Landgericht München I Urteil, 06. Nov. 2015 - 3 O 241/15
Gründe
Landgericht München I
Az.: 3 O 241/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 06.11.2015
In dem Rechtsstreit
1) ...
- Klägerin
2) ...
- Kläger
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: ...
gegen
...
- Beklagte
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Forderung
erlässt das Landgericht München I - 3. Zivilkammer - durch die Richterin am Landgericht ... als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 71.580,86 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind, sondern fortbestehen.
Die Beklagte ist eine Bausparkasse.
Am 15.12.1986 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (vgl. Anlage K1) mit der Vertragsnummer ... über eine Bausparsumme in Höhe von 60.000,00 DM (entspricht 30.677,51 €). Der Bausparvertrag wies zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Guthaben in Höhe von 16.342,16 Euro aus. Grundlage des Vertrags sind die „Allgemeinen Bausparbedingungen Tarife A und B“ (im Folgenden: ABB 1, vgl. Anlage B3). Die letzte Einzahlung erfolgte am 02.03.1993.
Am 30.03.1993 schlossen die Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (vgl. Anlage K2) mit der Vertragsnummer ... über eine Bausparsumme in Höhe von 80.000,00 DM (entspricht 40.903,35 €). Der Bausparvertrag wies zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Guthaben in Höhe von 19.358,72 Euro aus. Grundlage des Vertrags sind die „Allgemeinen Bausparbedingungen Tarif Classic“ (im Folgenden: ABB 2, vgl. Anlage B5). Die letzte Einzahlung erfolgte am 02.03.2000.
In § 9 ABB1 bzw. § 9 ABB2 ist bestimmt:
„(1) Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. (...)“
Die Kläger kamen ihren vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere zur Zahlung, immer fristgerecht nach. Seit der letzten Einzahlung erhöhte sich das Bausparguthaben jeweils nur noch durch die angefallenen Zinsen und die Wohnungsbauprämie. Ein Bauspardarlehen beantragten die Kläger nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K4 und K5) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Beide Bausparverträge waren jedenfalls seit 31.12.2003 zuteilungsreif. Die Klagepartei wendet Verwirkung ein.
Die Kläger sind der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam. Ein Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB bestehe erst, wenn die Bausparsumme vollständig erreicht sei. Zudem stehe der Kündigung die Regelung des § 9 ABB1 bzw. § 9 ABB2 entgegen. Schließlich greife auch § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht, da die Anwendung der Vorschrift auf die Beklagte als Unternehmerin fraglich sei und jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzung des vollständigen Empfangs des Darlehens durch die Beklagte fehle. Überdies sei der Bausparvertrag eine Vertragsgestaltung eigener Art, welcher vom Darlehensvertrag zu unterscheiden sei.
Die Kläger beantragen:
Es wird festgestellt, dass die bei der Beklagten bestehenden Bausparverträge Nr. ... und Nr. ... über den 29.05.2015 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehen.
Die Beklagte beantragt:
Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Vorschriften über den Darlehensvertrag anwendbar sind. Die Kläger würden den Bausparvertrag seit der letzten Einzahlung als Geldanlage nutzen, was außerhalb des spezifischen Vertragszwecks liege. Bei Einzahlung der Regelsparbeträge wäre schon Vollansparung und damit der Kündigungsgrund des § 488 Abs. 3 BGB eingetreten.
Jedenfalls sei sie nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung berechtigt gewesen, weil die Bausparverträge seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien und dies dem vollständigen Empfangs des Darlehens gleichstehe, da damit der vertraglich angestrebte Sollzustand erreicht sei. Die Regelung sei zudem auf alle Darlehensnehmer anwendbar und aufgrund der Regelung in § 489 Abs. 4 S. 1 BGB nicht dispositiv.
Verwirkung liege nicht vor, da die Beklagte erst 10 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht habe.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klageanträge sind unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
Die Vorschrift gilt auch für Bausparverträge. Ein Bausparvertrag ist ein einheitlicher Darlehensvertrag, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11 LG Aachen, Urteil vom 19.05.2015, 10 O 404/14, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Es handelt sich daher um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.11.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Damit ist der Bausparvertrag auch bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren (LG Mainz, Urteil vom 28.07.2014, 5 O 1/14, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen (vgl. auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15)
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Die Formulierung „Darlehensnehmer“ enthält zunächst in personeller Hinsicht keinerlei Einschränkung. Zudem ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Auch befindet sich § 489 BGB nach der Gesetzessystematik im für Darlehensnehmer und Darlehensverträge aller Art geltenden Abschnitt „Kapitel 1 Allgemeine Vorschriften“. Das folgende „Kapitel 2 Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“ beinhaltet die §§ 491 BGB. Bereits aus den Überschriften ergibt sich, dass die §§ 488 bis 490 als allgemeine Vorschriften auf sämtliche Darlehensverträge Anwendung finden. Im Kapitel 2 befindet sich in § 500 BGB ein spezielles Kündigungsrecht für bestimmte Verbraucherdarlehensverträge. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass § 489 Abs. 1 Nr. 2, der nicht an die Verbrauchereigenschaft anknüpft, auch für andere Darlehensnehmer anwendbar sein soll. Zudem hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass § 489 für alle Darlehensnehmer anwendbar ist, lediglich § 500 BGB ausschließlich für Verbraucher (vgl. BT-Drucksache 16/11642, S. 74 f.). Dass Darlehensnehmer nicht nur ein Verbraucher sein kann, ergibt sich auch im Umkehrschluss aus § 489 Abs. 4 S. 2 BGB, wonach das Kündigungsrecht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, usw. abweichend von S. 1 durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden kann.
Der Verweis auf § 609a BGB a. F. führt vorliegend auch nicht weiter, da zum Einen der jetzige Wortlaut in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB („in jedem Fall“) keine Einschränkung vornimmt und eine solche auch nicht unter Verweis auf § 609a BGB a. F. unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien vorgenommen werden kann. So lässt sich der BT-Ds 10/4741 entnehmen, dass im Falle eines einseitigen Zinsbestimmungsrechts bzw. einem Darlehen mit variablem Zinssatz das Kündigungsrecht als Gegengewicht ausgestaltet werden sollte, was gerade im vorliegenden Fall, mit festem Zinssatz und der Regelung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, nicht gegeben ist.
Schließlich spricht auch die teleologische Auslegung dafür, den Anwendungsbereich nicht auf Verbraucher zu beschränken. Sinn und Zweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist, den Darlehensnehmer bei einem festverzinslichen Darlehen vor einer mehr als zehn Jahre andauernden vertraglichen Bindung an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz zu bewahren (LG Aachen, Urteil vom 15.05.2015, 10 O 404/14 LG Hannover, Urteil vom 13.07.2015, 14 O 93/15 LG Hannover, Urteil vom 30.06.2015, 14 O 55/15, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Dieser Schutzzweck gilt für jeden Darlehensnehmer, nicht nur für einen Verbraucher. Selbst wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich die vorliegende Konstellation im Auge hatte, wonach beim Bausparvertrag zunächst der Bausparer in der Ansparphase der Darlehensgeber und die Bausparkasse die Darlehensnehmerin ist, ist die Vorschrift nach ihrem Schutzzweck auch hierauf anwendbar. Der Schutzzweck des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt in besonderem Maße für Bausparkassen, weil ihre Guthabenszinssätze noch unter den marktgerechten Zinssätzen liegen (müssen), um das Ziel zinsgünstiger Bauspardarlehen erreichen zu können (LG Hannover, Urteil vom 13.07.2015, 14 O 93/15, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Gerade bei Bausparverträgen, die oft mehrere Jahrzehnte bespart werden, kommt es bei einer wirtschaftlichen Veränderung, wie sie eingetreten ist, wonach der Kapitalzins sehr stark fällt, zu einer langjährigen vertraglichen Bindung der Bausparkasse an einen nicht mehr zeitgemäßen Zinssatz. Das Zinsänderungsrisiko würde ohne Kündigungsmöglichkeit der Bausparkasse einseitig auf diese verlagert. Dies trifft die Bausparkassen, die nur zweckgebunden für wohnungswirtschaftliche Maßnahmen Darlehensvertragspartei sind, besonders hart (LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).
Zudem sichert beim Bausparvertrag die Verknüpfung der Unkündbarkeit des Bausparvertrags mit der Gewährung eines Bauspardarlehens die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). So kann sich der Bausparer eine niedrige Darlehensverzinsung mit einer niedrigeren Guthabenverzinsung in der Ansparphase sichern, umgekehrt rechtfertigt eine höhere Guthabenverzinsung in der Ansparphase einen höheren Darlehenszins der Bausparkasse. Würde der Bausparvertrag auch nach Erreichen der Bausparsumme für die Bausparkasse unkündbar bleiben, könnten die Bausparer eine attraktive höhere Verzinsung erhalten, ohne dass sie in der Form von höheren Darlehenszinsen eine entsprechende Gegenleistung zu erbringen hätten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Zweck des Bausparvertrags ist aber nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, so dass ein Bausparvertrag nach Erreichen der Bausparsumme von der Bausparkasse gemäß § 488 Abs. 3 BGB ordentlich gekündigt werden kann (OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15). Die eben erwähnte Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung ist auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Bausparvertrag zuteilungsreif ist, das Bauspardarlehen aber tatsächlich nicht in Anspruch genommen wird, nicht mehr gegeben. Wenn der Bausparer trotz Zuteilungsreife gar nicht beabsichtigt, ein Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, ist das wechselseitige Verhältnis zwischen der Ansparphase und der Darlehensphase bereits zu dem Zeitpunkt de facto aufgehoben und eine Kündigungsmöglichkeit für die Bausparkasse gerechtfertigt. Zudem wird die Zeit ab Zuteilungsreife bis zum Erreichen der Bausparsumme maßgeblich vom Bausparer durch die Höhe der vorgenommenen Einzahlungen beeinflusst und kann u.U. Jahrzehnte dauern. Dies ist jedoch der Bausparkasse nicht zuzumuten und widerspricht dem der Einführung des zehnjährigen Kündigungsrechts zugrunde liegenden Gedanken, dass sich ein Vertragspartner in jedem Fall nach einer gewissen Zeit (nämlich nach 10 Jahren) von einem Darlehen soll lösen können, dessen Zinssatz nicht mehr zeitgemäß ist (vgl. BT-Drucksache 10/4741, S. 23; LG Osnabrück, Urteil vom 21.08.2015, 7 O 545/15).
c) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181; Staudinger/Mülbert a. a. O., Rn. 549, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Bereits die Formulierung in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.E. zeigt, dass nicht nur der Zeitpunkt der vollständigen Valutierung in Betracht kommt. Dass der Zeitpunkt der Zuteilungsreife maßgeblich ist folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt. Wenn allerdings die Zuteilungsreife erreicht ist, muss der Bausparkasse eine Kündigung möglich sein, da ansonsten die Dauer der Ansparphase ins Belieben des Bausparers gestellt würde, was über den Zweck des Bausparens, der Erlangung eines zinsgünstigen Darlehens, hinausginge und auch die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung nicht mehr gewährleistet würde (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 15.09.2015, Az. 25 O 89/15).
d) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber den Klägern erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 S. 1, S. 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist keine der in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB genannten Gebietskörperschaften. cc)
Auch eine analoge Anwendung des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 S. 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken. Vielmehr ist verbindendes Element der Regelung in § 489 Abs. 4 S. 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen langläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 S. 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).
3. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der
Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181; LG Nürnberg, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15). Schließlich ist der Vertragszweck mit Zuteilungsreife und der Möglichkeit der Erlangung des Bauspardarlehens erreicht und die Nutzung des Bausparvertrags vom Vertragszweck nicht umfasst. Damit steht auch die Aufrechterhaltung dieses Zustands - anders als vom Klägervertreter unter Berufung auf § 242 BGB vorgetragen - einer Kündigung nicht entgegen.
b) Eine Einschränkung auf Grundpfandkredite lässt sich weder dem Wortlaut noch der Gesetzeshistorie entnehmen. So sah die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 a. F. eine solche Differenzierung hinsichtlich grundpfandrechtlich gesicherter Darlehen vor. Eine solche enthielt die Regelung in § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a. F., welche nun entsprechend in § 489 Abs.1 Nr. 2 BGB übernommen wurde, nicht.
c) Schließlich können die Kläger auch nicht Verwirkung einwenden.
Da das Kündigungsrecht erst zehn Jahre nach Zuteilungsreife angenommen wird, war die Kündigungsmöglichkeit für die Beklagte erst ab 2014 gegeben. Die Kündigungen wurden mit Schreiben vom 27.10.2014 erklärt. Damit fehlt bereits das einen Vertrauenstatbestand begründende Zeitmoment.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem
Landgericht München I Prielmayerstraße 7 80335 München
einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
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(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.
(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.
(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger jeweils zur Hälfte
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger sind Eheleute und schlossen am 2./6.8.1999 bei der E AG zwei Bausparverträge mit einer Bausparsumme von jeweils 50.000 DM (25.564,59 €) ab. E AG fusionierte später mit der B AG zur B AG, der Beklagten. Die Bausparverträge der Kläger haben (nunmehr) die Nrn. 44854891 und 44855096. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB).
3Die Präambel der ABB lautet:
4„Bausparen ist das zielgerichtete Sparen, um für wohnungswirtschaftliche Verwendungen Darlehen zu erlangen, deren Verzinsung niedrig, von Anfang an fest vereinbart und von Zinsschwankungen am Kapitalmarkt unabhängig ist.“
5Gem. § 3 (1) wird das Bausparguthaben mit 2,00 % jährlich verzinst, nach § 9 (1) beträgt der jährliche Zinssatz für das Bauspardarlehen 4,90 %. In § 10 heißt es:„ Die Bausparkasse kann das Darlehen nur dann zur sofortigen Rückzahlung kündigen, wenn (…)“. Im Folgenden werden einzelne Kündigungsgründe aufgezählt.
6Wegen der Einzelheiten wird auf die ABB, vorgelegt durch den Prozessbevollmächtigten der Kläger im Schriftsatz vom 17.10.2014, Bl. 11 ff. d. A., ergänzend Bezug genommen.
7Der Bausparvertrag mit der Nr. 44854891 war am 31.5.2002 zuteilungsreif, der Bausparvertrag mit der Nr. 44855096 war am 30.4.2002 zuteilungsreif. Die Kläger nahmen das Darlehen bis heute nicht in Anspruch, besparten die Verträge aber weiter. Zudem äußerten sie gegenüber der Beklagten, dass sie überlegten, die Darlehen zu einem späteren Zeitpunkt zur Finanzierung von Renovierungsarbeiten und einem Hauskauf in Anspruch zu nehmen, taten dies in der Folge jedoch nicht. Zum 31.12.2013 betrug das Sparguthaben für den Vertrag mit der Nr. 44854891 20.573,18 € und für den Vertrag mit der Nr. 44855096 16.290,66 €. Die Beklagte kündigte beide Verträge mit Schreiben vom 19.5.2014 mit 6-monatiger Kündigungsfrist.
8Die Kläger sind der Ansicht, dass die Kündigungen der Beklagten nicht wirksam seien. Sie seien nicht verpflichtet gewesen, die Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, die Gewährung eines Darlehens sei grundsätzlich bis zur Erreichung der vollständigen, vertraglich vereinbarten Bausparsumme möglich. Die Beklagte habe jedenfalls gegenüber den Klägern solange auf das Kündigungsrecht verzichtet, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Die Tatsache, dass die Kläger als Bausparer nicht verpflichtet gewesen waren, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen, ergebe sich im Übrigen auch aus den §§ 12 und 14 ABB. Erst wenn der Bausparer die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart hat, sei die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich. Da die Rollen von Darlehensgeber und Darlehensnehmer vor Zuteilung des Bauspardarlehens vertauscht seien, hätten die Kläger als Darlehensgeber nach den ABB durch Änderung der Wahl des Tarifes den Sollzinssatz einseitig ändern können. Aus diesem Grund liege kein gebundener Sollzinssatz im Sinne von § 498 Abs. 5 BGB vor, so dass diese Vorschrift bereits deshalb nicht zur Anwendung komme. Die ABB würden zudem der Bausparkasse nur unter sehr engen Voraussetzungen ein Kündigungsrecht geben. Ein Kündigungsrecht außerhalb der Bedingungen hätte den Klägern bei Abschluss der Bausparverträge mitgeteilt werden müssen. Die Tatsache, dass die Bausparverträge für die Bausparkassen aufgrund der geänderten Zinslage nicht mehr wirtschaftlich interessant seien, könne ebenfalls kein Kündigungsrecht rechtfertigen. Der Empfang der Darlehensvaluta könne überdies nicht willkürlich auf den Zeitpunkt der ersten Zuteilungsreife festgelegt werden.
9Die Kläger beantragen,
10festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bausparverträge Nr. 44854891 und 44855096 der Kläger über den 19.11.2014 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte behauptet, die Kläger hätten dadurch, dass sie das Darlehen seit über zehn Jahren nicht in Anspruch genommen haben, gezeigt, dass sie an einem Darlehen nicht mehr interessiert seien, sondern die Bausparverträge nur als günstigen Sparverträge verstünden. Sie ist der Ansicht, dass die §§ 488 ff. BGB auch auf Bausparverträge anwendbar seien; diese würden die ABB ergänzen. In der Ansparphase sei sie, die Beklagte, als Darlehensnehmerin anzusehen, mit Eintritt der Zuteilungsreife hätten die Kläger das Darlehen i.S.v. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zudem vollständig erhalten, unabhängig davon, ob sie das Darlehen in Anspruch nehmen oder nicht.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Prozessbevollmächtigten der Parteien zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
17Die Kläger haben gemäß § 256 Abs. 1 ZPO das erforderliche Feststellungsinteresse, da die Beklagte bereits angekündigt hat, das Darlehen an die Kläger zurückzuzahlen, wodurch diesen Zinseinbußen drohen. Es besteht auch keine bessere Rechtsschutzmöglichkeit, weil die Kläger keine Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen, sondern lediglich dessen Bestehen bestätigt haben wollen. Der Antrag ist auf Feststellung, dass die Verträge über den 19.11.2014 hinaus zu unveränderten Konditionen bestehen, gerichtet, da die Kündigung der Beklagten vom 19.05.2014 aufgrund der sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 19.11.2014 erfolgte
18Die Klage ist jedoch unbegründet, die Beklagte konnte die Verträge wirksam gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 19.11.2014 kündigen. Die Voraussetzungen des Kündigungsrechts nach dieser Vorschrift sind, dass es sich um ein Darlehen mit gebundenem Sollzinssatz handelt und seit dem vollständigen Empfang des Darlehens 10 Jahre vergangen sind.
19Die Vorschriften über Darlehen, §§ 488 ff. BGB, gelten auch für Bausparverträge. Die Kammer schließt sich der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, wonach ein Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag darstellt, bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (vgl. Staudinger/ Mülbert 2010, § 488 Rn 539 ff. m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss v. 14.10.2011, Az.: 9 U 151/11; LG Aachen, Urt. v. 26.06.2014, Az.: 1 O 78/14). Es handelt sich daher um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an, hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Damit ist der Bausparvertrag auch bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren.
20Der Kündigungsgrund nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann als gesetzliches Kündigungsrecht auch neben die Vorschriften der ABB treten. In den ABB der Beklagten sind die Kündigungsgründe der Beklagten als Bausparkasse nur in § 10 geregelt, die zum einen die gesetzlichen Kündigungsgründe nicht explizit ausschließen und sich im Übrigen nur auf die Zeit nach der Darlehensgewährung beziehen, für die Zeit davor also gerade nicht gelten. Da der hier in Rede stehende Kündigungsgrund gesetzlich normiert ist, bedurfte es zudem keiner ausdrücklichen Erwähnung bei Abschluss der Verträge.
21Gem. § 489 Abs. 5 BGB ist der Sollzinssatz der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Gebunden ist der Zinssatz dann, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Vorliegend betrug der festgelegte Zinssatz für das Bausparguthaben 2,00 % jährlich, § 3 Abs. 1 ABB, der Zinssatz für das Bausparspardarlehen sollte gem. § 9 Abs. 1 der ABB 4,90 % jährlich betragen. Die Kläger hatten lediglich die Möglichkeit, den Zinsbonus durch angepasste Zahlungen zu verändern, ein Tarifwechsel mit anderem Zinssatz war aber – entgegen der Auffassung der Kläger - nach den ABB gerade nicht vorgesehen.
22Nach Auffassung der Kammer steht in einem Bausparfall der vollständige Empfang der Darlehensvaluta i.S.d. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB der eintretenden Zuteilungsreife gleich. Da die Zuteilungsreife beider Verträge im Jahr 2002 eintrat, waren zum Zeitpunkt der Kündigung im Jahr 2014 bereits mehr als 10 Jahre vergangen.
23Diese Beurteilung und Auffassung folgt aus der besonderen Konstruktion des Bausparvertrages. Auch wenn es dem Bausparer grundsätzlich freisteht, das Darlehen nach Zuteilungsreife abzurufen oder nicht, rechtfertigt sich die Anwendung der Norm aufgrund ihres Sinns und Zwecks. Denn Zweck der Vorschriften des § 489 BGB ist es, einen Interessenausgleich zu schaffen und den Darlehensnehmer vor überlangen Bindungen an festgelegte Zinssätze zu schützen. Auf diese Weise sollen marktgerechte Zinsen ermöglicht werden (vgl. Palandt – Weidenkaff, BGB 74. Aufl., 2015, § 489 Rn 1).
24Diese Überlegungen greifen auch zugunsten der beklagten Bausparkasse, die während der Ansparphase als Darlehensnehmerin einzuordnen ist. Wie sich aus Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Ratio der Vorschrift ergibt, ist das Kündigungsrecht nicht auf Verbraucher beschränkt (vgl. Staudinger - Mülbert 2010, § 488 Rn 549 ff., Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherkredit-RL, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdienst-RL sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufs- und Rückgaberecht, BT-Drucks 16/11643, 74).
25Die Anknüpfung an den Eintritt der Zuteilungsreife als Äquivalent zu dem in der Norm vorgesehenen vollständigen Empfang des Darlehensbetrages erscheint auch interessengerecht. Bei Bausparverträgen steht - eben aufgrund der Tatsache, dass der Bausparer nicht zum Abruf des Darlehens verpflichtet ist - kein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag fest, an dem man sich für den Zeitpunkt in § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientieren könnte. Dies rechtfertigt es jedoch gerade nicht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, da die überlange Besparung eines Bausparvertrages nicht dem Zweck des Bausparens, nämlich der Erlangung eines zinsgünstigen Darlehens (vgl. Präambel der ABB), entspricht. Das Erreichen der Bausparsumme als Anknüpfungspunkt erscheint daher zu spät angesiedelt, da dies zugleich bedeuten würde, dass eine Darlehensgewährung überhaupt nicht mehr in Betracht kommt, der Bausparvertrag aber – nach seiner eingangs dargelegten Struktur - gerade aus zwei Stufen besteht. Als sachgerechter Anknüpfungspunkt bleibt daher der Zeitpunkt des Eintritts der Zuteilungsreife. (Vgl. auch Staudinger - Mülbert 2010, § 488 Rn 549 ff.; Mülbert/ Schmitz in FS Horn 2006, 777, 785, 787; LG Mainz, Urt. v. 03.07.2014, Az.: 5 O 1/14; a.A. Münchener Kommentar - Berger, Vor § 488 Rn 29, der der Bausparkasse ein gesetzliches Kündigungsrecht lediglich aus § 490 BGB einräumt, allerdings ohne weitergehende Begründung).
26Die Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt (Urt. v. 22.02.2013, Az.: 2-21 O 69/12) und nachgehend des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss v. 02.10.2013, Az.: 19 U 106/13) stehen dieser Wertung nicht entgegen. Die Gerichte hatten die Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwar für den dort zur Entscheidung stehenden Sachverhalt abgelehnt, allerdings vorwiegend mit der Begründung, dass kein gebundener Sollzinssatz i.S.d. Norm vorlag, da gemäß der dort geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bausparkasse der Bausparer die Zinssätze in der Ansparphase jederzeit durch Tarifänderungen selbstständig ändern konnte – was vorliegend gerade nicht der Fall ist. Da in der dortigen Konstellation die vereinbarte Bausparsumme erreicht war, bejahten die Gerichte aber eine Anwendung von § 488 Abs. 3 BGB. Letzteres nahm ebenfalls das Oberlandesgericht Stuttgart mit Beschluss vom 14. 10.2011, Az.: 9 U 151/11, an. Hierauf kommt es jedoch – nach den obigen Ausführungen – für die Entscheidung des vorliegenden Falles nicht an.
27Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
28Streitwert: 51.129,18 €
29
Dr. Q |
Richterin G3 ist wegen Krankheit an der Unterschriftsleistung gehindert Dr. Q |
T2 |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten über den Bestand eines Bausparvertrages. Die Beklagte betreibt eine Bausparkasse. Die Klägerin schloss am 27.02.1987 zwei Bausparverträge über jeweils DM 20.000,00 (€ 10.255,84) mit den Nummern … und … ab. Die Garantieverzinsung betrug 2,5 %. Die Zuteilungsreife beider Bausparverträge war am 31.03.1994. Zum 31.12.2012 wurden beide Bausparverträge mit einem Guthaben von jeweils € 6.993,48 geführt. Grundlage der beiden Bausparverträge waren die allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB). Die Klägerin leistet seit Jahren keine Einzahlungen mehr auf das Bausparguthaben. Die Bausparguthaben der Klägerin erhöhten sich dementsprechend in der Vergangenheit jeweils nur durch die gutgeschriebenen Zinsen. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 20.09.2013 zum 31.03.2014 beide Bausparverträge.
- 2
Die Klägerin ist der Ansicht,
- 3
der Beklagten stünde ein Kündigungsrecht nicht zu. § 489 Abs. 2 Nr. 2 BGB liege hier nicht vor, da es auf die Zuteilungsreife nicht ankomme. Es bestünde keine Pflicht zur Inanspruchnahme des Darlehens bei Zuteilungsreife.
- 4
Die Klägerin beantragt,
- 5
1. festzustellen, dass die bei der Beklagten bestehenden Bauverträge mit den Nummern … und Nummer … vom 20.09.2013 über den 31.03.2014 hinaus zu veränderten Bedingungen fortbestehen.
- 6
Die Beklagte beantragt,
- 7
die Klage abzuweisen.
- 8
Sie ist der Ansicht, der Klägerin gehe es nicht um die Inanspruchnahme eines zinsgünstigen Darlehens zur wohnungswirtschaftlichen Verwendung sondern, ihr Geld dauerhaft zu einem festen und günstigen Zinssatz anzulegen. Das Recht zur Kündigung ergebe sich aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB und sei weder durch die ABB noch durch Individualvereinbarung ausschließbar. Mit der Zuteilungsreife beginne die 10-jährige Frist des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
- 9
In Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 04.07.2014 (Bl. 48 f. d. A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 10
Die Klage ist zulässig, nachdem die Klägerin auf Hinweis des Gerichtes den Antrag umgestellt hat. Sie ist in der Sache unbegründet.
- 11
Die Beklagte hat beide Bausparverträge zum 31.03.2014 wirksam gekündigt und dadurch das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis beendet.
- 12
Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens, § 1 Abs. 1 ABB 7 bzw. Präambel zu den ABB. Es handelt sich um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Zunächst wird vom Bausparer bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben angespart. Hierfür erhält er die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilung kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zur Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen. Der Bausparer ist jedoch nicht verpflichtet, nach Zuteilung das Bauspardarlehen in Anspruch zu nehmen (§ 15 Abs. 2 ABB). Während der Ansparphase handelt es sich um einen Darlehensvertrag. Es wird einhellig die Meinung vertreten, dass in dem Bausparvertrag ein einheitlicher Darlehensvertrag dahingehend zu sehen ist, dass die Bausparkasse und der Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen. Die Einlagen des Bausparers stellen daher ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Für den Fall, dass der Bausparer nach Zuteilung das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nimmt enthalten die ABB keine Regelung. Gemäß § 1 Abs. 1 ABB 7 ist lediglich das aufgrund planmäßiger Sparleistungen zu erlangende Tilgungsdarlehen unkündbar. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen darf, wenn sie dadurch dem Bausparerden Anspruch auf das Tilgungsdarlehen entzieht. Als Ausnahme hierzu sieht § 5 Abs. 3 ABB 7 ein spezielles Kündigungsrecht der Bausparkasse im Fall des Rückstandes von Regelsparbeiträgen vor. Das bedeutet dass der Bausparvertrag solange unkündbar ist, wie die Auszahlung des Tilgungsdarlehens möglich ist und der Bausparer seine hierzu erforderlichen planmäßigen Sparpflichten erfüllt.
- 13
Vorliegend hat die Klägerin ihre planmäßigen Sparpflichten erfüllt. Sie hat indes seit nunmehr zehn Jahren ihre vertraglichen Rechte nicht ausgeübt. Die Ausrichtung des Bausparvertrages auf die Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparguthaben und vereinbarter Bausparsumme ist jedoch der vereinbarte Vertragsgegenstand. Dass ein Darlehen über zehn Jahre hin nicht abgerufen wird ist nach Auffassung des Gerichtes kein vertragsgemäßer, dauerhaft aufrecht zu erhaltender Zustand. Da der Bausparvertrag während der Ansparphase als Darlehensvertrag zu qualifizieren ist, stellen die Einlagen des Bausparers, ein Darlehen an die Beklagte dar, für dessen Rückerstattung eine Zeit nicht bestimmt ist. Gemäß § 488 Abs. 3 BGB sind die Vorschriften über Darlehen grundsätzlich auch für Bauspardarlehen und Spareinlagen anzuwenden (Palandt, vor § 488 RN 17, 23).
- 14
Das Gericht verkennt nicht, dass der vorliegende Fall insoweit nicht mit, den Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt vom 22.02.2013 und des OLG Stuttgart vom 14.10.2011 (BeckRS 2012, 22642) übereinstimmt, weil in beiden Fällen die vertraglich vereinbarte Bausparsumme vollständig angespart worden war, so dass die Gewährung eines Bauspardarlehens nicht mehr möglich war. Insoweit hält das Gericht an seiner im Termin geäußerten Auffassung einer Kündbarkeit gem. § 488 Abs. 3 BGB zwar nicht fest. Dieser Unterschied führt vorliegend jedoch nicht zu einer anderen Einschätzung der Sachlage im Hinblick auf die grundsätzliche Kündbarkeit.
- 15
Selbst wenn man nicht von einem Kündigungsrecht gemäß § 488 Abs. 3 BGB ausgeht, konnte die Beklagte unter den Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zwingend ordentlich kündigen. § 489 BGB ist nicht auf Verbraucher beschränkt und steht auch der Bausparkasse zu. Für die Bausparkasse besteht damit zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta eine Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist zu. Und zwar ist ein vollständiger Empfang im Sinne der Vorschrift aufgrund der strukturellen Eigenheiten des Bausparvertrages frühestens, aber auch schon bei Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife anzunehmen. Bereits hiermit und nicht erst mit der Zuteilung wird der für den Bausparvertrag charakteristische Zweck erreicht (Vergleiche Staudinger, BGB, 2011, § 488 RN 546, 549, 550). Die Zuteilungsreife war vorliegend unstreitig der 31.03.1994. Die Kündigung erfolgte am 20.09.2013 zum 01.04.2014. Die Zehnjahresfrist war am 31.03.2014 abgelaufen. Der Bausparer wird durch den Beginn der 10-Jahresfrist nicht für die Nichtannahme der Zuteilung sanktioniert, da diese lediglich dem Schutz der Bausparkasse vor einer überlangen Bindung dient.
- 16
Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Grundsatz berufen, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind, da sie selbst durch die Nichtannahme der Zuteilung über nunmehr 10 Jahre dem Vertragszweck zuwider gehandelt hat. In diesem Zusammenhang ist nochmals darauf hinzuweisen, dass der Zweck des Bausparvertrages nicht die zinsgünstige Geldanlage sondern die Erlangung eines Darlehens ist. Dabei gibt die Höhe der Zinsen von 2,5 % keinen Ausschlag. Die Klägerin hat dies so gewählt, da sie sich im Zusammenhang von Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung durch einen niedrigen Guthabenzins eine niedrige Darlehensverzinsung gesichert hat.
- 17
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
- 18
Der Streitwert wird auf € 6.524,72 festgesetzt.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
(1) Die Vorschriften dieses Kapitels gelten für Verbraucherdarlehensverträge, soweit nichts anderes bestimmt ist. Verbraucherdarlehensverträge sind Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge.
(2) Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer. Keine Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge sind Verträge,
- 1.
bei denen der Nettodarlehensbetrag (Artikel 247 § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) weniger als 200 Euro beträgt, - 2.
bei denen sich die Haftung des Darlehensnehmers auf eine dem Darlehensgeber zum Pfand übergebene Sache beschränkt, - 3.
bei denen der Darlehensnehmer das Darlehen binnen drei Monaten zurückzuzahlen hat und nur geringe Kosten vereinbart sind, - 4.
die von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmern als Nebenleistung zum Arbeitsvertrag zu einem niedrigeren als dem marktüblichen effektiven Jahreszins (§ 6 der Preisangabenverordnung) abgeschlossen werden und anderen Personen nicht angeboten werden, - 5.
die nur mit einem begrenzten Personenkreis auf Grund von Rechtsvorschriften in öffentlichem Interesse abgeschlossen werden, wenn im Vertrag für den Darlehensnehmer günstigere als marktübliche Bedingungen und höchstens der marktübliche Sollzinssatz vereinbart sind, - 6.
bei denen es sich um Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge oder Immobilienverzehrkreditverträge gemäß Absatz 3 handelt.
(3) Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind entgeltliche Darlehensverträge zwischen einem Unternehmer als Darlehensgeber und einem Verbraucher als Darlehensnehmer, die
- 1.
durch ein Grundpfandrecht oder eine Reallast besichert sind oder - 2.
für den Erwerb oder die Erhaltung des Eigentumsrechts an Grundstücken, an bestehenden oder zu errichtenden Gebäuden oder für den Erwerb oder die Erhaltung von grundstücksgleichen Rechten bestimmt sind.
- 1.
pauschale oder regelmäßige Zahlungen leistet oder andere Formen der Kreditauszahlung vornimmt und im Gegenzug nur einen Betrag aus dem künftigen Erlös des Verkaufs einer Wohnimmobilie erhält oder ein Recht an einer Wohnimmobilie erwirbt und - 2.
erst nach dem Tod des Verbrauchers eine Rückzahlung fordert, außer der Verbraucher verstößt gegen die Vertragsbestimmungen, was dem Kreditgeber erlaubt, den Vertrag zu kündigen.
(4) § 358 Abs. 2 und 4 sowie die §§ 491a bis 495 und 505a bis 505e sind nicht auf Darlehensverträge anzuwenden, die in ein nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung errichtetes gerichtliches Protokoll aufgenommen oder durch einen gerichtlichen Beschluss über das Zustandekommen und den Inhalt eines zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs festgestellt sind, wenn in das Protokoll oder den Beschluss der Sollzinssatz, die bei Abschluss des Vertrags in Rechnung gestellten Kosten des Darlehens sowie die Voraussetzungen aufgenommen worden sind, unter denen der Sollzinssatz oder die Kosten angepasst werden können.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag, bei dem eine Zeit für die Rückzahlung nicht bestimmt ist, ganz oder teilweise kündigen, ohne eine Frist einzuhalten. Eine Vereinbarung über eine Kündigungsfrist von mehr als einem Monat ist unwirksam.
(2) Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten aus einem Verbraucherdarlehensvertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen. Abweichend von Satz 1 kann der Darlehensnehmer eines Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrags, für den ein gebundener Sollzinssatz vereinbart wurde, seine Verbindlichkeiten im Zeitraum der Sollzinsbindung nur dann ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse des Darlehensnehmers besteht.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. August 2011 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses.
Gründe
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(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.
(2) Die vereinbarten Zinsen sind, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach dem Ablauf je eines Jahres und, wenn das Darlehen vor dem Ablauf eines Jahres zurückzuzahlen ist, bei der Rückzahlung zu entrichten.
(3) Ist für die Rückzahlung des Darlehens eine Zeit nicht bestimmt, so hängt die Fälligkeit davon ab, dass der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer kündigt. Die Kündigungsfrist beträgt drei Monate. Sind Zinsen nicht geschuldet, so ist der Darlehensnehmer auch ohne Kündigung zur Rückzahlung berechtigt.
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19. August 2011 durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Beschlusses.
Gründe
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(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
Gründe
Landgericht Nürnberg-Fürth
Az.: 6 O 1708/15
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am 17.08.2015
..., Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
...
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
Prozessbevollmächtigte: ...
wegen Feststellung
erlässt das Landgericht Nürnberg-Fürth - 6. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht - als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2015 folgendes
Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 61.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass zwei zwischen den Parteien geschlossene Bausparverträge nicht durch eine Kündigung der Beklagten beendet worden sind.
Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse.
Am 30.12.1982 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag (Nr. ... über eine Bausparsumme in Höhe von 110.000,00 DM (entspricht 56.242,11 €).
Am 29.09.1986 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Bausparvertrag ... über eine Bausparsumme in Höhe von 50.000,00 DM (entspricht 25.564,59 €).
Bei beiden Bausparverträgen sollte ein Guthaben des Bausparers mit 3%o p.a. zu verzinsen sein. Für beide Bausparverträge vereinbarten die Parteien die „Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge“ der Beklagten (nachfolgend: ABB). In § 9 ABB ist bestimmt:
Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
Der Kläger erbrachte Einzahlung auf die Bausparverträge längstens bis zum Jahr 2002 (vgl. Anlagenkonvolut B3). Ein Bauspardarlehen beantragte er nicht.
Mit zwei Schreiben vom 27.10.2014 (Anlagen K5 und K6) erklärte die Beklagte jeweils die Kündigung der Bausparverträge zum 29.05.2015.
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung wies der BSV 014 ein Guthaben von ca. 48.000,00 € (vgl. Anlage K3), der BSV 022 ein Guthaben von ca. 12.000,00 € (vgl. Anlage K4) auf.
Beide Bausparverträge waren im Zeitpunkt der Kündigung seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif.
Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigungen seien unwirksam, weil die Beklagte wegen eines vertraglichen Kündigungsverzichts und weil die angesparten Guthaben die vereinbarte Bausparsumme jeweils nicht erreichten, nicht zur Kündigung berechtigt gewesen sei.
Der Kündigungsverzicht in § 9 ABB sei wirksam, weil die Beklagte eine Anstalt des öffentlichen Rechts sei, die nach Sinn und Zweck des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam auf das Kündigungsrecht insbesondere nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verzichten könne.
Dessen ungeachtet liege auch bei Eintritt der Zuteilungsreife noch kein vollständiger Empfang des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB vor.
An vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten macht der Kläger eine 1,3-Geschäftsgebühr (nebst Pauschale und USt) aus einem Streitwert in Höhe von 61.000,00 €, mithin 1.954,46 € geltend.
Der Kläger beantragt - nach Klageerweiterung (Schriftsatz vom 20.05.2015, Bl. 25 ff. d. A.) - daher:
1. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen der Beklagten im Hinblick auf die Bausparverträge des Klägers Nr. ... und vom 27.10.2014 unwirksam sind und die genannten Verträge über den von der Beklagten gewünschten Beendigungszeitpunkt 29.05.2015 hinaus fortbestehen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
Sie meint, die Feststellungsklage sei unzulässig, da Gegenstand der Feststellung nur der Fortbestand des Vertragsverhältnisses, nicht die Unwirksamkeit einer Kündigung sein könne (vgl. BGH NJW 2000, 354, juris Tz. 44 ff.).
Jedenfalls sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, weil diese seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif gewesen seien (vgl. LG Mainz WM 2015, 181). Das Eintreten der Zuteilungsreife sei als vollständiger Empfang des Darlehens i. S. der Vorschrift zu verstehen.
Auf dieses Kündigungsrecht habe auch die Beklagte nicht wirksam verzichtet, da sich der Kündigungsverzicht nur auf das ordentliche Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB beziehe und jedenfalls das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch für die Beklagte zwingenden Charakter habe (§ 489 Abs. 4 Satz 1 BGB). Insbesondere sei § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte nicht (analog) anwendbar.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Anlagen und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
I.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
Insbesondere hat der Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestands der Bausparverträge i. S. des § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. LG Frankfurt, Urt. v. 22.02.2013, Az. 2-21 O 69/12, juris Tz. 16). Dieses Feststellungsziel lässt sich bei einer interessengerechten Auslegung des Feststellungsantrags auch zweifelsfrei ermitteln.
II.
Die Klageanträge sind jedoch unbegründet, da die streitgegenständlichen Bausparverträge jeweils durch die Kündigung der Beklagten nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum 29.05.2015 beendet wurden.
1. Die Beklagte war nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt.
a) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang - oder nach der letzten Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz, falls diese nach dem vollständigen Empfang erfolgte - unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen.
b) Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt auch zugunsten des eines Darlehensnehmers, der kein Verbraucher ist, insbesondere auch für Banken und Bausparkassen.
Eine Einschränkung des Kündigungsrechts nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift, noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl. Staudinger/Mülbert, BGB [2010], § 488, Rn. 549). Vielmehr ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2) BGB in der bis zum 10.06.2010 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.), dass der Gesetzgeber zwar für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers vorausgesetzt hat („wenn das Darlehen einem Verbraucher gewährt und nicht durch ein Grund- oder Schiffspfandrecht gesichert ist ...“), für das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 3 a. F. (nunmehr § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB) hingegen gerade nicht („in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang“).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Überschrift zu Titel 3 („Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“), unter dem § 489 BGB aufgeführt ist. In dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den erstgenannten Begriff des Darlehensvertrags, sondern auf die weiteren Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Dementsprechend ist § 489 BGB auch nicht mit den §§ 491 ff. BGB unter der Überschrift zu Kapital 2 („Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“) aufgeführt, sondern in Kapitel 1 („Allgemeine Vorschriften“). Auch aus dieser Systematik ergibt sich zwanglos, dass die in § 489 BGB geregelten Kündigungsrechte nicht nur für Verbraucher als Darlehensnehmer gelten sollen.
c) Zutreffender Weise gehen beide Parteien davon aus, dass die Beklagte als Bausparkasse beim Bausparvertrag in der Zeit vor der Gewährung eines Bauspardarlehens als Darlehensnehmer und der Kläger als Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 539 m. w. N.). Insoweit handelt es sich auch um einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz, nachdem die Beklagte verpflichtet sein sollte, das Bausparguthaben fest mit 3%o p.a. zu verzinsen.
d) Mit Zuteilungsreife, die unstreitig spätestens jeweils zehn Jahre vor Erklärung der Kündigung erstmalig eingetreten ist, ist von einem „vollständigen Empfang“ des Darlehens i. S. des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch die Beklagte auszugehen (LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 15; Staudinger/Mülbert a. a. O. Rn. 549).
Dies folgt aus der Struktur des Bausparvertrags, dessen Zweck vorrangig darauf gerichtet ist, dem Bausparer nach der Erbringung ausreichender Sparleistungen den Zugriff auf ein darüber hinausgehendes, zinsgünstiges Darlehen zu ermöglichen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12). Dieser Zugriff steht dem Bausparer ab erstmaligem Eintritt der Zuteilungsreife zu. Daher liegt es nahe, die Sparleistungen, die der Bausparer zur Erreichung der Zuteilungsreife erbringen muss, als den vollständigen Gegenstand des Darlehens anzusehen, das der Bausparer der Bausparkasse während der Ansparphase gewährt. Auch wenn der Bausparer nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehmen muss und weitere Sparleistungen erbringen kann, ändert dies nichts daran, dass die Bausparkasse das (mit Abschluss des Bausparvertrags ins Auge gefasste, zur planmäßigen Erreichung der Zuteilungsreife notwendige) Darlehen des Bausparers mit Zuteilungsreife erhalten hat, weshalb von einem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta auszugehen ist. Dies führt gleichermaßen dazu, dass ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB während der Ansparphase nicht entstehen kann und es daher ausgeschlossen ist, dass die Bausparkasse durch eine Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB das Recht des Bausparers zur Erlangung des Bauspardarlehens vereitelt.
e) Die Beklagte hat die Kündigung der Verträge unstreitig mit den beiden Schreiben vom 27.10.2014 gegenüber dem Kläger erklärt. Die Kündigungsfrist von 6 Monaten (zum 29.05.2015) ist eingehalten.
2. Ein genereller Ausschluss des Kündigungsrechts aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ergibt sich weder aus den Besonderheiten des Bausparvertrags noch aus sonstigen Erwägungen.
a) Da der Bausparvertrag seinem Wesen nach auf die Verschaffung eines zinsgünstigen Darlehens und nicht primär auf eine dauerhafte Geldanlage gerichtet ist, spricht nichts dagegen, der Bausparkasse zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife ein Kündigungsrecht zuzugestehen (vgl. LG Mainz WM 2015, 181, juris Tz. 12 ff.).
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Scala-Rechtsprechung des LG Ulm (vgl. WM 2015, 826). In den dort betroffenen Fällen war nach der Konstruktion der Scala-Sparverträge im Zeitpunkt der jeweiligen Kündigung gerade noch nicht von einem vollständigen Empfang des Darlehens auszugehen, weshalb ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht bestehen konnte (vgl. a. a. O. juris Tz. 125).
3. Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB war auch nicht vertraglich ausgeschlossen.
a) Dabei kann dahinstehen, ob sich die Bestimmung in § 9 ABB auch auf ein Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB beziehen soll.
b) Denn ein vertraglicher Ausschluss des Kündigungsrechts wäre unwirksam.
aa) Nach § 489 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 BGB kann das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden, wenn der Darlehensnehmer der Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, ein Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften ist.
bb) Die Beklagte ist zwar als Anstalt des öffentlichen Rechts eine juristische Person des öffentlichen Rechts, jedoch keine der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB genannten Gebietskörperschaften.
cc) Auch eine analog Anwendung des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf die Beklagte ist nicht geboten (vgl. Staudinger/Mülbert a. a. O. § 489 Rn. 74; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., §489 Rn. 13; BeckOK-BGB/Rohe [Stand: 01.05.2015], § 489 Rn. 19; a.A. wohl MüKoBGB/K. P. Berger, 6. Aufl., §489 Rn. 21).
Nach dem Wortlaut und der systematischen Fassung des Gesetzes spricht nichts dafür, dass in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB generell juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Darlehensnehmer erfasst sein sollten. Vielmehr hat sich der Gesetzgeber erkennbar die Mühe gemacht, die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, auf die der Ausschluss nach § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB anzuwenden sein soll, ausdrücklich aufzuzählen. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform ausdrücklich beibehalten und um die Europäischen Gemeinschaften sowie ausländische Gebietskörperschaften erweitert. Diese enummerative Bestimmung bestimmter juristischer Personen des öffentlichen Rechts spricht dagegen, die Regelungen auf die Beklagte zu erweitern, nur weil diese in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben wird.
Welchen Zweck der Gesetzgeber mit der Auswahl der in § 489 Abs. 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften verfolgt hat, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung nicht (vgl. BT-Drucks. 10/4741, S. 22). Nachdem der Gesetzgeber aber gerade darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts zu erstrecken, obwohl dies unschwer möglich gewesen wäre, und diese Entscheidung auch über eine Anpassung der Vorschrift hinweg beibehalten hat, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme im Wege der Analogie grundsätzlich auch auf andere öffentlich-rechtlich geprägte Erscheinungsformen der öffentlichen Hand erstrecken (so aber wohl MüKoBGB/K. P. Berger a. a. O.). Vielmehr ist verbindendes Element der in § 489 Abs. 4 Satz 2 BGB die Eigenschaft als Gebietskörperschaft, die der Beklagten offensichtlich fehlt. Dies deutet darauf hin, dass sie Ausnahme gerade auf die herkömmlich von Gebietskörperschaften ausgegebenen längläufigen Anleihen beziehen soll, die durch § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht ausgeschlossen werden sollen. Dieser Zweck lässt sich auf die Beklagte als öffentlich-rechtlicher Bausparkasse gerade nicht übertragen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg einzulegen.
Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
- 1.
wenn die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten Zeit endet und keine neue Vereinbarung über den Sollzinssatz getroffen ist, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat frühestens für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet; ist eine Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr vereinbart, so kann der Darlehensnehmer jeweils nur für den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen; - 2.
in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.
(2) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen.
(3) Eine Kündigung des Darlehensnehmers gilt als nicht erfolgt, wenn er den geschuldeten Betrag nicht binnen zwei Wochen nach Wirksamwerden der Kündigung zurückzahlt.
(4) Das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Absätzen 1 und 2 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Dies gilt nicht bei Darlehen an den Bund, ein Sondervermögen des Bundes, ein Land, eine Gemeinde, einen Gemeindeverband, die Europäischen Gemeinschaften oder ausländische Gebietskörperschaften.
(5) Sollzinssatz ist der gebundene oder veränderliche periodische Prozentsatz, der pro Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Der Sollzinssatz ist gebunden, wenn für die gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Ist für die gesamte Vertragslaufzeit keine Sollzinsbindung vereinbart, gilt der Sollzinssatz nur für diejenigen Zeiträume als gebunden, für die er durch eine feste Prozentzahl bestimmt ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.