Landgericht Hamburg Urteil, 17. Jan. 2017 - 411 HKO 112/15

bei uns veröffentlicht am17.01.2017

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 204.187,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2015 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Dem Beklagten bleibt vorbehalten, seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit den Beträgen decken, die die durch die geleisteten Zahlungen begünstigten Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Insolvenzmasse gegen den Kläger zu verfolgen.

Tatbestand

1

Der Kläger ist gemäß Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (Az ...) (Anlage K1) Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. p. c. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin).

2

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Rückerstattung von nach Eintritt der Insolvenzreife geleisteten Zahlungen.

3

Die Schuldnerin wurde am 03.08.2004 in H. gegründet. Das Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00 wird von der Ehefrau des Beklagten gehalten. Der Beklagte ist seit Gründung der Schuldnerin deren alleiniger Geschäftsführer.

4

Geschäftsgegenstand der Schuldnerin war die Erbringung von Dienstleistungen und Beratungsleistungen für Call-Center einschließlich Schulung von Call-Center-Mitarbeitern.

5

Vor dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin war es bereits zweimal (2000 und 2004) zur Insolvenz der von dem Beklagten geführten Unternehmen gekommen.

6

Am 09.07.2012 stellte der Beklagte für die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit (Anlage K3). Zu diesem Zeitpunkt war der Geschäftsbetrieb bereits zum Erliegen gekommen.

7

Der Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin zum 31.12.2011 (Anlage K8) wies einen Jahresfehlbetrag in Höhe von € 17.410,36 und ein (positives) Eigenkapital von € 41.267,98 aus.

8

Im Zeitraum vom 02.01.2012 bis zum 30.06.2012 leistete der Beklagte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Schuldnerin die auf Seiten 8 bis 19 der Klageschrift aufgeführten Zahlungen vom Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der C. Bank, Konto-Nr. ..., in der Gesamthöhe von € 204.187,16 (ohne Steuerzahlungen und Arbeitgeber-Beiträge zur Sozialversicherung) an diverse Empfänger.

9

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung der vorgenannten Beträge.

10

Der Kläger trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei - ausgehend von der Bilanz zum 31.12.2011 (Anlage K8) - spätestens ab dem 31.12.2011 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen.

11

Eine positive Fortführungsprognose der Schuldnerin habe am 31.12.2011 nicht bestanden, so dass nach Liquidationswerten zu bewerten sei.

12

Die dortigen Bilanzansätze der Aktiva seien im Rahmen eines Überschuldungsstatus demgemäß wie folgt nach unten zu korrigieren („stille Lasten“):

13

a) Zu Unrecht seien in der Bilanz „Immaterielle Vermögenswerte“ mit € 50.983,78 angesetzt. Dabei solle es sich ausweislich der Kontennachweise (Nr. 135 „EDV-Software“) um ein E-Learningprogramm zur Weiterbildung von Call-Center-Mitarbeitern handeln. Da dieses Programm in einer fremden EDV-Struktur nicht nutzbar und im Rahmen einer außergerichtlichen Liquidation der Schuldnerin unverwertbar und wertlos sei, könne es im Überschuldungsstatus per 31.12.2011 nicht angesetzt werden. Auch im Rahmen des Insolvenzverfahrens habe sich kein Interessent dafür gefunden. Der Beklagte, der im Rahmen einer einzelkaufmännischen Unternehmung weiterhin Beratungsleistungen wie die Schuldnerin anbiete, habe ebenfalls kein Interesse daran gezeigt.

14

b) Weiterhin sei der Aktivposten Kto. 523 Pkw € 57.218,00 um € 12.218,00 zu reduzieren. Der betreffende Pkw Range Rover habe nach den eigenen Angaben des Beklagten im Insolvenzantrag lediglich einen Zeitwert und damit Liquidationswert von € 45.000,00.

15

c) Die mit € 41.126,40 in der Bilanzposition 1210 (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ohne Kontokorrent € 46.222,27) enthaltene angebliche Forderung gegen die V.- B. H. (nachfolgend: V.) sei mit € 0,00 anzusetzen, weil sie ausweislich des Berufungsurteils des HansOLG Hamburg vom 14.08.2015 (1 U 165/12; Anlage K12) nicht bestanden habe. Der Beklagte selbst habe diese Forderung ausweislich der seinem Insolvenzantrag beigefügten Summen- und Saldenliste per 31.12.2011 (Ausdruck vom 04.01.2012) bis auf den Erinnerungswert von € 1,00 abgeschrieben und offenbar selbst nicht mehr mit der Durchsetzbarkeit gerechnet.

16

d) Im Übrigen seien stille Reserven, die zu berücksichtigen wären, nicht vorhanden. Dass der Liquidationswert des Pkw VW Polo (Kto. 521) den Buchwert von € 8.002,00 übersteige, werde bestritten.

17

Danach ergebe sich eine rechnerische Überschuldung per 31.12.2011 wie folgt:

18

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 12.218,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 63.060,20

19

Vorsorglich mache der Kläger geltend, dass im Rahmen der Überschuldungsbilanz zusätzliche Passiva als Drohverlustrückstellung in Höhe von € 45.000,00 für die (fiktiven) Kosten einer außergerichtlichen Liquidation anzusetzen seien.

20

Der Kläger beantragt,

21

wie erkannt

22

Der Beklagte beantragt,

23

die Klage abzuweisen,

24

hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte mit Zahlung und in Höhe einer Zahlung der Klagforderung Insolvenzforderung erwirbt.

25

Der Beklagte trägt vor, die Insolvenzschuldnerin sei am 31.12.2007 nicht überschuldet gewesen. Da der Kläger keine der Fortführung entgegenstehende Umstände dargelegt habe, sei nicht von Liquidationswerten, sondern von Fortführungswerten auszugehen. Es habe intensive Sanierungsbemühungen gegeben. Von Februar 2012 bis Juli 2012 sei mit dem Vertreter H.- J. F. der H. Akademie (Verlagsgruppe H. AG) aussichtsreich und ernsthaft über einen Verkauf des Unternehmens verhandelt worden.

26

a) Die E-Learn-Module (40 Module) seien zu Recht mit € 50.983,78 angesetzt worden. Sie seien sogar erheblich mehr wert gewesen. Anfang 2012 sei die H. Akademie bereit gewesen, sogar mindestens € 250.000,00 allein für die Module zu zahlen.

27

b) der Range Rover sei ebenfalls mit € 57.218,00 richtig bewertet. Das Fahrzeug sei erst Anfang 2012 geliefert und habe bis Juli 2012 lediglich 10.000 km gelaufen und einen Blechschaden erlitten. Per 31.12.2011 habe es aber noch keinen Anlass für eine Abschreibung gegeben.

28

c) Zur Forderung gegen die V.: Nachdem die 1. Instanz (Landgericht) zugunsten der Schuldnerin entschieden habe, habe gemäß § 252 Abs.2 HGB der Anspruch aktiviert werden dürfen. Spätere Erkenntnisse und späteres besseres Wissen seien nicht zu berücksichtigen. Der von dem Kläger in der Berufungsinstanz weitergeführte Prozess gegen die V. sei außerdem aufgrund Anwaltsverschuldens verloren gegangen.

29

d) Der in der Bilanz mit einem Buchwert von € 8.000,00 angesetzte Pkw VW Polo habe tatsächlich einen Wert von € 11.000,00 gehabt, so dass € 3.000,00 stille Reserven zu berücksichtigen seien.

30

e) Außerdem seien bei den Verbindlichkeiten aus 2011 noch erhebliche stille Reserven abzuziehen, soweit der Kläger nämlich deren Bestehen im Insolvenzverfahren bestritten habe.

31

Nach allem sei eine Überschuldung per 31.12.2011 nicht festzustellen.

32

Eine solche sei für den Beklagten auch nicht erkennbar gewesen. Noch um die Jahreswende 2011/2012 seien sich der Beklagte und die Steuerberaterin einig gewesen, dass für das Jahr 2011 die Anschaffung und Herstellung der Lern-Module zu aktivieren sei. Da die Bilanz für 2011 nach den gesetzlichen Vorschriften erst am 31.05.2012 erstellt werden musste, habe der Beklagte bis dahin keine Überschuldung kennen müssen.

33

Die klagegegenständlichen Zahlungen seien zudem insoweit kaufmännisch vertretbar gewesen, als es die darin enthaltene Umsatzsteuer von 19% betreffe, die vom Finanzamt verrechnet bzw. erstattet wurde. Insoweit liege überhaupt kein Nachteil für die Gemeinschuldnerin vor.

34

Weiterhin hätten die Zahlungen an die freien Referenten und die Mieten für die Seminarräume in der Gesamthöhe von € 38.770,55 zu keinerlei Benachteiligung der Schuldnerin geführt, da diese Kosten deutlich niedriger seien als die Umsätze aus den Seminaren (kalkulatorisch max. 50%).

35

In Höhe von € 115.852,00 erkläre der Beklagte die Aufrechnung mit Mietzinsforderungen als Vermieter der Betriebsräume der Schuldnerin in Höhe von € 2.633,00 monatlich für die Zeit ab Insolvenzeröffnung bis 31.12.2012 (Kündigung des Klägers, Anlage K21) und für die Zeit danach gemäß §§ 545 und 546a BGB, weil der Kläger nicht geräumt habe. Diese seien Masseschulden, mit denen aufgerechnet werden könne.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

37

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 18.10.2016 (Bl. 88 d.A.) durch Vernehmung des Zeugen H. j. F.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 29.11.2016 (Bl. 94ff. d.A.) inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

38

Der Klage war aus den folgenden, gemäß § 330 Abs. 3 ZPO kurz zusammengefassten Erwägungen stattzugeben:

39

1. Der Beklagte haftet als Geschäftsführer der Schuldnerin für Zahlungen, die er während einer Zeit leistete, in welcher die Insolvenzschuldnerin insolvenzrechtlich überschuldet war, es sei denn, es handelte sich um Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes vereinbar waren.

40

Gemäß § 64 GmbHG ist der Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft geleistet werden. Die Voraussetzungen für die Ersatzpflicht gemäß § 64 GmbHG liegen hier vor.

41

Die streitgegenständlichen Zahlungen ab dem 02.01.2012 erfolgten in einem Zeitraum, in dem die Schuldnerin überschuldet war. Gemäß § 19 Abs. 2 InsO ist Überschuldung anzunehmen, wenn das Vermögen des Schuldners / der Schuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, wobei bei der Bewertung des Vermögens die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen ist, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

42

2. Eine positive Fortführungsprognose war jedenfalls ab 01.01.2012 nicht mehr gerechtfertigt:

43

Der Beklagte hat dazu substantiiert nichts vorgetragen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose – mit der Folge einer Bewertung des Vermögens zu Fortführungswerten – obliegt dem Geschäftsführer. Dazu gehört subjektiv der Wille zur Fortführung des Unternehmens und objektiv die Aufstellung eines Ertrags- und Finanzplans mit einem schlüssigen Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum (vgl. BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). An entsprechenden Darlegungen des Beklagten fehlt es vorliegend. In 2011 wurde unstreitig ein Fehlbetrag von € 17.410,36 erwirtschaftet. Der Vortrag des Beklagten über seine Verkaufsabsichten ab Anfang 2012 belegt, dass ein Fortführungswille bei ihm nicht vorhanden war. Allein die Absicht und die Verhandlungen über einen Verkauf mit der H. Akademie stellen noch keine tragfähigen Sanierungsbemühungen dar. Letztlich hat sich die H. Akademie auch nicht von einer Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin überzeugen lassen, was jedenfalls nicht für die wirtschaftliche Zukunft der Schuldnerin spricht. Objektive Ansatzpunkte dafür, dass sich das Unternehmen mit auskömmlichen Umsätzen künftig positiv entwickeln werde, waren daher seit Anfang 2012 nicht zu sehen. So hat der Kläger auch unwidersprochen vorgetragen, dass bei dem Insolvenzantrag des Beklagten am 09.07.2012 bereits der Geschäftsbetrieb zum Erliegen gekommen war und es weder laufende Beratungsaufträge noch sonstige kurzfristig beginnende Aufträge gab. Dem hat der Beklagte nichts Substantielles entgegengesetzt.

44

3. Die Überschuldungssituation war danach zu Liquidationswerten zu beurteilen und ergibt sich wie folgt:

45

Ausgangspunkt der Überschuldungsbilanz ist zunächst die Handelsbilanz per 31.12.2011 (Anlage K8). Danach bestand ein positives Eigenkapital in Höhe von € 41.267,98.

46

Dieser Wert war um die sich nach Liquidationsgesichtspunkten zu berichtigenden Bilanzansätze zu modifizieren. Dabei handelt es sich nach dem Vortrag der Parteien um die folgenden Streitpunkte:

47

a) E-Learn-Module:

48

Diese waren im Rahmen der Überschuldungsbilanz mit einem Liquidationswert von € 0,00 anzusetzen. Soweit der Beklagte behauptet hat, die Module hätten noch Anfang 2012 einen Marktwert in Höhe von mindestens € 50.983,78 (Bilanzansatz), wenn nicht gar € 250.000,00 gehabt, hat die hierüber durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen F. dies nicht bestätigt. Zwar hat der Zeuge seinerzeit als Geschäftsführer der H. Akademie mit dem Beklagten über eine Übernahme des Unternehmens der Schuldnerin insgesamt verhandelt, wobei nach der Erinnerung des Zeugen ein Kaufpreis von insgesamt € 1 Mio. in Rede stand. Zutreffend ist auch, dass im Rahmen dieser Übernahmeverhandlungen ein Betrag von € 250.000,00 für die betreffenden E-Learn-Module ins Auge gefasst wurde. Letztlich hat sich die H. Akademie aber gegen den Ankauf der Schuldnerin insgesamt, wie auch gegen den gesonderten Ankauf der E-Learn-Module entschieden. Letzteres nach der glaubhaften Aussage des Zeugen insbesondere deshalb, weil die Abteilungen Produktmanagement und Technik der H. Gruppe nach genauerer Prüfung der Module zu dem Ergebnis gekommen waren, dass – trotz der Qualität der Module – diese so stark auf die Zielgruppe (Call-Center) der Schuldnerin zugeschnitten waren, dass sie nicht ohne zusätzliche Produktionskosten in die E-Learning-Bibliothek der H. Akademie integriert werden konnten. Zur Abgabe konkreter Kaufangebote ist es daher zu keiner Zeit mehr gekommen. Dass es neben der H. Akademie noch andere Interessenten für die Module gegeben hätte, war weder dem Zeugen bekannt, noch hat der Beklagte dies vorgetragen. Unstreitig hat er selbst für seine jetzige einzelkaufmännische Tätigkeit auf demselben Sektor wie die Schuldnerin kein Interesse an einem Ankauf der Module gehabt. Im Ergebnis hat der Beklagte damit nicht zu belegen vermocht, dass die streitgegenständlichen E-Learn-Module für Call-Center im Wege der Liquidation – unabhängig von der Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin - auf einem entsprechenden Markt für derartige Produkte zu irgendeinem Kaufpreis Abnehmer gefunden hätten. Dem Beklagten als Branchenkenner ist es im Ergebnis nicht gelungen, die Module zu verkaufen. Da ein Marktpreis für die Module offensichtlich nicht existent und nicht zu erzielen war, kommt es nicht darauf an, ob der bei den damaligen Verhandlungen mit dem Zeugen F. genannte mögliche Kaufpreis angesichts der Herstellungskosten der Module ein „Schnäppchen“ (so F.) gewesen wäre.

49

b) Pkw Range Rover:

50

Der Beklagte hat das Fz. in der Bilanz per 31.12.2011 mit dem Anschaffungswert von netto € 56.218,49 (Rechnung J.-K. vom 20.12.2011, Anlage B7) angesetzt. Das Fahrzeug wurde unstreitig noch im Dezember 2011 für die Schuldnerin zum Straßenverkehr zugelassen, auch wenn es erst im Januar 2012 an die Schuldnerin ausgeliefert wurde. Damit war das Fahrzeug kein Neufahrzeug mehr, das im Liquidationsfall noch zum Werksneupreis verkauft werden konnte. Bereits durch die Erstzulassung in 12/2011 hat das Fahrzeug - ohne dass es bewegt wurde – einen merkantilen Minderwert erlitten, der abzuschreiben war. Diesen Minderwert bemisst das Gericht im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO auf mindestens € 2.800,00 (ca. 5 % des Anschaffungswertes). Auf den von dem Beklagten per 30.07.2012 im Insolvenzantrag nach angeblichem Blechschaden und gelaufenen 10.000 km angegebenen Wert von lediglich € 45.000,00 kommt es insoweit nicht an.

51

c) Forderung gegen die V.:
Diese Forderung wurde in der Handelsbilanz zu Unrecht aktiviert und hat auch im Rahmen der Überschuldungsbilanz außer Betracht zu bleiben. Die Forderung war von der V. vollen Umfangs bestritten und Gegenstand eines laufenden Rechtsstreits, der am Ende gegen die Schuldnerin ausging. Die Aktivierung einer Forderung setzt jedoch voraus, dass diese einen realisierbaren Vermögenswert darstellt und durchsetzbar ist (BGH vom 18.10.2010, II ZR 151/09 m.w.N.). Das mit dem Vorsichtsprinzip verbundene Realisationsprinzip erfordert, dass nur hinreichend sichere Ansprüche in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Nach dem (auch steuerrechtlich zu beachtenden) Vorsichtigkeitsprinzip des Handelsbilanzrechts (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG 2002 und § 8 Abs. 1 KStG 2002) dürfen Forderungen, die in vollem Umfang bestritten werden, erst dann aktiviert und als realisierte Erträge erfasst werden, wenn (und soweit) sie entweder rechtskräftig festgestellt oder vom Schuldner anerkannt worden. Vorher ist nur der Ansatz eines Erinnerungspostens zulässig. (vgl. BFH Urteil vom 26.02.2014 IR 12/14 BFHNV 2014 S. 1544)

52

d) Pkw VW Polo:

53

Stille Reserven waren insoweit nicht zu aktivieren, weil tatsächliche Anknüpfungspunkte für einen höheren Fahrzeugwert als in der Handelsbilanz angesetzt, von dem Beklagten nicht vorgetragen sind.

54

e) Sonstige stille Reserven bei den Passiva:

55

Substantiierter Vortrag des Beklagten dazu, welche in der Handelsbilanz angesetzten Verbindlichkeiten tatsächlich nicht oder nur zu geringeren Werten bestehen sollen, liegt nicht vor. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob und welche der Verbindlichkeiten von dem Kläger im Insolvenzverfahren gegenüber den Forderungsanmeldern bestritten wurden. Dies kann unterschiedliche Motive haben und u.a. auf fehlender Information über die Anspruchsgründe beruhen. Eine Modifizierung der handelsbilanziellen Ansätze in der Überschuldungsbilanz ergibt sich daher nicht.

56

Ergebnis Überschuldungsbilanz per 31.12.2011:

57

Eigenkapital laut Handelsbilanz

 € 41.267,98

abzüglich E-Learn-Module

./. € 50.983,78

abzüglich Pkw Range Rover

./. € 2.800,00

abzüglich Forderung gegen V.

 ./. € 41.126,40

Überschuldung

 ./. € 53.642,20

58

4. Damit war die Schuldnerin im Ergebnis per 31.12.2012 insolvenzrechtlich deutlich überschuldet. Dies war dem Beklagten zuzurechnen.

59

Das für die Haftung gemäß § 64 GmbHG erforderliche Verschulden des Beklagten ist nach den Umständen gegeben. Nach herrschender Rechtsauffassung, der sich das erkennende Gericht anschließt, ist hinsichtlich sämtlicher anspruchsbegründender Tatsachen Fahrlässigkeit als Verschuldensgrad ausreichend. Maßstab ist dafür die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes ohne Rücksicht auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers. Das Verschulden ist bei Vorliegen der objektiven Tatbestandsmerkmale der Haftung indiziert. Die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt der Geschäftsführer (vgl. Baumbach / Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 84 und Rn. 93 n. w. N.). Für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs.1 GmbHG genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH vom 20.11.1999, II ZR 273/98; vom 14.05.2007, II ZR 48/06 und vom 18.10.2010, II ZR 151/09). Der Beklagte hat sich insoweit nicht entlastet. Allein, dass seine Steuerberaterin mit ihm der Meinung gewesen sei, dass es richtig sei, die E-Learn-Module per 31.12.2011 in der Handelsbilanz zu aktivieren, ändert nichts an der Erkennbarkeit der Überschuldung im Rahmen der Prüfungspflicht des Beklagten.

60

5. Ausgenommen von der Erstattungspflicht nach § 64 S. 2 GmbHG sind lediglich diejenigen Zahlungen, die auch nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Dazu gehören insbesondere solche Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse führen bzw. Zahlungen bei vollwertiger Gegenleistung und Zahlungen, die erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern. Da es sich nach der Gesetzessystematik insoweit um eine Ausnahme von der Geschäftsführerhaftung handelt, war es Sache des Beklagten, substantiiert darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, aus welchen Umständen sich das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes hinsichtlich jeder einzelnen Zahlung ergeben soll. Substantiierter Vortrag liegt insoweit nicht vor.

61

Soweit der Beklagte darauf verweist, die bezahlten Kosten für Seminarreferenten und Seminarräume seien mit Gewinnen aus diesen Seminaren überkompensiert, ist dies unsubstantiiert und mangels näherer Darlegung der sich aus den jeweiligen Seminaren ergebenden Überschüsse im Einzelnen weder einlassungsfähig noch nachvollziehbar

62

Dies gilt auch hinsichtlich des Einwandes, die Schuldnerin habe durch die Bezahlung des Umsatzsteueranteils an den streitgegenständlichen Zahlungen keinen Nachteil gehabt. Die o.g. Voraussetzungen für gerechtfertigte Zahlungen liegen auch insoweit nicht vor. Es genügt nicht, dass die Umsatzsteuer zu irgendeinem späteren Zeitpunkt erstattet bzw. verrechnet wird. Die Aussicht auf eine mögliche Umsatzsteuererstattung ist keine Gegenleistung für die Zahlung im obigen Sinne, zumal nicht feststeht, wann und ob sie überhaupt erfolgt oder vom Finanzamt mit fälligen anderen Steuerschulden o.ä. verrechnet wird.

63

6. Die Aufrechnung des Beklagten führt nicht zum Erfolg. Aufgrund der Kündigung des Klägers handelt es sich allenfalls um Mieten für die Zeit ab Insolvenzeröffnung am 18.09.2012 bis 31.12.2012. Der Vortrag des Beklagten, der Kläger müsse auch danach weiter zahlen, weil er die Räume nicht vom Inventar geräumt habe, ist vor dem Hintergrund der unstreitigen Korrespondenz der Parteien (Anlagen K21, K22, K23) unsubstantiiert. Deren letzter Stand war, dass alles Inventar durch den Beklagten entsorgt wird und lediglich noch die Geschäftsunterlagen der letzten beiden Jahre von dem Kläger durch einen Beauftragten abgeholt werden. Die übrigen Geschäftsunterlagen unterfielen der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht des Beklagten als Geschäftsführer gemäß § 74 Abs.2 GmbHG. Wo der Beklagte diese Pflicht erfüllte, war seine Sache.

64

Auch hinsichtlich der Mietforderungen vom 18.09.2012 bis 31.12.2012 kann der Beklagte als Altmassegläubiger nicht gegenüber der Klagforderung aufrechnen. Der Kläger hat am 20.01.2015 (Anlage K24) gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Damit greift gemäß § 210 InsO das Vollstreckungsverbot wegen einer Masseverbindlichkeit ein. Zwar ist dem Massegläubiger gemäß § 53 InsO eine Vorwegbefriedigung garantiert. Diese Privilegierung wird jedoch mit der Folge eines Aufrechnungsverbots bei sinngemäßer Anwendung des § 96 Abs.1 Nr.1 InsO dann wieder aufgehoben, wenn die Masse nicht zur Befriedigung aller Massegläubiger reicht (vgl. FG Köln, Urteil vom 18.01.2006 – 11 K 2199/05 Rn. 22, zitiert nach juris, m.w.N. ).

65

7. Dem Hilfsantrag des Beklagten war in der tenorierten Weise zu entsprechen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 11. Juli 2005 (ZIP 2005, 550 f.) bleibt dem Beklagten vorbehalten, seinen Gegenanspruch, der sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, den die durch die Zahlungen begünstigten Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätten, nach Erstattung an die Masse gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen.

66

8. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

67

9. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

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bei uns veröffentlicht am 27.10.2022

Streitgegenständlich ist vorliegend die Ersatzpflicht des GmbH-Geschäftsführers einer insolventen Gesellschaft. Für den Beginn der Ersatzpficht des Geschäftsführers gem. § 64 Abs. 2 GmbHG (aF: weggefallen; nF: §

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Okt. 2010 - II ZR 151/09

bei uns veröffentlicht am 18.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES Urteil II ZR 151/09 Verkündet am: 18. Oktober 2010 Stoll Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Fleis

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Mai 2007 - II ZR 48/06

bei uns veröffentlicht am 14.05.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 48/06 Verkündet am: 14. Mai 2007 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landgericht Hamburg Urteil, 17. Jan. 2017 - 411 HKO 112/15.

Hanseatisches Oberlandesgericht Urteil, 13. Okt. 2017 - 11 U 53/17

bei uns veröffentlicht am 13.10.2017

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 11 für Handelssachen, vom 17. Januar 2017, Geschäfts-Nr. 411 HKO 112/15, wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das

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(1) Bei der Bewertung der im Jahresabschluß ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden gilt insbesondere folgendes:

1.
Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahrs übereinstimmen.
2.
Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
3.
Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten.
4.
Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.
5.
Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen.
6.
Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden sind beizubehalten.

(2) Von den Grundsätzen des Absatzes 1 darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.

Setzt der Mieter nach Ablauf der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache fort, so verlängert sich das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit, sofern nicht eine Vertragspartei ihren entgegenstehenden Willen innerhalb von zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Die Frist beginnt

1.
für den Mieter mit der Fortsetzung des Gebrauchs,
2.
für den Vermieter mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erhält.

(1) Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.

(2) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

Erscheint der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht, so ist auf Antrag das Versäumnisurteil dahin zu erlassen, dass der Kläger mit der Klage abzuweisen sei.

(1) Bei einer juristischen Person ist auch die Überschuldung Eröffnungsgrund.

(2) Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen oder aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, für die gemäß § 39 Abs. 2 zwischen Gläubiger und Schuldner der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 bezeichneten Forderungen vereinbart worden ist, sind nicht bei den Verbindlichkeiten nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(3) Ist bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere Gesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 151/09
Verkündet am:
18. Oktober 2010
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fleischgroßhandel

a) Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Ersatzanspruch nach
§ 64 Abs. 2 GmbHG aF (= § 64 Satz 1 GmbHG nF) geltend und beruft er sich dabei auf eine Überschuldung
der Gesellschaft i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung, hat
er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs
- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose - mit der Folge einer Bewertung des
Vermögens zu Fortführungswerten - obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; BGH, Urteil vom 27. April 2009
- II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).

b) Die Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt
voraus, dass der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2010 durch den Richter Dr. Strohn, die Richterin Caliebe
und die Richter Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. Fleischgroßhandel GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde am 24. Oktober 2007 auf Eigenantrag vom 28. September 2007 eröffnet.
2
Der Kläger begehrt von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG aF Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe von 118.280,01 € zzgl. Zinsen, die der Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 13. September 2007 vom Geschäftskonto (29.258,72 €) und aus Kassenbeständen (89.021,29 €) der Schuldnerin geleistet hat.
3
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin ab dem 1. Juli 2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per 1. Juli 2007 jedenfalls 60.967,13 € betrugen, ist umstritten, ob Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der Schuldnerin ebenfalls - zumindest teilweise - zu passivieren sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva der Schuldnerin zum Stichtag 1. Juli 2007, und zwar zum einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 2.436 € sowie eine Mietkaution in Höhe von 9.400 € im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.
4
Das Landgericht hat den Beklagten unter Vorbehalt seiner Rechte im Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger habe eine Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan. Auszugehen sei von einem Forderungsbestand der Schuldnerin per 1. Juli 2007 von 39.361,15 € der sich einer vom Kläger nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Aufstellung des Beklagten entnehmen lasse. Zu aktivieren sei zudem ein Betriebskostenguthaben i.H.v. 2.436 €, so dass unter Berücksichtung der weiteren Aktiva wie Bar- und Guthabenvermögen sowie des Wertes der Betriebs- und Geschäftsausstattung eine rechnerische Unterdeckung von nur noch 1.169,98 € gegeben sei. Ob diese verbleibende Deckungslücke objektiv durch die Aktivierung des Mietkautionsguthabens i.H.v. 9.400 € zu schließen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls könne dem Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, wenn er dieses Kautionsguthaben zumindest zu einem Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe. Eine Passivierung von zukünftigen Mietforderungen komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe und deshalb eine Erwirtschaftung der jeweils fälligen Miete aus den Erträgen der Gesellschaft nicht in Betracht gekommen sei.
8
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Das Berufungsgericht ist sowohl bei der Verneinung einer Überschuldung i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung (nachfolgend: InsO aF; zur Anwendbarkeit auf Altfälle vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10) als auch bei den Feststellungen zum Verschulden des Beklagten von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.

10
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan.
11
a) Gemäß § 19 Abs. 2 InsO aF liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO aF folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortführungsprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).
12
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Kläger auferlegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten aus schwebenden - d.h. zum Stichtag der Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllten - Verträgen , zu denen insbesondere auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 98; K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43), im Überschuldungsstatus zu passivieren sind (vgl. K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 125, Temme, Die Er- öffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997, S. 173 f. mwN; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 63 Rn. 45). Das Berufungsgericht ist jedoch der Frage , ob die noch nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt 196.800 € zumindest teilweise zu passivieren seien, mit der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen , der Kläger habe nicht dargelegt, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.
13
c) Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass per 1. Juli 2007 eine positive Fortführungsprognose bestand, so dass die Entscheidung des Berufungsgerichts sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Dem Vorbringen des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags- und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 44 ff. mwN). Es sind auch im Übrigen keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen könnten. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass die Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem 1. Juli 2007 "von der Hand in den Mund" gelebt, d.h. die nur geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben , indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden von Wirtschaftsprü- fern oder Wirtschaftsberatern erstellt, kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei Wochen zu haben gewesen. Der Beklagte hat im Übrigen ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, "dass es nicht mehr weitergehe", Verhandlungen mit Gläubigern geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus dem Kreise der Familie über 30.000 € unter der Voraussetzung erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde. Aus dem Schreiben der G. GmbH & Co. KG ergibt sich lediglich , dass dieser Gläubiger (erst) am 1. Oktober 2007 einem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der Beklagte lediglich "bestritten", dass "keine Sanierungsbemühungen stattgefunden hätten".
14
2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob die nach seinen Feststellungen per 1. Juli 2007 bestehende rechnerische Unterdeckung in Höhe von 1.169,98 € bei zutreffender Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird. Die Begründung, es könne dem Beklagten jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit in Höhe von 9.400 € jedenfalls mit einem geringen Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am 1. Juli 2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass "die Insolvenz in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig aufgezehrt werden würde", verkennt wiederum die Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG aF die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH, Urteil vom 20. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 mwN; BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15). Entsprechende Feststellungen , die eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen könnten , hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zugrunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse darlegen und beweisen, dass der Beklagte mit dem unabänderlichen Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose habe rechnen müssen.
15
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).
16
In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden - nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die noch fehlenden Feststellungen zur Fortführungsprognose und den dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden des Beklagten sowie - soweit erheblich - zur noch zwischen den Parteien als Zahlung umstrittenen Position in Höhe von 694,45 € zu treffen sein.
17
Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.

19
2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die bis zum Ende der festen Laufzeit des Mietvertrages (30. Juni 2011) anfallende Miete anzusetzen ist oder aber - wie es der Kläger selbst vertritt - nur eine Rückstellung mit einem Teilwert angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit letztlich nur eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO realistisch war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch des Vermieters zu bilden waren. Insoweit wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 109 Rn. 11).
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3. Soweit die Revision als Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO rügt, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten handschriftlich erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung des Forderungsbestandes der Schuldnerin angesehen hat, sind Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend substantiiert ist, um den grundsätzlich für den Nachweis einer Überschuldung darlegungs - und beweisbelasteten Kläger in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und zu den Angaben des Beklagten im Einzelnen Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kläger befindlichen Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde. Dies hat auch das Berufungsgericht festgestellt. Es obliegt deshalb dem Kläger, diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert vorzutragen, welche von dem Beklagten aufgelisteten Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen haben.

21
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass eine teleologische Korrektur des Zahlungsbegriffs des § 64 Abs. 2 GmbHG aF dahingehend, dass es auf einen Vergleich des Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung und deren Ende ankommt, nicht der Rechtsprechung des Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen, weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006 mwN). Dass diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben sind, ist nicht festgestellt.
Strohn Caliebe Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.01.2009 - 419 O 35/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 11 U 40/09 -

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 151/09
Verkündet am:
18. Oktober 2010
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fleischgroßhandel

a) Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Ersatzanspruch nach
§ 64 Abs. 2 GmbHG aF (= § 64 Satz 1 GmbHG nF) geltend und beruft er sich dabei auf eine Überschuldung
der Gesellschaft i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung, hat
er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs
- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose - mit der Folge einer Bewertung des
Vermögens zu Fortführungswerten - obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; BGH, Urteil vom 27. April 2009
- II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).

b) Die Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt
voraus, dass der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2010 durch den Richter Dr. Strohn, die Richterin Caliebe
und die Richter Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. Fleischgroßhandel GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde am 24. Oktober 2007 auf Eigenantrag vom 28. September 2007 eröffnet.
2
Der Kläger begehrt von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG aF Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe von 118.280,01 € zzgl. Zinsen, die der Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 13. September 2007 vom Geschäftskonto (29.258,72 €) und aus Kassenbeständen (89.021,29 €) der Schuldnerin geleistet hat.
3
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin ab dem 1. Juli 2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per 1. Juli 2007 jedenfalls 60.967,13 € betrugen, ist umstritten, ob Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der Schuldnerin ebenfalls - zumindest teilweise - zu passivieren sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva der Schuldnerin zum Stichtag 1. Juli 2007, und zwar zum einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 2.436 € sowie eine Mietkaution in Höhe von 9.400 € im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.
4
Das Landgericht hat den Beklagten unter Vorbehalt seiner Rechte im Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger habe eine Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan. Auszugehen sei von einem Forderungsbestand der Schuldnerin per 1. Juli 2007 von 39.361,15 € der sich einer vom Kläger nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Aufstellung des Beklagten entnehmen lasse. Zu aktivieren sei zudem ein Betriebskostenguthaben i.H.v. 2.436 €, so dass unter Berücksichtung der weiteren Aktiva wie Bar- und Guthabenvermögen sowie des Wertes der Betriebs- und Geschäftsausstattung eine rechnerische Unterdeckung von nur noch 1.169,98 € gegeben sei. Ob diese verbleibende Deckungslücke objektiv durch die Aktivierung des Mietkautionsguthabens i.H.v. 9.400 € zu schließen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls könne dem Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, wenn er dieses Kautionsguthaben zumindest zu einem Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe. Eine Passivierung von zukünftigen Mietforderungen komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe und deshalb eine Erwirtschaftung der jeweils fälligen Miete aus den Erträgen der Gesellschaft nicht in Betracht gekommen sei.
8
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Das Berufungsgericht ist sowohl bei der Verneinung einer Überschuldung i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung (nachfolgend: InsO aF; zur Anwendbarkeit auf Altfälle vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10) als auch bei den Feststellungen zum Verschulden des Beklagten von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.

10
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan.
11
a) Gemäß § 19 Abs. 2 InsO aF liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO aF folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortführungsprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).
12
b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Kläger auferlegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten aus schwebenden - d.h. zum Stichtag der Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllten - Verträgen , zu denen insbesondere auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 98; K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43), im Überschuldungsstatus zu passivieren sind (vgl. K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 125, Temme, Die Er- öffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997, S. 173 f. mwN; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 63 Rn. 45). Das Berufungsgericht ist jedoch der Frage , ob die noch nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt 196.800 € zumindest teilweise zu passivieren seien, mit der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen , der Kläger habe nicht dargelegt, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.
13
c) Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass per 1. Juli 2007 eine positive Fortführungsprognose bestand, so dass die Entscheidung des Berufungsgerichts sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Dem Vorbringen des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags- und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 44 ff. mwN). Es sind auch im Übrigen keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen könnten. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass die Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem 1. Juli 2007 "von der Hand in den Mund" gelebt, d.h. die nur geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben , indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden von Wirtschaftsprü- fern oder Wirtschaftsberatern erstellt, kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei Wochen zu haben gewesen. Der Beklagte hat im Übrigen ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, "dass es nicht mehr weitergehe", Verhandlungen mit Gläubigern geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus dem Kreise der Familie über 30.000 € unter der Voraussetzung erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde. Aus dem Schreiben der G. GmbH & Co. KG ergibt sich lediglich , dass dieser Gläubiger (erst) am 1. Oktober 2007 einem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der Beklagte lediglich "bestritten", dass "keine Sanierungsbemühungen stattgefunden hätten".
14
2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob die nach seinen Feststellungen per 1. Juli 2007 bestehende rechnerische Unterdeckung in Höhe von 1.169,98 € bei zutreffender Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird. Die Begründung, es könne dem Beklagten jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit in Höhe von 9.400 € jedenfalls mit einem geringen Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am 1. Juli 2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass "die Insolvenz in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig aufgezehrt werden würde", verkennt wiederum die Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG aF die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH, Urteil vom 20. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 mwN; BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15). Entsprechende Feststellungen , die eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen könnten , hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zugrunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse darlegen und beweisen, dass der Beklagte mit dem unabänderlichen Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose habe rechnen müssen.
15
III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).
16
In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden - nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die noch fehlenden Feststellungen zur Fortführungsprognose und den dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden des Beklagten sowie - soweit erheblich - zur noch zwischen den Parteien als Zahlung umstrittenen Position in Höhe von 694,45 € zu treffen sein.
17
Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
18
1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.

19
2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die bis zum Ende der festen Laufzeit des Mietvertrages (30. Juni 2011) anfallende Miete anzusetzen ist oder aber - wie es der Kläger selbst vertritt - nur eine Rückstellung mit einem Teilwert angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit letztlich nur eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO realistisch war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch des Vermieters zu bilden waren. Insoweit wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 109 Rn. 11).
20
3. Soweit die Revision als Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO rügt, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten handschriftlich erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung des Forderungsbestandes der Schuldnerin angesehen hat, sind Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend substantiiert ist, um den grundsätzlich für den Nachweis einer Überschuldung darlegungs - und beweisbelasteten Kläger in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und zu den Angaben des Beklagten im Einzelnen Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kläger befindlichen Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde. Dies hat auch das Berufungsgericht festgestellt. Es obliegt deshalb dem Kläger, diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert vorzutragen, welche von dem Beklagten aufgelisteten Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen haben.

21
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass eine teleologische Korrektur des Zahlungsbegriffs des § 64 Abs. 2 GmbHG aF dahingehend, dass es auf einen Vergleich des Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung und deren Ende ankommt, nicht der Rechtsprechung des Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen, weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006 mwN). Dass diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben sind, ist nicht festgestellt.
Strohn Caliebe Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.01.2009 - 419 O 35/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 11 U 40/09 -

(1) Bei der Bewertung der im Jahresabschluß ausgewiesenen Vermögensgegenstände und Schulden gilt insbesondere folgendes:

1.
Die Wertansätze in der Eröffnungsbilanz des Geschäftsjahrs müssen mit denen der Schlußbilanz des vorhergehenden Geschäftsjahrs übereinstimmen.
2.
Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.
3.
Die Vermögensgegenstände und Schulden sind zum Abschlußstichtag einzeln zu bewerten.
4.
Es ist vorsichtig zu bewerten, namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlußstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekanntgeworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.
5.
Aufwendungen und Erträge des Geschäftsjahrs sind unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen im Jahresabschluß zu berücksichtigen.
6.
Die auf den vorhergehenden Jahresabschluss angewandten Bewertungsmethoden sind beizubehalten.

(2) Von den Grundsätzen des Absatzes 1 darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgewichen werden.

(1)1Bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Absatz 1 Satz 1), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde ein anderer Ansatz gewählt.2Voraussetzung für die Ausübung steuerlicher Wahlrechte ist, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden.3In den Verzeichnissen sind der Tag der Anschaffung oder Herstellung, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts und die vorgenommenen Abschreibungen nachzuweisen.

(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.

(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.

(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.

(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn

1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder
2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
2Eine nach Satz 1 Nummer 2 gebildete Rückstellung ist spätestens in der Bilanz des dritten auf ihre erstmalige Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.

(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.

(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.

(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen

1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen;
2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
2Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme im Sinne des Satzes 1 den Betrag des § 6 Absatz 2 Satz 1 nicht übersteigt; das Wahlrecht ist einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen im Sinne des Satzes 1 auszuüben.3Auf der Aktivseite sind ferner anzusetzen
1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen,
2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.

(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.

(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.

(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.

(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.

(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.

(4) (weggefallen)

(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.

(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.

(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind

1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben;
2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
2Ein Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört.

(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.

(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:

1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;
2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;
3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
2Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln.3Die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit führt zu einer neuen, gesonderten Sparte; Entsprechendes gilt für die Aufgabe einer solchen Tätigkeit.4Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte ausgeglichen oder nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden.5Er mindert jedoch nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes die positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, die sich in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Veranlagungszeiträumen für dieselbe Sparte ergeben.6Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht mehr vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden; hiernach nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Beträge sowie verbleibende Verlustvorträge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttätigkeiten ausgeübt werden, entfallen.7Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 erst ab einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt anzuwenden; ein bis zum Eintritt der Voraussetzungen entstandener Verlust kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden; ein danach verbleibender Verlust ist der Sparte zuzuordnen, in denen keine Dauerverlustgeschäfte ausgeübt werden.8Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende negative Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte ist gesondert festzustellen; § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend.9Die §§ 3a und 3c Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden; § 3a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ist für die Kapitalgesellschaft anzuwenden.

(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 29.11.1999 

Az.: II ZR 273/98

 

a) Für den Beginn des mit der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bewehrten Zahlungsverbots gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG genügt die für ihn erkennbare Überschuldung (oder Zahlungsunfähigkeit) der GmbH. Die Beweislast für fehlende Erkennbarkeit trifft den Geschäftsführer.

b) Der von dem Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH veranlaßte Einzug eines Kundenschecks auf ein debitorisches Bankkonto der GmbH ist grundsätzlich als eine zur Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG führende "Zahlung" (an die Bank) zu qualifizieren.

 

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 1999 durch den Vorsitzenden Richter

Dr. h. c. Röhricht, die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin Münke

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. August 1998 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 2. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungs und des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem am 14. August 1996 eröffneten Konkurs über das Vermögen der K. GmbH, deren geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter der Beklagte war. Er reichte in der Zeit zwischen dem 27. November 1995 und dem 12. Juni 1996 acht Schecks von Kunden der Gemeinschuldnerin in Höhe eines Gesamtbetrages von 68.147,69 DM zur Gutschrift auf das debitorisch geführte Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin bei der V. bank B. ein.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger von dem Beklagten aus § 64 Abs. 2 GmbHG Erstattung der auf dem debitorischen Konto verrechneten Scheckbeträge, weil dadurch die Haftungsmasse der nach seinem Vortrag schon längere Zeit vor Einreichung des ersten der acht Schecks konkursreifen Gemeinschuldnerin zum Nachteil ihrer übrigen Gläubiger geschmälert worden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

I.

Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen rechtzeitiger Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schuldet der Beklagte dem Kläger Ersatz der auf das debitorische Konto der Gemeinschuldnerin eingezogenen Scheckbeträge gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG.

1. a) Die Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Gemeinschuldnerin spätestens Anfang November 1995 bei Ansatz von Liquidationswerten (rechnerisch) überschuldet war, der Beklagte die Fortführung ihres Unternehmens rechtfertigende Umstände nicht dargetan hat und er deshalb schon vor Einreichung des ersten der acht Schecks hätte Konkursantrag stellen müssen (§ 64 Abs. 1 GmbHG; vgl. BGHZ 126, 181, 199 f.), nimmt die Revision als ihr günstig hin. Sie sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Nach diesen Feststellungen befand sich die Gemeinschuldnerin im November 1994 in einer wirtschaftlichen Situation, in der ein GmbH-Geschäftsführer bei Meidung seiner Ersatzpflicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG grundsätzlich keine masseschmälernden "Zahlungen" mehr leisten darf. Für den Beginn dieses Verbots genügt die bestehende Konkursreife (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung). Auf eine positive "Feststellung" der Überschuldung durch den Geschäftsführer kommt es nicht an. Die scheinbar anderslautende Formulierung in § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ist nur ein inzwischen überholtes Relikt aus der vor dem 1. August 1986 geltenden Fassung des Absatz 1, wonach es bei der Überschuldung auf deren bilanziellen Ausweis ankam (vgl. OLG Hamburg, ZIP 1995, 913; Scholz/K. Schmidt, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 25). Für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 u n d 2 genügt die Erkennbarkeit der Konkursreife für den Geschäftsführer, wobei ein entsprechendes Verschulden zu vermuten ist (vgl. Sen. Urt. v. 1. März 1994 II ZR 61/92 bzw. II ZR 81/94, WM 1994, 1030, 1031 zu II 2. a; Lutter/Hommelhoff, GmbHG 14. Aufl. § 64 Rdn. 10; a. A. Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG 16. Aufl. § 64 Rdn. 18). Diese Vermutung ist von dem Beklagten nicht widerlegt.

2. Das Berufungsgericht meint indessen, der Beklagte hafte deshalb nicht gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG auf Erstattung der Scheckbeträge, weil mit der Einreichung von Kundenschecks auf ein debitorisches Konto der GmbH deren Vermögen nicht geschmälert, sondern ihr finanzielle Mittel zugeführt würden. Zwar werde durch den Scheckeinzug und die Gutschrift auf dem Konto der GmbH auch ihre Schuld gegenüber der Bank vermindert, was aber bei dem vorliegenden Kontokorrentkonto nur vorübergehend sei, weil die GmbH bzw. ihr Geschäftsführer über den zugeflossenen Betrag im Rahmen des ihr eingeräumten Kreditlimits sogleich wieder verfügen und damit z. B. gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG erlaubte, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns in Einklang stehende Zahlungen leisten könne.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand, wie die Revision mit Recht rügt.

a) Sinn und Zweck des mit der Ersatzpflicht des Geschäftsführers bewehrten Zahlungsverbots gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG ist es, die verteilungsfähige Vermögensmasse einer konkursreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende, bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (vgl. Sen. Urt. v. 18. März 1974 II ZR 2/72, WM 1974, 412 = NJW 1974, 1088; Fleck, GmbHR 1974, 224, 230; Scholz/K. Schmidt aaO, § 64 Rdn. 35). Diesem Normzweck wird die Ansicht des Berufungsgerichts nicht gerecht, weil der auf das debitorische Konto eingezogene Scheckbetrag aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet wird und damit im Ergebnis ebenso an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt wird wie in dem Fall, daß der Geschäftsführer mit dem von einem Schuldner der GmbH erhaltenen Barbetrag die Forderung eines ihrer Gläubiger begleicht. Da der Begriff der "Zahlungen" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG dem Zweck der Vorschrift entsprechend weit auszulegen ist (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 64 Rdn. 40), besteht kein rechtserheblicher Unterschied zwischen diesen beiden Zahlungsvorgängen. In beiden Fällen wird der Insolvenzmasse zugunsten der Befriedigung eines Gläubigers ein Betrag entzogen, der anderenfalls zur (teilweisen) Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zur Verfügung stünde. Dementsprechend wird in Rechtsprechung und Schrifttum, soweit dort zu der vorliegenden Frage Stellung genommen wird, durchweg der Scheckeinzug auf ein debitorisches Konto als "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG angesehen (vgl. OLG Hamburg ZIP 1995, 913 mit zustimmender Anm. Bähr EWiR 1995, 587; vgl. auch LG Itzehoe ZIP 1996, 797; Baumbach/Hueck aaO, § 64 Rdn. 13; v. Gerkan in: Röhricht/Graf v. Westphalen, HGB § 130 a Rdn. 10; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 64 Rdn. 25).

b) Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, daß die Verminderung des Debets infolge der Scheckeinlösung eventuell nur vorübergehend ist, weil dadurch der Spielraum des Kontokorrentkredits wieder erweitert und der GmbH die Möglichkeit gegeben wird, über den zugeflossenen Betrag sogleich bis zur Höhe ihres Kreditlimits wieder verfügen zu können. Denn dies ändert nichts daran, daß der Scheckbetrag im Ergebnis zum Nachteil der Gläubigergesamtheit in der Masse fehlt, der ihr ohne die Verrechnung mit dem Debet sei es als offene Forderung gegenüber dem Schuldner, sei es als vom Geschäftsführer unmittelbar eingezogener und von ihm zu thesaurierender Betrag zur Verfügung stünde, worauf es für § 64 Abs. 2 GmbHG entscheidend ankommt (vgl. Sen. Urt. v. 18. März 1974 aaO). Auf die Möglichkeit weiterer Kreditschöpfung mit Mitteln des debitorischen Kontos kann zumindest nach Entstehung der Konkursantragspflicht gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG schon deshalb nicht abgestellt werden, weil das dem Zweck dieser Pflicht widerspräche. Die durch den Scheckeinzug eventuell ermöglichte Befriedigung anderer Gläubiger mit Mitteln des debitorischen Kontos ist zwar ihrerseits nicht als erneute "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG zu qualifizieren, weil dies lediglich zu einem Gläubigeraustausch bzw. zu einer Umschuldung führt, durch die weder die Masse noch die Quote der Gläubiger berührt werden, abgesehen von der dadurch entstehenden Zinsschuld gegenüber der Bank, deren Begründung keine "Zahlung" darstellt (vgl. BGHZ 138, 211, 217). Auch das ändert aber nichts daran, daß die in das debitorische Konto eingegangene Schecksumme am Ende in der Masse fehlt und dies auf die von dem Geschäftsführer veranlaßte Scheckeinziehung als "Zahlung" i. S. v. § 64 Abs. 2 GmbHG zurückzuführen ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Verrechnung mit dem Debet jeweils sofort im Sinne eines Tagessaldo oder erst nach einer längeren Abrechnungsperiode erfolgt (vgl. dazu Heymann/Horn, HGB 2. Aufl. § 355 Rdn. 31).

Ebensowenig kommt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts darauf an, ob das Kreditlimit der Gemeinschuldnerin zur Zeit der jeweiligen Scheckeinlösungen noch unterschritten oder wie die Revision unter Hinweis auf den vorinstanzlichen Vortrag des Klägers geltend macht bereits überzogen war. Die Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 3. Dezember 1990 II ZR 215/89, ZIP 1991, 445 m. w. N.), wonach die Einzahlung einer Bareinlage auf ein debitorisches Konto der GmbH dann zulässig ist, wenn die Gesellschaft über den Betrag im Rahmen ihres Kreditlimits frei verfügen kann (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), weist keinen Bezug zu der vorliegenden Problematik des § 64 Abs. 2 GmbHG auf. Denn hier geht es nicht um die Kapitalaufbringung und das Interesse der GmbH an der freien Verfügbarkeit des betreffenden Betrages, sondern im Gegensatz dazu um die Masseerhaltung der nicht mehr überlebensfähigen Gesellschaft.

c) Nicht stichhaltig ist auch das eher pragmatische Argument des Berufungsgerichts, von dem Geschäftsführer könne nicht verlangt werden, zum Zwecke der Scheckeinziehung ein neues Konto bei einer anderen Bank einzurichten, weil sich dies namentlich in kleineren Gemeinden "herumsprechen" könne und dadurch die finanzielle Situation der Gesellschaft noch weiter verschlechtert werde. Eine derartige Rücksichtnahme liefe darauf hinaus, dem Geschäftsführer im Widerspruch zu § 64 Abs. 1 GmbHG eine weitere Konkursverschleppung zu ermöglichen. Was für den in § 64 Abs. 2 GmbHG miterfaßten Zeitraum von höchstens drei Wochen zwischen dem Eintritt der Konkursreife und dem Entstehen der Konkursantragspflicht (§ 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) gilt, kann im vorliegenden Fall offenbleiben, weil der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts schon vor Einreichung des ersten Schecks zur Konkursantragstellung verpflichtet gewesen wäre. Zumindest für die Zeit von da an hatte er der Masseerhaltung Priorität einzuräumen und deshalb den Scheckeinzug auf das debitorische Konto zu unterlassen. Da sonach schon die von dem Beklagten durch den Scheckeinzug bewirkte Zahlung an die Bank der Gemeinschuldnerin mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht mehr vereinbar war (§ 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), hat auch die vom Berufungsgericht nur abstrakt und ohne konkrete Feststellungen erörterte Möglichkeit, den durch den Scheckeinzug erweiterten Kreditspielraum zu gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG privilegierten Zahlungen an andere Gläubiger der Gemeinschuldnerin zu nutzen, außer Betracht zu bleiben.

 3. Nach allem schuldet der Beklagte dem Kläger Ersatz der eingezogenen Scheckbeträge gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Ein Abzug einer fiktiven Konkursquote, die auf die Bank der Gemeinschuldnerin ohne die Scheckeinzüge entfallen wäre (vgl. Sen. Urt. v. 1. März 1994 aaO zu II 2. a; Roth/Altmeppen aaO, § 64 Rdn. 26 m. w. N.), kommt hier nicht in Betracht, weil die Bank nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wegen bevorrechtigter Gläubiger ohnehin keine Aussicht auf eine Quote hat.

III.

Da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden und auf die Revision des Klägers das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.

 

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 48/06 Verkündet am:
14. Mai 2007
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AktG §§ 92 Abs. 2, Abs. 3; 93 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 6;

a) Ein organschaftlicher Vertreter, der bei Insolvenzreife der Gesellschaft den sozialoder
steuerrechtlichen Normbefehlen folgend Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung
oder Lohnsteuer abführt, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und
gewissenhaften Geschäftsleiters und ist nicht nach § 92 Abs. 3 AktG oder § 64
Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft gegenüber erstattungspflichtig (- insoweit - Aufgabe
von BGH, Urt. v. 8. Januar 2002 - II ZR 88/99, BGHZ 146, 264; Urt. v.
18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026).

b) Ein organschaftlicher Vertreter einer Gesellschaft verletzt seine Insolvenzantragspflicht
nicht schuldhaft, wenn er bei fehlender eigener Sachkunde zur Klärung des
Bestehens der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, fachlich
qualifizierten Berufsträgers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung
erheblichen Umstände ordnungsgemäß informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle
der ihm daraufhin erteilten Antwort dem Rat folgt und von der Stellung
eines Insolvenzantrags absieht.
BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06 - KG Berlin
LG Berlin
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette
und die Richter Kraemer, Dr. Strohn, Caliebe und Dr. Reichart

für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts vom 22. Dezember 2005 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Beklagte war Vorstand der e. AG (Schuldnerin), die am 10. April 2000 ins Handelsregister eingetragen worden ist. Gegenstand des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin war insbesondere die Entwicklung einer Digitalsignatursoftware und deren Vertrieb (sog. Start-UpUnternehmen ). Das Grundkapital der Gesellschaft betrug zuletzt 205.700,00 €. Aktionäre der Schuldnerin waren mit Aktien im Nennwert von jeweils 80.000,00 € der Beklagte und sein (inzwischen verstorbener) Mitvorstand M. und mit 45.700,00 € die I. -Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: I. ). Diese war außerdem stille Gesellschafterin der Schuldnerin mit einer Einlage von 988.916,00 €. Weitere stille Gesellschafterin war seit dem 17. Januar 2001 die t. -Beteiligungs-Gesellschaft mbH der D. bank mit einer Einlage in Höhe von 1,1 Mio. €.
2
Der Beteiligungsvertrag der I. enthält in § 10 folgende "Rangrücktrittsklausel" : "Der BG (I. ) wird seinen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben in einem gerichtlichen Insolvenz- oder Vergleichsverfahren des BN (Schuldner) im Range nach den übrigen Insolvenz - oder Vergleichsgläubigern geltend machen, jedoch vor den Forderungen der anderen Gesellschafter sowie verbundenen Unternehmen des BN, und soweit es sich um natürliche Personen handelt, deren Angehörigen."
3
Ausweislich der im August 2001 aufgestellten Bilanz zum 31. Dezember 2000 war die Schuldnerin mit einem Betrag von 327.847,70 DM bilanziell überschuldet. Am 17. August 2001 prüfte ein Wirtschaftsprüfer im Auftrag des Beklagten , der hierzu vom Aufsichtsrat angehalten worden war, den Jahresabschluss und kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Schuldnerin zum Abschlussstichtag bilanziell, nicht jedoch "rechtlich überschuldet" gewesen sei, da die Forderung der I. nicht zu passivieren sei. Zahlungsunfähigkeit bestand ausweislich des Gutachtens ebenfalls nicht.
4
In der Zeit vom 7. August bis zum 19. Oktober 2001 veranlasste der Beklagte Lohnsteuerzahlungen sowie Zahlungen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 82.884,80 €. Am 12. November 2001 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin, nachdem die stillen Gesellschafter im Oktober 2001 die Kündigung ihrer Beteiligungen erklärt und die jeweils letzten fälligen Raten auf ihre Beteiligungen nicht mehr gezahlt hatten, was - unstreitig - zur Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin führte.
5
Mit der Klage macht der Insolvenzverwalter den Betrag der oben genannten Zahlungen gemäß §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG gegen den Beklagten geltend mit der Begründung, die Schuldnerin sei bereits zum 31. Dezember 2000 nicht nur bilanziell, sondern auch rechnerisch überschuldet gewesen; diese Überschuldungssituation habe auch noch zur Zeit der streitigen Zahlungen angedauert. Der Beklagte hat sich mit der Behauptung verteidigt, eine rechnerische Überschuldung habe im Hinblick auf den von der I. erklärten Rangrücktritt nicht vorgelegen. Zudem seien die von ihm geleisteten Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers vereinbar gewesen. Darüber hinaus habe er auch nicht schuldhaft gegen die Insolvenzantragspflicht verstoßen, da er fachmännischen Rat eingeholt habe, aufgrund dessen er davon habe ausgehen dürfen, dass bei - unstreitiger - Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin keine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinn vorgelegen habe.
6
Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt; das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

7
Die Revision ist unbegründet.
8
I. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Schuldnerin sei im Zeitpunkt der Zahlungen an die Sozial- und Finanzkassen nicht überschuldet gewesen, da der von der I. erklärte Rangrücktritt ausreichend sei, um ihre Forderung im Überschuldungsstatus der Schuldnerin nicht passivieren zu müssen.
9
II. Gegen die - im Ergebnis - zutreffende Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision ohne Erfolg.
10
Ob die Erklärung der I. , wie das Berufungsgericht gemeint und die Revision mit beachtlichen Gründen in Zweifel gezogen hat, den Anforderungen entspricht, die der Senat im Urteil vom 8. Januar 2001 (BGHZ 146, 264, 271) an einen sogenannten "qualifizierten Rangrücktritt" gestellt hat, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Der Beklagte haftet nämlich jedenfalls deshalb nicht wegen Verletzung der Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 2 und 3, 93 Abs. 2 und 3 Nr. 6 AktG, weil die von ihm geleisteten Zahlungen - selbst wenn die Schuldnerin im Zahlungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet gewesen wäre - nicht pflichtwidrig, sondern mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar waren (1). Darüber hinaus hätte der Beklagte gegen eine möglicherweise bestehende Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verstoßen (2).
11
1. a) Zu Lasten des Vorstandes einer AG, der in der in § 92 AktG beschriebenen Lage der Gesellschaft Zahlungen aus ihrem Gesellschaftsvermögen leistet, wird - ebenso wie zu Lasten des Geschäftsführers einer GmbH in dieser Situation - vermutet, dass er dabei nicht mit der von einem Vertretungsorgan zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 274 jew.m.w.Nachw.). Nach § 92 Abs. 3 Satz 2 AktG (ebenso wie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG) kann er diese Vermutung durch den Nachweis widerlegen , dass die von ihm in der Insolvenzsituation bewirkte Leistung mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar war. Dabei hat der Senat wiederholt (s. zuletzt Urt. v. 18. April 2005 - II ZR 61/03, ZIP 2005, 1026, 1029) erwogen, das Bestreben des Vertretungsorgans, durch Zahlungen von Sozialleistungen und Steuern sich einer persönlichen deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a StGB, aus §§ 34, 69 AO oder der Bestrafung nach § 266 a StGB zu entziehen, sei kein im Rahmen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG beachtlicher Umstand; vielmehr müsse in einem Fall einer durch die unterschiedlichen Normbefehle ausgelösten Pflichten- kollision das deliktische Verschulden verneint (bzw. i.S. des strafrechtlichen Normbefehls das Verhalten als gerechtfertigt angesehen) werden, wenn sich das Vertretungsorgan - gemessen am Maßstab der den Interessen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger dienenden Spezialnormen der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG - normgerecht verhält. Dies hat der Senat damit begründet , dass der Maßstab für ein pflichtgemäßes Verhalten des Vertretungsorgans sich nicht allein nach dessen allgemeinen Verhaltenspflichten bestimme, bei seiner Amtsführung Recht und Gesetz zu wahren; der Maßstab sei vielmehr an dem besonderen Zweck der §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbH auszurichten , die verteilungsfähige Vermögensmasse einer insolvenzreifen Gesellschaft im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger zu erhalten und eine zu ihrem Nachteil gehende bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger zu verhindern (BGHZ 146 aaO 274 f. m.w.Nachw.). Die Befriedigung der Gläubiger soll dem später eingesetzten Insolvenzverwalter überlassen bleiben, der im eröffneten Verfahren für eine gleichmäßige und rangrichtige Bedienung der offenen Forderungen zu sorgen hat. Aus dieser Sicht des mit §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG verfolgten Zwecks erschien es dem Senat näher liegend, die in diesen Vorschriften niedergelegten Pflichten als allgemeinem Interesse dienend im Rahmen der Pflichtenkollision des Vertretungsorgans - trotz der fehlenden Strafbewehrung - vorrangig anzusehen, zumal nach der Abschaffung des Vorrangs der Forderungen der Sozial- und Finanzkassen durch die Einführung der Insolvenzordnung keine Rechtfertigung mehr dafür bestehe, der Pflicht zur Erfüllung der dort bestehenden Forderungen deswegen durchschlagende Bedeutung beizumessen, weil sie sich hinsichtlich der Sozialversicherungsforderungen auf die Strafvorschrift des § 266 a StGB zurückführen ließe (vgl. Sen.Urt. v. 18. April 2005 aaO).
12
b) Hieran hält der Senat nach erneuter Überprüfung im Hinblick auf die inzwischen gefestigte Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichts- hofes (Beschl. v. 21. September 2005 - 5 StR 263/05, ZIP 2005, 1678 ff.), nach der der vom Senat erwogene Vorrang der im Interesse aller Gläubiger angeordneten Massesicherungspflicht angesichts der Strafandrohung einer Nichtabführung von Sozialabgaben nicht anerkannt werden kann, nicht fest. Mit Rücksicht auf die Einheit der Rechtsordnung kann es dem organschaftlichen Vertreter nicht angesonnen werden, die Massesicherungspflicht nach §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG zu erfüllen und fällige Leistungen an die Sozialkassen oder die Steuerbehörden nicht zu erbringen, wenn er sich dadurch strafrechtlicher Verfolgung aussetzt. Sein die entsprechenden sozial- und steuerrechtlichen Vorschriften befolgendes Verhalten muss deswegen im Rahmen der bei §§ 92 Abs. 3 AktG, 64 Abs. 2 GmbHG anzustellenden Prüfung als mit den Pflichten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar angesehen werden.
13
Danach haftet der Beklagte für die den Gegenstand der Klageforderung bildenden, an die Sozial- und Finanzkassen geleisteten Zahlungen nicht.
14
2. Eine Haftung des Beklagten scheidet auch deshalb aus, weil er eine - möglicherweise bestehende - Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat. Er hat zu der Frage, ob sich die Schuldnerin in einer Situation befand, in der er zur Stellung des Insolvenzantrags verpflichtet war, unabhängigen, fachlich qualifizierten Rat eingeholt mit dem Ergebnis, dass eine derartige Pflicht für ihn nicht bestand. Auf diesen Rat durfte er sich verlassen.
15
a) Die Haftung des Vorstands wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach §§ 92, 93 AktG setzt eben so wie die Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Abs. 2 GmbHG eine schuldhafte Verletzung der Insolvenzantragspflicht voraus (MünchKommAktG/Hefermehl/Spindler 2. Aufl. § 92 Rdn. 29; Hüffer, AktG 7. Aufl. § 93 Rdn. 14; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 64 Rdn. 32 ff. jew.m.w.Nachw.). Für die Haftung des Vertretungsorgans reicht die Erkennbarkeit der Insolvenzreife aus; das Verschulden des Vorstands/Geschäftsführers wird vermutet (BGHZ 143, 184, 185; 146, 264, 277 jew.m.w.Nachw.). Den Vorstand/Geschäftsführer trifft die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er seine Insolvenzantragspflicht nicht schuldhaft verletzt hat.
16
b) Diesen Anforderungen, d.h. dem Nachweis seines mangelnden Verschuldens als Organmitglied, hat der Beklagte genügt. Von dem organschaftlichen Vertreter wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Hierzu gehört insbesondere die Prüfung der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit. Er handelt daher fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und die für die Insolvenzantragspflicht erforderlichen Kenntnisse verschafft (Schmidt-Leithoff aaO Rdn. 19). Dabei muss sich der organschaftliche Vertreter, sollte er nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügen, ggf. extern beraten lassen (BGHZ 126, 181, 199, dort zur Prüfung der positiven Fortführungsprognose; OLG Düsseldorf NZG 1999, 944, 946 zur Feststellung der Überschuldung; Hefermehl /Spindler aaO; Mertens in Kölner Komm.z.AktG, 2. Aufl. § 93 Rdn. 99; Hopt in Großkomm.z.AktG, 4. Aufl. § 73 Rdn. 255 m.w.Nachw.; Wiesner in MünchHdb.d.GesR, Bd. 4 2. Aufl. § 26 Rdn. 7 m.w.Nachw.). Dafür reicht selbstverständlich eine schlichte Anfrage bei einer von dem organschaftlichen Vertreter für fachkundig gehaltenen Person nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass sich das Vertretungsorgan unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen , für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt.
17
Einen diesen Anforderungen genügenden Rat hat der Beklagte hier in Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat der Schuldnerin eingeholt. Bei einem Start-Up-Unternehmen wie der Schuldnerin, das in der Anlaufphase in aller Regel nur Schulden produziert und - wie hier - von Förderdarlehen abhängig ist, ist eine ständige, intensive Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in besonderem Maße erforderlich. Dem genügend hat der Beklagte nach Aufstellung des Jahresabschlusses im August 2001 und Aufdeckung einer bilanziellen Überschuldung im Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat unverzüglich einem Wirtschaftsprüfer den Auftrag erteilt, den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2000 daraufhin zu überprüfen, ob die Gesellschaft nicht nur rechnerisch überschuldet, sondern insolvenzreif war und ein Insolvenzantrag gestellt werden musste. Die Sachkompetenz und Fachkunde eines Wirtschaftsprüfers für eine solche Prüfung steht außer Frage. Dass es sich bei dem Gutachten um ein Gefälligkeitsgutachten gehandelt haben könnte, ist nicht ersichtlich und vom Berufungsgericht auch nicht festgestellt worden.
18
Führt - wie hier - die derart in Auftrag gegebene Prüfung, ob eine Insolvenzsituation vorliegt, zu der fachkundigen und für den organschaftlichen Vertreter bei der gebotenen Plausibilitätskontrolle nachvollziehbaren Feststellung, dass die Gesellschaft weder im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses noch im Prüfungszeitpunkt im insolvenzrechtlichen Sinn überschuldet und sogar die Zahlungsfähigkeit jedenfalls bis zum Jahresende - selbst ohne Zuführung neuen Fremdkapitals - gesichert war, musste der Beklagte - gemessen an der von ihm geforderten Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters - keinen Insolvenzantrag stellen. Es wäre nicht zu rechtfertigen, einem organschaftlichen Vertreter abzuverlangen, unabhängigen, fachkundigen Rat zur Klärung des Bestehens einer Insolvenzlage einzuholen und es ihm gleichwohl als schuldhaften Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten anzulasten, wenn er sich - trotz fehlender eigener ausreichender Sachkunde - dem fachkundigen Rat entsprechend verhält (vgl. Hopt aaO Fn. 873). Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.07.2004 - 14 O 198/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2005 - 23 U 160/04 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 151/09
Verkündet am:
18. Oktober 2010
Stoll
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Fleischgroßhandel

a) Macht der Insolvenzverwalter gegen den Geschäftsführer einer GmbH einen Ersatzanspruch nach
§ 64 Abs. 2 GmbHG aF (= § 64 Satz 1 GmbHG nF) geltend und beruft er sich dabei auf eine Überschuldung
der Gesellschaft i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung, hat
er lediglich die rechnerische Überschuldung anhand von Liquidationswerten darzulegen. Die Darlegungs
- und Beweislast für eine positive Fortführungsprognose - mit der Folge einer Bewertung des
Vermögens zu Fortführungswerten - obliegt dem Geschäftsführer (Bestätigung von BGH, Beschluss
vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; BGH, Urteil vom 27. April 2009
- II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).

b) Die Aktivierung eines Anspruchs auf Rückzahlung einer Mietkaution in der Überschuldungsbilanz setzt
voraus, dass der Anspruch einen realisierbaren Vermögenswert darstellt.
BGH, Urteil vom 18. Oktober 2010 - II ZR 151/09 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Oktober 2010 durch den Richter Dr. Strohn, die Richterin Caliebe
und die Richter Dr. Drescher, Dr. Löffler und Born

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 29. Mai 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. Fleischgroßhandel GmbH (nachfolgend: Schuldnerin). Der Beklagte ist Alleingesellschafter und Alleingeschäftsführer der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde am 24. Oktober 2007 auf Eigenantrag vom 28. September 2007 eröffnet.
2
Der Kläger begehrt von dem Beklagten gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG aF Ersatz für Zahlungen in einer Gesamthöhe von 118.280,01 € zzgl. Zinsen, die der Beklagte im Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 13. September 2007 vom Geschäftskonto (29.258,72 €) und aus Kassenbeständen (89.021,29 €) der Schuldnerin geleistet hat.
3
Die Parteien streiten um die Frage, ob die Schuldnerin ab dem 1. Juli 2007 überschuldet war. Während Einigkeit darüber besteht, dass die Verbindlichkeiten der Schuldnerin per 1. Juli 2007 jedenfalls 60.967,13 € betrugen, ist umstritten, ob Verbindlichkeiten aus einem langfristigen Mietvertrag der Schuldnerin ebenfalls - zumindest teilweise - zu passivieren sind. Kein Einvernehmen herrscht weiter über die Aktiva der Schuldnerin zum Stichtag 1. Juli 2007, und zwar zum einen über den Umfang der Forderungen aus Lieferung/Leistung sowie zum anderen darüber, ob ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 2.436 € sowie eine Mietkaution in Höhe von 9.400 € im Überschuldungsstatus zu aktivieren sind.
4
Das Landgericht hat den Beklagten unter Vorbehalt seiner Rechte im Insolvenzverfahren antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision des Klägers hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger habe eine Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan. Auszugehen sei von einem Forderungsbestand der Schuldnerin per 1. Juli 2007 von 39.361,15 € der sich einer vom Kläger nicht hinreichend substantiiert bestrittenen Aufstellung des Beklagten entnehmen lasse. Zu aktivieren sei zudem ein Betriebskostenguthaben i.H.v. 2.436 €, so dass unter Berücksichtung der weiteren Aktiva wie Bar- und Guthabenvermögen sowie des Wertes der Betriebs- und Geschäftsausstattung eine rechnerische Unterdeckung von nur noch 1.169,98 € gegeben sei. Ob diese verbleibende Deckungslücke objektiv durch die Aktivierung des Mietkautionsguthabens i.H.v. 9.400 € zu schließen sei, könne dahinstehen. Jedenfalls könne dem Beklagten subjektiv nicht vorgeworfen werden, wenn er dieses Kautionsguthaben zumindest zu einem Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe. Eine Passivierung von zukünftigen Mietforderungen komme nicht in Betracht, da der Kläger nicht dargelegt habe, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe und deshalb eine Erwirtschaftung der jeweils fälligen Miete aus den Erträgen der Gesellschaft nicht in Betracht gekommen sei.
8
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
9
Das Berufungsgericht ist sowohl bei der Verneinung einer Überschuldung i.S. des § 19 InsO in der bis zum 17. Oktober 2008 geltenden Fassung (nachfolgend: InsO aF; zur Anwendbarkeit auf Altfälle vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 - II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 10) als auch bei den Feststellungen zum Verschulden des Beklagten von einer unzutreffenden Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen.

10
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Kläger habe die Überschuldung zum 1. Juli 2007 nicht dargetan.
11
a) Gemäß § 19 Abs. 2 InsO aF liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Aus dem Aufbau des § 19 Abs. 2 InsO aF folgt ohne weiteres, dass die Überschuldungsprüfung nach Liquidationswerten in Satz 1 den Regelfall und die nach Fortführungswerten in Satz 2, der eine positive Fortführungsprognose voraussetzt, den Ausnahmefall darstellt. Im Haftungsprozess wegen verbotener Zahlungen nach § 64 Abs. 2 GmbHG aF hat die Geschäftsleitung daher die Umstände darzulegen und notfalls zu beweisen, aus denen sich eine günstige Prognose für den fraglichen Zeitraum ergibt (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; zur Insolvenzverschleppungshaftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF vgl. BGH, Urteil vom 27. April 2009 - II ZR 253/07, ZIP 2009, 1220 Rn. 11).
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b) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft die Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Kläger auferlegt. Zwar ist es im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass es von der Fortführungsprognose abhängen kann, ob Verbindlichkeiten aus schwebenden - d.h. zum Stichtag der Überschuldungsbilanz noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllten - Verträgen , zu denen insbesondere auch Mietverträge gehören können (Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 98; K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43), im Überschuldungsstatus zu passivieren sind (vgl. K. Schmidt/Bitter in Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Vor § 64 Rn. 43; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 125, Temme, Die Er- öffnungsgründe der Insolvenzordnung, 1997, S. 173 f. mwN; Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 63 Rn. 45). Das Berufungsgericht ist jedoch der Frage , ob die noch nicht fälligen Verbindlichkeiten aus dem laufenden Mietvertrag der Schuldnerin in einer Höhe von insgesamt 196.800 € zumindest teilweise zu passivieren seien, mit der unzutreffenden Begründung nicht weiter nachgegangen , der Kläger habe nicht dargelegt, dass zum 1. Juli 2007 keine günstige Fortführungsprognose mehr bestanden habe.
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c) Der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat bislang nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass per 1. Juli 2007 eine positive Fortführungsprognose bestand, so dass die Entscheidung des Berufungsgerichts sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Dem Vorbringen des Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass er subjektiv den Willen zur Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin hatte und objektiv einen Ertrags- und Finanzplan mit einem schlüssigen und realisierbaren Unternehmenskonzept für einen angemessenen Prognosezeitraum aufgestellt hatte (BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2006 - II ZR 303/05, ZIP 2006, 2171 Rn. 3; Haas in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 44 ff. mwN). Es sind auch im Übrigen keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die in Bezug auf den Stichtag eine positive Fortführungsprognose rechtfertigen könnten. Vielmehr hat der Kläger vorgetragen, dass die Schuldnerin im gesamten Zeitraum seit jedenfalls dem 1. Juli 2007 "von der Hand in den Mund" gelebt, d.h. die nur geringen Umsatzerlöse sofort dazu verwendet habe, neue Waren zu kaufen und einen Teil ihrer drängendsten Verbindlichkeiten zu bezahlen. Es habe weder einen Liquiditätsplan noch eine Gewinn- und Verlustrechnung noch ein Sanierungskonzept gegeben, auch keine Sanierungsbemühungen oder Sanierungsaussichten. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Er hat vielmehr konkludent zugestanden, keinen Sanierungsplan gehabt zu haben , indem er geltend gemacht hat, solche Pläne würden von Wirtschaftsprü- fern oder Wirtschaftsberatern erstellt, kosteten mindestens zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro und seien nicht auf Knopfdruck innerhalb von drei Wochen zu haben gewesen. Der Beklagte hat im Übrigen ohne Angabe von Einzelheiten nur pauschal behauptet, ab Mitte August, als ihm die Erkenntnis gekommen sei, "dass es nicht mehr weitergehe", Verhandlungen mit Gläubigern geführt zu haben, um eine Zahlungsvereinbarung zustande zu bringen. Außerdem habe er eine Darlehenszusage aus dem Kreise der Familie über 30.000 € unter der Voraussetzung erhalten, dass auch die Gläubiger in einen teilweisen Forderungsverzicht einwilligen würden. In der Berufungsverhandlung hat er dagegen geltend gemacht, es sei bereits im Mai oder Juni klar gewesen, dass es nicht zu einem Vergleich mit einem Großgläubiger kommen würde. Aus dem Schreiben der G. GmbH & Co. KG ergibt sich lediglich , dass dieser Gläubiger (erst) am 1. Oktober 2007 einem Vergleichsvorschlag zugestimmt hat. Im Übrigen hat der Beklagte lediglich "bestritten", dass "keine Sanierungsbemühungen stattgefunden hätten".
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2. Das Berufungsgericht hat weiter zu Unrecht offengelassen, ob die nach seinen Feststellungen per 1. Juli 2007 bestehende rechnerische Unterdeckung in Höhe von 1.169,98 € bei zutreffender Bewertung des Mietkautionsguthabens beseitigt wird. Die Begründung, es könne dem Beklagten jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn er die von ihm geleistete Mietsicherheit in Höhe von 9.400 € jedenfalls mit einem geringen Teil als Vermögen der Schuldnerin angesetzt habe, weil er am 1. Juli 2007 nicht damit habe rechnen müssen, dass "die Insolvenz in Zukunft wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage unabänderlich eintreten und das Kautionsguthaben dann durch Verrechnung mit offenen Mieten vollständig aufgezehrt werden würde", verkennt wiederum die Darlegungs- und Beweislast. So genügt für den subjektiven Tatbestand des § 64 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG aF die Erkennbarkeit der Insolvenzreife für den Geschäftsführer, wobei ein Verschulden vermutet wird (BGH, Urteil vom 20. November 1999 - II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 185 mwN; BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 - II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 15). Entsprechende Feststellungen , die eine Widerlegung der Verschuldensvermutung rechtfertigen könnten , hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es hat vielmehr seiner Entscheidung den unzutreffenden Rechtssatz zugrunde gelegt, der klagende Insolvenzverwalter müsse darlegen und beweisen, dass der Beklagte mit dem unabänderlichen Eintritt der Insolvenz wegen einer unbefriedigenden Geschäftslage, mithin mit einer negativen Fortführungsprognose habe rechnen müssen.
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III. Aufgrund der aufgezeigten Rechtsfehler ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).
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In dem neu eröffneten Berufungsverfahren werden - nach ergänzendem Vortrag der Parteien - die noch fehlenden Feststellungen zur Fortführungsprognose und den dementsprechend im Überschuldungsstatus zu aktivierenden und zu passivierenden Positionen, zum Verschulden des Beklagten sowie - soweit erheblich - zur noch zwischen den Parteien als Zahlung umstrittenen Position in Höhe von 694,45 € zu treffen sein.
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Für das weitere Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
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1. Im Hinblick auf das Mietkautionsguthaben ist zu beachten, dass die Aktivierung einer Forderung in der Überschuldungsbilanz voraussetzt, dass diese durchsetzbar ist, sie muss einen realisierbaren Vermögenswert darstellen (Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 19 Rn. 77, 80). Daran fehlt es jedenfalls - wie das Berufungsgericht im Ausgangspunkt richtig erkannt hat -, wenn eine positive Fortführungsprognose nicht besteht. Das hat der Beklagte, wie oben ausgeführt, nicht dargelegt.

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2. Wenn im weiteren Berufungsverfahren von einer negativen Fortführungsprognose auszugehen ist, stellt sich die Frage, in welcher Höhe die zukünftig fällig werdenden Mietforderungen zu passivieren sind. In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die bis zum Ende der festen Laufzeit des Mietvertrages (30. Juni 2011) anfallende Miete anzusetzen ist oder aber - wie es der Kläger selbst vertritt - nur eine Rückstellung mit einem Teilwert angemessen ist. Für die Erforderlichkeit eines Abschlags könnte sprechen, dass wegen einer ggf. fehlenden Fortführungsmöglichkeit letztlich nur eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO realistisch war, mithin Rückstellungen für einen Schadensersatzanspruch des Vermieters zu bilden waren. Insoweit wäre zu prüfen, ob damit gerechnet werden konnte, dass der Vermieter einen Nachmieter gefunden hätte (vgl. auch Uhlenbruck/Wegener, InsO, 13. Aufl., § 109 Rn. 11).
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3. Soweit die Revision als Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO rügt, dass das Berufungsgericht die vom Beklagten handschriftlich erstellte Forderungsaufstellung als genügende Darlegung des Forderungsbestandes der Schuldnerin angesehen hat, sind Rechtsfehler des Berufungsgerichts nicht ersichtlich. Es hat zutreffend ausgeführt, dass die Aufstellung jedenfalls hinreichend substantiiert ist, um den grundsätzlich für den Nachweis einer Überschuldung darlegungs - und beweisbelasteten Kläger in die Lage zu versetzen, seinerseits die bei ihm befindlichen Geschäftsunterlagen durchzusehen und zu den Angaben des Beklagten im Einzelnen Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Aufstellung nach einer Einsichtnahme in die beim Kläger befindlichen Bank- und Kassenunterlagen gefertigt wurde. Dies hat auch das Berufungsgericht festgestellt. Es obliegt deshalb dem Kläger, diese Geschäftsunterlagen zu sichten und substantiiert vorzutragen, welche von dem Beklagten aufgelisteten Forderungen keine Grundlage in den Geschäftsunterlagen haben.

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4. Zu Recht hat das Berufungsgericht erkannt, dass eine teleologische Korrektur des Zahlungsbegriffs des § 64 Abs. 2 GmbHG aF dahingehend, dass es auf einen Vergleich des Vermögens der Schuldnerin bei Eintritt der Insolvenzverschleppung und deren Ende ankommt, nicht der Rechtsprechung des Senats entspricht. Allenfalls dann, wenn mit den vom Geschäftsführer bewirkten Zahlungen ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort verblieben ist, kann erwogen werden, eine Massekürzung und damit einen Erstattungsanspruch gegen das Organmitglied zu verneinen, weil dann der Sache nach lediglich ein Aktiventausch vorliegt (BGH, Urteil vom 31. März 2003 - II ZR 150/02, ZIP 2003, 1005, 1006 mwN). Dass diese Voraussetzungen, insbesondere der Verbleib eines Gegenwerts im Vermögen der Schuldnerin hier gegeben sind, ist nicht festgestellt.
Strohn Caliebe Drescher Löffler Born
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 26.01.2009 - 419 O 35/08 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 29.05.2009 - 11 U 40/09 -

(1) Ist die Liquidation beendet und die Schlußrechnung gelegt, so haben die Liquidatoren den Schluß der Liquidation zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft ist zu löschen.

(2) Nach Beendigung der Liquidation sind die Bücher und Schriften der Gesellschaft für die Dauer von zehn Jahren einem der Gesellschafter oder einem Dritten in Verwahrung zu geben. Der Gesellschafter oder der Dritte wird in Ermangelung einer Bestimmung des Gesellschaftsvertrags oder eines Beschlusses der Gesellschafter durch das Gericht bestimmt.

(3) Die Gesellschafter und deren Rechtsnachfolger sind zur Einsicht der Bücher und Schriften berechtigt. Gläubiger der Gesellschaft können von dem Gericht zur Einsicht ermächtigt werden.

Sobald der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, ist die Vollstreckung wegen einer Masseverbindlichkeit im Sinne des § 209 Abs. 1 Nr. 3 unzulässig.

Aus der Insolvenzmasse sind die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten vorweg zu berichtigen.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.