Landgericht Düsseldorf Urteil, 22. Juli 2014 - 4b O 41/13
Tenor
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) und zu 2) an ihren jeweiligen Geschäftsführern zu vollziehen ist,
zu unterlassen,
Markierungen zur Verwendung in einem magnetomechanischen elektronischen Artikelsicherungssystem in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen und/oder zu besitzen,
wenn diese folgende Merkmale aufweisen:
- ein amorphes magnetostriktives Element,
- ein neben dem magnetostriktiven Element befindliches Vorspannungselement,
- die Markierung weist eine deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve mit einer Steigung auf, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt;
2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die unter Ziffer 1) bezeichneten Handlungen seit dem 22.05.2013 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten
und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt wurden,
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, chronologisch geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer 1) bezeichneten Handlungen seit dem 22.05.2013 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagehöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4. nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1) beschriebenen Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben, wobei ihr das Recht vorbehalten bleibt, die genannten Erzeugnisse selbst zu vernichten und der Klägerin die Vernichtung durch schriftliche Erklärung nachzuweisen;
5. nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1) bezeichneten seit dem 22.05.2013 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis darauf, dass mit dem hiesigen Urteil der patentverletzende Zustand der genannten Erzeugnisse festgestellt wurde, und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I.1) bezeichneten, seit dem 22.05.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 € vorläufig vollstreckbar, wobei die einzelnen titulierten Ansprüche gegen Teilsicherheiten wie folgt vollstreckt werden können:
Unterlassung (I.1), Vernichtung (I.4), Rückruf (I.5):
400.000,00 €
Auskunft und Rechnungslegung (I.2 und I.3):
50.000,00 €
Zahlung (III.):
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages
1
Tatbestand
3Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem europäischen Patent (nachfolgend: Klagepatent, vgl. Anlage K1), das beim DPMA unter dem Aktenzeichen XXX geführt wird (Anlage K1a), auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht in Anspruch.
4Die Klägerin ist seit dem 22.05.2013 eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des in englischer Sprache abgefassten Klagepatents (vgl. Anlage K2). Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 21.08.1997 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 28.08.1996 eingereicht. Die Offenlegung der Anmeldung erfolgte am 05.03.1998. Am 29.12.2004 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung veröffentlicht. Das Klagepatent durchlief ein Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem EPA und wurde in der von der Klägerin im hiesigen Rechtsstreit geltend gemachten Form aufrechterhalten (vgl. die Übersetzung der geänderten europäischen Patentschrift beim DPMA unter dem Aktenzeichen XXX, Anlage K1a). Der Veröffentlichungstag des geänderten Patents beim EPA ist der 16.02.2011. Die Veröffentlichung im Patentblatt erfolgte am 22.06.2011. Das Klagepatent steht in der geänderten Form, die sich aus Anlage K1a ergibt, in Kraft. Die Beklagten zu 1) und zu 2) haben gemeinsam mit der A aus China Nichtigkeitsklage gegen das Klagepatent erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
5Das Klagepatent betrifft magnetomechanische Markierungen, die in Systemen für elektronische Artikelsicherung verwendet werden. Der in diesem Rechtsstreit maßgebliche Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der deutschen Übersetzung wie folgt:
6Markierung (10) zur Verwendung in einem magnetomechanischen elektronischen Artikelsicherungssystem, umfassend:
7Ein amorphes magnetostriktives Element (12); und ein neben dem magnetostriktiven Element befindlichen Vorspannungselement (16), dadurch gekennzeichnet, dass
8die Markierung (10) eine deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve mit einer Steigung aufweist, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt.
9Die nachfolgenden zeichnerischen Darstellungen sind der Klagepatentschrift entnommen.
10Fig. 2 zeigt als Graph, wie die Resonanzfrequenz und die Ausgangssignalamplitude einer herkömmlichen magnetomechanischen Markierung verändert werden, und zwar gemäß der Stärke eines Entmagnetisierungsfeldes, das an die Markierung angelegt ist.
11Figuren 3, 7 und 11 sind der Figur 2 ähnliche Graphen, zeigen aber Änderungen der Resonanzfrequenz und der Ausgangssignalamplitude gemäß der Stärke des angelegten Entmagnetisierungsfeldes für drei verschiedene Ausführungsformen der Erfindung.
12Die Klägerin und weitere Schwestergesellschaften gehören zur Gruppe des B. In der BRD vertreiben Schwestergesellschaften der Klägerin Elektronische-Artikel-Sicherungssysteme (nachfolgend: EAS-Systeme), die die Technologie der Klägerin nutzen. Derartige EAS-Systeme, die auf einer Frequenz von 58KHz betrieben werden, verkaufte eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die C, auch an die (vgl. Anlagen K6, K10). Die verkauften Schrankensysteme sind an den Ausgängen der Drogeriemärkte von D aufgestellt, die der Kunde passieren muss, wenn er den Drogeriemarkt betritt oder verlässt. Dabei enthalten die Schranken Systemsender, die mit EAS-Markierungen zusammenwirken. Ohne diese EAS-Markierungen, die aus einem magnetostriktiven Element und einem Vorspannelement bestehen, funktionieren die EAS-Systeme nicht.
13Die Schwestergesellschaften der Klägerin und die Beklagte zu 1), die ein reines Vertriebsunternehmen ist, sind unmittelbare Wettbewerber auf dem Markt für EAS-Systeme, die zur Lagerbestandskontrolle und zur Verhinderung von unbefugten Entfernungen von Artikeln aus einem kontrollierten Bereich verwendet werden. Die Beklagte zu 2) ist Komplementärin der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 3) und zu 4) sind die Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2).
14Die Beklagten bieten in Deutschland Markierungen zur Verwendung in einem magnetomechanischen elektronischen Artikelsicherungssystem an und bringen diese in den Verkehr. Sie liefern diese Markierungen u.a. an die Drogeriemarktkette D die diese in den EAS-Systemen ihrer Filialen verwendet.
15Die Klägerin greift Markierungen an, deren Ausgestaltung sich aus Anlage K4 und aus der nachstehenden Abbildung ergibt (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), wobei die Beschriftungen der Abbildung von der Klägerin stammen.
16 17Die Klägerin behauptet, sie habe 480 Stück der angegriffenen Ausführungsformen von der D erhalten, die diese oder die D, die für den Einkauf verantwortlich sei, zuvor von der Beklagten zu 1) bezogen habe. Es handele sich um E, wie sie von den Beklagten auf ihrer Website unter XXX angeboten würden (vgl. Anlage K5). Dass die Beklagte zu 1) der Lieferant gewesen sei, hätten Herr F (Abteilungsleiter Technischer Einkauf bei der D) und seine Assistentin, Frau G, vor den Mitarbeitern der Klägerin, den Herren H und I am 14.11.2012 im Hauptquartier von D in XXX mündlich bestätigt. Die Beklagte zu 1) sei zu dem Zeitpunkt, in dem die Klägerin die 480 Markierungen erlangt habe, auch einzige Lieferantin von D gewesen.
18Aus den Tests, die Dr. J, ein Wissenschaftler der Tyco Retail Solutions aus Florida, mit 66 der angegriffenen Labels durchgeführt habe, ergebe sich die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents.
19Insbesondere wiesen die untersuchten Marker ein aus zwei Metallstreifen bestehendes amorphes magnetostriktives Element und ein aus Metall bestehendes Vorspannelement auf. Die durchsichtige, den Boden des Markers bildende Folie klebe an dem Vorspannelement. Lose darüber liegend befänden sich die weiteren zwei Metallstreifen, die gemeinsam das amorphe magnetostriktive Element bildeten.
20Der Fachmann entnehme der Patentschrift, dass die deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebung in einem Deaktivierungsfeldbereich plötzlich einen steilen Anstieg aufweise, der deutlich abrupter verlaufe als der Anstieg beim Stand der Technik. Die Frequenzverschiebungscharakteristikkurve müsse dafür an ihrer steilsten Stelle betrachtet werden. Dieser steile Anstiegsbereich liege abhängig von der Kombination der im Marker enthaltenen Elemente zwischen einem unteren und einem oberen Bereich, d.h. in einem mittleren Entmagnetisierungsfeldbereich. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall.
21Die Klägerin beantragt,
22wie erkannt.
23Die Beklagten beantragen,
24die Klage abzuweisen,
25hilfsweise, das Verfahren bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage auszusetzen.
26Die Beklagte zu 1) sei im September 2012 nicht alleinige Lieferantin der Dgewesen (vgl. Anlage B4). Die angeblich getesteten Markierungen stammten nicht von der Beklagten zu 1).
27Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass es sich bei den untersuchten Streifen um amorphe Metallstreifen handele und dass diese magnetisch oder magnetisierbar seien. Jedenfalls gelte dies für die Gesamtheit der beiden Streifen, die die Klägerin als ein amorphes magnetostriktives Element ansehe. Die beiden Streifen bestünden auch nicht aus demselben Material und würden zudem Wechselwirkungen auslösen. Die getesteten Markierungen wiesen auch kein Vorspannungselement auf. Das Klagepatent verlange, dass das Vorspannungselement aus einem Material bestehen müsse, dass eine Koerzitivfeldstärke von etwa 20 Oe mit einer Abweichung von ca. 10% aufweise. Ein solches Material liege nicht vor.
28Die Markierungen wiesen zudem weder eine deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve mit einer Steigung auf, die mehr als 100 Hz/Oe betrage noch eine Resonanzfrequenz von 58 KHz. Jeder Streifen besitze außerdem aufgrund des unterschiedlichen Abstandes zum Vorspannelement des magnetostriktiven Elements eine eigene Resonanzfrequenz.
29Da die Steigung nicht bestimmt werden könne, seien die Patentansprüche unklar. Dies habe zur Folge, dass der Schutzbereich des Patents auf die ausführbaren Ausführungsbeispiele beschränkt werden müsse. Eine Patentverletzung läge also nur vor, wenn die streitgegenständlichen Markierungen aus den in den Ausführungsbeispielen verwendeten Materialien bestünden.
30Es sei darüber hinaus nicht dargelegt, dass die getesteten Markierungen in einem EAS-System funktionierten.
31Die Beklagten bestreiten darüber hinaus mit Nichtwissen die ermittelten Werte der Messungen des Dr. J, auch da er die bereits vormagnetisierten Markierungen zusätzlich magnetisiert habe und sich dadurch die magnetischen Eigenschaften der Markierungen verändert hätten. Zudem fehle es an der Angabe etwaiger Messfehler.
32Die Beklagten sind der Meinung, sie treffe jedenfalls kein Verschulden. Die spezifischen technischen Parameter der von ihr vertriebenen Produkte seien ihnen nicht bekannt. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, welches der von ihnen vertriebenen Produkte angegriffen sei. Ihr ausländischer Zulieferer habe – insoweit unstreitig – versichert, dass keine der verschiedenen Produkte unter das Klagepatent fielen und dass dies bereits in ausländischen Rechtsordnungen gerichtlich bestätigt worden sei, insbesondere in China.
33Die Beklagten sind der Auffassung, der Gegenstand des Klagepatents sei weder neu, noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die technische Lehre sei nicht ausreichend offenbart, insbesondere seien die Patentansprüche unklar. So sei die Bestimmung der Steigung für den Fachmann nicht nachzuvollziehen.
34Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2014 Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe
36Die Klage ist zulässig und begründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung einer Schadensersatzpflicht gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. den §§ 9 S. 2 Nr. 1, 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1, 1. Alt., 140 b Abs. 1 und Abs. 3 PatG, 242, 259 BGB zu.
37I.
38Das Klagepatent betrifft magnetomechanische Markierungen, die in Systemen für elektronische Artikelsicherung (EAS) verwendet werden.
39Das Klagepatent führt einleitend aus, dass aus dem Stand der Technik elektronische Artikelsicherungssysteme bekannt seien, die den Diebstahl von Waren aus Kaufhäusern verhindern oder davor abschrecken sollten. Darunter fielen auch solche Systeme, in denen Markierungen, die an Herstellungsartikeln befestigt seien, so ausgelegt seien, dass sie mit einem elektromagnetischen Feld in Wechselwirkung treten würden, das am Kaufhausausgang angeordnet sei. Werde eine Markierung in das Feld bzw. die Abfragezone verbracht, werde die Markierung erkannt und ein Alarm erzeugt.
40Das Klagepatent erläutert, dass bestimmte Markierungen dieses Typs dafür bestimmt seien, an der Kasse nach Bezahlung für die Waren entfernt zu werden. Andere Markierungstypen blieben dagegen an den Waren angebracht, würden aber nach der Kasse durch eine Deaktivierungseinrichtung deaktiviert, die eine magnetische Charakteristik der Markierung so verändere, dass die Markierung in der Abfragezone nicht mehr erkennbar sei. Auf letztere bezieht sich das Klagepatent.
41Ein bekannter Typ von EAS-System verwende magnetomechanische Markierungen, die ein „aktives“ magnetostriktives Element und ein Vorspannungs- oder „Steuer-“ element enthalte, das ein Magnet sei, der ein Vorspannungsfeld liefere. Ein Beispiel für diese Art von Markierung sei in Figur 1 gezeigt.
42Aus dem US Patent Nr. XXX, ausgegeben an K sei bekannt, dass, wenn das aktive Element einem Vorspannungsmagnetfeld ausgesetzt werde, es eine natürliche Resonanzfrequenz aufweise, mit der es mechanisch resoniere, wenn es einem elektromagnetischen Wechselfeld mit der Resonanzfrequenz ausgesetzt werde. Wenn das Vorspannungselement bis zur Sättigung magnetisiert sei, liefere es das erforderliche Vorspannungsfeld für die gewünschte Resonanzfrequenz des aktiven Elements. Das Vorspannungselement werde gewöhnlich aus einem Material ausgebildet, das „semiharte“ magnetische Eigenschaften aufweise. „Semiharte“ Eigenschaften bedeuteten in diesem Fall eine Koerzitivität im Bereich von etwa 10-500 Oersted (Oe) und einer Remanenz nach Entfernung eines Gleichstrom-Magnetisierungsfeldes, das das Element im Wesentlichen bis zur Sättigung magnetisiere, von etwa 6 kiloGauss (kG) oder mehr.
43Bei einem bevorzugten EAS-System, das gemäß der Lehre des Patents von K aufgebaut werde, werde das elektromagnetische Wechselfeld als ein gepulstes Abfragesignal am Kaufhausausgang erzeugt. Nach einer Erregung durch jeden Burst des Abfragesignals erfahre das aktive Element eine gedämpfte mechanische Oszillation, nachdem jeder Burst vorüber sei. Das von dem aktiven Element abgestrahlte resultierende Signal werde durch Detektionsschaltkreise erkannt, die mit der Abfrageschaltung synchronisiert und so ausgelegt seien, dass sie während der Stilleperioden nach Bursts aktiv seien.
44Die Deaktivierung magnetomechanischer Markierungen werde in der Regel dadurch durchgeführt, dass das Vorspannungselement so entmagnetisiert werde, dass die Resonanzfrequenz des magnetostriktiven Elements wesentlich von der Frequenz des Abfragesignals verschoben werde. Nachdem das Vorspannungselement entmagnitisiert sei, reagiere das aktive Element nicht auf das Abfragesignal, um ein Signal mit ausreichender Amplitude zu erzeugen, um in den Detektionsschaltkreisen erkannt zu werden.
45Bei herkömmlichen magnetomechanischen EAS-Markierungen werde das Vorspannungselement aus einem semiharten magnetischen Material gebildet, das als „L“ bezeichnet werde. L weise eine Koerzitivität von etwa 70 bis 80 Oe auf. Es werde allgemein als wünschenswert betrachtet, sicherzustellen, dass der Vorspannungsmagnet eine Koerzivität von mindestens 60 Oe aufweise, um eine unbeabsichtigte Entmagnetisierung des Vorspannungsmagnets (und Deaktivierung der Markierung) aufgrund von Magnetfeldern, die auftreten könnten, wenn die Markierung gelagert, versendet oder gehandhabt werde, zu verhindern. Das Material L erfordere ein Anwenden eines Gleichstromfeldes von 450 Oe oder mehr, um eine Sättigung von 99% zu erzielen, und für eine Entmagnetisierung zu 95% sei ein Wechselstrom-Deaktivierungsfeld von nahezu 200 Oe erforderlich.
46Das Klagepatent kritisiert an den EAS-Systemen aus dem Stand der Technik, dass aufgrund des hohen Pegels, der für das Wechselstrom-Deaktivierungsfeld erforderlich sei, herkömmliche Einrichtungen zur Erzeugung des Wechselstrom-Deaktivierungsfeldes auf gepulste Weise betrieben werden müssten, damit der Stromverbrauch begrenzt und gesetzliche Grenzen eingehalten werden könnten. Da das Wechselstromfeld jedoch nur in Impulsen erzeugt werde, sei es notwendig, sicherzustellen, dass sich die Markierung zum Zeitpunkt der Erzeugung des Deaktivierungsfeldimpulses in der Nähe der Einrichtung befinde. Deswegen werde z.B. der Impuls als Reaktion auf eine von einem Bediener der Einrichtung bereitgestellte manuelle Eingabe erzeugt oder Markierungsdetektionsschaltkreise würden in die Deaktivierungseinrichtung aufgenommen. Durch die erstere Technik werde dem Bediener der Deaktivierungseinrichtung eine Last auferlegt. Beide Techniken erforderten zudem das Bereitstellen von Komponenten, wodurch die Kosten der Deaktivierungseinrichtung stiegen. Außerdem erzeuge auch eine gepulste Erzeugung des Deaktivierungsfeldes tendenziell in der Spule, die das Feld abstrahle, eine Erwärmung und erfordere außerdem, dass elektronische Bauelemente in der Einrichtung hohe Nennwerte aufwiesen und deshalb relativ kostspielig seien. Die Schwierigkeiten beim Sicherstellen, dass ein ausreichend starkes Deaktivierungsfeld an die Markierung angelegt werde, würden durch die immer beliebtere Praxis des „Source-Tagging“, d.h. des Befestigens von EAS-Markierungen an Waren während der Herstellung oder der Verpackung der Waren in einer Herstellungsfabrik oder Verteilungseinrichtung erschwert. In bestimmten Fällen könnten die Markierungen an Orten an den Herstellungsartikeln befestigt werden, durch die es schwierig oder unmöglich werde, die Markierung sehr nahe an die herkömmliche Deaktivierungseinrichtungen zu bringen.
47Vor diesem Hintergrund formuliert das Klagepatent die Aufgabe, eine magnetomechanische EAS-Markierung bereitzustellen, die durch Anwenden von Deaktivierungsfeldern deaktiviert werden kann, deren Stärke niedriger ist als die für die Deaktivierung herkömmlicher magnetomechanischer Markierungen. Die erfindungsgemäße magnetomechanische EAS-Markierung soll darüber hinaus mit Feldern deaktiviert werden können, die nicht auf gepulste, sondern kontinuierliche Weise erzeugt werden. Zudem soll die Markierung deaktiviert werden können, wenn sie weiter von den Deaktivierungseinrichtungen entfernt ist, als bei herkömmlichen magnetomechanischen Markierungen und herkömmlichen Deaktivierungseinrichtungen möglich ist. Schließlich sollen die erfindungsgemäßen Markierungen zuverlässiger als herkömmliche magnetomechanische Markierungen deaktiviert werden können. Darüber hinaus sollen die Markierungen mit Gleichstromfeldern aktiviert werden können, deren Pegel niedriger als der für die Aktivierung herkömmlicher magnetomechanischer Markierungen ist.
48Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt Anspruch 1 eine Markierung mit folgenden Merkmalen vor:
49a) Markierung (10) zur Verwendung in einem magnetomechanischen elektronischen Artikelsicherungssystem
50b) die Markierung (10) umfasst ein amorphes magnetostriktives Element (12) und
51c) ein neben dem magnetostriktiven Element befindliches Vorspannungselement (16)
52d) die Markierung weist eine deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve mit einer Steigung auf, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt.
53II.
54Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale b), c) und d) der näheren Erläuterung.
55Merkmal b)
56Gemäß Merkmal b) umfasst die Markierung ein amorphes magnetostriktives Element.
57Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das aktive Element der Markierung aus amorphem Material bestehen muss, also aus einem Stoff, bei dem die Atome keine geordneten Strukturen, sondern ein unregelmäßiges Muster bilden und lediglich über Nahordnung, nicht aber Fernordnung verfügen.
58Des Weiteren sind sich die Parteien darin einig, dass das aktive Element der Markierung magnetostriktive Eigenschaften aufweisen muss, d.h. infolge eines angelegten magnetischen Feldes deformiert und durch ein mit einer geeigneten Frequenz schwingendes Magnetfeld seinerseits zu Resonanzschwingungen angeregt werden kann. Es ist u.a. diese magnetostriktive Eigenschaft des aktiven Elements das eine Detektion gestohlener Ware ermöglicht. Denn das Zusammenwirken des aktiven Elements mit dem Vorspannelement verleiht der Markierung ihre charakteristische Resonanzfrequenz, mit der sie auf Detektoren anspricht, sofern keine Deaktivierung der Markierung stattgefunden hat. Dabei liefert das magnetisierte Vorspannelement ein magnetisches Feld, das die Resonanzfrequenz des magnetostriktiven Elements beeinflusst (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0004] und [0005]).
59Weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung der Patentschrift lässt sich entnehmen, dass das amorphe magnetostriktive Element nur aus einem Bauteil bestehen darf. Der Artikel „ein“ in Merkmal b) kann regelmäßig – und so auch hier – nicht als Zahlwort verstanden werden. Der Begriff des „Elements“ lässt eine Komponente zu, die mehrere Bauteile umfasst. Anhaltspunkte dafür, dass das aktve Element die oben beschriebene Funktion nicht erfüllt, wenn es aus mehreren Bauteilen zusammengesetzt ist, bestehen nicht.
60Merkmal c)
61Nach Merkmal c) umfasst die Markierung ein neben dem magnetostriktiven Element befindliches Vorspannungselement.
62Die Aufgabe des Vorspannungselements liegt darin, dem amorphen, magnetostriktivem Element ein Feld zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, die Frequenz zu bestimmen, bei der das magnetostriktive Element der Abfrageeinheit des EAS-Systems antwortet. Das Vorspannungselement muss entmagnetisierbar sein, damit sich die Resonanzfrequenz des aktiven Elements infolge der Entmagnetisierung verschieben kann. Durch die Resonanzfrequenzverschiebung schwingt das magnetostriktive Element bei einer Frequenz, die die Abfrageeinheit nicht verwendet. Diese Funktionsweise ergibt sich mittelbar auch aus Merkmal d). Dieses Merkmal stellt bestimmte Anforderungen an die „deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve“. Bereits diese Begrifflichkeit weist darauf hin, dass das Vorspannungselement durch ein Magnetfeld aktiviert und deaktiviert werden kann, wobei die Frequenz der Resonanzschwingungen des aktiven Elements vom Magnetfeld des Vorspannungselements abhängig ist. Die Resonanzverschiebungskurve ist eine Kurve, die die Resonanzfrequenz in Abhängigkeit von dem jeweiligen Deaktivierungsfeld angibt (s. Merkmal d)).
63Zu Recht ist zwischen den Parteien unstreitig, dass das Vorspannelement zu diesem Zweck regelmäßig aus semihartem magnetischem Material bestehen muss. Bestünde das Vorspannungselement aus hartmagnetischem Material, ließe sich der Marker nicht ohne weiteres deaktivieren und würde bei Passieren der Sicherheitsschranke immer Alarm auslösen. Bestünde das Vorspannungselement aus weichmagnetischem Material, könnte es kein ausreichendes Magnetfeld auf das aktive Element ausüben, so dass das aktive Element bei Passieren der Sicherheitsschranke auch bei einem Diebstahl keinen Alarm auslösen würde. Nur ein aus semihartem magnetischem Material bestehendes Vorspannelement erhält seine Vormagnetisierung auch nach Verlassen des magnetischen Feldes, mit dem es vormagnetisiert wurde, und kann danach (z.B. an der Kasse) trotzdem derart entmagnetisiert werden, dass nach der Deaktivierung der Markierung kein Alarm ausgelöst wird. Entsprechend liegen sämtlichen Ausführungsbeispielen des Klagepatents Vorspannungselemente aus semihartem Material zu Grunde. Auch die Beschreibung des Klagepatents weist auf die Verwendung semiharten magnetischen Materials hin (vgl. auch Klagepatentschrift, Abs. [0004], [0007], [0015], [0031], [0037], [0040] ff., [0046]). Die Auswahl des Materials hat jedoch keinen Eingang in den Patentanspruch gefunden, so dass letztlich die Funktionsweise des Vorspannelements entscheidend ist.
64Merkmal d)
65Gemäß Merkmal d) weist die Markierung eine deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve mit einer Steigung auf, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt.
66Gelangt das Vorspannungselement in ein Magnetfeld eines Deaktivierungsgerätes, wird es entmagnetisiert. Durch das veränderte Magnetfeld des Vorspannungselements verschiebt sich die Resonanzfrequenz des aktiven Elements, das sich in dem Magnetfeld des Vorspannungselements befindet. Dies hat zur Folge, dass das aktive Element nicht mehr auf das Abfragesignal der Überwachungszone reagiert und die Markierung kein Signal auslöst, wenn sie durch eine Überwachungszone verbracht wird. Die Markierung wird dadurch also deaktiviert. Die Resonanzverschiebung ist folglich von dem Deaktivierungsfeld des Deaktivierungsgeräts abhängig, das wiederum das Vorspannelement entmagnetisiert und dadurch eine Resonanzfrequenzverschiebung beim aktiven Element verursacht. Das ist mit der „deaktivierungsfeldabhängigen Resonanzfrequenzverschiebungskurve“ der Markierung in Merkmal d) gemeint.
67Die Resonanzfrequenzverschiebungskurve soll nach Merkmal d) eine Steigung aufweisen, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt. Den Figuren 3, 7 und 11 lässt sich entnehmen, dass die deaktivierungsfeldabhängige Resonanzfrequenzverschiebungskurve in einem Entmagnetisierungsfeld einen steilen Anstieg aufweist, der deutlich abrupter verläuft als der Anstieg im Stand der Technik, der in Figur 2 dargestellt ist. Abrupt meint insofern keine zeitliche Komponente, sondern den besagten steilen Anstieg. Dieser Anstieg befindet sich in einem Entmagnetisierungsbereich zwischen einem Anfangsbereich, in dem die Frequenzverschiebung noch nicht begonnen hat und einem Endbereich, in dem die Frequenzverschiebung bereits abgeschlossen ist (vgl. auch Klagepatentschrift, Abs. [0036]). In diesem Entmagnetisierungsbereich muss die Steigung mehr als 100 Hz/Oe betragen. Dabei kommt es auf den steilsten Abschnitt der Resonanzverschiebungskurve an, bei dem eine signifikante Resonanzverschiebung stattfindet. Den Absätzen [0036] und [0050] der Klagepatentschrift i.V.m. den Figuren 3 und 7 lässt sich entnehmen, dass die Steigung der Kurve nicht für den Bereich der ersten minimalen Steigung der Frequenz bis zum Ende der Steigung gemittelt wird, sondern für einen Teilabschnitt der Kurve bestimmt wird. Dabei handelt es sich um den Teilabschnitt der Kurve, in dem die Steigung am höchsten ist. Insbesondere Abs. [0050] beschreibt i.V.m. Figur 7 den Bereich bis 15 Oe als wesentlich stabil, während der Bereich von 20-30 Oe eine wesentliche Steilheit aufweise. In dem Bereich von 20-25 Oe weist die Resonanzfrequenzverschiebungscharakteristik eine Steigung von mehr als 100 Hz/Oe auf. Dies sind also die Bereiche, die für die Bestimmung der Steigung herangezogen werden müssen. Nähme man dagegen die gesamte Steigung der Kurve (bei Figur 7 den Bereich von ca. 15 Oe bis 45 Oe) in den Blick, ergäbe sich eine Steigung von unterhalb 100 Hz/Oe (in Figur 7: 60 kHz -58.3 kHz = 1,7 kHz. 1700 Hz : 30 Oe = 56,67 Hz/Oe). Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich die Steigung damit bestimmen. Der Patentanspruch ist folglich nicht so unklar, dass es allein auf die Ausführungsbeispiele zurückgegriffen werden müsste.
68Die Steigung lässt sich dagegen nicht abstrakt anhand des Koerzitivitätswertes und der gewünschten Frequenzverschiebung berechnen. Mit „Koerzitivität“ ist die magnetische Feldstärke gemeint, die notwendig ist, um das Vorspannungselement vollständig zu entmagnetisieren. Der Koerzitivitätswert sagt aber nichts über die Feldstärken aus, bei denen eine relevante Frequenzverschiebung stattfindet.
69Aus diesem Grund muss das Vospannungselement auch keine Koerzitivitätsfeldstärke von 20 Oe +/- 10% aufweisen. Zwar führt das Klagepatent an mehreren Stellen aus, dass das Vorspannelement eine „relativ niedrige Koerzitivität“ aufweisen muss (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0015], [0042], [0030], [0009]). Dem Klagepatent lässt sich aber nicht entnehmen, dass das Vorspannungselement aus einem Material bestehen muss, dass eine Koerzitivfeldstärke von ca. 18 bis 22 Oe aufweist. Dem Klagepatent kommt es auf die vollständige Entmagnetisierung des Vorspannelements nicht an. Es reicht, dass das Vorspannelement nur derart entmagnetisiert wird, dass bei dem Marker eine Frequenzverschiebung stattfindet, infolgedessen das aktive Element der Abfrageeinheit des EAS-Systems nicht mehr antwortet. Die Resonanzfrequenz der Markierung soll also durch Anlegen eines relativ schwachen Wechselfeldes relativ abrupt verschoben werden (Klagepatentschrift, Abs. [0015], [0034], [0036]). Diese Frequenzverschiebung findet nicht erst bei Entmagnetisierung des Vorspannelements statt wie sich den Figuren des Klagepatents entnehmen lässt. So zeigt z.B. die aufsteigende Kurve in Figur 3 (Magna Dur), dass die relevante Frequenzverschiebung im Bereich 25 bis 35 stattfindet, während die fallende Kurve zeigt, dass bei 35 Oe die Markierung immer noch infolge des Magnetfeldes des Vorspannelements schwingt (Amplitude 50) und infolgedessen ein Signal aussendet. Aus Figur 5 ergibt sich, dass die vollständige Entmagnetisierung des Vorspannelements aus Magna Dur erst bei etwa 200 Oe stattfindet. Auch lassen weder die Beschreibung noch die Figuren des Klagepatents auf die Verwendung eines Materials mit einer Koerzitivitätsfeldstärke von ca. 18 bis 22 Oe schließen. In Abs. [0004] wird lediglich ausgeführt, dass semiharte Eigenschaften eines Materials eine Koerzitivität von ca. 10 bis 500 Oe aufweisen können. Zwar wird in Abs. [0007] erwähnt, dass das Material L, das im Stand der Technik für ein Vorspannelement verwendet wurde, eine Koerzitivität von 70 bis 80 Oe aufweist, so dass die von dem Klagepatent gewünschte „relativ niedrige Koerzitivität“ ggf. unter diesem Bereich liegen sollte. Entsprechendes lässt sich auch aus Abs. [0030] entnehmen. Einen Bereich von 18 bis 22 Oe gibt das Klagepatent aber nicht vor. Auch wenn in Absatz [0030] von 20 Oe (Magna Dur) und Absatz [0053] von 22,7 Oe (Vacozet) die Rede ist und es zu O in Abs. [0045] heißt, dass das Material unter 20 Oe kein stabiles Ansprechverhalten aufweise, wird damit kein Oe-Bereich vorgeben. Das zeigen bereits die Figuren, die ebenfalls das genannte Material betreffen sollen, sowie die entsprechenden Beschreibungsstellen. In Figur 5 liegt bei ca. 20 Oe eine Entmagnetisierung des Vorspannungselements, das aus dem Material Magna Dur besteht, von weniger als 5% vor. Figur 6 zeigt an, dass das Vorspannungselement, das aus dem Material O 2605SB1 besteht, bei 20 Oe noch zu etwa 40% magnetisiert ist. Bei 15 Oe ist das Vorspannungselement sogar noch zu 70% magnetisiert (vgl. auch Klagepatentschrift, Abs. [0047]). Das Vorspannungselement aus dem Material Vacozet ist bei dem Wert 20 Oe nach Figur 10 zu etwa 38% magnetisiert. Erst bei 30 Oe ist es fast vollständig entmagnetisiert (vgl. auch Klagepatentschrift, Abs. [0053]). Dies zeigt, dass das Klagepatent nicht verlangt, dass das Material des Vorspannungsmaterials zwingend eine Koerzitivität im Bereich von ca. 18 bis 22 Oe aufweisen muss. Vielmehr heißt es in Abs. [0057], dass Materialien für das Vorspannungselement verwendet werden können, die z.B. die Eigenschaften der für die Graphen in den Figuren 5 und 6 verwendeten Materialen aufweisen. Entscheidend ist die Frequenzverschiebung, die abrupter, das heißt über eine geringere Feldstärkenänderung und damit mit einer höheren Steigung erfolgen soll als im Stand der Technik. Dass solche Steigungen unter Umständen auch bei im Stand der Technik verwendeten Entmagnetisierungsfeldern aufgetreten sind, ist allenfalls für die Frage der Patentfähigkeit der Erfindung von Bedeutung. Ein solcher Umstand, für den es in der Beschreibung des Klagepatents keinen Anhaltspunkt gibt, rechtfertigt keine Auslegung, nach der die anspruchsgemäße Steigung ausgehend von der Aufgabenstellung des Klagepatents bereits rechnerisch im Durchschnitt vorliegen muss. Das Problem, das durch die erfindungsgemäße Lehre objektiv gelöst wird, ist vielmehr danach zu beurteilen, was die technische Lehre tatsächlich leistet. Demnach kommt es – wie gezeigt – allein auf die Steigung der Resonanzfrequenzverschiebungskurve in ihrem steilsten Abschnitt an, zumal die Frequenzverschiebung – wie zuvor ausgeführt – nicht allein durch die Koerzitivitätsfeldstärke des Vorspannungselements beeinflusst wird, sondern auch andere Faktoren – wie zum Beispiel das Material des aktiven Elements – eine Rolle spielen. Es ist nicht einmal ersichtlich, dass solche Steigungen zwingend bei niedrigen Koerzitivitätsfeldstärken auftreten, selbst wenn auch das Klagepatent davon auszugehen scheint (vgl. Abs. [0009], [0015]). Die Koerzitivität kann variieren, solange eine Frequenzverschiebung so stattfindet, wie das Klagepatent es vorschreibt.
70III.
71Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
721.
73Die Beklagten liefern unstreitig Markierungen an D. Die Klägerin trägt vor, dass diese Markierungen das Klagepatent verletzen und im Übrigen in ihrer Ausgestaltung und Funktionsweise den untersuchten Markierungen entsprechen. Ob die untersuchten Markierungen tatsächlich die Markierungen sind, die die Beklagte an D geliefert hat, ist vor diesem Hintergrund ebenso unerheblich wie die Umstände, wie die Klägerin an diese Markierungen gelangt ist. Entgegen der von den Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 27.06.2014 geäußerten Auffassung liegt der Kammer dabei nicht die Vorstellung zugrunde, Markierungen für EAS-Systeme seien nur dann funktionsfähig, wenn sie eine Steigung im Sinne des Klagepatents aufwiesen. Für die schlüssige Darlegung einer Patentverletzung ist seitens der Klägerin lediglich der Vortrag erforderlich, dass die Beklagten Markierungen in den Verkehr gebracht haben und dass die gelieferten Markierungen alle Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklichen. Das Inverkehrbringen von Markierungen durch Lieferungen an D ist unstreitig. Im Übrigen geht der Vortrag der Klägerin dahin, dass die gelieferten Markierungen die durch die Untersuchungen von J ermittelten Eigenschaften aufweisen – unabhängig davon, ob die untersuchten Markierungen tatsächlich von der Beklagten stammen. Dies ist auch in der mündlichen Verhandlung noch einmal deutlich geworden, indem die Klägerin erklärt hat, es sei – selbst wenn D nicht die von den Beklagten gelieferten Markierungen herausgegeben hätte, sondern Markierungen eines anderen Lieferanten untersucht worden seien – ohnehin davon auszugehen, dass die Markierungen der beiden Lieferanten technisch identisch seien. Davon ausgehend haben die Beklagten nicht erheblich bestritten, dass sie die angegriffenen Ausführungsformen, deren Ausgestaltung sich aus Anlage K4 ergibt, in der BRD vertrieben haben. Sie sind insofern ihrer Obliegenheit nicht ausreichend nachgekommen, die in Anlage K4 enthaltenen und in der Klageschrift abgebildeten angegriffenen Markierungen zu untersuchen und im Einzelnen aufzuzeigen, warum sich diese Markierungen von den Markierungen, die sie vertrieben haben, unterscheiden. Insofern hätten sie sich konkret zu den vorgelegten Mustern, zum Aufbau der Markierungen und ihrer technischen Funktionsweise äußern und zu den Untersuchungsergebnissen der Klägerin vortragen müssen.
742.
75Die Beklagten haben die von Herrn Dr. J durchgeführten Tests nicht ausreichend bestritten. Insbesondere haben sie keine eigenen Tests durchgeführt, die das Ergebnis von Herrn Dr. J widerlegen. Von den Versuchen, die Herr Professor Dr. M durchgeführt hat, ist weder der Versuchsaufbau noch das Versuchsergebnis im Einzelnen bekannt. Aus der in der mündlichen Verhandlung zur Akte gereichten Anlage B10 ergeben sich diesbezüglich keine weiteren Erkenntnisse. Auch der Umstand, dass bei einigen Proben Mehrfach-Resonanzen bestünden, die die Messung erschwerten, vermag die Versuchsergebnisse des Herrn Dr. J nicht zu entkräften. Zum einen nimmt Herr Professor Dr. M hier nicht zu sämtlichen Proben Stellung. Zum anderen zeigt er auf, dass die Messung erschwert werde, unmöglich ist sie danach aber nicht.
76a.
77Merkmal a) ist verwirklicht. Die von den Beklagten vertriebenen Markierungen mit der Aufschrift „D“ werden bestimmungsgemäß in einem magnetomechanischen elektronischen Artikelsicherungssystem verwendet. Unstreitig nutzt die Drogeriekette D EAS-Systeme zur Sicherung ihrer Waren.
78b.
79Merkmal b) ist erfüllt. Das amorphe magnetostriktive Element wird durch die zwei losen, in der Markierung liegenden Streifen gebildet.
80aa.
81Die Beklagten sind dem Vortrag der Klägerin, eine Inaugenscheinnahme ergebe, dass es sich um amorphe, nach dem Melt-Spinnverfahren hergestellte Streifen handele, lediglich pauschal entgegen getreten. Soweit sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben, dass die Klägerin zwar für jeden einzelnen Streifen gezeigt habe, dass dieser jeweils für sich amorph sei, nicht jedoch für die Gesamtheit der beiden Streifen, ist nicht ersichtlich, warum aus einer Zusammenfassung zweier amorpher Streifen ein nicht-amorphes Element entstehen sollte. Nach dem nicht erheblich bestrittenen Vortrag der Klägerin zeigen sich die amorphen Charakteristiken der beiden Streifen darin, dass die Streifen eine glänzende und eine matte Seite besitzen. Zudem weisen sie auch die Duktivität, d.h. die hohe Biegsamkeit bzw. Verformbarkeit von amorphen Bändern auf, die nach dem Melt-Spinnverfahren hergestellt wurden. Insbesondere die hohe Biegsamkeit weist auch das Element der angegriffenen Ausführungsform auf, das aus den beiden Streifen zusammengesetzt ist.
82bb.
83Die zwei Streifen sind magnetostriktiv. Dies ergibt der Versuch des Herrn Dr. J (vgl. Anlage K11, Seite 3 und 4), dem die Beklagten ebenfalls nur pauschal entgegen getreten sind. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, dass die beiden Streifen nach den Untersuchungsergebnis der Klägerin zwar für sich genommen magnetostriktiv sein mögen, nicht jedoch in ihrer Gesamtheit, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere hat der Sachverständige der Klägerin an dem Element bestehend aus beiden Streifen seine Versuche durchgeführt.
84Magnetostriktion ist die Deformation magnetischer Stoffe infolge eines angelegten magnetischen Feldes. Dabei erfährt der Körper bei konstantem Volumen eine elastische Längenänderung. Verspannt man die Bänder in Längsrichtung, muss ein magnetostriktives Element in Folge der Spannung seine Magnetisierungscharakteristika ändern.
85Herr Dr. J hat die beiden Streifen in das Innere einer Spule gelegt und an ihren Enden ein „Tape“ hinzugefügt (s. Anlage K11, Figure 2). An einem Ende eines „Tapes“ hat er ein Gewicht angehangen, während er das andere „Tape“-Ende fixiert hat. Sodann hat er die Magnetisierungskurve (BH-Kurve) gemessen. Diese Versuche hat er mit verschiedenen Gewichten (50gm, 100gm und 200gm) durchgeführt. Die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Magnetisierungskurven sind in Figure 3 der Anlage K11 dargestellt. Aus dieser Figur wird deutlich, dass sich die BH-Kurven belastungsabhängig ändern. Die zwei Streifen sind also entgegen der Ansicht der Beklagten in ihrer Gesamtheit magnetostriktiv.
86c.
87Die angegriffene Ausführungsform weist ein neben dem magnetostriktiven Element befindliches Vorspannungselement gemäß Merkmal c) auf.
88aa.
89Das Vorspannungselement ist der Streifen, der in die durchsichtige Folie geklebt ist, die den Boden des Markers bildet. In dieser Position klemmt es das aktive Element nicht fest (vgl. Klagepatentschrift, Abs. [0003]).
90bb.
91Das Vorspannelement muss derart ausgebildet sein, dass es für die beiden Streifen, die das Resonatorelement bilden, ein Vorspannfeld mit einer Frequenz zur Verfügung stellt. Bei Entmagnetisierung des Vorspannungselements verschiebt sich die Frequenz. Dass dies bei dem Vorspannelement der angegriffenen Ausführungsform geschieht, zeigen die Versuchsergebnisse des Herrn Dr. J, die die Beklagten nicht widerlegt haben.
92Herr Dr. J hat zunächst eine Vorrichtung verwendet, die aus einer Stromversorgungsvorrichtung, einer Zylinderfeldspule, einem Gaussmeter (zur Messung magentischer Felder) und einer Hall-Sonde, die an das Gaussmeter angeschlossen wird, besteht (vgl. Anlage K11, Figure 7). Zunächst wurde die Markierung in das Innere der Spule eingebracht. Die Stromversorgungsvorrichtung erzeugt in der Zylinderfeldspule ein magnetisches Feld, das ausreichend ist, um das Vorspannelement in der Markierung magnetisch zu sättigen, d.h. vollständig zu magnetisieren. Zur Magnetisierung ist die Verschaltung der Zylinderfeldspule an die Stromversorgung zur Erzeugung des Gleichfeldes und der Hall-Sonde an das Gaussmeter zu Messung des Magnetisierungsfeldes erforderlich. Das von der Magnetisierung ausgehende Feld kann dann mit dem Gaussmeter und der Hall-Sonde, die an das Gaussmeter angeschlossen ist, genau gemessen werden. Damit lässt sich sicherstellen, dass das Vorspannungselement magnetisiert ist.
93Sodann wurde der magnetisierte Marker zur Entmagnetisierung in eine weitere Vorrichtung verbracht. Die Entmagnetisierungsvorrichtung besteht aus einem Wellenformgenerator zur Erzeugung einer Wechselspannung, einem Verstärker zur Verstärkung dieser Wechselspannung und einer Zylinderspule, die miteinander verbunden sind. In der Zylinderspule herrscht entsprechend der Wellenform des Wellenformgenerators und der Verstärkung ein magnetisches Wechselfeld vor, das auf das Vorspannungselement einwirkt, um dieses zu entmagnetisieren. Dabei wird mittels der am Gaussmeter angeschlossenen Hall-Sonde die Stärke des in der Zylinderspule vorliegenden magnetischen Wechselfeldes gemessen (vgl. Anlage K11, Figure 8). Wird das Element langsam aus dem Entmagnetisierungsfeld herausgezogen, hat es in der Regel die Magnetisierung „Null“.
94Ausgehend von 0 Oe und bis zu einem Spitzenwert von 30 Oe des in der Entmagnetisierungsvorrichtung nach Figure 8 an dem Marker angelegten Entmagnetisierungsfeldes wurden die Resonanzfrequenz und die Amplitude des Markers für jede Stufe eines vorher einwirkenden magnetischen Entmagnetisierungsfeldes vermessen. Zur Messung der Resonanzfrequenz wurde eine Testanlage wie in Anlage K11, Figure 6 verwendet. Sie besteht aus einer Spulenanordnung, in die der Marker eingeführt wird. An der Spule sind ein digitales Oszilloskop, ein Wellenformsynthesizer, der das Abfragefeld in Form von 58 KHz Impulsen erzeugt, und ein PC angeschlossen. Der Marker im Feld der Spulen ist damit dem Abfragefeld von 58 KHz ausgesetzt. Über das Oszillokop lassen sich die vom Marker abgegebenen Antwortimpulse, d.h. die Resonanzfrequenz des Markers einschließlich ihrer Verschiebung und die zugehörigen Amplituden messen.
95Anlage K11, Figure 10 zeigt den Verlauf der sich ergebenden Resonanzfrequenz in KHz bezogen auf das angelegte magnetische Demagnetisierungs-Wechselfeld für die vermessenen Marker. Die Marker waren – wie oben beschrieben – zu Beginn vollmagnetisiert, so dass das Argument der „zusätzlichen Magnetisierung“ der Beklagten nicht greift. Im Ergebnis zeigen sämtliche getesteten Marker, dass sich die Resonanzfrequenz mit der Entmagnetisierung des Vorspannelements verschiebt. Damit erfüllt das Vorspannelement der angegriffenen Ausführungsform die ihm vom Klagepatent zugedachte Funktion. Entgegen der Ansicht der Beklagten muss das Vorspannungselement darüber hinaus nicht aus einem Material bestehen, dass eine Koerzitivitätsfeldstärke von etwa 20 Oe mit einer Abweichung von ca. 10% aufweist.
96d.
97Die Resonanzfrequenzverschiebungskurve weist bei der angegriffenen Ausführungsform auch eine Steigung auf, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt (Merkmal d)).
98Figure 10 in Anlage K11 zeigt, dass alle vermessenen Marker in einem Bereich zwischen 6 Oe und 12 Oe des Entmagnetisierungsfeldes (steilster Bereich der Graphen) eine Steigung aufweisen, die mehr als 100 Hz/Oe beträgt.
99IV.
100Angesichts der Patentbenutzung durch die angegriffene Ausführungsform stehen der Klägerin die aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche gegen die Beklagten zu.
1011.
102Der Unterlassungsanspruch beruht auf §§ 9, 139 Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt.
1032.
104Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz für die seit dem 22.05.2013 begangenen Verletzungshandlungen. Dieser Anspruch folgt aus § 139 Abs. 2 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ.
105Die Beklagten hätten als Fachunternehmen die unmittelbare Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
106Auch ein Vertriebsunternehmen muss sich über fremde Schutzrechte informieren, die seinen Tätigkeitsbereich betreffen. Es muss deren Schutzbereich prüfen, sofern die Art der gewerblichen Tätigkeit es nicht als ausgeschlossen erscheinen lässt, dass von geschützten Gegenständen Gebrauch gemacht werden könnte. Unterlässt ein Vertriebsunternehmen die ihm nach Art und Umfang zumutbaren Nachforschungen, handelt es schuldhaft. Der BGH hat diese Sorgfaltsanforderungen für Importeure dahingehend konkretisiert, dass derjenige, der ein Erzeugnis bezieht, ohne sich bei seinem Lieferanten zu vergewissern, dass die notwendige Überprüfung von diesem oder einem früheren Glied in der Vertriebskette in der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist, der Sorgfaltspflicht nicht genügt (BGH, Urteil vom 14.02.2006, Az.: X ZR 93/04 – Melanie). Dies gilt insbesondere für denjenigen Händler, der – wie die Beklagten zu 1) und zu 2), handelnd durch die Beklagten zu 3) und zu 4) – ein Erzeugnis aus dem Ausland bezieht. Denn gerade in diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass der Hersteller und etwaige weitere Glieder der Vertriebskette zu einer Prüfung des Erzeugnisses im Hinblick auf inländische Schutzrechte keine Veranlassung gesehen haben (vgl. LG Mannheim, InstGE 7, 14 - Halbleiterbaugruppe). Ein Händler darf daher ein Erzeugnis jedenfalls solange nicht in den Verkehr bringen, wie er nicht begründet annehmen darf, dass die notwendige Prüfung auf die Verletzung von Rechten Dritter zumindest einmal durchgeführt worden ist.
107Die Beklagten sind ihrer Überprüfungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Zwar haben sie sich (nach ihrem nicht weiter bestrittenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung) bereits vor Zustellung der Verletzungsklage an ihre – ausländische – Lieferantin gewandt. Auch ist nicht bestritten, dass die Lieferantin sie informiert hat, dass das Klagepatent nicht benutzt werde und dass dies bereits in ausländischen Rechtsordnungen gerichtlich bestätigt worden sei. Die Beklagten hätten es dabei aber nicht bewenden lassen dürfen. Vielmehr war es für die Beklagten zumutbar, sachkundigen Rat einzuholen oder wenigstens von ihrem ausländischen Hersteller die Vorlage eines entsprechenden sachkundigen Gutachtens oder zumindest der gerichtlichen Entscheidungen zu verlangen. Ob es ausgereicht hätte, wenn ein Mitarbeiter der Lieferantin aus der Patentrechtsabteilung ein solches Gutachten verfasst hätte, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn die Beklagten tragen lediglich vor, sie habe von ihrem Zulieferer eine Versicherung erhalten, dass keine der verschiedenen Produkte unter das Klagepatent fielen, ohne diesen Vortrag weiter zu konkretisieren. Die bloße „Versicherung“ der (parteiischen) Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform reicht aber jedenfalls nicht (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Auflage, § 139 PatG Rn. 50).
108Durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ist die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt. Es ist daher ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
1093.
110Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Für nicht gewerbliche Abnehmer und die Angebotsempfänger ist der Beklagten ein Wirtschaftsprüfervorbehalt zu gewähren (OLG Düsseldorf InstGE 3, 176 – Glasscheiben-Befestiger). Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
1114.
112Die Beklagten sind gemäß §§ 9, 140a Abs. 3, S. 1, 1. Alt. PatG zum Rückruf in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise verpflichtet.
1135.
114Der Vernichtungsanspruch findet seine Grundlage in §§ 9, 140a Abs. 1, S. 1 PatG. Anhaltspunkte für eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung gem. § 140a Abs. 4 PatG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
115V.
116Zu einer Aussetzung nach § 148 ZPO im Hinblick auf die erhobene Nichtigkeitsklage besteht kein hinreichender Anlass.
117Eine Aussetzung kann regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn der dem Klagepatent entgegen gehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits in dem Erteilungsverfahren oder einem erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren berücksichtigt worden ist. Immer dann, wenn die Argumentation im Rechtsbestandsverfahren möglich und mit nachvollziehbaren Gründen vertretbar erscheint, hat es bei der getroffenen Einspruchsentscheidung zu verbleiben. Wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände vorliegen, besteht daher für eine Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits keine Veranlassung. Sie ist erst dann geboten, wenn die Rechtsbestandsentscheidung auf für das Verletzungsgericht nachweisbar unrichtige Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht oder wenn mit dem Rechtsmittel gegen die Rechtsbestandsentscheidung, ohne dass insoweit ein Nachlässigkeitsvorwurf angebracht ist, weiterer Stand der Technik präsentiert wird, der, da er der Erfindung näher kommt als der bisher gewürdigte Stand der Technik, mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit eine Vernichtung des Klagepatents erwarten lässt (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 6. Auflage, Rn. 1588 f.).
118Das Klagepatent war bereits Gegenstand eines Einspruchs- und eines Einspruchsbeschwerdeverfahrens (vgl. Anlage K12).
119Die Dokumente XXX, XXX, XXX; XXX und XXX wurden im Einspruchsbeschwerdeverfahren diskutiert, wie sich aus Anlage K12, Seite 1 ergibt.
120NK 1 bis 4 betreffen keine Entgegenhaltungen wie sich aus Anlage B1, Seite 9 ergibt.
121Bei NK 7 und NK8 handelt es sich um Datenblätter von N von N (Anlage B1, Seite 22). Diese Dokumente werden in der Beschwerdeentscheidung in Anlage K12 zwar nicht genannt. Die Klägerin trägt aber unbestritten vor, dass sie als Anlage P10 ebenfalls Gegenstand des Einspruchsbeschwerdeverfahrens waren.
122NK 9 und 10 betreffen Auszüge der Homepage von O (Anlage B1, Seite 25). Mit den Auszügen soll gezeigt werden, dass das Material O weder aktuell noch in der Vergangenheit von O oder P angeboten wurde. Die Auszüge sollen nach Anlage B1 vom 19.12.2013 und vom 26.02.2002 stammen. Sie können daher nur eine Aussage zu diesen konkreten Tagen treffen. Im Übrigen liegen die in der Nichtigkeitsklage genannten Anlagen NK9 und NK10 im hiesigen Rechtsstreit nicht vor.
123Bei der NK 12 handelt es sich um die US 5,729,200 A (Anlage B1, Seite 33). Diese liegt der Kammer zwar als Anlage B6 vor, jedoch nicht in deutscher Übersetzung. Die Beklagten tragen in der Nichtigkeitsklage zudem selbst vor, dass die Schrift in der Klagepatentschrift bereits gewürdigt ist.
124Im Übrigen hat sich das EPA ausführlich und gründlich zu dem Klagepatent geäußert (Anlage K12). Es hat zu Recht bemerkt, dass es dem Fachmann an konkreten Hinweisen fehle, dass eine Kombination von aus dem Stand der Technik bekannten aktiven Elementen und Vorspannungselementen zu einer patentgemäßen Steigung führe. Die angeblich durch das EPA unzureichend berücksichtigte Berechnungsmethode für die Steilheit der Resonanzfrequenzverschiebungskurve, die sich nach Auffassung der Beklagten dem Fachmann aufdrängen würde, ist zum einen nicht zutreffend (vgl. oben) und zum anderen auch nicht Gegenstand der Erfindung. Kern der Erfindung ist vielmehr das Vorspannungselement, das durch seine Entmagnetisierung derart auf das aktive Element einwirken kann, dass eine abrupte Verschiebung der Frequenz stattfindet. Es ist also der Aufbau der Markierung, insbesondere die Kombination, Eigenschaften und Materialien der einzelnen Elemente der Markierung, die im Mittelpunkt der Erfindung stehen. Der von den Beklagten angeführte Rechenansatz wird dagegen nicht geschützt und beruht im Übrigen auf einer unzulässigen ex post-Betrachtung. Hinzu kommt, dass die Beklagten letztlich nur ihre Auffassung vom Rechtsbestand des Klagepatents dem des EPA entgegen setzen.
125Soweit die Beklagten der Auffassung sind, der Gegenstand der Erfindung sei nicht ausreichend offenbart, insbesondere seien die Patentansprüche unklar, da die Bestimmung der Steigung für den Fachmann nicht nachvollziehbar sei, wird auf die Auslegung des Klagepatentanspruchs verwiesen.
126VI.
127Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO. Die Beklagten haben die Voraussetzungen des § 712 ZPO nicht dargetan. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die einzelnen titulierten Ansprüche festzusetzen.
128Streitwert: 500.000,00 €
ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Düsseldorf Urteil, 22. Juli 2014 - 4b O 41/13
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Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger nimmt als Inhaber des Sortenschutzes für die deutsche Sorte "Melanie" und die Gemeinschaftssorte "Amethyst" (Klagesorten) die Beklagte wegen Sortenschutzverletzung in Anspruch.
- 2
- Beide Klagesorten gehören der botanischen Art Besenheide (Calluna vulgaris) an. Die Beklagte, die für den Einkauf der Gartencenter der B. Gruppe zuständig ist, bezog von ihrer in den Niederlanden ansässigen Streit- helferin zu 2 Besenheidepflanzen, die der Streithelferin zu 2 wiederum von der in Frankreich ansässigen Streithelferin zu 1 geliefert wurden.
- 3
- Das Landgericht hat die Beklagte nach Beweisaufnahme antragsgemäß verurteilt; die Berufung ist ohne Erfolg geblieben.
- 4
- Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagte und ihre Streithelferin zu 1 den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die zulässige Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in GRUR-RR 2004, 283 veröffentlicht ist, hat den Streitfall im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung zutreffend beurteilt.
- 6
- I. Es hat die Beklagte für verpflichtet erachtet, das Inverkehrbringen von Pflanzen der Sorten "Melanie" und "Amethyst" zu unterlassen (§ 37 Abs. 1 Nr. 1 SortG, Art. 94 Abs. 1 lit. a GemSortV). Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
- 7
- 1. Das Berufungsgericht hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Die Berufungsbegründung zeige weder eine Rechtsverletzung des erstinstanzlichen Urteils noch konkrete Anhaltspunkte dafür auf, dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigten. Das Landgericht habe mit überzeugender Begründung ausgeführt, dass die Beklagte die Sortenschutzrechte des Klägers verletzt habe und diese Überzeugung verfahrensfehlerfrei auf das Gutachten des von ihm beauftragen Sachverständigen gestützt. Der Sachverständige und ihm folgend das Landgericht habe bei der Beurteilung der Verletzungsfrage sachgerecht und rechtsfehlerfrei auf den unmittelbaren Vergleich der äußeren Merkmale des als angegriffene Ausführungsformen vorgelegten Pflanzenmaterials mit den Merkmalen der Klageschutzrechte abgestellt, da die Ausprägung der Merkmale gemäß § 2 Nr. 1 lit. a SortG und Art. 5 Abs. 2 GemSortV die geschützte Sorte definiere. Eine gentechnische Analyse der Erbmerkmale von Pflanzen der geschützten Sorte einerseits und der angegriffenen Ausführungsformen andererseits sei nicht nur nicht angezeigt gewesen, sondern verbiete sich aus Rechtsgründen, weil der Erteilungsbeschluss auf den Phänotypus der beschriebenen Pflanzensorte, nicht auf ihren Genotypus abstelle. Zu dem Vergleich nach morphologischphysiologischen Kriterien seien auch die zum Vergleich vorgelegten beanstandeten Pflanzen und nicht aus ihnen erzeugtes Vermehrungsgut heranzuziehen gewesen. Der von der Beklagten und ihren Streithelfern verlangte, bei der Beurteilung der Neuheit einer Sorte unerlässliche Vergleichsanbau habe andere Ziele , da es dort darum gehe, die Unterscheidbarkeit und Homogenität einer Sorte festzustellen. Die Beurteilung der Übereinstimmung der Merkmale durch den Sachverständigen sei daher auch nicht an die Grundsätze des Bundessortenamts für die Prüfung auf Unterscheidbarkeit, Homogenität und Beständigkeit oder die Richtlinien des Rates des Internationalen Verbands zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV) gebunden, und es sei demgemäß auch unschädlich , dass der Sachverständige nur sieben Pflanzen als Verletzungsfälle der Sorte "Melanie" und nur eine Pflanze als Verletzung der Sorte "Amethyst" und nicht jeweils dreißig Pflanzen untersucht habe.
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- 2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe nicht beachtet, dass sich die Beklagte nicht mit der gewerbsmäßigen Erzeugung und dem gewerbsmäßigen Vertrieb von Vermehrungsmaterial befasse. Nach der vom nationalen Gesetzgeber gewählten "Kaskadenlösung" solle der Handel mit aus Vermehrungsmaterial gewonnenen Erzeugnissen jedoch aus dem Streit um etwaige Sortenschutzrechte weitestgehend herausgehalten werden. Es sei jedoch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger das Schutzrecht nicht schon auf einer der vorhergehenden Entwicklungsstufen habe geltend machen können. Das Gemeinschaftsrecht ordne zwar hinsichtlich der Abgabe von Zierpflanzen an Endverbraucher die "Kaskadenlösung" nicht ausdrücklich an; in der rechtlichen Wertung sei die Abgabe von Zierpflanzen jedoch der Abgabe von Erntegut und sonstigen Erzeugnissen an Endverbraucher ohne weiteres vergleichbar. Im Übrigen habe das Berufungsgericht missachtet, dass bei der Beurteilung einer behaupteten Sortenschutzverletzung nicht auf einen botanischen Vergleich einzelner Pflanzen oder Pflanzenteile abgestellt werden könne. Vielmehr müsse durch den Vergleichsanbau einer hinreichend großen Zahl von Pflanzen sichergestellt werden, dass nicht lediglich die natürliche Schwankungsbreite zu einer Überschneidung zwischen der Merkmalskombination der geschützten Sorte und des im Einzelfall untersuchten Pflanzenmaterials führe. Es müsse ausgeschlossen werden, dass die untersuchten Pflanzen auch nur eines ihrer maßgeblichen Merkmale aufgrund anderer Ursachen (Bedingungen der Aufzucht, sonstige Umwelteinflüsse) ausgeprägt hätten. Daher seien die Prüfungsgrundsätze auch für die Verletzungsprüfung maßgeblich; ihnen genügten die Befunde des gerichtlichen Sachverständigen nicht einmal annähernd.
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- 3. Mit diesen Rügen hat die Revision im Ergebnis keinen Erfolg.
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- a) Mit Recht bemängelt sie allerdings, dass das Berufungsurteil sich nicht dazu verhält, inwiefern die Vertriebshandlungen der Beklagten das Ausschließlichkeitsrecht des Klägers verletzen. Das Landgericht hat insoweit hinsichtlich der Sorte "Melanie" § 10 Satz 1 Nr. 2 SortG 1985 herangezogen und zur Begründung unter Berufung auf ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 22. Mai 2001 (4 O 228/00) ausgeführt, da der Schutz für die Klagesorte "Melanie" vor dem Inkrafttreten des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes vom 17. Juli 1997 beantragt und erteilt worden sei, finde die Vorschrift des § 10 Abs. 1 SortG (1997) nach der Übergangsvorschrift des § 41 SortG keine Anwendung.
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- Das ist, wie die Revision zutreffend ausführt, unrichtig. § 41 Abs. 6 SortG bestimmt lediglich, dass die Vorschrift des § 10 Abs. 1 nicht auf im Wesentlichen abgeleitete Sorten anzuwenden ist, für die bis zum Inkrafttreten des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung des Sortenschutzgesetzes vom 17. Juli 1997 (BGBl. I S. 1854) Sortenschutz beantragt oder erteilt worden ist. Darum geht es im Streitfall nicht. § 10 Abs. 1 SortG ist daher in seiner geltenden Fassung anzuwenden , nach welcher der Sortenschutz vorbehaltlich der §§ 10a und 10b die Wirkung hat, dass allein der Sortenschutzinhaber berechtigt ist, (1.) Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte zu erzeugen, für Vermehrungszwecke aufzubereiten, in den Verkehr zu bringen, ein- oder auszuführen oder zu einem dieser Zwecke aufzubewahren und (2.) Handlungen nach Nummer 1 mit sonstigen Pflanzen oder Pflanzenteilen oder hieraus unmittelbar gewonnenen Erzeugnissen vorzunehmen, wenn zu ihrer Erzeugung Vermehrungsmaterial ohne Zustimmung des Sortenschutzinhabers verwendet wurde und der Sortenschutzinhaber keine Gelegenheit hatte , sein Sortenschutzrecht hinsichtlich dieser Verwendung geltend zu machen.
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- Dass die Beklagte Handlungen im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 SortG vorgenommen hat, ist nicht festgestellt, denn sie hat kein Vermehrungsmaterial in den Verkehr gebracht; darunter fallen nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 2 SortG (nur) Pflanzen und Pflanzenteile einschließlich Samen, die für die Erzeugung von Pflanzen oder sonst zum Anbau bestimmt sind. Die angegriffenen Vertriebshandlungen werden jedoch durch § 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG erfasst, denn aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass der Kläger keine Gelegenheit hatte, sein Sortenschutzrecht hinsichtlich der Verwendung des Vermehrungsmaterials der Sorte "Melanie" zur Erzeugung der von der Beklagten vertriebenen Pflanzen geltend zu machen. Da die Erzeugung nämlich durch die Streithelferin zu 2 in Frankreich erfolgt ist, konnte der Kläger hinsichtlich dieser Verwendung - nämlich der Erzeugung der angegriffenen Pflanzen - das in seiner Wirkung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkte Sortenschutzrecht an der Sorte "Melanie" nicht geltend machen.
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- Hinsichtlich der Sorte "Amethyst" hat das Landgericht den dem Kläger zugebilligten Unterlassungsanspruch zutreffend aus Art. 94 Abs. 1 lit. a GemSortV hergeleitet. Nach dieser Vorschrift ist zur Unterlassung verpflichtet, wer hinsichtlich einer Sorte, für die ein gemeinschaftlicher Sortenschutz erteilt wurde , eine der in Art. 13 Abs. 2 GemSortV genannten Handlungen vornimmt, ohne dazu berechtigt zu sein. Nach Art. 13 Abs. 2 GemSortV bedürfen das Anbieten zum Verkauf, der Verkauf oder ein sonstiges Inverkehrbringen von Sortenbestandteilen sowie deren Aufbewahrung zu einem der vorgenannten Zwecke der Zustimmung des Sortenschutzinhabers. Solche Handlungen hat die Beklagte vorgenommen, denn Sortenbestandteile sind nach Art. 5 Abs. 3 GemSortV ganze Pflanzen oder Teile von Pflanzen, soweit diese Teile wieder ganze Pflanzen erzeugen können. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es bei der Gemeinschaftssorte nicht darauf an, ob der Kläger Gelegenheit hatte, seine Rechte auf der Ebene der Erzeugung der Sortenbestandteile geltend zu machen. Nur für Erntegut gilt nämlich nach Art. 13 Abs. 3 GemSortV die Sonderregelung , dass Absatz 2 nur Anwendung findet, wenn das Erntegut dadurch gewonnen wurde, dass Sortenbestandteile der geschützten Sorte ohne Zustimmung verwendet wurden, und der Inhaber nicht hinreichend Gelegenheit hatte, sein Recht im Zusammenhang mit den genannten Sortenbestandteilen geltend zu machen. Die von der Beklagten vertriebenen vollständigen Pflanzen sind jedoch nicht aus einem auch nur im weitesten Sinne als Ernte qualifizierbaren Vorgang hervorgegangen und daher kein Erntegut. Für die von der Revision verfochtene Gleichstellung der Abgabe von Zierpflanzen an Endverbraucher mit der Abgabe von Erntegut bietet Art. 13 Abs. 3 GemSortV nach seinem klaren Wortlaut keine Grundlage.
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- b) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte Pflanzen in den Verkehr gebracht hat, die den zugunsten des Klägers geschützten Sorten angehören.
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- Es ist Aufgabe des Tatrichters festzustellen, ob der Beklagte wenigstens eine Handlung begangen hat, die vorzunehmen dem Inhaber des Rechts an der jeweiligen Klagesorte vorbehalten ist. Das Berufungsgericht hat dabei neue Tatsachen zugrundezulegen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist. Im Übrigen hat es von den vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten (§ 529 Abs. 1 ZPO). Letzteres hat das Berufungsgericht verneint; das hält der Nachprüfung stand.
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- aa) Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass die Beklagte Pflanzen der Sorte "Melanie" vertrieben hat, auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen des von ihm zum gerichtlichen Sachverständigen bestellten Mitglieds des Bundessortenamts gestützt, der die ihm zur Verfügung gestellten Pflanzen - die nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts im Rahmen von Testkäufen bei der Beklagten erworben wurden - an der Prüfstelle Rethmar des Bundessortenamts (im November 1998 bzw. 1999) aufgepflanzt hat und deren Merkmale in der Prüfperiode 2001 erfasst hat. Nach seinem Befund entsprachen sieben der eingesandten Pflanzenproben in allen Merkmalen der Sor- tenbeschreibung für die Sorte "Melanie", während eine Pflanzenprobe abgestorben war und daher nicht beurteilt werden konnte. Drei Proben zeigten eine abweichende Merkmalsausprägung der Triebspitzen, so dass der Sachverständige ein weiteres Prüfjahr für erforderlich gehalten hat. Bei seiner mündlichen Anhörung hat sich der Sachverständige dahin geäußert, dass eine dieser Pflanzen mittlerweile eindeutig als "Melanie" habe identifiziert werden können, während dies bei den beiden weiteren noch nicht mit hinreichender Sicherheit feststehe.
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- bb) Dass das Berufungsgericht keinen Anlass gesehen hat, an der Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen zu zweifeln, ist nicht zu beanstanden.
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- Entgegen der Auffassung der Revision war es nicht aus Rechtsgründen geboten, der Beurteilung jeweils dreißig angebaute Pflanzen zugrundezulegen, wie dies die UPOV-Prüfungsrichtlinien für Besenheide vorsehen. Diese Richtlinien dienen nicht der Überprüfung, ob der Vertrieb einer konkreten Pflanze sich als Verletzung eines Sortenschutzrechts darstellt, weil die Pflanze einer bestimmten geschützten Sorte angehört. Sie dienen vielmehr der Überprüfung der Sorte selbst auf ihre gesetzlichen Schutzvoraussetzungen, zu denen insbesondere auch Homogenität und Beständigkeit gehören (§ 1 SortG, Art. 6 GemSortV ). Die Prüfung kann sich daher nicht auf eine einzelne Pflanze beschränken. Hingegen ist Gegenstand der Beurteilung im Verletzungsprozess notwendigerweise stets die einzelne Pflanze. Um die Verletzung des Sortenschutzrechts festzustellen, muss der Tatrichter hinsichtlich mindestens einer von der als Verletzer in Anspruch genommenen Partei erzeugten oder in den Verkehr gebrachten Pflanze zu der Überzeugung gelangen, dass diese der geschützten Sorte angehört; Feststellungen zu anderen konkreten Pflanzen haben, solange nicht deren gemeinsame Abkunft mit der untersuchten Pflanze feststeht, inso- weit notwendigerweise allenfalls indizielle Bedeutung. Anders mag es sich dann verhalten, wenn es um die Frage geht, inwieweit Pflanzen, bei denen hinsichtlich der Ausprägung der Merkmale Abweichungen gegenüber den bei der Erteilung des Sortenschutzes festgestellten Ausprägungen auftreten, gleichwohl in den vom Sortenschutz erfassten Bereich (Schutzbereich) fallen (s. dazu OLG Düsseldorf, InstGE 4, 127; LG Düsseldorf, InstGE 5, 275). Dergleichen steht im Streitfall nicht in Rede.
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- Hier wäre lediglich in Betracht gekommen, sich bei der Überprüfung der einzelnen Pflanzen einer anderen Methode zu bedienen, als sie der vom Landgericht zugezogene Sachverständige angewandt hat. Zum einen hätte der genetische Code der Pflanzen daraufhin überprüft werden können, ob er mit dem genetischen Code der Sorte in einem Umfang übereinstimmt, der den Schluss auf die Übereinstimmung in den Ausprägungen der die Sorte definierenden Merkmale rechtfertigt. Soweit das Berufungsgericht eine solche Vorgehensweise für aus Rechtsgründen ausgeschlossen gehalten hat, kann ihm nicht beigetreten werden. Zum anderen hätte der Sachverständige aus den ihm überlassenen Pflanzen im Wege der Stecklingsvermehrung eine größere Anzahl von Tochterpflanzen ziehen können und diese sodann auf die morphologische und physiologische Übereinstimmung mit den Merkmalen der Sorte hin untersuchen können.
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- Der Tatrichter ist jedoch aus Rechtsgründen nicht gezwungen, dem Sachverständigen eine bestimmte Methode der Ermittlung von Anknüpfungstatsachen vorzugeben. Wie sich der Tatrichter im Rahmen der beweisrechtlichen Vorschriften der Zivilprozessordnung seine Überzeugung bildet, kann ihm nicht vorgeschrieben werden. Wenn das Landgericht im vorliegenden Fall aufgrund der von dem gerichtlichen Sachverständigen bei sieben der von ihm angebauten Pflanzen beobachteten Übereinstimmung in den Ausprägungen der Merk- male der Sorte zu der Überzeugung gelangt ist, dass es sich um Pflanzen der Sorte "Melanie" handelt, und das Berufungsgericht keinen Anlass gesehen hat, an der Richtigkeit dieser Feststellung zu zweifeln, ist das revisionsrechtlich hinzunehmen.
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- Dem kann die Streithelferin zu 1 auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Feststellungen des Landgerichts seien lückenhaft, da der Sachverständige zum Merkmal 19 ("Länge der Blühperiode") keinen Befund erhoben habe. In seinem Ergänzungsgutachten vom 26. August 2002 hat der gerichtliche Sachverständige ausgeführt, das Merkmal "Länge der Blühperiode" sei nicht mehr in den UPOV-Richtlinien enthalten, da es stark umweltabhängig sei und zudem bei Knospenblühern nur ungenau erfasst werden könne. Offenbar hat der Sachverständige aus diesem Grund zu diesem Merkmal keinen Befund erhoben. Der Revision ist zwar zuzugeben, dass Erkenntnisse der vom Sachverständigen geschilderten Art den Gegenstand einer Sorte und den ihr gewährten Schutz nicht verändern können. Ersichtlich ist das Landgericht jedoch im Anschluss an die zitierten Ausführungen des Sachverständigen davon ausgegangen , dass unbeschadet des fehlenden Befunds zur Länge der Blühperiode die sachliche Übereinstimmung hinsichtlich der Gesamtheit der Merkmalsausprägungen nicht zweifelhaft sei. Dass konkrete Umstände zur Länge der Blühperiode vorgetragen worden wären, die solche Zweifel hätten wecken müssen, wird von der Revision nicht dargetan. Ausweislich des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils hat sich die Beklagte vielmehr mit der Behauptung verteidigt, bei den von ihr vertriebenen Besenheidepflanzen habe es sich um solche der Sorten "X" und "Y" gehandelt, die sich von den Sorten "Melanie" und "Amethyst" nach Wuchs, Blütentrieben und Blühzeit unterschieden.
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- Eine andere Beurteilung der tatrichterlichen Feststellungen rechtfertigt auch nicht der Einwand der Streithelferin zu 1, die dem Sachverständigengut- achten zugrundeliegenden Erhebungen seien "im Auftrag des Klägers" erfolgt. Der Sachverständige ist Mitglied des Bundessortenamts und hat sich aufgrund des Beweisbeschlusses des Landgerichts diesem gegenüber zu den vom Gericht gestellten Fragen geäußert. Dass er bzw. das Bundessortenamt die untersuchten Pflanzen bereits 1998/99 vom Kläger erhalten und sie daraufhin angebaut hat, ist unerheblich.
- 23
- Soweit sich die Beklagte und ihre Streithelferin in der mündlichen Verhandlung darauf berufen haben, das Berufungsgericht hätte einem Beweisangebot nachgehen müssen, eine Untersuchung des Genotyps der angegriffenen Pflanzen werde die Unrichtigkeit des Befundes des gerichtlichen Sachverständigen erweisen, können sie damit schon deshalb keinen Erfolg haben, weil eine entsprechende Verfahrensrüge innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht (ordnungsgemäß) erhoben worden ist (§ 557 Abs. 3 Satz 2, § 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ZPO).
- 24
- cc) Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht aufgrund des Befundes des gerichtlichen Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt ist, die vom Sachverständigen angebaute Pflanzenprobe Nr. 90 gehöre der Sorte "Amethyst" an, und das Berufungsgericht auch insoweit keinen Anlass zu Zweifeln gesehen hat.
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- dd) Schließlich kann die Revision auch nicht mit dem Vorbringen der Streithelferin zu 1 durchdringen, sie habe vor der mündlichen Verhandlung im Berufungsrechtszug vorgebracht, eine Besichtigung des Versuchsfelds beim Bundessortenamt habe ergeben, dass es zu einer Mehrfachvergabe einzelner Kontrollnummern gekommen sei, dass außer der vom Kläger eingereichten Pflanzenprobe Nr. 90 keinerlei Vergleichspflanzen dieser Sorte beim Bundessortenamt mehr vorhanden gewesen seien und dass die vom gerichtlichen Sachverständigen der Sorte "Melanie" zugeordnete Pflanzenprobe Nr. 32 rot bzw. rosablühend und nicht weiß blühend gewesen sei.
- 26
- Anlass zu entscheidungserheblichen Zweifeln musste dieses Vorbringen dem Berufungsgericht nicht geben. Dass die behauptete Mehrfachvergabe einzelner Kontrollnummern die relevanten Feststellungen des Landgerichts berührte , ist nicht vorgetragen worden. Ob zum Zeitpunkt der Besichtigung Vergleichspflanzen der Sorte "Amethyst" angebaut waren, ist unerheblich. Eine Pflanzenprobe Nr. 32 wird im Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen nicht erwähnt. Im Übrigen musste das Berufungsgericht selbst dann, wenn eine einzelne Pflanzenprobe entgegen dem Befund des Sachverständigen der Sorte "Melanie" nicht zugeordnet werden konnte, deswegen nicht die Feststellungen hinsichtlich der übrigen Proben in Zweifel ziehen.
- 27
- II. Das Berufungsgericht hat wie das Landgericht die Beklagte für verpflichtet erachtet, dem Kläger den durch die Verletzung seiner Sortenschutzrechte entstandenen Schaden zu ersetzen (§ 37 Abs. 2 SortG; Art. 94 Abs. 2 GemSortV). Es könne dahinstehen, ob sie - wie der Kläger behaupte - von seiner Auseinandersetzung mit der Streithelferin zu 1 Kenntnis gehabt habe. Die Beklagte habe sich nicht damit begnügen dürfen, bei einem erfahrenen Lieferanten einzukaufen, sondern habe die Schutzrechtslage selbst prüfen oder prüfen lassen müssen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
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- 1. Wer sich als Fachunternehmen mit der Herstellung eines Erzeugnisses befasst, das fremde Schutzrechte verletzen kann, ist verpflichtet, die Schutzrechtslage zu überprüfen und sich auf geeignete Weise zu vergewissern, dass das eigene Erzeugnis nicht mit Rechten Dritter kollidiert (BGH, Urt. v. 14.1.1958 - I ZR 171/56, GRUR 1958, 288, 290 - Dia-Rähmchen I; Urt. v. 27.2.1963 - Ib ZR 131/61, GRUR 1964, 640, 642 - Plastikkorb; Sen.Urt. v. 3.3.1977 - X ZR 22/73, GRUR 1977, 598, 601 - Autoskooter-Halle). Ob diese Verpflichtung in gleichem Umfang für jeden Händler gilt, bedarf im Streitfall keiner Erörterung. Sie gilt jedenfalls für denjenigen, der ein Erzeugnis bezieht, ohne sich bei seinem Lieferanten zu vergewissern, dass die notwendige Überprüfung von diesem oder einem früheren Glied in der Vertriebskette mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden ist. Insbesondere gilt dies für denjenigen Händler, der - wie die Beklagte - ein Erzeugnis aus dem Ausland bezieht, da gerade in diesem Fall die Möglichkeit besteht, dass der Hersteller und etwaige weitere Glieder der Vertriebskette zu einer Prüfung des Erzeugnisses im Hinblick auf inländische Schutzrechte keine Veranlassung gesehen haben. Ein Händler darf ein Erzeugnis jedenfalls solange nicht in den Verkehr bringen, wie er nicht begründetermaßen annehmen darf, dass die notwendige Prüfung auf die Verletzung von Rechten Dritter zumindest einmal durchgeführt worden ist.
- 29
- 2. Dass sie diesem Sorgfaltsmaßstab genügt hätte, macht die Beklagte nicht geltend. Sie ist vielmehr der Auffassung, der Einzelhandel könne sich darauf beschränken, bei erfahrenen Lieferanten einzukaufen, und müsse ohne konkrete Verdachtsmomente, die das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, keine Vorkehrungen gegen etwaige Schutzrechtsverletzungen treffen. Dem Maßstab erforderlicher und zumutbarer Sorgfalt wird dies nicht gerecht.
- 30
- III. Das Berufungsgericht hat schließlich angenommen, die Beklagte sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet, dem Kläger über die begangenen Verletzungshandlungen Rechnung zu legen, damit dieser in die Lage versetzt wird, die ihm zuerkannten Schadensersatzansprüche zu beziffern.
- 31
- Das steht mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang (s. nur BGHZ 92, 62, 64 - Dampffrisierstab II) und wird auch von der Revision nicht angegriffen, soweit das Berufungsgericht den Rechnungslegungsanspruch als Hilfsanspruch zu dem Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 37 Abs. 2 SortG zugesprochen hat. Die Revision meint jedoch, ein entsprechender Hilfsanspruch zu dem Schadensersatzanspruch des Klägers nach Art. 94 Abs. 2 GemSortV stehe dem Kläger mangels gemeinschaftsrechtlicher Grundlage nicht zu. Auch mit dieser Rüge dringt die Revision nicht durch.
- 32
- Sie weist zwar zutreffend darauf hin, dass Art. 94 Abs. 2 GemSortV nur den Schadensersatzanspruch des Sortenschutzinhabers regelt. Art. 97 Abs. 3 bestimmt ferner, dass sich die Wirkung des gemeinschaftlichen Sortenschutzes von den in den Absätzen 1 und 2 vorgesehenen Ausnahmen allein nach dieser Verordnung richtet. Bei der Rechnungslegung über die Grundlagen des Schadensersatzanspruchs geht es indessen nicht um eine zusätzliche, im Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehene Wirkung des Sortenschutzes, sondern um die effektive Durchsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Schadensersatzanspruchs. Sie muss, worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, das nationale Recht gewährleisten, eben weil das Gemeinschaftsrecht nur den Schadensersatzanspruch des Sortenschutzinhabers regelt, jedoch nicht die - verfahrens - oder materiell-rechtlichen - Instrumente seiner Durchsetzung (s. auch Keukenschrijver, SortG, vor § 37 Rdn. 5). Insoweit bestimmt Art. 93 GemSortV ausdrücklich, dass die Geltendmachung der Rechte aus dem gemeinschaftlichen Sortenschutz (französisch: l'exercice des droits conférés par la protection communautaire des obtentions végétales; englisch: claims under Community plant variety rights) Beschränkungen durch das Recht der Mitgliedstaaten nur insoweit unterliegt, als in dieser Verordnung ausdrücklich darauf Bezug genommen worden ist. Das nationale Recht muss daher zur Durchsetzung der Ansprüche aus einer Gemeinschaftssorte jedenfalls die gleichen Möglichkeiten zur Verfügung stellen, die es zur Durchsetzung nationaler Sortenschutzrechte bereithält. In einigen Mitgliedstaaten sind diese Instrumente prozessualer Natur, so dass sie unzweifelhaft auch auf die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs aus der Verletzung einer Gemeinschaftssorte anwendbar sind. Der Umstand, dass das deutsche Recht die effektive Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs nicht verfahrensrechtlich, sondern durch einen dem materiellen Recht angehörenden Hilfsanspruch gewährleistet, ist aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unerheblich. Der aus § 242 BGB hergeleitete Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch steht dem Berechtigten daher auch zur Bezifferung des Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung einer Gemeinschaftssorte zu.
Meier-Beck Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 12.09.2003 - 7 O 810/00 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.05.2004 - 6 U 216/03 -
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht. Der Anspruch ist ausgeschlossen, soweit die Inanspruchnahme aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls und der Gebote von Treu und Glauben für den Verletzer oder Dritte zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte führen würde. In diesem Fall ist dem Verletzten ein angemessener Ausgleich in Geld zu gewähren. Der Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 bleibt hiervon unberührt.
(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Benutzung der Erfindung eingeholt hätte.
(3) Ist Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses, so gilt bis zum Beweis des Gegenteils das gleiche Erzeugnis, das von einem anderen hergestellt worden ist, als nach dem patentierten Verfahren hergestellt. Bei der Erhebung des Beweises des Gegenteils sind die berechtigten Interessen des Beklagten an der Wahrung seiner Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse zu berücksichtigen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der benutzten Erzeugnisse in Anspruch genommen werden.
(2) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzer Klage erhoben hat, besteht der Anspruch unbeschadet von Absatz 1 auch gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß
- 1.
rechtsverletzende Erzeugnisse in ihrem Besitz hatte, - 2.
rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahm, - 3.
für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachte oder - 4.
nach den Angaben einer in Nummer 1, 2 oder Nummer 3 genannten Person an der Herstellung, Erzeugung oder am Vertrieb solcher Erzeugnisse oder an der Erbringung solcher Dienstleistungen beteiligt war,
(3) Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über
- 1.
Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Erzeugnisse oder der Nutzer der Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und - 2.
die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie über die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse oder Dienstleistungen bezahlt wurden.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist.
(5) Erteilt der zur Auskunft Verpflichtete die Auskunft vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch oder unvollständig, so ist er dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(6) Wer eine wahre Auskunft erteilt hat, ohne dazu nach Absatz 1 oder Absatz 2 verpflichtet gewesen zu sein, haftet Dritten gegenüber nur, wenn er wusste, dass er zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war.
(7) In Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung kann die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft im Wege der einstweiligen Verfügung nach den §§ 935 bis 945 der Zivilprozessordnung angeordnet werden.
(8) Die Erkenntnisse dürfen in einem Strafverfahren oder in einem Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten wegen einer vor der Erteilung der Auskunft begangenen Tat gegen den Verpflichteten oder gegen einen in § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden.
(9) Kann die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nummer 70 des Telekommunikationsgesetzes) erteilt werden, ist für ihre Erteilung eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die von dem Verletzten zu beantragen ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht, in dessen Bezirk der zur Auskunft Verpflichtete seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat, ohne Rücksicht auf den Streitwert ausschließlich zuständig. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen. Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben im Übrigen unberührt.
(10) Durch Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 9 wird das Grundrecht des Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen. Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung
- 1.
ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen; - 2.
ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, daß die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten; - 3.
das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.
(1) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(2) Absatz 1 ist entsprechend auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Materialien und Geräte anzuwenden, die vorwiegend zur Herstellung dieser Erzeugnisse gedient haben.
(3) Wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt, kann von dem Verletzten auf Rückruf der Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch genommen werden. Satz 1 ist auch anzuwenden, wenn es sich um Erzeugnisse handelt, die durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellt worden sind.
(4) Die Ansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Inanspruchnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind auch die berechtigten Interessen Dritter zu berücksichtigen.
(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Würde die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen, so hat ihm das Gericht auf Antrag zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung des Gläubigers abzuwenden; § 709 Satz 2 gilt in den Fällen des § 709 Satz 1 entsprechend. Ist der Schuldner dazu nicht in der Lage, so ist das Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären oder die Vollstreckung auf die in § 720a Abs. 1, 2 bezeichneten Maßregeln zu beschränken.
(2) Dem Antrag des Schuldners ist nicht zu entsprechen, wenn ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. In den Fällen des § 708 kann das Gericht anordnen, dass das Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist.