Landgericht Saarbrücken Urteil, 28. März 2014 - 13 S 196/13

bei uns veröffentlicht am28.03.2014

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 5. Dezember 2013 - 120 C 105/13 (05) - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.706,39 EUR sowie 136,73 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.706,39 EUR seit dem 26. Januar 2013 und aus 136,73 EUR seit dem 20. März 2013, der Erstbeklagte ferner für die Zeit vom 19. bis zum 20. März 2013, zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 70 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 21. Oktober 2012 in einem Kreisverkehr in ... ereignete.

Der Kläger fuhr im Kreisverkehr und passierte die Einmündung der ... Straße in den Kreisverkehr. Der Erstbeklagte, dessen Pkw bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert ist, schleppte ein weiteres Fahrzeug mit einem ca. 5 m langen Abschleppseil ab und fuhr von der ... Straße her kommend in den Kreisverkehr ein. Noch bevor sich das abgeschleppte Fahrzeug vollständig im Kreisverkehr befand, kollidierte die vordere linke Ecke des klägerischen Fahrzeugs mit der hinteren linken Ecke des Beklagtenfahrzeugs. Durch den Unfall ist dem Kläger ein Schaden von 2.437,70 EUR entstanden.

Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, er sei von der ... Straße her in den Kreisverkehr eingefahren und habe sich zwischen den Einmündungen der ... und der ... Straße im Kreisverkehr befunden, als der Erstbeklagte in den Kreisverkehr eingefahren sei.

Mit der Klage hat der Kläger beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.437,70 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 209,30 EUR, jeweils nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 26. Januar 2013 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, der Kläger sei mit überhöhter Geschwindigkeit von der ... Straße aus in den Kreisverkehr eingefahren. Als der Erstbeklagte in den Kreisverkehr eingefahren sei, sei der Kläger noch nicht zu sehen gewesen.

Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat die Ermittlungsakte des Landesverwaltungsamts beigezogen, den Kläger und den Erstbeklagten informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ..., ..., ..., ... und .... Daraufhin hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.437,70 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 209,30 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. Januar 2013 zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nach den Grundsätzen über den Beweis des ersten Anscheins stehe fest, dass der Erstbeklagte die Vorfahrt des Klägers nach § 8 Abs. 1 StVO verletzt habe. Den Beklagten sei es nicht gelungen, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Es sei nicht aufklärbar, welcher der unfallbeteiligten Fahrer zuerst in den Kreisverkehr eingefahren sei. Auch sei offen, von wo der Kläger in den Kreisverkehr eingefahren sei. Es sei auch nicht erwiesen, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren wäre. Es sei nicht zu widerlegen, dass der Kläger das Abschleppseil nicht ausreichend wahrnehmen konnte und auch die Warnblinkanlage nicht bemerkte. Unter diesen Umständen trete die Betriebsgefahr auf Klägerseite vollständig zurück.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung rügen die Beklagten, das Erstgericht habe die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises zu Unrecht bejaht. Ferner beanstanden sie die Beweiswürdigung des Erstgerichts und meinen, das Erstgericht hätte es als erwiesen ansehen müssen, dass der Erstbeklagte als erster in den Kreisverkehr eingefahren sei. Schließlich rügen sie, das Erstgericht habe die Beweisangebote zur Einholung eines Sachverständigengutachtens und zur Durchführung einer Ortsbesichtigung rechtswidrig übergangen.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nur in dem tenorierten Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet, denn insoweit beruht die angegriffene Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

1. Das Erstgericht hat den Unfallhergang im Wesentlichen als unaufklärbar angesehen. Insbesondere hat es angenommen, es sei nicht mehr feststellbar, von welcher Einmündung her der Kläger in den Kreisverkehr eingefahren ist und ob sein Fahrzeug für den Erstbeklagten bereits erkennbar war, als dieser in den Kreisverkehr einfuhr. Hiergegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg.

a) In tatsächlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren, rechtlichen und tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloße subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. BGHZ 164, 330, 332 mwN.).

b) Konkrete Anhaltspunkte, die solche Zweifel begründen und eine erneute Feststellung gebieten könnten, liegen nicht vor. In seiner Beweiswürdigung hat sich das Erstgericht entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen. Dabei hat das Erstgericht nicht verkannt, dass die Unfallschilderung des Klägers nicht außer Zweifel steht. Denn die Zeugin ..., auf deren Bekundungen sich der Kläger maßgeblich zum Nachweis seiner Unfalldarstellung stützt, hat - wie auch der Kläger im Verfahren 5 C 70/13 (03) - im Detail unterschiedliche Unfalldarstellungen unterbreitet. Das Erstgericht hat diese Umstände jedoch nachvollziehbar gewürdigt und ist zu dem vertretbaren Ergebnis gekommen, dass diese Widersprüche ihren Grund nicht in einer Falschaussage haben müssen, sondern die Zeugin möglicherweise in Verkennung der Bedeutung ihrer Aussage bei der ersten polizeilichen Anhörung nicht zwischen der ersten und der zweiten Durchfahrt des Kreisverkehrs unterschieden hat. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht den Bekundungen der von den Beklagten angeführten Zeugen nicht den Vorzug eingeräumt hat. Konkrete Umstände, aufgrund derer das Erstgericht seine Überzeugung allein auf deren Bekundungen hätte stützen müssen, vermag auch die Berufung nicht aufzuzeigen. Soweit sie der Beweiswürdigung des Erstgerichts entgegenhält, die Bekundungen der Zeugen der Beklagtenseite seien glaubhaft, setzt sie lediglich - in unzulässiger Weise - ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des Amtsgerichts.

c) Entgegen dem Angriff der Berufung beruht die angefochtene Entscheidung auch nicht auf einem schweren Verfahrensfehler, weil das Erstgericht angebotene Beweismittel zur Aufklärung des Unfallhergangs übergangen hätte. Soweit die Beklagten erstinstanzlich unter Sachverständigenbeweis gestellt haben, dass die Zeugen den Kläger hätten sehen können, wenn er von der ... Straße aus in den Kreisverkehr eingefahren wäre, ist dies nicht streitig. Dies verhilft der Berufung jedoch nicht zum Erfolg, weil das Erstgericht in nachvollziehbarer Weise nicht als erwiesen angesehen hat, dass die Zeugen den Kreisverkehr im Zeitpunkt der Einfahrt des Erstbeklagten in den Kreisverkehr tatsächlich aufmerksam beobachtet und das klägerische Fahrzeug dort nicht wahrgenommen haben. Soweit die Beklagten unter Beweis gestellt haben, dass sich der Abstand beider Fahrzeuge des Gespanns auf Beklagtenseite im Falle einer abrupten Bremsung derart hätte verkleinern müssen, dass auch das abgeschleppte Fahrzeug in den Aufprall einbezogen worden wäre, kommt es auch hierauf nicht entscheidungserheblich an. Ein „abruptes“ Bremsen haben weder der Kläger noch die Zeugin ... im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, noch hat das Erstgericht eine abrupte Bremsung als erwiesen angesehen, noch ist ersichtlich, dass die Beweiswürdigung des Erstgerichts aufgrund der unter Beweis gestellten Tatsache anders hätte ausfallen müssen. Auch ist die Behauptung, dass der Erstbeklagte mit der Fahrzeugfront bereits 12 m im Kreisverkehr zurückgelegt habe, als es zur Kollision gekommen sei, und die Strecke von der Haltelinie der ... Straße bis zur Unfallstelle ebenfalls ca. 10-15 m betrage, unbestritten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche konkrete, entscheidungserhebliche Tatsache durch eine Inaugenscheinnahme der Unfallörtlichkeit hätte bewiesen werden können.

d) Das Erstgericht war unter den Umständen des vorliegenden Falles auch nicht gehalten, von Amts wegen ein Unfallrekonstruktionsgutachten einzuholen. Zwar liegen von den unfallbeteiligten Fahrzeugen und der nachkollisionären Endstellung zumindest noch auswertbare Lichtbilder vor. Danach ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich Kollisionswinkel, Kollisionsort und Kollisionsgeschwindigkeiten rekonstruieren lassen. Diese Daten mögen allenfalls Rückschlüsse auf das unmittelbar der Kollision vorausgehende Fahrverhalten zulassen. Mit ihnen kann der Beklagte jedoch nicht den Nachweis dafür führen, dass der Kläger von der ... Straße aus in den Kreisverkehr eingefahren ist, als sich der Erstbeklagte bereits im Kreisverkehr befand. Denn es verbleibt die Möglichkeit, dass der Kläger die Kollisionsstelle von der ... Straße her kommend erreicht hat, wodurch sich ein breites Spektrum vorkollisionärer Bewegungsabläufe ergibt.

2. Ausgehend hiervon hat das Erstgericht zunächst angenommen, dass sowohl der Kläger als auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Dies ist zutreffend und wird von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.

3. Im Rahmen der danach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensbeiträge hat das Erstgericht zu Lasten der Beklagten eine Vorfahrtsverletzung des Erstbeklagten in die Haftungsabwägung eingestellt. Hiergegen wendet sich die Berufung ohne Erfolg. Zwar richtet sich die Vorfahrt im vorliegenden Fall nach § 8 Abs. 1a StVO und nicht nach § 8 Abs. 1 StVO, weil sich der Unfall in einem Kreisverkehr ereignete, der mit den Zeichen 215 (Kreisverkehr) / 205 (Vorfahrt gewähren) - Nr. 2 und 8 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO - beschildert war (vgl. bezogen auf den vorliegenden Unfall bereits Hinweisbeschluss der Kammer vom 25. September 2013 - 13 S 138/13). Danach hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. In der Sache hat das Erstgericht jedoch zu Recht angenommen, dass der Beweis des ersten Anscheins vorliegend dafür spricht, dass der Erstbeklagte den Unfall durch einen Vorfahrtsverstoß verursacht hat.

a) Kommt es im Bereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 - VI ZR 119/81, VersR 1982, 903 f.; BGH, Urteil vom 18. November 1975 - VI ZR 172/74, VersR 1976, 364; BGH, Urteil vom 19. März 1964 - III ZR 177/92, VersR 1964, 639 f.; OLG München, Urteil vom 29. Juli 2011 - 10 U 1131/11, juris; KG, SVR 2011, 222; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Januar 2008 - 25 U 220/04, juris; OLG Brandenburg, OLG-Report 2009, 689; OLG München, VersR 1998, 733; OLG Köln, VersR 1992, 68; Kammerurteile vom 21. Oktober 2011 - 13 S 124/11 - und vom 18. Januar 2010 - 13 S 44/10). Das gilt zumindest, wenn sich die Kollision - wie hier - im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich ereignet hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 aaO; KG, NZV 2010, 511; vgl. zum Vorfahrtbereich auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 8 StVO Rdn. 28, mwN.). Die in der Rechtsprechung für das Abbiegen nach rechts angenommenen Ausnahmen von diesem Grundsatz betreffen nicht den Fall einer Kollision mit einem aus Sicht des Abbiegenden von links herannahenden Verkehrsteilnehmer (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1982 aaO; OLG Brandenburg aaO; OLG Köln, aaO; OLG Köln, VersR 1994, 191; noch weitergehend OLG Oldenburg, VRS 78, 25).

b) Nach gefestigter Kammerrechtsprechung gilt dies im Grundsatz auch für die Vorfahrtsverletzung im Kreisverkehr (vgl. Kammerurteil vom 13. Dezember 2013 - 13 S 122/13; Hinweisbeschluss vom 25. September 2013 - 13 S 138/13; Kammerurteil vom 10. Juni 2011 - 13 S 40/11, NJW-RR 2011, 1478; Hinweisbeschluss vom 19. Dezember 2008 - 13 S 152/08). Die Anforderungen des § 8 Abs. 1a StVO unterscheiden sich insoweit nicht qualitativ von denen der allgemeinen Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO. Die Vorfahrt des Verkehrs auf der Kreisbahn hat in § 8 Abs. 1a StVO nur deshalb eine zusätzliche Regelung erfahren, weil der Verkehr im Kreisverkehr auch ohne ausdrückliches positives Vorfahrtszeichen (Zeichen 301/306) aufgrund eines echten Vorfahrtsrechts und nicht nur als Reflex des Zeichens 205 geschützt werden sollte (vgl. Hentschel, NJW 2001, 465 f.).

aa) Freilich weist die Berufung im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins nur dann anwendbar sind, wenn ein Geschehensablauf vorliegt, bei dem sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. Dabei muss es sich um einen Tatbestand handeln, für den nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 ff.; Urteil vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, VersR 2011, 234; Urteil vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05, VersR 2007, 557, jew. mwN.). Dafür reicht allein das „Kerngeschehen“ nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 aaO; Urteil vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, VersR 1996, 772; Urteil vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, VersR 1986, 343 f.). So ist der Anscheinsbeweis nach ständiger Rechtsprechung etwa nicht anwendbar, wenn es ernsthaft möglich ist, dass der Einbiegende den auf der Vorfahrtsstraße befindlichen Verkehrsteilnehmer vor dem Beginn des Einbiegens nicht sehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 1964 aaO; OLG München, VersR 1998, 733; OLG Nürnberg, zfs 1994, 202; OLG Köln, VersR 1978, 830; OLG Stuttgart, VersR 1982, 782). Dabei müssen die Tatsachen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt, allerdings feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2013 - VI ZR 109/12, VersR 2013, 1000; BGH, Urteil vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, VersR 2006, 931, sowie die zuvor Zitierten).

bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer kollidiert, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist. Hier gilt die gleiche Lebenserfahrung wie an sonstigen Einmündungen auch. Dies ist in der Rechtsprechung unbestritten und wird auch von der Berufung nicht in Zweifel gezogen.

cc) Steht umgekehrt fest, dass der Einfahrende im Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreisverkehr gegenüber einem später einfahrenden Unfallgegner noch nicht wartepflichtig war, liegt - unabhängig von den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises - von vornherein kein Vorfahrtsverstoß vor, weil der Unfallgegner nicht vorfahrtsberechtigt war.

dd) Ist allerdings offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, so spricht der Beweis des ersten Anscheins - anders als dies in Rechtsprechung und Literatur zum Teil vertreten wird (vgl. LG Detmold, DAR 2005, 222; Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 StVO Rdn. 37b) - für einen Vorfahrtsverstoß desjenigen, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat. Denn es besteht ein Erfahrungssatz der allgemeinen Lebenserfahrung dafür, dass er gegenüber dem Unfallgegner wartepflichtig war. Dieser Erfahrungssatz hat seinen Grund darin, dass sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Einfahrt des einbiegenden Verkehrsteilnehmers ereignet, wohingegen der andere, um die Kollisionsstelle zu erreichen, zusätzlich eine gewisse Strecke zurückgelegt und den Kreisverkehr schon während einer gewissen Dauer durchfahren haben muss. Da ein Kreisverkehr wegen seiner Krümmung und der mit der Zusammenführung mehrerer Straßen verbundenen Gefahren typischerweise nur mit mäßiger Geschwindigkeit durchfahren werden kann, spricht die Lebenserfahrung dann nach den zu erwartenden Bewegungsabläufen dafür, dass der von der ersten Einmündung her einfahrende Verkehrsteilnehmer den Kreisverkehr zuerst erreicht hat.

ee) Das schließt nicht aus, dass der Anscheinsbeweis beim Vorliegen besonderer Umstände unanwendbar sein kann. So kann der Fall etwa liegen, wenn die Einmündungen, von denen aus die Unfallbeteiligten in den Kreisverkehr eingefahren sind, so eng beieinander liegen, dass der von der ersten Einmündung Einfahrende nur eine ganz geringe zusätzliche Strecke zurücklegen muss und es deshalb ernsthaft in Betracht kommt, dass er diese Strecke aufgrund einer höheren Relativgeschwindigkeit so schnell zurücklegt, dass es zur Kollision kommt, obwohl er noch nicht Teil des vorfahrtsberechtigten Verkehrs geworden war, als der Unfallgegner an der zweiten Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist. In ähnlicher Weise werden etwa auch eng beieinander liegende Einmündungen an sonstigen Straßen behandelt. So ist im Grundsatz zwar anerkannt, dass das Vorfahrtsrecht auch denjenigen schützt, der erst wenige Meter vor einer Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Straße eingefahren ist (vgl. OLG Hamm, VRS 52, 215, Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 StVO Rdn. 42). Wenn aber mehrere Einmündungen so eng beieinander liegen, dass sie gewissermaßen einen einheitlichen Einmündungsbereich bilden und sich der aus der untergeordneten Straße einmündende Verkehr im Zeitpunkt der Kollision noch nicht in den vorfahrtsberechtigten Verkehr eingeordnet hatte, besteht noch keine Vorfahrt des einen gegenüber dem anderen (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 5. Februar 1974 - VI ZR 195/72, NJW 1974, 949; OLG Köln, VersR 1992, 249; OLG Stuttgart, NZV 1994, 440; OLG Bremen, DAR 1965, 179; OLG Hamburg, VRS 29, 126; OLG Hamm, VRS 17, 77). Das kann auch im Kreisverkehr ernsthaft in Betracht kommen, wenn die Unfallbeteiligten aus eng beieinander liegenden Einmündungen in den Kreisverkehr einfahren.

ff) Ist hingegen offen, ob der Unfallgegner überhaupt von einer in unmittelbarer Nähe gelegenen Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist, verbleibt es grundsätzlich bei der Anwendung des Anscheinsbeweises. Allein der Umstand, dass zwei Straßen in unmittelbarer Nähe zueinander in den Kreisverkehr einmünden, begründet für sich allein noch nicht die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs.

gg) So liegt der Fall hier. Während die Beklagten behaupten, der Kläger sei von der ... Straße in den Kreisverkehr eingefahren, trägt der Kläger unwiderlegt vor, er sei von der ... Straße her kommend in den Kreisverkehr eingefahren und danach schon längere Zeit erkennbar im Kreisverkehr gefahren, als der Erstbeklagte in den Kreisverkehr eingefahren sei.

4. Zu Recht und zweitinstanzlich unangegriffen hat das Erstgericht es auch nicht als erwiesen angesehen, dass der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit (§ 3 Abs. 1 StVO) gefahren wäre. Die Beweisaufnahme hat hierfür - ganz abgesehen von den mit der Schätzung konkreter Geschwindigkeiten verbundenen Schwierigkeiten - keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.

5. Entgegen der angegriffenen Entscheidung hat der Kläger den Unfall jedoch durch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO mitverursacht.

a) Nach § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Danach muss ein Verkehrsteilnehmer, selbst wenn ihm die Vorfahrt zukommt, zurückstehen, wenn er erkennen kann, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer seine Vorfahrt verletzt (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2011 - VI ZR 282/10, VersR 2011, 1540; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72, VersR 1975, 37; BGH v. 27.05.1959 - 4 StR 49/59, BGHSt 13, 173).

b) Diesen Anforderungen hat der Kläger hier selbst dann nicht genügt, wenn man seinen eigenen Vortrag zugrunde legt. Nach seinen im Rahmen der informatorischen Anhörung getätigten Angaben ist davon auszugehen, dass der Kläger auf das Einfahren des Erstbeklagten in den Kreisverkehr hin zunächst nicht mit einer Bremsung reagierte. Denn nach eigenem Bekunden ging der Kläger zunächst davon aus, dass es nicht zu einer Kollision kommen werde, weil er annahm, der Erstbeklagte werde den Kreisverkehr mit zügiger Geschwindigkeit durchfahren. Unter den gegebenen Umständen wäre jedoch eine sofortige Bremsung geboten gewesen. Zwar muss der Verkehr auf einer vorfahrtsberechtigten Straße ohne konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgehen, dass es sich bei einem einbiegenden Fahrzeug um die Zugmaschine eines Gespanns handelt (vgl. KG, VRS 104, 21; OLG Köln, VersR 1980, 685). Auch muss vorliegendenfalls im Zweifel zugunsten des Klägers die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass das Gespann als solches vor dem Einfahren in den Kreisverkehr noch nicht erkennbar war, zumal das vergleichsweise lange Zugseil - soweit ersichtlich - nicht durch eine Warnfahne o. dgl. gekennzeichnet war. Jedoch hätte der Kläger hier vor der von dem Gespann ausgehenden Gefahr durch die an den Fahrzeugen des Gespanns eingeschaltete Warnblinkanlage gewarnt sein müssen. Dass die Warnblinkanlage eingeschaltet war, hat der Kläger nicht bestritten. Dann hätte er die eingeschaltete Warnblinkanlage aber - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - auch erkennen müssen, wenn er - wie von ihm angegeben - von der ... Straße aus in den Kreisverkehr einfuhr. Er hätte sich dann der Einfahrt ... Straße nur mit besonderer Vorsicht nähern dürfen und hätte, selbst wenn er noch nicht erkennen konnte, aus welchen Gründen die Warnblinkanlage eingeschaltet war, jedenfalls bei beginnendem Einfahren des Erstbeklagten sofort bremsen müssen und nicht auf eine zügige Durchfahrt vertrauen dürfen. Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt und den Unfall dadurch mitverursacht.

6. Die Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG führt vorliegendenfalls zu einer Mithaftung des Klägers von 30 %. Die Verletzung der Vorfahrt durch den Erstbeklagten stellt einen schweren Verkehrsverstoß dar. Erschwerend wirkt sich aus, dass auch die Betriebsgefahr auf Beklagtenseite durch Bildung des Gespanns nicht unerheblich erhöht war. Allerdings kommt auch dem Verkehrsverstoß des Klägers einiges Gewicht zu, weshalb die Haftungsbeiträge des Klägers nicht hinter die der Beklagtenseite zurücktreten können.

7. Danach kann der Kläger seinen - der Höhe nach unstreitigen - Schaden von 2.437,70 EUR in anteiliger Höhe von 0,70 x 2.437,70 EUR = 1.706,39 EUR zzgl. vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten hieraus nach §§ 2, 13 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG in geltend gemachter Höhe ersetzt verlangen. Ferner schulden die Beklagten Verzugszinsen nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB, aus den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten mangels Vortrags zum Verzug allerdings erst ab Rechtshängigkeit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der Frage zuzulassen, unter welchen Voraussetzungen der Beweis des ersten Anscheins für einen Verkehrsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden spricht, wenn es im Einmündungsbereich zu einer Kollision kommt. Die Rechtssache erlangt insoweit grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Voraussetzungen für die Anwendung des Anscheinsbeweises im Kreisverkehr sind in einer Vielzahl von Fällen zu beurteilen. Sie werden, wie die Entscheidung des LG Detmold zeigt, in Teilbereichen unterschiedlich beurteilt.

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(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen. (2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeich

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 3 Geschwindigkeit


(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften v

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 8 Vorfahrt


(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht, 1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine

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Landgericht Saarbrücken Urteil, 28. März 2014 - 13 S 196/13 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. März 2013 - VI ZR 109/12

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Jan. 2007 - VI ZR 248/05

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 248/05 Verkündet am: 16. Januar 2007 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 15/10 Verkündet am: 30. November 2010 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja StVG § 7 Abs. 1, § 1

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2011 - VI ZR 177/10

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 177/10 Verkündet am: 13. Dezember 2011 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Apr. 2006 - VI ZR 151/05

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 151/05 Verkündet am: 4. April 2006 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB §
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil, 20. Juni 2016 - 12 U 312/15

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Landgericht Münster Grund- und Teilurteil, 21. Dez. 2015 - 010 O 180/15

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Referenzen

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:

1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.

(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

(1) Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen.

(2) Vorschriftzeichen stehen vorbehaltlich des Satzes 2 dort, wo oder von wo an die Anordnung zu befolgen ist. Soweit die Zeichen aus Gründen der Leichtigkeit oder der Sicherheit des Verkehrs in einer bestimmten Entfernung zum Beginn der Befolgungspflicht stehen, ist die Entfernung zu dem maßgeblichen Ort auf einem Zusatzzeichen angegeben. Andere Zusatzzeichen enthalten nur allgemeine Beschränkungen der Gebote oder Verbote oder allgemeine Ausnahmen von ihnen. Die besonderen Zusatzzeichen zu den Zeichen 283, 286, 277, 290.1 und 290.2 können etwas anderes bestimmen, zum Beispiel den Geltungsbereich erweitern.

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 177/10 Verkündet am:
13. Dezember 2011
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht
anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden
Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen
nicht aufklärbar ist.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 14. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter
Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juni 2010 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 30. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um den Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens aus einem Auffahrunfall auf der linken Spur einer Autobahn. Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Daimler-Benz, der zum Unfallzeitpunkt von der Drittwiderbeklagten zu 2 gefahren wurde und bei der Drittwiderbeklagten zu 3 haftpflichtversichert ist. Der Beklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt Halter und Fahrer eines PKW Porsche 911 Carrera Cabrio, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist.
2
Am 25. Mai 2007 fuhr der PKW Porsche auf der BAB 6 auf der linken Spur auf den PKW Daimler-Benz auf, der einen LKW überholen wollte. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten haben vorgetragen, dass sich der PKW Porsche mit überhöhter Geschwindigkeit genähert habe und der mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 110 km/h fahrende PKW Daimler-Benz sich bereits 100 bis 150 m vor Erreichen des LKWs vollständig auf der linken Spur eingeordnet habe. Die Kollision habe stattgefunden, als sich der PKW Daimler-Benz auf gleicher Höhe mit dem LKW befunden habe. Nach der Darstellung der Beklagten hat der PKW Daimler-Benz, als der LKW noch mindestens 500 m von diesem entfernt gewesen sei, kurz bevor der PKW Porsche den PKW DaimlerBenz habe passieren können, völlig unerwartet und ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen auf die linke Spur gezogen.
3
Das Landgericht ist von einem Haftungsanteil der beiden Unfallbeteiligten von jeweils 50 % ausgegangen und hat den jeweils geltend gemachten Schaden insoweit in einer in den Rechtsmittelverfahren nicht mehr angegriffenen Schadenshöhe für erstattbar gehalten. Auf die nur vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht dem Kläger Schadensersatz zu 100 % zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragen die Beklagten, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat gemäß den Feststellungen des Landgerichts den Unfallverlauf als nicht im Einzelnen aufklärbar angesehen. Das Gericht habe sich weder davon überzeugen können, dass der Unfall durch einen der beiden Fahrer verschuldet noch für eine der beiden Seiten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Aus den Angaben des Sachverständigen ergebe sich nur, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das Heck des Daimler-Benz aufgeprallt und der Ausschervorgang mindestens beim Kollisionsphasenbeginn vollständig abgeschlossen gewesen sei. Die Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz habe zwischen 20 bis 30 km/h gelegen. Mangels objektiver Spuren ließen sich weder die Ausgangsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge rekonstruieren noch die zeitliche Abfolge zwischen Ausscheren und Auffahren.
5
Bei dem hier vorliegenden unmittelbar vor dem Aufprall abgeschlossenen Spurwechsel liege eine Typizität der Auffahrsituation vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden - auch hinsichtlich des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses für den Vorausfahrenden - rechtfertige.

II.

6
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises im Streitfall nicht zu Lasten der Beklagten anwendbar.
7
1. Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1959 - VI ZR 82/58, VersR 1959, 518, 519; vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, VersR 1986, 343, 344; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, VersR 1996, 772; vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05, VersR 2007, 557 Rn. 5; vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, VersR 2011, 234 Rn. 7). Demnach kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, aaO mwN). Es reicht allerdings allein das "Kerngeschehen" - hier: Auffahrunfall - als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer , zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den ge- troffenen Feststellungen ergeben (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO).
8
2. Infolgedessen ist es bei Auffahrunfällen wie dem vorliegenden (Auffahren auf der linken Spur einer Autobahn in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden) umstritten, ob es sich um eine typische Auffahrsituation mit der Folge eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden handelt oder nicht.
9
a) Das Berufungsgericht und ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten die Auffassung, dass nur die seitens des Auffahrenden bewiesene ernsthafte Möglichkeit, dass das vorausfahrende Fahrzeug in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Auffahrunfall in die Fahrbahn des Auffahrenden gewechselt sei, den grundsätzlich gegebenen Anscheinsbeweis erschüttern könne (vgl. etwa OLG Köln, r+s 2005, 127; OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814 und 2009, 636, 638; OLG Zweibrücken, SP 2009, 175 f.; KG, NJW-RR 2011, 28). Zeige das Unfallgeschehen das typische Gepräge eines Auffahrunfalls, so könne sich der Unfallgegner nicht mit der bloßen Behauptung der lediglich theoretischen Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entlasten mit der Folge, dass es Sache des Vorausfahrenden sei, den theoretisch in Betracht kommenden Unfallverlauf im Sinne einer beweisrechtlichen "Vorleistung" auszuschließen (vgl. OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814; KG, NZV 2009, 458, 459). Vielmehr müssten sich aus den unstreitigen oder bewiesenen Umständen zumindest konkrete Anhaltspunkte und Indizien für den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Fahrspurwechsel und dem Auffahrunfall ergeben, um den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern (vgl. OLG Köln, aaO). Auch nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung greift der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nur dann nicht zu Lasten des Auffahrenden ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen feststeht oder unstreitig ist, dass der Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall erfolgt ist (vgl. Burmann in Burmann /Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 4 StVO Rn. 24; Buschbell/Buschbell, Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., § 23 Rn. 284; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 StVO Rn. 35 f.; Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 27 Rn. 149).
10
b) Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint bei Auffahrunfällen auf der Autobahn bereits einen Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden und nimmt - in der Regel - eine hälftige Schadensteilung an, wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Zusammenstoß mit einem vorausfahrenden Fahrzeug nur dann das typische Gepräge eines Auffahrunfalls trage, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf zu schnelles Fahren , mangelnde Aufmerksamkeit und/oder einen unzureichenden Sicherheitsabstand des Hintermannes zulasse, wenn feststehe, dass beide Fahrzeuge so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können und es dem Auffahrenden möglich gewesen sei, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen bzw. einzuhalten (vgl. etwa OLG Schleswig, NZV 1993, 152, 153; OLG Naumburg, NJW-RR 2003, 809, 810; OLG Hamm, OLGR Hamm 2004, 82, 83; KG, DAR 2005, 157; KG, NZV 2006, 374, 375; KG, NZV 2008, 198, 199; OLG München, Urteil vom 4. September 2009 - 10 U 3291/09, juris, Rn. 21; OLG Düsseldorf, VersR 2010, 1236, 1237; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. April 2010 - 3 U 3/10, juris Rn. 14; AG Hamburg, Urteil vom 30. Oktober 2006 - 644 C 249/06, juris Rn. 30 ff.).
11
3. a) Bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ist nach Auffassung des erkennenden Senats grundsätzlich Zurückhaltung geboten, weil er es erlaubt , bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist (vgl. Lepa, NZV 1992, 129, 130; Saenger/Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 39; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 29). Deswegen kann er nach den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen nur Anwendung finden, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO). Eine solche Typizität liegt bei dem hier zu beurteilenden Geschehensablauf regelmäßig nicht vor, wenn zwar feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist und - wie hier - nach den Feststellungen des Sachverständigen sowohl die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, als auch die Möglichkeit, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist. Beide Varianten kommen wegen der bekannten Fahrweise auf den Autobahnen als mögliche Geschehensabläufe in Betracht, zumal es nach der Lebenserfahrung nicht fernliegend ist, dass es auf Autobahnen zu gefährlichen Spurwechseln kommt, bei denen die Geschwindigkeit des folgenden Fahrzeugs unterschätzt wird. Infolgedessen kann regelmäßig keine der beiden Varianten alleine als der typische Geschehensablauf angesehen werden, der zur Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten eines der Beteiligten führt.
12
b) Im Streitfall liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden rechtfertigten. Der Sachverständige hat die verschiedenen Möglichkeiten berücksichtigt und ist insbesondere auch bei Zugrundelegung dessen, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das vorausfahrende Fahrzeug aufprallte, bei Zugrundelegung der Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz von mindestens 20 km/h bis maximal 30 km/h beim Kollisionsphasenbeginn sowie der unterschiedlichen Darlegungen der Parteien zum Geschehensablauf zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Sachverhalt nicht weiter aufklären lässt und beide Möglichkeiten des Geschehensablaufs in Betracht kommen. Unter diesen Umständen hat das Landgericht anders als das Berufungsgericht zu Recht einen Anscheinsbeweis sowohl zu Lasten des Klägers als auch der Beklagten verneint. In solchen Fällen ist nicht von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Auffahrende den Unfall infolge zu hoher Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit und/oder unzureichendem Sicherheitsabstand verschuldet hat. Ebenso nahe liegt der Schluss, dass der auf die linke Spur gewechselte Fahrzeugführer gegen die hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hat und sich der auffahrende Fahrzeugführer nicht mehr auf die vorangegangene Fahrbewegung hat einstellen und den Sicherheitsabstand einhalten können.
13
4. Nach allem hat das Landgericht zu Recht sowohl einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers als auch zu Lasten der Beklagten verneint. Auf der Grundlage der Nichterweislichkeit des genauen Unfallhergangs ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine hälftige Schadensteilung vorgenommen hat. Das Berufungsurteil ist mithin aufzu- heben und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen, weil die Sache endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
14
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 30.10.2009 - 3 O 10/08 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.06.2010 - 5 U 2335/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 15/10
Verkündet am:
30. November 2010
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall beim Verlassen der Autobahn.
BGH, Urteil vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10 - LG Aachen
AG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. November 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll
und Wellner, die Richterin Diederichsen sowie den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin und der Widerbeklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 8. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin 3/5 und die Widerbeklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 2/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien machen mit Klage und Widerklage wechselseitig Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 5. November 2008 auf der Ausfahrt einer Bundesautobahn ereignet hat. Der Beklagte zu 1 befuhr mit dem Fahrzeug des Widerklägers, einem Opel Astra, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist, die Autobahn und wechselte an der Ausfahrt auf den Verzögerungsstreifen, um dort die Autobahn zu verlassen. Der Widerbeklagte zu 1 befand sich mit dem Fahrzeug der Klägerin, einem VWBus , der bei der Widerbeklagten zu 2 haftpflichtversichert ist, zunächst hinter dem Beklagten zu 1, überholte diesen jedoch im weiteren Verlauf, wobei der konkrete zeitliche Ablauf zwischen den Parteien streitig ist. In der lang gezogenen Ausfahrt bremste der Widerbeklagte zu 1 den VW-Bus dann plötzlich bis zum Stillstand ab, wobei der Beklagte zu 1 nicht mehr rechtzeitig zu reagieren vermochte und mit dem Opel Astra auf das Fahrzeug der Klägerin auffuhr. Hierdurch wurde der VW-Bus hinten rechts und der Opel Astra vorne links beschädigt. Die Klägerin und die Widerbeklagten haben behauptet, der Widerbeklagte zu 1 habe mit dem VW-Bus den Opel Astra bereits 300 m vor der Ausfahrt überholt. Der spätere Unfall habe hiermit in keinem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang gestanden. Die Beklagten und die Widerkläger haben behauptet , der Verkehrsunfall sei dadurch verursacht worden, dass der Widerbeklagte zu 1 mit dem VW-Bus, der ihn zuvor überholt habe, unvermittelt wieder auf die rechte Spur vor den vom Beklagten zu 1 geführten Opel Astra gewechselt sei.
2
Das Amtsgericht hat der Klage und der Widerklage jeweils zur Hälfte stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin und der Widerbeklagten hatte lediglich hinsichtlich des Kostenausspruchs teilweise Erfolg. Im Übrigen hat das Landgericht die Berufung zurückgewiesen. Es hat die Revision im Hinblick auf die in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittene Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze des Anscheinsbeweises bei Auffahrunfällen zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerin und die Widerbeklagten ihr Klage- bzw. Klageabweisungsbegehren weiter, soweit das Berufungsgericht zu ihrem Nachteil entschieden hat.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht hat sich gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden gesehen, welches nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den von der Beklagtenseite behaupteten Spur- wechsel für ebenso wahrscheinlich hielt, wie den von der Klägerseite behaupteten Unfallhergang. Gegen den Beklagten zu1 spreche insbesondere nicht der Beweis des ersten Anscheins. Allein das Kerngeschehen eines Heckanstoßes als solches reiche als Grundlage eines Anscheinsbeweises dann nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt seien, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprächen. Im Fall eines unstreitig oder erwiesenermaßen unmittelbar zuvor erfolgten Spurwechsels des Vorausfahrenden spreche der Beweis des ersten Anscheins nicht gegen den Auffahrenden, sondern vielmehr dafür, dass der vorausfahrende Verkehrsteilnehmer unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO die Fahrspur gewechselt habe. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte sei umstritten, ob ein (behaupteter) vorheriger Spurwechsel des Vorausfahrenden schon die Typizität des Auffahrunfalls in Frage stelle oder lediglich auf der nachfolgenden Stufe den Anscheinsbeweis erschüttere. Dabei verdiene die Auffassung den Vorzug, wonach der Vorausfahrende bei einem Fahrstreifenwechsel für die Unfallschäden mithafte, wenn er nicht vortragen und notfalls beweisen könne, dass er so lange im gleichgerichteten Verkehr spurgleich vorausgefahren sei, dass der Hintermann zum Aufbau des erforderlichen Sicherheitsabstandes in der Lage gewesen sei. Zumindest dann, wenn der Auffahrende nachvollziehbar und widerspruchsfrei darlege, dass der Vorausfahrende unmittelbar vor der Kollision die Spur gewechselt und hierdurch den Unfall verursacht habe, sei nicht mehr von einem typischen Geschehensablauf auszugehen. Andernfalls stehe derjenige, der grob verkehrswidrig die Fahrspur wechsle, prozessual besser als der Auffahrende, der in entsprechenden Fällen stets den Spurwechsel des Vorausfahrenden beweisen müsse. Das erstinstanzlich bindend festgestellte "non liquet" rechtfertige daher die angenommene hälftige Haftungsverteilung.

II.


4
Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zum Teil bei Auffahrunfällen auf der Autobahn bereits ein Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden verneint und - in der Regel - eine hälftige Schadensteilung angenommen , wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat (vgl. etwa OLG München, Urteil vom 4. September 2009 - 10 U 3291/09, juris, Rn. 21; KG, Beschluss vom 14. Mai 2007 - 12 U 195/06, NZV 2008, 198, 199 und Urteil vom 21. November 2005 - 12 U 214/04, NZV 2006, 374, 375; OLG Düsseldorf, Urteil vom 8. März 2004 - 1 U 97/03, juris, 2. Orientierungssatz, Rn. 10, 19; OLG Hamm, Urteil vom 8. Dezember 1997 - 6 U 103/97, MDR 1998, 712, 713 und OLG Celle, Urteil vom 26. November 1981 - 5 U 79/81, VersR 1982, 960 f.). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Zusammenstoß mit einem vorausfahrenden Fahrzeug nur dann das typische Gepräge eines Auffahrunfalls trage, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf zu schnelles Fahren, mangelnde Aufmerksamkeit und/oder einen unzureichenden Sicherheitsabstand des Hintermannes zulasse, wenn feststehe, dass sich das vorausfahrende Fahrzeug schon "eine gewisse Zeit" vor dem nachfolgenden PKW befunden und diesem die Möglichkeit gegeben habe, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen (vgl. etwa OLG München, Urteil vom 21. April 1989 - 10 U 3383/88, NZV 1989, 438).
6
2. Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung vertritt die Auffassung , dass nur die seitens des Auffahrenden bewiesene ernsthafte Möglichkeit , dass das vorausfahrende Fahrzeug in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auffahrunfall in die Fahrbahn des Auffahrenden gewechselt sei, den Anscheinsbeweis erschüttern könne (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Urteile vom 19. Mai 2009 - 4 U 347/08, NZV 2009, 556, 557 f. und vom 19. Juli 2005 - 9 U 290/04, MDR 2006, 329; OLG Zweibrücken, Urteil vom 30. Juli 2008 - 1 U 19/08, SP 2009, 175 und OLG Köln, Urteil vom 29. Juni 2004 - 9 U 176/03, RuS 2005, 127; ebenso wohl auch OLG Naumburg, Urteil vom 6. Juni 2008 - 10 U 72/07, NZV 2008, 618, 620; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Juni 2008 - 1 U 5/08, SP 2009, 66, 67; OLG Frankfurt, Urteil vom 2. März 2006 - 3 U 220/05, VersR 2006, 668, 669 und OLG Koblenz, Urteil vom 3. August 1992 - 12 U 798/91, NZV 1993, 28). Zeige das Unfallgeschehen das typische Gepräge eines Auffahrunfalls, so könne sich der Unfallgegner nicht mit der bloßen Behauptung der lediglich theoretischen Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entlasten mit der Folge, dass es nunmehr Sache des Vorausfahrenden sei, den theoretisch in Betracht kommenden Unfallverlauf im Sinne einer beweisrechtlichen "Vorleistung" auszuschließen (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 19. Juli 2005 - 4 U 209/04, 31/05, juris, Rn. 2; KG, Beschluss vom 9. Oktober 2008 - 12 U 168/08, NZV 2009, 458 459). Vielmehr müssen sich nach dieser Ansicht aus den unstreitigen oder bewiesenen Umständen zumindest konkrete Anhaltspunkte und Indizien für den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Fahrspurwechsel und dem Auffahrunfall ergeben, um den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern (vgl. OLG Köln, Urteil vom 29. Juni 2004 - 9 U 176/03, aaO). Auch nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung greift der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nur dann nicht zu Lasten des Auffahrenden ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen feststeht oder unstreitig ist, dass der Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall erfolgt ist (vgl. Burmann in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 4 StVO Rn. 24; Buschbell in Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., § 23 Rn. 284; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 4 StVO Rn. 18 und Zieres in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 27, Rn. 149).
7
3. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87, VersR 1989, 54, 55 an seiner bis dahin ergangenen Rechtsprechung festgehalten, dass bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen kann (vgl. etwa Senatsurteile vom 6. April 1982 - VI ZR 152/80, VersR 1982, 672 und vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86, VersR 1987, 1241). Dies setzt allerdings nach allgemeinen Grundsätzen voraus, dass ein typischer Geschehensablauf feststeht (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 m.w.N.). Hieran fehlt es im Streitfall.
8
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Widerbeklagte zu 1 nach eigenen Angaben mit dem VW-Bus den vor ihm fahrenden, vom Beklagten zu 1 geführten Opel Astra ca. 300 m vor der Ausfahrt, an der beide Unfallbeteiligten die Autobahn verlassen haben, überholt und ist danach vor diesem auf dessen Fahrspur gewechselt. Nach § 7 Abs. 5 StVO darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies setzt u. a. voraus, dass der überholte Kraftfahrer nach dem Wiedereinscheren des ihn überholenden Fahrzeuges in der Lage ist, zu diesem einen ausreichenden Sicherheitsabstand im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO aufzubauen, was im Streitfall offen geblieben ist. Ein Anscheinsbeweis spricht hierfür nicht. Steht mithin lediglich fest, dass sich der Auffahrunfall in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit einem Überholvorgang kurz vor der Ausfahrt einer Autobahn ereignet hat, an der beide Verkehrsteilnehmer die Autobahn verlassen haben, liegt eine Verkehrssituation vor, die sich von derjenigen, die den Schluss auf ein Verschulden des Auffahrenden zulässt, grundlegend unterscheidet (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1982 - VI ZR 152/80, VersR 1982, 672). Darüber hinaus lag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein Schräganstoß vor, bei dem der VW-Bus hinten rechts und der Opel Astra vorne links beschädigt wurde. In einer solchen Situation gilt nicht mehr der Erfahrungssatz, dass der Auffahrende diesen Unfall infolge zu hoher Geschwindigkeit , Unaufmerksamkeit und/oder unzureichendem Sicherheitsabstand verschuldet hat. Mindestens ebenso nahe liegt der Schluss, dass der Überholende zuvor gegen die hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen und sich im Bereich der Ausfahrt in einem so geringen Abstand vor das überholte Fahrzeug gesetzt hat, dass der Sicherheitsabstand vom Überholten nicht mehr rechtzeitig vergrößert werden konnte und beim plötzlichen Abbremsen des Überholenden nicht mehr ausreichte.
9
Nach diesen Grundsätzen ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung angenommenen Nichterweislichkeit des ge- nauen Unfallhergangs eine hälftige Schadensteilung aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
AG Aachen, Entscheidung vom 01.10.2009 - 117 C 133/09 -
LG Aachen, Entscheidung vom 08.01.2010 - 6 S 168/09 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 248/05 Verkündet am:
16. Januar 2007
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
Hat die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands den Unfall mitverursacht
, ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der
beiderseitigen Verursachungsanteile grundsätzlich gegenüber jedem Mitverursacher
zu berücksichtigen.
BGH, Urteil vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05 - LG Oldenburg
AG Vechta
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Januar 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 3. November 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 28. Juni 2004 in S.. Der Kläger befuhr mit seinem PKW die D.-Straße aus Richtung S. kommend. Vor ihm fuhr Frau H. mit ihrem PKW. Der Beklagte zu 1 kam mit seinem bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten PKW aus einer Grundstücksausfahrt. Er wollte vor dem herannahenden PKW von Frau H. nach links in die D.-Straße in Richtung S. einbiegen. Frau H. leitete eine Vollbremsung ein und lenkte ihr Fahrzeug nach links. Auf diese Weise gelang es ihr, einen Zusammenstoß mit dem PKW des Erstbeklagten zu vermeiden. Der Kläger bremste ebenfalls und versuchte nach links auszuweichen. Dabei kollidierte sein PKW mit dem von Frau H.. Den Schaden des Klägers hat die Zweitbeklagte in Höhe von 1.668,06 € ersetzt. Mit der Klage hat der Kläger Zahlung weiterer 1.668,04 € begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, den Kläger treffe an dem Unfall ein hälftiges Mitverschulden. Es spreche der Beweis des ersten Anscheins dafür , dass er den erforderlichen Mindestabstand (§ 4 StVO) zu dem vorausfahrenden Fahrzeug von Frau H. nicht eingehalten habe oder es an der gebotenen Aufmerksamkeit habe fehlen lassen. Der Berücksichtigung eines Mitverschuldens stehe entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht entgegen, dass der Schutzbereich von § 4 StVO den verkehrswidrig auf eine Straße Auffahrenden nicht umfasse. Ein Mitverschulden des Auffahrenden gegenüber dem Unfallverursacher komme vielmehr auch dann in Betracht, wenn der Vorausfahrende ohne eigenes Verschulden durch einen unter Missachtung der Vorfahrt einbiegenden oder einen den Fahrstreifen wechselnden Unfallverursacher zum Abbremsen veranlasst werde.

II.

3
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision stand.
4
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Erstbeklagte den Verkehrsunfall verschuldet hat, als er aus einer Grundstücksausfahrt in die D.-Straße einfuhr, ohne die herannahenden Fahrzeuge zu beachten. Diese Vorfahrtsverletzung veranlasste Frau H. zu dem Brems- und Ausweichmanöver, das zu der Kollision mit dem PKW des Klägers führte. Der Erstbeklagte hat damit gegen § 10 Satz 1 StVO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat sich derjenige , der aus einem Grundstück auf die Straße einfahren will, so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
5
2. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht auch an, dass der Verkehrsunfall von dem Kläger mitverursacht worden ist. Wer im Straßenverkehr auf den Vorausfahrenden auffährt, war in der Regel unaufmerksam oder zu dicht hinter ihm. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (Senatsurteile vom 6. April 1982 - VI ZR 152/80 - VersR 1982, 672; vom 23. Juni 1987 - VI ZR 188/86 - VersR 1987, 1241 und vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87 - VersR 1989, 54). Dieser wird nach allgemeinen Grundsätzen nur dadurch erschüttert , dass ein atypischer Verlauf, der die Verschuldensfrage in einem anderen Lichte erscheinen lässt, von dem Auffahrenden dargelegt und bewiesen wird (Senatsurteil vom 18. Oktober 1988 - VI ZR 223/87 - aaO). Dies kommt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats etwa dann in Betracht, wenn der Nachweis erbracht wird, dass ein Fahrzeug vorausgefahren ist, welches nach seiner Beschaffenheit geeignet war, dem Nachfahrenden die Sicht auf das Hindernis zu versperren, dieses Fahrzeug erst unmittelbar vor dem Hindernis die Fahrspur gewechselt hat und dem Nachfahrenden ein Ausweichen nicht mehr möglich oder erheblich erschwert war (Senatsurteil vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - VersR 1987, 358, 359 f.). Von einem vergleichbaren Sachverhalt kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden.
6
Der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis kann auch dann erschüttert werden, wenn der Vorausfahrende unvorhersehbar und ohne Ausschöpfung des Anhalteweges "ruckartig" - etwa infolge einer Kollision - zum Stehen gekommen und der Nachfolgende deshalb aufgefahren ist (Senatsurteil vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - aaO; vgl. Lepa, NZV 1992, 129, 132). Daran fehlt es aber, wenn das vorausfahrende Fahrzeug - wie hier der PKW von Frau H. - durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt, denn ein plötzliches scharfes Bremsen des Vorausfahrenden muss ein Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren (BGHSt 17, 223, 225; Senatsurteile vom 23. April 1968 - VI ZR 17/67 - VersR 1968, 670, 672 und vom 9. Dezember 1986 - VI ZR 138/85 - aaO, m.w.N.).
7
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht das Mitverschulden des Klägers im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile gemäß § 17 Abs. 1 StVG berücksichtigt hat.
8
a) Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87 - VersR 1988, 1238 f.; vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00 - VersR 2002, 613, 615 f.; vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 - VersR 2003, 783, 785 und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR 68/04 - VersR 2006, 369, 371, jeweils m.w.N.; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96 - NJW 2000, 217, 219 m.w.N. und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97 - NJW 2000, 280, 281 f.). Die Abwägung ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97 - VersR 1998, 474, 475 m.w.N.).
9
b) Diesen Grundsätzen wird die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung gerecht. Der Umstand, dass der Kläger nach den getroffenen Feststellungen entweder den gemäß § 4 Abs. 1 StVO erforderlichen Abstand zum vorausfahrenden PKW nicht eingehalten hat oder aber nicht aufmerksam genug war (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 StVO), hat maßgeblich zu dem Unfallgeschehen beigetragen und ist deshalb im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile zu berücksichtigen. Dem steht nicht entgegen, dass die Einhaltung des Sicherheitsabstands Auffahrunfälle vermeiden soll und der Schutz des § 4 StVO deshalb in erster Linie dem Vorausfahrenden zugute kommt. Die Einhaltung des Abstandes dient nämlich nicht allein dem Schutz des Vorausfahrenden. Die Vorschriften der StVO haben den Zweck, die Gefahren des Straßenverkehrs abzuwehren und Verkehrsunfälle zu verhindern. Die hierfür aufgestellten Regeln beruhen auf der durch Erfahrung und Überlegung gewonnenen Erkenntnis, welche typischen Gefahren der Straßenverkehr mit sich bringt und welches Verkehrsverhalten diesen Gefahren am besten begegnet. Damit besagen die Verkehrsvorschriften zugleich, dass ihre Nichteinhaltung die Gefahr eines Unfalles in den Bereich des Möglichen rückt (BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 - VersR 1975, 37). Auch § 4 Abs. 1 StVO dient der Sicherheit des Straßenverkehrs. Die Vorschrift soll nicht nur Auffahrunfälle vermeiden , sondern bezweckt auch, die Übersicht des Kraftfahrers über die Fahrbahn zu verbessern und ihm eine ausreichende Reaktionszeit zur Begegnung von Gefahren zu ermöglichen (OLG München, VersR 1968, 480). Hat die Nichteinhaltung des gebotenen Sicherheitsabstands den Unfall mitverursacht, ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 1 StVO im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision unabhängig davon, ob der andere Unfallverursacher in den Schutzbereich dieser Vorschrift einbezogen ist.
10
c) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, vorliegend sei eine hälftige Schadensteilung angemessen, weil die Verkehrsverstöße des Klägers und des Erstbeklagten in gleichem Maße den Unfall verursacht hätten, beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des konkreten Unfallgeschehens, die aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist und von der Revision auch nicht angegriffen wird.
11
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Diederichsen
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
AG Vechta, Entscheidung vom 14.06.2005 - 11 C 193/05 -
LG Oldenburg, Entscheidung vom 03.11.2005 - 9 S 458/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 109/12 Verkündet am:
26. März 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ArzneimittelG § 84; ZPO § 286 A, C, F

a) Eine die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 ArzneimittelG ausschließende Alternativursache
nach § 84 Abs. 2 Satz 3 ArzneimittelG setzt ausreichend konkrete
, den Gegebenheiten des Einzelfalles entsprechende Feststellungen dahingehend
voraus, dass sie geeignet ist, allein (oder im Zusammenwirken mit
anderen, dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer
ebenfalls nicht zuzurechnenden Ursachen) den geltend gemachten Schaden
herbeizuführen; es gilt insoweit ein entsprechender Prüfungsmaßstab, wie er
in § 84 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ArzneimittelG für die Feststellung der Schadenseignung
aufgestellt ist.
ArzneimittelG § 84a

b) Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Auskunftserteilung zur Feststellung
, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 ArzneimittelG besteht
, nicht erforderlich ist.
BGH, Urteil vom 26. März 2013 - VI ZR 109/12 - OLG Koblenz
LG Koblenz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. März 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll, die
Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. Februar 2012 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte, die in Deutschland das hier zugelassene Medikament "VIOXX" vertrieb, unter dem Gesichtspunkt der Arzneimittelhaftung in Anspruch. Er begehrt Auskunft gemäß § 84a AMG und Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das Medikament "VIOXX" wurde dem damals 70jährigen Kläger ärztlicherseits ab März 2003 wegen einer Polymyalgie rheumatica mit bestehendem Verdacht auf chronische Polyarthritis verschrieben. Der Kläger nahm das Medikament bis 2004 ein. Am Morgen des 16. Januar 2004 war ihm schwindelig. Seine linke Körperseite war taub, Arme und Beine kribbelten. Sein Hausarzt wies ihn in ein Krankenhaus ein. Unter der Diagnose eines apoplektischen Insults (Schlaganfalls), deren Richtigkeit zwischen den Parteien streitig ist, wurde der Kläger zunächst stationär und sodann längere Zeit ambu- lant behandelt. Er macht geltend, er habe am 16. Januar 2004 einen Schlaganfall erlitten. Er habe sich nur langsam erholt und leide noch heute unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Der Kläger führt den Schlaganfall auf die Einnahme des Medikaments "VIOXX" zurück, das die Beklagte nach dem Bekanntwerden möglicher Gesundheitsrisiken am 30. September 2004 vom Markt nahm.
2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der er sein Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht, dessen Urteil u.a. in PharmR 2012, 301 veröffentlicht ist, verneint einen Auskunftsanspruch gemäß § 84a AMG. Es hält die Erteilung der begehrten Auskunft für nicht erforderlich, weil Schadensersatzansprüche des Klägers bereits aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstandes zu verneinen seien, denn der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der gesundheitlichen Schädigung sei vorliegend nicht nachgewiesen. Die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG komme nicht zur Anwendung, weil nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen andere Umstände vorgelegen hätten, die geeignet gewesen seien, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG). Die Umstände selbst ergäben sich aus dem eigenen Vortrag des Klägers. Dass diese geeignet seien, für sich allein den Schaden zu verursachen, habe der Sachverständige Prof. Dr. F. dargelegt. Dies werde von der Berufung nicht angegriffen.
4
Eine Umkehr der Beweislast nach den vom Bundesgerichtshof für die Arzthaftung entwickelten Grundsätzen des "groben Behandlungsfehlers" komme in Fällen der vorliegenden Art nicht in Betracht. Das gelte auch für den Fall, dass der Beklagten vorzuwerfen sei, das Medikament nicht schon im Jahr 2002 vom Markt genommen zu haben. Auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises kämen nicht zum Tragen. Nach den mit der Berufung nicht weiter angegriffenen Feststellungen des Sachverständigen, die das Landgericht mit bindender Wirkung zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe, lasse sich der Schlaganfall des Klägers zwanglos mit den bei ihm unstreitig vorliegenden Risikofaktoren , die außerhalb der Anwendung von "VIOXX" stünden, erklären.
5
Den nach § 286 ZPO zu erbringenden Nachweis der Kausalität zwischen der Einnahme von "VIOXX" und den vorgebrachten Beschwerden habe der Kläger nicht geführt. Zwar gehe der Sachverständige davon aus, dass die Medikamenteneinnahme hierfür mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mitursächlich gewesen sei. Zweifel daran ergäben sich jedoch daraus, dass die beim Kläger unstreitig gegebenen Risikofaktoren die Schädigung in gleicher Weise erklären könnten. Der Sachverständige habe im Ausgangsgutachten wie in seinem Ergänzungsgutachten dargelegt, dass diese Risikofaktoren für sich allein geeignet gewesen seien, den erlittenen Schlaganfall herbeizuführen. Das verordnete und eingenommene Medikament habe lediglich einen weiteren Risikofaktor dargestellt.

II.

6
Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, Schadensersatzansprüche des Klägers seien deshalb zu verneinen, weil der für eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 84, 87 AMG erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments "VIOXX" und dem eingetretenen Gesundheitsschaden nicht nachgewiesen sei, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
8
a) Für das Revisionsverfahren ist aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, an die sich das Berufungsgericht ersichtlich gemäß § 529 ZPO gebunden gesehen hat, davon auszugehen, dass der Kläger, wie von ihm selbst vorgetragen, am 16. Januar 2004 einen apoplektischen Insult (Schlaganfall) erlitten hat.
9
b) Nach allgemeinen Grundsätzen trifft die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen der Anwendung des Arzneimittels und der eingetretenen Rechtsgutsverletzung den Geschädigten (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 12, 19; Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, VersR 2010, 627 Rn. 18; Handorn in Fuhrmann/Klein/Fleischfresser, Arzneimittelrecht, 2010, § 27 Rn. 71). Eine Mitursächlichkeit reicht dabei aus (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 12 mwN; OLG Brandenburg, PharmR 2011, 419, 422). Um die Schwierigkeiten des Arzneimittelanwenders beim Nachweis der Kausalität zu erleichtern, wurde mit Art. 1 Nr. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG eingeführt (vgl. BTDrucks. 14/7752, S. 19; zur Gesetzgebungsgeschichte siehe Hart, MedR 2009, 253 f.; Wagner, VersR 2001, 1334, 1335 f.). Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursa- chen, so wird nach § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG beurteilt sich die Eignung im Einzelfall nach der Zusammensetzung und der Dosierung des angewendeten Arzneimittels, nach der Art und Dauer seiner bestimmungsgemäßen Anwendung, nach dem zeitlichen Zusammenhang mit dem Schadenseintritt , nach dem Schadensbild und dem gesundheitlichen Zustand des Geschädigten im Zeitpunkt der Anwendung sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen. Diese Vermutung gilt gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG jedoch nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen.
10
c) Das Berufungsgericht lässt offen, ob das Medikament "VIOXX" geeignet war, diese gesundheitliche Schädigung herbeizuführen. Für das Revisionsverfahren ist deshalb zugunsten des Klägers zu unterstellen, dass dies der Fall ist und damit die Voraussetzungen für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG grundsätzlich gegeben sind. Nach Auffassung des Berufungsgerichts greift die Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG jedoch deshalb nicht ein, weil ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet war, den Schaden zu verursachen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nicht in einer mit dem Sinn und Zweck der maßgeblichen Gesetzesvorschriften und der Rechtsprechung des erkennenden Senats nicht in Einklang zu bringenden Weise herabgesetzt.
11
aa) Die Kausalitätsvermutung gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG stellt eine gesetzliche Vermutung im Sinne des § 292 ZPO dar (Bollweg, MedR 2012, 782, 783; MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl., § 292 Rn. 17; Vogeler, MedR 2011, 81, 83 mwN; vgl. auch Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 28/03, VersR 2004, 118, 120; Senatsbeschlüsse vom 1. Juli 2008 - VI ZR 287/07, VersR 2008, 1264 Rn. 3 und vom 26. Januar 2010 - VI ZR 72/09, juris). Sie steht nach ihrem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes in einem engen Zusammenhang zu § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG. Danach kann die Vermutung nicht nur nach § 292 ZPO durch den Beweis des Gegenteils widerlegt werden, sondern bereits unter erleichterten Voraussetzungen ausgeschlossen sein. Beide Vorschriften stellen dabei auf die Eignung zur Schadensverursachung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls ab, § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG auf die Eignung des angewendeten Arzneimittels und § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG auf die Eignung eines anderen Umstands.
12
Der im Schrifttum zum Teil vertretenen Ansicht, § 84 Abs. 2 AMG sei einheitlich zu betrachten und regele eine Beweismaßreduktion, ist das Berufungsgericht mit Recht nicht gefolgt. Nach jener Ansicht erlaubt § 84 Abs. 2 AMG die Feststellung der Ursächlichkeit des Arzneimittels, wenn es unter Würdigung sämtlicher Umstände überwiegend wahrscheinlich ist, dass die Rechtsgutsverletzung auf der Anwendung des Präparats beruht (vgl. Wagner, VersR 2001, 1334, 1339; ders., NJW 2002, 2049, 2051 mwN; Pflüger, PharmR 2003, 363, 368; siehe auch Klevemann, PharmR 2002, 393, 397; Krüger, Arzneimittelgefährdungshaftung nach § 84 AMG unter besonderer Berücksichtigung alternativer Kausalität, 2006, S. 40 ff. mwN). Dem pharmazeutischen Unternehmer bleibe es unbenommen, den Gegenbeweis zu führen, also nachzuweisen, dass das von ihm vertriebene Arzneimittel für den konkreten Schaden nicht ursächlich gewesen sei, oder die Vermutungsbasis so zu erschüttern, dass die konkrete Eignung des Arzneimittels nicht mehr bejaht werden könne (vgl. Wagner , VersR 2001, 1334, 1339).
13
Eine solche Auslegung des § 84 Abs. 2 AMG ist jedoch mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Das Gesetz unterscheidet zwischen der Kausalitätsvermutung und ihrem Ausschluss. Insoweit ähnelt § 84 Abs. 2 AMG strukturell dem Anscheinsbeweis (vgl. Voit in Festschrift Axel Sander, 2008, S. 367, 370, 377; ders. in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 37; siehe auch HK-AKM/Hart, Nr. 243 Rn. 60 [Stand: Februar 2011]; Spickhoff/Spickhoff, Medizinrecht, 2011, § 84 AMG Rn. 27; Wagner, VersR 2001, 1334, 1338). Die Vorschrift geht aber darüber hinaus, weil sie nicht auf die Typizität des Geschehensablaufs, sondern auf die Eignung zur Schadensverursachung nach den Gegebenheiten des Einzelfalls abstellt (vgl. Wagner, NJW 2002, 2049, 2051). Bereits für das Eingreifen der Kausalitätsvermutung sind zwar alle Gegebenheiten zu berücksichtigen, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG). Die gesetzliche Anordnung einer Beweismaßreduktion ist dem jedoch nicht zu entnehmen (vgl. Ehling, PatR 2007, 137, 140 f.; siehe auch Brock/Stoll in Kügel /Müller/Hofmann, AMG, 2012, § 84 Rn. 117; Melber/Moelle, StoffR 2004, 75, 80; siehe zu Risiken einer Beweislast- oder Beweismaßänderung auch BTDrucks. 13/10435, S. 15; BR-Drucks. 1012/96, S. 27 f.).
14
bb) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Begriff der Eignung zur Schadensverursachung in § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ebenso auszulegen ist wie in § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG. Die Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG sind zwar - im Unterschied zu denen des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG - von dem pharmazeutischen Unternehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19; Brock/Stoll, aaO Rn. 123, 126). Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen den Regelungen sind die für § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG geltenden Grundsätze aber auf § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG übertragbar. Es kommt auf die gleichen Maßstäbe an (vgl. Brock/Stoll, aaO Rn. 120; Prütting/Guttmann, Fachanwaltskommentar Medizin- recht, 2. Aufl., § 84 Rn. 46; Vogeler, aaO S. 85; siehe auch HK-AKM/Hart, aaO Rn. 63; ders., MedR 2009, 253, 254; Sander, Arzneimittelrecht, § 84 Erl. 16 aE [Stand: November 2007]).
15
Diese Auslegung des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG wird durch die Parallele zu der Ursachenvermutung der §§ 6, 7 des Umwelthaftungsgesetzes vom 10. Dezember 1990 (UmweltHG, BGBl. I S. 2634) bestätigt. Diesen Vorschriften ist § 84 Abs. 2 AMG nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19). Ist eine Anlage (vgl. § 1 UmweltHG mit Anhang 1) nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird nach § 6 Abs. 1 UmweltHG vermutet, dass der Schaden durch die Anlage verursacht ist. Nach § 7 UmweltHG kann die Ursachenvermutung ausgeschlossen sein, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Auch für § 7 UmweltHG gilt ein entsprechender Prüfungsmaßstab , wie er in § 6 Abs. 1 UmweltHG für die Feststellung der Schadenseignung der in Anspruch genommenen Anlage aufgestellt ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1997 - VI ZR 372/95, VersR 1997, 1247, 1249; BT-Drucks. 11/7104, S. 18; Hager in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 7 UmweltHG Rn. 1, 8 [Stand: Oktober 1996]; Staudinger/Kohler, BGB, Neubearb. 2010, § 7 UmweltHG Rn. 20; Salje in Salje/Peter, UmweltHG, 2. Aufl., § 7 Rn. 14).
16
cc) Damit kommt es für die Eignung eines anderen Umstands, den Schaden zu verursachen (§ 84 Abs. 2 Satz 3 AMG), auf die Darlegung und - im Bestreitensfall - den Nachweis der konkreten Möglichkeit der Schadensverursachung an. Nach der Gesetzesbegründung verlangt § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG mehr als die nur abstrakt-generelle Eignung des Arzneimittels, Schäden der in Rede stehenden Art hervorzurufen. Die Eignung muss auf Grund der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls festgestellt werden. Da die Darlegung und - im Bestreitensfall - der Nachweis der konkreten Möglichkeit der Schadensver- ursachung aber ausreicht, wird der Geschädigte davon befreit, den Kausalverlauf zur vollen Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 19; Bollweg, aaO S. 783 f.; Kloesel/Cyran, AMG, § 84 Anm. 39 [Stand: 2003]; Voit in Festschrift Axel Sander, 2008, S. 367, 370; allgemein zur Wirkung gesetzlicher Vermutungen MünchKommZPO/Prütting, aaO Rn. 22).
17
Eine die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG ausschließende Alternativursache nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG setzt daher ausreichend konkrete, den Gegebenheiten des Einzelfalles entsprechende Feststellungen dahingehend voraus, dass sie geeignet ist, allein (oder im Zusammenwirken mit anderen , dem in Anspruch genommenen pharmazeutischen Unternehmer ebenfalls nicht zuzurechnenden Ursachen) den geltend gemachten Schaden herbeizuführen; es gilt insoweit ein entsprechender Prüfungsmaßstab, wie er in § 84 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AMG für die Feststellung der Schadenseignung aufgestellt ist (vgl. für § 7 UmweltHG Senatsurteil vom 17. Juni 1997 - VI ZR 372/95, aaO; siehe auch Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 - VI ZR 72/09, aaO; Kloesel /Cyran, aaO Anm. 40; Vogeler, aaO). In Fällen der Anwendung weiterer Arzneimittel, die nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet sind, den Schaden zu verursachen, ist die Ausnahmeregelung des § 84 Abs. 2 Satz 4 AMG zu beachten.
18
dd) Danach hat das Berufungsgericht auf Grundlage der getroffenen Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen , die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG sei durch § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG ausgeschlossen.
19
Als andere Umstände im Sinne des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG kommen etwa der Gesundheitszustand des Geschädigten (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG; Kullmann, in Festschrift Gerda Müller, 2009, S. 253, 258; Ufer/Metzmacher, JR 2009, 95, 96), insbesondere eine sich schicksalhaft verschlechternde Grunderkrankung oder eine hinzutretende Erkrankung (vgl. Voit in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 38; siehe auch OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1382; LG Hagen, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 6 O 7/06, juris Rn. 23; für die Rechtslage vor Anwendbarkeit des § 84 Abs. 2 AMG: OLG Celle, VersR 1983, 1143, 1144; OLG Köln, OLGR 2007, 518; OLG Koblenz, OLGR 2009, 399, 400; siehe auch Melber/Moelle, aaO S. 79), oder besondere Lebensgewohnheiten des Geschädigten wie starker Alkohol- oder Zigarettenkonsum (vgl. Prütting/Guttmann, aaO; Ufer/Metzmacher, aaO) in Betracht. So kann § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG im Einzelfall eingreifen, wenn der Geschädigte Risikofaktoren für den eingetretenen Schaden aufweist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 - VI ZR 72/09, aaO; Bollweg, aaO S. 784; Brock/Stoll, aaO Rn. 120; siehe auch OLG Köln, GesR 2012, 189 f.: sehr hohes Risikoprofil).
20
Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , der Kläger leide an Polymyalgie rheumatica mit bestehendem Verdacht auf chronische Polyarthritis, an Diabetes mellitus und an einer kombinierten Hyperlipidämie mit zumindest zeitweise erhöhten Blutfettwerten. Hierbei handelt es sich um bindende tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts , die gemäß § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen in der Berufungsinstanz erbringen. Die Beweiskraft des Tatbestands kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher Darstellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt zur Richtigstellung eines etwaigen Mangels grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10, VersR 2012, 1261 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; BGH, Urteile vom 1. Dezember 2008 - II ZR 102/07, BGHZ 179, 71 Rn. 16 und vom 16. Dezember 2010 - I ZR 161/08, NJW 2011, 1513 Rn. 12 mwN).
21
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. F. festgestellt, dass diese Umstände konkret geeignet waren, für sich allein den Gesundheitsschaden des Klägers zu verursachen. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht nicht die bloße (theoretische) Möglichkeit, dass andere Faktoren als die Einnahme des Arzneimittels den Schaden mitausgelöst haben könnten, als ausreichend erachtet. Das Berufungsgericht führt zwar aus, der Begriff der Eignung stelle auf die "abstrakte" Möglichkeit der Schadenverursachung ab. Diese missverständlichen Rechtsausführungen ändern jedoch nichts daran, dass das Berufungsgericht die konkrete Möglichkeit der Schadensverursachung durch einen anderen Umstand festgestellt hat.
22
Höhere Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG sind entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 1. Juli 2008 (VI ZR 287/07, VersR 2008, 1264) abzuleiten. Darin hat der erkennende Senat das Urteil der Vorinstanz aufgehoben, weil das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft angenommen hatte , dass die Klägerin ihrer Darlegungslast zu den Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 84 AMG nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Der Senat hat unter anderem auf die Vermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG und die Eignung im Einzelfall gemäß § 84 Abs. 2 Satz 2 AMG abgestellt. Dem Beschluss ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Vorinstanzen Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG getroffen haben. Auch den von der Revision angeführten Passagen des erstinstanzlichen Urteils (LG Berlin, NJW 2007, 3582) sind keine Feststellungen dazu zu entnehmen , dass Vorerkrankungen geeignet waren, den Schaden zu verursachen.
23
ee) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 Satz 1 AMG liefe leer, wenn für ihren Ausschluss ausreiche, dass der Geschädigte einen Risikofaktor für den Schadenseintritt aufweise. Zwar trifft es zu, dass die Kausalitätsvermutung aufgrund der Ausschlussmöglichkeit nach § 84 Abs. 2 Satz 3 AMG in vielen Fällen wirkungslos bleiben dürfte (vgl. Ehling, aaO S. 143 f.; Hieke, Die Informationsrechte geschädigter Arzneimittelverbraucher , 2003, S. 256 f.; 258 f. mwN; siehe auch Deutsch, VersR 2004, 937, 940). Die geringen Anforderungen an den Ausschluss der Kausalitätsvermutung korrespondieren jedoch mit den geringen Anforderungen an ihr Eingreifen. Die Kausalitätsvermutung ginge andernfalls zu weit. Sie soll in der vorliegenden Form der besonders schwierigen Beweissituation des geschädigten Anwenders eines Arzneimittels Rechnung tragen, ohne dem pharmazeutischen Unternehmer eine Verdachtshaftung aufzuerlegen, die haftungsrechtlich weder systemkonform noch interessengerecht wäre (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 12 f., 19). Sie beruht auf einem politischen Kompromiss und sucht die zugrunde liegenden widerstreitenden Interessen auszugleichen (vgl. Bollweg, aaO S. 786; Ufer/Metzmacher, aaO; siehe auch BT-Drucks. 14/7752, S. 12 f.).
24
Entgegen der Auffassung der Revision hat dies allerdings nicht zur Folge , dass auf §§ 84 ff. AMG gestützte Schadensersatzklagen männlicher, älterer oder in irgendeiner risikobegründenden Weise vorerkrankter Personen stets aussichtlos wären. Die Beweislage des Geschädigten wird durch § 84 Abs. 2 AMG zwar gegenüber der früheren Rechtslage nur in geringem Umfang verbessert. Der Geschädigte ist durch § 84 Abs. 2 AMG aber nicht gehindert, sich auf einen Anscheinsbeweis zu berufen (vgl. Bollweg, aaO S. 784 mwN; Vogeler , aaO S. 86; siehe auch Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 - VI ZR 72/09, aaO). Als Ergänzung der Kausalitätsvermutung besteht zudem der Auskunftsanspruch nach § 84a AMG, der dem Geschädigten die Darlegung und den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen erleichtern soll. Den pharmazeutischen Unternehmer trifft außerdem die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die schädlichen Wirkungen des Arzneimittels ihre Ursache nicht im Bereich der Entwicklung und Herstellung haben (§ 84 Abs. 3 AMG, vgl. BTDrucks. 14/7752, S. 19 f.).
25
Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach der Senatsrechtsprechung an die Darlegungslast des Patienten keine überhöhten Anforderungen gestellt werden dürfen, um ein weitgehendes Leerlaufen der Vorschriften über die Haftung für Arzneimittelschäden zu vermeiden (vgl. Senatsurteil vom 19. März 1991 - VI ZR 248/90, VersR 1991, 780, 781 für § 84 AMG a.F.; Senatsbeschluss vom 1. Juli 2008 - VI ZR 287/07, aaO Rn. 3; OLG München, PharmR 2009, 352, 353; OLG München, OLGR 2009, 846, 847; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2011, 534). Für die Kausalitätsvermutung und ihren Ausschluss gemäß § 84 Abs. 2 AMG lassen sich daraus jedoch keine Rückschlüsse ziehen. Hier kommt es nicht auf die Darlegungslast an, sondern auf die vom Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung der Beweiserleichterung.
26
2. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises für den Nachweis des Ursachenzusammenhangs mit Recht abgelehnt.
27
a) Die Frage, ob der Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das Revisionsgericht (Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 16 mwN). Der Anscheinsbeweis setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, also einen bestimmten Tatbestand, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005 - VI ZR 179/04, BGHZ 163, 209, 212; vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 16 mwN und vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 378/11, WM 1023, 306 Rn. 23). Allein eine Risikoerhöhung reicht dafür nicht aus (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 - VI ZR 72/09, aaO). Im Wege des Anscheinsbeweises kann gegebenenfalls von dem eingetretenen Erfolg auf die Ursache geschlossen werden (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 2010 - VI ZR 33/09, VersR 2010, 392 Rn. 8 mwN). Der Beweis des ersten Anscheins wird durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet , nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05, VersR 2006, 931 Rn. 18 und vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 17, jeweils mwN).
28
b) Von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. Nach seinen Feststellungen lässt sich der Gesundheitsschaden des Klägers zwanglos mit den bei ihm vorliegenden Risikofaktoren erklären. Das Berufungsgericht stützt sich insoweit gemäß § 529 Abs. 1 ZPO verfahrensfehlerfrei auf die Feststellungen des Landgerichts. Die Revision legt keine konkreten Anhaltspunkte dar, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründet und deshalb eine erneute Feststellung geboten hätten. Die Ansicht der Revision, die getroffenen Feststellungen fänden in den beiden vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F. keine Stütze, trifft nicht zu. Zwar weist die Revision mit Recht darauf hin, dass die Anwendung von "VIOXX" nach Auffassung des Gutachters das Risiko eines Schlaganfalls entscheidend erhöht haben kann. Der Sachverständige hat aber auch ausgeführt, dass die beim Kläger vorhandenen Risikofaktoren genügten, um seinen Gesundheitsschaden zu erklären.
29
Die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs begegnet auch unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 16. März 2010 (VI ZR 64/09, aaO) keinen Bedenken. In jenem Fall ging es darum, ob die Einnahme des Medikaments "VIOXX" für einen Herzinfarkt ursächlich gewesen ist, den der dortige Kläger beim Schneeschaufeln erlitten hatte. Zwar hat der erkennende Senat die Annahme der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs durch das Berufungsgericht unter anderem deshalb gebilligt, weil der Sachverständige die ungewohnte körperliche Belastung als risikoerhöhend bewertet hatte (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 17). Dies bedeutet jedoch nicht, dass für die Entkräftung des Anscheinsbeweises in "VIOXX"-Fällen stets die Feststellung einer solchen körperlichen Belastung erforderlich wäre. Im Übrigen ist im Senatsurteil vom 16. März 2010 neben dem Alter des Klägers von 73 Jahren nur die körperliche Belastung als Risikofaktor genannt. Im Streitfall sind hingegen mehrere risikoerhöhende Faktoren festgestellt.
30
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen, dass das Berufungsgericht die im Arzthaftungsprozess anerkannten Grundsätze zur Beweislastumkehr bei Vorliegen eines groben Behandlungsfehlers vorliegend nicht angewendet hat.
31
a) Im Arzthaftungsprozess führt ein grober Behandlungsfehler regelmäßig zur Umkehr der Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsschaden und dem Behandlungsfehler, wenn dieser generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden zu verursachen (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 8. Januar 2008 - VI ZR 118/06, VersR 2008, 490 Rn. 11 und vom 19. Juni 2012 - VI ZR 77/11, VersR 2012, 1176 Rn. 6, jeweils mwN; vgl. nunmehr § 630h Abs. 5 BGB idF des Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten vom 20. Februar 2013, BGBl. I S. 277, 279). Die Umkehr der Beweislast im Falle eines groben Behandlungsfehlers hat ihren Grund darin, dass das Spektrum der für den Misserfolg der ärztlichen Behand- lung in Betracht kommenden Ursachen gerade wegen der elementaren Bedeutung des Fehlers in besonderem Maße verbreitert bzw. verschoben worden ist. Es entspricht deshalb der Billigkeit, die durch den Fehler in das Geschehen hineingetragene Aufklärungserschwernis nicht dem Geschädigten anzulasten (vgl. Senatsurteile vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO Rn. 18 und vom 19. Juni 2012 - VI ZR 77/11, aaO Rn. 13, jeweils mwN).
32
b) Damit ist eine Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, nicht vergleichbar. Wie der erkennende Senat entschieden hat, sind die für den Arzthaftungsprozess entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr im Produkthaftungsprozess in Fällen der Verletzung von Warnpflichten durch den Hersteller nicht anwendbar (Senatsurteil vom 12. November 1991 - VI ZR 7/91, BGHZ 116, 60, 76 f.). Für die Inanspruchnahme des Arzneimittelherstellers wegen unzureichender Informationen über die einem Medikament möglicherweise anhaftenden Risiken gilt nichts anderes (Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das der Beklagten vom Kläger angelastete Versäumnis, das Medikament "VIOXX" nicht schon im Jahr 2002 vom Markt genommen zu haben, nicht den Stellenwert eines groben Behandlungsfehlers habe, d.h. eines Fehlers, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1991 - VI ZR 7/91, aaO und vom 10. Mai 1983 - VI ZR 270/81, VersR 1983, 729, 730), steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteil vom 16. März 2010 - VI ZR 64/09, aaO) und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
33
4. Die Revision wendet sich auch erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts , ein Auskunftsanspruch des Klägers nach § 84a Abs. 1 AMG sei zur Feststellung, ob ein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 84 AMG bestehe, nicht erforderlich.
34
a) Allerdings ist der Auskunftsantrag zulässig. Der Kläger hat ihn zwar "im Wege der Stufenklage" gestellt. Als Stufenklage im Sinne des § 254 ZPO ist sein Rechtsschutzbegehren unzulässig, weil der von der Klägerin geltend gemachte Auskunftsanspruch gemäß § 84a Abs. 1 AMG nicht der näheren Bestimmung eines noch nicht hinreichend bestimmten Leistungsbegehrens dient. Die Stufenklage ist aber in eine - zulässige - Klagehäufung im Sinne des § 260 ZPO umzudeuten (vgl. Senatsurteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, BGHZ 189, 79 Rn. 7 ff.). Davon ist das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen.
35
b) Liegen Tatsachen vor, die die Annahme begründen, dass ein Arzneimittel den Schaden im Sinne des § 84 AMG verursacht hat, so kann der Geschädigte nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG von dem pharmazeutischen Unternehmer Auskunft verlangen, es sei denn, dies ist zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 besteht, nicht erforderlich. Der Auskunftsanspruch richtet sich gemäß § 84a Abs. 1 Satz 2 AMG auf dem pharmazeutischen Unternehmer bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie ihm bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können (vgl. dazu näher Klevemann, aaO S. 394; Kloesel/Cyran, aaO, § 84a AMG Anm. 5 [Stand: 2004]). Die Vorschrift des § 84a AMG ist mit Art. 1 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) eingeführt worden. Sie orientiert sich an dem Vorbild der §§ 8, 9 UmweltHG sowie des § 35 GenTG (BT-Drucks. 14/7752, S. 20). Sie ist im Streitfall nach Art. 229 § 8 Abs. 2 EGBGB anwendbar.
36
Nach der Gesetzesbegründung reicht ein geäußerter unbestimmter Verdacht nicht aus, um einen Auskunftsanspruch nach § 84a Abs. 1 AMG zu begründen , andererseits ist aber auch nicht der Vollbeweis einer Kausalität zu führen. Dem Richter wird vielmehr eine Plausibilitätsprüfung aufgetragen, ob die vorgetragenen Tatsachen den Schluss auf eine Ursache/Wirkung-Beziehung zwischen dem vom auf Auskunft in Anspruch genommenen Unternehmer hergestellten Arzneimittel und dem individuellen Schaden des auskunftsersuchenden Anwenders ergeben (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 20; siehe auch KG, GesR 2010, 207, 208; OLG Brandenburg, MedR 2010, 789, 790; OLG Köln, VersR 2011, 1397, 1399; LG Köln, PharmR 2009, 567, 568).
37
c) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen sind die notwendigen Tatsachen zur Begründung eines Auskunftsanspruchs nach § 84a Abs. 1 AMG gegeben. Das Berufungsgericht hat in Anknüpfung an die Feststellungen des Landgerichts angenommen, dass "VIOXX" den Gesundheitsschaden des Klägers mitverursacht haben kann.
38
d) Zu Recht geht das Berufungsgericht aber davon aus, dass ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen ist, weil die Auskunftserteilung zur Feststellung , ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84a Abs. 1 AMG besteht, vorliegend nicht erforderlich ist.
39
aa) Zwar beruft sich die Revision zutreffend auf das Senatsurteil vom 29. März 2011 (VI ZR 117/10, aaO). Danach verfolgt die Vorschrift des § 84a AMG im Wesentlichen folgende zwei Ziele: Zum einen bezweckt sie die prozessuale Chancengleichheit, weil der Geschädigte in aller Regel den Weg des angewandten Arzneimittels von der ersten Forschung über die Erprobung bis zu dessen konkretem Herstellungsprozess nicht überschauen kann, während die pharmazeutischen Unternehmen - insbesondere zur Frage der Vertretbarkeit ihrer Arzneimittel - den jeweiligen Erkenntnisstand dokumentiert zur Verfügung haben. Im Hinblick darauf hielt es der Gesetzgeber für angebracht, dem Geschädigten die zur Geltendmachung der ihm zustehenden Ansprüche notwen- digen Tatsachen zugänglich zu machen, um ihn in die Lage zu versetzen, im Einzelnen zu prüfen, ob ihm ein Anspruch aus Gefährdungshaftung zusteht. Zum anderen soll der Auskunftsanspruch die beweisrechtliche Stellung des Geschädigten im Arzneimittelprozess stärken. Der Geschädigte soll in die Lage versetzt werden, alle Fakten zu erlangen, die für die von ihm darzulegenden und zu beweisenden Anspruchsvoraussetzungen notwendig sind oder die er braucht, um die Kausalitätsvermutung des § 84 Abs. 2 AMG in Gang zu setzen. (Senatsurteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, aaO Rn. 9; siehe auch BTDrucks. 14/7752, S. 20).
40
bb) Die Revision beachtet jedoch nicht hinreichend, dass dem Kläger nach § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG kein Auskunftsanspruch zusteht, wenn die Auskunft zur Feststellung, ob ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 84 AMG besteht, nicht erforderlich ist.
41
Allerdings ist die Erforderlichkeit der Auskunft grundsätzlich bereits gegeben , wenn die Möglichkeit besteht, dass die begehrten Auskünfte zur Anspruchsfeststellung dienen können (vgl. Krüger, PharmR 2007, 232, 236; siehe auch BGH, Urteil vom 7. Juli 1982 - IVb ZR 738/80, NJW 1982, 2771 f.; Beschluss vom 21. April 2010 - XII ZB 128/09, NJW-RR 2010, 934 Rn. 21, jeweils zu § 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Andernfalls wären die vom Gesetzgeber mit dem Auskunftsanspruch verfolgten Ziele einer prozessualen Chancengleichheit und der beweisrechtlichen Besserstellung des Geschädigten für seinen auf § 84 AMG gestützten Schadensersatzanspruch nicht zu erreichen (vgl. zu diesen Zielen BT-Drucks. 14/7752, S. 20; Senatsurteil vom 29. März 2011 - VI ZR 117/10, aaO Rn. 9, 18). Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Erforderlichkeit trifft nach dem Wortlaut des § 84a Abs. 1 Satz 1 AMG ("es sei denn") den pharmazeutischen Unternehmer (vgl. BT-Drucks. 14/7752, S. 53 f.; BT-Drucks. 13/10766, S. 2; LG Berlin, NJW 2007, 3584, 3586; LG Köln, aaO S. 569). Sie ist damit anders geregelt als in § 8 UmweltHG und § 35 GenTG (Brock/Stoll, aaO § 84a Rn. 18).
42
Die Erforderlichkeit der Auskunft kann fehlen, wenn der pharmazeutische Unternehmer den Anspruch dem Grunde nach nicht bestreitet (vgl. Moelle in Dieners/Reese, Handbuch des Pharmarechts, 2010, § 13 Rn. 85; Paus in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 2012, § 84a AMG Rn. 6; Spickhoff/Spickhoff, aaO, § 84a AMG Rn. 3). Darüber hinaus kann sie fehlen, wenn offensichtlich ist, dass der Geschädigte keinen Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG hat, etwa die erlittene Rechtsgutverletzung unerheblich ist, der Geschädigte lediglich einen Vermögensschaden erlitten hat oder der Anspruch aus § 84 Abs. 1 AMG bereits verjährt ist (vgl. LG Köln, aaO S. 569; Prütting /Guttmann, aaO, § 84a AMG Rn. 14; Hieke, PharmR 2005, 35, 38; Kloesel /Cyran, aaO Anm. 3; Krüger, aaO; Moelle, aaO Rn. 86).
43
cc) Das Berufungsgericht hat das Bestehen eines Auskunftsanspruchs verneint, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Einnahme des Medikaments und der gesundheitlichen Schädigung nicht nachweisbar und die begehrte Auskunft deshalb nicht erforderlich sei. Diese Beurteilung lässt entgegen der Auffassung der Revision keinen Rechtsfehler erkennen, denn die vom Kläger verlangten Angaben sind nicht geeignet, den Kausalitätsnachweis zu führen. Der Kläger begehrt von der Beklagten Auskunft über ihr bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und diesbezügliche Verdachtsfälle hinsichtlich der von dem Medikament "VIOXX" ausgehenden schädlichen Wirkungen. Angaben dazu können, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, geeignet sein, den Nachweis zu ermöglichen oder zu erleichtern, dass "VIOXX" generell das Risiko kardiovaskulärer oder cerebrovaskulärer Ereignisse erhöht oder im Fall des Klägers erhöht hat. Der von dem Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch scheitert allerdings nicht etwa an dem fehlenden Nachweis der Eignung des Medikaments "VIOXX" für die eingetretene Schädigung , sondern daran, dass ebenso die beim Kläger vorhandenen Risikofaktoren für sich allein den Gesundheitsschaden herbeigeführt haben können. Da diese Möglichkeit der Schadensverursachung durch die mit dem Auskunftsverlangen begehrten Angaben der Beklagten nicht ausgeräumt werden kann, ist die begehrte Auskunft im Streitfall nicht geeignet, die beweisrechtliche Stellung des Klägers zu stärken. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , dass ein Auskunftsanspruch vorliegend mangels Erforderlichkeit der begehrten Auskunft nicht bestehe, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Koblenz, Entscheidung vom 16.02.2011 - 10 O 340/07 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 15.02.2012 - 5 U 320/11 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 151/05
Verkündet am:
4. April 2006
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Nach Explosion eines Sportboots kommt ein Anscheinsbeweis dafür, dass ein
baulicher Bestandteil des Boots objektiv mangelhaft war, nicht in Betracht,
wenn Tatsachen festgestellt sind, nach welchen die ernsthafte Möglichkeit einer
anderen Ursache für die Explosion des Boots besteht.
BGH, Urteil vom 4. April 2006 - VI ZR 151/05 - Hanseatisches OLG in Bremen
LG Bremen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2006 durch die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 20. Juni 2005 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger, Eigner der Segelyacht "Sutje", verlangt vom Beklagten, Eigner der Yacht "Goldstern", Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Sportboots.
2
Am 13. August 2003 ereignete sich auf der Yacht "Goldstern", die im Hafen des Wassersportvereins W. lag, eine Explosion mit nachfolgendem Brand, nachdem der Beklagte den Motor fünfzehn Minuten hatte laufen lassen. Dabei wurde die in unmittelbarer Nähe liegende Yacht des Klägers überwiegend durch Hitzeeinwirkung beschädigt. Die Wasserschutzpolizei kam zu dem Ermittlungsergebnis , dass aus dem voll gefüllten Kraftstofftank eines in einer Backskiste gelagerten externen Notstromaggregats Benzindämpfe oder Kraftstoff aufgrund der im Sommer 2003 herrschenden extremen Hitze ausgetreten sein müssten, wodurch sich ein Luft-Kraftstoff-Gemisch gebildet habe, das durch den laufen- den Motor so erhitzt worden sei, dass es explodierte. Sie konnte die Ursache der Explosion jedoch nicht abschließend klären, weil die Zündquelle nicht eindeutig festzustellen war.
3
Der Kläger verlangt mit seiner Klage Ersatz des an seinem Boot entstandenen Schadens in Höhe von 10.665 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die im zweiten Rechtszug geltend gemachte Klageerweiterung abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht verneint eine schuldhafte Verletzung der dem Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Ein vom Kläger behaupteter "ständiger Benzingeruch" auf dem Schiff des Beklagten, der hinreichende Anhaltspunkte für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung ergeben hätte, sei durch die Beweisaufnahme nicht erwiesen; für andere behauptete Pflichtverletzungen sei kein Beweis angeboten worden.
5
Auch dem Vortrag des Beklagten sei keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu entnehmen. Der Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass die auf dem Schiff eingebauten Tanks und/oder der Tank des Notstromaggregats zu einer Gefahr für Dritte werden könnten, weil aufgrund der außergewöhnlichen Hitze des Sommers 2003 Benzindämpfe aus ihnen austreten und sich entzünden könnten. Vielmehr habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Tanks dicht seien, solange keine entgegenstehenden Anzeichen wie Benzingeruch vorgelegen hätten.
6
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB liege beim Kläger. Eine Umkehr der Beweislast in entsprechender Anwendung des § 836 Abs. 1 BGB sei nicht angezeigt.
7
Soweit der Kläger das Bestehen eines Erfahrungssatzes dahin behauptet habe, die Explosion eines Luft-Kraftstoff-Gemisches an Bord eines Schiffes sei typischerweise auf einen Bedienungs- oder Wartungsfehler zurückzuführen, sei dies nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.

II.

8
1. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen seines Urteils die Revision wegen der Frage zugelassen hat, ob die Beweislastregel des § 836 BGB auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten bezüglich beweglicher Sachen entsprechend anwendbar sei, liegt keine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung vor. Wird eine Revision im Hinblick auf eine Rechtsfrage zugelassen, so erfasst die Zulassung den gesamten Streitgegenstand , über den das Berufungsgericht entschieden hat und für den die zur Zulassung führende Rechtsfrage von Bedeutung ist (vgl. Senatsurteile vom 25. März 2003 - VI ZR 131/02 - VersR 2003, 1441, 1442 und vom 28. März 2006 - VI ZR 50/05 - z.V.b.).
9
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand; das angefochtene Urteil stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
10
a) Es kann offen bleiben, ob entgegen der gefestigten Rechtsprechung (vgl. Senat, Urteil vom 30. Mai 1961 - VI ZR 310/56 - NJW 1961, 1670, 1672; BGH, Urteile vom 8. Juni 1961 - III ZR 66/60 - VersR 1961, 806, 808; vom 14. Juni 1976 - III ZR 81/74 - VersR 1976, 1084, 1085; vom 17. März 1983 - III ZR 116/81 - VersR 1983, 588; OLG Celle VersR 1991, 1382, 1383; OLG Stuttgart VersR 1997, 340 f.) die Beweislastverteilung des § 836 BGB auch - wie die Revision meint - auf bewegliche Sachen, insbesondere "komplexe" Anlagen wie Fahrzeuge und Schiffe, und auch für nicht auf Masseeinwirkung beruhende Schädigungen entsprechend anzuwenden wäre (allgemein für eine entsprechende Anwendung der Beweislastregel des § 836 BGB etwa Münchener Kommentar-BGB/Wagner, 4. Aufl., § 836, Rn. 4 ff.; Staudinger/Belling/ Eberl-Borges, BGB, Bearbeitung 2002, § 836, Rn. 42 ff.; Erman/Schiemann, BGB, 11. Aufl., § 836, Rn. 7; Bamberger-Roth/Spindler, BGB, § 836, Rn. 2; zweifelnd Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl., § 836, Rn. 16; ablehnend RGR-Kommentar -BGB/Kreft, 12. Aufl., § 836, Rn. 27; jurisPK-BGB/Moritz, § 836, Rn. 12).
11
b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wäre nämlich auch bei Anwendung der Beweislastregel des § 836 BGB kein Anscheinsbeweis für einen pflichtwidrigen Zustand des Boots anzunehmen und damit keine Haftung zu begründen.
12
aa) Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, dass der das Schiff selbst führende Eigner aus dem Gesichtspunkt der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB für den gefahrlosen Zustand des Schiffs verantwortlich ist (vgl. OLG Hamburg, VersR 1972, 660; Rheinschifffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 21. Dezember 1993 - 3 U 77/93 - zit. nach juris; vgl. auch Klein, VersR 1978, 197, 200). Die deliktische Haftung für eigenes Verschulden des Schiffseigners steht neben den Vorschriften des Binnenschifffahrtsgesetzes , das insoweit keine eigene Anspruchsgrundlage enthält (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Aufl., § 3 Rn. 9, § 4 Rn. 3; Klein, aaO). Eine Haftungsbegrenzung (vgl. § 4 BinSchG) ist dem Beklagten als Sportbooteigner verwehrt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG n.F., der insoweit die schon zur vorigen Gesetzeslage bestehende Rechtsanwendung kodifiziert, vgl. Vortisch/Bemm, aaO, § 4 Rn. 25; Klein, aaO).
13
Eine Haftung ohne Verschulden (Gefährdungshaftung) gibt es im Bereich der Sportboote nicht (vgl. Klein, aaO, 203); eine solche Haftung ist wegen des für die Gefährdungshaftung geltenden Enumerationsprinzips (vgl. BGH, BGHZ 54, 332, 336 f.; 55, 229, 232 f.) auch nicht in Gesetzesanalogie zum Straßenverkehrsgesetz , Luftverkehrsgesetz, Haftpflichtgesetz oder anderen gesetzlichen Regelungen zu begründen.
14
In diesem Haftungsrahmen enthält § 836 BGB - seine Anwendbarkeit unterstellt - keine eigenständige Rechtsgrundlage, sondern regelt einen lediglich hinsichtlich der Verschuldensvermutung eigens geregelten Sonderfall der Verletzung der für jedermann bestehenden und auf § 823 Abs. 1 BGB beruhenden privatrechtlichen allgemeinen Verkehrssicherungspflichten (vgl. Senatsurteile vom 30. Mai 1961 - VI ZR 310/56 - NJW 1961, 1670, 1671; vom 11. Dezember 1984 - VI ZR 218/83 - VersR 1985, 336, 337; BGH, BGHZ 55, 229, 235; Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 81/74 - WM 1976, 1056, 1057 f.).
15
(1) Bei einer Anwendung des § 836 BGB greift dessen den Geschädigten begünstigende Beweislastregel wegen vermuteten Verschuldens des Schädigers erst ein, wenn nachgewiesen ist, dass der Schaden im Organisationsund Gefahrenbereich des Schädigers durch einen objektiven Mangel oder Zustand der Verkehrswidrigkeit ausgelöst worden ist. Der Geschädigte muss damit das Vorliegen eines objektiven Fehlers, eines Schadens und die Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden darlegen und gegebenenfalls beweisen.
16
Gleiches hat der erkennende Senat für die auf der Grundlage der Beweislastverteilung des § 836 BGB entwickelten Grundsätze zur Produkthaftung ausgesprochen, welche die Literatur zum Anlass für ihre Forderungen nach einer entsprechenden Anwendung des § 836 BGB nimmt (vgl. grundlegend Senatsurteile BGHZ 51, 91, 102, 105 - "Hühnerpest" und vom 11. Juni 1996 - VI ZR 202/95 - WM 1996, 1638, 1639; Erman/Schiemann, aaO, § 836, Rn. 14; MüKo-BGB/Wagner, aaO, Rn. 14; Soergel/Krause, aaO, Rn. 29; StaudingerBelling /Eberl-Borges, aaO, § 836, Rn. 2).
17
(2) Für den Eintritt der Verschuldensvermutung des § 836 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Nachweis ausreichend, dass das Gebäude oder ein baulicher Bestandteil des Gebäudes in einem objektiv mangelhaften Zustand war. Der Beweis einer Fehlerhaftigkeit des Bauwerkes wird dem Geschädigten nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats durch einen Beweis des ersten Anscheins erleichtert, weil ordnungsgemäß errichtete und unterhaltene Bauwerke normalerweise weder einstürzen noch Teile verlieren (vgl. Senatsurteil BGHZ 58, 149, 154 f.; Soergel/Krause, aaO). Dieser Anscheinsbeweis erstreckt sich über die Fehlerhaftigkeit des Bauwerkes hinaus auch auf deren Kausalität für das schädigende Ereignis (Einsturz oder Teilablösung; vgl. Senatsurteile BGHZ 58, 149, 154 m.w.N.; vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - VersR 1994, 324, 325 m.w.N).
18
bb) Ein solcher Beweis des ersten Anscheins wird jedoch durch feststehende (erwiesene oder unstreitige) Tatsachen entkräftet, nach welchen die Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ernsthaft in Betracht kommt (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 271/92 - aaO; vom 4. März 1997 - VI ZR 51/96 - VersR 1997, 835, 836 m.w.N.; zum Anscheinsbeweis im Binnenschifffahrtsrecht vgl. bereits BGH Urteil vom 11. November 1976 - II ZR 191/74 - VersR 1977, 247, 248). Der Einstieg in die Vermu- tungsregel des § 836 BGB wird daher verhindert, wenn die ernsthafte Möglichkeit feststeht, dass das schädigende Ereignis auf einer anderen Ursache als der fehlerhaften Errichtung oder Bedienung oder der mangelhaften Unterhaltung beruht.
19
Von der ernsthaften Möglichkeit eines anderen als des typischen Geschehensablaufs ist das Berufungsgericht nach seinen tatsächlichen Feststellungen ausgegangen. Es hat nämlich dem Ermittlungsergebnis der Wasserschutzpolizei ohne Verstoß gegen § 286 ZPO entnommen, dass der Austritt von Gasen durch die länger andauernde ungewöhnliche Sommerhitze des Jahres 2003 verursacht worden sein konnte. Dass der Kläger diesen möglichen Hergang der Bildung des Luft-Gas-Gemisches bestritten und das Berufungsgericht insoweit einen Beweisantritt übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend.
20
Hinzu kommt, dass das externe Notstromaggregat, dessen Kraftstofftank als Auslöser der Explosion in Frage steht, kein baulicher Bestandteil des Boots (vgl. Senatsurteile vom 4. März 1997 - VI ZR 51/96 - aaO und vom 27. April 1999 - VI ZR 174/98 - NJW 1999, 2593, 2594; BGH, MüKo-BGB/Wagner, aaO, Rn. 14; Staudinger-Belling/Eberl-Borges, aaO, Rn. 7) war.
21
Das Berufungsgericht hat auch ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Entzündung des Luft-Gas-Gemisches infolge der damals herrschenden großen Hitze durch das Laufenlassen des Motors dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil er mit einer Undichtigkeit der Tanks nicht rechnen musste, solange keine gegenteiligen Anzeichen (wie etwa länger dauernder Benzingeruch) vorlagen. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass Benzingeruch auf dem Schiff des Beklagten nicht bewiesen sei, beanstandet die Revision nicht. Rechtsfehler sind hierzu nicht ersichtlich.
22
Da hiernach die damaligen Witterungsbedingungen als weitere mögliche Ursache der Explosion ernsthaft in Betracht kommen und die Explosion damit auf einer von Wartungs- und Bedienungsfehlern unabhängigen Verkettung von Umständen beruhen kann, spricht sie nicht, auch nicht im Wege des Anscheinsbeweises , für eine objektive Fehlerhaftigkeit der Yacht des Beklagten, die Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 836 BGB wäre. Selbst wenn man daher mit der Revision annehmen wollte, § 836 BGB sei entsprechend auf die Explosion eines Luft-Gas-Gemisches an Bord eines Schiffes anzuwenden und diese sei typischerweise auf einen Bedienungs- oder Wartungsfehler des Eigners zurückzuführen, weil sich ein solches Gemisch nicht ohne einen solchen Fehler bilde, wäre der auf einen solchen Erfahrungssatz gestützte Anschein im vorliegenden Fall wirksam erschüttert.
23
Auf die der Revisionszulassung zugrunde liegende Frage einer entsprechenden Anwendung des § 836 BGB und damit auch der Beweislastverteilung für Verschulden kommt es daher nicht an.
24
c) Aus denselben Gründen kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die Behauptung eines Satzes der Lebenserfahrung, die Explosion eines LuftKraftstoff -Gemisches an Bord eines Schiffes sei typischerweise auf einen Bedienungs - oder Wartungsfehler des Eigners zurückzuführen, nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen durfte. Auf diesen Vortrag kommt es wegen der ernsthaften Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs infolge der extremen Bedingungen im Sommer 2003 nicht an.

III.

25
Nach allem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Greiner Wellner Pauge Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 12.08.2004 - 6 O 426/04 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 20.06.2005 - 5 U 56/04 -

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. Es darf nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden kann. Auf Fahrbahnen, die so schmal sind, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, muss jedoch so langsam gefahren werden, dass mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.

(2) Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern.

(2a) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

(3) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch unter günstigsten Umständen

1.
innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h,
2.
außerhalb geschlossener Ortschaften
a)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bis 7,5 t, ausgenommen Personenkraftwagen,
bb)
Personenkraftwagen mit Anhänger,
cc)
Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t mit Anhänger sowie
dd)
Kraftomnibusse, auch mit Gepäckanhänger,
80 km/h,
b)
für
aa)
Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse über 7,5 t,
bb)
alle Kraftfahrzeuge mit Anhänger, ausgenommen Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Wohnmobile jeweils bis zu einer zulässigen Gesamtmasse von 3,5 t, sowie
cc)
Kraftomnibusse mit Fahrgästen, für die keine Sitzplätze mehr zur Verfügung stehen,
60 km/h,
c)
für Personenkraftwagen sowie für andere Kraftfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse bis 3,5 t100 km/h.Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. Sie gilt ferner nicht auf Straßen, die mindestens zwei durch Fahrstreifenbegrenzung (Zeichen 295) oder durch Leitlinien (Zeichen 340) markierte Fahrstreifen für jede Richtung haben.

(4) Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt für Kraftfahrzeuge mit Schneeketten auch unter günstigsten Umständen 50 km/h.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 282/10 Verkündet am:
20. September 2011
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Befahren der linken Fahrbahn durch den am fließenden Verkehr
teilnehmenden Fahrzeugführer beseitigt nicht die Verpflichtung des aus einem
Grundstück auf die Straße Einfahrenden, dem fließenden Verkehr den Vorrang
zu belassen und diesen nicht zu behindern.
BGH, Urteil vom 20. September 2011 - VI ZR 282/10 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter
Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten zu 2 gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 12. Oktober 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt von dem beklagten Land Ersatz von Schäden an ihrem Pkw.
2
Die Klägerin fuhr am 20. Mai 2008 gegen 11.25 Uhr mit ihrem Pkw auf der F.-Straße in M. Der Beklagte zu 1 bog mit einem VW-Bus, der bei dem Beklagten zu 2 (künftig: Beklagter) versichert ist, aus einem Behördengelände kommend nach rechts in die F.-Straße ein. In Höhe der aus der Sicht der Klägerin links gelegenen Ausfahrt kam es zu einem Zusammenstoß zwischen den beiden Fahrzeugen. Der VW-Bus berührte den Pkw der Klägerin im Bereich des linken vorderen Kotflügels. Es entstand ein Sachschaden an dem Pkw in Höhe von 6.902,02 €. Hiervon zahlte das beklagte Land 4.537,13 € unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zugunsten der Klägerin.
3
Das Landgericht hat eine Mithaftungsquote der Klägerin von 25 % angenommen und weitere 642,39 € nebst Zinsen zugesprochen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht die volle Haftung des beklagten Landes bejaht und der Klage mit Ausnahme der Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten stattgegeben. Es hat die Revision zugelassen, weil in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte unterschiedlich beurteilt werde, ob ein Verstoß eines vorfahrt- oder vorrangberechtigten Fahrers gegen das Rechtsfahrgebot beim Zusammenstoß mit einem die Vorfahrt oder den Vorrang missachtenden Fahrzeug wegen Erhöhung der Betriebsgefahr als Mitverursachungsanteil berücksichtigt werden könne. Mit der Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht führt aus, dass der Klägerin gegen das beklagte Land Schadensersatz in Höhe von 2.368,89 € gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG zustehe. Der Beklagte zu 1 habe als Bediensteter des Beklagten bei der Dienstfahrt ein öffentliches Amt ausgeübt. Dabei habe ihm die Beachtung der allgemeinen Verkehrsregeln als Amtspflicht gegenüber allen Verkehrsteilnehmern oblegen. Maßgeblich sei der Unfall dadurch verursacht worden, dass der Beklagte zu 1 bei der Ausfahrt aus dem Behördengrundstück auf die F.-Straße entgegen § 10 StVO den Vorrang der im fließenden Verkehr fahrenden Klägerin nicht beachtet habe. Der Vorrang bestehe unabhängig davon, wie weit rechts oder links die Klägerin gefahren sei. Das Verschulden des Beklagten zu 1 überwiege erheblich und lasse den Verursachungsanteil der Klägerin vollständig zurücktreten. Zwar habe die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot (§ 2 Abs. 2 StVO) verstoßen. Doch diene dieses nicht dem Schutz des von einem Grundstück auf die Straße einbiegenden Fahrzeugs, sondern nur dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, die sich in Längsrichtung auf derselben Fahrbahn bewegten. Ein Verstoß könne der Klägerin deshalb nicht als Mitverursachungsanteil zugerechnet werden. Der Senat folge nicht der Auffassung derjenigen Obergerichte, die demjenigen, der gegen das Rechtsfahrgebot verstoße, zwar ein Verschulden am Unfall nicht anlasteten, über die Erhöhung der Betriebsgefahr dann aber dem Vorfahrtsberechtigten doch einen Verursachungsanteil anrechneten.
5
Ein für die Haftungsquote erhebliches Mitverschulden der Klägerin oder Umstände, die die Betriebsgefahr des von ihr geführten Fahrzeugs erhöhen würden, seien nicht dargelegt. Für die Einholung des von den Beklagten angebotenen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die Klägerin bei Wahrung der gebotenen Sorgfalt rechtzeitig hätte bremsen bzw. ausweichen können, fehle der Vortrag konkreter Tatsachen, die diese Annahme des beklagten Landes stützen würden.

II.

6
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.
7
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 1, für dessen Haftpflicht das beklagte Land einzustehen hat, den Verkehrsunfall und den daraus entstandenen Schaden der Klägerin schuldhaft dadurch verursacht hat, dass er unter Verletzung der gemäß § 10 Satz 1 StVO geforderten Sorgfalt von dem Behördenparkplatz kommend in die F.-Straße nach rechts einbog, ohne den entgegenkommenden Pkw der Klägerin durchfahren zu lassen, die ihr Vorrecht nicht deshalb verloren hatte, weil sie über der Fahrbahnmitte fuhr (vgl. Senat, Urteil vom 13. November 1990 - VI ZR 15/90, VersR 1991, 352; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72, VersR 1975, 37, 38 f.).
8
a) § 10 Satz 1 StVO legt dem aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Fahrzeugführer gesteigerte Pflichten auf. Die Pflichten werden nicht dadurch gemindert, dass der Vorfahrtsberechtigte unter Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot die linke Straßenseite benutzt. Das Vorfahrtsrecht der auf der Straße fahrenden Fahrzeuge gegenüber einem auf eine Straße Einfahrenden gilt grundsätzlich für die gesamte Fahrbahn. Der aus einem Grundstück kommende Fahrzeugführer hat sich grundsätzlich darauf einzustellen, dass der ihm gegenüber Vorfahrtsberechtigte in diesem Sinne von seinem Recht Gebrauch macht (vgl. Senatsurteile vom 13. November 1990 - VI ZR 15/90, aaO; vom 19. Mai 1981 - VI ZR 8/80, VersR 1981, 837; vom 11. Januar 1977 - VI ZR 268/74, VersR 1977, 524, 526; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72, aaO mwN; OLG Bamberg, VersR 1987, 1137). Selbst das Befahren der linken Fahrbahn beseitigt nicht die Verpflichtung des Einfahrenden, dem fließenden Verkehr den Vorrang zu belassen und diesen nicht zu behindern (vgl. Henschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 10 StVO Rn. 18).
9
Die Verletzung des Vorfahrtsrechts durch den in die Straße Einfahrenden indiziert sein Verschulden (vgl. Senatsurteil vom 13. November 1990 - VI ZR 15/90 und BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 jeweils aaO). Wahrt der Einfahrende das Vorfahrtsrecht des fließenden Verkehrs nicht und kommt es deshalb zu einem Unfall, hat er in der Regel, wenn keine Besonderheiten vorliegen, in vollem Umfang oder doch zum größten Teil für die Unfallfolgen zu haften (Senatsurteil vom 13. November 1990 - VI ZR 15/90, aaO; OLG Karlsruhe, VersR 1977, 673; OLG Frankfurt am Main, VersR 1994, 1203, 1204 mit Nichtannahmebeschluss des erkennenden Senats vom 15. März 1994 - VI ZR 220/93 und OLG Celle, NJW-RR 2003, 1536, 1537; vgl. Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 11. Aufl. Rn. 68; Nugel, DAR 2009, 346, 350). Demgegenüber darf der sich im fließenden Verkehr bewegende Vorfahrtsberechtigte, sofern nicht Anzeichen für eine bestehende Vorfahrtsverletzung sprechen, darauf vertrauen, dass der Einbiegende sein Vorrecht beachten werde (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72, aaO).
10
b) Nach diesem im Straßenverkehr allgemein geltenden Vertrauensgrundsatz konnte die Klägerin sich grundsätzlich darauf verlassen, dass der Fahrer des VW-Busses ihr Vorfahrtsrecht beachten und sie vorbeilassen würde, ehe er in die F.-Straße einbiegen würde (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 1954 - VGS 1/54, BGHZ 14, 232, 235 f.; Senatsurteil vom 4. Oktober 1966 - VI ZR 23/65, VersR 1966, 1157; vom 20. Dezember 1966 - VI ZR 3/65, VersR 1967, 283, 284). Soweit der Klägerin der Vertrauensgrundsatz zur Seite stand, brauchte sie nicht vorherzusehen, dass ihre Fahrweise zu einem Unfall führen würde. Sie handelte mithin auch nicht fahrlässig.
11
c) Das Recht sich auf den Vertrauensgrundsatz zu berufen, hat die Klägerin nicht deshalb eingebüßt, weil sie pflichtwidrig zu weit links gefahren ist. Das Rechtsfahrgebot, gegen das die Klägerin nach den insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts verstoßen hat, soll sicherstellen, dass Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen und überholen können. Es dient also dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, die sich in Längsrichtung auf derselben Straße bewegen. Hingegen sollen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs solche Verkehrsteilnehmer nicht geschützt werden, die diese Straße überqueren oder - wie der Beklagte zu 1 - in sie einbiegen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Februar 1953 - VI ZR 70/52, BGHZ 9, 6, 11 f.; vom 15. November 1966 - VI ZR 57/65, VersR 1967, 157; BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72 aaO). Die Klägerin durfte mithin weiterhin darauf vertrauen, der Beklagte zu 1 werde ihr Vorfahrtsrecht beachten, obwohl sie gegen das Rechtsfahrgebot verstieß.
12
Der Vertrauensgrundsatz gilt zugunsten des Vorfahrtsberechtigten allerdings nicht mehr, sobald dieser aus besonderen Umständen erkennt oder bei gebotener Sorgfalt erkennen kann, dass ihm der Wartepflichtige die Vorfahrt nicht einräumen wird (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 1974 - III ZR 73/72, aaO mwN). Dabei gilt, dass der Vorfahrtsberechtigte mit der Missachtung seines Vorrechts solange nicht zu rechnen braucht, wie der Wartepflichtige noch die Möglichkeit hat, sein Fahrzeug durch eine gewöhnliche Bremsung rechtzeitig anzuhalten, so dass der Vorfahrtsberechtigte ungefährdet vor ihm vorüberfahren kann. Erst wenn diese Möglichkeit nicht mehr besteht, wird der Unfall für den Vorfahrtsberechtigten vorhersehbar und stellt sich für ihn die Frage der Vermeidbarkeit.
13
Im Streitfall war die Klägerin nicht gehalten, ihr Fahrverhalten zu verändern, sobald für sie der VW-Bus im Bereich der Ausfahrt erkennbar wurde. Es kommt mithin nicht, wie die Revision meint, darauf an, in welcher Entfernung das gegnerische Fahrzeug für die Klägerin bereits zu sehen war. Die Klägerin musste sich nicht bereits bei Erkennbarkeit des gegnerischen Fahrzeugs auf eine Vorfahrtsverletzung durch den Beklagten zu 1 einstellen. Sie durfte darauf vertrauen, dass der Beklagte zu 1 ihr Vorfahrtsrecht beachten würde. Entscheidend ist, ob die Klägerin den Unfall hätte vermeiden können, als sie erkennen musste, dass der Beklagte zu 1 ihre Vorfahrt missachten würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin sowohl eine Schrecksekunde als auch die Reaktions- und Bremsansprechzeit zugute zu halten sind. Bei einer durch die Verkehrssituation gebotenen Verringerung der zulässigen Geschwindigkeit unter das bis dahin zulässige Maß ist dem verkehrsgerecht Fahrenden bei Eintritt der kritischen Verkehrslage stets eine Reaktions- und Bremszeit zuzubilligen (vgl. Senatsurteile vom 23. April 2002 - VI ZR 180/01, VersR 2002, 911, 912 und vom 25. März 2003 - VI ZR 161/02 aaO, mwN). Tatsachenvortrag dazu, aus welchen Umständen und ab wann die Klägerin auf eine konkrete Gefahrenlage hätte schließen müssen, den das Berufungsgericht verfahrenswidrig außer Acht gelassen hätte, zeigt die Revision nicht auf.
14
2. Danach ist die vom Berufungsgericht fürden vorliegenden Einzelfall vorgenommene Haftungsverteilung rechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB oder des § 17 StVG ist grundsätzlich Sache des Tatrichters und im Revisionsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1988 - VI ZR 283/87, VersR 1988, 1238, 1239; vom 5. März 2002 - VI ZR 398/00, VersR 2002, 613, 615 f. und vom 25. März 2002 - VI ZR 161/02, VersR 2003, 783, 785, jeweils mwN; BGH, Urteile vom 20. Juli 1999 - X ZR 139/96, NJW 2000, 217, 219 und vom 14. September 1999 - X ZR 89/97, NJW 2000, 280, 281 f.). In erster Linie ist hierbei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. Senatsurteil vom 20. Januar 1998 - VI ZR 59/97, VersR 1998, 474, 475 mwN).
15
Diesen Grundsätzen folgt die Abwägung des Berufungsgerichts, ungeachtet der zu weit gefassten Zulassungsfrage. Auf die Zulassungsfrage kommt es im Streitfall nicht an.
16
Die Revision weist selbst darauf hin, dass der Beklagte zu 1 aufgrund seiner Sitzhöhe eine bessere Sichtposition als die Klägerin in ihrem Pkw hatte und offenkundig auf die Straße eingefahren ist, ohne hinreichend auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten. Unter diesen Umständen ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht aufgrund des überwiegenden Verursachungsanteils und des Verschuldens des Beklagten zu 1 die Betriebsgefahr des Pkw der vorfahrtsberechtigten Klägerin bei der gemäß § 254 BGB, § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung hat zurücktreten lassen. Erfolglos bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Beweisangebot des Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Vermeidbarkeit des Unfalls für die Klägerin nachgehen müssen (§ 286 ZPO). Wie bereits dargelegt, kommt es nicht darauf an, dass der Unfall im Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Fahrzeugs des Beklagten für die Klägerin vermeidbar gewesen wäre. Nur die Vermeidbarkeit des Unfalls bei Erkennen des verkehrswidrigen Verhaltens des Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung der Reaktions- und Bremszeit der Klägerin, wäre bei der Abwägung zu berücksichtigen. Hierzu fehlt aber der erforderliche Tatsachenvortrag.

III.

17
Nach alledem muss der Revision mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO der Erfolg versagt bleiben. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 18.11.2009 - 10 O 730/09 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 12.10.2010 - 9 U 214/09 -

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.