 28.10.2009 - B 6 KA 50/08 B - RdNr 11 und vom 8.12.2010 - B 6 KA 32/10 B - RdNr 17 f). Ansonsten könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 148 f: Einziger auch konventionell arbeitender Radiologe im Landkreis).

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Gemessen hieran ist für die Annahme eines Härtefalls nach den bisherigen Feststellungen kein Raum. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin ist nicht ersichtlich. Zwar hat sie in ihrem Antragsschreiben eine Existenzvernichtung angekündigt. Allein die Höhe der ihr gewährten Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV lassen aber eine Existenzgefährdung nahezu ausgeschlossen erscheinen. Die der Klägerin für die streitigen Quartale zugeflossenen Ausgleichszahlungen dürften zwar ihre Verluste gegenüber den Referenzquartalen nicht vollständig ausgeglichen, wohl aber deutlich abgefedert haben. Dass sie sich für die Quartale II/2006 bis IV/2006 Rückforderungen ausgesetzt sieht, weil nach Auffassung der Beklagten im Hinblick auf einen Wegfall der im Referenzquartal erbrachten stationären Leistungen die Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen insoweit nicht vorlagen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch die bestehende Versorgungsstruktur bietet keinen Anhaltspunkt für eine Härtesituation begründende spezielle Umstände.

31

5. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V hier keine Bedeutung hat, weil sie keine Rückwirkung entfaltet. Danach sind nunmehr bei der Honorarverteilung seit dem 1.1.2009 Praxisbesonderheiten und damit atypische Umstände, die eine Abweichung von den generellen Verteilungsregelungen auslösen können, zu berücksichtigen (zum Begriff "Praxisbesonderheit" im Rahmen der Honorarverteilung BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Dass es sich dabei lediglich um eine Klarstellung handeln soll, ist nicht ersichtlich. Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 (Teil F Nr 3.6, DÄ 2008, A-1993; vgl dazu auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Mai 2011, K § 87b RdNr 52 f) können sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben. Dass der Gesetzgeber sich - ex nunc - zu einer ausdrücklichen Berücksichtigung atypischer Umstände veranlasst gesehen hat, bestätigt die oben dargelegte Auslegung dieser Ausnahmeregelung.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 7. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2013 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner neuen Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen.

2

Der Kläger nimmt seit 1980 als hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 16.11.2011 setzte die Prüfungsstelle wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 einen Regress in Höhe von 19 596,24 Euro fest. Mit Bescheid vom 10.5.2012 aus der Sitzung vom 27.3.2012 wies der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch des Klägers zurück. Das SG hat der Klage des Klägers stattgegeben und den Bescheid des Beklagten mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine individuelle Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anzubieten sei(Urteil vom 3.4.2013). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2013).

3

Zur Begründung hat es ausgeführt, § 106 Abs 5e SGB V entfalte im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung. Dem Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-​VStG) sei nicht zu entnehmen, ob diese Regelung auf schon abgeschlossene Prüfzeiträume oder laufende Prüfverfahren anzuwenden sei; eine Übergangsregelung fehle. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimme sich daher nach den allgemeinen für das intertemporale Recht geltenden Grundsätzen. Eine Regelung sei danach nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hätten. Mithin fänden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung die Vorschriften Anwendung, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten hätten.

4

Der Gesetzgeber habe versucht, mit einer Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um einen Satz 7 nachzubessern; Satz 7 gelte jedoch nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung durch Verkündung im Bundesgesetzblatt am 26.10.2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit der Regelung habe klargestellt werden sollen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V verankerte Grundsatz "Beratung vor Regress" auch für bei Inkrafttreten des § 106 Abs 5e SGB V zum 1.1.2012 noch nicht abgeschlossene Richtgrößenprüfungen gelte. Eine Klarstellung setze begrifflich voraus, dass bereits zuvor etwas geregelt gewesen sei, wenngleich missverständlich oder auslegungsbedürftig. Der Bezugspunkt der "Klarstellung", nämlich § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-​VStG vom 1.1.2012, enthalte jedoch keine Rückwirkung. Die Regelung greife für Prüfquartale ab dem 1.1.2012 und nicht schon für solche aus 2009. Demzufolge fehle der vermeintlichen Klarstellung jede Grundlage; sie laufe leer. § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V habe keinen klarstellenden, sondern einen konstitutiven Charakter.

5

Der Bescheid sei auch im Übrigen rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Es sei grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn treffe die Darlegungslast. Dem Kläger habe bereits im Verwaltungsverfahren die Pflicht oblegen, dezidiert eine besondere Patientenstruktur darzulegen und ggf nachzuweisen. Sein pauschales Vorbringen gebe weder Erkenntnisse über den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und damit die Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie noch über die Anzahl dieser Patienten und den damit verbundenen tatsächlichen Mehraufwand. Die beispielhafte Darlegung zu einzelnen Patienten genüge diesen Anforderungen nicht.

6

Mit ihren Revisionen rügen der Kläger sowie die zu 7. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Verletzung von Bundesrecht.

7

Der Kläger führt aus, das LSG gehe ohne Erwägungen zu den unterschiedlichen Grundsätzen intertemporalen Rechts und ohne Subsumtion unter die Voraussetzungen von der Anwendung des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts aus. § 106 Abs 5e SGB V sei jedoch als formelle Verfahrensvoraussetzung einzuordnen mit der Folge, dass das Recht im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gelte. Die Norm stelle keine materiell-rechtliche Vorgabe dar, da sie nicht die Anspruchsvoraussetzungen oder den -inhalt des Regressanspruchs regele, sondern vielmehr einen Verfahrensabschluss - allenfalls eine Rechtsfolge - festlege. Der rechtliche Gehalt des § 106 Abs 5e SGB V werde erst nach der materiellen Anspruchsprüfung relevant, wenn es um die Frage gehe, ob eine Beratung vorgeschaltet werden müsse oder direkt regressiert werden dürfe.

8

Unter Beachtung der Besonderheiten und des Ablaufs des Prüfverfahrens im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei es auch ansonsten richtig und sachgerecht, das Recht im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Anwendung finden zu lassen, wie dies das BSG mit Urteil vom 24.11.1993 (6 RKa 20/91 - SozR 3-2200 § 368n Nr 6) entschieden habe. Das Verfahren zur Feststellung der "Überschreitung" erstrecke sich über den geprüften Zeitraum hinweg bis in die Gegenwart des Verwaltungsverfahrens, weil erst in diesem die Möglichkeit bestehe, Praxisbesonderheiten geltend zu machen. Die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten sei nicht einem nachträglichen Erlöschensgrund für den Regressanspruch gleichzusetzen, sondern hindere bereits das Entstehen des Anspruchs.

9

Soweit das BSG regelmäßig auf den Verordnungszeitraum bzw den Zeitpunkt des geprüften Quartals abstelle, sei dies in dieser Allgemeinheit verfehlt. Solches sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen dann angezeigt, wenn es um inhaltiche Vorgaben zur Verordnungstätigkeit gehe, die der Arzt im Vorfeld kennen müsse; alle anderen Regelungen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, deren rechtstechnischer Inhalt zur Steuerung des Verhaltens des Arztes bei vorheriger Kenntnis der Vorschrift nicht geeignet sei, könnten nicht als materielle Regelungen gelten, bei denen in jedem Fall das zum Prüfzeitraum geltende Recht Anwendung finden müsse.

10

Auch bei Anwendung des Geltungszeitraumprinzips müsse der Grundsatz "Beratung vor Regress" hier angewandt werden, weil die Rechtsentwicklung dafür spreche, die Rechtsänderung mit sofortiger Wirkung auf die laufenden Verfahren anzuwenden. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" habe bereits zuvor gegolten, sei von den Prüfgremien jedoch häufig nicht beachtet bzw umgesetzt worden. Die Umwandlung einer Sollvorschrift in eine Mussvorschrift spreche dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift mit dem Tag des Inkrafttretens habe angewandt wissen wollen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Sofortwirkung der Rechtsänderung vor, da die Rechtsstellung des betroffenen Vertragsarztes durch § 106 Abs 5e SGB V verbessert werde ein etwaiges Vertrauen der Krankenkassen in den Fortbestand der Rechtslage nicht schutzwürdig sei.

11

Die vom Gesetzgeber durch Satz 7 aaO bezweckte Klarstellung laufe gerade nicht leer. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien - im Sinne einer authentischen Auslegung - ausdrücklich betont, dass die Prüfgremien das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht anzuwenden hätten; er selbst interpretiere damit seine Norm im Gefüge des intertemporalen Rechts. Eine echte Rückwirkung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V liege nicht vor. Der dem Regress zugrunde liegende Sachverhalt sei erst mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides abgeschlossen, sodass in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossen worden sei, nicht in einen bereits abgewickelten Sachverhalt eingegriffen werde. Die konkrete Erstattungspflicht entstehe erst mit der Entscheidung der Prüfungsstelle. Eine unzulässige Rückwirkung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Grundsatz "Beratung vor Regress" die Rechtsposition der Vertragsärzte verbessere. Die Rechtsstellung der Krankenkassen sei nicht vor einer Änderung der Rechtslage geschützt, weil sie sich weder auf die Grundrechte noch auf den aus Art 20 Abs 3 GG abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnten.

12

In der Sache habe das LSG zunächst nicht berücksichtigt, dass die Prüfgremien für die Jahre 2006 und 2007 bereits Praxisbesonderheiten - Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter sowie für die Behandlung von Patienten mit psychischen Krankheitsbildern - anerkannt hätten. Da sich das Patientengut nicht verändert habe, hätte es sich dem LSG nahezu aufdrängen müssen, über eine Selbstbindung der Prüfgremien gemäß Art 3 GG nachzudenken. Zumindest müsse den Vorentscheidungen Indizwirkung zugebilligt werden.

13

Das LSG habe zudem zu Unrecht das Vorliegen von Praxisbesonderheiten verneint. Anhand bestimmter nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (engl: International Classification of Diseases and Related Health Problems ) verschlüsselter Diagnosen ließen sich Patienten und Namen herausfiltern und hieraus errechnen, welchen Anteil Patienten mit einer bestimmten Gesundheitsstörung oder mit einer Kumulation bestimmter Gesundheitsstörungen eine Praxis - auch im Vergleich zur Fachgruppe - aufweise. Anhand dieser Zahlen habe er - der Kläger - bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass er mehr Patienten mit bestimmten Gesundheitsstörungen (Gastroösophageale Refluxkrankheit , depressive Episode und nicht primär insulinabhängiger Diabetes ) behandeln müsse als der Fachgruppendurchschnitt. Er habe auch angegeben, welche Medikamente benötigt worden seien; anstelle des Präparatenamens habe er dabei mit der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen-Klassifikation gearbeitet. Zudem habe er den Kausalzusammenhang dargestellt sowie die Mehrkosten beziffert.

14

Damit der "Amtsermittlungsgrundsatz" nicht leer laufe, sei die Mitwirkungspflicht auf solche Tatsachen beschränkt, die der Beweisbelastete auch beibringen könne. Wenn sich aus der Zusammenschau der vom Arzt vorgelegten Informationen zweifelsfrei ergebe, dass dieser denknotwendigerweise höhere Verordnungskosten als der Durchschnitt seiner Fachgruppe haben müsse, dann sei die Grenze des Möglichen für den Arzt erreicht. Es obliege dann den Prüfgremien, Praxisbesonderheiten, die aus Verordnungsdaten oder der Honorarabrechnung unmittelbar erkennbar seien, von Amts wegen weiter nachzugehen.

15

Bei Betrachtung des Gesamtablaufs der in den Jahren 2006 bis 2011 durchgeführten Prüfungen erweise sich das Vorgehen des Beklagten als willkürlich, weil sich weder das Verordnungsverhalten noch der anwaltliche Vortrag geändert habe, während der Beklagte vormalig als substantiiert anerkannten Vortrag in den Folgejahren als unsubstantiiert zurückgewiesen habe, andererseits vormals als unsubstantiiert gewerteter Vortrag in den Folgejahren als substantiiert angesehen werde. Gründe für seinen Sinneswandel habe der Beklagte nicht angegeben. Soweit der Beklagte auf ein Umdenken bezüglich der Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verweise, wäre diese Abkehr von einer zuvor anerkannten rechtlichen Bewertung nur bei entsprechender Begründung bzw Änderung der Rechtslage möglich; an diesen Voraussetzungen fehle es.

16

Zudem verletze das LSG sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG, indem es die Entscheidung des Beklagten, keine weiteren Praxisbesonderheiten anzuerkennen, nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe. Es fehle an einem tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht, denn es sei nicht ersichtlich, welche Informationen den Prüfgremien zur Verfügung stehen sollten, die die Gerichte im Rahmen einer Kontrolle nicht zur Entscheidung heranziehen und auch inhaltlich beurteilen könnten. Schließlich verstoße die Richtgrößenbildung gegen höherrangiges Recht, weil die Richtgrößen seit 2002 nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen bestimmt werden sollten; die Untergliederung allein nach Mitgliedern/Familienversicherten und Rentnern genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht.

17

Die Beigeladene zu 7. schließt sich den Ausführungen des Klägers an. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" finde auch auf Verfahren Anwendung, in denen der Widerspruchsbescheid zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 ergangen sei. Der Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V sei klar und eindeutig und regele den zeitlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des § 106 Abs 5e SGB V ausdrücklich. Auch die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien seien unmissverständlich in dem Sinne, dass der Grundsatz "Beratung vor Regress" ab dem 1.1.2012 für alle laufenden Verfahren gelte.

18

Der Kläger und die Beigeladene zu 7. beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 3.4.2013 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

20

§ 106 Abs 5e SGB V in der Fassung des GKV-VStG könne für Prüfzeiträume vor dem 1.1.2012 keine Geltung beanspruchen. § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V stelle eine materielle Regelung dar, da es sich bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 SGB V um eine Sanktion handele. Auch Systematik und Ablauf einer Wirtschaftlichkeitsprüfung begründeten eine Anwendbarkeit des § 106 Abs 5e SGB V ab dem 1.1.2012 nicht. Die Prüfung setze Maßstäbe und Konsequenzen voraus, an denen der Vertragsarzt seine ärztliche Tätigkeit ausrichten könne und auszurichten habe. Die Beurteilung setze demzufolge auf der zeitgleichen Geltung von Prüfkriterien und Verhalten auf. Dass die Beurteilung von Praxisbesonderheiten systematisch erst im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolge, ändere nichts daran, dass der Erstattungsanspruch grundsätzlich retrospektiv auf der Grundlage der tatsächlichen Behandlungsverhältnisse im jeweiligen Prüfungszeitraum festgestellt werde. Die Neufassung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V gelte nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es hätte einer konstitutiv rückwirkenden Regelung ab 1.1.2012 bedurft, um zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossene Verfahren zu erfassen; eine solche sei in der "Klarstellung zur Rechtslage" nicht zu sehen.

21

Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Entscheidungen der Prüfgremien zu den Jahren 2006 bzw 2007 seien unter keinem Gesichtspunkt präjudiziell. Der für das Jahr 2006 geschlossene Vergleich sei durch Anerkennung der Mehrkosten für additive Schmerztherapie - darunter PPI - bestimmt gewesen; zu den PPI habe jedoch aufgrund von (negativen) Studien im Prüfjahr 2009 ein Umdenken stattgefunden. Die Richtgrößenvereinbarung (RGV) 2009 sehe eine ausreichende - wenn auch grobe - Altersgliederung vor; im Übrigen handele es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollregelung. Entscheidend sei, dass das von den Vertragsparteien vereinbarte Prüfungskonzept insgesamt eine schlüssige Aussage zur Wirtschaftlichkeit bei Überprüfung anhand der Richtgrößensumme erlaube.

22

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

23

Die Revisionen des Klägers und der beigeladenen KÄV sind begründet. Das LSG hat der Berufung des Beklagten zu Unrecht stattgegeben. Der Beklagte muss - wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat - über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 16.11.2011 erneut entscheiden.

24

Zu Recht hat das LSG angenommen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang der Beratung der Regressfestsetzung nicht entgegensteht: Diese Regelung findet auf den angefochtenen Bescheid noch keine Anwendung, da das Verwaltungsverfahren vor Inkrafttreten des die rückwirkende Geltung der Norm anordnenden § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V abgeschlossen war. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit den vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner gastroenterologischen Praxisausrichtung auseinandersetzt.

25

1. Rechtsgrundlage der Festsetzung eines Regresses ist § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(in der ab dem 1.1.2004 geltenden und seither - nahezu - unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens (RGVol) um mehr als 25 vH nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

26

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Bescheid des Beklagten nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anstelle eines Regresses lediglich eine individuelle Beratung hätte festgesetzt werden dürfen.

27

a. Zwar bestimmt § 106 Abs 5e SGB V(in der Fassung des Art 1 Nr 38 Buchst d GKV-VStG vom 22.12.2011 , gemäß Art 15 Abs 1 GKV-VStG am 1.1.2012 in Kraft getreten), dass abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V bei einer erstmaligen Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH eine individuelle Beratung nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V erfolgt(Satz 1 aaO). Der hierdurch vorgegebene Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") findet im zu beurteilenden Prüfverfahren jedoch (noch) keine Anwendung. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 106 Abs 5e SGB V nach seinem Satz 7 auch für (Prüf-)Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Diese Geltungsanordnung wurde erst mit Wirkung zum 26.10.2012 eingefügt (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) und betrifft somit nur Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die nach dem 25.10.2012 ergangen sind. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:

28

§ 106 Abs 5e SGB V in der vom 1.1.2012 bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung war nur für Prüfverfahren maßgeblich, die Prüfzeiträume nach dem Inkrafttreten der Norm betrafen, weil nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das im Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich ist (aa.). Etwas anderes gilt nur, wenn es ausdrücklich angeordnet ist; derartiges war § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung nicht zu entnehmen (bb.). Eine solche ausdrückliche Geltungsanordnung in Bezug auf zurückliegende Prüfzeiträume enthält (erst) der nachträglich (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) angefügte und gemäß Art 15 Abs 1 des Gesetzes am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V; dieser bestimmt, dass Abs 5e aaO auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (cc.). Dem Ergebnis, dass erst Satz 7 aaO eine Rückbezüglichkeit der Regelungen des § 106 Abs 5e SGB V bewirkt hat, stehen auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts nicht entgegen(dd.). § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V war allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten noch nicht in Kraft getreten und daher noch nicht zu beachten(ee.).

29

aa. Für die rechtliche Beurteilung, welche Rechtsfolgen sich aus einer Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH ergeben, ist grundsätzlich das im jeweiligen Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich; bis zum Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V galt dies auch für die Anwendung des § 106 Abs 5e SGB V.

30

(1) Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Danach sind für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist.

31

Auf diese Entscheidung hat der Senat nachfolgend Bezug genommen und - konkret auf § 106 Abs 5e SGB V bezogen - ausgeführt, dass diese Vorschrift nur für Prüfverfahren gilt, die Zeiträume nach ihrem Inkrafttreten betreffen(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12). Zu ergänzen ist, dass der Senat in zahlreichen Entscheidungen zu § 106 SGB V auf das für den jeweiligen Prüfzeitraum maßgebliche Recht abgestellt hat, auch ohne dies näher zu begründen(vgl aus jüngerer Zeit zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 10; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 12).

32

(2) Etwas anderes gilt nach der Senatsrechtsprechung lediglich dann, wenn es um die Gestaltung des Prüfverfahrens als solches geht, etwa wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 unter Bezugnahme auf BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert. Dies betrifft etwa Regelungen über die Zuständigkeit, die Besetzung von Verwaltungsstellen, das Verfahren bzw die Form von Entscheidungen. Verfahrensvorschriften werden nach allgemeinen Grundsätzen mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar wirksam (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9).

33

Bei der in § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V normierten Suspendierung von Regressen, denen keine Beratung vorangegangen ist, handelt es sich jedoch nicht um derartige Verfahrensvorschriften. Vielmehr betrifft die Regelung die Durchführung des Prüfverfahrens als solches und damit materielles Recht (so auch Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 106 RdNr 33; zur Annahme einer materiell-rechtlichen Regelung neigt auch Weinrich, GesR 2014, 390, 394; vgl auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 238): Der Grundsatz "Beratung vor Regress" lässt sich den in der (zitierten) Senatsrechtsprechung angesprochenen "Grundsätzen" zuordnen, "nach welchen ... diese Prüfung stattfindet". Das ergibt sich schon daraus, dass die "Beratung" nach Überschreitung des RGVol eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung darstellt, die der Arzt gerichtlich überprüfen lassen kann (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 10 f), die also ersichtlich nicht nur verfahrenstechnische Bedeutung hat. Unabhängig davon, ob man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V als Regelung der Voraussetzungen für die Festsetzung von Regressen versteht (nur bei mehrmaliger Überschreitung zulässig) oder als Regelung der Voraussetzungen für die Durchführung einer Beratung (nur bei erstmaliger Überschreitung), bestimmt die Norm die Voraussetzungen, unter denen eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen kann bzw muss. Versteht man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V hingegen allein als Regelung einer Rechtsfolge, indem vorgegeben wird, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsfolge "Regressfestsetzung" durch die Rechtsfolge "Beratung" ersetzt wird, ändert sich nichts: Die Rechtsfolge ist - quasi als "Kehrseite" der Tatbestandsvoraussetzungen - Teil des materiellen Rechts.

34

(3) Der Maßgeblichkeit des im Prüfungszeitrum geltenden Rechts steht auch nicht entgegen, dass üblicherweise bei einer Anfechtungsklage als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Begründetheit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw des Widerspruchsbescheides angenommen wird (vgl die Nachweise bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33). Zunächst ist dem geltenden Recht kein "allgemeiner Grundsatz" zu entnehmen, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen (zwingend) die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist (so schon BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17). Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts entspricht lediglich einer "Faustregel" mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17; BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 12 mwN; in diesem Sinne auch BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 = Juris RdNr 10).

35

Zudem kommt für die materiell-rechtlichen Regelungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage schon aus Sachgründen nicht in Betracht. Bei den im Falle eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verhängten Prüfmaßnahmen handelt es sich um Reaktionen auf ein nicht den gesetzlichen (konkret den § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V)und den vertraglichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Arztes. Daher muss der Vertragsarzt bereits zu Beginn des jeweiligen Prüfzeitraums erkennen können, welche Regelungen für ihn insoweit maßgeblich sind, da er nur so sein Verhalten darauf einstellen kann. Es liegt auf der Hand, dass das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten eines Arztes nicht nach Maßstäben beurteilt werden kann, die erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten sind, bei Vornahme der - den Gegenstand der Prüfung bildenden - Verordnungen aber noch nicht galten. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 24.11.1993 für die rechtliche Beurteilung einer auf die Behandlungsweise bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt hat (siehe BSG SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 13 f), hält er hieran nicht mehr fest.

36

bb. Nach der Rechtsprechung des Senats wie auch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts (siehe 2.b.dd) kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Prüfungszeitraum gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Dass § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung auch für Prüfverfahren Geltung besitzen sollte, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, ist jedoch weder der Norm selbst noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Das Gesetz enthält insoweit keinerlei Regelungen, die die Anwendung der Norm auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anordnen; auch der Gesetzesbegründung zum GKV-VStG lässt sich kein dahingehender Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass das neue Recht mit sofortiger Wirkung auf alle noch "offenen" Prüfverfahren Anwendung finden sollte, da sie sich hierzu überhaupt nicht verhält. Die im Zusammenhang mit der nachträglichen Einfügung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V geäußerte gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers ("Klarstellung") vermag hieran nichts zu ändern(siehe hierzu <2.b.cc.(1)>).

37

cc. Eine gesetzliche Anordnung des Inhalts, dass der Beratungsvorrang auch auf Prüfverfahren Anwendung finden soll, die bereits abgeschlossene Prüfzeiträume betreffen, enthält erst der am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V. Dieser bestimmt, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang einer individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung für alle Verfahren der Richtgrößenprüfung gilt, die nicht bis zum 31.12.2011 durch einen Bescheid des Beschwerdeausschusses abgeschlossen waren (zur Verneinung einer verfassungswidrigen Rückwirkung zu Lasten der Krankenkassen siehe das Urteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 23 ff).

38

(1) § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V enthält allerdings keine bloße Klarstellung, sondern eine Änderung der Rechtslage in Form einer ausdrücklichen - konstitutiven - gesetzlichen Geltungsanordnung(in diesem Sinne bereits Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218b; siehe auch SG Marburg Beschluss vom 16.12.2013 - S 12 KA 565/13 ER - Juris RdNr 18: "rückwirkend … in Kraft gesetzt …"; zweifelnd auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12: "(unterstellt) klarstellende Neuregelung"; aA Weinrich, GesR 2014, 390, 394; Christophers, ZMGR 2014, 11, 13). Zwar heißt es in der Satz 7 aaO betreffenden Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95): "Klarstellung zur Rechtslage. Der Grundsatz 'Beratung vor Regress' gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-​VStG am 1. Januar 2012 für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Prüfgremien - auch soweit sie zurückliegende Prüfzeiträume betreffen." Diese Annahme geht jedoch fehl.

39

Eine Klarstellung setzt voraus, dass etwas dem Grunde nach bereits angelegt ist und nur vorsorglich noch einmal verdeutlicht werden soll, dass dies so ist. Dies ist in Bezug auf die in Satz 7 aaO getroffene Regelung, dass § 106 Abs 5e SGB V auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren, jedoch nicht der Fall. § 106 Abs 5e SGB V fand - vor Einfügung des Satzes 7 aaO als einer ausdrücklichen Geltungsanordnung - gerade keine Anwendung auf Verfahren, welche vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, weil nach der Rechtsprechung des Senats für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das im jeweiligen Prüfzeitraum geltende Recht maßgeblich ist und § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung keinerlei Anhaltspunkte für eine rückbezügliche Wirkung der Norm enthielt.

40

Die Auffassung des Gesetzgebers, eine Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich (BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 47 = BGBl I 2014, 255, unter Hinweis auf BVerfGE 126, 369, 392). Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des BVerfG ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe, denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen (BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37). Eine vom Gesetzgeber beanspruchte Befugnis zur "authentischen" Interpretation wird daher von der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht anerkannt (vgl BVerfGE 65, 196, 215; BVerfGE 111, 54, 107; BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013, aaO, RdNr 48). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Regelung konstitutiv ist oder nur klarstellt, was nach Ansicht des Gesetzgebers ohnedies gegolten hat (BVerfGE 126, 369, 392). Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (BVerfGE 131, 20, 37 f; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 52, 55 f = BGBl I 2014, 255). Dies ist vorliegend der Fall.

41

(2) Regelungsinhalt des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist es, anzuordnen, dass die in den vorangehenden Sätzen des Abs 5e aaO enthaltenen Regelungen auch für (Prüf-)Verfahren gelten, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Unter "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist das Verwaltungsverfahren zu verstehen. Zwar ließe der Gesetzeswortlaut eine Auslegung dahingehend zu, dass Verfahren jeder Art - dh sowohl das Verwaltungsverfahren als auch das Gerichtsverfahren - erfasst werden sollen. Jedoch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, dass die Geltungsanordnung nicht bereits bei Gericht anhängige Verfahren erfassen soll (ebenso LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.2.2013 - L 5 KA 222/13 ER-B - Juris RdNr 36; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218c; siehe auch Weinrich, GesR 2014, 390). Dass mit dem Begriff "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V allein das Verwaltungsverfahren gemeint ist, folgt bereits daraus, dass sich die Regelung an die Prüfgremien - dh an die "Verwaltung" - richtet(Engelhard aaO). Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) verdeutlicht, dass die Neuregelung für ein bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenes Widerspruchsverfahren nicht gilt, "auch wenn eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses noch anhängig ist".

42

Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass "insoweit" die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze gelten, dürfte der Gesetzgeber den "Grundsatz" (bzw die "Faustregel") im Blick gehabt haben, dass der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich ist; dies bestätigen die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung (aaO), dass die Prüfgremien "das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" anzuwenden hätten. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, dass mit "Verfahren" nur das Verwaltungsverfahren gemeint ist. Das Verwaltungsverfahren wiederum umfasst sowohl das Verfahren vor der Prüfungsstelle als auch das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, da es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 22 mwN).

43

"Abgeschlossen" ist das Verfahren mit seiner "Beendigung", im verfahrensrechtlichen Sinne also - sofern es sich nicht anderweitig erledigt oder beendet wird - mit Erlass des Verwaltungsaktes (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13 und § 18 RdNr 1), das Widerspruchsverfahren entsprechend mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Darauf, ob das Verfahren "bestandskräftig" abgeschlossen ist, kommt es nicht an (so zutreffend Mutschler in Kasseler Komm, § 8 SGB X RdNr 11, unter Hinweis darauf, dass die Behörde nach dem Erlass des Verwaltungsaktes nichts mehr tun kann; ebenso Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13). Somit findet die Neuregelung dann keine Anwendung, wenn ein - verwaltungsverfahrensrechtlich vor dem in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V genannten Zeitpunkt abgeschlossenes - Verfahren durch gerichtliche Entscheidung zur erneuten Entscheidung an den Beschwerdeausschuss zurückverwiesen wird(Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218d), da es allein darauf ankommt, ob das Widerspruchsverfahren bei Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossen war oder nicht.

44

dd. Eine Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Rechts führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keiner anderen Beurteilung.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des BSG gilt bei Rechtsänderungen grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden; spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandene Lebensverhältnisse unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt (vgl zB BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt; dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw auszulegen ist (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21).

46

(2) Nach diesen - wegen der Besonderheiten des Vertragsarztrechts ohnehin nur sinngemäß übertragbaren - Maßstäben entspricht die Rechtsprechung des Senats zur Anwendbarkeit des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts dem Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Die Anwendung des Grundsatzes der sofortigen Anwendung des neuen Rechts kommt aus den bereits oben dargestellten Gründen nicht in Betracht, weil dem Gesetz - vor Einfügung des Satzes 7 aaO - weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen war, dass die Regelungen über den Vorrang der Beratung auch auf abgeschlossene Prüfzeiträume Anwendung finden sollten. Soweit in einzelnen - vom Kläger herangezogenen - Entscheidungen des BSG abweichende Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind, ist dies auf Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zurückzuführen.

47

ee. § 106 Abs 5e SGB V findet jedoch auch unter Berücksichtigung seines Satzes 7 ausschließlich auf (Prüf-)Verfahren Anwendung, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Da Satz 7 aaO mit Wirkung zum 26.10.2012 in Kraft getreten ist, entzieht er den vor seinem Inkrafttreten nach altem Recht ergangenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse nicht die Grundlage; eine derartige Regelungsabsicht hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden:

48

Zwar enthält § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V eine ausdrückliche Geltungsanordnung des Inhalts, dass § 106 Abs 5e SGB V - entgegen der Rechtsprechung des Senats zum jeweils maßgeblichen Recht - auch auf Prüfzeiträume Anwendung findet, die vor dem Inkrafttreten des Abs 5e am 1.1.2012 liegen, sofern die betreffenden Prüfverfahren am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Jedoch ist der Normbefehl insoweit nicht eindeutig, als Prüfverfahren betroffen sind, in denen die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses zwar nach dem 31.12.2011, jedoch vor Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 - dem auf die Verkündung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag (vgl Art 15 Abs 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften) - ergangen ist. Der Norm selbst kann zwar der Wille des Normgebers entnommen werden, auch diese Konstellationen in die begünstigende Wirkung des § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V einzubeziehen; dieser Annahme steht jedoch die Regelung zum Inkrafttreten der Geltungsanordnung am 26.10.2012 wie auch die Gesetzesbegründung selbst entgegen.

49

Der Gesetzgeber hätte § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V rückwirkend zum 1.1.2012 in Kraft setzen und damit auch solchen, das Verfahren abschließenden Entscheidungen aus der "Zwischenzeit" die rechtliche Basis - soweit es auf die Beratung ankommt - entziehen können. Das hat er jedoch nicht getan. Zudem hat der Gesetzgeber in der Begründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) darauf hingewiesen, dass er seine Regelung auf "noch nicht abgeschlossene Verfahren" beschränken will; auch hat er betont, dass die Prüfgremien das "zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" an​zuwenden haben. Dabei ist möglicherweise nicht hinreichend gesehen worden, dass die Beschwerdeausschüsse bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 aaO Verfahren "abschließen" und dabei das zum Zeitpunkt des jeweiligen Quartals geltende Recht anwenden mussten. Eine Regelungsabsicht, auch den auf dieser Basis ergangenen Bescheiden, die durchaus schon bestandskräftig geworden sein konnten, nachträglich rückwirkend die Grundlage zu entziehen, hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. In den Gesetzesmaterialien fehlen Hinweise, wie insoweit mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden umgegangen werden soll, also ob § 44 Abs 2 SGB X eingreifen oder die betroffenen Ärzte die Vollstreckung der Regresse der KÄV zugunsten der Krankenkassen mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen abwehren können sollen, und ob schon bezahlte Regresse rückabgewickelt werden müssen. Deshalb ist Satz 7 aaO so zu verstehen, dass der Vorrang der Beratung nach § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V nicht für solche Verfahren gilt, die vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen und in denen die abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses vor dem Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 ergangen ist. Davon ist der hier zu entscheidende Fall erfasst, weil der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 10.5.2012 dem Kläger am 11.5.2012 bekanntgegeben wurde.

50

b. Auf die Frage, ob der Kläger sein RGVol im streitbefangenen Jahr 2009 überhaupt "erstmalig" überschritten hat, kommt es angesichts des Umstandes, dass die Norm keine Anwendung findet, nicht an (zu den Anforderungen an eine "erstmalige" Überschreitung siehe Senatsurteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 58 ff).

51

3. Im Ergebnis hat das SG den Bescheid des Beklagten jedoch zu Recht aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verpflichtet, weil sich der Bescheid in der Sache wegen eines Begründungsmangels als rechtswidrig erweist.

52

a. Die - erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachten - Bedenken des Klägers gegen die Wirksamkeit der hier maßgeblichen RGV unter dem Aspekt der unzureichenden "altersgemäßen Gliederung" hält der Senat allerdings nicht für durchgreifend. § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V(in der ab dem 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets ) bestimmt, dass die Vertragspartner der RGV die (arztgruppenspezifischen und fallbezogenen) Richtgrößen zusätzlich nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen sollen. Die Vertragspartner sollen damit die Richtgrößen weiter ausdifferenzieren, um so eine stärker auf die Einzelpraxis ausgerichtete Berücksichtigung der medizinischen Behandlungserfordernisse zu erreichen (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309, S 9 zu § 84 Abs 6). Diese Regelung wird durch § 84 Abs 7 Satz 5 SGB V ergänzt, der vorgibt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit verbindlicher Wirkung für RGVen nach § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V die altersgemäße Gliederung der Patientengruppen bestimmen sollen.

53

Die auf dieser Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben der Spitzenorganisationen auf Bundesebene sehen hierzu eine Gliederung in vier Altersgruppen vor (siehe § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Anlage 2 der Rahmenvorgaben für das Jahr 2002, DÄ 2002, A 1540). In der hier maßgeblichen RGV wird demgegenüber nur - relativ grob - zwischen den Gruppen der Mitglieder/Familienversicherten und der Rentner unterschieden (siehe Anlage B zur RGV, Rheinisches Ärzteblatt 2009, 87). Dies ist jedoch noch hinnehmbar (aA SG Dresden Urteile vom 11.12.2013 - S 18 KA 31/10 ua - Juris), zum einen, weil es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollvorschrift handelt, zum anderen, weil die Rahmenvorgabe keine strikte Verpflichtung enthält, eine solche Regelung in die regionalen RGVen aufzunehmen: Gemäß § 2 Abs 2 Satz 3 der Rahmenvorgaben sind Abweichungen "hiervon" - dh von der in § 2 Abs 2 Satz 1 aaO vorgegebenen Altersgliederung - zulässig, "bis Satz 2 erfüllt ist". Nach Satz 2 aaO streben die Vereinbarungspartner an, noch im Jahr 2002 die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Verordnungsdaten und Fallzahlen entsprechend (der vorgegebenen Altersgliederung) geliefert werden können. Nachdem inzwischen die Unsicherheiten darüber, ob die Vertragspartner eine solche feinere Unterscheidung auf der Basis der von den Krankenkassen zu liefernden Daten (§ 296 SGB V) umsetzen können, beseitigt sind - so werden in den in B. und T. geltenden RGVen vier bzw sechs Kohorten unterschieden -, werden die regionalen Vertragspartner bis Ende des Jahres 2015 die RGVen der Rahmenempfehlung anzupassen haben, soweit sich das nicht als undurchführbar erweist; das wäre indessen konkret und nicht nur pauschal zu belegen.

54

b. Teilweise begründet sind die Einwände des Klägers allerdings, soweit er eine unzureichende Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten bzw eine unzureichende Begründung dazu rügt.

55

aa. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V kommt eine Erstattung von Mehraufwand nur in Betracht, wenn die Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf - bzw Verordnungsbedarf - des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14).

56

bb. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsge-mäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvoll-ziehbar ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger erhobenen Einwände fest.

57

Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es nicht an einem "tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht". Der Senat räumt den Prüfgremien in ständiger Rechtsprechung deshalb einen Beurteilungsspielraum ein, weil sich die die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise betreffenden Fragen zum Teil nur im Rahmen einer fachkundigen Beurteilung beantworten lassen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106). Ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien besteht nicht generell hinsichtlich aller Fragen der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung, sondern nur in Bezug auf solche Fragestellungen, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedürfen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Zu diesen Fragestellungen zählt der Senat insbesondere - für den Bereich der Richtgrößenprüfungen aber auch ausschließlich - die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 16 - jeweils zur Richtgrößenprüfung).

58

Fehl geht auch der Einwand des Klägers, der Senat verletze mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG. Dabei beachtet der Kläger nicht hinreichend, das die Prüfgremien erheblichen Begründungsanforderungen unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11), deren Beachtung von den Gerichten vollständig zu überprüfen ist. Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).

59

cc. Der Senat hält auch daran fest, dass der Umstand, dass die Prüfgremien für vorangegangene Prüfzeiträume Praxisbesonderheiten anerkannt hatten, nicht die Entscheidung präjudiziert, ob der Vertragsarzt in dem aktuell zur Beurteilung anstehenden Prüfzeitraum wirtschaftlich behandelt oder verordnet hat (zu hieraus folgenden Begründungsanforderungen siehe jedoch RdNr 64 <3.b.dd. (2)(a)>). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Prüfgremien für jedes Quartal erneut und gesondert eine Prüfung der Voraussetzungen des § 106 SGB V und eine Abwägung hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen vornehmen müssen(BSG USK 82196 S 897; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 235; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 20). Ebenso entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich der Vertragsarzt nicht auf einen Vertrauensschutz der Art berufen kann, dass es in vorangegangenen Quartalen zu keinen Honorarkürzungen gekommen und er daher davon ausgegangen sei, dass es auch in Zukunft zu keinen Honorarkürzungen kommen werde (BSG USK 97124; BSGE 78, 278, 283 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 198). Aus welchen Gründen keine Honorarkürzungen erfolgt sind - ob dies also auf der Anerkennung von Praxisbesonderheiten beruhte oder darauf, dass überhaupt kein Prüfverfahren durchgeführt wurde - ist insoweit ohne Bedeutung.

60

dd. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit der vom Kläger geltend gemachten gastroenterologischen Ausrichtung der Praxis auseinandersetzt.

61

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225). Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 224).

62

(2) Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Eingehenderer Ausführungen hätte es zum einen schon deswegen bedurft, weil der Beklagte in der Vergangenheit (insbesondere) für diesen Tätigkeitsschwerpunkt Praxisbesonderheiten anerkannt hatte (a). Zum anderen ist der Vortrag des Klägers zumindest in Bezug auf einen gastroenterologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint (b).

63

(a) Der Beklagte hatte für vorangehende Prüfungszeiträume das Vorliegen von Praxisbesonderheiten anerkannt. So ist nach den übereinstimmenden Angaben der Hauptbeteiligten jedenfalls im Bereich der Gastroenterologie eine Praxisbesonderheit gesehen worden; ob sich dies - so der Beklagte - allein auf die Anerkennung von Mehrkosten für additive Schmerztherapie bezog oder - wie der Kläger vorträgt - generell auf Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter, kann insoweit dahingestellt bleiben.

64

Haben die Prüfgremien in vorangegangenen Prüfzeiträumen Praxisbesonderheiten anerkannt, kann deren Vorliegen in nachfolgenden Prüfverfahren nicht pauschal unter Hinweis auf die grundsätzlich den Vertragsarzt treffende Darlegungs- und Feststellungslast (siehe hierzu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 mwN)verneint werden. Der Vertragsarzt erfüllt in derartigen Fällen die ihm obliegende besondere Mitwirkungspflicht (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40) bereits durch den Vortrag, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Praxis nicht verändert haben. Dann ist es Aufgabe der Prüfgremien, sich von Amts wegen mit den - als "offenkundig" im Sinne der Senatsrechtsprechung anzusehenden (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 43-44)- Umständen auseinanderzusetzen, die in der Vergangenheit zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit geführt haben. Es bedarf konkreter Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Prüfgremium nunmehr das Vorliegen solcher Praxisbesonderheiten verneint.

65

Es gehört zum Pflichtenkreis der Prüfgremien, eine Änderung ihrer Spruchpraxis in einer für die betroffenen Vertragsärzte nachvollziehbaren Weise zu begründen, da die Regressfestsetzung nur so die ihr immanente Beratungsfunktion erfüllen kann. Verhaltenssteuernde Wirkung kommt den Richtgrößen bzw den im Falle ihrer Überschreitung verhängten Sanktionen nur dann zu, wenn dem Vertragsarzt die maßgeblichen Umstände bekannt sind, sodass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Zu diesen Umständen gehört neben der Höhe des RGVol auch, ob bzw in welchem Umfang die Prüfgremien eine Überschreitung des RGVol als durch Praxisbesonderheiten begründet bzw gerechtfertigt ansehen. Daher erfordert die "Aberkennung" von Praxisbesonderheiten, dass die hierfür maßgeblichen Gründe dem Vertragsarzt bekanntgegeben werden. Derartige Ausführungen sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen.

66

(b) Unabhängig davon hätte der Vortrag des Klägers - jedenfalls in Bezug auf die im Bereich der Gastroenterologie geltend gemachten Besonderheiten - ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist.

67

Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 f mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14) die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt. Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv die Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt.

68

Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, bei den vermehrten Zuweisungen zur Gastroskopie handele es sich um Zuweisungen zur Diagnostik; die hiermit im Zusammenhang verordneten PPI würden für einen hausärztlich tätigen Internisten als fachgruppentypisch angesehen. Die Einzelfallschilderungen besonders kostenintensiver Patienten seien unsubstantiiert vorgetragen worden. Der Widerspruchsführer könne den erforderlichen Nachweis mit der eingereichten Einzelfalldarstellung nicht in der durch § 5 Abs 5 RGV geforderten dezidierten Form erbringen. Patientenlisten mit Diagnosen und Leistungsziffernstatistik gäben nur Auskunft über die Situation in der Praxis und belegten nicht, welche Abweichungen sich ggf gegenüber den Praxen der Vergleichsgruppe ergäben. Diese Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind.

69

In Bezug auf seinen gastroenterologischen Tätigkeitsbereich ist der Kläger seiner Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem er dargelegt und durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass seine (hausärztliche) Praxis einen gastroenterologischen Schwerpunkt hat. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem im Vergleich zu seiner Fachgruppe - den hausärztlich tätigen Internisten - signifikant erhöhten Anteil von Patienten mit Refluxkrankheit (Abweichung um mehr als 300 %), sowie daraus, dass er "Ösophago-Gastroduodenalen Komplex" doppelt so häufig abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Auch die Anzahl der von ihm durchgeführten Gastroskopien deutet auf ein von der Fachgruppe abweichendes Patientengut hin, weil Gastroskopien regelmäßig von im fachärztlichen Versorgungsbereich tätigen Internisten durchgeführt werden.

70

Diese für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf Diagnostik und Therapie von Refluxkrankheiten könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei Patienten mit der Diagnose "Refluxkrankheit" und/oder bei Patienten, bei denen eine Magenspiegelung durchgeführt wird, ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel. Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der - ohnehin auf "Zuweisungen zur Gastroskopie" beschränkte - Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf (insbesondere) an PPI besteht, könnte naheliegen.

71

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten. Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend geschehen.

72

Soweit der Kläger weitere Praxisbesonderheiten in anderen Behandlungsgebieten als der Gastroenterologie geltend macht, ist sein Vorbringen von vornherein nicht ausreichend, um das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zu begründen. In Bezug auf die höhere Anzahl von Patienten mit Depressionen und mit nicht primär insulinabhängigem Diabetes stellt der geltend gemachte Mehraufwand im Verordnungsbereich nicht mehr als eine Behauptung dar; soweit er einen Schwerpunkt bei Patienten mit metabolischem Syndrom geltend macht, wird dies allein durch die angegebenen vier Beispielsfälle nicht belegt.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Beklagte die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., da diese keine Anträge gestellt haben.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine aus zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis, wendet sich gegen die Festsetzung einer Beratung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aufgrund von Richtgrößen für das Jahr 2006.

2

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkasse Sachsen setzte mit Bescheid vom 20.11.2008 gegen die Klägerin wegen Überschreitung der Richtgröße der Fachärzte für Allgemeinmedizin einen Regress in Höhe von 2789,37 Euro fest. Ihre Verordnungskosten hätten im Jahr 2006 einschließlich Sprechstundenbedarf brutto 767 142,29 Euro betragen bei einem Richtgrößenvolumen von 502 227,56 Euro. Eine Summe in Höhe von 126 745,27 Euro brachte die Prüfungsstelle in Abzug, weil sie Verordnungen für Indikationsgebiete betrafen, die als Praxisbesonderheiten in der Prüfungsvereinbarung festgelegt waren, etwa die Schmerztherapie mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln. Weitere 7900,76 Euro zog die Prüfungsstelle für Mehraufwendungen für Antidementiva ab, weil ein erhöhter Anteil an Demenzpatienten festgestellt worden war (6,8 % gegenüber 1,3 % in der Vergleichsgruppe). Soweit die Klägerin sich darauf berufen habe, dass sie eine Vielzahl von Pflegeheimpatienten behandele, habe sie weder zu den von ihr namentlich benannten 20 Patienten, die Verordnungskosten von mehr als 2000 Euro verursacht hätten, noch zu den 200 pauschal angegebenen Pflegeheimpatienten Angaben zu Indikation, Diagnose, Name der Versicherten, Krankenkassenversichertennummer, verordneten Arzneimitteln sowie Menge und Quartalskosten der Einzelmedikamente gemacht. Soweit der durchschnittliche Rentneranteil der Fachgruppe um 25 % überschritten sei, sei dies mit der höheren Richtgröße für Rentner berücksichtigt worden. Es verbleibe eine Überschreitung der gewichteten Richtgröße von 25,92 %.

3

Auf den Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie erneut auf die Praxisbesonderheit "Heimbetreuung" verwies, hob der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 7.8.2009 aus der Sitzung vom 27.5.2009 den Regress auf und setzte eine Beratung fest. Er führte ua aus, Pflegeheimpatienten könnten wegen einer aufwendigen Betreuung eine Besonderheit darstellen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei aber nicht ersichtlich, dass tatsächlich 200 Patienten in Pflegeheimen betreut würden. Die Nennung von 20 namentlich benannten besonders kostenintensiven Patienten - davon 17 Pflegeheimpatienten - könne nicht ohne Weiteres zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Es wäre vielmehr Pflicht der Klägerin gewesen, die behaupteten Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach schlüssig darzulegen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Nach eingehender Prüfung werde für insgesamt 11 der 20 namentlich genannten Patienten ein Mehraufwand in Höhe von 25 043,35 Euro zusätzlich anerkannt. Zur Ermittlung möglicher Praxisbesonderheiten sei ein Vergleich der häufigsten Diagnosen in den allgemeinmedizinischen Praxen in Sachsen mit der klägerischen Praxis vorgenommen worden, der lediglich bei zwei Positionen - bei den somatoformen Störungen und der Herzinsuffizienz - eine geringe positive Abweichung gegenüber der Fachgruppe ergeben habe. Von einem besonderen Klientel könne deshalb nicht ausgegangen werden. Nach Abzug der bereits von der Prüfungsstelle anerkannten und der im Widerspruchsverfahren festgestellten Praxisbesonderheiten in Höhe von insgesamt 159 789,16 Euro verbleibe eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens von 20,93 %, sodass eine Beratung festzusetzen sei.

4

Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 20.6.2012 die Klage abgewiesen. Der auf die Richtgrößenwerte der Richtgrößenvereinbarung 2006 gestützte Regress sei rechtmäßig. Zwar sei diese Richtgrößenvereinbarung nicht rechtzeitig zu Jahresbeginn vereinbart und bekanntgemacht worden. Ihre Anwendung benachteilige die Klägerin jedoch nicht, weil für 2006 höhere Richtgrößen vereinbart worden seien als für 2005. In der Sache sei die Entscheidung des Beklagten rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Hierfür reiche es nicht aus, wenn der geprüfte Arzt lediglich eine Patientenliste mit der Angabe von Diagnosen und Behandlungen vorlege. Der Beklagte habe dem naheliegenden Gedanken Rechnung getragen, dass bei der Betreuung von Patienten in Pflegeheimen verstärkt Patienten mit Demenzerkrankung vorhanden sein könnten und habe die sich hieraus ergebenden Mehrkosten anerkannt. Bezüglich der namentlich genannten Patienten habe er darüber hinaus Art und Umfang der verordneten Arzneimittel bewertet und weitere 25 043,35 Euro in Abzug gebracht. Für weitere in Pflegeheimen betreute Patienten sei dies schon deshalb nicht möglich gewesen, weil die Klägerin lediglich eine Anzahl angegeben habe, aber keine weiteren Patienten mit Namen bezeichnet habe. Allein die Unterbringung eines Patienten in einem Pflegeheim rechtfertige nicht die Anerkennung als Praxisbesonderheit mit Abzug eines pauschalen Verordnungsvolumens, für dessen Bemessung überdies keine Anhaltspunkte vorlägen. Eine weitere Substantiierung von Praxisbesonderheiten sei der Klägerin auch nicht unzumutbar gewesen.

5

Zur Begründung ihrer Sprungrevision trägt die Klägerin vor, der Umfang der ihr auferlegten Darlegungspflichten sei rechtswidrig. Die erforderliche Behandlungsintensität bei den betreuten Pflegeheimpatienten stelle per se eine anerkennungswürdige Praxisbesonderheit dar. Von den Prüfgremien seien ihr nur lückenhafte Informationen zur Verfügung gestellt worden, nämlich Dokumentationen ohne Klarnamen der Patienten sowie Vermerke von Pharmazentralnummern für Medikamente. Anhand dieser Daten habe sie ihrer Darlegungslast nicht nachkommen können. Andererseits seien die Anhaltspunkte für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit evident gewesen. Diese Erkenntnisse hätten die Prüfgremien aber nicht zum Anlass genommen, ihrer Amtsermittlungspflicht zu genügen. Sie fügt eine Aufstellung von 211 Patienten bei, die sie im Jahr 2013 in einem Seniorenheim betreut habe und deren Altersdurchschnitt 85,36 Lebensjahre betragen habe. Allein durch die im Vergleich zu den Mitgliedern höhere Richtgröße für Rentner seien die höheren Kosten für Pflegeheimbewohner nicht ausreichend berücksichtigt. Etwa ab dem 75. Lebensjahr sei ein überproportionaler Anstieg der Verordnungskosten zu verzeichnen, sodass es einer weiteren Differenzierung bedürfe. Bei Heimbewohnern werde auch ausschließlich der das Heim betreuende Arzt für Verordnungen in Anspruch genommen. Es wäre sachwidrig, wenn der ein Heim versorgende Arzt für jeden Einzelfall die Besonderheit begründen müsse. Die systematische Besonderheit ergebe sich bereits aus dieser speziellen Patientengruppe, für die höhere Kosten anfallen würden. Die Prüfgremien seien verpflichtet, eine eigene Vergleichsgruppe für die Ärzte zu bilden, die Pflegeheimpatienten betreuen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20.6.2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7.8.2009 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Da den Prüfgremien die Adressen der Versicherten nicht vorlägen, sei die Unterbringung in einem Heim nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es sei Sache des Vertragsarztes, die entsprechenden Angaben vorzutragen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu Recht abgewiesen.

10

1. Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid formell beschwert iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG und damit klagebefugt. Sie erstrebt die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme, die sie als rechtswidrig beanstandet (vgl BSGE 90, 127, 130; zur Klagebefugnis allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 9 bis 12a mwN). Ein nachteiliges Einwirken auf die Rechtssphäre der Klägerin fehlt nicht etwa deshalb, weil der angefochtene Bescheid keine materielle Ausgleichspflicht festsetzt, sondern nur eine immaterielle Maßnahme der "Beratung". Auch bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 SGB V handelt es sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine Sanktion im Falle der Überschreitung des Richtgrößenvolumens. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Richtgrößen nach der Intention des Gesetzgebers eine Steuerungsfunktion zukommt und dies im Wortlaut des § 84 Abs 6 Satz 3 SGB V zum Ausdruck kommt. Danach leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Leistungen nach § 31 nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Steuerungsfunktion wird über die Wirtschaftlichkeitsprüfungen abgesichert (vgl BT-Drucks 12/3608 S 100 Zu Nummer 56 <§ 106> Zu Buchst f). Mit der Übertragung der Verantwortung für die Information und Beratung der Vertragsärzte über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der von ihnen verordneten Leistungen auf die Prüfgremien verband der Gesetzgeber die Vorstellung, erhebliche Wirtschaftlichkeitspotentiale zu aktivieren und die Versorgungsqualität zu verbessern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 113 Zu Nummer 82 <§ 106> Zu den Buchst a und b). Wie jede Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung zielt auch die Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 SGB V letztlich auf eine Verhaltensänderung. Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme steht im Ermessen der Prüfgremien (vgl BT-Drucks 14/6309 S 11 Zu Nummer 4 <§ 106> Zu Buchst b), soweit die Partner der Gesamtverträge keine Bestimmungen in den Prüfungsvereinbarungen treffen. Dem Sinn und Zweck der Maßnahme dürfte am ehesten ein persönliches Beratungsgespräch gerecht werden, wie es nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Sachsen von den Prüfgremien auch regelmäßig durchgeführt wird. Unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung erfolgt mit der Festsetzung einer Beratung jedenfalls eine Beurteilung des Verordnungsverhaltens des Vertragsarztes. Die Prüfgremien treffen die Feststellung, dass eine Überschreitung der Richtgrößen nicht durch Praxisbesonderheiten begründet, das Verordnungsverhalten des Vertragsarztes mithin unwirtschaftlich war. Der Vertragsarzt muss sich der Maßnahme der "Beratung" unterziehen, auch wenn diese uU nur in der Kenntnisnahme des Festsetzungsbescheides besteht. Der damit verbundene Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit begründet eine Beschwer der Klägerin.

11

Für die Zeit ab dem 1.1.2012 kommt hinzu, dass nach der Einfügung von § 106 Abs 5e SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz(vom 22.12.2011 - BGBl I 2983) die Festsetzung einer Beratung für einen vorhergehenden Prüfzeitraum Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses ist. Schließlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Beratung als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die rechtlichen Voraussetzungen in anderen Verfahren, etwa in einem Disziplinarverfahren oder auch einem Zulassungsentziehungsverfahren, eine Rolle spielen kann.

12

2. Rechtsgrundlage des Bescheides des Beklagten ist § 106 Abs 2 iVm Abs 5a und Abs 1a SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, die im Jahr 2006 galt). Nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 und/oder anhand von Stichproben(aaO Nr 2), geprüft. Die Überschreitung der Richtgrößenvolumina löst gemäß § 84 Abs 6 Satz 4 SGB V eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V aus.

13

Das SG hat zu Recht entschieden, dass hier Prüfungsmaßstab die auf der Grundlage von § 84 Abs 6 SGB V getroffene Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2006 war. Diese war zwar entgegen § 84 Abs 6 Satz 1 SGB V nicht bis zum 15.11.2005 zustande gekommen, sondern beruhte auf einem Schiedsspruch vom 16.1.2006. Das steht jedoch der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung hier nicht entgegen, weil die Vereinbarung für das Jahr 2006 nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des SG jedenfalls für die Fachgruppe der Allgemeinmediziner höhere Werte auswies als die Vereinbarung für das Vorjahr. Sofern keine Verschlechterung eintritt, stellen die neuen Richtgrößen keinen "Eingriff" dar, und es fehlt an der Grundlage für die Annahme einer unzulässigen Rückwirkung (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 27; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 55). Dass sich für andere Fachgruppen (Gynäkologen, Psychiater und Orthopäden) die Richtgrößen zu ihren Lasten veränderten, berührt die Wirksamkeit der für die hier maßgebliche Fachgruppe vereinbarten Richtgrößen nicht.

14

3. Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Regelmäßig nicht zielführend ist der Hinweis auf schwere und kostenintensive Erkrankungen, weil sich solche Fälle in jeder Praxis finden (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; Clemens aaO, RdNr 63).

15

Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen. In der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Prüfungsvereinbarung vom 14.4.2005 nannte die Anlage 7.1 "Indikationsgebiete zur Berücksichtigung als Praxisbesonderheiten bei Richtgrößenprüfungen". Der Beklagte hat entsprechend § 5 Abs 2 Satz 3 der Anlage 7 zur Prüfungsvereinbarung die Kosten der Arzneimittel für die in der Anlage 7.1 genannten Indikationsgebiete aus dem Verordnungsvolumen der Praxis herausgerechnet. In Abzug gebracht hat der Beklagte ferner 99,78 Euro für Imiquimod zur Behandlung des superfiziellen Basalzellkarzinoms, das nach der Anlage 1.1 Nr 29 der Prüfungsvereinbarung vom 12.12.2007 als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen ist.

16

Weitere Praxisbesonderheiten ermittelt nach § 106 Abs 5a Satz 8 SGB V idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) die Prüfungsstelle auf Antrag des Arztes, auch durch Vergleich mit den Diagnosen und Verordnungen in einzelnen Anwendungsbereichen der entsprechenden Fachgruppe. Es kann offenbleiben, ob die Formulierung eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht impliziert (vgl dazu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2013, K § 106 RdNr 191 f). Die Ermittlungen des Beklagten genügten unabhängig davon jedenfalls den von der Rechtsprechung hierzu allgemein entwickelten Grundsätzen. Danach sind die Prüfgremien zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17; aaO Nr 34 RdNr 18 unter Bezugnahme auf BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Den von der Klägerin als Besonderheit geltend gemachten Umständen ist der Beklagte hinreichend nachgegangen. Er hat mit Hilfe eines Diagnosevergleichs eine erhöhte Zahl von Patienten mit der Diagnose "Demenz" festgestellt und einen Mehraufwand für Antidementiva in Höhe von 7900,76 Euro berücksichtigt. Bezüglich der von der Klägerin namentlich benannten Patienten hat der Beklagte nach eingehender Überprüfung Kosten für Diätetika, ein opioidhaltiges Schmerzmittel sowie ein Arzneimittel gegen Morbus Parkinson in Höhe von insgesamt 25 043,35 Euro als Praxisbesonderheiten anerkannt. Im Übrigen hat er einen Vergleich der 30 häufigsten Diagnosen in der Fachgruppe angestellt und lediglich bei den Besuchsleistungen geringfügige Überschreitungen der Klägerin in Relation zur Fachgruppe festgestellt. Hieraus hat er beurteilungsfehlerfrei geschlossen, dass eine besondere Klientel, die einen Mehraufwand im Verordnungsbereich erforderlich mache, nicht ersichtlich sei.

17

Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht. Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen ohne Weiteres auf erhöhte Verordnungskosten schließen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Amtsermittlung mögliche Besonderheiten in diesem Zusammenhang - wie etwa den Mehraufwand für die Verordnungen von Antidementiva - untersucht und berücksichtigt. Er hat erhöhte Kosten für Wundbehandlungen bei Pflegebedürftigen erwogen, aber nicht feststellen können. Ein Vergleich der Diagnosehäufigkeiten mit der Fachgruppe zeigte keine signifikanten Besonderheiten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen musste der Beklagte nicht anstellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht verpflichtet, die Verordnungskosten für die einzelnen von der Klägerin behandelten Pflegeheimbewohner zu ermitteln. Dies dürfte ihm schon deshalb nicht möglich gewesen sein, weil ihm nach §§ 296 ff SGB V Adressen von Versicherten für die arztbezogenen Prüfungen nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V regelmäßig nicht übermittelt werden(vgl dazu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11 RdNr 29).

18

Etwaige Mehraufwendungen für die Betreuung von Pflegeheimpatienten hätte vielmehr die Klägerin konkret darlegen müssen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 35 RdNr 17). Es besteht insofern in der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 SGB X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgeht(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 mwN). Grundsätzlich ist es Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn sie allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (vgl BSG aaO mwN). Der Arzt ist gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (BSG aaO RdNr 42).

19

Die Klägerin hat hier zwar auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen hingewiesen, aber nicht dargelegt, inwiefern der Verordnungsbedarf bei Pflegeheimbewohnern wesentlich anders sein soll als bei - typischerweise ebenfalls älteren - Rentnern, deren erhöhter Bedarf durch die besonderen Richtgrößen für diese Gruppe bereits berücksichtigt war. Abgesehen von der namentlichen Nennung von 20 Patienten, davon 17 Pflegeheimbewohnern, mit besonderem Verordnungsaufwand (insgesamt nach Angaben der Klägerin 70 802 Euro) gegenüber dem Prüfungsausschuss hat sie sich im gesamten Verfahren auf den pauschalen Hinweis auf die Betreuung von Pflegeheimbewohnern beschränkt, ohne auch nur ein konkretes Beispiel für die Notwendigkeit besonders aufwendiger Verordnungen zu nennen. Ungeachtet dessen, dass im Revisionsverfahren neuer Sachvortrag nicht berücksichtigt werden kann, § 163 SGG, bezieht sich die im Revisionsverfahren vorgelegte Liste auf Bewohner eines Seniorenheims, nicht eines Pflegeheims, und belegt lediglich das hohe Alter der Patienten. Auch insofern behauptet die Klägerin lediglich einen überdurchschnittlichen Verordnungsaufwand, ohne diesen näher zu begründen (vgl dazu BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 101/11 B - RdNr 9). Anhand ihrer Behandlungsdokumentationen wäre für sie aber mit vertretbarem Aufwand nachvollziehbar gewesen, welche Verordnungen für welche Patienten aufgrund welcher Diagnosen ausgestellt wurden. Für 20 Patienten hat sie entsprechende Aufstellungen vorgelegt, die auch näher geprüft und berücksichtigt worden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass ihr weiterer Vortrag unzumutbar gewesen wäre.

20

4. Der Beklagte hat zu Recht als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Beratung festgesetzt. Beratungen der Vertragsärzte nach § 106 Abs 1a SGB V auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum verordneten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung werden nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen eines Arztes in einem Kalenderjahr das Richtgrößenvolumen um mehr als 15 vom Hundert übersteigt und die Prüfgremien nicht davon ausgehen, dass die Überschreitung in vollem Umfang durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 vom Hundert hat der Vertragsarzt nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nach Feststellung durch die Prüfgremien den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten. Da nach Abzug der anerkannten Praxisbesonderheiten hier eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 20,93 % verblieb, lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Beratung vor.

21

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, weil sie mit ihrem Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart von 27.8.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, auch soweit sich dieses erledigt hat.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihrer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Anträge.
Die Beteiligten befanden sich in einem Schiedsverfahren zum Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 SGB V. Durch das Bundesversicherungsamt war Dr. E., Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht (VRiBSG) a.D., als Schiedsperson bestimmt worden. Während der mündlichen Verhandlung im Schiedsverfahren am 18.08.2010 haben die Antragstellerinnen VRiBSG a.D. Dr. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser hat das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen.
Am 25.08.2010 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragt, 1. den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, 2. der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu fällen, 3. hilfsweise für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010 die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 27.08.2010 abgelehnt. Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 10.09.2010 Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Anträgen vom 25.08.2010 stattzugeben.
Am 13.09.2010 ist der Schiedsspruch ergangen.
Mit Schriftsatz vom 15.9.2010 haben die Antragstellerinnen daraufhin beantragt, 1. die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1, 4 SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen; 2. den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 1, 4, Satz 1 SGB V, VRiBSG a.D. Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären. Hierzu haben sie ausgeführt, der in erster Instanz gestellte und im Beschwerdeverfahren zunächst weiterverfolgte dortige Antrag zu 2. sowie der Hilfsantrag würden wegen des Erlasses des Schiedsspruchs nicht mehr aufrechterhalten. Zur Vermeidung von Kostennachteilen würden sie nicht zurückgenommen. Vielmehr werde der ursprünglich gestellte Antrag zu 2. für erledigt erklärt und der Antrag gestellt, die Kosten den Antragsgegnern aufzuerlegen. Die Antragsgegner haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt, die Kosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
Mit Beschlüssen vom 28.9.2010 hat der Senat den Antrag der Antragstellerinnen, die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrags zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1, 4 SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen, vom vorliegenden Verfahren abgetrennt, weil dies im Hinblick auf die fehlende Zuständigkeit des Landessozialgerichts zweckmäßig war und ihn an das zuständige Sozialgericht Stuttgart verwiesen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.8.2010, soweit der dortige Antrag zu 1 abgelehnt wurde, aufzuheben und den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 1, 4, Satz 1 SGB V, VRiBSG a.D., Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären;
10 
die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragsgegnern aufzuerlegen.
11 
Die Antragsgegner beantragen,
12 
die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
13 
Sie halten die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
1.
15 
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen ist statthaft; sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 SGG ausgeschlossen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.
16 
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung des im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrags, den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, durch den angegriffenen Beschluss des SG.
17 
Das SG hat den Antrag der Antragstellerinnen zu Recht abgelehnt. Ungeachtet der Frage, ob es eine Rechtsgrundlage für die Ablehnung einer Schiedsperson wegen der Besorgnis der Befangenheit gibt und der Vortrag der Antragstellerinnen ausreicht, um Zweifel an deren Unvoreingenommenheit zu begründen, schließt § 44a VwGO, der hier analoge Anwendung findet, die begehrte Anordnung aus. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Regelung gilt auch für Anträge nach § 86b SGG, da bereits der Wortlaut, der sich auf alle Rechtsbehelfe bezieht, weit gefasst ist und es darüber hinaus der Sinn der Vorschrift ausschließt, einen Anspruch auf eine isolierte behördliche Verfahrenshandlung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 6.4.2006 - 2 VR 2/05 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn. 3, 4 zu § 44a), für den es kein eigenständiges Hauptsacheverfahren gibt. Denn im Eilverfahren kann kein weitergehender Rechtsschutz erlangt werden als in Klageverfahren (vgl. BVerwG Beschluss vom 21.03.1997 - 11 VR 2/97 = Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 7). Die Regelung schließt auch ein isoliertes Vorgehen gegen behördliche Verfahrenshandlungen im Wege der Feststellungsklage aus. Auch dies ist ohne Weiteres dem offenen Wortlaut des § 44a Satz 1 VwGO zu entnehmen (BVerwG, Beschluss vom 17.05.1989 - 5 CB 6/89 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.).
18 
Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen (BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 55/86 -; Urteil von 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, m.w.N.; Urteil vom 10.12.1992 - 11 RAr 71/91 -; Urteil vom 24.11.2004 - B 3 KR 16/03 R -; offen gelassen im Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 11/08 R -, jeweils veröffentlicht in Juris).
19 
Rechtsschutz unmittelbar gegen Verfahrenshandlungen ist daher nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn anders der durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gebotene effektive Rechtsschutz nicht gewährleistet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.1990 - 1 BvR 1028/90 -, NJW 191, 415). Dies ist nicht hier nicht der Fall. Denn der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung führt hier nicht zu unzumutbaren Nachteilen, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind. Solche irreparable Rechtsverletzungen können z.B. im Prüfungsverfahrensrecht eintreten im Falle der Verweigerung einer beantragten Prüfungserleichterung, wie z.B. Schreibverlängerung. Selbst in diesem Bereich ist es allerdings umstritten, ob auch die Befangenheit eines Prüfers im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. hierzu Zimmerling, Brehm, Der vorläufige Rechtsschutz im Prüfungsrecht, NVwZ 2004, 651 [655 f.] m.w.N.). Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben. Die Schiedsentscheidung führt zu dem Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen den Antragstellerinnen und den Antragsgegnern. Ob ein solcher aufgrund einer rechtmäßigen Schiedsentscheidung wirksam zustande gekommen ist, kann nachträglich geklärt werden. Alleine dadurch, dass der Schiedsspruch zunächst ergeht und hierdurch ggf. Rechtsverletzungen eintreten können, werden die Betroffenen nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn Aufgabe der Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich nicht die Verhinderung und Verzögerung des Ergehens von Entscheidungen aufgrund von im Vorfeld erhobenen formellen oder auf den mutmaßlichen Inhalt der künftigen Entscheidung bezogenen materiellen Bedenken. Die öffentlich-rechtlichen Prozessgesetze und damit auch das Sozialgerichtsgesetz stellen vielmehr ein System nachgängigen Rechtsschutzes bereit, mit dem das Verfassungsgebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Art. 19 Abs. 4 GG), erfüllt ist. Das gilt sowohl für die Klageverfahren wie für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. In aller Regel ist daher abzuwarten, bis die Verwaltung gehandelt hat. Danach kann Klage bei Gericht erhoben und, sofern notwendig, um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht werden.
2.
a)
20 
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Zurückweisung der Beschwerde auf § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG.
b)
21 
Soweit das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wurde, beruht sie auf § 161 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach ist, nachdem die (Haupt-)Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung war zu berücksichtigen, dass sich der Antrag, der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu fällen, bei summarischer Prüfung als unzulässig erweist.
22 
Vorbeugender Rechtsschutz ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings bedarf es eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses. Denn der sozialgerichtliche (wie der verwaltungsgerichtliche) Rechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Die rechtsprechende Gewalt ist nämlich darauf verwiesen, die Tätigkeit der Verwaltung im Nachhinein am Maßstab von Recht und Gesetz zu überprüfen. Darin besteht ihr Kontrollmandat. In das Handlungsmandat der vollziehenden Gewalt darf sie nicht eingreifen. Deshalb ist es den Gerichten grundsätzlich nicht erlaubt, der Behörde im Vorhinein den Erlass bestimmter Entscheidungen zu verbieten oder vorzuschreiben. Anderes gilt wegen des Verfassungsgebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch insoweit nur dann, wenn der Verweis auf die Inanspruchnahme nachgängigen Rechtsschutzes, auch nachgängigen vorläufigen Rechtsschutzes, mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Deshalb muss ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorliegen (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 15.11.1995, - 6 RKa 17/95 -, veröffentlicht in Juris; BVerwGE 81, 329, 347). In besonderem Maße gilt das für das Begehren nach vorläufigem vorbeugendem Rechtsschutz (Beschluss des Senats vom 20.04.2006 - L 5 KR 890/06 ER-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ein solches Rechtsschutzinteresse der Antragstellerinnen ist im vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem oben zu 1. Ausgeführten, dass sie sich darauf verweisen lassen müssen, die vorgesehenen, auf nachträglichen - ggf. vorläufigen - Rechtsschutz gerichteten Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen.
23 
Auch mit dem Hilfsantrag, für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010, die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen, hätten die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg haben können. Unabhängig davon, dass dieser bereits aufgrund seiner Bedingung unzulässig gewesen sein dürfte, war er gegen die Vollstreckung aus einer bis dahin noch nicht ergangenen Entscheidung gerichtet. Ein solcher vorbeugender Vollstreckungsschutz scheidet aus den oben genannten Gründen aus. Soweit der inzwischen ergangene Schiedsspruch eine sofort vollziehbare Entscheidung sein sollte, waren die Antragstellerinnen auch insoweit auf Vollstreckungsschutz nach dessen Ergehen zu verweisen,
24 
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
25 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Abs. 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von EUR 5.000,00 (Auffangstreitwert) anzunehmen. Wegen der Vorläufigkeit der angestrebten einstweiligen Anordnung ist hiervon die Hälfte zu nehmen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2010 aufgehoben, soweit die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 abgewiesen wurde. Der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25. August 2009 wird aufgehoben. Der Beklagte zu 2. wird verpflichtet, über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5. September 2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Klägerin und der Beklagte zu 2. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Arzneimittelregress wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung eines Medikaments im Quartal II/2005.

2

Die Klägerin ist Trägerin des Universitätsklinikums C. sowie der gemäß § 311 Abs 2 SGB V zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in B. zugelassenen Fachambulanz für Nephrologie mit Dispensaire-Auftrag. In dieser Fachambulanz wurde der bei der zu 2. beigeladenen gesetzlichen Krankenkasse versicherten Patientin K am 10.6.2005 das Medikament CellCept verordnet. Dieses zur Gruppe der Immunsuppressiva gehörende Medikament ist zur Prophylaxe von akuten Abstoßungsreaktionen bei Organtransplantationen zugelassen, nicht aber zur Behandlung der bei der Patientin vorliegenden Wegenerschen Granulomatose mit Nierenbeteiligung. Auf Antrag der Beigeladenen zu 2. setzte die zu 1. beklagte Prüfungsstelle (als "Funktionsnachfolgerin" des Prüfungsausschusses) wegen der zulassungsüberschreitenden Verordnung von CellCept gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 458,09 Euro fest (Bescheid aus der Sitzung vom 5.9.2008, ausgefertigt am 31.10.2008).

3

Hiergegen hat die Klägerin mit der Begründung Klage erhoben, dass die Voraussetzungen für eine zulassungsüberschreitende Verordnung von CellCept erfüllt seien. Nach einem Hinweis des SG, dass zunächst das Vorverfahren vor dem zu 2. beklagten Beschwerdeausschuss durchzuführen sei, hat die Klägerin erklärt, dass die Klage auch als Widerspruch verstanden werden solle. Der vom SG zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens aufgeforderte Beklagte zu 2. wies den Widerspruch mit Bescheid aus der Sitzung vom 25.8.2009 (ausgefertigt am 16.10.2009) als unzulässig zurück. Die Klägerin könne ihr Klageziel mit dem Rechtsbehelf nicht erreichen, weil die Rechtmäßigkeit des Bescheides der Beklagten zu 1. schon Gegenstand des bereits anhängigen Rechtsstreits sei und deshalb eine neue Klage gegen seine - des Beklagten zu 2. - Entscheidung wegen der bereits bestehenden Rechtshängigkeit unzulässig sei. Nachfolgend hat die Klägerin ihre Klage dahingehend erweitert, dass sich diese auch gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. richtet.

4

Das SG hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage sei unzulässig, da sie der unzutreffende Rechtsbehelf sei; gegen die Entscheidung sei vielmehr der Beklagte zu 2. anzurufen. § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei nicht einschlägig, da er voraussetze, dass die Verordnung der Leistungen durch das Gesetz oder durch Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sei. Der Gesetzgeber gehe von leicht überprüfbaren Sachverhalten und gleichartig zu bewertenden Einzelvorgängen aus; es solle für die Regressentscheidung gerade nicht auf eine medizinische Bewertung des Einzelfalls ankommen. Mithin sei immer dann, wenn dies nicht der Fall sei, weiterhin ein Vorverfahren durchzuführen. Zwar beruhe auch die Unzulässigkeit einer Verordnung im Wege des Off-Label-Use auf dem Gesetz (§ 12 Abs 1 SGB V sowie § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V), doch gehe ein namentlicher, genereller und ausnahmsloser Ausschluss damit gerade nicht einher. Im Gegenteil sei hier das Arzneimittel - im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete - grundsätzlich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Im Übrigen sei die Klage auch deswegen unzulässig, weil der Bescheid des Beklagten zu 2. den Bescheid der Beklagten zu 1. ersetzt habe und alleiniger Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung geworden sei.

5

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 sei wegen dessen Bestandskraft unzulässig. Unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. zu Unrecht von der Unzulässigkeit des von der Klägerin erhobenen Widerspruchs ausgegangen sei, sei durch seinen Bescheid zwar das erforderliche Vorverfahren nachgeholt worden, doch sei dieser Bescheid nicht nach § 96 SGG automatisch Gegenstand des zwischen der Klägerin und der zu 1. beklagten Prüfungsstelle anhängigen Rechtsstreits geworden, da nach der Neufassung des § 96 Abs 1 SGG nur ein nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangener Bescheid Verfahrensgegenstand werden könne; der Bescheid des Beklagten zu 2. sei jedoch der Widerspruchsbescheid selbst. Die daher notwendige ausdrückliche Klageänderung (Klageerweiterung) sei zwar sachdienlich und damit (als solche) zulässig, doch habe die Klägerin diese erst nach Ablauf der Klagefrist erklärt.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Das SG habe § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V fehlerhaft ausgelegt. Regresse wegen eines Off-Label-Use seien von dieser Ausnahmevorschrift erfasst, so dass die sofortige Klage gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. vorliegend der richtige Rechtsbehelf gewesen sei. Die Auffassung des SG, die Regelung erfasse nur Leistungen, die "ausdrücklich, also namentlich unmittelbar und ausnahmslos durch gesetzliche Regelungen" ausgeschlossen seien, stelle eine unzulässige Auslegung über die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes dar. Dieser setze lediglich voraus, dass die Leistungspflicht der Krankenkasse durch das Gesetz ausgeschlossen sei, wobei der grundsätzliche Ausschluss von Gesetzes wegen genüge. Wenn ein Arzneimittel in einem Anwendungsgebiet eingesetzt werde, für das es nicht zugelassen sei, bestehe ein Anspruch des Versicherten und damit eine Leistungspflicht wegen des Wirtschaftlichkeitsgebotes grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise nach bestimmten Kriterien des BSG. Damit sei in derartigen Fällen die Leistung grundsätzlich durch Gesetz ausgeschlossen und die Vorschrift des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V anwendbar.

7

Auch aus der Gesetzesbegründung lasse sich die Schlussfolgerung des SG nicht herleiten. Dem Gesetzgeber sei es offenbar um die Entlastung des Beschwerdeausschusses gegangen. Aufgrund dieser Intention verbiete es sich, die Ausnahmeregelung so weit einzuschränken, dass nur namentliche, ausnahmslose Leistungsausschlüsse davon umfasst seien. Andernfalls stellte sich die Frage nach dem verbleibenden Anwendungsbereich, da die vom SG genannten Fallgestaltungen in der Praxis eher selten seien. Mit der Prüfungsstelle sei eine professionelle Fachbehörde geschaffen worden, die auch die nötige Sachkompetenz besitze, Fälle des Off-Label-Use abschließend zu klären. In der Sache sei die Festsetzung einer Ausgleichspflicht rechtswidrig, da das Medikament im vorliegenden Fall verordnungsfähig gewesen sei; die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen Off-Label-Use seien erfüllt.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17.3.2010 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1. vom 5.9.2008 und den Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte zu 1. stellt keinen Antrag. Hinsichtlich der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage schließt sie sich den Ausführungen der Klägerin an und verweist ergänzend auf die Anlage zur Tagesordnung eines Gesprächs mit den Leitern und Leiterinnen der Prüfungsstellen und der Vorsitzenden der Beschwerdeausschüsse, in der der Off-Label-Use als Anwendungsfall des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V genannt werde. Materiell-rechtlich habe im streitgegenständlichen Verordnungszeitpunkt aufgrund der Datenlage keine begründete Aussicht bestanden, dass mit dem verordneten Präparat CellCept ein Behandlungserfolg bei der Wegenerschen Granulomatose habe erzielt werden können.

10

Der Beklagte zu 2. stellt keinen Antrag. Er habe allein auf die als Erhebung eines Widerspruchs zu wertende Erklärung der Klägerin vom 2.7.2009 ein Widerspruchsverfahren eingeleitet. Damit sei für ihn keine Verpflichtung vorgegeben, über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten zu 1. zu entscheiden.

11

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls keinen Antrag stellt, hält die Revision für unbegründet. Die Auslegung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelung sei eng auszulegen, da es sich um eine Ausnahmevorschrift handele, und nach der Gesetzesbegründung der Beschwerdeausschuss nur bei vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalten von der Durchführung des Vorverfahrens habe entlastet werden sollen; dies sei bei den einen Off-Label-Use betreffenden Prüfverfahren regelmäßig nicht der Fall.

12

Die Beigeladene zu 2. hat schriftsätzlich beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Inhaltlich schließt sie sich dem Vortrag der Beigeladenen zu 1. an.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Klägerin ist nur zum Teil begründet. Ihre Klage gegen den Bescheid der zu 1. beklagten Prüfungsstelle hat das SG zu Recht als unzulässig abgewiesen (1.). Die Abweisung der gegen den Bescheid des zu 2. beklagten Beschwerdeausschusses erhobenen Klage ist jedoch zu Unrecht erfolgt, denn insoweit war die Klage zulässig und im Sinne einer Verpflichtung des Beschwerdeausschusses zur Neubescheidung begründet (2.).

15

1. Das SG hat die gegen den Bescheid der Beklagten zu 1. erhobene Klage zu Recht als unzulässig beurteilt. Dies folgt daraus, dass Klagen gegen Bescheide der nach § 106 Abs 4 Satz 1 SGB V errichteten Prüfungsstellen wegen der Besonderheiten des Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahrens grundsätzlich unzulässig sind (a), und auch kein Ausnahmefall vorliegt, in dem ein Vorverfahren - dh eine Überprüfung des Bescheides der Prüfungsstelle durch den Beschwerdeausschuss - ausgeschlossen ist (b).

16

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in vertragsarztrechtlichen Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren grundsätzlich allein der das Verwaltungsverfahren abschließende Verwaltungsakt des Beschwerdeausschusses Streitgegenstand nach § 95 SGG(vgl BSGE 74, 59, 60 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f, mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 S 61). Der Beschwerdeausschuss wird mit seiner Anrufung für das weitere Prüfverfahren ausschließlich und endgültig zuständig; sein Bescheid ersetzt den ursprünglichen Verwaltungsakt der Prüfungsstelle (stRspr des BSG, vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194; kritisch hierzu Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 282). Eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle ist daher in der Regel - von hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen abgesehen - unzulässig (stRspr des BSG, vgl BSGE 74, 59, 61 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 119; BSGE 75, 220, 221 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24 S 132; BSGE 76, 53, 53 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 145; BSGE 76, 149, 153 = SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 160; BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194 f).

17

b) Vorliegend wäre eine Klage gegen den Bescheid der Prüfungsstelle somit nur dann zulässig, wenn eine Entscheidung des Beschwerdeausschusses kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht zu erfolgen hätte und es nicht zu einer Ersetzung des Bescheides der Prüfungsstelle kommen kann. Ein derartiger Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben.

18

aa) Nach § 78 Abs 1 Satz 1 SGG sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes grundsätzlich in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Dies gilt - ungeachtet gewisser Besonderheiten und ggf nur entsprechend - auch für das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V. § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V bestimmt, dass die dort aufgeführten Personen und Institutionen gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle die Beschwerdeausschüsse anrufen können; gemäß § 106 Abs 5 Satz 6 SGB V gilt das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss als Vorverfahren(§ 78 Abs 1 SGG). Gemäß § 78 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGG bedarf es eines Vorverfahrens (nur) dann nicht, wenn ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt.

19

bb) Ein derartiger Ausnahmefall ist in § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V(in der ab dem 1.1.2008 geltenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes ) geregelt. Danach findet - abweichend von § 106 Abs 5 Satz 3 SGB V - in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie ihre Auslegung ergibt, auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt (in diesem Sinne auch SG Marburg, Urteil vom 15.12.2010 - S 10 KA 597/09 - juris RdNr 16; ähnlich etwa Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 25 RdNr 10; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Mai 2011, K § 106 RdNr 599c; weitergehend Clemens in jurisPK-SGB V, 2008, § 106 RdNr 279: "bei Leistungen, die … generell ausgeschlossen sind"). Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben.

20

(1) Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für "Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind".

21

Durch das Gesetz von der Versorgung ausgeschlossen - also nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähig - sind insbesondere nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V), sogenannte "Bagatellarzneimittel" (§ 34 Abs 1 Satz 6 SGB V) und Arzneimittel zur Erhöhung der Lebensqualität (§ 34 Abs 1 Satz 7 SGB V). Im weiteren Sinne zählen hierzu auch Arzneimittel, die aufgrund gesetzlicher Ermächtigung (vgl § 34 Abs 4 SGB V) durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind. Die Arzneimittelrichtlinie (AMR) nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V setzt diese gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisiert (vgl § 34 Abs 1 Satz 9 SGB V)oder im ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag (vgl § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V)Fallgruppen benennt, in denen ausgeschlossene Arzneimittel ausnahmsweise verordnet werden können. Originäre Verordnungsausschlüsse enthält sie in Bezug auf Arzneimittel, die in der früheren Anlage 2 Nr 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV aufgeführt sind, welche jetzt gemäß § 34 Abs 3 Satz 1 SGB V(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung) Teil der AMR ist.

22

In den genannten Fallgruppen beantwortet sich die Frage, ob ein Arzneimittel einem Verordnungsausschluss unterfällt, unmittelbar aus dem Gesetz bzw aus der AMR. Dass § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V nur die Leistungen erfassen soll, deren Verordnung durch spezifische - explizite - gesetzliche oder untergesetzliche Regelungen ausgeschlossen ist, wird durch die Formulierung "durch das Gesetz oder durch die Richtlinien" belegt. Wenn jedwede nicht im Einklang mit dem Gesetz stehende Verordnung hätte erfasst werden sollen, hätte es zum einen der gesonderten Erwähnung der Richtlinien nicht bedurft. Für die Erforderlichkeit eines expliziten gesetzlichen Ausschlusses spricht zum anderen auch die Verwendung des Wortes "durch". "Durch" das Gesetz ausgeschlossen sind Verordnungen dann, wenn dies auf eine eindeutige Regelung in einem spezifischen Gesetz zurückzuführen ist. Andernfalls hätte es nahegelegen, pauschal von einem "gesetzlichen" Ausschluss oder gar nur von "ausgeschlossenen" oder "nicht der Leistungspflicht der GKV unterliegenden" Leistungen zu sprechen.

23

Lediglich "mittelbare" Ausschlüsse durch andere Gesetze - wie etwa durch das Arzneimittelgesetz (AMG) im Wege einer "Transformation" über die §§ 2, 12 SGB V(s hierzu unter cc <3>) genügen daher nicht.

24

(2) Dieses Verständnis des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V bestätigen auch die Gesetzesmaterialien. Nach der Gesetzesbegründung (Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, BT-Drucks 16/3100 S 138 zu § 106 Abs 5 SGB V, Zu Doppelbuchstabe cc)bewirkt "der Ausschluss eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss in Prüfungssachen Verordnungen von Arzneimitteln betreffend, die durch Gesetz oder die Richtlinien aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen sind, … dass der Beschwerdeausschuss von einer Vielzahl gleichartig zu bearbeitender Einzelvorgänge entlastet wird. Der vergleichsweise leicht überprüfbare Sachverhalt, ob ein Arzneimittel grundsätzlich Gegenstand der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ist, kann sachgerecht durch die Prüfungsstelle abschließend geklärt werden". Der Gesetzgeber wollte ausweislich dieser Begründung die Beschwerdeausschüsse allein von Fallgestaltungen bzw Anwendungssachverhalten entlasten, die eher technischen Charakter haben und ganz überwiegend in der Umsetzung eindeutiger normativer Vorgaben bestehen. Dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, schließt es aus, sie auf Konstellationen zu erstrecken, in denen sich die Entscheidung nicht ohne Weiteres - im Sinne eines "ja" oder "nein" - aus normativen Vorgaben ergibt, sondern es hierzu einer einzelfallbezogenen Prüfung bedarf. Dies wird durch die Erwartung des Gesetzgebers gestützt, dass die von der Ausnahmeregelung erfassten Fallgestaltungen einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" zum Gegenstand haben.

25

Schließlich soll die Ausnahmeregelung nach der Gesetzesbegründung nur Sachverhalte erfassen, in denen zu prüfen ist, ob ein Arzneimittel "grundsätzlich" Gegenstand der Leistungspflicht der GKV ist. Zwar könnte dies auch in dem Sinne verstanden werden, dass nur Fälle gemeint sind, in denen ein "genereller" Ausschluss der Verordnungsfähigkeit besteht (so offenbar Clemens aaO), oder aber, dass ein unspezifischer, "grundsätzlicher" Ausschluss der Leistungspflicht ("von Gesetzes wegen") für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung ausreiche und eine ausnahmsweise Zulässigkeit unschädlich sei. Würdigt man die Aussage des Gesetzgebers allerdings in ihrem Zusammenhang - nämlich, dass die Frage des grundsätzlichen Ausschlusses einen vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt darstellen soll -, bestätigt auch dies die Annahme, dass sich der Gesetzgeber auf Fallgestaltungen bezogen hat, in denen sich der Ausschluss der Leistungspflicht ohne Weiteres mit "ja" oder "nein" beantworten lässt, weil sich die Antwort unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz bzw den Richtlinien ergibt.

26

Dass sich der Ausschluss zudem unmittelbar aus spezifischen gesetzlichen oder untergesetzlichen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben muss, legt schon die Erwähnung des "Leistungskatalogs" in der Gesetzesbegründung (aaO) nahe. Danach soll die Ausnahmeregelung nur Verordnungen erfassen, die durch Gesetz oder die Richtlinien "aus dem Leistungskatalog" der GKV ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Ausschlüsse damit nicht den Charakter eines "Negativkatalogs" haben müssen, legt der Begriff "Katalog" eine detaillierte, spezifische Regelung nahe und steht einer Heranziehung allgemeiner Regelungen entgegen.

27

(3) Die Argumentation der Klägerin, dass es für einen sich "aus dem Gesetz" ergebenden Verordnungsausschluss genügen soll, dass die Verordnung allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts, nämlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 2, 12 SGB V, zuwiderläuft, überzeugt schon aus den vorstehend dargelegten Gründen nicht. Insbesondere aber steht ihr entgegen, dass sie zur Konsequenz hätte, dass im Verordnungsbereich die Durchführung eines Vorverfahrens vor dem Beschwerdeausschuss generell ausgeschlossen wäre. Denn die Aufgabe der Prüfgremien besteht gerade darin, die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen - und damit die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots - zu überprüfen. Wenn es für die Anwendung der Ausschlussregelung genügte, dass eine Arzneimittelverordnung allgemeinen Grundaussagen des SGB V - namentlich dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) - zuwiderläuft, würde § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V alle unwirtschaftlichen Verordnungen erfassen.

28

Dass der Gesetzgeber derart weitreichende Konsequenzen beabsichtigt hat, ist nicht erkennbar. Dies stünde im Übrigen nicht im Einklang mit dem Zweck eines Vorverfahrens. Dieses soll die Verwaltung in die Lage versetzen, ihre Verwaltungsakte im Wege der Selbstkontrolle zu überprüfen, den Rechtsschutz der betroffenen Bürger verbessern und die Gerichte vor Überlastung schützen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, Vor § 77 RdNr 1a). Auch der erkennende Senat hat betont, dass eine Überprüfung in einem Vorverfahren, insbesondere der Verwaltung die Gelegenheit bieten soll, Fehlentscheidungen selbst zu korrigieren, und damit zugleich im Sinne einer Filterfunktion dem Interesse der Entlastung der Gerichte dient (BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 12 unter Hinweis auf BSG SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f). Gerade dann, wenn medizinische Fragen zu beurteilen sind, kommt dem mit Vertretern von Ärzten und Krankenkassen fachkundig besetzten Beschwerdeausschuss bei der Erreichung dieser Ziele große Bedeutung zu. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Entlastung des Beschwerdeausschusses steht dem nicht entgegen, da dieser zwar von gleichförmigen Verfahren entlastet werden sollte, nicht aber von seiner originären Aufgabe einer Überprüfung der Entscheidungen der Prüfungsstelle in allen übrigen Fällen.

29

cc) Bei Anwendung der dargestellten Maßstäbe ergibt sich, dass die vorliegend strittigen Regresse wegen der Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer arzneimittelrechtlichen Zulassung - sogenannter "Off-Label-Use" - grundsätzlich nicht zu den Sachverhalten gehören, in denen die Ausnahmeregelung nach § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V Anwendung findet.

30

(1) Schon die Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Ausnahmeregelung "gleichartig zu bearbeitende Einzelvorgänge" erfassen soll, wird bei Regressen wegen einer zulassungsüberschreitenden Verordnung von Arzneimitteln nicht erfüllt. Denn in derartigen Fällen ist eine Verordnung - von den hier nicht einschlägigen Fällen einer expliziten Regelung in der AMR (s hierzu unter cc <2>) abgesehen - nur ausnahmsweise bei Erfüllung der in der Rechtsprechung des BSG entwickelten (engen) Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln ist danach, dass eine schwerwiegende - dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende - Erkrankung vorliegt, keine andere zugelassene Therapie verfügbar ist und aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg erzielt werden kann (zuletzt BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 48/09 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daher bedarf es hier regelmäßig einer einzelfallbezogenen Prüfung.

31

Auch die Erwartung des Gesetzgebers, dass es sich um einen "vergleichsweise leicht überprüfbaren Sachverhalt" handeln soll, ist - wie schon die vorstehenden dargestellten Voraussetzungen für eine ausnahmsweise zulassungsüberschreitende Verordnung verdeutlichen - in derartigen Fällen nicht ansatzweise erfüllt. Nicht zuletzt die Ausführungen der Beteiligten zur Validität medizinischer Meinungsäußerungen beim Nachweis der Wirksamkeit des hier regressierten Arzneimittels im konkreten Fall belegen vielmehr, dass schwierige medizinische Fragestellungen im Raum stehen.

32

(2) Keine andere Beurteilung rechtfertigt vorliegend der Umstand, dass Abschnitt K § 30 iVm Anlage VI zum Abschnitt K der AMR(zuletzt geändert durch Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.2.2011 - DÄ 2011, A 1251 f) Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von zugelassenen Arzneimitteln in nicht zugelassenen Anwendungsgebieten enthält. Denn diese Bestimmung trifft hierzu keine abschließende Regelung, sondern erfasst nur Teilbereiche des Off-Label-Use. Insbesondere lässt sie - ausweislich der Fußnote zu Abschnitt K der AMR - für die nicht ausdrücklich geregelten Fälle eines Off-Label-Use die Rechtsprechung des BSG zur Verordnungsfähigkeit im Einzelfall unberührt. Ein die Anwendung des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V ermöglichender Verordnungsausschluss kann daher allein in Bezug auf die dort ausdrücklich geregelten Fallgestaltungen angenommen werden. Das Arzneimittel, dessen Verordnung im Streit steht, ist jedoch weder in Anlage VI zum Abschnitt K der AMR im dortigen Teil A positiv noch in Teil B negativ aufgeführt.

33

(3) Ein "gesetzlicher" Ausschluss des Off-Label-Use iS des § 106 Abs 5 Satz 8 SGB V lässt sich auch nicht aus dem AMG herleiten. Das AMG selbst verbietet die zulassungsüberschreitende Verordnung von Arzneimitteln nicht; jeder Arzt kann derartige Verordnungen auf Privatrezept vornehmen. Der sich nach dem Recht der GKV ergebende Verordnungsausschluss beruht lediglich mittelbar auf dem AMG: Zwar kann ein Arzneimittel grundsätzlich nicht zu Lasten der GKV in einem Anwendungsbereich verordnet werden, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt (vgl schon BSGE 89, 184, 186 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 30). Nach der Rechtsprechung der BSG-Senate ergibt sich ein Zusammenspiel zwischen Arzneimittelrecht und Leistungsrecht der GKV allerdings erst unter dem Gesichtspunkt, dass das GKV-Recht bei Arzneimitteln in Bezug auf die Qualitätssicherung weitgehend auf eigene Vorschriften verzichtet und insoweit an das Arzneimittelrecht anknüpft (vgl schon BSGE 89, 184, 185 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 29). Nach dem Recht der GKV - § 2 Abs 1 Satz 3, § 12 Abs 1 SGB V - beschränkt sich der Anspruch der Versicherten auf die Versorgung mit Arzneimitteln, die sich als wirtschaftlich und zweckmäßig erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Bei Vorliegen der arzneimittelrechtlichen Zulassung wird davon ausgegangen, dass damit zugleich die Mindeststandards einer wirtschaftlichen und zweckmäßigen Arzneimittelversorgung im Sinne des GKV-Rechts erfüllt sind (BSG aaO). Bei einem Off-Label-Use entfällt diese Annahme.

34

2. Soweit das SG hingegen die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. als unzulässig zurückgewiesen hat, ist die Revision im Sinne einer Aufhebung des Urteils des SG sowie des Bescheides des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 und einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden.

35

a) Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Bescheid des Beklagten zu 2. vom 25.8.2009 bereits in Bestandskraft erwachsen ist. Dies ist nicht der Fall, da dieser Bescheid nach § 95 SGG Gegenstand des bereits anhängigen, gegen den Bescheid der Prüfungsstelle gerichteten Verfahrens geworden ist.

36

Nach § 95 SGG ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin unmittelbar gegen den Bescheid der Prüfungsstelle Klage erhoben hat, denn der Umstand, dass vor Klageerhebung kein Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde, obwohl dies erforderlich war, führt im Regelfall nicht zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl BSG SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 15 mwN; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3a). Vielmehr ist in derartigen Fällen den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (BSG aaO S 11; Leitherer aaO § 78 RdNr 3a mwN); dabei liegt in der Klage zugleich die Einlegung des Widerspruchs (BSG aaO S 12; Leitherer aaO § 78 RdNr 3b mwN). § 95 SGG gilt daher auch in den Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren während des Klageverfahrens nachgeholt wird(BSGE 71, 42, 44 = SozR 3-2500 § 87 Nr 4 S 11; Leitherer aaO § 95 RdNr 2).

37

Auch die oben (unter 1. a) dargestellten vertragsarztrechtlichen Besonderheiten des Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss stehen der Anwendung des § 95 SGG auf einen nachfolgenden Bescheid des Beschwerdeausschusses nicht entgegen. Die Aussage des § 95 SGG, dass bei Durchführung eines Vorverfahrens (auch) der Widerspruchsbescheid Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, wird durch die Senatsrechtsprechung als solches nicht in Frage gestellt; § 95 SGG wird durch sie nur in dem Sinne modifiziert, dass der Bescheid der Prüfungsstelle nicht Gegenstand des Verfahrens wird(vgl BSGE 78, 278, 280 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 194). Einer gesonderten Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu 2. bedurfte es somit nicht, so dass es auf die Frage einer rechtzeitigen Klageerhebung (bzw -erweiterung) nicht ankommt.

38

b) Die somit zulässige Klage gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses ist auch im Sinne einer Verpflichtung des Beklagten zu 2. begründet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut über den von der Klägerin gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 5.9.2008 erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Der Beklagte zu 2. hat den Widerspruch der Klägerin zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen und damit unter Ablehnung einer Sachentscheidung die seinem verwaltungsmäßigen Aufgabenbereich zugehörenden Feststellungen insgesamt nicht getroffen. Die gegen den Bescheid der Prüfungsstelle erhobene Klage stand einer Bescheidung des Widerspruches in der Sache schon deswegen nicht entgegen, weil Sinn und Zweck der Nachholung des Vorverfahrens durch den Beklagten zu 2. gerade darin bestehen, die zunächst noch fehlende Zulässigkeit der Klage herbeizuführen.

39

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und der Beklagte zu 2. die Kosten des Verfahrens vor dem BSG und dem SG je zur Hälfte zu tragen, da sie jeweils zum Teil unterlegen sind (§§ 154 Abs 1, 159 Satz 1 VwGO). Für den Beklagten zu 2. gilt, dass er im Revisionsverfahren in der Weise unterlegen ist, dass der von ihm erlassene Bescheid, der (auch) Gegenstand des Verfahrens gewesen ist, vom Senat aufgehoben worden ist; dies ist auch dann, wenn er - wie hier - im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt hat, ein Unterliegen iS des § 154 Abs 1 VwGO(so schon BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 34/08 R - RdNr 35 mwN, in BSGE 104, 116 und SozR 4-2500 § 101 Nr 7 nicht abgedruckt).

40

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16) bzw ihre Äußerung keine eindeutige Zuordnung in Bezug auf ein Obsiegen oder Unterliegen zulässt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 7. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2013 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner neuen Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen.

2

Der Kläger nimmt seit 1980 als hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 16.11.2011 setzte die Prüfungsstelle wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 einen Regress in Höhe von 19 596,24 Euro fest. Mit Bescheid vom 10.5.2012 aus der Sitzung vom 27.3.2012 wies der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch des Klägers zurück. Das SG hat der Klage des Klägers stattgegeben und den Bescheid des Beklagten mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine individuelle Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anzubieten sei(Urteil vom 3.4.2013). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2013).

3

Zur Begründung hat es ausgeführt, § 106 Abs 5e SGB V entfalte im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung. Dem Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-​VStG) sei nicht zu entnehmen, ob diese Regelung auf schon abgeschlossene Prüfzeiträume oder laufende Prüfverfahren anzuwenden sei; eine Übergangsregelung fehle. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimme sich daher nach den allgemeinen für das intertemporale Recht geltenden Grundsätzen. Eine Regelung sei danach nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hätten. Mithin fänden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung die Vorschriften Anwendung, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten hätten.

4

Der Gesetzgeber habe versucht, mit einer Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um einen Satz 7 nachzubessern; Satz 7 gelte jedoch nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung durch Verkündung im Bundesgesetzblatt am 26.10.2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit der Regelung habe klargestellt werden sollen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V verankerte Grundsatz "Beratung vor Regress" auch für bei Inkrafttreten des § 106 Abs 5e SGB V zum 1.1.2012 noch nicht abgeschlossene Richtgrößenprüfungen gelte. Eine Klarstellung setze begrifflich voraus, dass bereits zuvor etwas geregelt gewesen sei, wenngleich missverständlich oder auslegungsbedürftig. Der Bezugspunkt der "Klarstellung", nämlich § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-​VStG vom 1.1.2012, enthalte jedoch keine Rückwirkung. Die Regelung greife für Prüfquartale ab dem 1.1.2012 und nicht schon für solche aus 2009. Demzufolge fehle der vermeintlichen Klarstellung jede Grundlage; sie laufe leer. § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V habe keinen klarstellenden, sondern einen konstitutiven Charakter.

5

Der Bescheid sei auch im Übrigen rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Es sei grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn treffe die Darlegungslast. Dem Kläger habe bereits im Verwaltungsverfahren die Pflicht oblegen, dezidiert eine besondere Patientenstruktur darzulegen und ggf nachzuweisen. Sein pauschales Vorbringen gebe weder Erkenntnisse über den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und damit die Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie noch über die Anzahl dieser Patienten und den damit verbundenen tatsächlichen Mehraufwand. Die beispielhafte Darlegung zu einzelnen Patienten genüge diesen Anforderungen nicht.

6

Mit ihren Revisionen rügen der Kläger sowie die zu 7. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Verletzung von Bundesrecht.

7

Der Kläger führt aus, das LSG gehe ohne Erwägungen zu den unterschiedlichen Grundsätzen intertemporalen Rechts und ohne Subsumtion unter die Voraussetzungen von der Anwendung des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts aus. § 106 Abs 5e SGB V sei jedoch als formelle Verfahrensvoraussetzung einzuordnen mit der Folge, dass das Recht im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gelte. Die Norm stelle keine materiell-rechtliche Vorgabe dar, da sie nicht die Anspruchsvoraussetzungen oder den -inhalt des Regressanspruchs regele, sondern vielmehr einen Verfahrensabschluss - allenfalls eine Rechtsfolge - festlege. Der rechtliche Gehalt des § 106 Abs 5e SGB V werde erst nach der materiellen Anspruchsprüfung relevant, wenn es um die Frage gehe, ob eine Beratung vorgeschaltet werden müsse oder direkt regressiert werden dürfe.

8

Unter Beachtung der Besonderheiten und des Ablaufs des Prüfverfahrens im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei es auch ansonsten richtig und sachgerecht, das Recht im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Anwendung finden zu lassen, wie dies das BSG mit Urteil vom 24.11.1993 (6 RKa 20/91 - SozR 3-2200 § 368n Nr 6) entschieden habe. Das Verfahren zur Feststellung der "Überschreitung" erstrecke sich über den geprüften Zeitraum hinweg bis in die Gegenwart des Verwaltungsverfahrens, weil erst in diesem die Möglichkeit bestehe, Praxisbesonderheiten geltend zu machen. Die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten sei nicht einem nachträglichen Erlöschensgrund für den Regressanspruch gleichzusetzen, sondern hindere bereits das Entstehen des Anspruchs.

9

Soweit das BSG regelmäßig auf den Verordnungszeitraum bzw den Zeitpunkt des geprüften Quartals abstelle, sei dies in dieser Allgemeinheit verfehlt. Solches sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen dann angezeigt, wenn es um inhaltiche Vorgaben zur Verordnungstätigkeit gehe, die der Arzt im Vorfeld kennen müsse; alle anderen Regelungen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, deren rechtstechnischer Inhalt zur Steuerung des Verhaltens des Arztes bei vorheriger Kenntnis der Vorschrift nicht geeignet sei, könnten nicht als materielle Regelungen gelten, bei denen in jedem Fall das zum Prüfzeitraum geltende Recht Anwendung finden müsse.

10

Auch bei Anwendung des Geltungszeitraumprinzips müsse der Grundsatz "Beratung vor Regress" hier angewandt werden, weil die Rechtsentwicklung dafür spreche, die Rechtsänderung mit sofortiger Wirkung auf die laufenden Verfahren anzuwenden. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" habe bereits zuvor gegolten, sei von den Prüfgremien jedoch häufig nicht beachtet bzw umgesetzt worden. Die Umwandlung einer Sollvorschrift in eine Mussvorschrift spreche dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift mit dem Tag des Inkrafttretens habe angewandt wissen wollen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Sofortwirkung der Rechtsänderung vor, da die Rechtsstellung des betroffenen Vertragsarztes durch § 106 Abs 5e SGB V verbessert werde ein etwaiges Vertrauen der Krankenkassen in den Fortbestand der Rechtslage nicht schutzwürdig sei.

11

Die vom Gesetzgeber durch Satz 7 aaO bezweckte Klarstellung laufe gerade nicht leer. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien - im Sinne einer authentischen Auslegung - ausdrücklich betont, dass die Prüfgremien das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht anzuwenden hätten; er selbst interpretiere damit seine Norm im Gefüge des intertemporalen Rechts. Eine echte Rückwirkung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V liege nicht vor. Der dem Regress zugrunde liegende Sachverhalt sei erst mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides abgeschlossen, sodass in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossen worden sei, nicht in einen bereits abgewickelten Sachverhalt eingegriffen werde. Die konkrete Erstattungspflicht entstehe erst mit der Entscheidung der Prüfungsstelle. Eine unzulässige Rückwirkung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Grundsatz "Beratung vor Regress" die Rechtsposition der Vertragsärzte verbessere. Die Rechtsstellung der Krankenkassen sei nicht vor einer Änderung der Rechtslage geschützt, weil sie sich weder auf die Grundrechte noch auf den aus Art 20 Abs 3 GG abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnten.

12

In der Sache habe das LSG zunächst nicht berücksichtigt, dass die Prüfgremien für die Jahre 2006 und 2007 bereits Praxisbesonderheiten - Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter sowie für die Behandlung von Patienten mit psychischen Krankheitsbildern - anerkannt hätten. Da sich das Patientengut nicht verändert habe, hätte es sich dem LSG nahezu aufdrängen müssen, über eine Selbstbindung der Prüfgremien gemäß Art 3 GG nachzudenken. Zumindest müsse den Vorentscheidungen Indizwirkung zugebilligt werden.

13

Das LSG habe zudem zu Unrecht das Vorliegen von Praxisbesonderheiten verneint. Anhand bestimmter nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (engl: International Classification of Diseases and Related Health Problems ) verschlüsselter Diagnosen ließen sich Patienten und Namen herausfiltern und hieraus errechnen, welchen Anteil Patienten mit einer bestimmten Gesundheitsstörung oder mit einer Kumulation bestimmter Gesundheitsstörungen eine Praxis - auch im Vergleich zur Fachgruppe - aufweise. Anhand dieser Zahlen habe er - der Kläger - bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass er mehr Patienten mit bestimmten Gesundheitsstörungen (Gastroösophageale Refluxkrankheit , depressive Episode und nicht primär insulinabhängiger Diabetes ) behandeln müsse als der Fachgruppendurchschnitt. Er habe auch angegeben, welche Medikamente benötigt worden seien; anstelle des Präparatenamens habe er dabei mit der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen-Klassifikation gearbeitet. Zudem habe er den Kausalzusammenhang dargestellt sowie die Mehrkosten beziffert.

14

Damit der "Amtsermittlungsgrundsatz" nicht leer laufe, sei die Mitwirkungspflicht auf solche Tatsachen beschränkt, die der Beweisbelastete auch beibringen könne. Wenn sich aus der Zusammenschau der vom Arzt vorgelegten Informationen zweifelsfrei ergebe, dass dieser denknotwendigerweise höhere Verordnungskosten als der Durchschnitt seiner Fachgruppe haben müsse, dann sei die Grenze des Möglichen für den Arzt erreicht. Es obliege dann den Prüfgremien, Praxisbesonderheiten, die aus Verordnungsdaten oder der Honorarabrechnung unmittelbar erkennbar seien, von Amts wegen weiter nachzugehen.

15

Bei Betrachtung des Gesamtablaufs der in den Jahren 2006 bis 2011 durchgeführten Prüfungen erweise sich das Vorgehen des Beklagten als willkürlich, weil sich weder das Verordnungsverhalten noch der anwaltliche Vortrag geändert habe, während der Beklagte vormalig als substantiiert anerkannten Vortrag in den Folgejahren als unsubstantiiert zurückgewiesen habe, andererseits vormals als unsubstantiiert gewerteter Vortrag in den Folgejahren als substantiiert angesehen werde. Gründe für seinen Sinneswandel habe der Beklagte nicht angegeben. Soweit der Beklagte auf ein Umdenken bezüglich der Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verweise, wäre diese Abkehr von einer zuvor anerkannten rechtlichen Bewertung nur bei entsprechender Begründung bzw Änderung der Rechtslage möglich; an diesen Voraussetzungen fehle es.

16

Zudem verletze das LSG sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG, indem es die Entscheidung des Beklagten, keine weiteren Praxisbesonderheiten anzuerkennen, nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe. Es fehle an einem tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht, denn es sei nicht ersichtlich, welche Informationen den Prüfgremien zur Verfügung stehen sollten, die die Gerichte im Rahmen einer Kontrolle nicht zur Entscheidung heranziehen und auch inhaltlich beurteilen könnten. Schließlich verstoße die Richtgrößenbildung gegen höherrangiges Recht, weil die Richtgrößen seit 2002 nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen bestimmt werden sollten; die Untergliederung allein nach Mitgliedern/Familienversicherten und Rentnern genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht.

17

Die Beigeladene zu 7. schließt sich den Ausführungen des Klägers an. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" finde auch auf Verfahren Anwendung, in denen der Widerspruchsbescheid zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 ergangen sei. Der Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V sei klar und eindeutig und regele den zeitlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des § 106 Abs 5e SGB V ausdrücklich. Auch die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien seien unmissverständlich in dem Sinne, dass der Grundsatz "Beratung vor Regress" ab dem 1.1.2012 für alle laufenden Verfahren gelte.

18

Der Kläger und die Beigeladene zu 7. beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 3.4.2013 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

20

§ 106 Abs 5e SGB V in der Fassung des GKV-VStG könne für Prüfzeiträume vor dem 1.1.2012 keine Geltung beanspruchen. § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V stelle eine materielle Regelung dar, da es sich bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 SGB V um eine Sanktion handele. Auch Systematik und Ablauf einer Wirtschaftlichkeitsprüfung begründeten eine Anwendbarkeit des § 106 Abs 5e SGB V ab dem 1.1.2012 nicht. Die Prüfung setze Maßstäbe und Konsequenzen voraus, an denen der Vertragsarzt seine ärztliche Tätigkeit ausrichten könne und auszurichten habe. Die Beurteilung setze demzufolge auf der zeitgleichen Geltung von Prüfkriterien und Verhalten auf. Dass die Beurteilung von Praxisbesonderheiten systematisch erst im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolge, ändere nichts daran, dass der Erstattungsanspruch grundsätzlich retrospektiv auf der Grundlage der tatsächlichen Behandlungsverhältnisse im jeweiligen Prüfungszeitraum festgestellt werde. Die Neufassung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V gelte nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es hätte einer konstitutiv rückwirkenden Regelung ab 1.1.2012 bedurft, um zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossene Verfahren zu erfassen; eine solche sei in der "Klarstellung zur Rechtslage" nicht zu sehen.

21

Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Entscheidungen der Prüfgremien zu den Jahren 2006 bzw 2007 seien unter keinem Gesichtspunkt präjudiziell. Der für das Jahr 2006 geschlossene Vergleich sei durch Anerkennung der Mehrkosten für additive Schmerztherapie - darunter PPI - bestimmt gewesen; zu den PPI habe jedoch aufgrund von (negativen) Studien im Prüfjahr 2009 ein Umdenken stattgefunden. Die Richtgrößenvereinbarung (RGV) 2009 sehe eine ausreichende - wenn auch grobe - Altersgliederung vor; im Übrigen handele es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollregelung. Entscheidend sei, dass das von den Vertragsparteien vereinbarte Prüfungskonzept insgesamt eine schlüssige Aussage zur Wirtschaftlichkeit bei Überprüfung anhand der Richtgrößensumme erlaube.

22

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

23

Die Revisionen des Klägers und der beigeladenen KÄV sind begründet. Das LSG hat der Berufung des Beklagten zu Unrecht stattgegeben. Der Beklagte muss - wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat - über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 16.11.2011 erneut entscheiden.

24

Zu Recht hat das LSG angenommen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang der Beratung der Regressfestsetzung nicht entgegensteht: Diese Regelung findet auf den angefochtenen Bescheid noch keine Anwendung, da das Verwaltungsverfahren vor Inkrafttreten des die rückwirkende Geltung der Norm anordnenden § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V abgeschlossen war. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit den vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner gastroenterologischen Praxisausrichtung auseinandersetzt.

25

1. Rechtsgrundlage der Festsetzung eines Regresses ist § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(in der ab dem 1.1.2004 geltenden und seither - nahezu - unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens (RGVol) um mehr als 25 vH nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

26

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Bescheid des Beklagten nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anstelle eines Regresses lediglich eine individuelle Beratung hätte festgesetzt werden dürfen.

27

a. Zwar bestimmt § 106 Abs 5e SGB V(in der Fassung des Art 1 Nr 38 Buchst d GKV-VStG vom 22.12.2011 , gemäß Art 15 Abs 1 GKV-VStG am 1.1.2012 in Kraft getreten), dass abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V bei einer erstmaligen Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH eine individuelle Beratung nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V erfolgt(Satz 1 aaO). Der hierdurch vorgegebene Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") findet im zu beurteilenden Prüfverfahren jedoch (noch) keine Anwendung. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 106 Abs 5e SGB V nach seinem Satz 7 auch für (Prüf-)Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Diese Geltungsanordnung wurde erst mit Wirkung zum 26.10.2012 eingefügt (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) und betrifft somit nur Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die nach dem 25.10.2012 ergangen sind. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:

28

§ 106 Abs 5e SGB V in der vom 1.1.2012 bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung war nur für Prüfverfahren maßgeblich, die Prüfzeiträume nach dem Inkrafttreten der Norm betrafen, weil nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das im Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich ist (aa.). Etwas anderes gilt nur, wenn es ausdrücklich angeordnet ist; derartiges war § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung nicht zu entnehmen (bb.). Eine solche ausdrückliche Geltungsanordnung in Bezug auf zurückliegende Prüfzeiträume enthält (erst) der nachträglich (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) angefügte und gemäß Art 15 Abs 1 des Gesetzes am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V; dieser bestimmt, dass Abs 5e aaO auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (cc.). Dem Ergebnis, dass erst Satz 7 aaO eine Rückbezüglichkeit der Regelungen des § 106 Abs 5e SGB V bewirkt hat, stehen auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts nicht entgegen(dd.). § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V war allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten noch nicht in Kraft getreten und daher noch nicht zu beachten(ee.).

29

aa. Für die rechtliche Beurteilung, welche Rechtsfolgen sich aus einer Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH ergeben, ist grundsätzlich das im jeweiligen Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich; bis zum Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V galt dies auch für die Anwendung des § 106 Abs 5e SGB V.

30

(1) Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Danach sind für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist.

31

Auf diese Entscheidung hat der Senat nachfolgend Bezug genommen und - konkret auf § 106 Abs 5e SGB V bezogen - ausgeführt, dass diese Vorschrift nur für Prüfverfahren gilt, die Zeiträume nach ihrem Inkrafttreten betreffen(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12). Zu ergänzen ist, dass der Senat in zahlreichen Entscheidungen zu § 106 SGB V auf das für den jeweiligen Prüfzeitraum maßgebliche Recht abgestellt hat, auch ohne dies näher zu begründen(vgl aus jüngerer Zeit zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 10; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 12).

32

(2) Etwas anderes gilt nach der Senatsrechtsprechung lediglich dann, wenn es um die Gestaltung des Prüfverfahrens als solches geht, etwa wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 unter Bezugnahme auf BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert. Dies betrifft etwa Regelungen über die Zuständigkeit, die Besetzung von Verwaltungsstellen, das Verfahren bzw die Form von Entscheidungen. Verfahrensvorschriften werden nach allgemeinen Grundsätzen mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar wirksam (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9).

33

Bei der in § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V normierten Suspendierung von Regressen, denen keine Beratung vorangegangen ist, handelt es sich jedoch nicht um derartige Verfahrensvorschriften. Vielmehr betrifft die Regelung die Durchführung des Prüfverfahrens als solches und damit materielles Recht (so auch Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 106 RdNr 33; zur Annahme einer materiell-rechtlichen Regelung neigt auch Weinrich, GesR 2014, 390, 394; vgl auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 238): Der Grundsatz "Beratung vor Regress" lässt sich den in der (zitierten) Senatsrechtsprechung angesprochenen "Grundsätzen" zuordnen, "nach welchen ... diese Prüfung stattfindet". Das ergibt sich schon daraus, dass die "Beratung" nach Überschreitung des RGVol eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung darstellt, die der Arzt gerichtlich überprüfen lassen kann (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 10 f), die also ersichtlich nicht nur verfahrenstechnische Bedeutung hat. Unabhängig davon, ob man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V als Regelung der Voraussetzungen für die Festsetzung von Regressen versteht (nur bei mehrmaliger Überschreitung zulässig) oder als Regelung der Voraussetzungen für die Durchführung einer Beratung (nur bei erstmaliger Überschreitung), bestimmt die Norm die Voraussetzungen, unter denen eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen kann bzw muss. Versteht man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V hingegen allein als Regelung einer Rechtsfolge, indem vorgegeben wird, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsfolge "Regressfestsetzung" durch die Rechtsfolge "Beratung" ersetzt wird, ändert sich nichts: Die Rechtsfolge ist - quasi als "Kehrseite" der Tatbestandsvoraussetzungen - Teil des materiellen Rechts.

34

(3) Der Maßgeblichkeit des im Prüfungszeitrum geltenden Rechts steht auch nicht entgegen, dass üblicherweise bei einer Anfechtungsklage als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Begründetheit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw des Widerspruchsbescheides angenommen wird (vgl die Nachweise bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33). Zunächst ist dem geltenden Recht kein "allgemeiner Grundsatz" zu entnehmen, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen (zwingend) die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist (so schon BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17). Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts entspricht lediglich einer "Faustregel" mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17; BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 12 mwN; in diesem Sinne auch BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 = Juris RdNr 10).

35

Zudem kommt für die materiell-rechtlichen Regelungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage schon aus Sachgründen nicht in Betracht. Bei den im Falle eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verhängten Prüfmaßnahmen handelt es sich um Reaktionen auf ein nicht den gesetzlichen (konkret den § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V)und den vertraglichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Arztes. Daher muss der Vertragsarzt bereits zu Beginn des jeweiligen Prüfzeitraums erkennen können, welche Regelungen für ihn insoweit maßgeblich sind, da er nur so sein Verhalten darauf einstellen kann. Es liegt auf der Hand, dass das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten eines Arztes nicht nach Maßstäben beurteilt werden kann, die erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten sind, bei Vornahme der - den Gegenstand der Prüfung bildenden - Verordnungen aber noch nicht galten. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 24.11.1993 für die rechtliche Beurteilung einer auf die Behandlungsweise bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt hat (siehe BSG SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 13 f), hält er hieran nicht mehr fest.

36

bb. Nach der Rechtsprechung des Senats wie auch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts (siehe 2.b.dd) kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Prüfungszeitraum gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Dass § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung auch für Prüfverfahren Geltung besitzen sollte, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, ist jedoch weder der Norm selbst noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Das Gesetz enthält insoweit keinerlei Regelungen, die die Anwendung der Norm auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anordnen; auch der Gesetzesbegründung zum GKV-VStG lässt sich kein dahingehender Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass das neue Recht mit sofortiger Wirkung auf alle noch "offenen" Prüfverfahren Anwendung finden sollte, da sie sich hierzu überhaupt nicht verhält. Die im Zusammenhang mit der nachträglichen Einfügung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V geäußerte gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers ("Klarstellung") vermag hieran nichts zu ändern(siehe hierzu <2.b.cc.(1)>).

37

cc. Eine gesetzliche Anordnung des Inhalts, dass der Beratungsvorrang auch auf Prüfverfahren Anwendung finden soll, die bereits abgeschlossene Prüfzeiträume betreffen, enthält erst der am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V. Dieser bestimmt, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang einer individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung für alle Verfahren der Richtgrößenprüfung gilt, die nicht bis zum 31.12.2011 durch einen Bescheid des Beschwerdeausschusses abgeschlossen waren (zur Verneinung einer verfassungswidrigen Rückwirkung zu Lasten der Krankenkassen siehe das Urteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 23 ff).

38

(1) § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V enthält allerdings keine bloße Klarstellung, sondern eine Änderung der Rechtslage in Form einer ausdrücklichen - konstitutiven - gesetzlichen Geltungsanordnung(in diesem Sinne bereits Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218b; siehe auch SG Marburg Beschluss vom 16.12.2013 - S 12 KA 565/13 ER - Juris RdNr 18: "rückwirkend … in Kraft gesetzt …"; zweifelnd auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12: "(unterstellt) klarstellende Neuregelung"; aA Weinrich, GesR 2014, 390, 394; Christophers, ZMGR 2014, 11, 13). Zwar heißt es in der Satz 7 aaO betreffenden Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95): "Klarstellung zur Rechtslage. Der Grundsatz 'Beratung vor Regress' gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-​VStG am 1. Januar 2012 für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Prüfgremien - auch soweit sie zurückliegende Prüfzeiträume betreffen." Diese Annahme geht jedoch fehl.

39

Eine Klarstellung setzt voraus, dass etwas dem Grunde nach bereits angelegt ist und nur vorsorglich noch einmal verdeutlicht werden soll, dass dies so ist. Dies ist in Bezug auf die in Satz 7 aaO getroffene Regelung, dass § 106 Abs 5e SGB V auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren, jedoch nicht der Fall. § 106 Abs 5e SGB V fand - vor Einfügung des Satzes 7 aaO als einer ausdrücklichen Geltungsanordnung - gerade keine Anwendung auf Verfahren, welche vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, weil nach der Rechtsprechung des Senats für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das im jeweiligen Prüfzeitraum geltende Recht maßgeblich ist und § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung keinerlei Anhaltspunkte für eine rückbezügliche Wirkung der Norm enthielt.

40

Die Auffassung des Gesetzgebers, eine Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich (BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 47 = BGBl I 2014, 255, unter Hinweis auf BVerfGE 126, 369, 392). Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des BVerfG ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe, denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen (BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37). Eine vom Gesetzgeber beanspruchte Befugnis zur "authentischen" Interpretation wird daher von der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht anerkannt (vgl BVerfGE 65, 196, 215; BVerfGE 111, 54, 107; BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013, aaO, RdNr 48). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Regelung konstitutiv ist oder nur klarstellt, was nach Ansicht des Gesetzgebers ohnedies gegolten hat (BVerfGE 126, 369, 392). Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (BVerfGE 131, 20, 37 f; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 52, 55 f = BGBl I 2014, 255). Dies ist vorliegend der Fall.

41

(2) Regelungsinhalt des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist es, anzuordnen, dass die in den vorangehenden Sätzen des Abs 5e aaO enthaltenen Regelungen auch für (Prüf-)Verfahren gelten, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Unter "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist das Verwaltungsverfahren zu verstehen. Zwar ließe der Gesetzeswortlaut eine Auslegung dahingehend zu, dass Verfahren jeder Art - dh sowohl das Verwaltungsverfahren als auch das Gerichtsverfahren - erfasst werden sollen. Jedoch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, dass die Geltungsanordnung nicht bereits bei Gericht anhängige Verfahren erfassen soll (ebenso LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.2.2013 - L 5 KA 222/13 ER-B - Juris RdNr 36; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218c; siehe auch Weinrich, GesR 2014, 390). Dass mit dem Begriff "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V allein das Verwaltungsverfahren gemeint ist, folgt bereits daraus, dass sich die Regelung an die Prüfgremien - dh an die "Verwaltung" - richtet(Engelhard aaO). Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) verdeutlicht, dass die Neuregelung für ein bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenes Widerspruchsverfahren nicht gilt, "auch wenn eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses noch anhängig ist".

42

Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass "insoweit" die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze gelten, dürfte der Gesetzgeber den "Grundsatz" (bzw die "Faustregel") im Blick gehabt haben, dass der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich ist; dies bestätigen die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung (aaO), dass die Prüfgremien "das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" anzuwenden hätten. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, dass mit "Verfahren" nur das Verwaltungsverfahren gemeint ist. Das Verwaltungsverfahren wiederum umfasst sowohl das Verfahren vor der Prüfungsstelle als auch das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, da es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 22 mwN).

43

"Abgeschlossen" ist das Verfahren mit seiner "Beendigung", im verfahrensrechtlichen Sinne also - sofern es sich nicht anderweitig erledigt oder beendet wird - mit Erlass des Verwaltungsaktes (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13 und § 18 RdNr 1), das Widerspruchsverfahren entsprechend mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Darauf, ob das Verfahren "bestandskräftig" abgeschlossen ist, kommt es nicht an (so zutreffend Mutschler in Kasseler Komm, § 8 SGB X RdNr 11, unter Hinweis darauf, dass die Behörde nach dem Erlass des Verwaltungsaktes nichts mehr tun kann; ebenso Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13). Somit findet die Neuregelung dann keine Anwendung, wenn ein - verwaltungsverfahrensrechtlich vor dem in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V genannten Zeitpunkt abgeschlossenes - Verfahren durch gerichtliche Entscheidung zur erneuten Entscheidung an den Beschwerdeausschuss zurückverwiesen wird(Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218d), da es allein darauf ankommt, ob das Widerspruchsverfahren bei Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossen war oder nicht.

44

dd. Eine Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Rechts führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keiner anderen Beurteilung.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des BSG gilt bei Rechtsänderungen grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden; spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandene Lebensverhältnisse unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt (vgl zB BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt; dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw auszulegen ist (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21).

46

(2) Nach diesen - wegen der Besonderheiten des Vertragsarztrechts ohnehin nur sinngemäß übertragbaren - Maßstäben entspricht die Rechtsprechung des Senats zur Anwendbarkeit des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts dem Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Die Anwendung des Grundsatzes der sofortigen Anwendung des neuen Rechts kommt aus den bereits oben dargestellten Gründen nicht in Betracht, weil dem Gesetz - vor Einfügung des Satzes 7 aaO - weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen war, dass die Regelungen über den Vorrang der Beratung auch auf abgeschlossene Prüfzeiträume Anwendung finden sollten. Soweit in einzelnen - vom Kläger herangezogenen - Entscheidungen des BSG abweichende Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind, ist dies auf Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zurückzuführen.

47

ee. § 106 Abs 5e SGB V findet jedoch auch unter Berücksichtigung seines Satzes 7 ausschließlich auf (Prüf-)Verfahren Anwendung, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Da Satz 7 aaO mit Wirkung zum 26.10.2012 in Kraft getreten ist, entzieht er den vor seinem Inkrafttreten nach altem Recht ergangenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse nicht die Grundlage; eine derartige Regelungsabsicht hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden:

48

Zwar enthält § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V eine ausdrückliche Geltungsanordnung des Inhalts, dass § 106 Abs 5e SGB V - entgegen der Rechtsprechung des Senats zum jeweils maßgeblichen Recht - auch auf Prüfzeiträume Anwendung findet, die vor dem Inkrafttreten des Abs 5e am 1.1.2012 liegen, sofern die betreffenden Prüfverfahren am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Jedoch ist der Normbefehl insoweit nicht eindeutig, als Prüfverfahren betroffen sind, in denen die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses zwar nach dem 31.12.2011, jedoch vor Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 - dem auf die Verkündung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag (vgl Art 15 Abs 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften) - ergangen ist. Der Norm selbst kann zwar der Wille des Normgebers entnommen werden, auch diese Konstellationen in die begünstigende Wirkung des § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V einzubeziehen; dieser Annahme steht jedoch die Regelung zum Inkrafttreten der Geltungsanordnung am 26.10.2012 wie auch die Gesetzesbegründung selbst entgegen.

49

Der Gesetzgeber hätte § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V rückwirkend zum 1.1.2012 in Kraft setzen und damit auch solchen, das Verfahren abschließenden Entscheidungen aus der "Zwischenzeit" die rechtliche Basis - soweit es auf die Beratung ankommt - entziehen können. Das hat er jedoch nicht getan. Zudem hat der Gesetzgeber in der Begründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) darauf hingewiesen, dass er seine Regelung auf "noch nicht abgeschlossene Verfahren" beschränken will; auch hat er betont, dass die Prüfgremien das "zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" an​zuwenden haben. Dabei ist möglicherweise nicht hinreichend gesehen worden, dass die Beschwerdeausschüsse bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 aaO Verfahren "abschließen" und dabei das zum Zeitpunkt des jeweiligen Quartals geltende Recht anwenden mussten. Eine Regelungsabsicht, auch den auf dieser Basis ergangenen Bescheiden, die durchaus schon bestandskräftig geworden sein konnten, nachträglich rückwirkend die Grundlage zu entziehen, hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. In den Gesetzesmaterialien fehlen Hinweise, wie insoweit mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden umgegangen werden soll, also ob § 44 Abs 2 SGB X eingreifen oder die betroffenen Ärzte die Vollstreckung der Regresse der KÄV zugunsten der Krankenkassen mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen abwehren können sollen, und ob schon bezahlte Regresse rückabgewickelt werden müssen. Deshalb ist Satz 7 aaO so zu verstehen, dass der Vorrang der Beratung nach § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V nicht für solche Verfahren gilt, die vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen und in denen die abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses vor dem Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 ergangen ist. Davon ist der hier zu entscheidende Fall erfasst, weil der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 10.5.2012 dem Kläger am 11.5.2012 bekanntgegeben wurde.

50

b. Auf die Frage, ob der Kläger sein RGVol im streitbefangenen Jahr 2009 überhaupt "erstmalig" überschritten hat, kommt es angesichts des Umstandes, dass die Norm keine Anwendung findet, nicht an (zu den Anforderungen an eine "erstmalige" Überschreitung siehe Senatsurteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 58 ff).

51

3. Im Ergebnis hat das SG den Bescheid des Beklagten jedoch zu Recht aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verpflichtet, weil sich der Bescheid in der Sache wegen eines Begründungsmangels als rechtswidrig erweist.

52

a. Die - erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachten - Bedenken des Klägers gegen die Wirksamkeit der hier maßgeblichen RGV unter dem Aspekt der unzureichenden "altersgemäßen Gliederung" hält der Senat allerdings nicht für durchgreifend. § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V(in der ab dem 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets ) bestimmt, dass die Vertragspartner der RGV die (arztgruppenspezifischen und fallbezogenen) Richtgrößen zusätzlich nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen sollen. Die Vertragspartner sollen damit die Richtgrößen weiter ausdifferenzieren, um so eine stärker auf die Einzelpraxis ausgerichtete Berücksichtigung der medizinischen Behandlungserfordernisse zu erreichen (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309, S 9 zu § 84 Abs 6). Diese Regelung wird durch § 84 Abs 7 Satz 5 SGB V ergänzt, der vorgibt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit verbindlicher Wirkung für RGVen nach § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V die altersgemäße Gliederung der Patientengruppen bestimmen sollen.

53

Die auf dieser Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben der Spitzenorganisationen auf Bundesebene sehen hierzu eine Gliederung in vier Altersgruppen vor (siehe § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Anlage 2 der Rahmenvorgaben für das Jahr 2002, DÄ 2002, A 1540). In der hier maßgeblichen RGV wird demgegenüber nur - relativ grob - zwischen den Gruppen der Mitglieder/Familienversicherten und der Rentner unterschieden (siehe Anlage B zur RGV, Rheinisches Ärzteblatt 2009, 87). Dies ist jedoch noch hinnehmbar (aA SG Dresden Urteile vom 11.12.2013 - S 18 KA 31/10 ua - Juris), zum einen, weil es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollvorschrift handelt, zum anderen, weil die Rahmenvorgabe keine strikte Verpflichtung enthält, eine solche Regelung in die regionalen RGVen aufzunehmen: Gemäß § 2 Abs 2 Satz 3 der Rahmenvorgaben sind Abweichungen "hiervon" - dh von der in § 2 Abs 2 Satz 1 aaO vorgegebenen Altersgliederung - zulässig, "bis Satz 2 erfüllt ist". Nach Satz 2 aaO streben die Vereinbarungspartner an, noch im Jahr 2002 die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Verordnungsdaten und Fallzahlen entsprechend (der vorgegebenen Altersgliederung) geliefert werden können. Nachdem inzwischen die Unsicherheiten darüber, ob die Vertragspartner eine solche feinere Unterscheidung auf der Basis der von den Krankenkassen zu liefernden Daten (§ 296 SGB V) umsetzen können, beseitigt sind - so werden in den in B. und T. geltenden RGVen vier bzw sechs Kohorten unterschieden -, werden die regionalen Vertragspartner bis Ende des Jahres 2015 die RGVen der Rahmenempfehlung anzupassen haben, soweit sich das nicht als undurchführbar erweist; das wäre indessen konkret und nicht nur pauschal zu belegen.

54

b. Teilweise begründet sind die Einwände des Klägers allerdings, soweit er eine unzureichende Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten bzw eine unzureichende Begründung dazu rügt.

55

aa. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V kommt eine Erstattung von Mehraufwand nur in Betracht, wenn die Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf - bzw Verordnungsbedarf - des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14).

56

bb. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsge-mäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvoll-ziehbar ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger erhobenen Einwände fest.

57

Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es nicht an einem "tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht". Der Senat räumt den Prüfgremien in ständiger Rechtsprechung deshalb einen Beurteilungsspielraum ein, weil sich die die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise betreffenden Fragen zum Teil nur im Rahmen einer fachkundigen Beurteilung beantworten lassen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106). Ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien besteht nicht generell hinsichtlich aller Fragen der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung, sondern nur in Bezug auf solche Fragestellungen, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedürfen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Zu diesen Fragestellungen zählt der Senat insbesondere - für den Bereich der Richtgrößenprüfungen aber auch ausschließlich - die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 16 - jeweils zur Richtgrößenprüfung).

58

Fehl geht auch der Einwand des Klägers, der Senat verletze mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG. Dabei beachtet der Kläger nicht hinreichend, das die Prüfgremien erheblichen Begründungsanforderungen unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11), deren Beachtung von den Gerichten vollständig zu überprüfen ist. Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).

59

cc. Der Senat hält auch daran fest, dass der Umstand, dass die Prüfgremien für vorangegangene Prüfzeiträume Praxisbesonderheiten anerkannt hatten, nicht die Entscheidung präjudiziert, ob der Vertragsarzt in dem aktuell zur Beurteilung anstehenden Prüfzeitraum wirtschaftlich behandelt oder verordnet hat (zu hieraus folgenden Begründungsanforderungen siehe jedoch RdNr 64 <3.b.dd. (2)(a)>). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Prüfgremien für jedes Quartal erneut und gesondert eine Prüfung der Voraussetzungen des § 106 SGB V und eine Abwägung hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen vornehmen müssen(BSG USK 82196 S 897; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 235; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 20). Ebenso entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich der Vertragsarzt nicht auf einen Vertrauensschutz der Art berufen kann, dass es in vorangegangenen Quartalen zu keinen Honorarkürzungen gekommen und er daher davon ausgegangen sei, dass es auch in Zukunft zu keinen Honorarkürzungen kommen werde (BSG USK 97124; BSGE 78, 278, 283 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 198). Aus welchen Gründen keine Honorarkürzungen erfolgt sind - ob dies also auf der Anerkennung von Praxisbesonderheiten beruhte oder darauf, dass überhaupt kein Prüfverfahren durchgeführt wurde - ist insoweit ohne Bedeutung.

60

dd. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit der vom Kläger geltend gemachten gastroenterologischen Ausrichtung der Praxis auseinandersetzt.

61

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225). Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 224).

62

(2) Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Eingehenderer Ausführungen hätte es zum einen schon deswegen bedurft, weil der Beklagte in der Vergangenheit (insbesondere) für diesen Tätigkeitsschwerpunkt Praxisbesonderheiten anerkannt hatte (a). Zum anderen ist der Vortrag des Klägers zumindest in Bezug auf einen gastroenterologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint (b).

63

(a) Der Beklagte hatte für vorangehende Prüfungszeiträume das Vorliegen von Praxisbesonderheiten anerkannt. So ist nach den übereinstimmenden Angaben der Hauptbeteiligten jedenfalls im Bereich der Gastroenterologie eine Praxisbesonderheit gesehen worden; ob sich dies - so der Beklagte - allein auf die Anerkennung von Mehrkosten für additive Schmerztherapie bezog oder - wie der Kläger vorträgt - generell auf Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter, kann insoweit dahingestellt bleiben.

64

Haben die Prüfgremien in vorangegangenen Prüfzeiträumen Praxisbesonderheiten anerkannt, kann deren Vorliegen in nachfolgenden Prüfverfahren nicht pauschal unter Hinweis auf die grundsätzlich den Vertragsarzt treffende Darlegungs- und Feststellungslast (siehe hierzu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 mwN)verneint werden. Der Vertragsarzt erfüllt in derartigen Fällen die ihm obliegende besondere Mitwirkungspflicht (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40) bereits durch den Vortrag, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Praxis nicht verändert haben. Dann ist es Aufgabe der Prüfgremien, sich von Amts wegen mit den - als "offenkundig" im Sinne der Senatsrechtsprechung anzusehenden (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 43-44)- Umständen auseinanderzusetzen, die in der Vergangenheit zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit geführt haben. Es bedarf konkreter Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Prüfgremium nunmehr das Vorliegen solcher Praxisbesonderheiten verneint.

65

Es gehört zum Pflichtenkreis der Prüfgremien, eine Änderung ihrer Spruchpraxis in einer für die betroffenen Vertragsärzte nachvollziehbaren Weise zu begründen, da die Regressfestsetzung nur so die ihr immanente Beratungsfunktion erfüllen kann. Verhaltenssteuernde Wirkung kommt den Richtgrößen bzw den im Falle ihrer Überschreitung verhängten Sanktionen nur dann zu, wenn dem Vertragsarzt die maßgeblichen Umstände bekannt sind, sodass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Zu diesen Umständen gehört neben der Höhe des RGVol auch, ob bzw in welchem Umfang die Prüfgremien eine Überschreitung des RGVol als durch Praxisbesonderheiten begründet bzw gerechtfertigt ansehen. Daher erfordert die "Aberkennung" von Praxisbesonderheiten, dass die hierfür maßgeblichen Gründe dem Vertragsarzt bekanntgegeben werden. Derartige Ausführungen sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen.

66

(b) Unabhängig davon hätte der Vortrag des Klägers - jedenfalls in Bezug auf die im Bereich der Gastroenterologie geltend gemachten Besonderheiten - ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist.

67

Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 f mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14) die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt. Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv die Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt.

68

Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, bei den vermehrten Zuweisungen zur Gastroskopie handele es sich um Zuweisungen zur Diagnostik; die hiermit im Zusammenhang verordneten PPI würden für einen hausärztlich tätigen Internisten als fachgruppentypisch angesehen. Die Einzelfallschilderungen besonders kostenintensiver Patienten seien unsubstantiiert vorgetragen worden. Der Widerspruchsführer könne den erforderlichen Nachweis mit der eingereichten Einzelfalldarstellung nicht in der durch § 5 Abs 5 RGV geforderten dezidierten Form erbringen. Patientenlisten mit Diagnosen und Leistungsziffernstatistik gäben nur Auskunft über die Situation in der Praxis und belegten nicht, welche Abweichungen sich ggf gegenüber den Praxen der Vergleichsgruppe ergäben. Diese Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind.

69

In Bezug auf seinen gastroenterologischen Tätigkeitsbereich ist der Kläger seiner Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem er dargelegt und durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass seine (hausärztliche) Praxis einen gastroenterologischen Schwerpunkt hat. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem im Vergleich zu seiner Fachgruppe - den hausärztlich tätigen Internisten - signifikant erhöhten Anteil von Patienten mit Refluxkrankheit (Abweichung um mehr als 300 %), sowie daraus, dass er "Ösophago-Gastroduodenalen Komplex" doppelt so häufig abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Auch die Anzahl der von ihm durchgeführten Gastroskopien deutet auf ein von der Fachgruppe abweichendes Patientengut hin, weil Gastroskopien regelmäßig von im fachärztlichen Versorgungsbereich tätigen Internisten durchgeführt werden.

70

Diese für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf Diagnostik und Therapie von Refluxkrankheiten könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei Patienten mit der Diagnose "Refluxkrankheit" und/oder bei Patienten, bei denen eine Magenspiegelung durchgeführt wird, ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel. Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der - ohnehin auf "Zuweisungen zur Gastroskopie" beschränkte - Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf (insbesondere) an PPI besteht, könnte naheliegen.

71

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten. Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend geschehen.

72

Soweit der Kläger weitere Praxisbesonderheiten in anderen Behandlungsgebieten als der Gastroenterologie geltend macht, ist sein Vorbringen von vornherein nicht ausreichend, um das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zu begründen. In Bezug auf die höhere Anzahl von Patienten mit Depressionen und mit nicht primär insulinabhängigem Diabetes stellt der geltend gemachte Mehraufwand im Verordnungsbereich nicht mehr als eine Behauptung dar; soweit er einen Schwerpunkt bei Patienten mit metabolischem Syndrom geltend macht, wird dies allein durch die angegebenen vier Beispielsfälle nicht belegt.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Beklagte die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., da diese keine Anträge gestellt haben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 7. Oktober 2014 und das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 2012 geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2009 wird insoweit aufgehoben, als ein Regress von mehr als 115 446,93 Euro festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger trägt 4/5 und der Beklagte trägt 1/5 der Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung eines Regresses im Rahmen einer Richtgrößenprüfung für die Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln in Höhe von insgesamt 144 308,66 Euro für die Jahre 2003 bis 2005.

2

Der Kläger war bis zum Ablauf des Quartals III/2006 als hausärztlicher Internist zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beendete seine Tätigkeit nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen mit Vollendung des 68. Lebensjahres.

3

Im Jahr 2004 teilte die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein - Kammer Prüfung Arznei - dem Kläger mit, für die Jahre 2001 und 2002 habe er sein Richtgrößenvolumen überschritten. Entsprechende Mitteilungen erfolgten auch für die Folgejahre. In seinen Erwiderungsschreiben wies der Kläger ua darauf hin, dass er viele Rentner und Diabetiker behandele.

4

Mit Bescheid vom 14.12.2007 entschied der Prüfungsausschuss, trotz der festgestellten Überschreitungen der Richtgrößenvolumina (2003: 97,07 %; 2004: 55,26 %; 2005: 62,41 %) keine Maßnahmen gegen den Kläger zu ergreifen, da die im Rahmen der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a bis 5d SGB V vorgesehenen Maßnahmen grundsätzlich nur gegenüber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch als Vertragsärzte tätigen Ärzten eingeleitet werden dürften. Auf den Widerspruch der beigeladenen Krankenkassenverbände setzte der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 7.10.2009 einen Regress in Höhe von 40 309,84 Euro für 2003, in Höhe von 45 596,30 Euro für 2004 und in Höhe von 58 402,52 Euro für 2005 fest (insgesamt 144 308,66 Euro).

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

6

Das LSG hat zur Begründung seines Urteils vom 7.10.2014 ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers sei eine Festsetzung von Regressen nach Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Zwar könnten nur aktive Vertragsärzte ein individuelles Richtgrößenvolumen (IRV) nach § 106 Abs 5d SGB V vereinbaren, doch sei diese Option nicht Voraussetzung eines Regresses. § 106 Abs 5a SGB V erfasse alle Vertragsärzte, und nach der Rechtsprechung des BSG könnten Arzneikostenregresse als Konsequenz eines bestimmten Verordnungsverhaltens auch noch nach dem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung festgesetzt werden.

7

Die für den Erlass des Regressbescheides maßgebliche Ausschlussfrist von vier Jahren sei gewahrt. Die Verkürzung der Ausschlussfrist auf nur noch zwei Jahre (§ 106 Abs 2 Satz 7 SGB V)erfasse den hier zu beurteilenden Fall nicht, weil sie erst ab dem 1.1.2008 gelte. Maßgeblich für die Wahrung der Ausschlussfrist sei nicht die Entscheidung des Beklagten vom 7.10.2009, sondern die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, obwohl der Ausschuss keinen Regress gegen den Kläger festgesetzt habe. Die erst zum 1.1.2012 in Kraft getretene Regelung des § 106 Abs 5e SGB V ("Beratung vor Regress") sei auf die streitgegenständliche Regressfestsetzung auch dann nicht anwendbar, wenn das Widerspruchsverfahren schon vor dem 31.12.2011 abgeschlossen sei, sich aber ein Gerichtsverfahren angeschlossen habe. Auch die Begrenzung der Richtgrößenregresse auf maximal 25 000 Euro im Fall einer erstmaligen Überschreitung um mehr als 25 % gemäß § 106 Abs 5c Satz 7 SGB V begünstige den Kläger nicht, da sie erst zum 1.1.2011 in Kraft getreten sei. Den Praxisbesonderheiten des Klägers habe der Beklagte hinreichend durch die Berücksichtigung der Wirkstoffe und Indikationen der Anlagen 2 und 3 zu den jeweiligen Richtgrößenvereinbarungen sowie durch die kostenmindernde Berücksichtigung einzelner "teurer" Patienten (HIV, Mundboden CA, Morbus Crohn, Niereninsuffizienz, PCP, CREST) Rechnung getragen. Dem vom Kläger vorgetragenen hohen Altersdurchschnitt seiner Patienten werde bereits durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen, wobei der Richtwert für Rentner deutlich höher liege als der für Mitglieder und Angehörige. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht jedes Abweichen in der Praxisstruktur vom statistischen Normalfall kostenmindernd berücksichtigt werden müsse, weil § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V die Festsetzung eines Regresses erst ab einem Überschreiten der Richtgrößen um mehr als 25 % vorsehe und somit ein gesetzlicher Sicherheitspuffer bestehe. Nicht zu verkennen sei, dass der Kläger durch die Regressfestsetzung und die Rückforderung durch die Beigeladene zu 5. stark belastet sei. Dem könne aber nur im Rahmen der Entscheidung der Beigeladenen zu 5. über einen Erlass der Rückforderung nach § 76 SGB IV Rechnung getragen werden.

8

Seine Revision begründet der Kläger damit, dass gegen ihn nach seinem Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung kein Regress mehr festgesetzt werden dürfe. Im Übrigen sei die maßgebliche zweijährige Ausschlussfrist nicht gewahrt, der Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verletzt und Praxisbesonderheiten seien unzureichend berücksichtigt worden.

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Kiel vom 9.5.2012 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7.10.2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7.10.2009 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

11

Die Annahme des Klägers, nach Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit könne kein Regress mehr festgesetzt werden, stehe nicht mit der Rechtsprechung des BSG im Einklang. Zutreffend sei das LSG auch davon ausgegangen, dass vorliegend die Zwei-Jahres-Frist gemäß § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V keine Anwendung finde. Bis zum 31.12.2007 habe eine vierjährige Ausschlussfrist gegolten. Diese sei durch den Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007 gehemmt. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 in laufende Verwaltungsverfahren habe eingreifen wollen. Vielmehr habe er sicherstellen wollen, dass das reine Prüfungsverfahren bis zum Erlass des ersten Bescheides innerhalb der nunmehr gesetzlich geregelten Ausschlussfrist von zwei Jahren abgeschlossen werde. Mit dem Erlass des Bescheides sei der gesetzgeberische Zweck, dass nämlich der Betroffene das vorläufige Ergebnis des Abschlusses einer Prüfung kenne, vollständig erreicht. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine vorrangige Beratung nach § 106 Abs 5e SGB V. Diese Regelung sei erst am 1.1.2012 in Kraft getreten. Nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG sei sie nur auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse anzuwenden, die nach dem 25.10.2012 ergangen seien.

12

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

13

Die Beigeladene zu 5. trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen die Prüfung, ob seitens der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) die Stundung bzw der Erlass einer Forderung iS des § 106 Abs 5c SGB V iVm § 76 SGB IV gewährt werde, streng von der Prüfung, ob und in welcher Höhe der zugrunde liegende Regress durch die Prüfgremien rechtmäßig festgesetzt worden sei, getrennt werden müsse.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist teilweise erfolgreich. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass auch gegen den nicht mehr vertragsärztlich tätigen Kläger ein Regress nach § 106 Abs 5a SGB V festgesetzt werden kann(1.). Die Festsetzung des Regresses war auch nicht verfristet (2.). Der angefochtene Bescheid verstößt zudem nicht gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" (3.). Der Regressbetrag ist aber wegen der unterlassenen Hinwirkung auf eine Vereinbarung um 20 % zu reduzieren (4.). Der Bescheid ist im Übrigen rechtmäßig (5.). Über Stundung oder Erlass der Rückforderung der beigeladenen KÄV gegen den Kläger ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden (6.).

15

1. Rechtsgrundlage für die Regressfestsetzung für das Jahr 2003 ist § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets vom 19.12.2001, BGBl I 3773) bzw für die Jahre 2004 und 2005 § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(zugrundezulegen idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Nach diesen nahezu wortgleichen Regelungen hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

16

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Festsetzung des Regresses nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht ausgeschlossen ist, weil der Kläger seit Oktober 2006 nicht mehr vertragsärztlich tätig ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass die Prüfgremien nach § 106 SGB V auch dann noch gemäß § 48 Bundesmantelvertrag/Ärzte (BMV-Ä) einen sonstigen Schaden feststellen können, wenn der Arzt nicht mehr vertragsärztlich tätig ist(BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 25). Zwar ging es in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall, der die fehlerhafte Ausstellung von Verordnungen betraf, nicht um die Frage, ob überhaupt ein Regress festgesetzt werden kann, sondern darum, ob die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden des Arztes aus der vertragsärztlichen Versorgung noch zuständig sind (Abgrenzung von § 49 BMV-Ä zu § 48 BMV-Ä, bzw - je nach Fallkonstellation - zu § 106 Abs 2 SGB V). Jedoch hat der Senat als unzweifelhaft angesehen, "dass die Prüfgremien auch nach dem Ausscheiden eines Arztes ein Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung gegen den Vertragsarzt hinsichtlich vergangener Quartale durchführen können, und ebenso, dass die KÄV noch sachlich-rechnerische Richtigstellungen wegen vertragsärztlicher Fehlabrechnungen durchführen kann". Der frühere Status als Vertragsarzt entfaltet Nachwirkungen und den vertrags(zahn)ärztlichen Institutionen stehen nachwirkende Regelungsbefugnisse zu. Der Arzt hätte es ansonsten in der Hand "sich durch ein Ausscheiden aus der Versorgung einem Verfahren vor den Prüfgremien zu entziehen" (BSG SozR 4-5540 § 48 Nr 2 RdNr 28, 26). Diese Grundsätze hat der Senat in einer weiteren Entscheidung ebenfalls vom 20.3.2013, in der es um die Feststellung eines sonstigen Schadens nach §§ 21, 22 Bundesmantelvertrag/Zahnärzte ging, bekräftigt und vertieft. Zwar sei der (Zahn)Arzt mit Beendigung seiner Zulassung nicht mehr in das System der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung eingebunden, soweit aber Ansprüche ihren Ursprung in der vertrags(zahn)ärztlichen Tätigkeit haben, sind die fachkundig besetzten Gremien und Institutionen berufen, die Rechtmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Tätigkeit zu beurteilen. Die gesetzgeberische Entscheidung, die Leistungserbringer während ihrer Tätigkeit im System einem besonderen Regime der ärztlichen Selbstverwaltung und der mit Vertretern der K(Z)ÄV und der Krankenkasse (KKn) fachkundig besetzten Gremien zu unterwerfen, verliert nicht dadurch an Bedeutung, dass die vertrags(zahn)ärztliche Tätigkeit beendet wird (BSG SozR 4-5545 § 23 Nr 2 RdNr 24). Von dieser Rechtsprechung des Senats, welche allgemein auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung abstellt, ist auch die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V erfasst. Der umfassenden Verpflichtung des Vertragsarztes zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots steht die entsprechende Verpflichtung der Prüfgremien zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen gegenüber (Clemens in: jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 SGB V, RdNr 20; Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14,K § 106 RdNr 22, 71a). Grundsätzlich dürfen kein Arzt oder Gruppen von ärztlichen Leistungserbringern von der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgenommen bleiben (BSGE 75, 220, 223 = SozR 3-2500 § 106 Nr 24, S 131, 134; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33, S 277, 282, RdNr 20 mwN).

17

Für die Richtgrößenprüfung ist keine Ausnahme von diesem Grundsatz aus § 106 Abs 5d SGB V abzuleiten. Nach § 106 Abs 5d Satz 1 SGB V idF des GMG wird abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V ein zu erstattender Mehraufwand nicht festgesetzt, soweit der Prüfungsausschuss (jetzt: die Prüfungsstelle) mit dem Arzt eine individuelle Richtgröße vereinbart, die eine wirtschaftliche Verordnungsweise des Arztes unter Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten gewährleistet. In dieser Vereinbarung muss sich der Arzt verpflichten, ab dem Quartal, das auf die Vereinbarung folgt, jeweils den sich aus einer Überschreitung dieser Richtgröße ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten (§ 106 Abs 5d Satz 2 SGB V). § 106 Abs 5d SGB V erweitert die Handlungsoptionen der Beteiligten, indem diese auf Überschreitungen des Richtgrößenvolumens zukunftsbezogen reagieren können.

18

Der Gesetzgeber hält diesen Verzicht auf einen Regress in den Fällen für sachgerecht, "in denen sich der Arzt verpflichtet, eine mit dem Prüfungsausschuss vereinbarte praxisbezogene Richtgröße einzuhalten". Durch die Regelung soll anstelle einer auf die Vergangenheit gerichteten Ausgleichspflicht eine für die Zukunft wirksame Begrenzung des Verordnungsvolumens der Arztpraxis gewährleistet werden (BT-Drucks 15/1525 S 117). Diese Möglichkeit der Regressvermeidung ändert aber nichts daran, dass jeder Arzt, der das Wirtschaftlichkeitsgebot bei seinen Verordnungen nicht eingehalten hat, den KKn den auf diese Weise verursachten Mehraufwand zu ersetzen hat. Insoweit entspricht der Regressanspruch der KKn einem besonderen Typus eines verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruchs (vgl BSGE 105, 224 = SozR 4-2500 § 85 Nr 52, RdNr 17 mwN). Die Vorgabe von Richtgrößen, die nach § 84 Abs 6 Satz 3 SGB V den Vertragsarzt bei seiner Entscheidung über die Verordnung von Leistungen nach § 31 SGB V nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot leiten soll, wird durch die gesetzlich normative Pflicht zum Ausgleich des Mehraufwandes bei Überschreitung der Richtgrößen praktisch durchgesetzt. Das Verordnungsverhalten des Arztes wird gesteuert, weil er damit rechnen muss, für eine nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigte Richtgrößenüberschreitung Regress leisten zu müssen. Die verhaltenssteuernde Wirkung der Richtgrößen (vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 65; SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 18) bezieht sich auf den jeweils zu beurteilenden Zeitraum der Verordnungstätigkeit des Arztes. Für diesen Zeitraum wird - notwendigerweise erst nach seinem Ablauf - ggf ein Regress festgesetzt, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, wie das Verordnungsverhalten des betroffenen Arztes zu dem Zeitpunkt zu beurteilen ist, zu dem ihm ein Regressbescheid der Prüfstelle oder des Beschwerdeausschusses bekanntgegeben wird. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass auch Ärzte, die wissen, dass sie demnächst aus der vertragsärztlichen Tätigkeit ausscheiden und deshalb nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V keine zukunftsbezogene individuelle Richtgröße mehr vereinbaren können, bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit das Wirtschaftlichkeitsgebot auch bei ihren Verordnungen nach § 31 SGB V beachten.

19

Die Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße stellt auf den "Normalfall", dh auf den weiterhin tätigen Vertragsarzt ab. Ärzte, die ihre vertragsärztliche Tätigkeit beendet haben, können über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung gemäß § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nicht mehr vermeiden. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt darin jedoch nicht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl zB BVerfG Beschluss vom 2.5.2006 - 1 BvR 1275/97 - NJW 2006, 2175, 2177; BVerfGE 115, 381, 389 mwN). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl zB BVerfGE 107, 133, 141 mwN). Dass Ärzte, die nicht mehr an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, einen bereits festgestellten Regress nicht durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße abwenden können, liegt in der Natur der Sache.

20

Der Kläger hat während seiner vertragsärztlichen Tätigkeit wie jeder andere Arzt das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten und wird über die Richtgrößen für Arznei- und Verbandmittel in die Verantwortlichkeit für die Begrenzung der Arzneimittelausgaben der KKn (vgl BT-Drucks 12/3608 S 100) einbezogen. Die Differenzierung zwischen den Ärzten, die über § 106 Abs 5d SGB V eine Regressfestsetzung vermeiden können, und den Ärzten, denen diese Möglichkeit nicht (mehr) offensteht, ist diese durch einen sachlichen Grund im Sinne der og Rechtsprechung des BVerfG gerechtfertigt. § 106 Abs 5d SGB V bietet die (zusätzliche) Möglichkeit, zukunftsgerichtet auf die Vertragsärzte einzuwirken. Dies ist bei nicht mehr tätigen Vertragsärzten nicht mehr möglich. Im Übrigen wird der Kläger genauso behandelt wie alle anderen Vertragsärzte, die - aus anderen Gründen - keine IRV abschließen können aber wollen. Der Kreis dieser Ärzte ist nämlich entgegen der Darstellung des Klägers nicht auf die nicht mehr tätigen Vertragsärzte beschränkt. Insbesondere die Ärzte, die in Ärztekooperationen tätig sind und beabsichtigen, die Kooperationsform in näherer Zukunft zu ändern oder aufzugeben oder Ärzte, die planen, ihre weitere Tätigkeit beispielsweise innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft oder eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) fortzusetzen, können Richtgrößenvereinbarungen entweder nicht oder nur unter Berücksichtigung der geplanten Kooperationsform abschließen. Die in § 106 Abs 5d Satz 2 SGB V vorgesehene Verpflichtungserklärung dahingehend, jeweils den sich aus einer Überschreitung der IRV ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, kann der Arzt, der sich mit anderen Ärzten zur gemeinsamen Berufsausübung zusammenschließen oder als angestellter Arzt in einem MVZ tätig werden will, allenfalls unter Einbeziehung der Partner oder des MVZ wirksam abgeben. Doch auch für die Ärzte, die in unveränderter Form weiterhin vertragsärztlich tätig sind, bietet § 106 Abs 5d SGB V keine Garantie für die Vermeidung einer Regressfestsetzung. § 106 Abs 5d SGB V kommt nur dann zur Anwendung, wenn der Arzt von sich aus den Abschluss einer IRV anregt, was die Kenntnis von dieser Option voraussetzt. § 106 Abs 5d SGB V normiert keine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 15 f). Zudem besteht für die Beteiligten kein Kontrahierungszwang (vgl Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, 08/14, K § 106 RdNr 221d mwN), sodass die Verhandlungen über eine IRV auch scheitern können, wenn keine Übereinstimmung hinsichtlich ihres Inhalts erzielt wird.

21

Die Möglichkeit, einen an sich gerechtfertigten Regress durch die zukunftsbezogene Vereinbarung einer individuellen Richtgröße vermeiden zu können, ist keine Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines Regresses. Dabei ist unmaßgeblich, ob ein Vertragsarzt freiwillig oder - wie der Kläger - wegen Erreichens der 2006 noch geltenden Altersgrenze aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Die IRV sichert - mit durchaus gravierenden Verpflichtungen des Vertragsarztes für die Zukunft - die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ab. Wenn dieses Ziel nicht mehr erreichbar ist, bleibt die Lage so, wie sie schon vor Einführung der Regelung über die Vereinbarung einer individuellen Richtgröße war: Der Arzt muss auch nach Beendigung seiner vertragsärztlichen Tätigkeit den Schaden ersetzen, den er durch unwirtschaftliche Verordnungen verursacht hat.

22

2. Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht verfristet. Der Kläger dringt mit seinem Einwand, der Beklagte habe nach dem 1.1.2008 für die streitgegenständlichen Verordnungszeiträume 2003 bis 2005 keinen Regress mehr festsetzen können, weil die Zwei-Jahres-Frist nach § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V verstrichen gewesen sei, nicht durch.

23

§ 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V, wonach die Festsetzung eines den KKn zu erstattenden Mehraufwandes nach Abs 5a innerhalb von zwei Jahren nach Ende des geprüften Verordnungszeitraumes erfolgen muss, wurde durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügt. Nach der Rechtsprechung des Senats sind für die Wirtschaftlichkeitsprüfungen von Zeiträumen, die vor dem Inkrafttreten von Gesetzesneufassungen abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich. Etwas anderes kommt lediglich in Betracht, wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSGE 92, 283, 285 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Dies hat der Senat auch im Zusammenhang mit der Regelung des § 106 Abs 5e SGB V erneut bekräftigt(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 34). Eine rein verfahrensrechtliche Regelung in diesem Sinne ist die Verkürzung der Ausschlussfrist für Richtgrößenprüfungen auf zwei Jahre nicht (anders wohl Engelhard SGb 2008, 150, 154). Die uneingeschränkte Anwendung der Verkürzung der Ausschlussfrist auf Richtgrößenprüfungen, die zum 31.12.2007 korrekt in Gang gesetzt, aber noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren, hätte zur Folge, dass in großem Umfang rechtmäßigen Bescheiden rückwirkend die Grundlage entzogen worden wäre. Das bedarf zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, wie sie sich etwa in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V findet; eine solche ist hier nicht getroffen worden. Die Zwei-Jahres-Frist gilt nur für Richtgrößenprüfungen, die Prüfzeiträume nach dem 1.1.2008 betreffen; dazu hat der Senat im Beschluss vom 28.8.2013 (B 6 KA 20/13 B - RdNr 10) klargestellt, dass sich aus dem Urteil SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 14 nicht ableiten lässt, dass es für das Eingreifen der Zwei-Jahres-Frist (auch) darauf ankommt, ob die Prüfgremien über Zeiträume bis Ende 2007 vor oder nach Inkrafttreten des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V entscheiden.

24

Maßgeblich ist daher, dass die vor Einfügung des § 106 Abs 2 Satz 7 SGB V für Regressbescheide (auch) im Rahmen der Richtgrößenprüfung geltende vierjährige Ausschlussfrist für den gesamten streitbefangenen Zeitraum (2003 - 2005) gewahrt worden ist(zur vierjährigen Ausschlussfrist BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44 RdNr 24). Das ist durch den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 14.12.2007, der nach § 37 Abs 2 SGB X als am 17.12.2007 bekannt gegeben gilt, für den gesamten betroffenen Zeitraum (2003 - 2005) geschehen.

25

Der Bescheid des Prüfungsausschusses (heute: der Prüfungsstelle) wahrt nach der Rechtsprechung des Senats regelmäßig die Ausschlussfrist; es kommt weder auf den Bescheid des Beschwerdeausschusses noch darauf an, ob der Arzt bereits durch den Bescheid des Prüfungsausschusses oder erst durch die Entscheidung des Beschwerdeausschusses beschwert wird.

26

Der das Prüfverfahren abschließende Bescheid der Wirtschaftlichkeitsprüfung muss innerhalb von vier Jahren nach Festsetzung des von der Kürzungsmaßnahme betroffenen Honorars (bei Honorarkürzungen) bzw des geprüften Zeitraums (bei Verordnungsregressen) erlassen werden, weil es für den Vertragsarzt unzumutbar ist, über einen längeren Zeitraum hinweg nicht zu wissen, ob sein Behandlungs- bzw Verordnungsverhalten Gegenstand von Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 28 f). Dieser Zustand des Nichtwissens wird aber durch den Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle beendet. Ab Kenntnis von dem Bescheid des Prüfungsausschusses bzw der Prüfstelle ist das Vertrauen des Vertragsarztes, nicht mehr mit Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung rechnen zu müssen, zerstört (BSG - B 6 KA 5/11 B - Juris, RdNr 8).

27

Der rechtlichen Wertung, dass mit Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses die vierjährige Ausschlussfrist gehemmt ist, steht nicht entgegen, dass dieser hier am 14.12.2007 gegen den Kläger keinen Regress festgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt es für die Wahrung der Ausschlussfrist allein darauf an, "dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn 'freisprechenden' Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch 'verbösernde' Entscheidungen treffen dürfen" (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 42; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN). Diese Erwägungen gelten auch für Richtgrößenprüfungen.

28

3. Entgegen der Auffassung des Klägers musste keine Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V erfolgen. Nach der Rechtsprechung des Senats findet der dort normierte Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") auf Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die vor dem Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V am 26.10.2012 ergangen sind, keine Anwendung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 27). Der hier angefochtene Bescheid ist am 7.10.2009 ergangen.

29

Eine Verpflichtung zur vorrangigen Beratung ergibt sich auch nicht aus § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V, wonach gezielte Beratungen weiteren Maßnahmen in der Regel vorgehen sollen. Dabei handelt es sich nur um eine Soll-Vorschrift, die nicht für den Fall unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine solche unzweifelhafte Unwirtschaftlichkeit dann gegeben, wenn sich der Regress auf nicht verordnungsfähige Arzneimittel bezieht oder wenn im Bereich der statistischen Durchschnittsprüfung ein Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses liegt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23; SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 27). Diese Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V gilt grundsätzlich auch für die Richtgrößenprüfung. Bei der Richtgrößenprüfung werden vor Feststellung der prozentualen Überschreitungen die Praxisbesonderheiten berücksichtigt. Die beim Kläger festgestellten Überschreitungen des Richtgrößenvolumens von 109,72 % (2003), 59,34 % (2004) und 70,39 % (2005) zeigen - nach Abzug der Praxisbesonderheiten - einen Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des Senats. Inwieweit die Rechtsprechung zu § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V nach Ansicht des Klägers angesichts der "weiteren Grundentscheidungen des Gesetzgebers" obsolet sein soll, erschließt sich nicht. Der Kläger verweist auf die durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz zum 1.1.2011 eingefügten Sätze 6 und 7 des § 106 Abs 5c SGB V. Diese betreffen aber nicht den Vorrang der Beratung, sondern beziehen sich auf die Möglichkeit der KKn, die Rückforderungen zu stunden oder zu erlassen und auf die Höhe des Regressbetrages (bei erstmaligem Überschreiten der Richtgrößen nicht mehr als 25 000 Euro für die ersten beiden Jahre). Die zum 1.1.2012 eingefügte Verpflichtung zur "Beratung vor Regress" in § 106 Abs 5e SGB V macht zudem deutlich, dass der Gesetzgeber insoweit eine von der bisherigen Rechtsprechung des Senats abweichende Wertung der Beratung auch in Fällen offensichtlicher Unwirtschaftlichkeit vorgenommen hat. An der Maßgeblichkeit der bisherigen Rechtsprechung für Prüfungsverfahren, die bis zum 25.10.2012 abgeschlossen worden sind, ändert das nichts.

30

4. Der angefochtene Bescheid ist aber deshalb teilweise rechtswidrig, weil weder der Prüfungsausschuss noch der Beklagte vor der Festsetzung des Regressbetrages auf eine Vereinbarung iS des § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V hingewirkt haben. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den KKn zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Weiter heißt es in Satz 4: "Die Prüfungsstelle soll vor ihren Entscheidungen und Festsetzungen auf eine entsprechende Vereinbarung mit dem Vertragsarzt hinwirken, die eine Minderung des Erstattungsbetrages um bis zu einem Fünftel zum Inhalt haben kann" (bis zum 1.1.2004 war die Regelung noch - nahezu wortgleich - in Satz 6 enthalten). § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V normiert eine Hinwirkungspflicht der Prüfgremien. Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss sind auch in den Fällen, in denen der Vertragsarzt nicht von sich aus eine Vereinbarung beantragt oder sich diesbezüglich äußert, verpflichtet, auf eine Vereinbarung hinzuwirken. Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 25 ff), statuiert diese Regelung - anders als § 106 Abs 5d SGB V - eine Hinwirkungspflicht(vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 16 ff). Diese Verpflichtung trifft sowohl die Prüfungsstelle als auch den Beschwerdeausschuss. Eine Nichtbeachtung ist auch nicht im Hinblick auf § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich(Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 30).

31

Damit steht fest, dass der angefochtene Bescheid des Beklagten zwar in der Sache richtig ist (vgl hierzu auch Ziff 5), er allerdings an dem Mangel leidet, dass dem Kläger keine Vereinbarung nach § 106 Abs 5a Satz 4 SGB V angeboten worden ist. Der Senat hat entschieden, dass dann, wenn sich dieser Umstand vor Abschluss des gerichtlichen Verfahrens in der letzten Tatsacheninstanz herausstellt, den Beteiligten im Rahmen des Verfahrens die Möglichkeit gegeben werden muss, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Da dies in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist, ist der Kläger nach der Rechtsprechung des Senats hier so zu stellen, als hätte ihm der Beklagte die für ihn günstigste Möglichkeit einer Vereinbarung angeboten, die er akzeptiert hätte. Das hat hier eine Reduzierung des Regressbetrages um 20 % zur Folge (Urteil vom 15.7.2015 - B 6 KA 30/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 43). Das hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr in Frage gestellt.

32

5. Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GMG vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen.

33

Nach § 1 Abs 5 der Richtgrößenvereinbarung Arznei- und Verbandmittel für die Jahre 2003 und 2004 und - wortgleich - für das Jahr 2005 (abrufbar jeweils unter http://www.kvsh.de) erfolgt die Berücksichtigung der Praxisbesonderheiten wie folgt: "Von der Richtgrößenbildung ausgenommen sind die Kosten der Arzneimittel der Anlage 2 dieser Vereinbarung, der Impfstoffe zur Prävention, des Sprechstundenbedarfs sowie solcher Therapien, die regelmäßig Praxisbesonderheiten begründen (Anlage 3 dieser Vereinbarung)." Entsprechend enthält die Anlage 2 eine Auflistung verschiedener teurer Arzneimittel und Anlage 3 diverser Indikationen, versehen mit dem Zusatz: "Bei den nachstehenden Indikationen ergeben sich Praxisbesonderheiten fallbezogen und indikationsabhängig im Hinblick auf Arzneimittel, die nicht in der Wirkstoffliste nach Anlage 2 dieser Empfehlung berücksichtigt sind." Dem angefochtenen Bescheid sind für die Jahre 2003 bis 2005 Auswertungsbögen beigefügt, aus denen sich im Einzelnen ua ergibt, welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 2 und welcher Betrag nach Maßgabe der Anlage 3 von den Verordnungskosten in Abzug gebracht wurde. Daneben wurden die Kosten für weitere - nicht in den Anlagen enthaltene - teure Arzneimittel bzw Therapien für einzelne Patienten abgezogen. Diese Patienten sind nicht namentlich benannt, sondern entweder mit den Initialen aufgeführt, oder in Gruppen (zB "Diverse Patienten - 5.500,07 - Sondennahrung") zusammengefasst. Der Kläger macht im Rahmen der Klagebegründung geltend, nicht alle teuren Patienten (Verordnungskosten über 2000 Euro im Jahr) seien berücksichtigt worden und hinsichtlich der berücksichtigten Patienten sei nicht nachvollziehbar, warum die entsprechenden Verordnungskosten nicht vollständig abgezogen worden seien. Dabei verkennt der Kläger, dass - außerhalb der in den Anlagen 2 und 3 genannten Arzneimittel und Indikationsgebiete - Verordnungskosten nicht allein deshalb als Praxisbesonderheiten anzuerkennen sind, weil sie einen bestimmten Betrag übersteigen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 35 RdNr 17; SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18). Die Ausführungen des Klägers zu seinem überwiegend aus älteren Rentnern bestehenden Patientenklientel sind nicht ausreichend. Es fehlt an jeglichem Vortrag dahingehend, inwieweit seine Patienten im Durchschnitt älter sind als die anderer Praxen und inwieweit gerade diese Patienten überdurchschnittliche Verordnungskosten verursacht haben. Zutreffend hat das LSG im Übrigen darauf hingewiesen, dass dem Altersdurchschnitt der Patienten schon durch die nach Patientengruppen gewichtete Ermittlung der Richtgrößen Rechnung getragen wird, wobei der Richtwert für die Rentner deutlich höher liegt als der für die Mitglieder und Familienversicherten. Soweit der Kläger geltend macht, dass bestimmte namentlich genannte Patienten nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt seien, übersieht er, dass die für diese Patienten angefallenen Verordnungskosten teilweise schon nach den Anlagen 2 und 3 berücksichtigt wurden.

34

6. Der Senat hat nicht darüber zu entscheiden, ob die zu 5. beigeladene KÄV verpflichtet ist, ihren Rückforderungsanspruch gegen den Kläger nach § 106 Abs 5c Satz 4 SGB V zu stunden oder zu erlassen. Die Realisierung der "Erstattung des Mehraufwandes" iS des § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V erfolgt in der Weise, dass die Prüfungsstelle den Betrag festsetzt(§ 106 Abs 5c Satz 1 SGB V), und sich um diesen Betrag die von der KK an die KÄV zu entrichtende Gesamtvergütung mindert (aaO, S 2 jeweils in der hier maßgeblichen Fassung vor der Änderung der Norm durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.10.2010 mit Wirkung zum 1.1.2011; näher Senatsurteil vom 28.10.2015 - B 6 KA 15/15 R -, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). "In der jeweiligen Höhe" hat die KK Rückforderungsansprüche gegen den Vertragsarzt (aaO, S 3), die die KÄV erlassen oder stunden kann, wenn der Arzt nachweist, dass ihm die Rückforderung "wirtschaftlich gefährden" würde (aaO, S 5). Über Stundung und Erlass ist im Verwaltungsverfahren zwischen Arzt und KÄV zu entscheiden; daran sind (nach der hier noch maßgebenden Fassung vor Änderung durch das AMNOG) weder die KK noch die Prüfgremien beteiligt. Das gilt auch für ein anschließendes gerichtliches Verfahren. Der Anspruch der KK auf "Ausgleich des Mehraufwandes" ist durch die Minderung der Gesamtvergütung endgültig erfüllt. Stundung und Erlass betreffen allein die KÄV, die bewerten muss, wie weit sie die Kompensation der bereits eingetretenen Minderung der Gesamtvergütung durch Durchsetzung ihres Rückforderungsanspruchs gegen den Arzt tatsächlich realisieren kann oder will. Auf eine Entscheidung darüber und auf die fehlerfreie Ausübung des Ermessens durch die KÄV hat auch der Arzt Anspruch, der aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschieden ist. Ob die zu 5. beigeladene KÄV über den entsprechenden Antrag des Klägers schon entschieden hat, hat das LSG nicht festgestellt. Dazu bestand auch keine Veranlassung, weil ein entsprechender Bescheid der KÄV unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Gegenstand des hier zu entscheidenden Verfahrens über die Höhe des den KKn zu ersetzenden Mehraufwandes ist.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO und trägt dem anteiligen Obsiegen der Beteiligten in den drei Rechtszügen Rechnung.

                          

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztliche Vereinigung treffen zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung mit Leistungen nach § 31 bis zum 30. November für das jeweils folgende Kalenderjahr eine Arzneimittelvereinbarung. Die Vereinbarung umfasst

1.
ein Ausgabenvolumen für die insgesamt von den Vertragsärzten nach § 31 veranlassten Leistungen,
2.
Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitsziele und konkrete, auf die Umsetzung dieser Ziele ausgerichtete Maßnahmen, insbesondere Verordnungsanteile für Wirkstoffe und Wirkstoffgruppen im jeweiligen Anwendungsgebiet, Verordnungsanteile für Generika und im Wesentlichen gleiche biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel im Sinne des Artikels 10 Absatz 4 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2019/5 (ABl. L 4 vom 7.1.2019, S. 24) geändert worden ist, auch zur Verordnung wirtschaftlicher Einzelmengen (Zielvereinbarungen), insbesondere zur Information und Beratung und
3.
Kriterien für Sofortmaßnahmen zur Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens innerhalb des laufenden Kalenderjahres.
Kommt eine Vereinbarung bis zum Ablauf der in Satz 1 genannten Frist nicht zustande, gilt die bisherige Vereinbarung bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung oder einer Entscheidung durch das Schiedsamt weiter. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen teilen das nach Satz 2 Nr. 1 vereinbarte oder schiedsamtlich festgelegte Ausgabenvolumen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit. Die Krankenkasse kann mit Ärzten abweichende oder über die Regelungen nach Satz 2 hinausgehende Vereinbarungen treffen.

(2) Bei der Anpassung des Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 sind insbesondere zu berücksichtigen

1.
Veränderungen der Zahl und Altersstruktur der Versicherten,
2.
Veränderungen der Preise der Leistungen nach § 31,
3.
Veränderungen der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenkassen,
4.
Änderungen der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Nr. 6,
5.
der wirtschaftliche und qualitätsgesicherte Einsatz innovativer Arzneimittel,
6.
Veränderungen der sonstigen indikationsbezogenen Notwendigkeit und Qualität bei der Arzneimittelverordnung auf Grund von getroffenen Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2,
7.
Veränderungen des Verordnungsumfangs von Leistungen nach § 31 auf Grund von Verlagerungen zwischen den Leistungsbereichen und
8.
Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven entsprechend den Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2.

(3) Überschreitet das tatsächliche, nach Absatz 5 Satz 1 bis 3 festgestellte Ausgabenvolumen für Leistungen nach § 31 das nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarte Ausgabenvolumen, ist diese Überschreitung Gegenstand der Gesamtverträge. Die Vertragsparteien haben dabei die Ursachen der Überschreitung, insbesondere auch die Erfüllung der Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 zu berücksichtigen. Bei Unterschreitung des nach Absatz 1 Nr. 1 vereinbarten Ausgabenvolumens kann diese Unterschreitung Gegenstand der Gesamtverträge werden.

(4) Werden die Zielvereinbarungen nach Absatz 1 Nr. 2 erfüllt, entrichten die beteiligten Krankenkassen auf Grund einer Regelung der Parteien der Gesamtverträge auch unabhängig von der Einhaltung des vereinbarten Ausgabenvolumens nach Absatz 1 Nr. 1 einen vereinbarten Bonus an die Kassenärztliche Vereinigung.

(4a) Die Vorstände der Krankenkassenverbände sowie der Ersatzkassen, soweit sie Vertragspartei nach Absatz 1 sind und der Kassenärztlichen Vereinigungen haften für eine ordnungsgemäße Umsetzung der vorgenannten Maßnahmen.

(5) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens nach Absatz 3 erfassen die Krankenkassen die während der Geltungsdauer der Arzneimittelvereinbarung veranlassten Ausgaben arztbezogen, nicht versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten kassenartenübergreifend zusammenführt und jeweils der Kassenärztlichen Vereinigung übermittelt, der die Ärzte, welche die Ausgaben veranlasst haben, angehören; zugleich übermittelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen diese Daten den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, die Vertragspartner der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung nach Absatz 1 sind. Ausgaben nach Satz 1 sind auch Ausgaben für Leistungen nach § 31, die durch Kostenerstattung vergütet worden sind. Zudem erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen für jede Kassenärztliche Vereinigung monatliche Berichte über die Entwicklung der Ausgaben von Leistungen nach § 31 und übermitteln diese Berichte als Schnellinformationen den Vertragspartnern nach Absatz 1 insbesondere für Abschluss und Durchführung der Arzneimittelvereinbarung sowie für die Informationen nach § 73 Abs. 8. Für diese Berichte gelten Satz 1 und 2 entsprechend; Satz 2 gilt mit der Maßgabe, dass die Angaben vor Durchführung der Abrechnungsprüfung zu übermitteln sind. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erhält für die Vereinbarung der Rahmenvorgaben nach Absatz 7 und für die Informationen nach § 73 Abs. 8 eine Auswertung dieser Berichte. Die Krankenkassen sowie der Spitzenverband Bund der Krankenkassen können eine Arbeitsgemeinschaft nach § 219 mit der Durchführung der vorgenannten Aufgaben beauftragen. § 304 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 gilt entsprechend.

(6) Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbaren bis zum 30. September für das jeweils folgende Kalenderjahr Rahmenvorgaben für die Inhalte der Arzneimittelvereinbarungen nach Absatz 1 sowie für die Inhalte der Informationen und Hinweise nach § 73 Abs. 8. Die Rahmenvorgaben haben die Arzneimittelverordnungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen zu vergleichen und zu bewerten; dabei ist auf Unterschiede in der Versorgungsqualität und Wirtschaftlichkeit hinzuweisen. Von den Rahmenvorgaben dürfen die Vertragspartner der Arzneimittelvereinbarung nur abweichen, soweit dies durch die regionalen Versorgungsbedingungen begründet ist.

(7) Die Absätze 1 bis 6 sind für Heilmittel unter Berücksichtigung der besonderen Versorgungs- und Abrechnungsbedingungen im Heilmittelbereich entsprechend anzuwenden. Veranlasste Ausgaben im Sinne des Absatzes 5 Satz 1 betreffen die während der Geltungsdauer der Heilmittelvereinbarung mit den Krankenkassen abgerechneten Leistungen. Die in Absatz 5 geregelte Datenübermittlung erfolgt für die Heilmittel in arztbezogener Form sowie versichertenbezogen in pseudonymisierter Form. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(8) Das Bundesministerium für Gesundheit kann bei Ereignissen mit erheblicher Folgewirkung für die medizinische Versorgung zur Gewährleistung der notwendigen Versorgung mit Leistungen nach § 31 die Ausgabenvolumen nach Absatz 1 Nr. 1 durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erhöhen.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei ihrer Neubescheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens (RLV) für die Quartale II/2005 bis I/2007.

2

Die Klägerin ist eine aus zwei Fachärzten für Chirurgie/Gefäßchirurgie bestehende Gemeinschaftspraxis mit Sitz in F. Beide Ärzte verfügen über Genehmigungen zur Sonographie in der Gefäßdiagnostik sowie zum ambulanten Operieren. Nach dem Honorarverteilungsvertrag (HVV), den die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit den Krankenkassen geschlossen hatte, war die Klägerin der Honoraruntergruppe der Fachärzte für Chirurgie (B 2.3) zugeordnet. Mit Wirkung zum 1.4.2007 ist die Gemeinschaftspraxis aufgelöst.

3

Am 16.2.2006 beantragte die Klägerin, ihr das RLV für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie zuzuerkennen. Mit Einführung des neuen EBM und eines geänderten HVV sei es bei den angiologisch tätigen Gefäßchirurgen zu einem dramatischen Einbruch der abrechenbaren Fallpunktzahl gekommen. Nach Rückführung von Stützungsmaßnahmen werde dies zur Existenzvernichtung führen. Während internistisch tätige Angiologen 1665 Punkte pro Fall abrechnen könnten, seien bei den Chirurgen für die identische Diagnostik nur 900 Punkte abrechenbar. Der Schwerpunkt ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit liege in der Diagnostik und Therapie der arteriellen, venösen und lymphatischen Erkrankungen. Ein wesentlicher Bestandteil der Diagnostik sei die Durchführung der Duplexsonographie. Aufgrund ihrer besonderen Praxisausrichtung sei sie mit der Fachgruppe der Chirurgen nicht vergleichbar. Von den im Quartal II/2005 angeforderten 3 045 200 Punkten würden ihr lediglich 1 437 129,90 Punkte zum oberen Punktwert vergütet. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28.4.2006 ab.

4

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.2.2007 zurück. Nach dem HVV seien für die Praxis einschließlich des Gemeinschaftspraxis-Zuschlages folgende fachgruppenspezifische Fallpunktzahlen festgelegt worden:

        

Primärkassen:

Ersatzkassen:

Altersgruppe

0 - 56 - 59> 60

0 - 56 - 59> 60

Fallpunktzahl

6679261187

6048311033

5

Im Quartal II/2005 seien 1452 Fälle mit einem Punktwert von 997,1 Punkten zugrunde gelegt worden, woraus sich ein praxisbezogenes RLV von 1 447 789,2 Punkten ergeben habe. Mit ihrer Anforderung von 3 040 200,0 Punkten habe die Klägerin dieses Volumen um 1 592 410,8 Punkte überschritten. Im Quartal III/2005 betrage das Regelleistungsvolumen bei 1277 Fällen und einem Fallpunktwert von 1003,9 Punkten 1 281 980,3 Punkte. Tatsächlich abgerechnet habe sie 2 186 195,0 Punkte. Eine Analyse der Abrechnungsunterlagen habe ergeben, dass die Klägerin Leistungen nach den Nrn 33060, 33061, 33070, 33072, 33073, 33075 und 33076 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM-Ä 2005) in größerem Umfang abgerechnet habe. Eine Ausnahmeregelung könne aber nur aus Gründen der Sicherstellung erfolgen. Eine Überprüfung der Versorgungssituation habe ergeben, dass weitere Ärzte im Planungsbereich F. über die Genehmigung zur Abrechnung der streitigen Leistungen verfügten und die Leistungen auch tatsächlich abrechneten. Ferner habe die Klägerin, da ihr Fallwert in den Quartalen II und III/2005 mehr als 5 % von den Referenzquartalen 2004 nach unten abgewichen sei, erhebliche Ausgleichszahlungen erhalten, die einer Ausnahmeregelung entgegenstünden.

6

Das SG hat mit Urteil vom 30.1.2008 die Klage abgewiesen. Ein zu berücksichtigender Ausnahmefall liege nicht vor. Bei der Begrenzung auf ein enges diagnostisches Leistungsspektrum, das im Wesentlichen von anderen Fachgruppen erbracht werde, sei eine Ausnahmeregelung nicht erforderlich, weil es hierdurch zu einer Verschiebung zwischen den Honoraruntergruppen käme. Der Zubilligung eines RLV in Höhe desjenigen für fachärztlich-invasiv tätige Internisten mit Schwerpunkt Angiologie stehe ferner entgegen, dass diese Gruppe auf ein anderes Leistungsspektrum als die Klägerin beschränkt sei.

7

Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 17.3.2010 das Urteil des SG geändert und die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Die Voraussetzungen der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV lägen nicht vor, weil eine Sicherstellungsproblematik nicht gegeben sei. Es sei nicht ersichtlich, dass ohne ihr Leistungsangebot die angiologische Versorgung der Versicherten in der Region der Praxis der Klägerin nicht mehr gewährleistet sei. Der HVV sei jedoch deshalb rechtswidrig, weil es an einer allgemeinen Härtefallregelung fehle. Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG fordere eine Ausnahme vom RLV auch dort, wo sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelung über die RLV Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hätten und dieses spezifische Leistungsangebot durch das RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde. Für die Frage, wann eine solche Spezialisierung vorliege, könne an die Rechtsprechung des BSG zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden. Zum Merkmal der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem EBM-Ä 1997 habe das BSG ausgeführt, dies setze eine von der Typik der Arztgruppe nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine solche Spezialisierung seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den Spezialisierungsbereich entfallenden Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Im Fall der Klägerin liege ein Härtefall vor, weil das ihr zuerkannte RLV ihre besondere, vom Durchschnitt der Arztgruppe deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtige. Bei ihr bestehe eine eindeutige Spezialisierung auf sonographische Untersuchungen zur Abklärung bestimmter Gefäßerkrankungen. Allein die sonographischen Leistungen nach den Nrn 33061 bis 33078 EBM-Ä 2005 hätten in den Quartalen II und III/2005 43,14 % bzw 38,9 % der Gesamtpunktzahl ausgemacht. Das Leistungsspektrum führe regelhaft zu einer deutlichen Überschreitung des RLV um durchschnittlich 1000 Punkte pro Fall. Das Fehlen einer Härtefallregelung werde auch nicht durch die unter zahlreichen Vorbehalten stehende Ziffer 7.5 HVV ausgeglichen, die Fallwertminderungen um mehr als 5 % im Vergleich zum Referenzquartal verhindern solle. Schließlich sei das Fehlen einer Härteregelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich.

8

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Bei der Feststellung der Sicherstellungsgründe iS der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV sei nicht auf alle atypischen Sonderfälle abzustellen, zu berücksichtigen sei vielmehr nur die konkrete Versorgungssituation im Umkreis der Praxis. Es könne nur darauf abgehoben werden, ob auch ohne das schwerpunktmäßige Leistungsangebot der zu beurteilenden Praxis die zu dem Versorgungsschwerpunkt gehörenden und prägenden Leistungen weiterhin erbracht werden könnten. Die Überprüfung der Versorgungssituation im Planungsbereich habe ergeben, dass in F.-Stadt vier Fachärzte für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie niedergelassen seien. Darüber hinaus seien dort acht Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie tätig, sodass eine Sicherstellungsproblematik nicht bestehe. Der HVV enthalte mit Ziffer 6.3 letzter Absatz und Ziffer 7.5 bereits Härtefallregelungen. Allein in den Quartalen II/2005 bis IV/2006 habe die Klägerin Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV in Höhe von insgesamt 190 538,67 Euro erhalten. Ihr Honorar habe in den streitigen Quartalen auch deutlich über dem der Fachgruppe gelegen. Eine weitergehende Härtefallklausel sei von den gesetzlichen Vorgaben und den Vorgaben des Bewertungsausschusses nicht gedeckt. Nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 in Teil III Nr 3.1 könnten Anpassungen des RLV nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgenommen werden. Die Rechtsprechung des BSG zum Erfordernis einer allgemeinen Härteregelung sei vor der Einführung von RLV ergangen. Sie könne nur insoweit gelten, als sie nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Bewertungsausschusses stehe. Zwar sehe § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V und in Umsetzung dieser Vorgaben der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 in Teil F Nr 3.6 vor, dass auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des RLV zu berücksichtigen seien. Diese Regelung entfalte aber keine Rückwirkung, sodass sich aus ihr für den streitigen Zeitraum nichts herleiten lasse. Das Fehlen einer Härteregelung sei schließlich auch unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17.3.2010 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Marburg vom 30.1.2008 zurückzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Allerdings komme auch Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV als Rechtsgrundlage in Betracht. Art 12 iVm Art 3 GG gebiete eine Ausnahmeregelung, wenn sich innerhalb einer Arztgruppe bereits vor Inkrafttreten der Regelungen über die RLV Ärzte in zulässiger Weise spezialisiert hätten und dieses Leistungsangebot durch das RLV der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde. Bei beiden Ärzten seien mittlerweile ab dem Quartal I/2009 Praxisbesonderheiten anerkannt und die RLV entsprechend geändert worden.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Da der Senat diese Verpflichtung der beklagten KÄV aber aus anderen Gründen als das LSG bejaht, weist er die Revision mit der Maßgabe zurück, dass die Beklagte bei der Neubescheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

13

1. Die Klägerin ist als Gemeinschaftspraxis auch nach ihrer Auflösung weiterhin beteiligtenfähig. Diese gilt für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (vgl BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; zuletzt Urteil des Senats vom 23.3.2011 - B 6 KA 11/10 R - RdNr 33 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

14

Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass eine Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung nicht notwendig gewesen ist. Der Senat hat bereits entschieden, dass es sich bei der Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG handelt, die im Ermessen des Gerichts steht(stRspr, vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 12). Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 115 Nr 1 S 3 für die Gesamtvertragspartner; BSGE 78, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12 S 35 für die Bundesmantelvertragspartner; ebenso BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 6 für den EKV-Z; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 2/10 R - RdNr 11 für die Vertragspartner des EBM-Ä, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs 4 Satz 2 SGB V durch Art 1 Nr 64 Buchst h des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 S 101 zu Art 1 Nr 64 Buchst h <§ 85>) ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (vgl BSGE 95, 141 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 14; BSG Urteil vom 23.3.2011 - B 6 KA 8/10 R - RdNr 11 -, insoweit nicht in SozR abgedruckt), und eine solche Beiladung kann gemäß § 168 Satz 1 SGG in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 13; BSG Urteil vom 11.5.2011 - B 6 KA 2/10 R - RdNr 11 mwN - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

15

2. Der in den streitbefangenen Quartalen geltende HVV entsprach mit der Einführung von RLV den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser - gemäß der ihm nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V übertragenen Aufgabe - am 29.10.2004 mit Wirkung für die Zeit ab 1.1.2005 beschlossen hatte (DÄ 2004, A 3129). Gemäß Teil III Nr 2.1 iVm Nr 3 dieses Beschlusses waren die KÄVen verpflichtet, in der Honorarverteilung RLV in der Weise festzulegen, dass arztgruppeneinheitliche Fallpunktzahlen vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert) zu erfolgen hatte. In der Anlage 1 zum Teil III des Beschlusses waren tabellarisch die erfassten Arztgruppen aufgeführt, die dem RLV unterlagen. Hierzu zählen auch die Fachärzte für Chirurgie.

16

Kernpunkte der gesetzlichen Neuregelung sind, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 17.3.2010 (BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 14 ff) dargelegt hat, nach § 85 Abs 4 Satz 7 SGB V(in der Fassung des GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190) zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, sowie - gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 SGB V - für darüber hinausgehende Leistungen abgestaffelte Punktwerte. Dementsprechend sahen die hier maßgeblichen HVV, die die Beklagte und die Krankenkassen zum 1.4.2005 und für die Folgezeit bis zum 31.3.2007 geschlossen hatten, in Ziffer 6.3 HVV die Bildung fallzahlabhängiger praxisindividueller RLV auf der Grundlage arztgruppenspezifischer Fallpunktzahlen sowie in Ziffer 6.4 HVV die Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honorarforderungen mit einem festen Punktwert von 4,0 Cent vor. Der Senat hat bereits entschieden, dass dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügt, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den Fallpunktzahlen vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (so im Übrigen die Regelung in Teil III Nr 3 des Beschlusses des BewA vom 29.10.2004; vgl BSG aaO, RdNr 15) . Der Punktwert unterlag nach Punkt 2.2 der Anlage zu Ziffer 6.3 HVV einer Quotierung, soweit der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreichte. Die über das praxisindividuelle RLV hinausgehenden Honorarforderungen waren nach Ziffer 6.4 HVV mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Cent zu bewerten.

17

3. Das LSG hat im Ergebnis zu Recht die Beklagte zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Erhöhung ihres RLV verurteilt. Entgegen der Auffassung des LSG kommt als Rechtsgrundlage für eine Erhöhung des RLV aber Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV in Betracht.

18

a. Dem LSG ist allerdings zuzustimmen, dass die Regelung keinen allgemeinen (Auffang-) Tatbestand für alle denkbaren Ausnahmefälle enthält, sondern Anpassungen nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung zulässt. Das ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem Wortlaut der Bestimmung (vgl zur Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen im EBM-Ä BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 10), wonach der Vorstand ermächtigt ist, "aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen". Nur für eine Anpassung unter Sicherstellungsgesichtspunkten findet sich im Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 eine Ermächtigungsgrundlage. Nach Ziffer 3.1 dieses Beschlusses können im HVV "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und zur Zielerreichung einer Maßnahme in 1. Anpassungen des Regelleistungsvolumens vorgenommen werden". Diese Ermächtigung richtet sich an die Vertragspartner des HVV, die im HVV abstrakt-generelle Voraussetzungen für Abweichungen vom RLV statuieren können. Da abstrakt-generell nicht alle Fälle erfasst werden können, die eine Anpassung erfordern, ist nicht zu beanstanden, dass der HVV den Vorstand der Beklagten aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung zu Anpassungen des RLV im Einzelfall ermächtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Vorstand der KÄV zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigt werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 31 S 240 f mwN) .

19

b. Die Beklagte hat aber die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Erhöhung der RLV der Klägerin zu eng ausgelegt, indem sie sich allein darauf berufen hat, dass weitere Ärzte im Planungsbereich der Praxis der Klägerin sonographische Leistungen erbringen. Das allein reicht zur Verneinung eines Sicherstellungsbedarfs iS der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV nicht aus. Das Merkmal der Sicherstellung ist in diesem Zusammenhang nicht so eng zu verstehen, dass es nur darauf ankommt, ob ohne die Antragstellerin die qualifizierte Leistung im Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung steht. Abgesehen davon, dass die Beklagte diesen Aspekt nicht näher geprüft, sondern allein auf die Anzahl der die Leistungen abrechnenden Ärzte abgestellt hat, greift diese Sichtweise zu kurz. Sie erlaubt bereits deswegen keine Beurteilung der Versorgungssituation, weil damit bei allen Vertragsärzten, die spezielle Leistungen anbieten, auf die jeweils anderen in der gleichen Situation verwiesen werden kann (vgl BSGE 87, 112, 119 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 139). Diese Herangehensweise eignet sich für die Beurteilung des Bedarfs für einen potentiell neu hinzutretenden Leistungserbringer, nicht aber für die Beurteilung der Versorgung durch die bereits vertragsärztlich tätigen Ärzte.

20

Die Formulierung "aus Gründen der Sicherstellung" ist auch nicht notwendig so zu verstehen, dass - wie etwa bei einer Zulassung wegen Sonderbedarfs - ein Versorgungsdefizit in einem bestimmten regionalen Bereich festgestellt werden muss. Zwar spricht viel dafür, einen eingeführten Begriff in verschiedenen Regelungsbereichen gleichförmig auszulegen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 16). Das muss indes nicht zwingend so sein. Im Hinblick auf unterschiedliche Zielrichtungen in verschiedenen Regelungsbereichen kann vielmehr ein jeweils eigenes Verständnis eines Begriffes angezeigt sein. So hat der Senat etwa den Praxisbesonderheiten im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine andere Bedeutung beigemessen als im Bereich der Honorarverteilung, weil sie in beiden Bereichen grundlegend unterschiedliche Funktionen erfüllen (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Dies trifft auch für den Gesichtspunkt der Sicherstellung der Versorgung im Zulassungsrecht einerseits, an dem die Beklagte sich orientiert, und für die Ausnahmeregelung der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV andererseits zu. Im Bereich der Honorarverteilung sind der Beklagten schon aus verwaltungspraktischen Gründen bei der Ermittlung des Versorgungsbedarfs Grenzen gesetzt. Detaillierte Feststellungen, wie sie für die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung zu treffen sind (vgl BSGE 104, 116 = SozR 4-2500 § 101 Nr 7, RdNr 12 ff; BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 9 RdNr 19 f, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen), können von der Beklagten im Rahmen einer Entscheidung nach Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV schon wegen der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen nicht gefordert werden. Andererseits kann der Sicherstellungsaspekt aber auch nicht darauf reduziert werden, dass nur ein solches Leistungsangebot unberücksichtigt bleibt, das für die Sicherstellung generell nicht sinnvoll ist. In diesem Sinn hat der Senat das Tatbestandsmerkmal der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung im Zusammenhang mit der Ausnahme von der sog Teilbudgetierung im Hinblick auf einen Versorgungsschwerpunkt gemäß dem EBM-Ä 1996 ausgelegt (BSGE 87, 112, 119 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 139 f), weil durch die Versagung von Teilbudget-Aussetzungen keine spezifische Praxisausrichtung blockiert werden könne. Die von vornherein nur für einen kurzen Zeitraum eingeführten Teilbudgets könnten ihrer Natur nach kein Mittel zu einer langfristig angelegten Steuerung der Versorgungsstruktur und zur Verlagerung von Behandlungsschwerpunkten sein. Bei den RLV handelt es sich hingegen nicht um ein nur für einen kurzen Zeitraum eingeführtes Instrumentarium. Sie zielen zwar ebenfalls nicht auf eine Steuerung der Versorgungsstruktur, sondern in erster Linie auf die Gewährleistung von Kalkulationssicherheit (vgl BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54, RdNr 15). Wenn das Gesetz aber jedenfalls in den hier streitbefangenen Quartalen keine Ausnahmen zulässt, spricht das für eine restriktivere Auslegung des Merkmals der Sicherstellung der Versorgung.

21

Sachgerecht ist es, für die Auslegung der Nr 3.1 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sowie der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV die Rechtsprechung des Senats zum "besonderen Versorgungsbedarf" als Voraussetzung für eine Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets, die ebenfalls im Grundsatz auf eine arztgruppeneinheitliche Festlegung angelegt waren (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 17 RdNr 32), heranzuziehen und weiterzuentwickeln. Zwar fassen die RLV alle Leistungen zusammen, die als typische dem Praxis- und als spezielle den Zusatzbudgets zugewiesen waren (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 12 ff). Vergleichbar mit der Regelung in Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist jedoch die unter der Geltung der Praxis- und Zusatzbudgets im EBM-Ä vorgesehene Möglichkeit, im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Budgeterweiterung vorzunehmen. Zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" hat der Senat mehrfach ausgeführt, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung vorliegen müssten, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im Spezialisierungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl hätten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 12 RdNr 15 f; Nr 17 RdNr 36). Dabei hat er als mögliches Indiz für die Atypik im Vergleich zur Fachgruppe angesehen, dass im Verhältnis zum Fachgruppendurchschnitt eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegt. Zusätzlich sei erforderlich, dass die Honorierungsquote für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei, was voraussetze, dass das Gesamtleistungsvolumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch gewesen sei. Erhebliches Gewicht kann nach dieser Rechtsprechung dem Gesichtspunkt zukommen, dass das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem Spezialisierungsbereich die Budgetgrenze übersteigt. Aus einer derartig dokumentierten Spezialisierung können Rückschlüsse auf die Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs gezogen werden (vgl BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 178).

22

Diese Kriterien sind auch unter Geltung der RLV geeignet, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren. Eine vom Durchschnitt abweichende Praxisausrichtung, die Rückschlüsse auf einen Versorgungsbedarf erlaubt, kann sich auch hier in einem besonders hohen Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl zeigen. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen (vgl dazu Urteil des Senats vom heutigen Tag - B 6 KA 20/10 R -). Die Überschreitung des praxisindividuellen RLV muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung dieser Leistungen im EBM-Ä. Dort sind auch die sonographischen Leistungen als arztgruppenübergreifende spezielle Leistungen aufgeführt. Soweit die Beklagte ausführt, auch diese speziellen Leistungen seien in die Berechnung der arztgruppenspezifischen Fallpunktzahlen eingeflossen, ist dies zwar zutreffend. Sie finden sich in den Fallpunktzahlen für Chirurgen aber nur in sehr begrenztem Umfang wieder. Sonographische Leistungen werden in erster Linie von Internisten mit Schwerpunkt Angiologie und nur von wenigen Chirurgen erbracht. Im Fall der Fachgruppe der Fachärzte für Chirurgie, der die Klägerin angehört, kommt noch hinzu, dass sie auch die Fachärzte für Kinderchirurgie, für Plastische Chirurgie, für Herzchirurgie und für Neurochirurgie und damit ein breites Leistungsspektrum umfasst. Sonographische Leistungen haben daher nur in einem Umfang Niederschlag in den Fallpunktzahlen gefunden, der einer auf diese Leistungen spezialisierten Praxis nicht gerecht werden kann.

23

Besonderheiten einer Praxis streiten dann für eine Ausnahme von den RLV im Interesse der Sicherstellung, wenn der Anteil der Spezialleistungen am Gesamtpunktzahlvolumen überdurchschnittlich hoch ist. Dies wird in der Regel mit einem überdurchschnittlichen Gesamtpunktzahlvolumen einhergehen. Als überdurchschnittlich ist in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung eines Versorgungsschwerpunktes jeweils eine Überschreitung des Durchschnitts bzw ein Anteil der Spezialleistungen von mindestens 20 % anzusehen (vgl BSGE 87, 112, 117 = SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 137; SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 178 f; SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 17). Um einerseits von einem dauerhaften Versorgungsbedarf ausgehen zu können, andererseits aber auch Schwankungen zwischen den Quartalen aufzufangen, ist nicht auf jedes einzelne Quartal abzustellen. Ausreichend ist, dass sich die Überschreitungen als Durchschnittswert in einem Gesamtzeitraum von vier aufeinander folgenden Quartalen ergeben (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 35 zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen).

24

Es spricht viel dafür, dass diese Voraussetzungen in den hier streitbefangenen Quartalen bei der Klägerin vorlagen. Das LSG hat für die Quartale II und III/2005 festgestellt, dass die sonographischen Leistungen einen Anteil von ca 43 % und 38 % an der Gesamtpunktzahl ausmachten. Im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt war die Leistungshäufigkeit im Spezialgebiet signifikant überdurchschnittlich. Das Leistungsspektrum der Klägerin führte zu einer deutlichen Überschreitung der durchschnittlichen Fallpunktzahl. Der Umstand, dass für beide Ärzte, die mittlerweile in Einzelpraxis tätig sind, ab 2009 eine Erhöhung der RLV-Fallwerte vorgenommen wurde, kann als Indiz für das Vorliegen von Besonderheiten auch bereits im streitigen Zeitraum gewertet werden. Die Beklagte wird hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.

25

Bei der Prüfung, ob eine Praxis in dem beschriebenen Sinne Besonderheiten aufweist, steht der Beklagten kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Einen solchen billigt der Senat in ständiger Rechtsprechung den Zulassungsgremien bei der Entscheidung über die Zulassung wegen Sonderbedarfs, der Erteilung einer Genehmigung zum Betrieb einer Zweigpraxis und bei der Erteilung einer Ermächtigung zu (vgl aus jüngster Zeit etwa BSG SozR 4-2500 § 101 Nr 9, RdNr 18 mwN, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Für diese Entscheidungen ist eine Bewertung der vertragsärztlichen Versorgung in einem regionalen Bereich vorzunehmen, wobei eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen ist, die für sich und in ihrer Abhängigkeit untereinander weitgehend unbestimmt sind. Eine solche Bewertung ist aber, wie oben dargelegt, hier gerade nicht vorzunehmen. Da es vielmehr auf die ermittel- und nachvollziehbaren besonderen Verhältnisse der einzelnen Praxis im Vergleich zur Fachgruppe ankommt, besteht kein Erkenntnis- oder Einschätzungsvorrang der KÄV. Ein Beurteilungsspielraum steht der Beklagten daher insoweit nicht zu (vgl BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 19 RdNr 16 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 26 S 136; Nr 31 S 176).

26

Soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahme von den RLV vorliegen, hat die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, in welchem Umfang eine Erhöhung der RLV vorzunehmen ist. Ziffer 6.3 HVV letzter Absatz begründet beim Vorliegen der in der Norm geregelten Voraussetzungen ein subjektives Recht des betroffenen Arztes bzw hier der Gemeinschaftspraxis auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der KÄV über die Änderung der RLV (vgl zur Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 31 S 175).

27

c. Einer möglichen Erhöhung der RLV steht nicht entgegen, dass die Klägerin Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV erhalten hat. Nach dieser Regelung wurde zur Vermeidung von Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM-Ä 2005 eine Minderung des Fallwertes im Abrechnungsquartal gegenüber dem entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres um mehr als 5 % ausgeglichen (vgl zur Unzulässigkeit der entsprechenden Begrenzung der Fallwerterhöhung BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 38 ff). Derartige Zahlungen waren, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, von zahlreichen Voraussetzungen abhängig, ua auch von einem ausreichenden Honorarvolumen für diese Maßnahme. Sie sollten ohne Bezug zu einer Spezialisierung Verluste gegenüber den Referenzquartalen ausgleichen. Gegenüber der speziellen Vorschrift der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV ist die allgemeine Ausgleichsregelung der Ziffer 7.5 HVV nachrangig. Berücksichtigung finden die nach Ziffer 7.5 HVV geleisteten Zahlungen aber im Verrechnungswege bei einer etwaigen Honorarnachzahlung, wenn sich eine Erhöhung des RLV ergibt. Insofern ist auch möglich, dass im Hinblick auf bereits gewährte Ausgleichszahlungen eine Erhöhung der Fallpunktzahl ins Leere geht.

28

4. Sollten trotz der oben genannten Indizien die Voraussetzungen der Ziffer 6.3 letzter Absatz HVV nicht vorliegen, wäre grundsätzlich von der Beklagten weiter das Vorliegen eines Härtefalles zu prüfen. Entgegen der Auffassung des LSG ist der HVV nicht wegen Fehlens einer allgemeinen Härteklausel rechtswidrig. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 38; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 45 RdNr 42 mwN) ausgeführt, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die Honorarverteilungsbestimmungen hineinzuinterpretieren ist, wenn ein Honorarverteilungsmaßstab (HVM) keine oder eine zu eng gefasste Härteklausel enthält. Es besteht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Als maßgeblichen Gesichtspunkt für die Notwendigkeit einer Härtefallregelung hat der Senat angesehen, dass der Normgeber des HVM nicht alle denkbaren besonderen Konstellationen vorhersehen kann (vgl SozR 3-2500 § 85 Nr 27 S 196; BSGE 83, 52, 61 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 210: Honorarbegrenzung auf individueller Bemessungsgrundlage). Das gilt in gleicher Weise für die Vertragspartner des HVV. Da die generellen Vorgaben des Bewertungsausschusses damit auch nicht in Frage gestellt werden, steht die Vorrangigkeit der von ihm aufgestellten Regelungen einer ungeschriebenen Härteklausel nicht grundsätzlich entgegen.

29

Eine allgemeine Härteklausel ist auch unter Geltung der RLV erforderlich. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass die Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis einer generellen Härteregelung überwiegend Vergütungssysteme betraf, bei denen die Honorierung nach einer individuellen, am Abrechnungsvolumen von Vorquartalen ausgerichteten Bemessungsgrundlage erfolgte (vgl etwa BSG aaO; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10). Auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich in seinen Grundlagen am Durchschnitt orientiert und damit notwendig nivelliert, ist aber zu berücksichtigen, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles hier eng zu ziehen, weil der HVV bereits in Ziffer 6.3 und Ziffer 7.5 Regelungen enthält, mit denen einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann daher nur noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im HVV durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht. Es müssten hier sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sein als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehen (vgl BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 40; BSG, Beschlüsse vom 28.10.2009 - B 6 KA 50/08 B - RdNr 11 und vom 8.12.2010 - B 6 KA 32/10 B - RdNr 17 f). Ansonsten könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 148 f: Einziger auch konventionell arbeitender Radiologe im Landkreis).

30

Gemessen hieran ist für die Annahme eines Härtefalls nach den bisherigen Feststellungen kein Raum. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klägerin ist nicht ersichtlich. Zwar hat sie in ihrem Antragsschreiben eine Existenzvernichtung angekündigt. Allein die Höhe der ihr gewährten Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 HVV lassen aber eine Existenzgefährdung nahezu ausgeschlossen erscheinen. Die der Klägerin für die streitigen Quartale zugeflossenen Ausgleichszahlungen dürften zwar ihre Verluste gegenüber den Referenzquartalen nicht vollständig ausgeglichen, wohl aber deutlich abgefedert haben. Dass sie sich für die Quartale II/2006 bis IV/2006 Rückforderungen ausgesetzt sieht, weil nach Auffassung der Beklagten im Hinblick auf einen Wegfall der im Referenzquartal erbrachten stationären Leistungen die Voraussetzungen für Ausgleichszahlungen insoweit nicht vorlagen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch die bestehende Versorgungsstruktur bietet keinen Anhaltspunkt für eine Härtesituation begründende spezielle Umstände.

31

5. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 87b Abs 3 Satz 3 SGB V hier keine Bedeutung hat, weil sie keine Rückwirkung entfaltet. Danach sind nunmehr bei der Honorarverteilung seit dem 1.1.2009 Praxisbesonderheiten und damit atypische Umstände, die eine Abweichung von den generellen Verteilungsregelungen auslösen können, zu berücksichtigen (zum Begriff "Praxisbesonderheit" im Rahmen der Honorarverteilung BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Dass es sich dabei lediglich um eine Klarstellung handeln soll, ist nicht ersichtlich. Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 27./28.8.2008 (Teil F Nr 3.6, DÄ 2008, A-1993; vgl dazu auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Mai 2011, K § 87b RdNr 52 f) können sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben. Dass der Gesetzgeber sich - ex nunc - zu einer ausdrücklichen Berücksichtigung atypischer Umstände veranlasst gesehen hat, bestätigt die oben dargelegte Auslegung dieser Ausnahmeregelung.

32

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 7. wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. November 2013 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner neuen Entscheidung die Rechtsauffassung des Senats zu berücksichtigen hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen.

2

Der Kläger nimmt seit 1980 als hausärztlich tätiger Facharzt für Innere Medizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Mit Bescheid vom 16.11.2011 setzte die Prüfungsstelle wegen Überschreitung der Arzneimittelrichtgrößen in den Quartalen I/2009 bis IV/2009 einen Regress in Höhe von 19 596,24 Euro fest. Mit Bescheid vom 10.5.2012 aus der Sitzung vom 27.3.2012 wies der beklagte Beschwerdeausschuss den Widerspruch des Klägers zurück. Das SG hat der Klage des Klägers stattgegeben und den Bescheid des Beklagten mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine individuelle Beratung gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anzubieten sei(Urteil vom 3.4.2013). Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.11.2013).

3

Zur Begründung hat es ausgeführt, § 106 Abs 5e SGB V entfalte im vorliegenden Fall keine Sperrwirkung. Dem Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-​VStG) sei nicht zu entnehmen, ob diese Regelung auf schon abgeschlossene Prüfzeiträume oder laufende Prüfverfahren anzuwenden sei; eine Übergangsregelung fehle. Der zeitliche Anwendungsbereich einer Regelung bestimme sich daher nach den allgemeinen für das intertemporale Recht geltenden Grundsätzen. Eine Regelung sei danach nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hätten. Mithin fänden in Bezug auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung die Vorschriften Anwendung, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten hätten.

4

Der Gesetzgeber habe versucht, mit einer Ergänzung des § 106 Abs 5e SGB V um einen Satz 7 nachzubessern; Satz 7 gelte jedoch nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung durch Verkündung im Bundesgesetzblatt am 26.10.2012 noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit der Regelung habe klargestellt werden sollen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V verankerte Grundsatz "Beratung vor Regress" auch für bei Inkrafttreten des § 106 Abs 5e SGB V zum 1.1.2012 noch nicht abgeschlossene Richtgrößenprüfungen gelte. Eine Klarstellung setze begrifflich voraus, dass bereits zuvor etwas geregelt gewesen sei, wenngleich missverständlich oder auslegungsbedürftig. Der Bezugspunkt der "Klarstellung", nämlich § 106 Abs 5e Satz 1 und Satz 2 SGB V in der Fassung des GKV-​VStG vom 1.1.2012, enthalte jedoch keine Rückwirkung. Die Regelung greife für Prüfquartale ab dem 1.1.2012 und nicht schon für solche aus 2009. Demzufolge fehle der vermeintlichen Klarstellung jede Grundlage; sie laufe leer. § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V habe keinen klarstellenden, sondern einen konstitutiven Charakter.

5

Der Bescheid sei auch im Übrigen rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten seien nicht anzuerkennen. Es sei grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn treffe die Darlegungslast. Dem Kläger habe bereits im Verwaltungsverfahren die Pflicht oblegen, dezidiert eine besondere Patientenstruktur darzulegen und ggf nachzuweisen. Sein pauschales Vorbringen gebe weder Erkenntnisse über den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und damit die Erforderlichkeit einer medikamentösen Therapie noch über die Anzahl dieser Patienten und den damit verbundenen tatsächlichen Mehraufwand. Die beispielhafte Darlegung zu einzelnen Patienten genüge diesen Anforderungen nicht.

6

Mit ihren Revisionen rügen der Kläger sowie die zu 7. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Verletzung von Bundesrecht.

7

Der Kläger führt aus, das LSG gehe ohne Erwägungen zu den unterschiedlichen Grundsätzen intertemporalen Rechts und ohne Subsumtion unter die Voraussetzungen von der Anwendung des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts aus. § 106 Abs 5e SGB V sei jedoch als formelle Verfahrensvoraussetzung einzuordnen mit der Folge, dass das Recht im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gelte. Die Norm stelle keine materiell-rechtliche Vorgabe dar, da sie nicht die Anspruchsvoraussetzungen oder den -inhalt des Regressanspruchs regele, sondern vielmehr einen Verfahrensabschluss - allenfalls eine Rechtsfolge - festlege. Der rechtliche Gehalt des § 106 Abs 5e SGB V werde erst nach der materiellen Anspruchsprüfung relevant, wenn es um die Frage gehe, ob eine Beratung vorgeschaltet werden müsse oder direkt regressiert werden dürfe.

8

Unter Beachtung der Besonderheiten und des Ablaufs des Prüfverfahrens im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei es auch ansonsten richtig und sachgerecht, das Recht im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Anwendung finden zu lassen, wie dies das BSG mit Urteil vom 24.11.1993 (6 RKa 20/91 - SozR 3-2200 § 368n Nr 6) entschieden habe. Das Verfahren zur Feststellung der "Überschreitung" erstrecke sich über den geprüften Zeitraum hinweg bis in die Gegenwart des Verwaltungsverfahrens, weil erst in diesem die Möglichkeit bestehe, Praxisbesonderheiten geltend zu machen. Die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten sei nicht einem nachträglichen Erlöschensgrund für den Regressanspruch gleichzusetzen, sondern hindere bereits das Entstehen des Anspruchs.

9

Soweit das BSG regelmäßig auf den Verordnungszeitraum bzw den Zeitpunkt des geprüften Quartals abstelle, sei dies in dieser Allgemeinheit verfehlt. Solches sei aus rechtsstaatlichen Erwägungen dann angezeigt, wenn es um inhaltiche Vorgaben zur Verordnungstätigkeit gehe, die der Arzt im Vorfeld kennen müsse; alle anderen Regelungen im Bereich der Wirtschaftlichkeitsprüfung, deren rechtstechnischer Inhalt zur Steuerung des Verhaltens des Arztes bei vorheriger Kenntnis der Vorschrift nicht geeignet sei, könnten nicht als materielle Regelungen gelten, bei denen in jedem Fall das zum Prüfzeitraum geltende Recht Anwendung finden müsse.

10

Auch bei Anwendung des Geltungszeitraumprinzips müsse der Grundsatz "Beratung vor Regress" hier angewandt werden, weil die Rechtsentwicklung dafür spreche, die Rechtsänderung mit sofortiger Wirkung auf die laufenden Verfahren anzuwenden. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" habe bereits zuvor gegolten, sei von den Prüfgremien jedoch häufig nicht beachtet bzw umgesetzt worden. Die Umwandlung einer Sollvorschrift in eine Mussvorschrift spreche dafür, dass der Gesetzgeber die Vorschrift mit dem Tag des Inkrafttretens habe angewandt wissen wollen. Schließlich lägen auch die Voraussetzungen einer Sofortwirkung der Rechtsänderung vor, da die Rechtsstellung des betroffenen Vertragsarztes durch § 106 Abs 5e SGB V verbessert werde ein etwaiges Vertrauen der Krankenkassen in den Fortbestand der Rechtslage nicht schutzwürdig sei.

11

Die vom Gesetzgeber durch Satz 7 aaO bezweckte Klarstellung laufe gerade nicht leer. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesmaterialien - im Sinne einer authentischen Auslegung - ausdrücklich betont, dass die Prüfgremien das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht anzuwenden hätten; er selbst interpretiere damit seine Norm im Gefüge des intertemporalen Rechts. Eine echte Rückwirkung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V liege nicht vor. Der dem Regress zugrunde liegende Sachverhalt sei erst mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides abgeschlossen, sodass in Fällen, in denen das Widerspruchsverfahren zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossen worden sei, nicht in einen bereits abgewickelten Sachverhalt eingegriffen werde. Die konkrete Erstattungspflicht entstehe erst mit der Entscheidung der Prüfungsstelle. Eine unzulässige Rückwirkung komme schon deswegen nicht in Betracht, weil der Grundsatz "Beratung vor Regress" die Rechtsposition der Vertragsärzte verbessere. Die Rechtsstellung der Krankenkassen sei nicht vor einer Änderung der Rechtslage geschützt, weil sie sich weder auf die Grundrechte noch auf den aus Art 20 Abs 3 GG abgeleiteten Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen könnten.

12

In der Sache habe das LSG zunächst nicht berücksichtigt, dass die Prüfgremien für die Jahre 2006 und 2007 bereits Praxisbesonderheiten - Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter sowie für die Behandlung von Patienten mit psychischen Krankheitsbildern - anerkannt hätten. Da sich das Patientengut nicht verändert habe, hätte es sich dem LSG nahezu aufdrängen müssen, über eine Selbstbindung der Prüfgremien gemäß Art 3 GG nachzudenken. Zumindest müsse den Vorentscheidungen Indizwirkung zugebilligt werden.

13

Das LSG habe zudem zu Unrecht das Vorliegen von Praxisbesonderheiten verneint. Anhand bestimmter nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (engl: International Classification of Diseases and Related Health Problems ) verschlüsselter Diagnosen ließen sich Patienten und Namen herausfiltern und hieraus errechnen, welchen Anteil Patienten mit einer bestimmten Gesundheitsstörung oder mit einer Kumulation bestimmter Gesundheitsstörungen eine Praxis - auch im Vergleich zur Fachgruppe - aufweise. Anhand dieser Zahlen habe er - der Kläger - bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt, dass er mehr Patienten mit bestimmten Gesundheitsstörungen (Gastroösophageale Refluxkrankheit , depressive Episode und nicht primär insulinabhängiger Diabetes ) behandeln müsse als der Fachgruppendurchschnitt. Er habe auch angegeben, welche Medikamente benötigt worden seien; anstelle des Präparatenamens habe er dabei mit der Anatomisch-Therapeutisch-Chemischen-Klassifikation gearbeitet. Zudem habe er den Kausalzusammenhang dargestellt sowie die Mehrkosten beziffert.

14

Damit der "Amtsermittlungsgrundsatz" nicht leer laufe, sei die Mitwirkungspflicht auf solche Tatsachen beschränkt, die der Beweisbelastete auch beibringen könne. Wenn sich aus der Zusammenschau der vom Arzt vorgelegten Informationen zweifelsfrei ergebe, dass dieser denknotwendigerweise höhere Verordnungskosten als der Durchschnitt seiner Fachgruppe haben müsse, dann sei die Grenze des Möglichen für den Arzt erreicht. Es obliege dann den Prüfgremien, Praxisbesonderheiten, die aus Verordnungsdaten oder der Honorarabrechnung unmittelbar erkennbar seien, von Amts wegen weiter nachzugehen.

15

Bei Betrachtung des Gesamtablaufs der in den Jahren 2006 bis 2011 durchgeführten Prüfungen erweise sich das Vorgehen des Beklagten als willkürlich, weil sich weder das Verordnungsverhalten noch der anwaltliche Vortrag geändert habe, während der Beklagte vormalig als substantiiert anerkannten Vortrag in den Folgejahren als unsubstantiiert zurückgewiesen habe, andererseits vormals als unsubstantiiert gewerteter Vortrag in den Folgejahren als substantiiert angesehen werde. Gründe für seinen Sinneswandel habe der Beklagte nicht angegeben. Soweit der Beklagte auf ein Umdenken bezüglich der Verordnung von Protonenpumpeninhibitoren (PPI) verweise, wäre diese Abkehr von einer zuvor anerkannten rechtlichen Bewertung nur bei entsprechender Begründung bzw Änderung der Rechtslage möglich; an diesen Voraussetzungen fehle es.

16

Zudem verletze das LSG sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG, indem es die Entscheidung des Beklagten, keine weiteren Praxisbesonderheiten anzuerkennen, nur eingeschränkt auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfe. Es fehle an einem tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht, denn es sei nicht ersichtlich, welche Informationen den Prüfgremien zur Verfügung stehen sollten, die die Gerichte im Rahmen einer Kontrolle nicht zur Entscheidung heranziehen und auch inhaltlich beurteilen könnten. Schließlich verstoße die Richtgrößenbildung gegen höherrangiges Recht, weil die Richtgrößen seit 2002 nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen bestimmt werden sollten; die Untergliederung allein nach Mitgliedern/Familienversicherten und Rentnern genüge den gesetzlichen Vorgaben nicht.

17

Die Beigeladene zu 7. schließt sich den Ausführungen des Klägers an. Der Grundsatz "Beratung vor Regress" finde auch auf Verfahren Anwendung, in denen der Widerspruchsbescheid zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 ergangen sei. Der Wortlaut des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V sei klar und eindeutig und regele den zeitlichen Geltungs- und Anwendungsbereich des § 106 Abs 5e SGB V ausdrücklich. Auch die Ausführungen in den Gesetzesmaterialien seien unmissverständlich in dem Sinne, dass der Grundsatz "Beratung vor Regress" ab dem 1.1.2012 für alle laufenden Verfahren gelte.

18

Der Kläger und die Beigeladene zu 7. beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2013 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 3.4.2013 zurückzuweisen.

19

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

20

§ 106 Abs 5e SGB V in der Fassung des GKV-VStG könne für Prüfzeiträume vor dem 1.1.2012 keine Geltung beanspruchen. § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V stelle eine materielle Regelung dar, da es sich bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 SGB V um eine Sanktion handele. Auch Systematik und Ablauf einer Wirtschaftlichkeitsprüfung begründeten eine Anwendbarkeit des § 106 Abs 5e SGB V ab dem 1.1.2012 nicht. Die Prüfung setze Maßstäbe und Konsequenzen voraus, an denen der Vertragsarzt seine ärztliche Tätigkeit ausrichten könne und auszurichten habe. Die Beurteilung setze demzufolge auf der zeitgleichen Geltung von Prüfkriterien und Verhalten auf. Dass die Beurteilung von Praxisbesonderheiten systematisch erst im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolge, ändere nichts daran, dass der Erstattungsanspruch grundsätzlich retrospektiv auf der Grundlage der tatsächlichen Behandlungsverhältnisse im jeweiligen Prüfungszeitraum festgestellt werde. Die Neufassung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V gelte nur für Verfahren, in denen das Widerspruchsverfahren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Es hätte einer konstitutiv rückwirkenden Regelung ab 1.1.2012 bedurft, um zwischen dem 1.1.2012 und dem 26.10.2012 abgeschlossene Verfahren zu erfassen; eine solche sei in der "Klarstellung zur Rechtslage" nicht zu sehen.

21

Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Entscheidungen der Prüfgremien zu den Jahren 2006 bzw 2007 seien unter keinem Gesichtspunkt präjudiziell. Der für das Jahr 2006 geschlossene Vergleich sei durch Anerkennung der Mehrkosten für additive Schmerztherapie - darunter PPI - bestimmt gewesen; zu den PPI habe jedoch aufgrund von (negativen) Studien im Prüfjahr 2009 ein Umdenken stattgefunden. Die Richtgrößenvereinbarung (RGV) 2009 sehe eine ausreichende - wenn auch grobe - Altersgliederung vor; im Übrigen handele es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollregelung. Entscheidend sei, dass das von den Vertragsparteien vereinbarte Prüfungskonzept insgesamt eine schlüssige Aussage zur Wirtschaftlichkeit bei Überprüfung anhand der Richtgrößensumme erlaube.

22

Die Beigeladenen zu 1. bis 6. haben sich weder geäußert noch Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

23

Die Revisionen des Klägers und der beigeladenen KÄV sind begründet. Das LSG hat der Berufung des Beklagten zu Unrecht stattgegeben. Der Beklagte muss - wie das SG im Ergebnis richtig gesehen hat - über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 16.11.2011 erneut entscheiden.

24

Zu Recht hat das LSG angenommen, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang der Beratung der Regressfestsetzung nicht entgegensteht: Diese Regelung findet auf den angefochtenen Bescheid noch keine Anwendung, da das Verwaltungsverfahren vor Inkrafttreten des die rückwirkende Geltung der Norm anordnenden § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V abgeschlossen war. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit den vom Kläger geltend gemachten Besonderheiten seiner gastroenterologischen Praxisausrichtung auseinandersetzt.

25

1. Rechtsgrundlage der Festsetzung eines Regresses ist § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V(in der ab dem 1.1.2004 geltenden und seither - nahezu - unveränderten Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Danach hat der Vertragsarzt bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens (RGVol) um mehr als 25 vH nach Feststellung durch den Prüfungsausschuss (ab 1.1.2008: die Prüfungsstelle) den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten, soweit dieser nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist.

26

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Bescheid des Beklagten nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil gemäß § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V anstelle eines Regresses lediglich eine individuelle Beratung hätte festgesetzt werden dürfen.

27

a. Zwar bestimmt § 106 Abs 5e SGB V(in der Fassung des Art 1 Nr 38 Buchst d GKV-VStG vom 22.12.2011 , gemäß Art 15 Abs 1 GKV-VStG am 1.1.2012 in Kraft getreten), dass abweichend von § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V bei einer erstmaligen Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH eine individuelle Beratung nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V erfolgt(Satz 1 aaO). Der hierdurch vorgegebene Vorrang der individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung ("Beratung vor Regress") findet im zu beurteilenden Prüfverfahren jedoch (noch) keine Anwendung. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass § 106 Abs 5e SGB V nach seinem Satz 7 auch für (Prüf-)Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Diese Geltungsanordnung wurde erst mit Wirkung zum 26.10.2012 eingefügt (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) und betrifft somit nur Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse, die nach dem 25.10.2012 ergangen sind. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:

28

§ 106 Abs 5e SGB V in der vom 1.1.2012 bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung war nur für Prüfverfahren maßgeblich, die Prüfzeiträume nach dem Inkrafttreten der Norm betrafen, weil nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich das im Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich ist (aa.). Etwas anderes gilt nur, wenn es ausdrücklich angeordnet ist; derartiges war § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung nicht zu entnehmen (bb.). Eine solche ausdrückliche Geltungsanordnung in Bezug auf zurückliegende Prüfzeiträume enthält (erst) der nachträglich (durch Art 12b Nr 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl I 2192, 2226) angefügte und gemäß Art 15 Abs 1 des Gesetzes am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V; dieser bestimmt, dass Abs 5e aaO auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren (cc.). Dem Ergebnis, dass erst Satz 7 aaO eine Rückbezüglichkeit der Regelungen des § 106 Abs 5e SGB V bewirkt hat, stehen auch die Grundsätze des intertemporalen Rechts nicht entgegen(dd.). § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V war allerdings zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten noch nicht in Kraft getreten und daher noch nicht zu beachten(ee.).

29

aa. Für die rechtliche Beurteilung, welche Rechtsfolgen sich aus einer Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH ergeben, ist grundsätzlich das im jeweiligen Prüfungszeitraum geltende Recht maßgeblich; bis zum Inkrafttreten des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V galt dies auch für die Anwendung des § 106 Abs 5e SGB V.

30

(1) Die Rechtmäßigkeit von Regressfestsetzungen und anderen Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats nach dem im jeweiligen Prüfungszeitraum geltenden Recht. Danach sind für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungs- oder Behandlungsweise in Prüfzeiträumen, die vor Inkrafttreten einer Gesetzesänderung abgeschlossen waren, die zum früheren Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften maßgeblich, wenn diese ohne Übergangsbestimmungen in Kraft getreten sind (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15). Jedenfalls soweit es die materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, es also um die Frage geht, nach welchen Grundsätzen diese Prüfung stattfindet und was ihr Gegenstand ist, richtet sich dies nach den Vorschriften, die im jeweils geprüften Zeitraum gegolten haben (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn es gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist.

31

Auf diese Entscheidung hat der Senat nachfolgend Bezug genommen und - konkret auf § 106 Abs 5e SGB V bezogen - ausgeführt, dass diese Vorschrift nur für Prüfverfahren gilt, die Zeiträume nach ihrem Inkrafttreten betreffen(BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12). Zu ergänzen ist, dass der Senat in zahlreichen Entscheidungen zu § 106 SGB V auf das für den jeweiligen Prüfzeitraum maßgebliche Recht abgestellt hat, auch ohne dies näher zu begründen(vgl aus jüngerer Zeit zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 30 RdNr 10; BSGE 113, 123 = SozR 4-2500 § 106 Nr 40, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 12).

32

(2) Etwas anderes gilt nach der Senatsrechtsprechung lediglich dann, wenn es um die Gestaltung des Prüfverfahrens als solches geht, etwa wenn der Normgeber ohne Erlass von Übergangsbestimmungen die Vorschriften über die Zusammensetzung der für die Wirtschaftlichkeitsprüfung zuständigen Verwaltungsstelle (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 15 unter Bezugnahme auf BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9) oder andere Vorschriften über das formelle Verfahren ändert. Dies betrifft etwa Regelungen über die Zuständigkeit, die Besetzung von Verwaltungsstellen, das Verfahren bzw die Form von Entscheidungen. Verfahrensvorschriften werden nach allgemeinen Grundsätzen mit ihrem Inkrafttreten unmittelbar wirksam (BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, jeweils RdNr 9).

33

Bei der in § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V normierten Suspendierung von Regressen, denen keine Beratung vorangegangen ist, handelt es sich jedoch nicht um derartige Verfahrensvorschriften. Vielmehr betrifft die Regelung die Durchführung des Prüfverfahrens als solches und damit materielles Recht (so auch Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 4. Aufl 2014, § 106 RdNr 33; zur Annahme einer materiell-rechtlichen Regelung neigt auch Weinrich, GesR 2014, 390, 394; vgl auch Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 238): Der Grundsatz "Beratung vor Regress" lässt sich den in der (zitierten) Senatsrechtsprechung angesprochenen "Grundsätzen" zuordnen, "nach welchen ... diese Prüfung stattfindet". Das ergibt sich schon daraus, dass die "Beratung" nach Überschreitung des RGVol eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung darstellt, die der Arzt gerichtlich überprüfen lassen kann (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 10 f), die also ersichtlich nicht nur verfahrenstechnische Bedeutung hat. Unabhängig davon, ob man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V als Regelung der Voraussetzungen für die Festsetzung von Regressen versteht (nur bei mehrmaliger Überschreitung zulässig) oder als Regelung der Voraussetzungen für die Durchführung einer Beratung (nur bei erstmaliger Überschreitung), bestimmt die Norm die Voraussetzungen, unter denen eine Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgen kann bzw muss. Versteht man § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V hingegen allein als Regelung einer Rechtsfolge, indem vorgegeben wird, dass unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsfolge "Regressfestsetzung" durch die Rechtsfolge "Beratung" ersetzt wird, ändert sich nichts: Die Rechtsfolge ist - quasi als "Kehrseite" der Tatbestandsvoraussetzungen - Teil des materiellen Rechts.

34

(3) Der Maßgeblichkeit des im Prüfungszeitrum geltenden Rechts steht auch nicht entgegen, dass üblicherweise bei einer Anfechtungsklage als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung ihrer Begründetheit die Sach- und Rechtslage bei Erlass des Verwaltungsaktes bzw des Widerspruchsbescheides angenommen wird (vgl die Nachweise bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 54 RdNr 33). Zunächst ist dem geltenden Recht kein "allgemeiner Grundsatz" zu entnehmen, wonach für die Beurteilung von Anfechtungsklagen (zwingend) die zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Rechtslage maßgeblich ist (so schon BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17). Der Rückgriff auf die Klageart zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts entspricht lediglich einer "Faustregel" mit praktisch einleuchtenden Ergebnissen (BSG SozR 3-4100 § 152 Nr 7 S 17; BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 12 mwN; in diesem Sinne auch BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 5 = Juris RdNr 10).

35

Zudem kommt für die materiell-rechtlichen Regelungen der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Zeitpunkt der (letzten) Verwaltungsentscheidung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtslage schon aus Sachgründen nicht in Betracht. Bei den im Falle eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verhängten Prüfmaßnahmen handelt es sich um Reaktionen auf ein nicht den gesetzlichen (konkret den § 12 Abs 1, § 70 Abs 1 Satz 2, § 72 Abs 2 SGB V)und den vertraglichen Anforderungen entsprechendes Verhalten des Arztes. Daher muss der Vertragsarzt bereits zu Beginn des jeweiligen Prüfzeitraums erkennen können, welche Regelungen für ihn insoweit maßgeblich sind, da er nur so sein Verhalten darauf einstellen kann. Es liegt auf der Hand, dass das Behandlungs- oder Verordnungsverhalten eines Arztes nicht nach Maßstäben beurteilt werden kann, die erst im Laufe des Verwaltungsverfahrens in Kraft getreten sind, bei Vornahme der - den Gegenstand der Prüfung bildenden - Verordnungen aber noch nicht galten. Soweit der Senat in einer Entscheidung vom 24.11.1993 für die rechtliche Beurteilung einer auf die Behandlungsweise bezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abgestellt hat (siehe BSG SozR 3-2200 § 368n Nr 6 S 13 f), hält er hieran nicht mehr fest.

36

bb. Nach der Rechtsprechung des Senats wie auch nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts (siehe 2.b.dd) kommt die Anwendung anderer Vorschriften als derjenigen, die im Prüfungszeitraum gegolten haben, nur dann in Betracht, wenn dies gesetzlich ausdrücklich angeordnet ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 18 RdNr 16). Dass § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung auch für Prüfverfahren Geltung besitzen sollte, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, ist jedoch weder der Norm selbst noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Das Gesetz enthält insoweit keinerlei Regelungen, die die Anwendung der Norm auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anordnen; auch der Gesetzesbegründung zum GKV-VStG lässt sich kein dahingehender Wille des Gesetzgebers entnehmen, dass das neue Recht mit sofortiger Wirkung auf alle noch "offenen" Prüfverfahren Anwendung finden sollte, da sie sich hierzu überhaupt nicht verhält. Die im Zusammenhang mit der nachträglichen Einfügung des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V geäußerte gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers ("Klarstellung") vermag hieran nichts zu ändern(siehe hierzu <2.b.cc.(1)>).

37

cc. Eine gesetzliche Anordnung des Inhalts, dass der Beratungsvorrang auch auf Prüfverfahren Anwendung finden soll, die bereits abgeschlossene Prüfzeiträume betreffen, enthält erst der am 26.10.2012 in Kraft getretene § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V. Dieser bestimmt, dass der in § 106 Abs 5e SGB V geregelte Vorrang einer individuellen Beratung vor einer Regressfestsetzung für alle Verfahren der Richtgrößenprüfung gilt, die nicht bis zum 31.12.2011 durch einen Bescheid des Beschwerdeausschusses abgeschlossen waren (zur Verneinung einer verfassungswidrigen Rückwirkung zu Lasten der Krankenkassen siehe das Urteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 23 ff).

38

(1) § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V enthält allerdings keine bloße Klarstellung, sondern eine Änderung der Rechtslage in Form einer ausdrücklichen - konstitutiven - gesetzlichen Geltungsanordnung(in diesem Sinne bereits Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218b; siehe auch SG Marburg Beschluss vom 16.12.2013 - S 12 KA 565/13 ER - Juris RdNr 18: "rückwirkend … in Kraft gesetzt …"; zweifelnd auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 36 RdNr 12: "(unterstellt) klarstellende Neuregelung"; aA Weinrich, GesR 2014, 390, 394; Christophers, ZMGR 2014, 11, 13). Zwar heißt es in der Satz 7 aaO betreffenden Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95): "Klarstellung zur Rechtslage. Der Grundsatz 'Beratung vor Regress' gilt ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des GKV-​VStG am 1. Januar 2012 für alle laufenden und nachfolgenden Verfahren der Prüfgremien - auch soweit sie zurückliegende Prüfzeiträume betreffen." Diese Annahme geht jedoch fehl.

39

Eine Klarstellung setzt voraus, dass etwas dem Grunde nach bereits angelegt ist und nur vorsorglich noch einmal verdeutlicht werden soll, dass dies so ist. Dies ist in Bezug auf die in Satz 7 aaO getroffene Regelung, dass § 106 Abs 5e SGB V auch für Verfahren gilt, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren, jedoch nicht der Fall. § 106 Abs 5e SGB V fand - vor Einfügung des Satzes 7 aaO als einer ausdrücklichen Geltungsanordnung - gerade keine Anwendung auf Verfahren, welche vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen, weil nach der Rechtsprechung des Senats für Wirtschaftlichkeitsprüfungen das im jeweiligen Prüfzeitraum geltende Recht maßgeblich ist und § 106 Abs 5e SGB V in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung keinerlei Anhaltspunkte für eine rückbezügliche Wirkung der Norm enthielt.

40

Die Auffassung des Gesetzgebers, eine Vorschrift habe lediglich klarstellenden Charakter, ist für die Gerichte nicht verbindlich (BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 47 = BGBl I 2014, 255, unter Hinweis auf BVerfGE 126, 369, 392). Sie schränkt weder die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte und des BVerfG ein noch relativiert sie die für sie maßgeblichen verfassungsrechtlichen Maßstäbe, denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen (BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37). Eine vom Gesetzgeber beanspruchte Befugnis zur "authentischen" Interpretation wird daher von der Verfassungsgerichtsbarkeit nicht anerkannt (vgl BVerfGE 65, 196, 215; BVerfGE 111, 54, 107; BVerfGE 126, 369, 392; BVerfGE 131, 20, 37; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013, aaO, RdNr 48). Dies gilt auch für die Frage, ob eine Regelung konstitutiv ist oder nur klarstellt, was nach Ansicht des Gesetzgebers ohnedies gegolten hat (BVerfGE 126, 369, 392). Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll (BVerfGE 131, 20, 37 f; BVerfG Beschluss vom 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - RdNr 52, 55 f = BGBl I 2014, 255). Dies ist vorliegend der Fall.

41

(2) Regelungsinhalt des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist es, anzuordnen, dass die in den vorangehenden Sätzen des Abs 5e aaO enthaltenen Regelungen auch für (Prüf-)Verfahren gelten, die am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Unter "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V ist das Verwaltungsverfahren zu verstehen. Zwar ließe der Gesetzeswortlaut eine Auslegung dahingehend zu, dass Verfahren jeder Art - dh sowohl das Verwaltungsverfahren als auch das Gerichtsverfahren - erfasst werden sollen. Jedoch ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang in Verbindung mit der Gesetzesbegründung, dass die Geltungsanordnung nicht bereits bei Gericht anhängige Verfahren erfassen soll (ebenso LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.2.2013 - L 5 KA 222/13 ER-B - Juris RdNr 36; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218c; siehe auch Weinrich, GesR 2014, 390). Dass mit dem Begriff "Verfahren" iS des § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V allein das Verwaltungsverfahren gemeint ist, folgt bereits daraus, dass sich die Regelung an die Prüfgremien - dh an die "Verwaltung" - richtet(Engelhard aaO). Zudem hat der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) verdeutlicht, dass die Neuregelung für ein bereits vor dem Inkrafttreten abgeschlossenes Widerspruchsverfahren nicht gilt, "auch wenn eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses noch anhängig ist".

42

Soweit der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass "insoweit" die allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätze gelten, dürfte der Gesetzgeber den "Grundsatz" (bzw die "Faustregel") im Blick gehabt haben, dass der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung für die Beurteilung der Rechtslage maßgeblich ist; dies bestätigen die weiteren Ausführungen in der Gesetzesbegründung (aaO), dass die Prüfgremien "das zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" anzuwenden hätten. Dies bestätigt ebenfalls die Annahme, dass mit "Verfahren" nur das Verwaltungsverfahren gemeint ist. Das Verwaltungsverfahren wiederum umfasst sowohl das Verfahren vor der Prüfungsstelle als auch das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss, da es sich bei dem Beschwerdeverfahren um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42 RdNr 22 mwN).

43

"Abgeschlossen" ist das Verfahren mit seiner "Beendigung", im verfahrensrechtlichen Sinne also - sofern es sich nicht anderweitig erledigt oder beendet wird - mit Erlass des Verwaltungsaktes (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13 und § 18 RdNr 1), das Widerspruchsverfahren entsprechend mit Erlass des Widerspruchsbescheides. Darauf, ob das Verfahren "bestandskräftig" abgeschlossen ist, kommt es nicht an (so zutreffend Mutschler in Kasseler Komm, § 8 SGB X RdNr 11, unter Hinweis darauf, dass die Behörde nach dem Erlass des Verwaltungsaktes nichts mehr tun kann; ebenso Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, K § 8 RdNr 13). Somit findet die Neuregelung dann keine Anwendung, wenn ein - verwaltungsverfahrensrechtlich vor dem in § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V genannten Zeitpunkt abgeschlossenes - Verfahren durch gerichtliche Entscheidung zur erneuten Entscheidung an den Beschwerdeausschuss zurückverwiesen wird(Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 RdNr 218d), da es allein darauf ankommt, ob das Widerspruchsverfahren bei Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossen war oder nicht.

44

dd. Eine Heranziehung der Grundsätze des intertemporalen Rechts führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keiner anderen Beurteilung.

45

(1) Nach der Rechtsprechung des BSG gilt bei Rechtsänderungen grundsätzlich das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Hiernach ist ein Rechtssatz nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden; spätere Änderungen eines Rechtssatzes sind danach für die Beurteilung von vor seinem Inkrafttreten entstandene Lebensverhältnisse unerheblich, es sei denn, dass das Gesetz seine zeitliche Geltung auf solche Verhältnisse erstreckt (vgl zB BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Dementsprechend geht das BSG in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich die Entstehung und der Fortbestand sozialrechtlicher Ansprüche bzw Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem Recht beurteilen, das zur Zeit des Vorliegens der anspruchsbegründenden Ereignisse oder Umstände gegolten hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSGE 111, 268 = SozR 4-2400 § 24 Nr 7, RdNr 12; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 42; zuletzt BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 R 1/12 R - SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Das Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip ist allerdings nicht anzuwenden, soweit später in Kraft gesetztes Recht ausdrücklich oder sinngemäß etwas anderes bestimmt; dann kommt der Grundsatz der sofortigen Anwendung des neuen Rechts auch auf nach altem Recht entstandene Rechte und Rechtsverhältnisse zum Tragen (BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-5910 § 111 BSHG Nr 1 RdNr 9; BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21). Welcher der genannten Grundsätze des intertemporalen Rechts zur Anwendung gelangt, richtet sich letztlich danach, wie das einschlägige Recht ausgestaltet bzw auszulegen ist (BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 11/12 R - Juris RdNr 43; zuletzt BSG SozR 4-2400 § 26 Nr 3 RdNr 21).

46

(2) Nach diesen - wegen der Besonderheiten des Vertragsarztrechts ohnehin nur sinngemäß übertragbaren - Maßstäben entspricht die Rechtsprechung des Senats zur Anwendbarkeit des im Prüfungszeitraum geltenden Rechts dem Versicherungsfall- bzw Leistungsfallprinzip. Die Anwendung des Grundsatzes der sofortigen Anwendung des neuen Rechts kommt aus den bereits oben dargestellten Gründen nicht in Betracht, weil dem Gesetz - vor Einfügung des Satzes 7 aaO - weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen war, dass die Regelungen über den Vorrang der Beratung auch auf abgeschlossene Prüfzeiträume Anwendung finden sollten. Soweit in einzelnen - vom Kläger herangezogenen - Entscheidungen des BSG abweichende Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind, ist dies auf Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets zurückzuführen.

47

ee. § 106 Abs 5e SGB V findet jedoch auch unter Berücksichtigung seines Satzes 7 ausschließlich auf (Prüf-)Verfahren Anwendung, in denen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses nach dem 25.10.2012 ergangen ist. Da Satz 7 aaO mit Wirkung zum 26.10.2012 in Kraft getreten ist, entzieht er den vor seinem Inkrafttreten nach altem Recht ergangenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse nicht die Grundlage; eine derartige Regelungsabsicht hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden:

48

Zwar enthält § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V eine ausdrückliche Geltungsanordnung des Inhalts, dass § 106 Abs 5e SGB V - entgegen der Rechtsprechung des Senats zum jeweils maßgeblichen Recht - auch auf Prüfzeiträume Anwendung findet, die vor dem Inkrafttreten des Abs 5e am 1.1.2012 liegen, sofern die betreffenden Prüfverfahren am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen waren. Jedoch ist der Normbefehl insoweit nicht eindeutig, als Prüfverfahren betroffen sind, in denen die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses zwar nach dem 31.12.2011, jedoch vor Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 - dem auf die Verkündung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag (vgl Art 15 Abs 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften) - ergangen ist. Der Norm selbst kann zwar der Wille des Normgebers entnommen werden, auch diese Konstellationen in die begünstigende Wirkung des § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V einzubeziehen; dieser Annahme steht jedoch die Regelung zum Inkrafttreten der Geltungsanordnung am 26.10.2012 wie auch die Gesetzesbegründung selbst entgegen.

49

Der Gesetzgeber hätte § 106 Abs 5e Satz 7 SGB V rückwirkend zum 1.1.2012 in Kraft setzen und damit auch solchen, das Verfahren abschließenden Entscheidungen aus der "Zwischenzeit" die rechtliche Basis - soweit es auf die Beratung ankommt - entziehen können. Das hat er jedoch nicht getan. Zudem hat der Gesetzgeber in der Begründung (Ausschussbericht zum Gesetz vom 19.10.2012, BT-​Drucks 17/10156, S 95) darauf hingewiesen, dass er seine Regelung auf "noch nicht abgeschlossene Verfahren" beschränken will; auch hat er betont, dass die Prüfgremien das "zum Zeitpunkt ihrer abschließenden Entscheidung geltende Recht" an​zuwenden haben. Dabei ist möglicherweise nicht hinreichend gesehen worden, dass die Beschwerdeausschüsse bis zum Inkrafttreten des Satzes 7 aaO Verfahren "abschließen" und dabei das zum Zeitpunkt des jeweiligen Quartals geltende Recht anwenden mussten. Eine Regelungsabsicht, auch den auf dieser Basis ergangenen Bescheiden, die durchaus schon bestandskräftig geworden sein konnten, nachträglich rückwirkend die Grundlage zu entziehen, hat im Normtext in Verbindung mit der Regelung zum Inkrafttreten keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. In den Gesetzesmaterialien fehlen Hinweise, wie insoweit mit bestandskräftig gewordenen Bescheiden umgegangen werden soll, also ob § 44 Abs 2 SGB X eingreifen oder die betroffenen Ärzte die Vollstreckung der Regresse der KÄV zugunsten der Krankenkassen mit vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfen abwehren können sollen, und ob schon bezahlte Regresse rückabgewickelt werden müssen. Deshalb ist Satz 7 aaO so zu verstehen, dass der Vorrang der Beratung nach § 106 Abs 5e Satz 1 SGB V nicht für solche Verfahren gilt, die vor dem 1.1.2012 liegende Prüfzeiträume betreffen und in denen die abschließende Entscheidung des Beschwerdeausschusses vor dem Inkrafttreten des Satzes 7 aaO am 26.10.2012 ergangen ist. Davon ist der hier zu entscheidende Fall erfasst, weil der Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses vom 10.5.2012 dem Kläger am 11.5.2012 bekanntgegeben wurde.

50

b. Auf die Frage, ob der Kläger sein RGVol im streitbefangenen Jahr 2009 überhaupt "erstmalig" überschritten hat, kommt es angesichts des Umstandes, dass die Norm keine Anwendung findet, nicht an (zu den Anforderungen an eine "erstmalige" Überschreitung siehe Senatsurteil vom heutigen Tag - B 6 KA 3/14 R - RdNr 58 ff).

51

3. Im Ergebnis hat das SG den Bescheid des Beklagten jedoch zu Recht aufgehoben und diesen zur Neubescheidung verpflichtet, weil sich der Bescheid in der Sache wegen eines Begründungsmangels als rechtswidrig erweist.

52

a. Die - erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachten - Bedenken des Klägers gegen die Wirksamkeit der hier maßgeblichen RGV unter dem Aspekt der unzureichenden "altersgemäßen Gliederung" hält der Senat allerdings nicht für durchgreifend. § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V(in der ab dem 31.12.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets ) bestimmt, dass die Vertragspartner der RGV die (arztgruppenspezifischen und fallbezogenen) Richtgrößen zusätzlich nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen sollen. Die Vertragspartner sollen damit die Richtgrößen weiter ausdifferenzieren, um so eine stärker auf die Einzelpraxis ausgerichtete Berücksichtigung der medizinischen Behandlungserfordernisse zu erreichen (FraktE-ABAG, BT-Drucks 14/6309, S 9 zu § 84 Abs 6). Diese Regelung wird durch § 84 Abs 7 Satz 5 SGB V ergänzt, der vorgibt, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit verbindlicher Wirkung für RGVen nach § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V die altersgemäße Gliederung der Patientengruppen bestimmen sollen.

53

Die auf dieser Grundlage erlassenen Rahmenvorgaben der Spitzenorganisationen auf Bundesebene sehen hierzu eine Gliederung in vier Altersgruppen vor (siehe § 2 Abs 2 Satz 1 iVm Anlage 2 der Rahmenvorgaben für das Jahr 2002, DÄ 2002, A 1540). In der hier maßgeblichen RGV wird demgegenüber nur - relativ grob - zwischen den Gruppen der Mitglieder/Familienversicherten und der Rentner unterschieden (siehe Anlage B zur RGV, Rheinisches Ärzteblatt 2009, 87). Dies ist jedoch noch hinnehmbar (aA SG Dresden Urteile vom 11.12.2013 - S 18 KA 31/10 ua - Juris), zum einen, weil es sich bei § 84 Abs 6 Satz 2 SGB V um eine Sollvorschrift handelt, zum anderen, weil die Rahmenvorgabe keine strikte Verpflichtung enthält, eine solche Regelung in die regionalen RGVen aufzunehmen: Gemäß § 2 Abs 2 Satz 3 der Rahmenvorgaben sind Abweichungen "hiervon" - dh von der in § 2 Abs 2 Satz 1 aaO vorgegebenen Altersgliederung - zulässig, "bis Satz 2 erfüllt ist". Nach Satz 2 aaO streben die Vereinbarungspartner an, noch im Jahr 2002 die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Verordnungsdaten und Fallzahlen entsprechend (der vorgegebenen Altersgliederung) geliefert werden können. Nachdem inzwischen die Unsicherheiten darüber, ob die Vertragspartner eine solche feinere Unterscheidung auf der Basis der von den Krankenkassen zu liefernden Daten (§ 296 SGB V) umsetzen können, beseitigt sind - so werden in den in B. und T. geltenden RGVen vier bzw sechs Kohorten unterschieden -, werden die regionalen Vertragspartner bis Ende des Jahres 2015 die RGVen der Rahmenempfehlung anzupassen haben, soweit sich das nicht als undurchführbar erweist; das wäre indessen konkret und nicht nur pauschal zu belegen.

54

b. Teilweise begründet sind die Einwände des Klägers allerdings, soweit er eine unzureichende Berücksichtigung der von ihm geltend gemachten Praxisbesonderheiten bzw eine unzureichende Begründung dazu rügt.

55

aa. Nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V kommt eine Erstattung von Mehraufwand nur in Betracht, wenn die Überschreitung des RGVol um mehr als 25 vH nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt ist. Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist bei einer Richtgrößenprüfung nicht anders zu verstehen als bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf - bzw Verordnungsbedarf - des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14).

56

bb. Soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht, steht den Prüfgremien ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 14; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14). Die Kontrolle der Gerichte beschränkt sich darauf, ob das Verwaltungsverfahren ordnungsge-mäß durchgeführt worden ist, ob der Verwaltungsentscheidung ein richtiger und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die Verwaltung die Grenzen eingehalten hat, die sich bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "Wirtschaftlichkeit" ergeben, und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvoll-ziehbar ist (stRspr des BSG, vgl BSGE 72, 214, 216 = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 7; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger erhobenen Einwände fest.

57

Entgegen der Auffassung des Klägers fehlt es nicht an einem "tragfähigen Sachgrund für das beanspruchte behördliche Letztentscheidungsrecht". Der Senat räumt den Prüfgremien in ständiger Rechtsprechung deshalb einen Beurteilungsspielraum ein, weil sich die die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise betreffenden Fragen zum Teil nur im Rahmen einer fachkundigen Beurteilung beantworten lassen (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 106). Ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien besteht nicht generell hinsichtlich aller Fragen der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung, sondern nur in Bezug auf solche Fragestellungen, die einer Bewertung unter Heranziehung der besonderen Fachkunde der Mitglieder der Prüfgremien bedürfen (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN). Zu diesen Fragestellungen zählt der Senat insbesondere - für den Bereich der Richtgrößenprüfungen aber auch ausschließlich - die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten (BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36; BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 16 - jeweils zur Richtgrößenprüfung).

58

Fehl geht auch der Einwand des Klägers, der Senat verletze mit der Einräumung eines Beurteilungsspielraums sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs 4 GG. Dabei beachtet der Kläger nicht hinreichend, das die Prüfgremien erheblichen Begründungsanforderungen unterliegen (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11), deren Beachtung von den Gerichten vollständig zu überprüfen ist. Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21).

59

cc. Der Senat hält auch daran fest, dass der Umstand, dass die Prüfgremien für vorangegangene Prüfzeiträume Praxisbesonderheiten anerkannt hatten, nicht die Entscheidung präjudiziert, ob der Vertragsarzt in dem aktuell zur Beurteilung anstehenden Prüfzeitraum wirtschaftlich behandelt oder verordnet hat (zu hieraus folgenden Begründungsanforderungen siehe jedoch RdNr 64 <3.b.dd. (2)(a)>). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Prüfgremien für jedes Quartal erneut und gesondert eine Prüfung der Voraussetzungen des § 106 SGB V und eine Abwägung hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen vornehmen müssen(BSG USK 82196 S 897; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 42 S 235; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 20). Ebenso entspricht es ständiger Senatsrechtsprechung, dass sich der Vertragsarzt nicht auf einen Vertrauensschutz der Art berufen kann, dass es in vorangegangenen Quartalen zu keinen Honorarkürzungen gekommen und er daher davon ausgegangen sei, dass es auch in Zukunft zu keinen Honorarkürzungen kommen werde (BSG USK 97124; BSGE 78, 278, 283 = SozR 3-2500 § 106 Nr 35 S 198). Aus welchen Gründen keine Honorarkürzungen erfolgt sind - ob dies also auf der Anerkennung von Praxisbesonderheiten beruhte oder darauf, dass überhaupt kein Prüfverfahren durchgeführt wurde - ist insoweit ohne Bedeutung.

60

dd. Der Bescheid des Beklagten ist jedoch nicht rechtmäßig, soweit er sich mit der vom Kläger geltend gemachten gastroenterologischen Ausrichtung der Praxis auseinandersetzt.

61

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - in Folge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225). Erforderlich sind auch Ausführungen dazu, ob und ggf in welchem Umfang der Mehraufwand auf Praxisbesonderheiten zurückzuführen ist (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 224).

62

(2) Diesen Anforderungen wird der Bescheid des Beklagten nicht gerecht. Eingehenderer Ausführungen hätte es zum einen schon deswegen bedurft, weil der Beklagte in der Vergangenheit (insbesondere) für diesen Tätigkeitsschwerpunkt Praxisbesonderheiten anerkannt hatte (a). Zum anderen ist der Vortrag des Klägers zumindest in Bezug auf einen gastroenterologischen Tätigkeitsschwerpunkt in sich schlüssig und substantiiert, sodass das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zumindest als möglich erscheint (b).

63

(a) Der Beklagte hatte für vorangehende Prüfungszeiträume das Vorliegen von Praxisbesonderheiten anerkannt. So ist nach den übereinstimmenden Angaben der Hauptbeteiligten jedenfalls im Bereich der Gastroenterologie eine Praxisbesonderheit gesehen worden; ob sich dies - so der Beklagte - allein auf die Anerkennung von Mehrkosten für additive Schmerztherapie bezog oder - wie der Kläger vorträgt - generell auf Mehrkosten für die Behandlung von Patienten mit der Indikation Heliobacter, kann insoweit dahingestellt bleiben.

64

Haben die Prüfgremien in vorangegangenen Prüfzeiträumen Praxisbesonderheiten anerkannt, kann deren Vorliegen in nachfolgenden Prüfverfahren nicht pauschal unter Hinweis auf die grundsätzlich den Vertragsarzt treffende Darlegungs- und Feststellungslast (siehe hierzu zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 mwN)verneint werden. Der Vertragsarzt erfüllt in derartigen Fällen die ihm obliegende besondere Mitwirkungspflicht (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40) bereits durch den Vortrag, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Praxis nicht verändert haben. Dann ist es Aufgabe der Prüfgremien, sich von Amts wegen mit den - als "offenkundig" im Sinne der Senatsrechtsprechung anzusehenden (siehe hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 43-44)- Umständen auseinanderzusetzen, die in der Vergangenheit zur Anerkennung einer Praxisbesonderheit geführt haben. Es bedarf konkreter Ausführungen dazu, aus welchen Gründen das Prüfgremium nunmehr das Vorliegen solcher Praxisbesonderheiten verneint.

65

Es gehört zum Pflichtenkreis der Prüfgremien, eine Änderung ihrer Spruchpraxis in einer für die betroffenen Vertragsärzte nachvollziehbaren Weise zu begründen, da die Regressfestsetzung nur so die ihr immanente Beratungsfunktion erfüllen kann. Verhaltenssteuernde Wirkung kommt den Richtgrößen bzw den im Falle ihrer Überschreitung verhängten Sanktionen nur dann zu, wenn dem Vertragsarzt die maßgeblichen Umstände bekannt sind, sodass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Zu diesen Umständen gehört neben der Höhe des RGVol auch, ob bzw in welchem Umfang die Prüfgremien eine Überschreitung des RGVol als durch Praxisbesonderheiten begründet bzw gerechtfertigt ansehen. Daher erfordert die "Aberkennung" von Praxisbesonderheiten, dass die hierfür maßgeblichen Gründe dem Vertragsarzt bekanntgegeben werden. Derartige Ausführungen sind dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen.

66

(b) Unabhängig davon hätte der Vortrag des Klägers - jedenfalls in Bezug auf die im Bereich der Gastroenterologie geltend gemachten Besonderheiten - ausführlichere Darlegungen dazu erfordert, warum der Beklagte dieser Argumentation nicht gefolgt ist.

67

Zwar obliegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 41 RdNr 18 f mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 44, RdNr 14) die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten dem Arzt. Die dem klagenden Arzt obliegende Mitwirkungspflicht und die ihn treffende Darlegungs- und Feststellungslast berechtigt die Prüfgremien nicht dazu, sich darauf zu beschränken, pauschal die Nichterfüllung der insoweit bestehenden Anforderungen festzustellen, sondern sie müssen sich mit substantiierten Darlegungen des Arztes im Einzelnen auseinandersetzen. Dies erfordern die ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräume, als deren Korrektiv die Begründung des Bescheides wesentliche Bedeutung zukommt.

68

Der Beklagte hat insoweit die Anerkennung (weiterer) Praxisbesonderheiten mit der Begründung abgelehnt, bei den vermehrten Zuweisungen zur Gastroskopie handele es sich um Zuweisungen zur Diagnostik; die hiermit im Zusammenhang verordneten PPI würden für einen hausärztlich tätigen Internisten als fachgruppentypisch angesehen. Die Einzelfallschilderungen besonders kostenintensiver Patienten seien unsubstantiiert vorgetragen worden. Der Widerspruchsführer könne den erforderlichen Nachweis mit der eingereichten Einzelfalldarstellung nicht in der durch § 5 Abs 5 RGV geforderten dezidierten Form erbringen. Patientenlisten mit Diagnosen und Leistungsziffernstatistik gäben nur Auskunft über die Situation in der Praxis und belegten nicht, welche Abweichungen sich ggf gegenüber den Praxen der Vergleichsgruppe ergäben. Diese Darlegungen des Beklagten entsprechen nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die an die Begründung eines Regressbescheides zu stellen sind.

69

In Bezug auf seinen gastroenterologischen Tätigkeitsbereich ist der Kläger seiner Darlegungslast - im Sinne einer ausreichenden Substantiierung des Vortrags - nachgekommen, indem er dargelegt und durch die Angabe von Abrechnungshäufigkeiten auch dem Grunde nach belegt hat, dass seine (hausärztliche) Praxis einen gastroenterologischen Schwerpunkt hat. Anhaltspunkte hierfür ergeben sich aus dem im Vergleich zu seiner Fachgruppe - den hausärztlich tätigen Internisten - signifikant erhöhten Anteil von Patienten mit Refluxkrankheit (Abweichung um mehr als 300 %), sowie daraus, dass er "Ösophago-Gastroduodenalen Komplex" doppelt so häufig abgerechnet hat als die Vergleichsgruppe. Auch die Anzahl der von ihm durchgeführten Gastroskopien deutet auf ein von der Fachgruppe abweichendes Patientengut hin, weil Gastroskopien regelmäßig von im fachärztlichen Versorgungsbereich tätigen Internisten durchgeführt werden.

70

Diese für einen Hausarzt nicht unbedingt typische Ausrichtung der Praxis auf Diagnostik und Therapie von Refluxkrankheiten könnte durchaus als Praxisbesonderheit in Betracht kommen. Dass bei Patienten mit der Diagnose "Refluxkrankheit" und/oder bei Patienten, bei denen eine Magenspiegelung durchgeführt wird, ein "spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender" Verordnungsbedarf besteht, erscheint - jedenfalls dem Grunde nach - plausibel. Sofern der Beklagte bereits das Vorliegen einer Praxisbesonderheit an sich verneinen will, hat er die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid darzulegen. Der - ohnehin auf "Zuweisungen zur Gastroskopie" beschränkte - Hinweis auf die Fachgruppentypik in der Begründung des Bescheides genügt hierzu nicht. Ob die weitere Voraussetzung zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten, nämlich der Nachweis der hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten, erfüllt ist, wird der Beklagte ebenfalls zu prüfen und die Gründe für seine Entscheidung darzulegen haben. Dass bei der dargestellten Patientengruppe dem Grunde nach ein Mehrbedarf (insbesondere) an PPI besteht, könnte naheliegen.

71

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Prüfgremien die Gründe konkret benennen müssen, aus denen heraus sie grundsätzlich medizinisch indizierte Verordnungen einer bestimmten Wirkstoffgruppe generell für unwirtschaftlich halten. Auch das ist im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend geschehen.

72

Soweit der Kläger weitere Praxisbesonderheiten in anderen Behandlungsgebieten als der Gastroenterologie geltend macht, ist sein Vorbringen von vornherein nicht ausreichend, um das Vorliegen von Praxisbesonderheiten zu begründen. In Bezug auf die höhere Anzahl von Patienten mit Depressionen und mit nicht primär insulinabhängigem Diabetes stellt der geltend gemachte Mehraufwand im Verordnungsbereich nicht mehr als eine Behauptung dar; soweit er einen Schwerpunkt bei Patienten mit metabolischem Syndrom geltend macht, wird dies allein durch die angegebenen vier Beispielsfälle nicht belegt.

73

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach hat der Beklagte die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. bis 6., da diese keine Anträge gestellt haben.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine aus zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin bestehende Gemeinschaftspraxis, wendet sich gegen die Festsetzung einer Beratung im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung aufgrund von Richtgrößen für das Jahr 2006.

2

Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkasse Sachsen setzte mit Bescheid vom 20.11.2008 gegen die Klägerin wegen Überschreitung der Richtgröße der Fachärzte für Allgemeinmedizin einen Regress in Höhe von 2789,37 Euro fest. Ihre Verordnungskosten hätten im Jahr 2006 einschließlich Sprechstundenbedarf brutto 767 142,29 Euro betragen bei einem Richtgrößenvolumen von 502 227,56 Euro. Eine Summe in Höhe von 126 745,27 Euro brachte die Prüfungsstelle in Abzug, weil sie Verordnungen für Indikationsgebiete betrafen, die als Praxisbesonderheiten in der Prüfungsvereinbarung festgelegt waren, etwa die Schmerztherapie mit betäubungsmittelhaltigen Arzneimitteln. Weitere 7900,76 Euro zog die Prüfungsstelle für Mehraufwendungen für Antidementiva ab, weil ein erhöhter Anteil an Demenzpatienten festgestellt worden war (6,8 % gegenüber 1,3 % in der Vergleichsgruppe). Soweit die Klägerin sich darauf berufen habe, dass sie eine Vielzahl von Pflegeheimpatienten behandele, habe sie weder zu den von ihr namentlich benannten 20 Patienten, die Verordnungskosten von mehr als 2000 Euro verursacht hätten, noch zu den 200 pauschal angegebenen Pflegeheimpatienten Angaben zu Indikation, Diagnose, Name der Versicherten, Krankenkassenversichertennummer, verordneten Arzneimitteln sowie Menge und Quartalskosten der Einzelmedikamente gemacht. Soweit der durchschnittliche Rentneranteil der Fachgruppe um 25 % überschritten sei, sei dies mit der höheren Richtgröße für Rentner berücksichtigt worden. Es verbleibe eine Überschreitung der gewichteten Richtgröße von 25,92 %.

3

Auf den Widerspruch der Klägerin, zu dessen Begründung sie erneut auf die Praxisbesonderheit "Heimbetreuung" verwies, hob der beklagte Beschwerdeausschuss mit Bescheid vom 7.8.2009 aus der Sitzung vom 27.5.2009 den Regress auf und setzte eine Beratung fest. Er führte ua aus, Pflegeheimpatienten könnten wegen einer aufwendigen Betreuung eine Besonderheit darstellen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen sei aber nicht ersichtlich, dass tatsächlich 200 Patienten in Pflegeheimen betreut würden. Die Nennung von 20 namentlich benannten besonders kostenintensiven Patienten - davon 17 Pflegeheimpatienten - könne nicht ohne Weiteres zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten führen. Es wäre vielmehr Pflicht der Klägerin gewesen, die behaupteten Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach schlüssig darzulegen. Dieser Pflicht sei sie nicht nachgekommen. Nach eingehender Prüfung werde für insgesamt 11 der 20 namentlich genannten Patienten ein Mehraufwand in Höhe von 25 043,35 Euro zusätzlich anerkannt. Zur Ermittlung möglicher Praxisbesonderheiten sei ein Vergleich der häufigsten Diagnosen in den allgemeinmedizinischen Praxen in Sachsen mit der klägerischen Praxis vorgenommen worden, der lediglich bei zwei Positionen - bei den somatoformen Störungen und der Herzinsuffizienz - eine geringe positive Abweichung gegenüber der Fachgruppe ergeben habe. Von einem besonderen Klientel könne deshalb nicht ausgegangen werden. Nach Abzug der bereits von der Prüfungsstelle anerkannten und der im Widerspruchsverfahren festgestellten Praxisbesonderheiten in Höhe von insgesamt 159 789,16 Euro verbleibe eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens von 20,93 %, sodass eine Beratung festzusetzen sei.

4

Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 20.6.2012 die Klage abgewiesen. Der auf die Richtgrößenwerte der Richtgrößenvereinbarung 2006 gestützte Regress sei rechtmäßig. Zwar sei diese Richtgrößenvereinbarung nicht rechtzeitig zu Jahresbeginn vereinbart und bekanntgemacht worden. Ihre Anwendung benachteilige die Klägerin jedoch nicht, weil für 2006 höhere Richtgrößen vereinbart worden seien als für 2005. In der Sache sei die Entscheidung des Beklagten rechtmäßig. Weitere Praxisbesonderheiten habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt. Hierfür reiche es nicht aus, wenn der geprüfte Arzt lediglich eine Patientenliste mit der Angabe von Diagnosen und Behandlungen vorlege. Der Beklagte habe dem naheliegenden Gedanken Rechnung getragen, dass bei der Betreuung von Patienten in Pflegeheimen verstärkt Patienten mit Demenzerkrankung vorhanden sein könnten und habe die sich hieraus ergebenden Mehrkosten anerkannt. Bezüglich der namentlich genannten Patienten habe er darüber hinaus Art und Umfang der verordneten Arzneimittel bewertet und weitere 25 043,35 Euro in Abzug gebracht. Für weitere in Pflegeheimen betreute Patienten sei dies schon deshalb nicht möglich gewesen, weil die Klägerin lediglich eine Anzahl angegeben habe, aber keine weiteren Patienten mit Namen bezeichnet habe. Allein die Unterbringung eines Patienten in einem Pflegeheim rechtfertige nicht die Anerkennung als Praxisbesonderheit mit Abzug eines pauschalen Verordnungsvolumens, für dessen Bemessung überdies keine Anhaltspunkte vorlägen. Eine weitere Substantiierung von Praxisbesonderheiten sei der Klägerin auch nicht unzumutbar gewesen.

5

Zur Begründung ihrer Sprungrevision trägt die Klägerin vor, der Umfang der ihr auferlegten Darlegungspflichten sei rechtswidrig. Die erforderliche Behandlungsintensität bei den betreuten Pflegeheimpatienten stelle per se eine anerkennungswürdige Praxisbesonderheit dar. Von den Prüfgremien seien ihr nur lückenhafte Informationen zur Verfügung gestellt worden, nämlich Dokumentationen ohne Klarnamen der Patienten sowie Vermerke von Pharmazentralnummern für Medikamente. Anhand dieser Daten habe sie ihrer Darlegungslast nicht nachkommen können. Andererseits seien die Anhaltspunkte für die Anerkennung einer Praxisbesonderheit evident gewesen. Diese Erkenntnisse hätten die Prüfgremien aber nicht zum Anlass genommen, ihrer Amtsermittlungspflicht zu genügen. Sie fügt eine Aufstellung von 211 Patienten bei, die sie im Jahr 2013 in einem Seniorenheim betreut habe und deren Altersdurchschnitt 85,36 Lebensjahre betragen habe. Allein durch die im Vergleich zu den Mitgliedern höhere Richtgröße für Rentner seien die höheren Kosten für Pflegeheimbewohner nicht ausreichend berücksichtigt. Etwa ab dem 75. Lebensjahr sei ein überproportionaler Anstieg der Verordnungskosten zu verzeichnen, sodass es einer weiteren Differenzierung bedürfe. Bei Heimbewohnern werde auch ausschließlich der das Heim betreuende Arzt für Verordnungen in Anspruch genommen. Es wäre sachwidrig, wenn der ein Heim versorgende Arzt für jeden Einzelfall die Besonderheit begründen müsse. Die systematische Besonderheit ergebe sich bereits aus dieser speziellen Patientengruppe, für die höhere Kosten anfallen würden. Die Prüfgremien seien verpflichtet, eine eigene Vergleichsgruppe für die Ärzte zu bilden, die Pflegeheimpatienten betreuen.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 20.6.2012 und den Bescheid des Beklagten vom 7.8.2009 aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Da den Prüfgremien die Adressen der Versicherten nicht vorlägen, sei die Unterbringung in einem Heim nicht ohne Weiteres ersichtlich. Es sei Sache des Vertragsarztes, die entsprechenden Angaben vorzutragen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Sprungrevision der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage gegen den Bescheid des Beklagten zu Recht abgewiesen.

10

1. Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid formell beschwert iS des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG und damit klagebefugt. Sie erstrebt die Beseitigung einer in ihre Rechtssphäre eingreifenden Verwaltungsmaßnahme, die sie als rechtswidrig beanstandet (vgl BSGE 90, 127, 130; zur Klagebefugnis allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 9 bis 12a mwN). Ein nachteiliges Einwirken auf die Rechtssphäre der Klägerin fehlt nicht etwa deshalb, weil der angefochtene Bescheid keine materielle Ausgleichspflicht festsetzt, sondern nur eine immaterielle Maßnahme der "Beratung". Auch bei der Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 SGB V handelt es sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine Sanktion im Falle der Überschreitung des Richtgrößenvolumens. Das SG hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Richtgrößen nach der Intention des Gesetzgebers eine Steuerungsfunktion zukommt und dies im Wortlaut des § 84 Abs 6 Satz 3 SGB V zum Ausdruck kommt. Danach leiten die Richtgrößen den Vertragsarzt bei seinen Entscheidungen über die Verordnung von Leistungen nach § 31 nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Steuerungsfunktion wird über die Wirtschaftlichkeitsprüfungen abgesichert (vgl BT-Drucks 12/3608 S 100 Zu Nummer 56 <§ 106> Zu Buchst f). Mit der Übertragung der Verantwortung für die Information und Beratung der Vertragsärzte über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der von ihnen verordneten Leistungen auf die Prüfgremien verband der Gesetzgeber die Vorstellung, erhebliche Wirtschaftlichkeitspotentiale zu aktivieren und die Versorgungsqualität zu verbessern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 113 Zu Nummer 82 <§ 106> Zu den Buchst a und b). Wie jede Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung zielt auch die Beratung nach § 106 Abs 1a iVm Abs 5a Satz 1 und 2 SGB V letztlich auf eine Verhaltensänderung. Die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme steht im Ermessen der Prüfgremien (vgl BT-Drucks 14/6309 S 11 Zu Nummer 4 <§ 106> Zu Buchst b), soweit die Partner der Gesamtverträge keine Bestimmungen in den Prüfungsvereinbarungen treffen. Dem Sinn und Zweck der Maßnahme dürfte am ehesten ein persönliches Beratungsgespräch gerecht werden, wie es nach den Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung in Sachsen von den Prüfgremien auch regelmäßig durchgeführt wird. Unabhängig von der Art ihrer Ausgestaltung erfolgt mit der Festsetzung einer Beratung jedenfalls eine Beurteilung des Verordnungsverhaltens des Vertragsarztes. Die Prüfgremien treffen die Feststellung, dass eine Überschreitung der Richtgrößen nicht durch Praxisbesonderheiten begründet, das Verordnungsverhalten des Vertragsarztes mithin unwirtschaftlich war. Der Vertragsarzt muss sich der Maßnahme der "Beratung" unterziehen, auch wenn diese uU nur in der Kenntnisnahme des Festsetzungsbescheides besteht. Der damit verbundene Eingriff in die durch Art 12 Abs 1 GG geschützte Berufsfreiheit begründet eine Beschwer der Klägerin.

11

Für die Zeit ab dem 1.1.2012 kommt hinzu, dass nach der Einfügung von § 106 Abs 5e SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz(vom 22.12.2011 - BGBl I 2983) die Festsetzung einer Beratung für einen vorhergehenden Prüfzeitraum Voraussetzung für die Festsetzung eines Regresses ist. Schließlich ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Beratung als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung für die rechtlichen Voraussetzungen in anderen Verfahren, etwa in einem Disziplinarverfahren oder auch einem Zulassungsentziehungsverfahren, eine Rolle spielen kann.

12

2. Rechtsgrundlage des Bescheides des Beklagten ist § 106 Abs 2 iVm Abs 5a und Abs 1a SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, die im Jahr 2006 galt). Nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfung ärztlich verordneter Leistungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumina nach § 84 und/oder anhand von Stichproben(aaO Nr 2), geprüft. Die Überschreitung der Richtgrößenvolumina löst gemäß § 84 Abs 6 Satz 4 SGB V eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 Abs 5a SGB V aus.

13

Das SG hat zu Recht entschieden, dass hier Prüfungsmaßstab die auf der Grundlage von § 84 Abs 6 SGB V getroffene Richtgrößenvereinbarung für das Jahr 2006 war. Diese war zwar entgegen § 84 Abs 6 Satz 1 SGB V nicht bis zum 15.11.2005 zustande gekommen, sondern beruhte auf einem Schiedsspruch vom 16.1.2006. Das steht jedoch der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung hier nicht entgegen, weil die Vereinbarung für das Jahr 2006 nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des SG jedenfalls für die Fachgruppe der Allgemeinmediziner höhere Werte auswies als die Vereinbarung für das Vorjahr. Sofern keine Verschlechterung eintritt, stellen die neuen Richtgrößen keinen "Eingriff" dar, und es fehlt an der Grundlage für die Annahme einer unzulässigen Rückwirkung (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 27; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 55). Dass sich für andere Fachgruppen (Gynäkologen, Psychiater und Orthopäden) die Richtgrößen zu ihren Lasten veränderten, berührt die Wirksamkeit der für die hier maßgebliche Fachgruppe vereinbarten Richtgrößen nicht.

14

3. Art und Umfang der Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten durch den Beklagten sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Ebenso wie bei der Prüfung nach Durchschnittswerten besteht auch bei einer Richtgrößenprüfung ein Beurteilungsspielraum der Prüfgremien, soweit es um die Feststellung und Bewertung von Praxisbesonderheiten geht (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36). Der Begriff der Praxisbesonderheiten ist hier nicht anders zu verstehen als im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35; Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 123 Fn 129). Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 10 RdNr 35). Regelmäßig nicht zielführend ist der Hinweis auf schwere und kostenintensive Erkrankungen, weil sich solche Fälle in jeder Praxis finden (vgl BSG SozR 4-2500 § 84 Nr 2 RdNr 38; Clemens aaO, RdNr 63).

15

Seit dem 1.1.2004 verpflichtet § 106 Abs 5a Satz 5 SGB V(idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 - BGBl I 2190) die Vertragspartner, in der Prüfungsvereinbarung Maßstäbe für die Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten zu bestimmen. In der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Prüfungsvereinbarung vom 14.4.2005 nannte die Anlage 7.1 "Indikationsgebiete zur Berücksichtigung als Praxisbesonderheiten bei Richtgrößenprüfungen". Der Beklagte hat entsprechend § 5 Abs 2 Satz 3 der Anlage 7 zur Prüfungsvereinbarung die Kosten der Arzneimittel für die in der Anlage 7.1 genannten Indikationsgebiete aus dem Verordnungsvolumen der Praxis herausgerechnet. In Abzug gebracht hat der Beklagte ferner 99,78 Euro für Imiquimod zur Behandlung des superfiziellen Basalzellkarzinoms, das nach der Anlage 1.1 Nr 29 der Prüfungsvereinbarung vom 12.12.2007 als Praxisbesonderheit zu berücksichtigen ist.

16

Weitere Praxisbesonderheiten ermittelt nach § 106 Abs 5a Satz 8 SGB V idF des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) die Prüfungsstelle auf Antrag des Arztes, auch durch Vergleich mit den Diagnosen und Verordnungen in einzelnen Anwendungsbereichen der entsprechenden Fachgruppe. Es kann offenbleiben, ob die Formulierung eine Einschränkung der Amtsermittlungspflicht impliziert (vgl dazu Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2013, K § 106 RdNr 191 f). Die Ermittlungen des Beklagten genügten unabhängig davon jedenfalls den von der Rechtsprechung hierzu allgemein entwickelten Grundsätzen. Danach sind die Prüfgremien zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17; aaO Nr 34 RdNr 18 unter Bezugnahme auf BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Den von der Klägerin als Besonderheit geltend gemachten Umständen ist der Beklagte hinreichend nachgegangen. Er hat mit Hilfe eines Diagnosevergleichs eine erhöhte Zahl von Patienten mit der Diagnose "Demenz" festgestellt und einen Mehraufwand für Antidementiva in Höhe von 7900,76 Euro berücksichtigt. Bezüglich der von der Klägerin namentlich benannten Patienten hat der Beklagte nach eingehender Überprüfung Kosten für Diätetika, ein opioidhaltiges Schmerzmittel sowie ein Arzneimittel gegen Morbus Parkinson in Höhe von insgesamt 25 043,35 Euro als Praxisbesonderheiten anerkannt. Im Übrigen hat er einen Vergleich der 30 häufigsten Diagnosen in der Fachgruppe angestellt und lediglich bei den Besuchsleistungen geringfügige Überschreitungen der Klägerin in Relation zur Fachgruppe festgestellt. Hieraus hat er beurteilungsfehlerfrei geschlossen, dass eine besondere Klientel, die einen Mehraufwand im Verordnungsbereich erforderlich mache, nicht ersichtlich sei.

17

Rechtsfehlerfrei hat der Beklagte angenommen, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht. Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen ohne Weiteres auf erhöhte Verordnungskosten schließen. Der Beklagte hat im Rahmen seiner Amtsermittlung mögliche Besonderheiten in diesem Zusammenhang - wie etwa den Mehraufwand für die Verordnungen von Antidementiva - untersucht und berücksichtigt. Er hat erhöhte Kosten für Wundbehandlungen bei Pflegebedürftigen erwogen, aber nicht feststellen können. Ein Vergleich der Diagnosehäufigkeiten mit der Fachgruppe zeigte keine signifikanten Besonderheiten. Weitere Ermittlungen von Amts wegen musste der Beklagte nicht anstellen. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Beklagte nicht verpflichtet, die Verordnungskosten für die einzelnen von der Klägerin behandelten Pflegeheimbewohner zu ermitteln. Dies dürfte ihm schon deshalb nicht möglich gewesen sein, weil ihm nach §§ 296 ff SGB V Adressen von Versicherten für die arztbezogenen Prüfungen nach § 106 Abs 2 Nr 1 SGB V regelmäßig nicht übermittelt werden(vgl dazu BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11 RdNr 29).

18

Etwaige Mehraufwendungen für die Betreuung von Pflegeheimpatienten hätte vielmehr die Klägerin konkret darlegen müssen. Die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen obliegt dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 35 RdNr 17). Es besteht insofern in der Wirtschaftlichkeitsprüfung ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 SGB X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgeht(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 40 mwN). Grundsätzlich ist es Angelegenheit des Vertragsarztes, die für ihn günstigen Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn sie allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (vgl BSG aaO mwN). Der Arzt ist gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen (BSG aaO RdNr 42).

19

Die Klägerin hat hier zwar auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen hingewiesen, aber nicht dargelegt, inwiefern der Verordnungsbedarf bei Pflegeheimbewohnern wesentlich anders sein soll als bei - typischerweise ebenfalls älteren - Rentnern, deren erhöhter Bedarf durch die besonderen Richtgrößen für diese Gruppe bereits berücksichtigt war. Abgesehen von der namentlichen Nennung von 20 Patienten, davon 17 Pflegeheimbewohnern, mit besonderem Verordnungsaufwand (insgesamt nach Angaben der Klägerin 70 802 Euro) gegenüber dem Prüfungsausschuss hat sie sich im gesamten Verfahren auf den pauschalen Hinweis auf die Betreuung von Pflegeheimbewohnern beschränkt, ohne auch nur ein konkretes Beispiel für die Notwendigkeit besonders aufwendiger Verordnungen zu nennen. Ungeachtet dessen, dass im Revisionsverfahren neuer Sachvortrag nicht berücksichtigt werden kann, § 163 SGG, bezieht sich die im Revisionsverfahren vorgelegte Liste auf Bewohner eines Seniorenheims, nicht eines Pflegeheims, und belegt lediglich das hohe Alter der Patienten. Auch insofern behauptet die Klägerin lediglich einen überdurchschnittlichen Verordnungsaufwand, ohne diesen näher zu begründen (vgl dazu BSG Beschluss vom 15.8.2012 - B 6 KA 101/11 B - RdNr 9). Anhand ihrer Behandlungsdokumentationen wäre für sie aber mit vertretbarem Aufwand nachvollziehbar gewesen, welche Verordnungen für welche Patienten aufgrund welcher Diagnosen ausgestellt wurden. Für 20 Patienten hat sie entsprechende Aufstellungen vorgelegt, die auch näher geprüft und berücksichtigt worden sind. Es ist nicht ersichtlich, dass ihr weiterer Vortrag unzumutbar gewesen wäre.

20

4. Der Beklagte hat zu Recht als Maßnahme der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Beratung festgesetzt. Beratungen der Vertragsärzte nach § 106 Abs 1a SGB V auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum verordneten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung werden nach § 106 Abs 5a Satz 1 SGB V durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen eines Arztes in einem Kalenderjahr das Richtgrößenvolumen um mehr als 15 vom Hundert übersteigt und die Prüfgremien nicht davon ausgehen, dass die Überschreitung in vollem Umfang durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Bei einer Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 vom Hundert hat der Vertragsarzt nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V nach Feststellung durch die Prüfgremien den sich daraus ergebenden Mehraufwand den Krankenkassen zu erstatten. Da nach Abzug der anerkannten Praxisbesonderheiten hier eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um 20,93 % verblieb, lagen die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Beratung vor.

21

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits, weil sie mit ihrem Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart von 27.8.2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens, auch soweit sich dieses erledigt hat.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung ihrer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Anträge.
Die Beteiligten befanden sich in einem Schiedsverfahren zum Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b Abs. 4 SGB V. Durch das Bundesversicherungsamt war Dr. E., Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht (VRiBSG) a.D., als Schiedsperson bestimmt worden. Während der mündlichen Verhandlung im Schiedsverfahren am 18.08.2010 haben die Antragstellerinnen VRiBSG a.D. Dr. E. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser hat das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen.
Am 25.08.2010 haben die Antragstellerinnen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) beantragt, 1. den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, 2. der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu fällen, 3. hilfsweise für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010 die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 27.08.2010 abgelehnt. Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 10.09.2010 Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung den Anträgen vom 25.08.2010 stattzugeben.
Am 13.09.2010 ist der Schiedsspruch ergangen.
Mit Schriftsatz vom 15.9.2010 haben die Antragstellerinnen daraufhin beantragt, 1. die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1, 4 SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen; 2. den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 1, 4, Satz 1 SGB V, VRiBSG a.D. Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären. Hierzu haben sie ausgeführt, der in erster Instanz gestellte und im Beschwerdeverfahren zunächst weiterverfolgte dortige Antrag zu 2. sowie der Hilfsantrag würden wegen des Erlasses des Schiedsspruchs nicht mehr aufrechterhalten. Zur Vermeidung von Kostennachteilen würden sie nicht zurückgenommen. Vielmehr werde der ursprünglich gestellte Antrag zu 2. für erledigt erklärt und der Antrag gestellt, die Kosten den Antragsgegnern aufzuerlegen. Die Antragsgegner haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen und beantragt, die Kosten den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
Mit Beschlüssen vom 28.9.2010 hat der Senat den Antrag der Antragstellerinnen, die aufschiebende Wirkung der noch zu erhebenden Klage gegen den Schiedsspruch vom 13.9.2010 betreffend die Festsetzung eines Vertrags zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 1, 4 SGB V einstweilen, mindestens jedoch bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache anzuordnen, vom vorliegenden Verfahren abgetrennt, weil dies im Hinblick auf die fehlende Zuständigkeit des Landessozialgerichts zweckmäßig war und ihn an das zuständige Sozialgericht Stuttgart verwiesen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.8.2010, soweit der dortige Antrag zu 1 abgelehnt wurde, aufzuheben und den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 1, 4, Satz 1 SGB V, VRiBSG a.D., Dr. E., wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären;
10 
die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragsgegnern aufzuerlegen.
11 
Die Antragsgegner beantragen,
12 
die Beschwerde zurückzuweisen und die Kosten - auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Antrags - den Antragstellerinnen aufzuerlegen.
13 
Sie halten die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
1.
15 
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerinnen ist statthaft; sie ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 SGG ausgeschlossen. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.
16 
Die Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung des im Beschwerdeverfahren weiterverfolgten Antrags, den Antrag, die Schiedsperson betreffend das Schiedsverfahren zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, für begründet zu erklären, durch den angegriffenen Beschluss des SG.
17 
Das SG hat den Antrag der Antragstellerinnen zu Recht abgelehnt. Ungeachtet der Frage, ob es eine Rechtsgrundlage für die Ablehnung einer Schiedsperson wegen der Besorgnis der Befangenheit gibt und der Vortrag der Antragstellerinnen ausreicht, um Zweifel an deren Unvoreingenommenheit zu begründen, schließt § 44a VwGO, der hier analoge Anwendung findet, die begehrte Anordnung aus. Danach können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Regelung gilt auch für Anträge nach § 86b SGG, da bereits der Wortlaut, der sich auf alle Rechtsbehelfe bezieht, weit gefasst ist und es darüber hinaus der Sinn der Vorschrift ausschließt, einen Anspruch auf eine isolierte behördliche Verfahrenshandlung im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes durchzusetzen (BVerwG, Beschluss vom 6.4.2006 - 2 VR 2/05 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Rn. 3, 4 zu § 44a), für den es kein eigenständiges Hauptsacheverfahren gibt. Denn im Eilverfahren kann kein weitergehender Rechtsschutz erlangt werden als in Klageverfahren (vgl. BVerwG Beschluss vom 21.03.1997 - 11 VR 2/97 = Buchholz 310 § 44a VwGO Nr. 7). Die Regelung schließt auch ein isoliertes Vorgehen gegen behördliche Verfahrenshandlungen im Wege der Feststellungsklage aus. Auch dies ist ohne Weiteres dem offenen Wortlaut des § 44a Satz 1 VwGO zu entnehmen (BVerwG, Beschluss vom 17.05.1989 - 5 CB 6/89 -, veröffentlicht in Juris; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O.).
18 
Der Rechtsgedanke dieser unmittelbar nur im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten geltenden Norm, das Verwaltungsverfahren nicht durch die isolierte Anfechtung von einzelnen Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren, ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb § 44a Satz 1 VwGO wiederholt herangezogen (BSG, Urteil vom 14.12.1988 - 9/4b RV 55/86 -; Urteil von 28.06.1991 - 2 RU 24/90 -, m.w.N.; Urteil vom 10.12.1992 - 11 RAr 71/91 -; Urteil vom 24.11.2004 - B 3 KR 16/03 R -; offen gelassen im Urteil vom 28.01.2009 - B 6 KA 11/08 R -, jeweils veröffentlicht in Juris).
19 
Rechtsschutz unmittelbar gegen Verfahrenshandlungen ist daher nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn anders der durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gebotene effektive Rechtsschutz nicht gewährleistet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.10.1990 - 1 BvR 1028/90 -, NJW 191, 415). Dies ist nicht hier nicht der Fall. Denn der Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung führt hier nicht zu unzumutbaren Nachteilen, die in einem späteren Prozess nicht mehr vollständig zu beseitigen sind. Solche irreparable Rechtsverletzungen können z.B. im Prüfungsverfahrensrecht eintreten im Falle der Verweigerung einer beantragten Prüfungserleichterung, wie z.B. Schreibverlängerung. Selbst in diesem Bereich ist es allerdings umstritten, ob auch die Befangenheit eines Prüfers im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltend gemacht werden kann (vgl. hierzu Zimmerling, Brehm, Der vorläufige Rechtsschutz im Prüfungsrecht, NVwZ 2004, 651 [655 f.] m.w.N.). Eine vergleichbare Situation ist hier nicht gegeben. Die Schiedsentscheidung führt zu dem Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen den Antragstellerinnen und den Antragsgegnern. Ob ein solcher aufgrund einer rechtmäßigen Schiedsentscheidung wirksam zustande gekommen ist, kann nachträglich geklärt werden. Alleine dadurch, dass der Schiedsspruch zunächst ergeht und hierdurch ggf. Rechtsverletzungen eintreten können, werden die Betroffenen nicht unzumutbar beeinträchtigt. Denn Aufgabe der Gerichtsbarkeit ist grundsätzlich nicht die Verhinderung und Verzögerung des Ergehens von Entscheidungen aufgrund von im Vorfeld erhobenen formellen oder auf den mutmaßlichen Inhalt der künftigen Entscheidung bezogenen materiellen Bedenken. Die öffentlich-rechtlichen Prozessgesetze und damit auch das Sozialgerichtsgesetz stellen vielmehr ein System nachgängigen Rechtsschutzes bereit, mit dem das Verfassungsgebot, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (Art. 19 Abs. 4 GG), erfüllt ist. Das gilt sowohl für die Klageverfahren wie für die Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. In aller Regel ist daher abzuwarten, bis die Verwaltung gehandelt hat. Danach kann Klage bei Gericht erhoben und, sofern notwendig, um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht werden.
2.
a)
20 
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Zurückweisung der Beschwerde auf § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG.
b)
21 
Soweit das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet wurde, beruht sie auf § 161 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach ist, nachdem die (Haupt-)Beteiligten übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben haben, über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung war zu berücksichtigen, dass sich der Antrag, der Schiedsperson bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, auf der Grundlage der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 einen Schiedsspruch betreffend eines Vertrages zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung gem. § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V zu fällen, bei summarischer Prüfung als unzulässig erweist.
22 
Vorbeugender Rechtsschutz ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings bedarf es eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses. Denn der sozialgerichtliche (wie der verwaltungsgerichtliche) Rechtsschutz ist grundsätzlich nachgängiger Rechtsschutz. Die rechtsprechende Gewalt ist nämlich darauf verwiesen, die Tätigkeit der Verwaltung im Nachhinein am Maßstab von Recht und Gesetz zu überprüfen. Darin besteht ihr Kontrollmandat. In das Handlungsmandat der vollziehenden Gewalt darf sie nicht eingreifen. Deshalb ist es den Gerichten grundsätzlich nicht erlaubt, der Behörde im Vorhinein den Erlass bestimmter Entscheidungen zu verbieten oder vorzuschreiben. Anderes gilt wegen des Verfassungsgebots effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auch insoweit nur dann, wenn der Verweis auf die Inanspruchnahme nachgängigen Rechtsschutzes, auch nachgängigen vorläufigen Rechtsschutzes, mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Deshalb muss ein gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse vorliegen (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 15.11.1995, - 6 RKa 17/95 -, veröffentlicht in Juris; BVerwGE 81, 329, 347). In besonderem Maße gilt das für das Begehren nach vorläufigem vorbeugendem Rechtsschutz (Beschluss des Senats vom 20.04.2006 - L 5 KR 890/06 ER-B -, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ein solches Rechtsschutzinteresse der Antragstellerinnen ist im vorliegenden Fall weder dargetan noch ersichtlich. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem oben zu 1. Ausgeführten, dass sie sich darauf verweisen lassen müssen, die vorgesehenen, auf nachträglichen - ggf. vorläufigen - Rechtsschutz gerichteten Rechtsmittel in Anspruch zu nehmen.
23 
Auch mit dem Hilfsantrag, für den Fall des Erlasses des Schiedsspruchs aufgrund der Verhandlung vom 18.08.2010, die Zwangsvollstreckung aus dem Schiedsspruch aufgrund der Schiedsverhandlung vom 18.08.2010 in Stuttgart zur Durchführung eines Vertrages betreffend der hausarztzentrierten Versorgung gemäß § 73b Abs. 4 Satz 1 SGB V bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen, hätten die Antragstellerinnen im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg haben können. Unabhängig davon, dass dieser bereits aufgrund seiner Bedingung unzulässig gewesen sein dürfte, war er gegen die Vollstreckung aus einer bis dahin noch nicht ergangenen Entscheidung gerichtet. Ein solcher vorbeugender Vollstreckungsschutz scheidet aus den oben genannten Gründen aus. Soweit der inzwischen ergangene Schiedsspruch eine sofort vollziehbare Entscheidung sein sollte, waren die Antragstellerinnen auch insoweit auf Vollstreckungsschutz nach dessen Ergehen zu verweisen,
24 
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
25 
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 4, 63 Abs. 2 und 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von EUR 5.000,00 (Auffangstreitwert) anzunehmen. Wegen der Vorläufigkeit der angestrebten einstweiligen Anordnung ist hiervon die Hälfte zu nehmen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.