Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Juli 2017 - 8 Sa 23/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0711.8Sa23.17.00
11.07.2017

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.11.2016, Az.: 5 Ca 289/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochenen Kündigung aus personenbedingten Gründen.

2

Der 1963 geborene, ledige Kläger hat bei dem beklagten Land zunächst in der Zeit vom 01.08.1982 bis zum 02.07.1985 erfolgreich eine Ausbildung zum Straßenwärter bei der Straßenmeisterei K. absolviert. Anschließend wurde er seit dem 03.07.1985 weiter als Arbeiter/Straßenwärter auf Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 08.08.1985 (Bl. 13 ff. d.A.) in verschiedenen Straßenmeistereien des nichtrechtsfähigen Landesbetriebes Mobilität Rheinland-Pfalz beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Mantel-Tarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTArb) vom 27.02.1964 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrages vom 08.08.1985 (Bl. 13 f. d. A.) wird verwiesen. Der Kläger war seit dem 03.07.1992 in der Lohngruppe 5a Nr. 5 MTArb eingereiht und wurde zum 01.11.2006 in die Entgeltgruppe 5 TV-L übergeleitet.

3

Bei dem Kläger besteht ein Grad der Behinderung von 30 %. Er wurde mit Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 30.08.2011 (Bl. 15 d.A.) einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

4

Bereits mit Schreiben vom 07.11.2008 hatte das beklagte Land dem Kläger erstmals das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2009 aus personenbedingten Gründen gekündigt. In dem daraufhin geführten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach (Az: 11 Ca 1484/08) und vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az: 7 Sa 506/09) obsiegte der Kläger nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, das ergab, dass nicht feststellbar sei, dass zukünftig vom Kläger Gefahren für sich oder Dritte zu erwarten seien.

5

Der Kläger wurde dann ab dem 01.06.2011 in der Master-Straßenmeisterei Ki. weiterbeschäftigt und war von Juli 2011 bis Dezember 2011 insgesamt an 53 Tagen und im Jahr 2012 bis September 2012 an 94 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 07.11.2012 kündigte das beklagte Land erneut außerordentlich fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist bis zum 30.06.2013 aus verhaltensbedingten Gründen. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage hatte ebenfalls schließlich im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (Az.: 5 Sa 262/13) Erfolg.

6

Anschließend wurde der Kläger ab dem 25.03.2014 zunächst in der Straßenmeisterei B. S. weiterbeschäftigt. In der Folgezeit war er bis Juli 2014 bis auf 5 Arbeitstage überwiegend arbeitsunfähig erkrankt. Das beklagte Land beauftragte den Betriebsarzt der i. AG, den Kläger zu untersuchen und festzustellen, ob er künftig als Straßenwärter weiterbeschäftigt werden könne. Dieser teilte nach einer Untersuchung im August 2014 mit E-Mail vom 24.10.2014 dem beklagten Land als Ergebnis mit, dass der Kläger wegen der bestehenden Hinweise auf eine Eigen- und Fremdgefährdung aus arbeitsmedizinischer Sicht von den arbeitsvertraglich geschuldeten gefährdenden Tätigkeiten freizusprechen sei. Zugleich wurde ferner empfohlen, ein psychiatrisches Gutachten zu erstellen (vgl. Bl. 33, 128 d. A.).

7

Am 23.10.2014 fand ein betriebliches Eingliederungsmanagement-Gespräch statt (vgl. Bl. 194 d.A.).Der Kläger wurde daraufhin ab dem 28.10.2014 von der Arbeit freigestellt (unter Fortzahlung seines Entgelts). Ferner wurde eine amtsärztliche Untersuchung am 10.11.2014 durch die Amtsärztin des Gesundheitsamtes S., Frau Dr. W., mit einem Gespräch am 17.11.2014 veranlasst. Dies führte zu einer fachärztlichen Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Leiter der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses L., Herrn PD Dr. M.. Nach Eingang des hierauf ergangenen psychiatrischen Gutachtens erstellte das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung des Rhein-Hunsrück-Kreises ein Gutachten unter dem 19.01.2015, wonach beim Kläger ein Persönlichkeitsstörung und eine geringfügige Minder- bzw. eher Grenzbegabung, die jedoch keine im eigentlichen Sinne behandelbare psychische Erkrankung darstellten, festgestellt wurden. Weiterhin heißt es in diesem Gutachten, dass in jedem Fall Zweifel an der Eignung des Klägers für die Tätigkeit als Straßenwärter in vollem Umfang (im Team mit der Verantwortung für die Gesundheit auch anderer) bestünden, jedoch ein erfolgreicher Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz - soweit vorhanden - mit einem geringeren Gefahrenpotenzial durchaus denkbar sei. Auf die Stellungnahme der Amtsärztin wird Bezug genommen (vgl. Bl. 34 f. d. A.).

8

Am 06.10.2015 fand ein Personalgespräch mit dem Kläger statt. Auf einen Gesprächsvermerk hierüber wird verwiesen (vgl. Bl. 166 d. A.). Am 07.10.2015 richtete die Beschäftigungsbehörde des Klägers, der Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz an das Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur in M. eine Anfrage zur Prüfung einer Verwendungsmöglichkeit des Klägers bei den Behörden und Einrichtungen des Landes Rheinland-Pfalz zur Vermeidung einer personenbedingten Kündigung unter Bezugnahme auf die tarifliche Unkündbarkeit des Klägers gemäß § 34 Abs. 2 TV-L. Auf den Inhalt dieser schriftlichen Anfrage wird gleichfalls Bezug genommen (vgl. Bl. 152 f. d. A.).

9

Mit Schreiben des Landesbetriebes Mobilität Rheinland-Pfalz vom 09.12.2015 (vgl. Bl. 37 f. d. A.) teilte das beklagte Land dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass eine Beschäftigung beim Landesbetrieb nicht möglich sei und dass auf die im Übrigen negative landesweite Abfrage allein die Hochschule W. mitgeteilt habe, dass dort eine Stelle, die unter anderen Hörsaalpflege, Außenbereichspflege und Schreinerarbeiten beinhalte, zu besetzen sei. Ferner bat das beklagte Land den Kläger sich mit der Sachbearbeiterin der Personalabteilung der Hochschule zwecks Terminabsprache für ein Vorstellungsgespräch unmittelbar in Verbindung zu setzen und den Landesbetrieb Mobilität bis spätestens 18.12.2015 über den aktuellen Sachstand zu unterrichten. Auf die Erinnerung des beklagten Landes vom 28.12.2016 antwortete der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 07.01.2016 (Bl. 235 d.A.), dass es sich seinem Mandanten nicht erschließe aus welchen Gründen er, wenn er in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, entsprechend dem Wunsch des LBM ein Bewerbungsgespräch in W. - ca 100 km von seinem Wohnort entfernt - führen sollte; im Übrigen fehle es an jedweder Mitteilung der konkreten Stelle und deren Dotierung. Auf die weitere schriftliche Erinnerung vom 12.02.2016 (vgl. Bl. 39, 40 f. d. A.) teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 25.02.2016 mit, dass sein Mandant die angebotene Stelle nicht in Erwägung ziehen könne und die Gründe telefonisch mitgeteilt worden seien (vgl. Bl. 42 d. A.).

10

Mit Schreiben vom 26.02.2016 leitete der LBM das Mitwirkungsverfahren zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist nach dem LPersVG ein (vgl. Bl. 54 ff d. A.). Der Gesamtpersonalrat des LBM stimmte mit Schreiben vom 08.03.2016 zu (vgl. Bl. 51 d. A.). Auch das Integrationsamt stimmte mit Bescheid vom 16.03.2016 (vgl. Bl. 43 ff. d. A.) ebenfalls „der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung" zu und teilte dies vorab am gleichen Tag telefonisch dem beklagten Land mit.

11

Mit Schreiben vom 16.03.2016 kündigte das beklagte Land daraufhin außerordentlich aus besonders wichtigem Grund - amtsärztlich festgestellte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zur Ausführung der Tätigkeiten als Straßenanwärter -, hilfsweise unter Einräumung einer sozialen Auslauffrist von 6 Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres zum 30.09.2016 (vgl. Bl. 17 d. A.). Die Kündigung ging dem Kläger am 17.03.2016 zu.

12

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 05.04.2016 beim Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach eingegangenen Kündigungsschutzklage.

13

Der Kläger hat erstinstanzlich ausgeführt,

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er sei weder krankheitsbedingt noch aus sonstigen Gründen arbeitsunfähig. Er sei sowohl bereit als auch in der Lage, die ihm übertragenen Arbeiten als Straßenwärter auszuüben. Die Feststellungen des Betriebsarztes als auch die amtsärztlichen Feststellungen seien falsch. Sie beruhten maßgeblich auf Informationen und Mitteilungen der Beklagten zu Händen derjenigen Ärzte, die im Auftrag der Beklagten ihn untersucht und begutachtet hätten. Insoweit berufe er sich auf das Urteil vom 13.02.2014 des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Az: 5 Sa 262/13) sowie des LAG Rheinland-Pfalz vom 25.05.2011 - 7 Sa 506/09 -) und dem darin eingeholten psychiatrischen Sachverständigengutachten, worin gerade nicht feststellbar gewesen sei, dass von ihm bei einer Beschäftigung als Straßenwärter erhebliche Gefahren für sich oder Dritte oder für Gegenstände zu erwarten seien. Bei der Vielzahl der Beschäftigten der Beklagten erschieße sich nicht, wieso es keinen Beschäftigungsplatz für ihn geben solle. Insbesondere werde bestritten, dass das Tätigkeitsfeld eines Straßenwärters für eine Umgestaltung dieses Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung der bei ihm unstreitig gegebenen Einschränkungen keinen Raum lasse. Aus welchen Gründen hätte er auf das Angebot bei der Hochschule in W. reagieren sollen, zumal noch nicht einmal mitgeteilt worden sei, welche Vergütung er erhalten hätte. Insofern werde bestritten, dass die Stelle monatlich mit 2.600,00 EUR brutto vergütet werde. Im Übrigen sei es ihm nicht zuzumuten, seinen Wohnsitz nach W. zu verlegen, Bei Beibehaltung seines Wohnsitzes müsste er täglich 196 km mit dem Pkw zurücklegen. Die damit verbundenen Kosten würden zu einer erheblichen Schlechterstellung führen. Es werde bestritten, dass er die Stelle bei der Hochschule erhalten hätte. Im Übrigen erschließe sich nicht für ihn, ob und welchen Umfang die landesweite Abfrage gehabt habe und wie diese ausgestaltet gewesen sei. Bedenklich sei, dass nach Ablauf von mehr als 18 Monaten ab Durchführung des letzten betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM) Gespräches ohne Durchführung eines weiteren bEM-Gespräches die Kündigung ausgesprochen worden sei. Schon dies führe dazu, dass die Beklagte die Darlegungslast hinsichtlich der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten trage. Die angegriffene Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil sie, lägen die entsprechenden Voraussetzungen in seiner Person vor, als Änderungskündigung hätte ausgestaltet werden müssen.

15

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.03.2016 weder außerordentlich fristlos aufgelöst wurde, noch ordentlich zum 30.09.2016 aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

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2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

18

Das beklagte Land hat beantragt, die

19

Klage abzuweisen.

20

Es hat vorgetragen,

21

der Kläger sei wegen der Gefahr einer Eigen- und Fremdgefährdung dauerhaft nicht in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung als Straßenwärter zu erbringen. Bereits in der Vergangenheit habe es eine Vielzahl von Situationen gegeben, in denen der Kläger während der Ausübung seiner Tätigkeit sich oder seine Kollegen in akute Gefahrensituationen gebracht habe, insbesondere nach Abschluss des früheren Verfahrens wegen krankheitsbedingter Kündigung nach seiner Weiterbeschäftigung ab dem 01.06.2011. So sei der Kläger wegen eines entsprechenden Verhaltens mit Schreiben vom 04.11.2011 abgemahnt worden (vgl. Bl. 112 ff. d. A.). Auch im Übrigen sei das Verhalten und die Arbeit des Klägers nicht beanstandungsfrei gewesen und er sei mehrfach abgemahnt worden, so wegen mangelnder Körperhygiene mit Schreiben vom 04.09.2012 (vgl. Bl. 115 f. d. A.), wegen nicht ordnungsgemäßer Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung mit Schreiben vom 15.10.2012 (vgl. Bl. 117 f. d. A.) sowie wegen nicht angezeigter Nebentätigkeit mit Schreiben vom 15.10.2012 (vgl. Bl. 120 f. d. A.) und wegen gesundheitswidrigen Verhaltens während der Arbeitsunfähigkeit, ebenfalls mit Schreiben vom 15.10.2012 (vgl. Bl. 123 f. d. A.). Da ein Straßenwärter fast ausschließlich im Straßenraum bei fließendem Verkehr tätig sei, sei ein Einsatz in diesem Beruf ohne Gefahrenpotenzial nicht möglich. Eine Therapierbarkeit sei nach Angaben des Gesundheitsamtes nicht möglich und ein anderer alternativer Arbeitsplatz, der sowohl den Fähigkeiten als auch der Qualifikation des Klägers entspreche, stünde beim LBM nicht zur Verfügung. In der Meisterei existiere weder eine Stelle als Pförtner, Hausmeister oder Fahrer und auch in anderen Dienststellen gebe es keine adäquate freie Stelle. Im Rahmen des BEM Gespräches am 23.10.2014 habe der Kläger erklärt, keine Möglichkeiten, wie seitens des Arbeitgebers Hilfestellungen erfolgen könnten, zu sehen und es habe Einvernehmen darüber bestanden, dass ein weiteres Gespräch nicht notwendig sei. Auch im Personalgespräch am 06.10.2015 habe keine Lösung gefunden werden können, insbesondere hätten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter keine konkreten Möglichkeiten genannt, wie eine Weiterbeschäftigung aussehen sollte. Gerade auch im Hinblick auf dieses Gespräch, das erfolglos verlaufen sei, sei die erneute Durchführung eines bEM Verfahrens weder zielführend noch erforderlich gewesen. Im Übrigen würden die Beschäftigten turnusgemäß erst nach 2 Jahren erneut für ein neues bEM Gesprächsangebot angeschrieben, was im vorliegenden Fall erst im Oktober 2016 erneut der Fall gewesen wäre.. Es sei dem Landesbetrieb nicht möglich gewesen, dem Kläger im Rahmen einer Änderungskündigung die Stelle bei der Hochschule W. anzubieten, da ihn die hierfür erforderliche Zuständigkeit fehle, was sich aus der Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 03.01.2000 ergebe. Vertragsarbeitgeber und Anstellungsbehörde sei nach dem Arbeitsvertrag der LBM. Im Übrigen entfalle eine Verpflichtung zur Änderungskündigung wegen der unmissverständlichen und abschließenden Weigerung des Klägers, die freie Stelle in W. anzunehmen. Die angebotene Stelle habe er abgelehnt, obwohl im Vorfeld bereits darauf hingewiesen worden sei, dass im Falle der Ablehnung mit dem Ausspruch einer Kündigung gerechnet werden müsse. Als auch mit dem Integrationsamt am 10.03.2016 über die freie Stelle bei der Hochschule W. gesprochen worden sei, sei eine unmissverständliche und abschließende Ablehnung durch den Kläger erfolgt.

22

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.11.2016 - 5 Ca 289/16 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die außerordentliche Kündigung vom 16.03.2016 weder fristlos noch unter Berücksichtigung einer sozialen Auslauffrist begründet sei. Denn selbst bei unterstellter dauerhafter Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die Tätigkeit des Straßenwärters sei die ausgesprochene Kündigung unverhältnismäßig, da sie gegen den Vorrang der Änderungskündigung verstoßen habe. Im Übrigen sei auch fraglich, ob das beklagte Land im Hinblick auf die Nichtdurchführung eines bEM vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung seiner erweiterten Darlegungslast bezüglich einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, die landesweit in allen Verwaltungszweigen bestünde, nachgekommen sei.

23

Das Urteil ist dem beklagten Land am 28.12.2016 zugestellt worden. Es hat hiergegen mit einem am 20.01.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 18.01.2017 Berufung eingelegt und diese mit einem am 21.02.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 20.02.2017 begründet.

24

Nach Maßgabe des genannten und des Schriftsatzes vom 24.05.2017, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 278 ff., 371 ff. d. A.), macht das beklagte Land zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

25

Das Arbeitsgericht habe die Besonderheiten des vorliegenden Falles verkannt. Insbesondere habe es nicht beachtet, dass es sich bei der Hochschule W. um eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes handele, die gemäß den §§ 1,6,7,8,9 HRG Rheinland-Pfalz mit umfangreichen Selbstverwaltungsbefugnissen gerade auch im Personalbereich handele. Es sei daher unmöglich, die Stelle bei der Hochschule W. dem Kläger zuzuweisen. Es sei vielmehr erforderlich gewesen, dass der Kläger im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs die konkreten Arbeitsbedingungen und Modalitäten mit der Hochschule eruiere. Der Kläger selbst habe sich vielmehr bemühen müssen, die Stelle bei der Hochschule W. zu erhalten. Aufgrund der nachhaltigen ablehnenden Haltung des Klägers sei auch die erneute Einleitung eines bEM nicht erforderlich gewesen, da auch dieses Verfahren wie die weiteren Gespräche belegten, die Kündigung nicht hätte vermeiden können. Dies würden auch die Zustimmung zur Kündigung sämtlicher notwendig beteiligter Stellen indizieren.

26

Das beklagte Land beantragt:

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Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.11.2016 - AZ: 5 Ca 289/16 abzuändern und die Klage abzuweisen.

28

Der Kläger beantragt,

29

die Berufung zurückzuweisen.

30

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 21.04.2017, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.

31

Im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

32

Die Berufung des beklagten Landes ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 520 ZPO).

II.

33

Im Ergebnis hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitgegenständliche Kündigung des beklagten Landes vom 16.03.2016 weder außerordentlich fristlos noch unter Berücksichtigung einer sozialen Auslauffrist von 6 Monaten zum 30.09.2016 beendet worden.

34

1. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-L zumindest kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. Gemäß § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages findet auf das Arbeitsverhältnis der MTArb und den diesen ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge Anwendung. Damit richtet sich das Arbeitsverhältnis seit dem 1. Oktober 2005 nach dem TV-L, da er einen den MTArb ersetzenden Tarifvertrag darstellt (vgl. hierzu BAG 22.04. 2009 - 4 ABR 14/08 - zu I. 1. der Gründe, BAGE 130, 286). Hiervon gehen auch die Parteien übereinstimmend nach Überleitung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Einführung des TV-L aus. Der Kläger ist aufgrund seines Lebensalters und seiner Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar im Sinne des § 34 Abs. 2 TV-L. Ihm kann nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden. Maßgeblich ist insoweit § 626 BGB.

35

Gleiches würde im Übrigen auch bei Anwendung des MTArb gelten, da dieser gleichfalls in § 58 die ordentliche Unkündbarkeit nach einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 15 Jahren und der Vollendung des 40. Lebensjahres vorsieht und der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt.

36

2. Die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes genügt nicht die Anforderungen des § 626 Abs.1 BGB, auf den § 34 Abs. 2 TV-L verweist.

37

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

38

a) Dabei können auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person geeignet sein, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann. Liegt eine dauerhafte Leistungsunfähigkeit vor, kann dies den Arbeitgeber bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit des Arbeitnehmers jedenfalls zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigen (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, BAGE 132, 299).

39

Zudem kann nach der ständigen Rechtsprechung bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung auf Grund tarifvertraglicher Vorschriften im Ausnahmefall auch eine krankheitsbedingte außerordentliche Kündigung in Betracht kommen. Krankheit ist danach zwar nicht als wichtiger Grund iSd. § 626 BGB ungeeignet. An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers ist allerdings schon bei einer ordentlichen Kündigung ein strenger Maßstab anzulegen, so dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber iSd. § 626 Abs. 1 BGB unzumutbar sein kann (std.Rspr. vgl. zuletzt BAG 23.01.2014 - 2 AZR 582/13 -, NZA 2014, 962 ff).

40

b) Doch schied eine fristlose Kündigung ohne soziale Auslauffrist im vorliegenden Fall von vornherein aus.

41

Denn fristlos ohne eine soziale Auslauffrist kann einem tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nach § 626 BGB nur gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber bei einem vergleichbaren kündbaren Arbeitnehmer dessen Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar wäre (vgl. BAG 12.08.1999 - 2 AZR 923/98 -). Da jedoch bei Arbeitsunfähigkeit eines ordentlich kündbaren Arbeitnehmers regelmäßig die Einhaltung einer ordentlichen Kündigungsfrist dem Arbeitgeber zumutbar ist (vgl. BAG 23.01.2014 - 2 AZR 582/13 -, NZA 2014, 962 ff), kommt auch bei einer fristlosen Kündigung eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers grundsätzlich nur eine fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist in Betracht.

42

Das beklagte Land selbst gibt in seinem Kündigungsschreiben ausdrücklich als Kündigungsgrund die amtsärztlich festgestellte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zur Ausführung der Tätigkeit des Straßenwärters an. Anhaltspunkte dafür, dass bei diesem Kündigungsgrund ausnahmsweise auch bei einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre, bestehen nicht. Dementsprechend schied vorliegend eine fristlose Kündigung ohne Auslauffrist von vornherein aus.

43

c) Aber auch die des Weiteren hilfsweise ausgesprochene fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist war vorliegend nicht wirksam.

44

(1) Dabei kann zugunsten des beklagten Landes angenommen werden, dass ein an sich geeigneter wichtiger Kündigungsgrund vorliegend gegeben ist. Insoweit unterstellt die Kammer zugunsten des beklagten Landes ebenso wie bereits das Arbeitsgericht, dass eine dauerhafte Arbeits-/Leistungsunfähigkeit hinsichtlich der Tätigkeit des Straßenwärters besteht und der Kläger dauerhaft an der Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit gehindert ist.

45

(2) Dennoch hat auch die ausgesprochene fristlose Kündigung mit sozialer Auslauffrist keinen Bestand, da sie sich im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung als unverhältnismäßig erweist.

46

Denn nach Abwägung aller Interessen liegt für die Kammer kein eng begrenzter Ausnahmefall vor, in dem die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses iSd. § 626 Abs. 1 BGB für das beklagte Land unzumutbar ist.

47

(a) Vorliegend kam es dabei offen bleiben, ob das beklagte Land im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine gesteigerte Darlegungslast zur Nutzlosigkeit eines bEM traf (vgl. (BAG 13.5.2015 - 2 AZR 565/14 - NZA 2015, 1249), der es nicht genügte oder aber eine solche vorliegend aufgrund der Zustimmung des Integrationsamtes entfiel (vgl. hierzu BAG 20.11.2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 39 - 41 m.w.N., NZA 2015, 931, 935).

48

Zwar hat das beklagte Land pflichtwidrig die Durchführung eines bEM vor Ausspruch der Kündigung unterlassen hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nach § 84 Abs. 2 SGB IX im Kündigungszeitpunkt Vorlagen, da trotz von dem beklagten Land angenommener fortdauernder Arbeitsunfähigkeit letztmalig ein bEM am 23.10.2014 und damit fast 1% Jahre vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung durchgeführt wurde und ein solches auch nicht entbehrlich war. Insbesondere führte auch nicht die beim bEM-Gespräch am 23.10.2014 vom Kläger unterzeichneten formularmäßigen Verzichtserklärung bezüglich eines weiteren bEM zur Entbehrlichkeit, da einer solchen Erklärung allenfalls dann ebenso wie der Ablehnung eines bEM durch den Arbeitnehmer diese kündigungsrechtliche Auswirkung haben kann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung zeitnah ausspricht, da ansonsten ein bEM seinen Zweck verfehlen würde (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 16.12.2009 - 7 Sa 413/09 - juris Rn 39, 0.10.2016, LAG Düsseldorf 20.10.2016 - 13 Sa 356/16). Zumal auch die angebliche krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit erst nach Einholung des psychiatrischen Gutachtens im Januar 2015 abschließend feststand und damit ein wesentliche Änderung im Vergleich zum letzten bEM-Gespräch eingetreten war. Schließlich erfüllte das Gespräch vom 06.10.2015 mangels vorheriger Information gemäß § 84 Abs. 2 S. 3 SGB IX über die Ziele des bEM nebst fehlendem Hinweis auf Art und Umfang der dabei erhobenen und verwendeten Daten (vgl. zu diesen Erfordernissen std. Rspr. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13, NZA 2015, 612) nicht einmal den Mindestanforderungen an ein ordnungsgemäßes bEM.

49

Dennoch kam es nicht streitentscheidend auf die vom Bundesarbeitsgericht bisher offengelassene Frage an, ob der Zustimmung des Integrationsamtes einer Indizwirkung für die Nutzlosigkeit des bEM zukommt, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind (vgl. hierzu BAG 20.11.2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 39 - 41 m.w.N., NZA 2015, 931, 935). Denn die Kündigung erweist sich unabhängig hiervon schon aus anderen Gründen als unverhältnismäßig.

50

Denn die Zustimmung des Integrationsamtes gibt dem Arbeitgeber allein diejenige Rechtsstellung zurück, die er hätte, wenn es den besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte bzw. denen gleichgestellte Menschen nicht gäbe. Aber auch dann erweist sich die ausgesprochene Kündigung schon im Hinblick auf die aus der tariflich ordentlichen Unkündbarkeit folgenden umfassenden Prüfpflicht einer landesweiten Weiterbeschäftigung sowie aufgrund der Missachtung des Vorrangs der Änderungskündigung als unverhältnismäßig.

51

(b) So ist der Arbeitgeber auch bei dauernder Unmöglichkeit, den ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich zu beschäftigen, erst dann zur Kündigung berechtigt, wenn das aus der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers resultierende Hindernis nicht nur seiner Weiterbeschäftigung am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch einer Beschäftigung an anderer Stelle entgegensteht (so schon Senat 30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - zu III 2 c der Gründe, BAGE 30, 309; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 288 ff. mwN). Dies gilt bei allen Arten von Kündigungsgründen (Senat 6. Oktober 2005 - 2 AZR 280/04 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 66; 27. September 1984 - 2 AZR 62/83 - zu B II der Gründe, BAGE 47, 26).

52

Dabei wirkt sich die tarifliche Unkündbarkeit im Prozess auch bei der Darlegungslast aus. Es ist nicht Sache des Arbeitnehmers eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit aufzuzeigen. Vielmehr muss aus dem Vorbringen des Arbeitgebers von vornherein erkennbar sein, dass er alles Zumutbare unternommen hat, die durch die Veränderung der Umstände notwendig gewordenen Anpassungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (std. Rspr. vgl. zB. BAG 20.03.2014 - 2 AZR 288/13, Rn. 41, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 17, 02.03.2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29 mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84). Wie weit seine Darlegungslast reicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Be- schäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren. In diese Prüfung sind nicht nur die in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 lit. b KSchG genannten Arbeitsplätze in derselben Dienststelle oder einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets einzubeziehen. Die Prüf- und Sondierungspflichten des Arbeitgebers gehen - wie auch sonst bei der außerordentlichen Kündigung - darüber deutlich hinaus. Sie erstrecken sich im Grundsatz auf sämtliche Geschäftsbereiche des betreffenden öffentlichen Arbeitgebers und zwar im Rahmen seines gesamten territorialen Einflussbereichs (so schon BAG 23.03.1972, -- 2 AZR 216/71 - zu 2 der Gründe, BAGE 24, 222).Im Regelfall wird der Arbeitgeber zumindest anhand vorhandener Stellenpools und Stellenpläne prüfen müssen, ob im Kündigungszeitpunkt oder in absehbarer Zeit die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Arbeitnehmers bestand bzw. sich eröffnen könnte. Im Prozess hat er aufzuzeigen, dass er dieser Prüfpflicht genügt hat (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 46).

53

An diesen Maßstäben gemessen hat das beklagte Land bereits nicht seiner Prüfpflicht hinsichtlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit genügt. Denn das beklagte Land hat schon nicht sämtliche zumutbaren Bemühungen unternommen, um den Kläger ggfs. unter geänderten Bedingungen insbesondere auch in einem anderen Verwaltungszweig weiter zu beschäftigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Arbeitgeber entsprechend dem schriftlichen Arbeitsvertrag und der sodann ausgesprochenen Kündigung nicht etwa der Landesbetrieb für Mobilität, sondern das beklagte Land selbst ist.

54

Zur Begründung der fehlenden anderweitigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat das beklagte Land darauf verwiesen, dass im Kündigungszeitpunkt weder im Betriebsdienst noch im einfachen Verwaltungsdienst im Verwaltungsbereich des Landesbetriebs Mobilität ein geeigneter anderer Arbeitsplatz frei gewesen sei, sondern alle in Betracht kommenden Stellen langfristig mit gleichfalls tariflich unkündbaren Arbeitnehmern besetzt gewesen seien. Hinsichtlich der gleichfalls von sich aus zu prüfenden anderweitigen landesweiten Beschäftigungsmöglichkeit hat es auf die vom Landesbetrieb Mobilität an das Innenministerium unter Fristsetzung bis zum 15.11.2015 gerichteten Prüfbitte vom 07.10.2015 (Bl. 192 f. d.A.) verwiesen. Der Landesbetrieb Mobilität bittet darin das Ministerium des Innern des beklagten Landes um Prüfung einer dauerhaften anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geschäftsbereichs dieses Ministeriums und verweist dabei darauf, dass derzeit beim Landesbetrieb ein passender Arbeitsplatz nicht frei sei.

55

Bereits der Inhalt der Abfrage genügt jedoch nicht, um der umfassenden Prüfpflicht hinsichtlich einer anderweitigen Weiterbeschäftigung zu genügen. Dies gilt insbesondere auch für die umfassende Sondierung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten in absehbarer Zeit. Denn diese wurden bereits nicht ausdrücklich abgefragt. Damit fehlt es an der umfassenden Prüfung, dass geeignete Stellen dauerhaft und auf Jahre nicht zur Verfügung stehen. Im Rahmen der außerordentlichen Kündigung wäre das beklagte Land allerdings verpflichtet gewesen, und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen, Tätigkeiten anzubieten, sobald sie freiwürden. Die derzeitige Besetzung der Stellen reicht hierfür bei einem über 33 Jahre beschäftigten und ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer gerade nicht aus.

56

Auch erscheint fraglich, ob in die Prüfung der anderweitigen Weiterbeschäftigung allein dauerhaft freie bzw. freiwerdende Stellen einzubeziehen sind, wie von der Anfrage vorgegeben wurde oder aber jedenfalls zumindest auch befristete Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten einzubeziehen sind, da die Fortsetzung eines unkündbaren Arbeitsverhältnisses dem Arbeitgeber keine unzumutbare Belastung darstellt, solange es ihm möglich ist, den Arbeitnehmer überhaupt noch und sei es auch in einem anderen Betrieb in wirtschaftlich sinnvoller Weise zu beschäftigen. Dies kann auch mittels ggfs. wechselnder Tätigkeiten möglich sein.

57

Auf die Frage, ob eine einfache Anfrage in der vorliegenden Form überhaupt ausreicht um der Prüfpflicht des beklagten Landes zu genügen oder aber hierzu zumindest von vornherein eine Beantwortung in der Form zu verlangen ist, dass für alle Dienststellen detailliert angegeben werde muss, welche in Betracht kommenden Stellen jeweils vorhanden sind und weshalb diese nicht derzeit und in absehbarer Zeit mit dem Kläger besetzt werden können, kam es daher schon nicht mehr an.

58

(c) Darüber hinaus erweist sich die ausgesprochene fristlose Kündigung mit Auslauffrist aber auch noch aus einem weiteren Grund als unverhältnismäßig. Dem beklagten Land wäre als milderes Mittel im Hinblick auf die freie zu besetzende Stelle an der Hochschule W. als milderes Mittel der Ausspruch einer Änderungskündigung möglich gewesen.

59

Der Arbeitgeber hat auch vor einer außerordentlichen Kündigung, die auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt werden soll, von sich aus alle Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem anderen freien Arbeitsplatz - ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen - anzubieten (LAG Rheinland-Pfalz 23.05.2013 - 10 Sa 6/13 - zu II. 1. d) cc) der Gründe, BAG 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - unter B 11 3 a der Gründe, NZA 1985, 455). Das Angebot kann lediglich in sog. Extremfällen unterbleiben. Macht der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung dem Arbeitnehmer das Angebot, den Vertrag den noch bestehenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten anzupassen und lehnt der Arbeitnehmer dieses Angebot ab, so ist der Arbeitgeber dennoch regelmäßig nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, eine Änderungskündigung auszusprechen. Eine Beendigungskündigung ist nur in dem Ausnahmefall zulässig, in dem der Arbeitnehmer unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, er werde die geänderten Arbeitsbedingungen in keinem Fall - auch nicht bei Ausspruch einer Änderungskündigung und auch nicht unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung - annehmen. Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzverfahren die Darlegungs- und Beweislast für das dem Arbeitnehmer unterbreitete Änderungsangebot, das sich als die letzte Alternative für eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses darstellen muss, und die definitive und endgültige Ablehnung durch den tariflich besonders geschützten Arbeitnehmer (vgl. BAG 26.03.2009 - 2 AZR 879/07 - zu B. I. 1. b) bb) (3) der Gründe, NZA 2009, 679 ff.; für die Prüfung im Rahmen des § 1 KSchG: BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 - BAGE 114, 243; 21.04.2005 - 2 AZR 244/04 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 80).

60

Das beklagte Land hat bereits dem Kläger kein ausreichendes Angebot unterbreitet. Der Inhalt der Änderungen muss nämlich klar bestimmt sein, also erkennen lassen, welche Arbeitsbedingungen in welcher Weise geändert werden sollen, so- dass es dem Arbeitnehmer möglich ist, das Angebot (§ 145 BGB) mit einem einfachen „Ja" anzunehmen (std. Rspr. vgl. BAG 17.02.2016 - 2 AZR 613/14, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 168). Dass die Stelle bei der Hochschule W. zur Bewerbung ausgeschrieben war, reicht insoweit nicht aus. Ebenso wenig reicht das von dem beklagten Land dem Kläger unterbreitete Angebot aus sich mit der zuständigen Personalsachbearbeiterin der Personalabteilung der Hochschule W. zwecks Vereinbarung eines Termins für ein Vorstellungsgespräch in Verbindung zu setzen. Erforderlich ist vielmehr ein an den betroffenen Arbeitnehmer gerichtetes konkretes Vertragsangebot. Dieses enthält das Schreiben vom 09.12.2015 jedoch gleichfalls nicht. Dort wird lediglich darauf verwiesen, dass es bei der Hochschule W. eine Stelle zu besetzen gibt, die u.a. Hörsaalpflege, Außenbereichspflege und Schreinerarbeiten beinhaltet, weitere Einzelheiten wie insbesondere die Angabe der Eingruppierung bzw. der Entgelthöhe sowie des Zeitpunkts fehlen völlig.

61

Soweit das beklagte Land darauf verweist, dass aufgrund der Landesverordnungen über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten der jeweiligen Geschäftsbereiche bzw. aufgrund der §§ 1,6,7,8,9 HRG Rheinland-Pfalz und der damit einhergehenden Selbstverwaltungshoheit der Hochschule W. es schon nicht möglich gewesen sei, ein ausreichend konkretes Angebot dem Kläger zu unterbreiten geschweige denn eine entsprechende Änderungskündigung auszusprechen, gehen diese Einwände fehl.

62

Denn die Zuweisung von Personalbefugnissen an eine bestimmte, personalführende Stelle ändert nichts an der Arbeitgeberstellung der hinter der Dienststelle stehenden Gebietskörperschaft (BAG 26.11.2009 - 2 AZR 272/08 - Rn 45, NZA 2010, 628 ff.). Arbeitgeber ist demnach entsprechend dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vorliegend eben nicht der Landesbetrieb Mobilität, sondern das beklagte Land. Daran würde sich auch nichts bei Zuweisung einer Tätigkeit für die Hochschule W. ändern, auch in diesem Fall bliebe das beklagte Land der Arbeitgeber. Insoweit ändert auch nichts die Zuweisung von Personalbefugnissen an die Hochschule in § 9 HRG Rheinland-Pfalz. Die Hochschule W. stellt eine staatliche Einrichtung dar, die Teil der unmittelbaren Landesverwaltung ist (vgl. § 1 S. 1 2. Hs. HRG, OVG Rheinland-Pfalz 15.10.1980 - 2 A 101/79 -, DÖD 1981, 109, 110 f.). Dementsprechend sieht § 9 Abs. 1 Nr. 1 HRG ausdrücklich vor, dass die Personalverwaltung eine Auftragsangelegenheit darstellt. In Auftragsangelegenheiten handelt die Hochschule nicht im eigenen Namen, sondern mit Wirkung für und gegen das Land. Im Rahmen von Auftragsangelegenheiten kann das beklagte Land deshalb durch das fachlich zuständige Ministerium gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 HRG Rheinland-Pfalz den Hochschulen Weisungen erteilen. Dementsprechend konnte das beklagte Land im vorliegenden Fall durch entsprechende Weisung sehr wohl die benötigten Angaben hinsichtlich der gemeldeten zu besetzenden Stelle bei der Hochschule W. abfragen, um so dem Kläger selbst ein konkretes Angebot hinsichtlich der nötigen Änderungen des Arbeitsverhältnisses zu unterbreiten.

63

Gleichfalls konnte das beklagte Land die Hochschule W. nach § 107 Abs. 3 HRG Rheinland-Pfalz notfalls auch anweisen, die von der Hochschule gemeldete freie Stelle mit dem Kläger zu besetzen bzw. ihn auf dieser Stelle zu beschäftigen. Daher wäre es dem beklagten Land sehr wohl möglich gewesen eine entsprechende Änderungskündigung auszusprechen.

64

Beides wäre vorliegend schließlich auch kein Eingriff in die durch die § 6 Abs. 2, 8 HRG Rheinland-Pfalz gewährleistete und aus Art. 5 Abs. 3 GG folgende Selbstverwaltungshoheit der Hochschule W.. Nach § 6 Abs. 2 HRG Rheinland-Pfalz haben die Hochschulen das Recht der Selbstverwaltung im Rahmen der Gesetze. Sie nehmen ihre Aufgaben als eigene Angelegenheiten (Selbstverwaltungsangelegenheiten) wahr, soweit sie ihnen nicht als staatliche Aufgaben zur Erfüllung im Auftrag des Landes übertragen sind (Auftragsangelegenheiten). Die Selbstverwaltung dient der Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit und gilt vor allem für die Organisation von Forschung und Lehre, wie auch der Katalog der Selbstverwaltungsangelegenheiten des § 8 HRG Rheinland-Pfalz belegt. Die Personalverwaltung gehört jedoch gerade nicht dazu, sondern unterfällt den Auftragsangelegenheiten nach § 9 Nr. 1 HRG Rheinland-Pfalz. Auch wenn es im Hinblick auf Überschneidungen mit § 8 HRG Rheinland-Pfalz zur Gewährleistung der Wissenschaftsfreiheit der Hochschule im Bereich der Personalverwaltung durchaus einen eigenverantwortlichen Bereich geben wird, so gehört die streitgegenständliche Stelle nicht dazu. Denn diese steht nicht im Spannungsfeld mit der Wissenschafts, Forschungs- und Lehrfreiheit der Hochschulen. Es handelt sich um eine Hausmeistertätigkeit und betrifft damit weder den Einsatz wissenschaftlichen Personals noch dessen sachliche Ausstattung. Zudem hat die Hochschule W. bereits die Entscheidung gefällt, dass eine entsprechende freie Stelle bestand, sonst hätte sie sie im Rahmen der landesweiten Abfrage auch nicht melden können.

65

Schließlich kann - worauf das Arbeitsgericht bereits ebenfalls zu Recht hingewiesen hat - aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht von einer endgültigen und vorbehaltlosen Ablehnung einer solchen Weiterbeschäftigung durch den Kläger ausgegangen werden. Zum einem hat das beklagte Land bereits ein ausreichend konkretes Angebot unterlassen, dass der Kläger mit Ja annehmen oder mit nein ablehnen konnte. Zum anderen ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger ein entsprechendes konkretes Angebot nicht einmal unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hätte. Dass der Kläger das Angebot im Hinblick auf die Entfernung zu seinem Wohnort für unzumutbar hält, ist dabei unerheblich.

66

3. Infolge Unwirksamkeit der Kündigung steht dem Kläger auch der vom Arbeitsgericht ausgeurteilte Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu.

III.

67

Das beklagte Land hat als unterlegene Partei gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

68

Die Revision wird gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen, weil die vorliegende Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind.

69

Dr. Chaudhry                                             Veth                                            Zimmermann

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 145 Bindung an den Antrag


Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 2 Änderungskündigung


Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt a

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 84 Hilfsmittel


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Hochschulrahmengesetz - HRG | § 9 Koordinierung der Ordnung von Studium und Prüfungen


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Hochschulrahmengesetz - HRG | § 8 Studienreform


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Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.05.2009, Az.: 11 Ca 1484/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Basis einer personenbedingten außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes mit Datum vom 07.11.2008, dem Kläger am 11.11.2008 zugegangen, mit sozialer Auslauffrist bis 30.06.09.

2

Der am 31.07.1963 geborene, ledige Kläger ist ab dem 01.08.1982 zur Ausbildung bei dem Beklagten eingestellt worden und seit dem 03.07.1985 nach Beendigung der Ausbildung als Straßenwärter beim Straßenbauamt Z beschäftigt worden.

3

Paragraph 2 des Arbeitsvertrages der Parteien sieht vor, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL-II) vom 27.02.1964 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen richtet (Bl. 6 d.A.).

4

Das beklagte Land versetzte den Kläger zum 01.03.2007 von der Straßenmeisterei Y zur Straßenmeisterei A-Stadt. Ab dem 06.03.2007 nahm der Kläger auf Drängen des beklagten Landes bei dem Diplom-Psychologen X eine ambulante psychotherapeutische Therapie in Anspruch, im Rahmen derer er Therapietermine zwischen dem 06.03.2007 und 05.01.2009 (Bl. 76 d.A.) wahrnahm.

5

Im Kalenderjahr 2008 war der Kläger an 144 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 115 d.A.).

6

Auf Erteilung einer Abmahnung im Februar 2008 hat das beklagte Land verzichtet.

7

Im Juli 2008 wurde der Kläger auf Veranlassung des beklagten Landes auf seine Dienstfähigkeit amtsärztlich untersucht. Im Rahmen dessen wurde ein fachärztliches Gutachten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W aus V erstattet (Bl. 42 - 63 d.A.). Bezugnehmend auf dieses Gutachten hat die Kreisverwaltung U in V mit Schreiben vom 01.10.2008 dem beklagten Land auszugsweise nachfolgendes mitgeteilt (Bl. 40 und 41 d.A.)

8

"…

9

Aus psychiatrischer Sicht soll eine weitere Beschäftigung von Herrn F. in den Tätigkeitsbereichen mit Eigen-/oder Fremdgefährdung oder Verantwortung für Personen und Gegenstände vermieden werden, da eine Verhaltensänderung nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der fachärztlichen Begutachtung ist Herr F. aus amtsärztlicher Sicht zukünftig nicht geeignet, seine Tätigkeiten als Straßenwärter auszuüben.

10

…"

11

Zuvor war der Kläger zumindest mit folgenden Verhaltensweisen (von den Parteien im Berufungsverfahren unstreitig gestellt), auffällig geworden:

12

Am 28.02.2008 hat der Kläger, entgegen den Erfordernissen, den ihm zugewiesenen Schutzhelm bei der Arbeitsleistung nicht getragen.

13

Am 20.11.2007 während der Durchführung von Gehölzpflegemaßnahmen an der B bei T hat der Kläger ein Stück Holz in Richtung eines Häckslers geworfen, wodurch nebenstehende Kollegen gefährdet worden sind.

14

Darüber hinaus hat der Kläger am 20.11.2007 bei den genannten Gehölzpflegemaßnahmen einem Kollegen, der gerade mit der Motorsäge hantierte, Äste unter den Füßen weggezogen.

15

Mit Schreiben vom 24.10.2008 (Bl. 64 bis 67 d.A.) unterrichtete das beklagte Land den Gesamtpersonalrat über seine Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist aus personenbedingten Gründen zu kündigen. Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates antwortete mit Schreiben vom 07.11.2008 (Bl. 68 d.A.) worauf nachmals eine Erläuterung des beklagten Landes mit E-Mail vom 10.11.2008 (Bl. 69 d.A.) erfolgte.

16

Mit Schreiben vom 07.11.2008, dem Kläger am 11.11.2008 zugegangen kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Einräumung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum 30.06.2009.

17

Mit Schriftsatz vom 28.11.2008 am gleichen Tage beim Arbeitsgericht Mainz eingegangen, dem beklagten Land am 08.12.2008 zugestellt, hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben.

18

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,

19

bis auf die einmalige Verfehlung mit dem Helm am 28.02.008 müssten alle weiteren Verfehlungen bestritten werden, diese seien unsubstantiiert vorgetragen. Der Kläger sei aufgrund Differenzen mit dem beklagten Land und der persönlichen Belastung aufgrund Krankheit der Mutter, Pflege des Vaters und der heimischen Nebenerwerbslandwirtschaft überbelastet gewesen. Er befinde sich in ärztlicher und psycho-therapeutischer Behandlung, habe bereits im Jahr 2007 erkannt, dass sein in der Vergangenheit liegendes Verhalten nicht richtig gewesen sei. Bereits bei Ausspruch der Kündigung sei bei ihm eine Verhaltensänderung eingetreten, was sich darin zeige, das im Februar 2008 der letzte dokumentierte Fall eines Vorkommnisses mit Eigen- oder Fremdgefährdung aufgetreten sei.

20

Auf das Gutachten des Dr. W könne sich das beklagte Land nicht stützen mangels Objektivität. Obwohl der Gutachter eine akute Eigen- und Fremdgefährdung nicht habe erkennen können und dennoch attestiere, dass zumindest derzeit keine Einsichtsfähigkeit in die Gefährlichkeit seines Verhaltens beim Kläger bestehe, beruhe dies lediglich auf der Beschreibung des Verhaltens des Klägers durch das beklagte Land.

21

Bestritten werden müsse, dass das beklagte Land den Kläger nicht anderweitig beschäftigen könne. Der Vortrag des beklagten Landes sei insoweit unzureichend insbesondere müsse auf die Tatsache hingewiesen werden, dass ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement nicht durchgeführt worden sei. Letztendlich müsse die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bestritten werden.

22

Der Kläger hat beantragt,

23

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 07.11.2008, zugegangen am 11.11.2008, nicht aufgelöst wird und über die Auslauffrist zum 30.6.2009 hinaus fortbesteht.

24

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und insoweit vorgetragen:

25

Der Kläger zeige bereits seit längerem ein auffälliges Verhalten, er weigere sich standhaft die aus Sicherheitsgründen vorgeschriebene Schutzkleidung zu tragen und stelle Anordnungen und Aufgabenstellungen der Vorgesetzten in Frage, verzögere den Arbeitsablauf und bringe durch grob fahrlässiges Verhalten Kollegen und Verkehrsteilnehmer in Gefahr. So habe er Holz in Richtung des Häckslers geworfen obwohl sich Kollegen unmittelbar in der Nähe der Maschine befunden hätten. Ein Stück sei auf die Fahrbahn geflogen und habe einen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Darüber hinaus habe der Kläger abgeschnittene Äste unter den Füßen der Kollegen hervorgezogen, obwohl diese gerade mit der Motorsäge hantierten. Darüber hinaus ignoriert der Kläger Warnungen, verlasse den abgesperrten Arbeitsbereich und laufe unter herabfallenden Bäumen hindurch.

26

Daraufhin sei der Kläger auch innerhalb des Landesbetriebs Mobilität zur Straßenmeisterei A-Stadt versetzt worden.

27

Die psychotherapeutische Therapie habe der Kläger ausschließlich auf Druck des Arbeitgebers angetreten, ohne das eine Verbesserung eingetreten sei. Aufgrund der unregelmäßigen Teilnahme durch den Kläger sei diese auch von dem betreuenden Arzt abgebrochen worden.

28

Ein Einsatz des Klägers als Straßenwärter komme daher nicht mehr in betracht. Er gefährde Kollegen, ihm könnten auch keine Fahrzeuge und Geräte mehr anvertraut werden.

29

Im reinen Innendienst bestünde beim beklagten Land für den Ausbildungsgrad und die Fähigkeiten des Klägers keine Tätigkeit.

30

Mit Urteil vom 07.05.2009 hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - (Bl. 146 bis 162 d.A.) der Klage des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht beendet habe. Im Wesentlichen hat das Arbeitsgericht insoweit ausgeführt, der Sachvortrag des beklagten Landes hinsichtlich der auffälligen Verhaltensweisen sei nicht ausreichend substantiiert. Darüber hinaus habe das beklagte Land für die von ihm behauptete negative Zukunftsprognose, die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nicht ausreichend Beweise angeboten. Letztendlich habe das beklagte Land auch im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum betrieblichen Eingliederungsmanagement und etwaiger Unmöglichkeit den Kläger zu veränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, zumindest jedoch seinen Sachvortrag insoweit nicht ausreichend unter Beweis gestellt.

31

Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - wurde dem beklagten Land unter dem Datum 14.07.2009 zugestellt. Mit bei Gericht am 13.08.2009 eingegangenen Schriftsatz hat das beklagte Land hiergegen Berufung eingelegt (Bl. 167 d.A.). Auf Antrag des beklagten Landes vom 09.09.2009 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis 28.09.2009 verlängert (Bl. 180, 181 d.A.). Mit bei Gericht am 25.09.2009 per Telefax und am 28.09.2009 im Original eingegangenem Schriftsatz (Bl. 183 f. d.A.) hat das beklagte Land die Berufung begründet.

32

Das beklagte Land trägt zur Begründung der Berufung wie nachfolgend vor:

33

Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Frage der Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung des Klägers zu veränderten oder unveränderten Arbeitsbedingungen verkannt. Das beklagte Land habe substantiiert im Schriftsatz vom 03.04.2009 auf sechs Seiten dargelegt, warum eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich sei.

34

Für den Kläger kämen aufgrund seiner Ausbildung und arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Straßenwärter als Ersatztätigkeit nur einfache verwaltungsdienstliche Tätigkeiten wie zum Beispiel technischer/nichttechnischer Dienst im Empfangsbereich, Pförtner, Hausmeister, Putzhilfe u.ä. in Betracht. Im mittleren Dienst sei der Kläger mangels Realschulabschluss und dienlicher Berufsausbildung nicht geeignet. Es fehle auch der zweijährige Vorbereitungsdienst.

35

Innerhalb einer einstündigen Fahrzeit mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln, bezogen auf den Einzugsbereich von A-Stadt, seien daher für den Kläger in diesen Tätigkeitsbereichen weder im Verwaltungsbereich des Landesbetriebes Mobilität (detailliert ausgeführt auf Bl. 306 bis 312 d.A., unter Beifügung von Stellenbesetzungsplänen Bl. 321 bis 337 d.A.) noch in sonstigen Verwaltungsbereichen der Landesverwaltung (wird ausgeführt auf Bl. 312 bis 318 d.A. unter Beifügung der Stellungnahmen der einzelnen Landesverwaltungsstellen, Bl. 338 bis 367 d.A.) möglich gewesen. Soweit geeignete Stellen tatsächlich vorhanden seien (wie zuvor ausgeführt wird) seien diese langfristig besetzt.

36

Neben den nunmehr unstreitigen gefährlichen Verhaltensweisen habe der Kläger am 23.11.2007 mit der Verkehrssicherung betraut, ungefragt seinen Aufsichtsposten verlassen ohne dies den Arbeitskollegen mitzuteilen. Gleiches sei im Winter 2007/2008 an der K bei S vorgefallen.

37

Der Kläger sei darüber hinaus mehrmals am Steuer des KFZ eingeschlafen. Er weigere sich, über den unstreitigen Fall des 28.02.2008 hinaus, regelmäßig die Schutzhelmkombination zu tragen.

38

Eine leidensgerechte Anpassung des bisher inne gehabten Arbeitsplatzes sei nicht möglich. Die Tätigkeit des Straßenwärters finde immer im unmittelbaren Nebenbereich des Straßenraumes statt und werde in Kolonnen mit maximal fünf Mitarbeitern durchgeführt. Zur Ausübung der Tätigkeiten seien auch immer geeignete Fahrzeuge und Geräte einzusetzen, beispielsweise für die personalintensive Gehölzpflege. Zum Berufsbild des Straßenwärters gehöre die Beherrschung von Fahrzeugen und Maschinen, was sich daraus ergebe, dass für den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung der Erwerb der Führerscheinklasse C/CE für schwere LKW und Lastzüge über 3,5 t und Anhänger über 750 kg gefordert werde.

39

Die Tätigkeit setzte daher immer den Einsatz von Maschinen mit erheblichem Wert und Teamwork voraus, so dass die Anpassung des Arbeitsplatzes im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial des Klägers nicht möglich sei.

40

Da weder eine Arbeitsplatzanpassung noch die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit möglich gewesen sei, hätte auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement zu keinem anderen Ergebnis geführt.

41

Im Falle des Klägers läge auch eine negative Zukunftsprognose vor, bestätigt durch fachärztliches Gutachten. Es mangele dem Kläger an der Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der Gefährlichkeit seines Verhaltens und es bestehe kein Anlass anzunehmen, das kurzfristig durch Therapie eine Verhaltensveränderung zu erreichen sei. In Folge dessen habe das Gesundheitsamt V auch amtsärztlich festgestellt, dass der Kläger zukünftig nicht geeignet sei, seine Tätigkeit als Straßenwärter auszuüben. Hierüber hätte das Arbeitsgericht, mangels ausreichend konkretem Hinweis auf die Notwendigkeit des Beweisangebotes durch Sachverständigen-Gutachten, von Amts wegen Beweis erheben müssen.

42

Der Berufungskläger beantragt,

43

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.05.2009, Az.: 11 Ca 1484/08, abzuändern und die Klage abzuweisen;

44

Der Berufungsbeklagte beantragt,

45

die Berufung zurückzuweisen.

46

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor,

47

im Falle des notwendigen betrieblichen Eingliederungsmanagements genüge bei Nichtdurchführung nicht den Arbeitnehmer allgemein darauf zu verweisen, das eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht vorläge. Im Hinblick auf die tarifvertraglich ordentliche Unkündbarkeit hätte es darüber hinaus des Nachweises der Bemühungen des beklagten Landes bedurft, das dieses im eigenen oder in einem anderen Verwaltungszweig desselben Rechtsträgers oder eines anderen Rechtsträgers keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe. Hinsichtlich der Darstellung und Anforderungen an die Tätigkeiten des Straßenwärters müsse darauf hingewiesen werden, dass diese grundsätzlich zutreffend seien, der Kläger jedoch keinen Führerschein der Klasse 2 zum Führen von Schneepflügen habe. Soweit die Beklagte unsubstantiiert Fehlverhalten des Klägers behaupte müssten diese bestritten werden. Insbesondere soweit behauptet werde, der Kläger habe seinen Aufsichtsposten verlassen, sei im KFZ beim Fahren mehrmals eingeschlafen.

48

Eine negative Zukunftsprognose läge nicht vor. Das Arbeitsverhältnis sei 28 Jahre lang beanstandungsfrei verlaufen. Lediglich im Zeitraum von drei Monaten hätten sich angebliche Fehlverhalten ergeben (20.11.2007 bis 28.02.2008). Die Dienstunfähigkeit des Klägers lasse sich hieraus nicht ableiten.

49

Der Kläger könne weiterhin als Straßenarbeiter eingesetzt werden. Insbesondere in der Straßenmeisterei R. Der dortige Vorgesetzte Herr Q habe erklärt, er sei bereit es mit dem Kläger zu versuchen.

50

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Beweisthemas wird auf den Beschluss vom 21.01.2010 (Bl. 397 d.A.) verwiesen. Hinsichtlich des Inhalts des schriftlichen Gutachtens auf Bl. 484 bis 531 d.A. und auf die Erläuterung des Gutachtens durch die Gutachterin in der Sitzungsniederschrift vom 25.05.2011.

51

Das beklagte Land hat nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens mit Schriftsatz zum 01.03.2011 behauptet: Das Gutachten gehe vom falschen Betrachtungszeitpunkt aus. Es sei nicht der Zeitpunkt der Begutachtung Ende 2010 sondern der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zugrunde zulegen. In ihrem schriftlichen Gutachten habe die Gutachterin festgestellt, dass eine Anpassungsstörung chronifizieren könne je nach Persönlichkeitsstruktur, intellektueller und kognitivierender Fähigkeiten sowie sozialem Umfeld, so dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, da insoweit beim Kläger Negativkriterien vorlägen, von Unabsehbarkeit des Verlaufs der Wiederherstellung auszugehen gewesen sei.

52

Darüber hinaus habe die Gutachterin nicht ausgeschlossen, dass hirnorganische Störungen vorlägen, die wohl einer weitere Begutachtung erfordern würden.

53

Außerdem habe die Gutachterin unterdurchschnittliche Wert im Bereich der Reaktionskontrolle festgestellt ohne klarzustellen, ob sich hieraus dauerhaft eine Gefährdungslage für den Kläger, Kollegen oder Sachen ergäbe.

54

Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2009, 21.07.2010 und 25.05.2011 und die zuletzt gemachten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

55

I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig.

56

II. Die Berufung des beklagten Landes bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers zu Recht stattgegeben. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben im Ergebnis erfolglos.

1.

57

Die Klage des Klägers war zulässig und begründet.

58

a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, das die Feststellungsklage des Klägers zulässig war. Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 253 ZPO ergibt sich ohne weiteres aus §§ 4, 7, 13 KSchG.

59

b) Die Klage war auch begründet.

60

Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb der materiellen Ausschlussfrist der § 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben (1.). Der Kündigung der Beklagten steht kein ausreichender außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Seite, da der Nachweis einer negativen Zukunftsprognose (2.) nicht gelungen ist.

61

(1) Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 07.05.2010 zutreffend festgestellt, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet und der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben hat. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe I. des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - verwiesen, § 69 II ArbGG.

62

(2) Ein zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigender wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB, § 34 II TVL liegt nicht vor.

63

aa) Der Kläger ist vorliegend, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ordentlich unkündbar, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers fand bei Abschluss des Arbeitsvertrages des Klägers auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL-II) in der Fassung vom 27.02.1964 Anwendung, der in § 58 bei Erfüllung dessen Voraussetzung die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses vorsah. Wenn der Arbeitsvertrag darüber hinaus bestimmt, dass diesen ergänzende, ändernde oder an seine Stelle tretende Tarifverträge den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen sollen, ist nach Überleitung des Klägers im Rahmen der Einführung des Tarifvertrages der Länder (TVL) gemäß § 34 Abs. 2 TVL, da der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung älter als 40 Jahre war und längere als 15 Jahre Beschäftigungszeiten aufweisen kann, von ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses auszugehen.

64

bb) Der Begriff des wichtigen Grundes im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 TVL knüpft inhaltlich an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an (vgl. BAG. 29.11.2009 - 2 AZR 272/08 NZA 2010, 628). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Da § 626 BGB keine absoluten Kündigungsgründe kennt (vgl. BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 NZA 2010, 1227), setzt jede Prüfung einer außerordentlichen Kündigung eine umfassende Interessenabwägung voraus. Die Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung erfolgt daher in der Regel auf zwei Prüfungsebenen. Auf der ersten Ebene ist festzustellen, ob ein Sachverhalt an sich objektiv geeignet ist einen wichtigen Grund abzugeben, auf einer zweiten Stufe ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles in Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen, ob dieser Sachverhalt einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigt.

65

Da es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, enthält der wichtige Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB an sich auch kein subjektives Element. Daher ist nicht grundsätzlich erforderlich, das ein schuldhaftes Verhalten Anlass der außerordentlichen Kündigung ist (vgl. m.w.N. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2010, § 626 BGB Rdnr. 23).

66

Auch Krankheit kann eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09, NZA-RR 2011, 155).

67

Vorliegend hat das beklagte Land die Kündigung des Klägers mit dessen Dienstunfähigkeit aus psychischen Gründen begründet. Es hat somit krankheitsbedingte Gründe vorgetragen.

68

An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers sind allerdings schon bei einer ordentlichen Kündigung strenge Maßstäbe anzulegen, so dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, § 34 II TVL unzumutbar sein kann (BAG, 18.01.2001 - 2 AZR 616/99 NZA 2002, 455; 12.01.2006 - 2 AZR 242/05 AP-Nr. 13 zu § 626 BGB - Krankheit 28.10.2010; - 2 AZR 688/09 a.a.O.). Wie bei der ordentlichen Kündigung hat die Prüfung dabei in drei Stufen zu erfolgen (negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes, erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen und abschließende Interessenabwägung). Bei einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ist dabei der zu wahrende strenge Prüfungsmaßstab krankheitsbedingter Kündigung auf allen drei Prüfungsebenen erheblich verschärft.

69

Auf der Ebene der negativen Zukunftsprognose nimmt das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG - 2 AZR 984/08, 25.11.2010 zitiert nach juris) im Falle lang andauernder Erkrankung an, das eine negative Prognose festgestellt werden kann, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit völlig ungewiss ist oder jedenfalls in absehbarer Zeit mit Genesung nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelung zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 3 Satz 1 TzBefrG, § 1 Abs. 1 BeschFG (alte Fassung)) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen, der mit Einstellung einer Ersatzkraft überbrückt werden könne. Von einer negativen Zukunftsprognose kann bei einer Langzeiterkrankung jedoch nicht ausgegangen werden, wenn vor Zugang der Kündigung bereits ein Kausalverlauf in Gang gesetzt wurde, der die Herstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit sicher oder zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BAG, 21.02.2001 NZA 2001, 1071).

70

Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtsmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung sind dabei die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder zur Korrektur einer zuvor betroffenen Prognose herangezogen werden (BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 a.a.O., 2 AZR 984/08, 25.11.2010 a.a.O.).

71

Die Darlegungs- und Beweislast für alle die Kündigung begründeten Tatsachen so auch die negative Zukunftsprognose, trifft den Kündigenden, im vorliegenden Fall das Land Rheinland-Pfalz.

72

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend von einem Nachweis einer negativen Zukunftsprognose im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zum beklagten Land nicht ausgegangen werden.

73

Ihrem Gutachten vom 14.01.2011 (Bl. 484 bis 531 d.A.) hat die Gutachterin neben dem aktengegenständlichen Inhalt, ärztlichen Auskünften der Dres. P, O und N, die gutachterlichen Untersuchungen durch ihre Person vom 05.11.2010 und 08.11.2010, die körperlich neurologische Untersuchung durch Dr. M, die testpsychologische Untersuchung durch Dipl. Psychologe L und ein Kernspin des Schädels des Klägers (nativ und mit Kontrastmittel) zugrunde gelegt.

74

Wie auch in der mündlichen Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 25.05.2011 klargestellt, hat die Gutachterin als Anlassverhalten die Verhaltensweisen zugrunde gelegt, die das beklagte Land vorgetragen und die teilweise unstreitig waren (Bl. 488 d.A., Bl. 5 des Gutachtens). Weiter zurückliegende Fehlverhalten wurden auch im Prozess nicht vorgetragen.

75

Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage ist der körperlich-neurologische Befund des Klägers unauffällig gewesen, genauso wie die Kernspintomographie des Schädels, die keinerlei Auffälligkeiten zu einem Normalbefund aufweist. Im Bereich der testpsychologischen Untersuchung hat die Gutachterin, wie auch schon die Gutachter zuvor festgestellt, dass insgesamt das intellektuelle Niveau des Klägers unterdurchschnittlich bis durchschnittlich ist. Im sogenannten WIE-Intelligenztest für Erwachsene hat sie festgestellt, das eine hirnorganische Störung nicht ausgeschlossen werden könne; sie bemerkte hierzu, es erscheine indiziert weitere diagnostische Maßnahme durchzuführen. Im Rahmen des Konzentrationstests wurden dem Kläger insgesamt niedrige Konzentrationsleistungen zugewiesen. Den Persönlichkeitstest interpretiert die Gutachterin dahingehend, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung oder pathologischen Persönlichkeitsveränderungen nicht festgestellt werden könne. Im Rahmen des Stressverarbeitungstest stellte sie fest, dass keine grundlegenden Defizite im Bereich Stressverarbeitung vorliegen, auch wenn die Einzelwerte Reaktionskontrolle (Neigung personeneigene Reaktion bei Stress unter Kontrolle zu bringen) und - gedankliche Weiterbeschäftigung - eine leicht unterdurchschnittliche Wertung aufweisen. Dies auch weil der Kläger in dem Bereich Ersatzbefriedigungen, der die Fähigkeit ausweise, sich bei Stress positiven Aktivitäten zuzuwenden, knapp überdurchschnittlich abschneide. Insgesamt hat sie festgestellt, der unterdurchschnittliche Wert im Bereich Reaktionskontrolle gebe keinen Anlass anzunehmen, der Kläger neige in belasteten Situationen dazu, eigene Reaktionen nicht ausreichend unter Kontrolle zu bringen.

76

In der Zusammenfassung (Bl. 515, 516 d.A., S. 32 und 33 des Gutachtens) des testpsychologischen Teiles hat die Gutachterin festgestellt, dass das Vorliegen von hirnorganischen Erkrankungen insgesamt unwahrscheinlich ist, für Persönlichkeitsstörung und pathologische Persönlichkeitsstörung keine Hinweise vorlägen, Defizite im Stressbereich nicht feststellbar seien. In der Persönlichkeitsbeurteilung stellte die Gutachterin fest, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger im Wesentlichen sozial vereinsamt ist, die Mutter nach einjährigem Heimaufenthalt gestorben ist, der Vater kurz darauf, das zum Zeitpunkt der hier (teilweise streitigen) Verhaltensweisen die Diagnose Anpassungsstörung gestellt werden konnte, die in der Regel einen sechsmonatigen, maximal einen 24-monatigen Heilungsprozess nach sich zieht. Die Dauer des Heilungsprozesses sei dabei abhängig von den diesen begleitenden Umständen wie der Persönlichkeitsstruktur, der sozialen Einbindung des Erkrankten wie auch von äußeren Einwirkungen. Bei Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der Tatsache, das sowohl der Ausspruch der Kündigung als auch die Krankheiten und der Tod der Eltern nicht gerade unterstützend gewesen seien, konnte die Gutachterin (Bl. 529 d.A.) von einer solchen Anpassungsstörung nur noch milde Auffälligkeiten feststellen, die angesichts der Situation des Klägers angemessen erscheinen. Die Anpassungsstörung ließ sich zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht mehr nachweisen.

77

Des Weiteren hat die Gutachterin die Vermutung geäußert, das etwaiger Alkoholmissbrauch, der Kläger hat angegeben bis zu drei 0,1 Liter Gläser Wein täglich zu trinken, als auch der Blutdruck zu hirnorganischen Schäden führen könnten. Im Gesamtergebnis hat die Gutachterin (Bl. 47 des Gutachtens) festgestellt, dass nicht behauptet werden kann, das krankheitsbedingt für die Zukunft von Herrn F. als Straßenwärter eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung oder Gefährdung von Gegenständen ausgeht. Jedoch für den Fall einer hirnorganischen Schädigung bzw. des Alkoholmissbrauchs eine Eigen- oder Fremdgefährdung im Straßenwärterdienst zu bejahen sei.

78

In der Sitzung vom 25.05.2011 wurde die Sachverständige seitens der Kammer und auch der Parteien befragt. Die Sachverständige hat dargelegt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine Prognose gerechtfertigt war, das der Kläger auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig/dienstunfähig sei. Sie hat erläutert, ausgehend von der Grunddefinition der Anpassungsstörung heile diese innerhalb von sechs bis maximal 24 Monaten regelmäßig ab. Anhaltspunkte, die im Fall des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung dies hätten anders beurteilen lassen habe sich nicht gefunden. Vielmehr habe sie festgestellt, dass der Kläger durchaus einsichtsfähig sei. Im Begutachtungszeitpunkt sei daher festzustellen gewesen, dass der Heilungsverlauf des Klägers unter Berücksichtigung das Mutter und Vater gestorben seien und man in der Regel nach einem Todesfall von einem Jahr Trauerzeit ausgehen müsse, dem Regelturnus der Gesundung entsprochen habe.

79

Diese Feststellung hat die Gutachterin auch nach Frage des Beklagtenvertreters, ob das im Hinblick auf die begrenzten intellektuellen Fähigkeiten des Klägers und dessen sozial Vereinsamung auch gelte, aufrechterhalten.

80

Zu den Ausführungen im schriftlichen Gutachten bezüglich hirnorganischer Schäden, hat sie angegeben, dass diesbezüglich die Aufnahmen des CT's unauffällig gewesen seien, zum Zeitpunkt der Begutachtung hirnorganische Schäden nicht festgestellt werden konnten. Im Hinblick auf die Darstellung im Gutachten (Hinweise des Beton-Test, Borreliose, Bluthochdruck) hat sie klargestellt, dass dies Fragen sind, die sich in Zukunft bei weiteren Untersuchungen möglicher Weise im Abstand von zwei Jahren klären ließen, derzeit jedoch nicht. Weitere differenzialdiagnostische Maßnahmen diese Fragen derzeit abzuklären bestünden nicht. Die Gutachterin hat abschließend noch einmal betont, dass nach dem Ergebnis des Gutachtens nicht davon auszugehen war, das der Kläger länger als zwei Jahre arbeitsunfähig erkrankt sei, vielmehr die Ausheilung der Anpassungsstörung bzw. etwaiger Borreliose schon vorher zu erwarten gewesen sei.

81

Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass nach der Beantwortung der Beweisfrage durch das schriftliche Gutachten und den ergänzenden Erläuterungen im Termin vom 25.05.2011, im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 08.11.2008, das beklagte Land nicht berechtigt davon ausgehen konnte, dass der Kläger auf Dauer oder auch unabsehbar lange etwa länger als 24 Monate arbeitsunfähig bzw. dienstunfähig sein wird. Die Gutachterin hat im Termin vom 25.05.2011, die auch nach Ansicht des beklagten Landes klärungsbedürftigen Fragen stringent und nachvollziehbar beantwortet. Sie hat klargestellt und dies auch tatsächlich begründet, das im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 11.11.2008, der am Gutachtenstag festgestellte Heilungsverlauf den im Gutachten dargestellten üblichen Heilungsfristen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entsprach. Auch zu den Fragen des Gerichtes und des Beklagtenvertreters hinsichtlich der angesprochenen hirnorganischen Schäden bzw. Borreliose und Alkoholmissbrauch hat die Gutachterin nachvollziehbar vorgetragen und dargelegt, dass sich die Hinweise auf weitere Diagnostik nicht auf eine Feststellbarkeit im Zeitpunkt der Begutachtung bzw. des Ausspruchs der Kündigung bezieht sonder sich auf etwaige zukünftige Entwicklung beschränkt.

82

Die abschließende Feststellung des Gutachtens, das nicht feststellbar sei, dass zukünftig von dem Kläger Gefahren für sich oder Dritte zu erwarten seien ist daher für die Kammer überzeugend.

83

Da jedoch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 11.11.2008 die Stellung einer negativen Zukunftsprognose nicht berechtigt war, scheitert die Kündigung der Beklagten als außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist schon an der ersten Stufe der Überprüfung der krankheitsbedingten Kündigung.

84

Es kann daher offenbleiben, ob die Beklagte für den Kläger andere Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung gehabt hätte oder der bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat ordnungsgemäß angehört hat.

85

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

86

IV. Der Ausspruch zur Revision beruht auf § 72 ArbGG. Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.


Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 18. April 2013, Az. 6 Ca 1046/12, abgeändert und

festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 07.11.2012 weder außerordentlich fristlos noch außerordentlich unter Beachtung einer sozialen Auslauffrist zum 30.06.2013 aufgelöst worden ist,

das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags als Straßenwärter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

II. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer vom beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung und die Weiterbeschäftigung.

2

Der 1963 geborene, ledige Kläger ist seit August 1982 beim beklagten Land beschäftigt. Er wurde zum Straßenwärter ausgebildet und nach Abschluss seiner Berufsausbildung im Juli 1985 ununterbrochen als Straßenwärter im nicht rechtsfähigen C. (LBM) beschäftigt. Der LBM beschäftigt an mehreren Standorten in Rheinland-Pfalz ca. 4.000 Arbeitnehmer. Die Personalsachbearbeitung erfolgt in der Zentrale in C-Stadt.

3

Der Kläger hat gemäß Bescheid vom 27.05.2011 einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 und ist seit 30.08.2011 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Nach § 34 Abs. 2 TV-L ist der Kläger ordentlich unkündbar. Er wird nach Entgeltgruppe E 5 TV-L vergütet (ca. € 2.600,00 brutto).

4

Das beklagte Land hatte dem Kläger erstmals am 07.11.2008 mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2009 aus krankheitsbedingten Gründen außerordentlich gekündigt. Das Arbeitsgericht (Az. 11 Ca 1484/08) hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 07.05.2009 stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes mit rechtskräftigem Urteil vom 25.05.2011 (LAG Rheinland-Pfalz - 7 Sa 506/09 - Juris) nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Weil der LBM den Kläger nach Ablauf der Auslauffrist ab 01.07.2009 nicht beschäftigen wollte, machte er seine tatsächliche Weiterbeschäftigung als Straßenwärter gerichtlich geltend. Das Arbeitsgericht hat diese Klage mit rechtskräftigem Urteil vom 18.05.2010 (Az. 6 Ca 1422/09) abgewiesen. Nach seinem Obsiegen vor dem Landesarbeitsgericht beschäftigte der LBM den Kläger seit 01.06.2011 in der Master-Straßenmeisterei (MSM) K. weiter.

5

Am 12.10.2012, einem Freitag, wurde der Kläger von einem Vorarbeiter auf dem Gelände des Bauhofs der MSM dabei entdeckt, dass er eine großgliedrige Kette mit Schäkel und Haken in seiner privaten Arbeitstasche verstaut hatte, um sie mit nach Hause zu nehmen. Auf Nachfrage gab der Kläger an, er habe sich die Kette vom Schrottplatz des Bauhofs genommen.

6

Am Montag, 15.10.2012, führte der Leiter der MSM ein Gespräch mit dem Kläger und hörte ihn zum Vorwurf des versuchten Diebstahls an. Mit Schreiben vom 19.10.2012, das am 22.10.2012 dort eingegangen ist, beantragte der LBM die Zustimmung des Integrationsamts zur beabsichtigten Kündigung. Mit Bescheid vom 31.10.2012 erteilte das Integrationsamt die Zustimmung. Der Bescheid ist der Zentrale der LBM in C-Stadt per Einschreiben übermittelt worden und trägt in der Anschriftenzeile in Fettdruck den Vermerk: "Personalangelegenheit". In der Betreffzeile ist in Fettdruck ausgeführt:

7

"Durchführung des Sozialgesetzbuchs - Neuntes Buch - (SGB IX)
Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Herrn A., geb. 1963, wh.: ..."

8

Der Bescheid ging laut Eingangsstempel am 02.11.2012, einem Freitag und sog. Brückentag, in der Poststelle der Zentrale des LBM in C-Stadt ein. Dort ist freitags um 12:00 Uhr Dienstschluss. Der Bescheid gelangte am Mittwoch, dem 07.11.2012 per Hausboten an den zuständigen Sachbearbeiter.

9

Das beklagte Land kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 07.11.2012 außerordentlich fristlos, hilfsweise mit einer sozialen Auslauffrist zum 30.06.2013. Gegen diese Kündigung, die ihm am 08.11.2012 zugegangen ist, wehrt sich der Kläger mit seiner am 28.11.2012 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage.

10

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

11

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07.11.2012 weder außerordentlich fristlos noch ordentlich zum 30.06.2013 aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den bisherigen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.

12

Das beklagte Land hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.04.2013 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die außerordentliche Kündigung vom 07.11.2012 sei wirksam, weil der Kläger versucht habe, eine Kette mit Schäkel und Haken vom Bauhof zu stehlen. Es sei unerheblich, dass der Kläger den Wert der Kette auf unter € 5,00 schätze, denn sie habe sich unstreitig in einem guten Erhaltungszustand befunden. Eine einfache Internetrecherche habe ergeben, dass derartige Ketten pro lfd. Meter zwischen € 2,00 und € 4,00 kosteten, ein Schäkel koste zwischen € 3,00 und € 20,00. Der Kläger habe zugegeben, dass ihm die Mitnahme von Gegenständen ausdrücklich verboten worden sei. Im Rahmen der Interessenabwägung könne dem Kläger die Dauer des Arbeitsverhältnisses seit Mitte 1985 nicht helfen, denn das Arbeitsverhältnis sei in den letzten Jahren nicht unbelastet gewesen. Der Kündigungssachverhalt belege ebenso wie die gerichtsbekannten Umstände, die zum Urteil vom 18.05.2010 in dem Rechtsstreit 6 Ca 1422/09 geführt hätten, dass der Kläger nicht unbeaufsichtigt bleiben könne, damit er keine anderen Personen oder Eigentumsrechte des Arbeitgebers gefährde. Das Arbeitsverhältnis stelle kein soziales Betreuungsverhältnis dar. Vor diesem Hintergrund sei dem beklagten Land nicht zumutbar, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Das beklagte Land habe die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten, weil die Zustimmung des Integrationsamts unmittelbar nach Anhörung des Klägers beantragt und sofort bei Eingang des Zustimmungsbescheids die Kündigung ausgesprochen worden sei.

15

Das genannte Urteil ist dem Kläger am 29.05.2013 zugestellt worden. Er hat mit am 27.06.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 29.08.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 29.08.2013 eingegangenem Schriftsatz vom 27.08.2013 begründet.

16

Der Kläger macht geltend, die Kündigung vom 07.11.2012 sei unwirksam. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Diebstahls oder einer Unterschlagung läge nicht vor. Das beklagte Land habe sein Eigentum an der Kette mit Schäkel nicht nachgewiesen und für die behauptete Eigentümerstellung keinen Beweis angetreten. Die Kette wäre nur dann Eigentum des Grundstückseigentümers, wenn es sich um einen wesentlichen Bestandteil oder Zubehör gehandelt hätte. Hierzu habe das beklagte Land nichts vorgetragen. Die Kette, die möglicherweise im Rahmen einer Unfallstellenräumung in den Besitz der Straßenmeisterei gelangt sei, sei nahezu wertlos gewesen; sie habe auf dem Schrottplatz gelegen. Ein Eigentumsdelikt setze den Eintritt eines Vermögensschadens voraus, hier sei nur der Verlust des Schrottwerts zu verzeichnen. Der Verstoß gegen die Anweisung, keine Gegenstände vom Bauhof mitzunehmen, rechtfertige ohne Abmahnung keine fristlose Kündigung. Die Interessenabwägung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft. Das Arbeitsgericht hätte insb. die Umstände, die dem Rechtsstreit 6 Ca 1422/09 zu Grunde lagen, nicht zu seinen Lasten heranziehen dürfen. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Inhalt der Schriftsätze des Klägers vom 28.08.2013 und vom 25.11.2013 Bezug genommen.

17

Der Kläger beantragt zweitinstanzlich,

18

das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 18.04.2013, Az. 6 Ca 1046/12, abzuändern und
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07.11.2012 weder außerordentlich fristlos noch außerordentlich unter Beachtung einer sozialen Auslauffrist zum 30.06.2013 aufgelöst worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrags als Straßenwärter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.

19

Das beklagte Land beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Das beklagte Land verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 26.09.2013 und der weiteren Schriftsätze vom 04.11.2013, 06.11.2013 und 10.02.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend und führt ergänzend aus: Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB sei gewahrt. Der Bescheid des Integrationsamts vom 31.10.2012 sei am 02.11.2012 in der zentralen Poststelle des LBM eingegangen. Er sei am Freitag nicht mehr von der Poststelle im Haus weitergeleitet worden, sondern erst am Montag, 05.11.2012, in den normalen Postlauf gelangt. Im normalen Postlauf werde die Eingangspost von der Poststelle geöffnet und von dort dem zuständigen Geschäftsbereichsleiter zugeleitet, der sie nach Sichtung und Prüfung per Hausboten an den zuständigen Fachgruppenleiter weiterleite. Der Hausbote habe den Bescheid des Integrationsamts am Dienstag, 06.11.2012, dem damaligen Fachgruppenleiter Personal im normalen Postlauf zugeleitet. Der Fachgruppenleiter Personal habe den Bescheid nach Sichtung und Überprüfung - wiederum per Hausboten - an den zuständigen Sachbearbeiter weitergeleitet. Dieser habe umgehend nach Dienstantritt am Mittwoch, 07.11.2012, den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts zur Kenntnis genommen, die Angelegenheit bearbeitet, das Kündigungsschreiben gefertigt, den Geschäftsbereichsleiter unterschreiben lassen und das Schreiben am selben Tag persönlich zur Post aufgegeben. Da die Kündigung innerhalb von drei Arbeitstagen ausgesprochen worden sei, sei iSd. §§ 91 Abs. 5 SGB IX, 121 Abs. 1 BGB unverzüglich gehandelt worden.

22

Die fristlose Kündigung sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Der Kläger habe mit der Wegnahme der Kette, die € 50,00 bis € 100,00 Wert gewesen sei, bewusst gegen das ihm bekannte Verbot verstoßen, irgendwelche Gegenstände vom Betriebsgelände wegzunehmen. Der Kläger sei in der Vergangenheit mehrfach aus unterschiedlichen Gründen abgemahnt worden. Hier sei auf den Inhalt des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 18.05.2010 (Az. 6 Ca 1422/09) zu verweisen. Am 15.10.2012 sei der Kläger abgemahnt worden, weil er entgegen betrieblicher Anweisung eine Nebentätigkeit nicht angezeigt und während einer Erkrankung eine Tätigkeit als Zeitungszusteller ausgeübt habe. Am 15.10.2012 sei er außerdem wegen mangelnder Arbeitseinstellung und Arbeitsleistung abgemahnt worden. Er habe sich nachhaltig immer wieder geweigert, Schutzkleidung anzulegen, sei häufig übermüdet zur Arbeit erschienen, unkonzentriert gewesen und des Öfteren eingeschlafen. Mit Schreiben vom 04.09.2012 sei er aufgefordert worden, künftig auf ordentliche Arbeitskleidung und bessere Körperhygiene zu achten. Auch das erste Kündigungsschutzverfahren (LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2011 - 7 Sa 506/09 - Juris) erfülle in jedem Fall die Funktion einer Abmahnung, da diese Kündigung auf ein vergleichbares, einschlägiges Verhalten des Klägers gestützt worden sei. Auch die seinerzeitige Kündigung sei wegen Verstößen des Klägers gegen betriebliche Anordnungen und Anweisungen erfolgt.

23

Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 7 Sa 506/09 (11 Ca 1184/08) und 6 Ca 1422/09 (ArbG Mainz - AK Bad Kreuznach).

Entscheidungsgründe

I.

24

Die gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere form- sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).

II.

25

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 07.11.2012 weder fristlos noch mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2013 aufgelöst worden. Das beklagte Land ist verpflichtet, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits als Straßenwärter weiter zu beschäftigen. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb abzuändern.

26

1. Das beklagte Land hat die außerordentliche Kündigung vom 07.11.2012 nicht unverzüglich iSd. § 91 Abs. 5 SGB IX erklärt. Die Kündigung ist bereits deshalb rechtsunwirksam.

27

Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB war bei Zugang der Kündigungserklärung vom 07.11. am 08.11.2012 bereits abgelaufen. Der Kläger wurde am 15.10.2012 vom Leiter der Master-Straßenmeisterei (MSM) Kirn zum Vorwurf, am 12.10.2012 versucht zu haben, eine großgliedrige Kette mit Schäkel und Haken vom Bauhof zu stehlen, angehört. Nach Anhörung des Klägers hatte das beklagte Land eine zuverlässige und vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen, so dass die zweiwöchige Frist am 15.10.2012 zu laufen begann und am 29.10.2012 endete. Das beklagte Land hatte allerdings fristgerecht mit Schreiben vom 19.10.2012 die gemäß §§ 85, 91 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts zur beabsichtigten Kündigung des einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägers eingeholt. Der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts vom 31.10.2012 ging ausweislich des Eingangsstempels am 02.11.2012 in der Poststelle der Zentrale des LBM in C-Stadt ein.

28

Für den Fall, dass - wie hier - bei fristgerechter Antragstellung die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamts bereits abgelaufen ist, verlangt § 91 Abs. 5 SGB IX den unverzüglichen Ausspruch der Kündigung (BAG 19.04.2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 13 mwN, NZA 2013, 507). Erteilt iSv. § 91 Abs. 5 SGB IX ist die Zustimmung, sobald eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX getroffen und der antragstellende Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt oder wenn eine Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht getroffen worden ist; in diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt.

29

Im vorliegenden Fall hätte die Zustimmung des Integrationsamts am 05.11.2012 als erteilt gegolten, weil der Antrag des LBM vom 19.10. am 22.10.2012 dort eingegangen ist. Der mit Einschreiben zugestellte Zustimmungsbescheid des Integrationsamts vom 31.10.2012 ist jedoch bereits am 02.11.2012 in der Poststelle der Zentrale des LBM eingegangen. Die Kündigung ist dem Kläger erst am 08.11.2012 zugegangen und damit nicht "unverzüglich" iSd. § 91 Abs. 5 SGB IX.

30

Entsprechend der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB bedeutet „unverzüglich“ auch im Rahmen von § 91 Abs. 5 SGB IX „ohne schuldhaftes Zögern“. Schuldhaft ist ein Zögern dann, wenn das Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Da „unverzüglich“ weder „sofort“ bedeutet noch damit eine starre Zeitvorgabe verbunden ist, kommt es auf eine verständige Abwägung der beiderseitigen Interessen an. Dabei ist nicht allein die objektive Lage maßgebend. Solange derjenige, dem unverzügliches Handeln abverlangt wird, nicht weiß, dass er die betreffende Rechtshandlung vornehmen muss, oder es mit vertretbaren Gründen annehmen kann, er müsse sie noch nicht vornehmen, liegt kein „schuldhaftes” Zögern vor (BAG 19.04.2012 - 2 AZR 118/11 - Rn. 16 mwN, aaO).

31

Die Zustellung der Kündigung an den Kläger am Donnerstag, 08.11.2012, erfolgte erst sechs Kalendertage (vier Arbeitstage) nach Eingang des Bescheids des Integrationsamts am Freitag, 02.11.2012, in der Poststelle der Zentrale des LBM. Das ist auch unter Berücksichtigung der Größe und Struktur des LBM, die eine Formalisierung des Postwesens bedingt, bei einer Abwägung der Einzelfallumstände nicht unverzüglich (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 05.10.2005 - 10 TaBV 22/05 - Juris; LAG Hamm 08.11.2012 - 15 Sa 1094/12 - Juris). Der LBM ist nach Zugang des Bescheids mehrere Tage untätig geblieben und hat erst am 07.11.2012 die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet, um das Kündigungsschreiben auf den Weg zu bringen. Es ist kein organisatorischer Grund ersichtlich, weshalb es dem LBM nicht möglich gewesen wäre, schneller zu handeln. Dass der Bescheid des Integrationsamts über mehrere Tage in der Zentrale des LBM von den Hausboten "herumgetragen" worden ist, entlastet das beklagte Land nicht. Spätestens der Fachgruppenleiter Personal hätte erkennen müssen, dass die gesetzliche Vorschrift des § 91 Abs. 5 SGB IX ein unverzügliches Tätigwerden verlangt. Dann muss ein geordneter Geschäftsgang auch vorsehen, ein Schriftstück nicht im "normalen Postlauf" per Hausboten, sondern von "Hand zu Hand" an den zuständigen Sachbearbeiter weiterzuleiten.

32

Von der Ausgangslage ist die vom beklagten Land angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 06.11.1986 - 2 AZR 753/85 - Juris) mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dort hatte die am Freitag eingegangene Sendung den zuständigen Sachbearbeiter in einem Großunternehmen mit zentraler Poststelle und Personalabteilungen in mehreren Betrieben erst am Dienstag erreicht, der Bescheid enthielt keinen Hinweis auf die zuständige Personalabteilung, so dass die Feststellung der zuständigen Abteilung einen gewissen Zeitaufwand erforderte.

33

Im vorliegenden Fall ist der Bescheid am Freitag in der Zentrale des LBM eingegangen. In C-Stadt ist auch die zuständige Personalabteilung angesiedelt, so dass kein Zeitaufwand erforderlich war, um die zuständige Abteilung festzustellen. Der Bescheid enthielt in Fettdruck den Vermerk "Personalangelegenheit", er war an die zuständige Zentrale des LBM adressiert, die Betreffzeile enthielt den deutlich hervorgehobenen Vermerk, dass es um den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers ging. Der Bescheid wurde von der Poststelle am 05.11.2012 dem zuständigen Geschäftsbereichsleiter vorgelegt, der später die Kündigung im Namen des beklagten Landes unterzeichnet hat. Es dauerte dann einen weiteren Arbeitstag bis der Bescheid dem zuständigen Fachgruppenleiter Personal vorlag, der die Personalangelegenheit kennen musste, weil er den Zustimmungsantrag an das Integrationsamt vom 19.10.2012 selbst unterzeichnet hatte. Dass es dann nochmals einen Arbeitstag dauerte bis der Bescheid vom Fachgruppenleiter an den zuständigen Personalsachbearbeiter gelangte, ist mit dem Erfordernis, "unverzüglich" zu handeln, nicht mehr zu vereinbaren. Spätestens der Fachgruppenleiter Personal hätte mit größerer Eile die erforderlichen Schritte einleiten müssen. Ihm wäre ein schnelleres Tätigwerden durch eine Übergabe des Bescheids an den zuständigen Sachbearbeiter von "Hand zu Hand" noch am selben Tag möglich und zumutbar gewesen. Von einer unverzüglichen Erklärung der Kündigung kann somit nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalls nicht ausgegangen werden.

34

2. Es ist nicht mehr zu prüfen, ob für die außerordentliche Kündigung vom 07.11.2012 ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB bestand. Zwar liegt nach dem unstreitigen Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Jedoch sprechen bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung wesentliche Gesichtspunkte zu Gunsten des Klägers.

35

a) Gemäß § 34 Abs. 2 TV-L konnte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre beim beklagten Land beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an, die das Vorliegen eines solchen Grundes voraussetzt.

36

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB von einer zweistufigen Prüfung des wichtigen Grundes auszugehen. Zunächst ist zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund "an sich" geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

37

b) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger am 12.10.2012 eine großgliedrige Kette mit Haken und Schäkel, die er auf dem Gelände der Straßenmeisterei gefunden hatte, in seine privaten Arbeitstasche verstaut hat, um sie nach Hause mitzunehmen. Darin ist ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten des Klägers zu erblicken, weil ihm von seinen Vorgesetzten - unstreitig - untersagt worden ist, irgendwelche Gegenstände - auch kein Schrott - vom Betriebsgelände wegzunehmen.

38

Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat (vgl. zum Fall "Emmely" BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 26, NZA 2010, 1227; zuletzt BAG 20.06.2013 - 2 AZR 546/12 - Rn. 13, NZA 2014, 143; jeweils mwN).

39

Das Verhalten des Klägers kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es nicht strafbar gewesen sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil des beklagten Landes. Entgegen der Ansicht des Klägers ist unerheblich, ob das beklagte Land im sachenrechtlichen Sinne Eigentümerin der Kette war, die möglicherweise von den Straßenwärtern bei einer Unfallstellenräumung gefunden und so auf den Bauhof gelangt sein mag. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch. Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 30 mwN, aaO).

40

Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Der Kläger war nicht berechtigt, Gegenstände vom Gelände der Straßenmeisterei mitzunehmen. Sein Verhalten wiegt umso schwerer, als er eine konkrete Anordnung seines Vorgesetzten, dass er nichts - auch keinen Schrott - mit nach Hause nehmen dürfe, missachtet habe.

41

c) Auch wenn das Verhalten des Klägers durch die unerlaubte Mitnahme der Kette mit Schäkel und Haken das Vertrauensverhältnis zum beklagten Land erheblich belastet hat, ist den für den Kläger sprechenden Besonderheiten hinreichend Rechnung zu tragen.

42

Zu Gunsten des Klägers fällt seine lange Betriebszugehörigkeit deutlich ins Gewicht. Er ist seit 1982 und damit seit 30 Jahren beim beklagten Land beschäftigt. Er hat - damals noch - beim Straßenbauamt seine Berufsausbildung als Straßenwärter absolviert und sein ganzes Arbeitsleben in den Diensten des beklagten Landes verbracht. Es ist für den Kläger, der wegen seiner psychischen Erkrankung seit dem Jahr 2011 mit einem GdB von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, praktisch aussichtslos, einen auch nur annähernd vergleichbaren Arbeitsplatz zu finden.

43

Das Gewicht der Pflichtverletzung, insb. das Maß der dem beklagten Land entstandenen Schädigung, ist als gering einzustufen. Der Kläger hat behauptet, er habe die Kette in der Nähe des Schrottplatzes gefunden, sie sei höchstens € 5,00 Wert gewesen. Zum Wert der großgliedrigen Kette mit Schäkel und Haken hat das beklagte Land im Verlauf des Rechtsstreits keine Angaben gemacht. Sie hatte möglicherweise nur Schrottwert. In der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erklärten die Prozessvertreter des beklagten Landes auf Nachfrage zu Protokoll, die Kette habe einen Wert "von € 50,00 bis € 100,00" gehabt. Diese Wertangabe ist nicht durch die Behauptung konkreter wertbildender Faktoren unterlegt worden. Das beklagte Land hat nicht vorgetragen, um welche Kette es sich konkret handelte (Länge, Material, Anzahl der Kettenglieder etc.), wann sie zu welchem Preis angeschafft worden ist, in welchem Zustand sie sich befand und welchen Verwendungszweck sie überhaupt hatte. Ohne ausreichende Schätzgrundlage ist eine Wertfeststellung nicht möglich.

44

Im vorliegenden Fall spricht viel dafür, dass eine Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) als Reaktion auf die versuchte Mitnahme der Kette mit Schäkel und Haken ausgereicht hätte, um zukünftig gleichartige Verstöße auszuschließen. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Eigentums- und Vermögensdelikte, ist eine Abmahnung nicht ohne weiteres entbehrlich. Dies gilt etwa, wenn dem Arbeitnehmer zwar die Verbotswidrigkeit seines Verhaltens hinreichend klar ist, er aber Grund zu der Annahme haben durfte, der Arbeitgeber würde dieses nicht als ein so erhebliches Fehlverhalten werten, dass dadurch der Bestand des Arbeitsverhältnisses auf dem Spiel stünde (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 38, aaO; BAG 23.06.2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33 mwN, NZA 2009, 1198).

45

Die Verhaltensweisen des Klägers, die zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes vom 07.11.2008 geführt haben, dürfen ihm im Streitfall nicht als rechtlich relevante Beanstandungen vorgeworfen werden. Das beklagte Land hatte das Arbeitsverhältnis damals mit sozialer Auslauffrist zum 30.06.2009 aus krankheitsbedingten Gründen gekündigt. Das beklagte Land hat dem Kläger wegen seiner Verhaltensweisen, die im Tatbestand des Berufungsurteils (LAG Rheinland-Pfalz 25.05.2011 -7 Sa 506/09 - Juris) im Einzelnen aufgeführt sind, damals keinen Schuldvorwurf gemacht. Das beklagte Land kann jetzt nicht mit dem Argument durchdringen, es habe (doch) ein steuerbares Verhalten des Klägers vorgelegen. Deshalb kann auch der Inhalt des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 18.05.2010 (Az. 6 Ca 1422/09) im Weiterbeschäftigungsrechtsstreit nicht gegen den Kläger herangezogen werden.

46

Soweit das beklagte Land auf drei Abmahnungen vom 15.10.2012 abstellt, weil der Kläger eine Nebentätigkeit als Zeitungszusteller nicht angezeigt, während einer Erkrankung eine Tätigkeit als Zeitungszusteller ausgeübt, sich geweigert habe, Schutzkleidung anzulegen, übermüdet zur Arbeit erschienen, unkonzentriert gewesen sowie des Öfteren eingeschlafen sei, sind diese Abmahnungen erst nach dem Kündigungsvorfall vom 12.10.2012 ausgefertigt worden. Es ist bereits unklar, ob - überhaupt und ggf. wann - diese Abmahnungen, die ausweislich ihres Wortlauts erst nach Anhörung des Klägers zur Personalakte genommen werden sollten, dem Kläger ausgehändigt worden sind. Soweit das beklagte Land schließlich auf ein Schreiben vom 04.09.2012 hinweist, womit der Kläger aufgefordert worden ist, künftig auf ordentliche Arbeitskleidung und bessere Körperhygiene zu achten, steht diese Aufforderung mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang. Daraus kann nicht abgeleitet werden, der Kläger werde auch zukünftig Gegenstände vom Gelände der Straßenmeisterei mitnehmen, obwohl ihm dies verboten worden ist.

47

3. Der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers ist begründet. Auch außerhalb der Regelungen in §§ 102 Abs. 5 BetrVG, 79 Abs. 2 BPersVG, 83 Abs. 2 LPersVG hat der gekündigte Arbeitnehmer einen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer fristlosen Kündigung über deren Zugang hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen (st. Rspr. seit BAG 27.02.1985 - GS 1/84 - AP BGB § 611 Beschäftigungspflicht Nr. 14).

48

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die Kündigung des beklagten Landes vom 07.11.2012 ist unwirksam. Das Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiegt das Nichtbeschäftigungsinteresse des LBM. Der Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits entgegenstehende überwiegende schutzwerte Interessen des beklagten Landes sind nicht geltend gemacht worden. Die Berufungskammer teilt nicht die Ansicht des Arbeitsgerichts, der Kläger gefährde andere Personen oder das Eigentum des Arbeitgebers, wenn er nicht ständig beaufsichtigt bzw. betreut werde. Soweit das Arbeitsgericht auf die Begründung seines Urteils vom 18.05.2010 (Az: 6 Ca 1422/09) im damaligen Weiterbeschäftigungsrechtsstreit abhebt, sind die die Verhaltensweisen des Klägers im Kündigungsschutzverfahren vom Landesarbeitsgericht (LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 25.05.2011 - 7 Sa 506/09 - Juris) geprüft und nach Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens kündigungsrechtlich bewertet worden sind. Danach war gerade nicht feststellbar, dass vom Kläger bei einer Beschäftigung als Straßenwärter erhebliche Gefahren für sich oder Dritte oder für Gegenstände zu erwarten sind.

III.

49

Das beklagte Land hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz zu tragen.

50

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. April 2013 - 2 Sa 107/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.

2

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war sie überwiegend als Hilfsgärtnerin tätig. Ihre Arbeitsverpflichtung erstreckt sich auf die Tage Montag bis Donnerstag bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,59 Stunden. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung beträgt 2.075,00 Euro.

3

Die Beklagte betreibt Friedhöfe. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Personalrat gebildet.

4

Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Sie stellte sich mehrfach beim Personalärztlichen Dienst der Stadt vor. Dieser attestierte ihr jeweils eine positive Prognose. Die Parteien führten zudem zahlreiche Krankengespräche. Am 6. Oktober 2011 führte die Beklagte mit der Klägerin unter Beteiligung des Vorsitzenden des Personalrats ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Zuletzt war die Klägerin in der Zeit vom 16. November bis zum 19. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankheitsursache ist zwischen den Parteien streitig.

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr abschließend entschieden habe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen; der Personalratsvorsitzende sei bereits vorab informiert worden. Gleichzeitig unterbreitete sie ihr ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Dieses halte sie bis zum 6. Januar 2012 aufrecht. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an.

6

Am 16. Januar 2012 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 19. Januar 2012 mit, dass er seine Zustimmung verweigert habe. Mit Schreiben vom 2. Februar 2012 rief die Beklagte die Einigungsstelle an. Diese ersetzte die Zustimmung am 27. März 2012. Ausfertigungen ihres Beschlusses gingen dem Personalrat und der Beklagten am 28. März 2012 zu.

7

Mit Schreiben vom selben Tage kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dagegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei ein wichtiger Grund nicht gegeben. Die Erkrankungen ihres Bewegungsapparats seien nach Durchführung von Operationen ausgeheilt. Es bestehe keine Gefahr, dass eine der verschiedenen Infektionskrankheiten künftig wieder auftrete. Im Übrigen könne sie als Friedhofsbetreuerin leidensgerecht beschäftigt werden.

8

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. März 2012 nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Hilfsgärtnerin weiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für wirksam gehalten. Die Klägerin habe - was mit Ausnahme von zwölf einzelnen Tagen unstreitig ist - in den Jahren von 2000 bis 2011 jeweils zwischen 19 und 163, im Durchschnitt an 75,25 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. In den Jahren 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 34.432,82 Euro geleistet. Sie habe von einer negativen Prognose ausgehen dürfen, die auch weiterhin außerordentlich hohe wirtschaftliche Belastungen und massive Betriebsablaufstörungen erwarten lasse. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass sie durch Krankengespräche und Umsetzungen der Klägerin versucht habe, deren Fehlzeiten zu reduzieren. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt. Kündigungsgrund sei die Gesamtheit der Krankheiten der vergangenen mehr als zehn Jahre und die sich daraus ergebende - fortbestehende - Anfälligkeit für Kurzerkrankungen. Dabei handele es sich um einen Dauertatbestand.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage zwar nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben. Seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

12

I. Das Feststellungsbegehren ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. März 2012 nicht aufgelöst worden.

13

1. Allerdings hat die Beklagte, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

14

a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten. Sie beginnt regelmäßig, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 22). Uneingeschränkt gilt dies bei in der Vergangenheit liegenden, vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalten, mögen diese auch - etwa als Vertrauensverlust - noch fortwirken. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 15, BAGE 132, 299; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu C II 2 der Gründe).

15

b) Im Fall einer lang andauernden - durchgehenden - Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe; 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe). Der Kündigungsgrund entsteht fortlaufend neu. Der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist deshalb nicht eindeutig zu fixieren. Selbst wenn die zum Kündigungsgrund zählende negative Prognose zeitlich näher bestimmbar sein sollte, gilt dies jedenfalls nicht für die weiter erforderliche erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (BAG 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

16

c) Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 1 b der Gründe; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65).

17

aa) Kündigungsgrund ist dabei - wie im Fall einer lang andauernden Erkrankung - nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24 f.). Der Dauertatbestand beginnt in dem Zeitpunkt, zu welchem die bis dahin aufgetretenen Kurzerkrankungen einen solchen Schluss zum ersten Mal zulassen. Er endet in dem Zeitpunkt, zu welchem die zurückliegenden Kurzerkrankungen zum ersten Mal eine entsprechende negative Prognose nicht mehr stützen, die Vergangenheit also nicht mehr als Prognosegrundlage taugt - etwa weil die letzte Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit so lange zurückliegt, dass von dauerhafter, durchgehender Krankheitsanfälligkeit nicht mehr die Rede sein kann. Das Ende des Dauertatbestands tritt folglich nicht schon - gleichsam retrospektiv - mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit ein, an die sich ein entsprechend langer Zeitraum ohne Ausfälle anschließt. Es tritt erst mit dem Erreichen einer ausreichenden Länge eben dieses Zeitraums ein, weil erst dieser die Prognosetauglichkeit der Vergangenheit beendet.

18

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt damit die Annahme eines Dauertatbestands auch dann in Betracht, wenn die Fehlzeiten nicht auf ein und dasselbe Grundleiden zurückzuführen sind. Aus der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2000 (- 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65) ergibt sich nichts anderes. Dort heißt es, bei einer „noch dazu auf demselben Grundleiden beruhenden, dauernden Krankheitsanfälligkeit“ liege ein Dauertatbestand vor. Das bedeutet nicht, dass ein einheitliches Grundleiden zwingende Voraussetzung für die Annahme eines solchen Tatbestands wäre. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 9. September 1992 (- 2 AZR 190/92 - dort zu II 4 der Gründe). Zwar war dort die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage einer bis dahin letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erklärt worden und wurde die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit dieser Begründung als gewahrt angesehen. Ob davon nicht zudem aufgrund des Vorliegens eines Dauertatbestands hätte ausgegangen werden können, wurde aber nicht erörtert. Die Entscheidung handelt dementsprechend von einer hinreichenden, nicht von einer notwendigen Bedingung.

19

d) Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt ist, kommt es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung - zufällig - arbeitsunfähig war. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, dh. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit steht dem nicht zwangsläufig entgegen. Der Dauertatbestand endet erst, wenn der Kündigungsgrund als solcher entfällt.

20

e) Liegt ein Dauertatbestand vor, beginnt die Ausschlussfrist nicht einmalig, sobald der Arbeitgeber - erstmals - Kenntnis von der für den Kündigungsentschluss relevanten negativen Prognose und den daraus resultierenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen hat. Die Frist beginnt vielmehr fortlaufend neu.

21

aa) Zu den für den Kündigungsentschluss maßgebenden Tatsachen, auf deren Kenntnis § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB für den Fristbeginn abstellt, gehören nicht nur die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die aus ihnen folgenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen, sondern auch deren - zunehmende - Dauer(KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327; aA APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 138; KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 215). Andernfalls würde der Arbeitgeber zur möglichst frühzeitigen Erklärung der Kündigung angehalten. Dies liefe den Interessen des Arbeitnehmers zuwider. Es würde den Bestandsschutz des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers schmälern und nicht - wie durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung bezweckt - verbessern (vgl. BAG 21. März 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

22

bb) Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB stehen dem nicht entgegen. Die Vorschrift ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ihr Ziel ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 23). In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht ein solches Interesse an schneller Klärung nicht. Im Gegenteil dient es den Belangen des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die weitere Entwicklung beobachtet und mit einer möglichen Kündigung noch zuwartet, um die Chance einer Prognoseänderung offen zu halten (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327). Der Arbeitnehmer hat in einer solchen Situation keinen berechtigten Anlass zu der Annahme, der Arbeitgeber werde aus der andauernden negativen Prognose und den fortbestehenden betrieblichen Beeinträchtigungen auch künftig keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen herleiten.

23

cc) Im Streitfall gilt nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte der Klägerin am 9. Dezember 2011 mitgeteilt hat, sie „habe nunmehr abschließend entschieden“, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Erklärung ändert nichts daran, dass sich auch dann der Kündigungsgrund, sollte er bestehen, fortlaufend neu verwirklicht. Im Übrigen gibt das Schreiben inhaltlich keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte werde nach Ablauf weiterer zwei Wochen aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen. Aus dem gleichzeitig unterbreiteten und bis zum 6. Januar 2012 aufrecht erhaltenen Auflösungsangebot konnte die Klägerin ersehen, dass die Beklagte vor diesem Zeitpunkt eine Kündigung nicht erklären würde. Dem Hinweis darauf, der Vorsitzende des Personalrats sei vorab informiert worden, ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte das förmliche Mitbestimmungsverfahren bereits eingeleitet hätte. Da die Beklagte den Personalrat bereits am 16. Januar 2012 um Zustimmung zur nunmehr beabsichtigten Kündigung ersucht hat, durfte die Klägerin auch nach dem Ablauf der Frist zur Annahme des Angebots am 6. Januar nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde von einer Kündigung Abstand nehmen.

24

f) Ob im Streitfall der Kündigungsgrund - eine berechtigte negative Prognose - noch bis zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vorgelegen hat, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

25

2. Die Revision ist gleichwohl zurückzuweisen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Kündigung ist unwirksam, da es selbst auf der Grundlage des als wahr unterstellten Vortrags der Beklagten an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

26

a) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

27

b) Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen - zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen - dritte Stufe (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18).

28

c) Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind (BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 b der Gründe). Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - ggf. über Jahre hinweg - erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt (vgl. BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c bb der Gründe). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe).

29

d) Danach ist der Beklagten auch auf der Basis ihres eigenen Vorbringens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

30

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der - im Einzelnen bezeichneten - erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vergangenen mehr als zehn Jahren sei auch in Zukunft damit zu rechnen, dass die Klägerin in erheblichem Maße krankheitsbedingt fehlen werde. Die den Fehlzeiten in der Vergangenheit zugrunde liegenden Erkrankungen seien nicht ausgeheilt. Jedenfalls bestehe eine „generelle Anfälligkeit“ der Klägerin für bestimmte Erkrankungen. In den Jahren von 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - insgesamt mehr als 34.000,00 Euro an Entgeltfortzahlung geleistet. Die Fehlzeiten der Klägerin hätten überdies zu Betriebsablaufstörungen geführt. Aufgrund der Ungewissheit, ob und wie lange die Klägerin krankheitsbedingt ausfallen würde, habe sie keine Vertretungskräfte einstellen können. Die Vertretung habe von den übrigen Kollegen übernommen werden müssen. Diese seien dadurch einer auf Dauer nicht zu bewältigenden Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen. Das habe zu einer Verzögerung der Grabpflegearbeiten und in der Folge zu Kundenbeschwerden geführt.

31

bb) Die dargelegten Umstände genügen den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht.

32

(1) Der von der Beklagten vorgetragene Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigt nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen mehr als zehn Jahren. In dem - als Grundlage für eine Prognose geeigneten - Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung sind deren Ausfallzeiten deutlich zurückgegangen (zur Relevanz steigender, gleichbleibender oder fallender Fehlzeiten vgl. BAG 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B II 2 a der Gründe). Sie betrugen 19, 67 und 55 Arbeitstage. Dies entspricht bei einer Vier-Tage-Woche einer durchschnittlichen jährlichen Fehlzeit von 11,75 Wochen. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausfallzeiten künftig wieder ansteigen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Tatsächlich war die Klägerin nach dem 19. Dezember 2011 bis zum Zugang der Kündigung am 28. März 2012 nicht mehr arbeitsunfähig krank. Die fallende Tendenz der krankheitsbedingten Fehlzeiten wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach Zugang der Kündigung noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgehend arbeitsfähig war. Dies ist zwar nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Es ist aber - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - nicht unzulässig, die spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen, soweit sie - wie hier - die Prognose bestätigt (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe; vgl. für den Fall der betriebsbedingten Kündigung BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

33

(2) Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Der Jahreslohnsumme auf Seiten der Beklagten steht nach wie vor eine nennenswerte Arbeitsleistung auf Seiten der Klägerin gegenüber. Das gilt nicht nur mit Blick auf mögliche Fehlzeiten von 11,75 Wochen pro Jahr. Das Arbeitsverhältnis wäre auch dann noch nicht „sinnentleert“, wenn künftig Fehlzeiten in dem von der Beklagten prognostizierten Umfang von jährlich 18,81 Wochen einträten. Auch in diesem Fall wäre die Klägerin noch zu fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig. Der Vortrag der Beklagten lässt zudem nicht erkennen, dass die prognostizierten Fehlzeiten zu nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen führen werden. Die Klägerin kann den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll eingesetzt werden. Der Umstand, dass die möglichen Ausfallzeiten zu Vertretungsbedarf und ggf. zu Verzögerungen im Betriebsablauf führen, ist nicht außergewöhnlich. Dies liegt in der Natur der Sache und macht als solches der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

34

(3) Im Übrigen müsste auch eine Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfallen. Zwar wäre auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin hingenommen hat, ohne eine Kündigung in Erwägung zu ziehen. Sie hat zudem durch zahlreiche Krankengespräche und die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes versucht, zu einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin beizutragen. Gleichwohl überwiegen die Belange der Klägerin. Ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als drei Jahrzehnten, ihrem Alter von seinerzeit 52 Jahren und den mit beidem verbundenen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt käme erhebliches Gewicht zu. Wenn ferner berücksichtigt würde, dass die Fehlzeiten der Klägerin in den letzten drei Jahren vor Zugang der Kündigung deutlich zurückgegangen sind, vermöchten die Belange der Beklagten das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu überwiegen.

35

3. Ob die Kündigung nicht nur mangels wichtigen Grundes, sondern auch aufgrund von Mängeln in der Beteiligung des Personalrats unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.

36

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist als Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Rechtsstreits zu verstehen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

37

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Kreft    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. April 2013 - 2 Sa 107/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.

2

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war sie überwiegend als Hilfsgärtnerin tätig. Ihre Arbeitsverpflichtung erstreckt sich auf die Tage Montag bis Donnerstag bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,59 Stunden. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung beträgt 2.075,00 Euro.

3

Die Beklagte betreibt Friedhöfe. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Personalrat gebildet.

4

Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Sie stellte sich mehrfach beim Personalärztlichen Dienst der Stadt vor. Dieser attestierte ihr jeweils eine positive Prognose. Die Parteien führten zudem zahlreiche Krankengespräche. Am 6. Oktober 2011 führte die Beklagte mit der Klägerin unter Beteiligung des Vorsitzenden des Personalrats ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Zuletzt war die Klägerin in der Zeit vom 16. November bis zum 19. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankheitsursache ist zwischen den Parteien streitig.

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr abschließend entschieden habe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen; der Personalratsvorsitzende sei bereits vorab informiert worden. Gleichzeitig unterbreitete sie ihr ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Dieses halte sie bis zum 6. Januar 2012 aufrecht. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an.

6

Am 16. Januar 2012 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 19. Januar 2012 mit, dass er seine Zustimmung verweigert habe. Mit Schreiben vom 2. Februar 2012 rief die Beklagte die Einigungsstelle an. Diese ersetzte die Zustimmung am 27. März 2012. Ausfertigungen ihres Beschlusses gingen dem Personalrat und der Beklagten am 28. März 2012 zu.

7

Mit Schreiben vom selben Tage kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dagegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei ein wichtiger Grund nicht gegeben. Die Erkrankungen ihres Bewegungsapparats seien nach Durchführung von Operationen ausgeheilt. Es bestehe keine Gefahr, dass eine der verschiedenen Infektionskrankheiten künftig wieder auftrete. Im Übrigen könne sie als Friedhofsbetreuerin leidensgerecht beschäftigt werden.

8

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. März 2012 nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Hilfsgärtnerin weiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für wirksam gehalten. Die Klägerin habe - was mit Ausnahme von zwölf einzelnen Tagen unstreitig ist - in den Jahren von 2000 bis 2011 jeweils zwischen 19 und 163, im Durchschnitt an 75,25 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. In den Jahren 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 34.432,82 Euro geleistet. Sie habe von einer negativen Prognose ausgehen dürfen, die auch weiterhin außerordentlich hohe wirtschaftliche Belastungen und massive Betriebsablaufstörungen erwarten lasse. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass sie durch Krankengespräche und Umsetzungen der Klägerin versucht habe, deren Fehlzeiten zu reduzieren. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt. Kündigungsgrund sei die Gesamtheit der Krankheiten der vergangenen mehr als zehn Jahre und die sich daraus ergebende - fortbestehende - Anfälligkeit für Kurzerkrankungen. Dabei handele es sich um einen Dauertatbestand.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage zwar nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben. Seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

12

I. Das Feststellungsbegehren ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. März 2012 nicht aufgelöst worden.

13

1. Allerdings hat die Beklagte, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

14

a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten. Sie beginnt regelmäßig, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 22). Uneingeschränkt gilt dies bei in der Vergangenheit liegenden, vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalten, mögen diese auch - etwa als Vertrauensverlust - noch fortwirken. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 15, BAGE 132, 299; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu C II 2 der Gründe).

15

b) Im Fall einer lang andauernden - durchgehenden - Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe; 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe). Der Kündigungsgrund entsteht fortlaufend neu. Der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist deshalb nicht eindeutig zu fixieren. Selbst wenn die zum Kündigungsgrund zählende negative Prognose zeitlich näher bestimmbar sein sollte, gilt dies jedenfalls nicht für die weiter erforderliche erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (BAG 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

16

c) Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 1 b der Gründe; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65).

17

aa) Kündigungsgrund ist dabei - wie im Fall einer lang andauernden Erkrankung - nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24 f.). Der Dauertatbestand beginnt in dem Zeitpunkt, zu welchem die bis dahin aufgetretenen Kurzerkrankungen einen solchen Schluss zum ersten Mal zulassen. Er endet in dem Zeitpunkt, zu welchem die zurückliegenden Kurzerkrankungen zum ersten Mal eine entsprechende negative Prognose nicht mehr stützen, die Vergangenheit also nicht mehr als Prognosegrundlage taugt - etwa weil die letzte Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit so lange zurückliegt, dass von dauerhafter, durchgehender Krankheitsanfälligkeit nicht mehr die Rede sein kann. Das Ende des Dauertatbestands tritt folglich nicht schon - gleichsam retrospektiv - mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit ein, an die sich ein entsprechend langer Zeitraum ohne Ausfälle anschließt. Es tritt erst mit dem Erreichen einer ausreichenden Länge eben dieses Zeitraums ein, weil erst dieser die Prognosetauglichkeit der Vergangenheit beendet.

18

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt damit die Annahme eines Dauertatbestands auch dann in Betracht, wenn die Fehlzeiten nicht auf ein und dasselbe Grundleiden zurückzuführen sind. Aus der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2000 (- 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65) ergibt sich nichts anderes. Dort heißt es, bei einer „noch dazu auf demselben Grundleiden beruhenden, dauernden Krankheitsanfälligkeit“ liege ein Dauertatbestand vor. Das bedeutet nicht, dass ein einheitliches Grundleiden zwingende Voraussetzung für die Annahme eines solchen Tatbestands wäre. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 9. September 1992 (- 2 AZR 190/92 - dort zu II 4 der Gründe). Zwar war dort die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage einer bis dahin letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erklärt worden und wurde die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit dieser Begründung als gewahrt angesehen. Ob davon nicht zudem aufgrund des Vorliegens eines Dauertatbestands hätte ausgegangen werden können, wurde aber nicht erörtert. Die Entscheidung handelt dementsprechend von einer hinreichenden, nicht von einer notwendigen Bedingung.

19

d) Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt ist, kommt es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung - zufällig - arbeitsunfähig war. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, dh. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit steht dem nicht zwangsläufig entgegen. Der Dauertatbestand endet erst, wenn der Kündigungsgrund als solcher entfällt.

20

e) Liegt ein Dauertatbestand vor, beginnt die Ausschlussfrist nicht einmalig, sobald der Arbeitgeber - erstmals - Kenntnis von der für den Kündigungsentschluss relevanten negativen Prognose und den daraus resultierenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen hat. Die Frist beginnt vielmehr fortlaufend neu.

21

aa) Zu den für den Kündigungsentschluss maßgebenden Tatsachen, auf deren Kenntnis § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB für den Fristbeginn abstellt, gehören nicht nur die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die aus ihnen folgenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen, sondern auch deren - zunehmende - Dauer(KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327; aA APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 138; KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 215). Andernfalls würde der Arbeitgeber zur möglichst frühzeitigen Erklärung der Kündigung angehalten. Dies liefe den Interessen des Arbeitnehmers zuwider. Es würde den Bestandsschutz des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers schmälern und nicht - wie durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung bezweckt - verbessern (vgl. BAG 21. März 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

22

bb) Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB stehen dem nicht entgegen. Die Vorschrift ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ihr Ziel ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 23). In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht ein solches Interesse an schneller Klärung nicht. Im Gegenteil dient es den Belangen des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die weitere Entwicklung beobachtet und mit einer möglichen Kündigung noch zuwartet, um die Chance einer Prognoseänderung offen zu halten (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327). Der Arbeitnehmer hat in einer solchen Situation keinen berechtigten Anlass zu der Annahme, der Arbeitgeber werde aus der andauernden negativen Prognose und den fortbestehenden betrieblichen Beeinträchtigungen auch künftig keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen herleiten.

23

cc) Im Streitfall gilt nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte der Klägerin am 9. Dezember 2011 mitgeteilt hat, sie „habe nunmehr abschließend entschieden“, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Erklärung ändert nichts daran, dass sich auch dann der Kündigungsgrund, sollte er bestehen, fortlaufend neu verwirklicht. Im Übrigen gibt das Schreiben inhaltlich keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte werde nach Ablauf weiterer zwei Wochen aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen. Aus dem gleichzeitig unterbreiteten und bis zum 6. Januar 2012 aufrecht erhaltenen Auflösungsangebot konnte die Klägerin ersehen, dass die Beklagte vor diesem Zeitpunkt eine Kündigung nicht erklären würde. Dem Hinweis darauf, der Vorsitzende des Personalrats sei vorab informiert worden, ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte das förmliche Mitbestimmungsverfahren bereits eingeleitet hätte. Da die Beklagte den Personalrat bereits am 16. Januar 2012 um Zustimmung zur nunmehr beabsichtigten Kündigung ersucht hat, durfte die Klägerin auch nach dem Ablauf der Frist zur Annahme des Angebots am 6. Januar nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde von einer Kündigung Abstand nehmen.

24

f) Ob im Streitfall der Kündigungsgrund - eine berechtigte negative Prognose - noch bis zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vorgelegen hat, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

25

2. Die Revision ist gleichwohl zurückzuweisen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Kündigung ist unwirksam, da es selbst auf der Grundlage des als wahr unterstellten Vortrags der Beklagten an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

26

a) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

27

b) Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen - zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen - dritte Stufe (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18).

28

c) Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind (BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 b der Gründe). Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - ggf. über Jahre hinweg - erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt (vgl. BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c bb der Gründe). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe).

29

d) Danach ist der Beklagten auch auf der Basis ihres eigenen Vorbringens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

30

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der - im Einzelnen bezeichneten - erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vergangenen mehr als zehn Jahren sei auch in Zukunft damit zu rechnen, dass die Klägerin in erheblichem Maße krankheitsbedingt fehlen werde. Die den Fehlzeiten in der Vergangenheit zugrunde liegenden Erkrankungen seien nicht ausgeheilt. Jedenfalls bestehe eine „generelle Anfälligkeit“ der Klägerin für bestimmte Erkrankungen. In den Jahren von 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - insgesamt mehr als 34.000,00 Euro an Entgeltfortzahlung geleistet. Die Fehlzeiten der Klägerin hätten überdies zu Betriebsablaufstörungen geführt. Aufgrund der Ungewissheit, ob und wie lange die Klägerin krankheitsbedingt ausfallen würde, habe sie keine Vertretungskräfte einstellen können. Die Vertretung habe von den übrigen Kollegen übernommen werden müssen. Diese seien dadurch einer auf Dauer nicht zu bewältigenden Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen. Das habe zu einer Verzögerung der Grabpflegearbeiten und in der Folge zu Kundenbeschwerden geführt.

31

bb) Die dargelegten Umstände genügen den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht.

32

(1) Der von der Beklagten vorgetragene Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigt nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen mehr als zehn Jahren. In dem - als Grundlage für eine Prognose geeigneten - Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung sind deren Ausfallzeiten deutlich zurückgegangen (zur Relevanz steigender, gleichbleibender oder fallender Fehlzeiten vgl. BAG 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B II 2 a der Gründe). Sie betrugen 19, 67 und 55 Arbeitstage. Dies entspricht bei einer Vier-Tage-Woche einer durchschnittlichen jährlichen Fehlzeit von 11,75 Wochen. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausfallzeiten künftig wieder ansteigen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Tatsächlich war die Klägerin nach dem 19. Dezember 2011 bis zum Zugang der Kündigung am 28. März 2012 nicht mehr arbeitsunfähig krank. Die fallende Tendenz der krankheitsbedingten Fehlzeiten wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach Zugang der Kündigung noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgehend arbeitsfähig war. Dies ist zwar nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Es ist aber - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - nicht unzulässig, die spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen, soweit sie - wie hier - die Prognose bestätigt (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe; vgl. für den Fall der betriebsbedingten Kündigung BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

33

(2) Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Der Jahreslohnsumme auf Seiten der Beklagten steht nach wie vor eine nennenswerte Arbeitsleistung auf Seiten der Klägerin gegenüber. Das gilt nicht nur mit Blick auf mögliche Fehlzeiten von 11,75 Wochen pro Jahr. Das Arbeitsverhältnis wäre auch dann noch nicht „sinnentleert“, wenn künftig Fehlzeiten in dem von der Beklagten prognostizierten Umfang von jährlich 18,81 Wochen einträten. Auch in diesem Fall wäre die Klägerin noch zu fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig. Der Vortrag der Beklagten lässt zudem nicht erkennen, dass die prognostizierten Fehlzeiten zu nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen führen werden. Die Klägerin kann den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll eingesetzt werden. Der Umstand, dass die möglichen Ausfallzeiten zu Vertretungsbedarf und ggf. zu Verzögerungen im Betriebsablauf führen, ist nicht außergewöhnlich. Dies liegt in der Natur der Sache und macht als solches der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

34

(3) Im Übrigen müsste auch eine Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfallen. Zwar wäre auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin hingenommen hat, ohne eine Kündigung in Erwägung zu ziehen. Sie hat zudem durch zahlreiche Krankengespräche und die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes versucht, zu einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin beizutragen. Gleichwohl überwiegen die Belange der Klägerin. Ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als drei Jahrzehnten, ihrem Alter von seinerzeit 52 Jahren und den mit beidem verbundenen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt käme erhebliches Gewicht zu. Wenn ferner berücksichtigt würde, dass die Fehlzeiten der Klägerin in den letzten drei Jahren vor Zugang der Kündigung deutlich zurückgegangen sind, vermöchten die Belange der Beklagten das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu überwiegen.

35

3. Ob die Kündigung nicht nur mangels wichtigen Grundes, sondern auch aufgrund von Mängeln in der Beteiligung des Personalrats unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.

36

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist als Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Rechtsstreits zu verstehen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

37

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Kreft    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Februar 2014 - 10 Sa 576/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. In ihrem Betrieb waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war bei ihr seit Februar 2007 als Busfahrer tätig.

3

Seit dem 28. November 2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde ihm rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. In dem Bescheid heißt es auszugsweise:

        

„Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.“

und

        

„Die Rente endet mit dem 30.06.2014, ohne dass wir einen weiteren Bescheid erteilen.

        

Die Rente kann auf Antrag weitergezahlt werden, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin vorliegt. …“

4

Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, er werde die ersten Rentenzahlungen im August 2012 erhalten. Der Kläger informierte daraufhin den Geschäftsführer der Beklagten über die Rentenbewilligung. Er lehnte es ab, dessen Frage nach der Art seiner Erkrankung zu beantworten.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2012 zum 30. September 2012.

6

Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, für eine krankheitsbedingte Kündigung fehle es an einer negativen Gesundheitsprognose. Durch den Rentenbescheid werde nicht dokumentiert, dass er als Omnibusfahrer dauerhaft arbeitsunfähig sei. Es sei vielmehr nicht ausgeschlossen, dass er ab Juli 2014 seine geschuldete Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Auch ausweislich von drei im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sei es medizinisch nicht unwahrscheinlich, dass seine volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Zudem sei keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gegeben. Seine Krankheit führe nicht zu Betriebsablaufstörungen oder beachtlichen wirtschaftlichen Belastungen. Die Beklagte stelle schon seit Jahren Arbeitnehmer nur noch befristet ein. Es sei nicht erkennbar, weshalb es ihr nicht zumutbar sein solle, ihm einen Arbeitsplatz zumindest bis zum Auslaufen der Rentenbewilligung am 30. Juni 2014 freizuhalten. Im Übrigen habe die Beklagte entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 nicht beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Aus dem Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung habe sich eine negative Gesundheitsprognose für die auf die Kündigung folgenden 23 Monate ergeben. Es habe festgestanden, dass der Kläger zumindest für weitere fast zwei Jahre überhaupt keiner Erwerbstätigkeit werde nachgehen können, und es sei ungewiss gewesen, ob er danach jemals wieder arbeitsfähig werde. Zudem entstünden weiterhin Urlaubsansprüche des Klägers. Aus der Befristung der Rentenbewilligung könne nicht geschlossen werden, der Kläger werde nach ihrem Ablauf seine Fähigkeit zur vollschichtigen Tätigkeit als Busfahrer wieder erlangen. Renten wegen Erwerbsminderung seien von Gesetzes wegen grundsätzlich auf Zeit zu gewähren. Eine unbefristete Rente werde erst bewilligt, wenn unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Hiervon sei erst nach einer Gesamtdauer der befristeten Gewährung von neun Jahren auszugehen. Ein für den Kläger leidensgerechter Arbeitsplatz habe ebenso wenig zur Verfügung gestanden wie überhaupt ein freier Arbeitsplatz. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei entbehrlich gewesen. Angesichts der feststehenden Tatsache, dass der Kläger mindestens weitere 23 Monate vollständig erwerbsunfähig wäre, seien Maßnahmen, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes, die Vermeidung weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eine innerbetriebliche Umsetzung abzielten, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Ob die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe -(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 13; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11 mwN, BAGE 135, 361).

13

2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt der Kündigung habe eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgelegen.

14

a) Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt seit dem 23. November 2010 und damit seit über 20 Monaten durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234; 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 39). Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO; für den Fall häufiger [Kurz-]Erkrankungen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17). Dies hat die Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit getan. Diese ist überdies unstreitig. Krankheitsursachen waren der Beklagten nach ihrem Vorbringen nicht bekannt.

15

b) Der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründeten Indizwirkung ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat zwar von der Beklagten gefordert abzuwarten, ob nach Auslaufen der befristeten Rentenbewilligung eine Änderung eintreten werde. Zudem hat er auf die Möglichkeit einer Genesung binnen der auf die Kündigung folgenden 24 Monate verwiesen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass und unter welchen Bedingungen innerhalb dieses Zeitraums eine Besserung wahrscheinlich gewesen sei. Er hat weder konkrete Erkenntnisse aus den Gutachten mitgeteilt, die im Rahmen des Verfahrens zur Rentenbewilligung eingeholt wurden, noch hat er - etwa indem er sich auf entsprechende Aussagen seiner behandelnden Ärzte berufen hätte - behauptet, es sei in absehbarer Zeit die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erwarten gewesen (vgl. dazu BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 22; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96).

16

c) Darauf, ob die Rentenbewilligung etwas über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers aussagt, kommt es für die negative Gesundheitsprognose nicht an.

17

3. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen nicht seine Annahme, die im Kündigungszeitpunkt zu erwartende weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geführt.

18

a) Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 18). Die Beklagte hat allerdings nicht behauptet, im Kündigungszeitpunkt habe eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers festgestanden. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht nicht ausgegangen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen. Eine solche Ungewissheit steht - so sie tatsächlich vorliegt - einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO). Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken(noch zu § 1 Abs. 1 BeschFG vgl. BAG 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, allein aufgrund der lang anhaltenden Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit und der Ungewissheit seiner Genesung in der Zukunft seien die betrieblichen Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies wird den an die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung auf der zweiten Prüfungsstufe zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

20

aa) Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss - also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten - gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung lediglich darauf gestützt, unter Berücksichtigung des Rentenbescheids sei eine positive Entwicklung für mehr als 23 Monate auszuschließen und darüber hinaus ungewiss gewesen. Dies steht einem Sachverhalt, bei dem eine Gesundung des Arbeitnehmers für die nächsten 24 Monate nicht erwartet werden kann, nicht gleich. Die bloße Ungewissheit der Wiedergenesung, von der das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ablauf der Rentenbewilligung ausgegangen ist, bedeutet nicht zugleich, dass mit einer Gesundung nach medizinischen Erkenntnissen nicht gerechnet werden kann. Dies gilt auch schon für den 24. Monat nach Kündigungszugang. Der Umstand, dass der Kläger bereits im Kündigungszeitpunkt seit mehr als 20 Monaten arbeitsunfähig war, spricht lediglich dafür, dass mit einem Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft zu rechnen war. Er lässt für sich genommen nicht den Schluss auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit zu.

21

bb) Im Übrigen ergibt sich aus einer Rentenbewilligung wegen Erwerbsminderung nicht ohne Weiteres, dass der Leistungsempfänger arbeitsunfähig ist. Insbesondere begründet der Rentenbezug keine - widerlegbare - Vermutung oder Indizwirkung für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Bewilligung (vgl. P. Feichtinger in Feichtinger/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. § 3 EFZG Rn. 42; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 3 Rn. 74; HWK/Schliemann 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 44; Treber EFZG 2. Aufl. § 3 Rn. 23). Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung sind nicht die gleichen (vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - zu I 1 der Gründe; vgl. P. Feichtinger aaO; Schmitt aaO; ErfK/Reinhard 15. Aufl. § 3 EFZG Rn. 9; Vossen Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen Rn. 93). Der Erwerbsgeminderte kann durchaus arbeitsfähig sein (Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 5; ErfK/Reinhard aaO). Auch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann(vgl. auch LAG Hamm 9. Juli 2003 - 18 Sa 215/03 - zu A I 1 der Gründe, Vorinstanz zu BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - aaO; aA ErfK/Reinhard aaO unter Hinweis auf MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 7). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichendegünstige Arbeitsgelegenheit nicht entgegen ( KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 29 ). Dies mag bei der bisherigen Tätigkeit des Klägers als Busfahrer für die Beklagte nicht der Fall gewesen sein. Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht getroffen.

22

cc) Sonstige Umstände, die eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten begründen könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Allein die weiterhin entstehenden Urlaubsansprüche des Klägers vermögen - soweit ersichtlich - nicht zu einer nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu führen. Gesetzliche und regelmäßig auch tarifvertragliche Urlaubsansprüche erlöschen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit jeweils 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres und wachsen daher nach Ablauf von zwei Jahren und drei Monaten typischerweise nicht weiter an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 302/12 - Rn. 11; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371).

23

4. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht überdies zu Unrecht angenommen, ein milderes Mittel als eine Beendigungskündigung habe der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden, um den betrieblichen Beeinträchtigungen zu begegnen. Ihrer mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX erhöhten Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bislang nicht nachgekommen.

24

a) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX gehalten, ein bEM durchzuführen. Er hat dazu nach Zustimmung und unter Beteiligung der betroffenen Person mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.

25

b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Beklagte ihrer Pflicht zur Durchführung eines bEM im Falle des Klägers nicht nachgekommen. Hierzu war sie vor Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Die Durchführung des bEM soll einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen gerade begegnen (BT-Drs. 14/5074 S. 113; ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 84 SGB IX Rn. 4) und „den Arbeitsplatz“ - dh. das Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32 mwN) - erhalten. Im Kündigungszeitpunkt lag eine mehr als sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor. Die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM trifft den Arbeitgeber nicht nur bei Erkrankungen behinderter Arbeitnehmer, sondern bei allen Arbeitnehmern (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361) und unabhängig davon, ob im Beschäftigungsbetrieb ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 32; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28 ff., aaO). Zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines bEM gehört die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

26

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil die Durchführung angesichts der Weigerung des Klägers, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Erst wenn dem Arbeitnehmer ein bEM ordnungsgemäß nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX angeboten worden ist und er daraufhin seine Teilnahme bzw. Auskünfte zur Art der bestehenden Beeinträchtigungen verweigert, kann von der Aussichtslosigkeit des bEM ausgegangen und von seiner Durchführung abgesehen werden. Das Unterlassen des bEM ist dann „kündigungsneutral“ (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 24).

27

d) Da sie ein bEM pflichtwidrig unterlassen hat, trifft die Beklagte eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf denkbare, gegenüber dem Ausspruch einer Beendigungskündigung mildere Mittel. Dieser ist sie bislang nicht nachgekommen.

28

aa) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Das bEM ist auch nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Nur wenn auch die Durchführung des bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Fehlen unschädlich. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (zum Ganzen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 22 mwN; 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 40).

29

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Beklagte habe allein durch den Hinweis darauf, dem Kläger sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, ihrer Darlegungslast im Hinblick auf das Fehlen jeglicher leidensgerechter Beschäftigungsalternativen und damit auf die objektive Nutzlosigkeit eines bEM genügt.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung angeführt, die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setze voraus, dass der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht einmal für drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine Beschäftigung des Klägers sei damit nicht nur in seiner früheren Tätigkeit als Busfahrer, sondern auch auf anderen Arbeitsplätzen ausgeschlossen gewesen. Die Durchführung eines bEM habe in dieser Situation kein positives Ergebnis bringen können.

31

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

32

(a) Aus dem bisherigen Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ergibt sich zum einen nicht, ob ihr nicht auch eine Beschäftigung des Klägers von bis zu drei Arbeitsstunden täglich, entweder als Busfahrer oder auch mit veränderten Arbeitsaufgaben zumutbar gewesen wäre. Eine entsprechende Änderungskündigung wäre als milderes Mittel vorrangig gewesen. Zwar hat sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht konkret auf eine solche Beschäftigungsalternative berufen. Infolge des Unterlassens eines bEM hätte die Beklagte aber zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von sich aus vortragen müssen. Ist ein eigentlich erforderliches bEM unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Er hat von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommt (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19). Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besagt nur etwas über den zeitlichen Umfang der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Versicherten unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie schließt weder eine bis zu dreistündige tägliche Tätigkeit noch eine längere tägliche Beschäftigung zu vom Regelfall abweichenden, günstigeren Arbeitsbedingungen aus. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann überdies auch dann bewilligt werden, wenn dem Versicherten eine Teilzeitarbeit von bis zu sechs Stunden täglich möglich, der übliche Arbeitsmarkt für eine solche aber verschlossen ist (sog. „Arbeitsmarktrente“ - vgl. nur Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 27; BeckOK SozR/Kreikebohm/Jassat SGB VI Stand 1. März 2015 § 43 Rn. 38; KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 31). Unter Berücksichtigung der nach § 96a SGB VI - auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - in bestimmten Grenzen bestehenden Möglichkeit eines Hinzuverdienstes hat der Arbeitgeber selbst dann, wenn er dem Arbeitnehmer nur noch eine Tätigkeit in zeitlich geringem Umfang anbieten kann, keine Veranlassung anzunehmen, dem Arbeitnehmer sei eine solche Weiterbeschäftigung von vornherein unzumutbar. Im Übrigen muss es dem Arbeitnehmer überlassen bleiben zu entscheiden, ob er nicht auch dann die Chance auf eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung ergreifen will, wenn ein Hinzuverdienst den Rentenanspruch zu Fall brächte.

33

(b) Der Einwand der Beklagten, die geforderte Darlegung sei ihr unmöglich, solange der Kläger nicht näher zu den Krankheitsursachen vortrage, berücksichtigt nicht, dass sie sich darauf beschränkt hat, auf die dem Kläger bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu verweisen. Der Rentenbezug schließt - wie gezeigt - eine Arbeitstätigkeit des Klägers nicht unter allen Umständen aus. Es hätte ihr deshalb oblegen vorzutragen, dass ihr eine anderweitige - leidensgerechte - Beschäftigung des Klägers, ggf. auch in Teilzeit oder auch nur im Umfang von bis zu drei Stunden täglich aus betrieblichen Gründen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei. Erst daraufhin wäre es Sache des Klägers gewesen, unter Offenlegung der Art seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen näher darzulegen, weshalb dies unzutreffend und der Beklagten seine leidensgerechte Beschäftigung sehr wohl möglich und zumutbar gewesen sei.

34

(c) Die Beklagte hat zudem nur behauptet, es hätten keine anderen freien leidensgerechten Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Dies genügt nicht, um darzulegen, dass ein bEM keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit hätte aufzeigen können. Der Arbeitgeber ist gegenüber einem von einer krankheitsbedingten Kündigung bedrohten Arbeitnehmer verpflichtet, als mildere Maßnahme den Personaleinsatz umzuorganisieren, wenn er durch Ausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimachen kann (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Mit Hilfe eines bEM sollen mögliche mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Die Verpflichtung zur Umsetzung oder Versetzung anderer Arbeitnehmer ist jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn dies für den Arbeitgeber und die Betroffenen im Einzelfall nicht von vornherein unzumutbar ist. Aus dem Sachvortrag der Beklagten geht bislang nicht hervor, welche - auch mit anderen Arbeitnehmern besetzten - Arbeitsplätze im Betrieb tatsächlich vorhanden waren und weshalb diese - auch nach ggf. zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen - dem Kläger nicht zumindest in Teilzeit oder jedenfalls mit einer Arbeitszeit von bis zu drei Stunden täglich hätten angeboten werden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen wäre, dem Kläger eine solche Tätigkeit auf einem leidensgerechten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Beklagte hätte dem Kläger zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine nach zumutbarer Umorganisation bestehende Beschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen notfalls im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1001/12 - Rn. 12; 9. September 2010 - 2 AZR 937/08 - Rn. 39; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

35

II. Der Senat kann nicht selbst abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 27. Juli 2012 wirksam ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Der Beklagten wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zur Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen und zur objektiven Nutzlosigkeit eines bEM zu ergänzen. Hierauf hat der Kläger im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast ggf. zu erwidern. Die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Beklagte. Sollte sie sich zum Beweis entscheidungserheblicher Behauptungen auf ein medizinisches Sachverständigengutachten berufen, wird der Kläger ggf. mitzuwirken und den Gutachter und ggf. seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden haben.

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Brossardt    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.04.2016 - 2 Ca 5709/15 - abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.01.2016 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2015 nicht aufgelöst ist.

Die erstinstanzlichen Kosten hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Klägerin im Termin am 18.01.2016 entstandenen Kosten. Diese hat die Klägerin zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 14. November 2012 - 2 Sa 9/12 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22. November 2011 - 4 Ca 4214/10 - teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2010 nicht zum 30. September 2010 aufgelöst worden ist.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Stahlindustrie. Der 1959 geborene Kläger war seit Ende Juni 1989 bei ihr tätig. Im Juli 2008 wurde er als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass der Kläger in der Kaltwalzwerk-Adjustage als Packer, ggf. auch in anderen Betrieben/Abteilungen und mit anderen zumutbaren Arbeiten beschäftigt wird, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.

3

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Dillenburg, Niederschelden und Wissen vom 15. März 1989 (MTV) idF vom 20. Juni 2000 Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 17 

        

Einstellung, Kündigung

        

…       

        

6.2     

Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden.

        

…       

        
        

8.    

Im übrigen gelten für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Kündigungen bleiben unberührt.“

4

Der Kläger arbeitete bis Ende Oktober 1993 als Packer und Vorbereiter bei der Verpackung von Feinblech als Coils. Nach Vorlage eines ärztlichen Attests, dem zufolge er die Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfe, wurde er bis 2003 als sog. Haspelgrubenmann beschäftigt. Bei dieser Tätigkeit traten zunehmend krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Werksärztliche Überprüfungen ergaben, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers stetig verschlechterte - bedingt durch psychische und physische Belastungen. Sie mündeten in die Empfehlung, der Kläger solle keine Teile von mehr als zehn Kilo Gewicht heben und keine Hitzearbeit leisten.

5

Eine Einarbeitung des Klägers zum sog. Flämmereimann wurde auf seinen Wunsch hin im Mai 2004 abgebrochen. Im Juni 2004 wurde er in den Dienstleistungsbereich VDD1 - Industrieservice - versetzt, dem er bis zuletzt zugeordnet war. Dort beschäftigte, überwiegend in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkte Arbeitnehmer rotieren in leicht erlernbaren Aufgabenstellungen: Baustelleneinrichtung, Transporte/Umräumarbeiten/Fahrdienst, Gebäudereinigung/-renovierung, Sicherheitspersonal, Helfer, Kran- und Tankreinigung, Bodenversiegelung/-reinigung, Maurerarbeiten (leichte)/Stemmarbeiten und industrielle Reinigung.

6

Ein im Jahr 2004 unternommener Versuch der Beklagten, den Kläger zum Fahrer eines Flurförderfahrzeugs zu qualifizieren, schlug fehl, da er die Prüfung nicht bestand. Ab dem Jahr 2006 wurde ihm trotz diverser gesundheitlicher Einschränkungen eine Tätigkeit innerhalb der Gebäudereinigung zugewiesen, die er zunächst im Rahmen einer gestuften Wiedereingliederung ausführte. Der Kläger empfand die Arbeit als zu schwer. Der Einsatz wurde von seinem Vorgesetzten als „nicht erfolgreich“ bewertet.

7

In der Folgezeit unternahm die Beklagte zwei weitere Male - nach einer Reha-Maßnahme und im Anschluss an eine teilstationäre Therapie - erfolglos den Versuch, den Kläger wiedereinzugliedern, ua. mit dem Ziel, ihn erneut in der Coilverpackung einzusetzen. Aus einer weiteren Reha-Maßnahme, die er vom 25. August 2009 bis zum 6. Oktober 2009 durchführte, wurde der Kläger mit der Empfehlung eines Einsatzes in der „Eingliederungswerkstatt“ entlassen. Im ärztlichen Bericht vom 14. Oktober 2009 heißt es, der Kläger könne die ihm übertragene Tätigkeit als Industriereiniger nicht mehr ausüben, da ansonsten mit einer psychischen Dekompensation zu rechnen sei. Mittelschwere bis teilweise schwere Arbeiten seien vollschichtig mit folgenden Einschränkungen möglich: „Keine Tätigkeit mit besonderen Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, vor allem keine Personenbeförderung, keine Tätigkeiten mit erhöhter psychischer und Stressbelastung. Keine Nachtschichten. Keine Arbeiten mit besonderem Zeit- und Leistungsdruck (Akkord oder Fließband). Keine häufigen wechselnden Arbeitszeiten.“

8

Im Rahmen der nachfolgenden Wiedereingliederungsmaßnahme übertrug die Beklagte dem Kläger Reinigungsarbeiten. Mit der Begründung, die Tätigkeit tue ihm gesundheitlich nicht gut, bat dieser um Zuweisung einer anderen Aufgabe. Das lehnte die Beklagte - nach Einschaltung des Werksarztes - ebenso ab wie den Wunsch des Klägers nach einer erneuten gestuften Wiedereingliederung. Nach einer sich anschließenden, bis zum 6. Januar 2010 währenden Arbeitsunfähigkeit setzte sie den Kläger nicht mehr ein und leistete auch keine Vergütung mehr.

9

Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - mit Zustimmung des Integrationsamts sowie nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung - außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. September 2010.

10

Der Kläger hat mit seiner fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, die Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam. Er sei im Kündigungszeitpunkt arbeitsfähig gewesen. Im Übrigen sei eine außerordentliche Kündigung - auch eine solche mit Auslauffrist - wegen der im MTV vorgesehenen Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien unverhältnismäßig.

11

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2010 nicht aufgelöst worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Den Regelungen in § 17 Nr. 6.2 MTV sei nicht zu entnehmen, dass eine ordentliche Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorrangig sei. Ein wichtiger Grund liege vor. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Möglichkeit, ihn anderweitig zu beschäftigen, habe nicht bestanden. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement habe sie mehrfach durchgeführt. Bemühungen zur Wiedereingliederung des Klägers, um ihn leidensgerecht in der Gebäudereinigung zu beschäftigen, seien erfolglos geblieben. Andere geeignete Arbeitsplätze seien nicht vorhanden gewesen. Für die Jahre 2004 bis 2009 habe sie Entgeltfortzahlung in Höhe von knapp 27.000,00 Euro zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge geleistet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte dieses der Klage nicht stattgeben.

15

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts verletzt § 626 BGB, § 17 Nr. 6.2 MTV. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Februar 2010 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest.

16

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dem entspricht die Regelung in § 17 Nr. 6.2 MTV, soweit ihr zufolge Arbeitnehmern „nur noch aus in der Person oder im Verhalten … liegendem wichtigen Grund“ gekündigt werden darf. Verwendet ein Tarifvertrag den Ausdruck „wichtiger Grund“, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihn iSd. § 626 BGB verstanden wissen wollen(BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 29; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 a der Gründe). Der Umstand, dass gemäß § 17 Nr. 8 MTV das Recht zur fristlosen Kündigung „unberührt“ bleibt, steht dieser Bewertung nicht entgegen.

17

2. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Regelmäßig ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 26; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

18

3. Das Arbeitsverhältnis ist ein auf stetigen Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsverhältnis (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - BAGE 136, 213). Ist der Leistungsaustausch auf Dauer umfassend gestört, weil der Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung auf unabsehbare Zeit keine Arbeitsleistung mehr erbringen wird, kann eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein. Deren Unwirksamkeit kann sich dann in der Regel nur noch aus der Abwägung der wechselseitigen Interessen ergeben (vgl. BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 c der Gründe, BAGE 101, 39).

19

4. Danach hält die angefochtene Entscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist sei schon deshalb unwirksam, weil der Beklagten als „milderes Mittel“ die ordentliche Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Verfügung gestanden habe.

20

a) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht schon deshalb fehl, weil § 17 Nr. 6.2 MTV bei Vorliegen seiner Voraussetzungen eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers ausnahmslos ausschließt. Die Bestimmung lässt darauf gestützte Kündigungen nur aus „wichtigem Grund“ zu. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ besteht nur, wenn dringende betriebliche Erfordernisse den Kündigungsgrund bilden. Das ergibt die Auslegung. Wegen des normativen Charakters von Tarifregelungen folgt diese den für Regelungen von Gesetzen geltenden Grundsätzen (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - Rn. 29 mwN).

21

aa) Bereits der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang der Bestimmung sprechen dafür, dass die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien nur bei betrieblichen Gründen - in spezifischen Fällen - eröffnet bleibt.

22

(1) Die Tarifvertragsparteien schränken in § 17 Nr. 6.2 MTV das Kündigungsrecht des Arbeitgebers ein. Sie benennen im Rahmen dreier Tatbestände die Voraussetzungen, unter denen die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern im Alter von mindestens 50 Jahren und mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren gekündigt werden können. Zulässig sind Kündigungen „aus in der Person oder im Verhalten … liegendem wichtigen Grund“. Um dieser Anforderung zu genügen, muss der zugrunde liegende Sachverhalt dem Erheblichkeitsgrad des § 626 Abs. 1 BGB genügen. Die beiden nachfolgend aufgeführten Tatbestände „bei Vorliegen eines Sozialplans“ und „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ stellen keine besonderen Anforderungen an das Gewicht des Kündigungsgrundes. In beiden Fällen soll die ordentliche Kündigung (weiterhin) möglich sein. „Unberührt“ von diesen Regelungen bleibt, wie sich aus § 17 Nr. 8 MTV ergibt, das Recht zur fristlosen Kündigung.

23

(2) Dadurch kommt zweierlei zum Ausdruck. Zum einen wird - durch die Worte „nur noch“ - das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen, soweit es nicht ausdrücklich für bestimmte Sachverhalte eröffnet ist. Zum anderen sind Kündigungen aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers insoweit einem besonderen Regime unterworfen, als das Arbeitsverhältnis in diesen Fällen nur „aus wichtigem Grund“ gekündigt werden kann. Dies legt sprachlich-syntaktisch die Annahme nahe, dass sich die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung auf betriebliche Gründe beschränkt. Das wird systematisch insoweit unterstützt, als die Kündigung „bei Vorliegen eines Sozialplans“ einen betrieblichen Anlass voraussetzt. Ein Sozialplan dient nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern infolge einer geplantenBetriebsänderung entstehen.

24

bb) Zwar nimmt die in der Bestimmung vorgesehene Möglichkeit der ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ nicht in gleicher Weise auf betriebliche Gründe Bezug. Es ist deshalb sprachlich nicht völlig ausgeschlossen, sie in diesem Fall auch auf Gründe in der Person und im Verhalten des Arbeitnehmers zu beziehen. Sinn und Zweck der Tarifregelung sprechen aber gegen ein solches Verständnis.

25

(1) Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ wurde im Jahr 1995 vor dem Hintergrund sozialversicherungsrechtlicher Regelungen zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Entlassungsentschädigung (jetzt § 158 SGB III, vormals § 143a SGB III aF und davor § 117 AFG)in den Tarifvertrag eingefügt. Nach den einschlägigen Vorschriften des SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitnehmer ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und ihm wegen der Beendigung eine Abfindung gezahlt wird, bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine (fiktive) verlängerte Kündigungsfrist von 18 Monaten. In Fällen, in denen dem Arbeitnehmer - etwa aufgrund eines Tarifvertrags - ausschließlich bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden kann, ruht der Anspruch bis zum Ablauf einer (fiktiven) Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 158 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB III, § 143a Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB III aF und davor § 117 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 AFG). Dies gilt auch für den Fall, dass aus Anlass einer Betriebsänderung eine Abfindung aus einem Sozialplan gezahlt wird (bspw. BSG 24. Mai 2006 - B 11a AL 21/05 R - Rn. 14; zum Ganzen auch ErfK/Rolfs 14. Aufl. § 158 SGB III Rn. 24 ff.). Die fiktive Kündigungsfrist greift nur dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber - die ordentliche (tarifliche) Kündigungsmöglichkeit bei Entlassungsentschädigung hinweggedacht - zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist berechtigt gewesen wäre, weil mangels anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit eine Lohnfortzahlung über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers geworden wäre. In solchen Fällen ist entsprechend § 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III(§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III aF und davor § 117 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 AFG)die Kündigungsfrist zugrunde zu legen, die gegolten hätte, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen gewesen wäre (BSG 29. Januar 2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250).

26

(2) Diesen sozialrechtlichen Folgen trägt die „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ eröffnete Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung Rechnung. Sie ist dem erkennbaren Bemühen der Tarifvertragsparteien geschuldet, ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Gewährung einer Entlassungsentschädigung zu vermeiden (zu einer ähnlichen Tarifregelung vgl. Weiss Kommentar zum EMTV 5. Aufl. § 20 Anm. 13). Bis zu ihrer Einführung ließ § 17 Nr. 6.2 MTV die Kündigung lediglich „aus einem in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Grund“ oder „bei Vorliegen eines Sozialplans“ zu. Die zusätzlich eröffnete Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung zielt ersichtlich darauf, den sich aus § 158 Abs. 1 Satz 4 SGB III bzw. den entsprechenden Vorläuferregelungen ergebenden Folgen bei Entlassungsentschädigungen auf der Grundlage eines Sozialplans auszuschließen. Dagegen fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten „bei ihrer Zustimmung“ nunmehr eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auch als ordentliche zulassen wollen. Es erschiene einigermaßen sachfremd, die Antwort auf die Frage, ob der Arbeitgeber im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Nr. 6.2 MTV mit Blick auf Gründe in der Person oder im Verhalten des betreffenden Arbeitnehmers eine ordentliche - und nicht mehr nur aus wichtigem Grund eine außerordentliche - Kündigung soll aussprechen können, den Tarifvertragsparteien zu übertragen. In deren originäre Kompetenz fällt die Beurteilung wirtschaftlicher Parameter und der ökonomischen Lage einer bestimmten Branche oder auch eines einzelnen Arbeitgebers. Dagegen ist ihre Kompetenz zur Beurteilung der Eignung eines bestimmten einzelnen Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung auch künftig zu erbringen, oder zur Beurteilung der Schwere der Pflichtwidrigkeit eines bestimmten individuellen Verhaltens und seiner Zumutbarkeit für den Arbeitgeber nicht ausgewiesen. Es wäre angesichts dessen gänzlich ungewöhnlich, dass Tarifvertragsparteien eine Regelung hätten beschließen wollen, der zufolge ab einem bestimmten Lebensalter und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit eine Kündigung aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers zu dessen Schutz „eigentlich“ nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund, bei ihrer beider Zustimmung aber im Einzelfall weiterhin auch als ordentliche möglich sein soll. Wird ferner berücksichtigt, dass auch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund jedenfalls bei Gründen in der Person des Arbeitnehmers regelmäßig nur mit einer Auslauffrist erklärt werden kann, ergäbe sich daraus für keine Partei des Arbeitsvertrags ein Vorteil. Sinn und Zweck der Möglichkeit ordentlicher Kündigungen „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ verbieten deshalb die Annahme, mit eben dieser Zustimmung sei auch eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung eines langbeschäftigten älteren Arbeitnehmers weiterhin als ordentliche möglich.

27

b) Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, der Tarifvertrag lasse die Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ auch aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers zu. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, eine solche Kündigung sei gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorrangig.

28

aa) Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt in Betracht, wenn der wichtige Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB darin liegt, dass der Arbeitgeber wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung andernfalls gezwungen wäre, für Jahre an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis festzuhalten(vgl. zuletzt BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 28; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 16). Ist das Arbeitsverhältnis noch ordentlich kündbar, scheidet eine außerordentliche Kündigung - auch eine solche mit Auslauffrist - von vornherein aus.

29

bb) Eine ordentliche Kündbarkeit in diesem Sinne ist nicht schon dann gegeben, wenn eine tarifvertragliche Regelung, die - wie § 17 Nr. 6.2 MTV - das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung grundsätzlich ausschließt, im Einzelfall die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ ausnahmsweise doch ordentlich zu kündigen. Die hypothetische Möglichkeit einer solchen Zustimmung hebt den Sonderkündigungsschutz nicht auf. Es verbleibt, solange die Zustimmung nicht vorliegt, beim Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Tarifregelung selbst einen solchen Vorrang nicht begründet. Davon ist hier auszugehen.

30

(1) Die dem Arbeitgeber gemäß § 17 Nr. 6.2 MTV verbliebenen Kündigungsmöglichkeiten stehen eigenständig nebeneinander. Das bringt ihre Verknüpfung durch die Konjunktion „oder“ zum Ausdruck. Die Tarifregelung bietet ihrem Wortlaut nach keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ Vorrang vor einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist zukommen soll.

31

(2) Ein solches Rangverhältnis lässt sich ebenso wenig dem Zweck der zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit entnehmen. Dieser besteht nicht darin, praktisch vorrangige ordentliche Kündigungen gegenüber den besonders geschützten älteren Arbeitnehmern zu ermöglichen. Die Regelung verfolgt - wie dargelegt - das Ziel, im Rahmen des rechtlich Zulässigen durch eine vorherige Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes Nachteile zu vermeiden, die bei (fort-)bestehendem Schutz etwa dann entstehen können, wenn für den Arbeitnehmer aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Entlassungsentschädigung begründet wird. Solche Nachteile stehen nicht zu erwarten, wenn die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus Gründen in der Person oder dem Verhalten vorliegen.

32

cc) Der Arbeitgeber, der bei Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis außerordentlich - mit oder ohne Auslauffrist - kündigen will, muss auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zuvor erfolglos versucht haben, die Zustimmung der Tarifvertragsparteien einzuholen und damit eine (Wieder-)Eröffnung der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung zu erreichen. Zwar ist auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist iSv. § 626 Abs. 1 BGB nur wirksam, wenn dem Arbeitgeber sämtliche „milderen“ Reaktionsmöglichkeiten verschlossen oder unzumutbar sind(BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 41). Die ordentliche Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ ist aber in ihrer Ausgestaltung durch § 17 Nr. 6.2 MTV kein gleich wirksames Gestaltungsmittel wie die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist. Die Tarifbestimmung legt für die Zustimmung keine abstrakten Maßstäbe fest. Sie sieht auch keinen zeitlichen Rahmen vor, innerhalb dessen die Tarifvertragsparteien über ein an sie herangetragenes Gesuch zu befinden hätten. Schon deshalb kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, trotz Vorliegen eines wichtigen Grundes von seinem Kündigungsrecht bis zu einer Bescheidung durch die Tarifvertragsparteien keinen Gebrauch zu machen.

33

II. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann nicht selbst beurteilen, ob die Kündigung vom 10. Februar 2010 in Anbetracht des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung auf einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, § 17 Nr. 6.2 MTV beruht. Auf einen anderen Unwirksamkeitsgrund iSv. § 13 Abs. 3 KSchG hat sich der Kläger nicht berufen.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob im Kündigungszeitpunkt von einer dauernden Unfähigkeit des Klägers auszugehen war, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ebenso wenig hat es geprüft, ob die Möglichkeit eines Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz gegeben war. Es hat hierzu keine, zumindest keine eindeutigen Feststellungen getroffen, und es hat die erstinstanzlich erhobenen Beweise nicht umfassend gewürdigt. Das wird es im Rahmen der neuen Verhandlung nachzuholen haben.

35

a) Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nach § 615 BGB Vergütung aus Annahmeverzug für Zeiten während der durch die Kündigung vom 10. Februar 2010 bestimmten Kündigungsfrist zuerkannt. Das Berufungsurteil ist insoweit rechtskräftig geworden. Soweit das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang konkrete Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Klägers getroffen hat, beziehen diese sich auf den 7. Januar 2010. Im Übrigen hat es angenommen, die Beklagte habe hinsichtlich einer den Verzugslohnanspruch beendenden Arbeitsunfähigkeit keinen hinreichenden Vortrag gehalten.

36

b) Diese Würdigung bietet dem Senat keine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Sie bezieht sich nicht auf die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Darauf aber kommt es für die Entscheidung über den Feststellungsantrag an. Das betreffende Vorbringen der Beklagten ist auch nicht offensichtlich unschlüssig.

37

aa) Der Kläger war spätestens seit dem Jahr 2006 aufgrund verschiedener Krankheitsursachen in seiner Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Insbesondere psychische Erkrankungen waren - bis zuletzt - nicht ausgeheilt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, der Kläger befinde sich „in einem Grenzbereich zwischen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsfähigkeit“. Die Vielzahl der Reha-Maßnahmen, ambulanten wie auch stationären Behandlungen und Wiedereingliederungen deuten zudem an, dass der Kläger vor Zugang der Kündigung nicht in der Lage war, eine vollwertige Arbeitsleistung zu erbringen, und sei es auch in der sog. Eingliederungswerkstatt.

38

bb) Das erstinstanzlich eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten kommt zu dem Ergebnis, der Kläger sei im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dauerhaft nicht in der Lage gewesen, seine vertraglich geschuldeten Pflichten zu erbringen. Es bestätigt insoweit den Befund im ärztlichen Entlassungsbericht vom 14. Oktober 2009. Ein im Anschluss an die betreffende Reha-Maßnahme unternommener Arbeitsversuch wurde vom Kläger nach kurzer Zeit abgebrochen. Unter diesen Umständen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass im Kündigungszeitpunkt - trotz eines vorhandenen „Restleistungsvermögens“ - von einer dauerhaften krankheitsbedingten Unfähigkeit des Klägers auszugehen war, die vertraglich geschuldete oder eine infrage kommende andere Tätigkeit sachgerecht auszuführen. Dabei kann auch die Entwicklung nach Zugang der Kündigung - nach Behauptung der Beklagten eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit und die Durchführung weiterer Reha-Maßnahmen - in den Blick zu nehmen sein, soweit sich darin die Prognose der Beklagten bestätigt haben sollte (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe).

39

cc) Sollte es dem Landesarbeitsgericht auf das Sachverständigengutachten ankommen, wird es dieses in seinen Grundlagen (Befund- und Zusatztatsachen) und in seinen Schlussfolgerungen in einer für die Verfahrensbeteiligten nachvollziehbaren Weise auf seine Richtigkeit zu überprüfen haben. Soweit es - wie bei seiner Entscheidung über den Zahlungsantrag - zu dem Ergebnis gelangen sollte, die Sachverständige habe Befunde, die der werksärztliche Dienst gestellt habe, keiner „hinreichend kritischen Analyse“ unterzogen, wird es erwägen müssen, ob Anlass besteht, auf ein Ergänzungsgutachten hinzuwirken oder das Erscheinen der Sachverständigen zum Verhandlungstermin zwecks Erläuterung des Gutachtens anzuordnen (vgl. Musielak ZPO/Huber 11. Aufl. § 411 Rn. 7 mwN).

40

2. Das Landesarbeitsgericht wird außerdem zu berücksichtigen haben, dass nicht nur die dauerhafte Leistungsunfähigkeit ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Auch häufige kürzere Erkrankungen können dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks praktisch nichts mehr beiträgt. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen sinnentleerten Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 28; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass es der Beklagten aufgrund der zuletzt deutlich angewachsenen Fehlzeiten des Klägers in Verbindung mit einer stetigen Verschlechterung seines Gesundheitszustands, der Vielzahl ergebnislos verlaufener Wiedereingliederungsversuche und weiterer vom Kläger abgelehnter Tätigkeiten nach einem strengen Prüfungsmaßstab unzumutbar war, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Soweit sich die Beklagte selbst (nur) auf den Kündigungsgrund einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit berufen hat, ist diese Einschätzung für die gerichtliche Bewertung unbeachtlich.

41

3. Die Beklagte hat in der Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen, den Kläger mit unterschiedlichen Aufgaben zu beschäftigen. Sie hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt, ohne dass der Kläger diesbezüglich Rügen erhoben hätte. Allerdings ist es im Rahmen der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, von vornherein darzulegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um den Arbeitnehmer im Arbeitsprozess zu halten. Er muss dies nicht erst dann tun, wenn der Arbeitnehmer geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat (vgl. BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 46, BAGE 132, 299). Soweit es noch darauf ankommen sollte, wird das Landesarbeitsgericht diese Prüfung, ebenso wie eine abschließende Interessenabwägung, nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Wolf    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 27. November 2012, Az.: 4 Ca 428/12, abgeändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zweitinstanzlich über die Wirksamkeit von zwei fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 21.07.2012 und vom 28.07.2012.

2

Der 1962 geborene Kläger ist US-amerikanischer Staatsbürger. Er wurde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (Fa. I.) am 11.12.2006 als Radartechniker eingestellt. Am 01.10.2007 erfolgte seine Beförderung zum leitenden Radartechniker; sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 5.760,00. Am 01.04.2011 ging das Arbeitsverhältnis im Wege eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Mit Schreiben vom 06.07.2011 wies die Beklagte dem Kläger die Betreuung eines besonderen Projekts zu. Ob der Kläger (zunächst) damit einverstanden war, ist streitig. Mit Anwaltsschreiben vom 16.04.2012 verlangte er seine vertragsgemäße Beschäftigung. Nach außergerichtlichem Schriftwechsel beschäftigt ihn die Beklagte seit 01.06.2012 wieder in der Position des leitenden Radartechnikers. In der Zwischenzeit hatte der Techniker R. W. diese Aufgabe wahrgenommen.

3

Die Beklagte ist ein international tätiges Serviceunternehmen mit Sitz in den USA, das technische Dienste anbietet. In der Westpfalz stellt sie in Umsetzung von US-Regierungsaufträgen auf einer Militärbasis die technischen Rahmenbedingungen (Polygone-Radarstationen) für Luftkampfübungen zur Verfügung. Die Beklagte ist gegenüber dem US-Militär vertraglich verpflichtet, sämtliche Anlagen 24 Stunden am Tag - mit Ausnahme von Wochenenden und Feiertagen - einsatzbereit zu halten. Die Anlagen müssen in den Sommermonaten von 09:00 bis 17:00 Uhr und in den Wintermonaten von 09:00 bis 21:30 Uhr betrieben werden. An Freitagen werden die Anlagen in der Regel von 09:00 bis 12:00 Uhr betrieben. Außerhalb dieser Zeiten müssen der Ein- und Abschaltvorgang sowie jegliche Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten durchgeführt werden.

4

Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in P. 20 Arbeitnehmer; der Betriebsrat besteht aus einer Person. Die Radartechniker sind in zwei Schichten eingeteilt: die Tagschicht von 07:30 bis 16:00 Uhr, die Spätschicht von 13:00 bis 21:00 Uhr. Dem Kläger waren seit 01.06.2012 sieben Radartechniker unterstellt, darunter: C. M., T. C., V. F., R. W., D. J. und G. S.. Vorgesetzter des Klägers war der Betriebsleiter („Site Manager“) T. E., der mittlerweile in die USA zurückkehrt ist. Seit 01.08.2012 ist der Techniker R. W. neuer Betriebsleiter („Deputy Program Manager“).

5

Der Kläger hat am 05.07.2012 die ihm unterstellten Techniker J. und S., deren Schicht von 13:00 bis 21:00 Uhr dauerte, früher nach Hause entlassen, weil sie infolge eines Stromausfalls während eines Gewitters seiner Ansicht nach nicht mehr arbeiten konnten. Dies teilte er am Folgetag seinem damaligen Vorgesetzten T. E. mit. Die zwei Arbeitnehmer hatten auf ihren Zeiterfassungskarten für den 05.07.2012 („Time Cards“, Bl. 84-85), die der Kläger als deren Vorgesetzter geprüft und gegengezeichnet hat, einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden aufgeschrieben, obwohl sie fast 3 Stunden vor dem Ende ihrer Arbeitszeit nach Hause gegangen sind. Im Sicherheitsprotokoll („Activity Security Checklist“, Bl. 86 d.A.) ist als Gehenszeit 18:15 Uhr eingetragen worden.

6

Nach Befragung der beiden Techniker J. und S. und Anhörung des Betriebsrats erklärte die Beklagte am 21.07.2012 die erste fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, hilfsweise kündigte sie fristgerecht zum 30.09.2012.

7

Im Zuge der Aufklärung des Kündigungssachverhalts führte der Vorgesetzte des Klägers, T. E., mit sechs der sieben Techniker, die dem Kläger unterstellt waren, Gespräche. Diese berichteten ihm von einem Bereitschaftsschichtmodell („standby-shift“), das Mitte Juni 2012 in einem Meeting entwickelt worden sei. Der Kläger habe ihnen gestattet, den Arbeitsplatz früher zu verlassen, ohne die festgelegte Arbeitszeit zu erfüllen. Er habe sie angewiesen, sich auf telefonischen Abruf bereit zu halten, um erforderlichenfalls zum Arbeitsplatz zurückzukehren. Nach erneuter Anhörung des Betriebsrats (Bl. 44 d.A.) erklärte die Beklagte am 28.07.2012 eine zweite fristlose Kündigung, hilfsweise fristgerecht zum 30.09.2012.

8

Gegen beide Kündigungen wehrt sich der Kläger mit seiner am 25.07.2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen und am 03.08.2012 erweiterten Klage. Den erstinstanzlich gestellten Weiterbeschäftigungsantrag, dem das Arbeitsgericht stattgegeben hatte, hat er mit Einwilligung der Beklagten in der Berufungsverhandlung zurückgenommen. Die weiteren fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigungen der Beklagten vom 15.01.2013 (wg. Zutrittsverbots auf dem Betriebsgelände durch die US-Regierung) und vom 20.02.2013 (wg. Entzugs der „Security Clearance“) sind Streitgegenstand eines Folgeprozesses vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 4 Ca 42/13).

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Sachanträge wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 27.11.2012 (dort Seite 2 bis 7) Bezug genommen.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage gegen die Kündigungen vom 21.07.2012 und 28.07.2012 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, beide Kündigungen seien iSd. § 626 Abs. 1 BGB rechtsunwirksam. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hätte der Ausspruch einer Abmahnung genügt. Es sei zu erwarten gewesen, dass sich der Kläger nach einer ausdrücklichen Klarstellung zur Handhabung der Arbeits- und Bereitschaftszeiten und nach Ausspruch einer Abmahnung in Zukunft vertragsgemäß verhalten hätte. Auch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen seien mangels vorheriger Abmahnung sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 7 bis 9 des erstinstanzlichen Urteils vom 27.11.2012 Bezug genommen.

11

Das Urteil ist der Beklagten am 21.12.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 03.01.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 21.03.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 21.03.2013 eingegangenem Schriftsatz begründet.

12

Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe der Kündigungsschutzklage zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger habe den ihm unterstellten Technikern in einem Meeting im Juni 2012 angekündigt, sie in Zukunft häufiger vor Ende der Schicht zu entlassen. Er habe sie dahin instruiert, dass sie in einem solchen Fall erreichbar sein und sofort zum Arbeitsplatz zurückkehren müssten, wenn er sie anriefe. Wenn ihre Abwesenheit auffiele, sollten die Arbeitnehmer angeben, auf einem anderen Betriebsgelände (sog. „site“) tätig gewesen zu sein. Auf Nachfrage des Technikers M. habe der Kläger erklärt, dass auch an den Tagen, an denen sie infolge vorzeitiger Entlassung weniger arbeiteten, gleichwohl 8 Stunden als Arbeitszeit zu erfassen seien. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass er hierzu nicht befugt gewesen sei. Bei Übernahme der Funktion als leitender Radartechniker habe ihn sein damaliger Vorgesetzter T. E. darauf hingewiesen, dass er die ihm unterstellten Techniker ausschließlich an Freitagen, und auch dann nur mit seiner Zustimmung, früher entlassen dürfe. In den auf das Meeting folgenden Wochen habe der Kläger die Techniker beinahe täglich vor Ende der Arbeitsschicht entlassen. Kein Techniker sei jemals zurückgerufen worden. Das System sei erst im Juli 2012 aufgefallen, nachdem der Kläger am 05.07.2012 zwei Arbeitnehmer nach einem Stromausfall früher entlassen habe. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 21.03.2013 und vom 17.05.2013 Bezug genommen.

13

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

14

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 27.11.2012, Az.: 4 Ca 428/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,

16

die Berufung zurückzuweisen.

17

Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 29.04.2013, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die Beklagte räume selbst ein, dass R. W., in der Zeit, als er die Leitungsfunktion ausgeübt habe, die ihm unterstellten Radartechniker, insbesondere an Freitagen, wenn keine Einsätze mehr mangels Durchführung von Übungsflügen zu erwarten gewesen seien, vor dem offiziellen Feierabend nach Hause geschickt habe. Nachdem er ab dem 01.06.2012 die Leitungsaufgabe wieder übernommen habe, sei ihm von den ihm unterstellten Radartechnikern - zu denen R. W. gehörte - ein Standby-Modell vorgeschlagen worden. Nach diesem Modell sei es so gewesen, dass die Techniker, wenn laut - täglich vorgelegtem - Flugplan der US-Air Force keine Flugübungen mehr stattgefunden hätten und auch keine sonstigen Wartungs- und Reparaturarbeiten zu erledigen gewesen seien, ca. 1 bis 2 Stunden vor dem offiziellen Arbeitsende die Kaserne verlassen konnten. Die Techniker hätten sich jedoch in Bereitschaft befunden, um beim Auftreten einer Störung auf telefonischen Abruf zu erscheinen. Es sei keinesfalls so gewesen, dass er den Mitarbeitern gestattet hätte, bereits Feierabend zu machen. Sie hätten sich in jedem Fall bis zum offiziellen Arbeitsende in Bereitschaft halten müssen, um im Störfall einsatzfähig zu sein.

18

Die Techniker hätten in dem Meeting darauf hingewiesen, dass sie bereits in den Wochen und Monaten zuvor - unter der Leitung von R. W. - ebenfalls an bestimmten Tagen vor dem Arbeitszeitende nach Hause hätten gehen dürfen, sich aber noch in Bereitschaft hätten halten müssen. Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er das Modell nicht entwickelt und seinen Mitarbeitern vorgeschlagen. Es sei auch falsch, dass er die Mitarbeiter angewiesen habe, auf dem Arbeitszeitnachweis 8 Stunden einzutragen, wenn sie das Gelände bereits vorzeitig verlassen konnten. Die Mitarbeiter hätten dies - wie in den Monaten zuvor - so gehandhabt, weil sie sich ja bis zum offiziellen Arbeitsende in Bereitschaft befunden hätten.

19

Die Beklagte räume zumindest jetzt ein, dass eine solche Handhabung unter der Leitung von R. W. seit Januar 2012 ebenfalls bereits existiert habe. Die Abweichungen beliefen sich teilweise auf mehrere Stunden. Die sog. Activity Checklist dokumentiere lediglich, wenn ein Gebäude abgeschlossen werde; die Checklist sage jedoch nichts darüber aus, wann ein Mitarbeiter die H.-Kaserne verlassen haben, geschweige denn, ob er noch zu einem Einsatz nach O. oder B. gefahren sei.

20

Entgegen der Behauptung der Beklagten habe er die Einführung und auch die Durchführung dieses Standby-Modells zuvor mit dem damaligen Betriebsleiter T. E. besprochen. T. E. habe diesem Modell ausdrücklich zugestimmt.

21

Er habe auch für den 05.07.2012 gegenüber der Beklagten keine falschen Angaben zu den Zeiten gemacht, an denen er die beiden Radartechniker wegen des Gewitters nach Hause geschickt habe. Wegen des Stromausfalls infolge des Gewitters habe der Konverter nicht in Betrieb genommen, so dass die Radaranlage nicht habe weiter betrieben werden können. Nur deshalb habe er die beiden Techniker vor dem offiziellen Arbeitsende nach Hause geschickt.

22

Die Behauptung der Beklagten, er habe ihr einen finanziellen Schaden zugefügt, sei nicht nachvollziehbar. Es mache keinen Unterschied, ob sich der Techniker auf dem Kasernengelände oder zu Hause bereithalte, um eine evtl. auftretende Störung zu beseitigen. Die Radartechniker erhielten ohnehin ein festes Gehalt.

23

Das Arbeitsgericht habe zutreffend erkannt, dass der Ausspruch einer Abmahnung genügt hätte. Darüber hinaus sei auch der Vorrang der Änderungskündigung zu berücksichtigen. Als milderes Mittel hätte man ihm auch die Leitungsposition entziehen und ihn als Radartechniker weiterbeschäftigen können.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

25

Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

II.

26

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.07.2012 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist deshalb abzuändern und die Klage abzuweisen.

27

1. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts liegt ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB für die außerordentliche Kündigung vom 21.07.2012 vor. Der Beklagten war die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2012 nicht zuzumuten.

28

a) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, „an sich“ geeignet ist, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für einen vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar (BAG 09.06.2011 - 2 AZR 381/10 - Rn. 14 mwN, NZA 2011, 1027; LAG Rheinland-Pfalz 15.11.2012 - 10 Sa 270/12 - Rn. 22, Juris). Nicht anders zu bewerten ist es, wenn ein Vorgesetzter, der arbeitsvertraglich verpflichtet ist, die geleistete Arbeitszeit der ihm unterstellten Mitarbeiter zu kontrollieren und auf deren Zeiterfassungskarten („Time Cards“) mit seiner Unterschrift zu bestätigen, dass die Selbstaufzeichnungen zutreffen, vorsätzlich falsche Angaben macht. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine ihm gegenüber dem Arbeitgeber bestehende Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB).

29

b) Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Kläger am 05.07.2012, die ihm unterstellten Radartechniker D. J. und G. S., deren Schicht von 13:00 bis 21:00 Uhr dauerte, mindestens 2 Stunden vor ihrem Arbeitsende nach Hause entlassen hat. Ob er sie bereits um 18:15 Uhr - und damit 2,75 Stunden früher - entlassen hat, wofür die Eintragung im Sicherheitsprotokoll („Activity Security Checklist“) vom 05.07.2012 spricht, kann dahinstehen. Entscheidend ist, dass der Kläger als Vorgesetzter der beiden Techniker auf deren Zeiterfassungskarten („Time Cards“) mit seiner Unterschrift einen vollen Arbeitstag von 8 Stunden bestätigt hat, obwohl die Arbeitnehmer mindestens 2 Stunden weniger gearbeitet haben. Die Bestätigung ist vorsätzlich fehlerhaft, denn der Kläger wusste, dass er den zwei Technikern gestattet hatte, den Arbeitsplatz früher zu verlassen.

30

c) Die Gründe, die der Kläger zu seiner Rechtfertigung vorbringt, sind nicht geeignet, sein Verhalten - nämlich die Falschangabe der geleisteten Arbeitszeit der ihm unterstellten Mitarbeiter - zu entschuldigen.

31

Dabei kann dahinstehen, wie lange der Stromausfall andauerte, der durch das Gewitter am 05.07.2012 verursacht worden ist. Der Kläger war nicht befugt, die ihm unterstellten Techniker mindestens 2 Stunden vor Schichtende nach Hause zu schicken und ihnen gleichwohl eine Arbeitszeit von 8 Stunden zu bescheinigen. Selbst wenn er sich wegen des Stromausfalls für berechtigt gehalten haben sollte, die Techniker ohne Rücksprache mit seinem Vorgesetzten T. E. zu entlassen, weil nach seiner Einschätzung der Konverter bis zum Schichtende um 21:00 Uhr zur Vermeidung von Schäden an den Radaranlagen nicht mehr hätte eingeschaltet werden dürfen, hätte er jedenfalls auf den Zeiterfassungskarten dokumentieren müssen, dass die zwei Techniker vorzeitig gegangen sind. Er war nicht befugt, einen 8-stündigen Arbeitstag auf den „Time Cards“ zu bestätigen, obwohl dies nicht der Wahrheit entsprach.

32

Ob die zwei Radartechniker Vergütung für die Zeit beanspruchen konnten, in der sie sich nicht mehr auf dem Militärgelände aufhielten, hatte nicht der Kläger zu entscheiden. Er hatte als Vorgesetzter die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten wahrheitsgemäß zu dokumentieren. Es entlastet den Kläger nicht, dass die Techniker für die wegen des Stromausfalls nicht geleistete Arbeit uU. Vergütung nach den Grundsätzen des Annahmeverzugs beanspruchen können, weil die Beklagte das Betriebsrisiko iSv. § 615 Satz 3 BGB zu tragen hat. Der Kläger hat durch die falsche Dokumentation der Arbeitsstunden verhindert, dass die Beklagte in Kenntnis der tatsächlichen Umstände die Anspruchsvoraussetzungen prüft.

33

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der jetzige neue Betriebsleiter („Deputy Program Manager“) R. W. vor dem 01.06.2012 wie er verfahren sei, vermag ihn dies nicht zu entlasten. Die Beklagte hat entgegnet, dass diese Behauptung nicht zutreffend sei. Sie hat im Einzelnen vorgetragen, dass R. W. ausschließlich an Freitagen - und dann nur nach vorheriger Rücksprache und mit Zustimmung des Vorgesetzten T. E. - Techniker hin und wieder früher entlassen habe. In den Monaten vor der Wiedereinsetzung des Klägers in seine Funktion als leitender Radartechniker (ab 01.06.2012) hätten die Techniker das Betriebsgelände von montags bis donnerstags niemals vor Schichtende verlassen. Dies sei durch die Zeitangaben in den Sicherheitsprotokollen („Activity Security Checklists“) von Januar bis Mai 2012 (Bl. 185-189 d.A.) dokumentiert. Dabei habe die Spätschicht von Januar bis Mai 2012 montags bis donnerstags nicht nur bis 21:00 Uhr, sondern bis 23:00 Uhr gedauert. Diesen substantiierten Ausführungen der Beklagten ist der Kläger nicht entgegengetreten.

34

Die Ansicht des Klägers, die Beklagte habe eingeräumt, dass R. W. seit Januar 2012 die Mitarbeiter - teilweise mehrere Stunden - vor ihrem Arbeitszeitende nach Hause geschickt habe, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat das Gegenteil vorgetragen. Sie hat ausgeführt, dass die Abweichungen zwischen Schichtende laut Sicherheitsprotokollen („Activity Security Checklists“) und tatsächlichem Arbeitsende teilweise mehrere Stunden betragen hätten, während der Kläger leitender Radartechniker gewesen sei.

35

Anders als vom Kläger behauptet, macht es einen Unterschied, ob sich der Radartechniker während seiner Arbeitszeit auf dem Kasernengelände oder zu Hause aufhält. Das Performance Work Statement (PWS) zu dem Polygone-Vertrag zwischen der Beklagten und der US-Regierung vom 30.09.2010 sieht vor, dass sich die Arbeitnehmer der Beklagten auf dem Betriebsgelände aufzuhalten haben. Nach Ziff. 2.8.4 PWS ist die Beklagte dazu verpflichtet, auch dann, wenn keine militärischen Übungen planmäßig angesetzt sind, erreichbar zu sein, um ggf. stattfindende Einsätze zu unterstützen. Ausweislich Ziffer 3.3.1. PWS muss die Beklagte ferner gewährleisten, dass ihre Techniker erreichbar sind, um innerhalb von 30 Minuten nach der Meldung auf einen technischen Ausfall reagieren zu können. In Ziffer 3.3.2. ist geregelt, dass die Beklagte planmäßige Wartungen außerhalb der Zeiten, zu denen die Anlagen für Flugübungen betriebsbereit sein müssen, durchzuführen hat. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass ihm das PWS bekannt war. Es ist dem Kläger daher vorwerfbar, dass er die ihm unterstellten Techniker vor ihrem Arbeitsende nach Hause entlassen hat. Es war für ihn ohne weiteres erkennbar, dass es nicht im Interesse der Beklagten liegen kann, wenn der leitende Radartechniker ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der US-Air Force missachtet und damit den Vertrag gefährdet.

36

d) Die stets vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Klägers aus. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts war eine Abmahnung im Streitfall entbehrlich.

37

aa) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16.12.2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, NZA 2011, 571). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 37 mwN, NZA 2010, 1227). Dies gilt grundsätzlich auch bei Störungen im Vertrauensbereich.

38

bb) Eine Abmahnung war nach den Umständen des vorliegenden Falls entbehrlich. Die Vertragsverletzung war für den Kläger erkennbar. Eine Abmahnung war auch nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit erforderlich. Das Verhalten des Klägers hat das Vertrauen der Beklagten in eine künftig ordnungsgemäße Vertragserfüllung nachhaltig beeinträchtigt.

39

Eine Hinnahme des Fehlverhaltens durch die Beklagte war - auch für den Kläger erkennbar - offensichtlich ausgeschlossen. Der Kläger musste wissen, dass es die Beklagte nicht duldet, wenn er Zeiterfassungskarten („Time Cards“) in seiner Eigenschaft als Vorgesetzter gegenzeichnet, die falsche Arbeitszeitangaben enthalten. Eine Abmahnung als milderes Mittel um Vertragsstörungen zukünftig zu beseitigen, scheidet damit vorliegend aus.

40

cc) Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Vorrang der Änderungskündigung) nicht verpflichtet, ihm die Leitungsposition zu entziehen und ihn als „einfachen“ Radartechniker weiter zu beschäftigen. Zwar muss der Arbeitgeber auch vor einer außerordentlichen Kündigung, die auf personen- oder verhaltensbedingte Gründe gestützt werden soll, dem Arbeitnehmer von sich aus einen anderen ihm zumutbaren freien Arbeitsplatz anbieten (BAG 27.09.1984 - 2 AZR 62/83 - unter B II 3 a der Gründe, NZA 1985, 455). Es kann dahinstehen, ob überhaupt ein Arbeitsplatz für einen Radartechniker frei war, denn die Weiterbeschäftigung des Klägers war der Beklagten angesichts der schweren Pflichtverletzung nicht zumutbar.

41

dd) Auch im Übrigen war es der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts nicht zuzumuten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.09.2012 fortzusetzen.

42

Das betriebliche Interesse der Beklagten wiegt schwer. Die Beklagte hat dem Kläger vertraut und ihm Kontrollbefugnisse bei der Dokumentation der Arbeitszeit der ihm unterstellten Mitarbeiter übertragen. Durch die Falschangaben des Klägers wurde sie veranlasst, den ihm unterstellten Arbeitnehmern Vergütung für Zeiten zu zahlen, an denen sie nicht an ihrem Arbeitsplatz waren. Angesichts der Stellung des Klägers als leitender Radartechniker ist eine Wiederherstellung des Vertrauens ausgeschlossen. Die Beklagte ist darauf angewiesen, dass der Kläger als Vorgesetzter der ihm unterstellten Radartechniker deren Arbeitszeit korrekt auf den Zeiterfassungskarten bestätigt.

43

Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von rund 5,5 Jahren und das Alter des Klägers von knapp 50 Jahren (im Kündigungszeitpunkt) nicht aufgewogen.

44

2. Die Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Der kündigungsberechtigte Geschäftsführer der Beklagten hat unstreitig erst am 16.07.2012 Kenntnis von den Kündigungsgründen erlangt, die zum Ausspruch der ersten Kündigung vom 21.07.2012 geführt haben. Die fristlose Kündigung ist dem Kläger am 23.07.2012 - und damit rechtzeitig - zugegangen.

45

3. Die Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Nachdem der Kläger die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats in der Klageschrift pauschal mit Nichtwissen bestritten hatte, hat die Beklagte hierzu im Einzelnen unter Bezugnahme auf die schriftliche Anhörung vom 17.07.2012 vorgetragen. Der Kläger hätte nach § 138 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO im Einzelnen bezeichnen müssen, in welchen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält (vgl. BAG 27.09.2012 - 2 AZR 955/11 - Rn. 51 mwN, NZA 2013, 425). Hieran fehlt es, so dass der Vortrag der Beklagten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Ein materieller Rechtsfehler ist angesichts der Schlüssigkeit des Vorbringens der Beklagten nicht zu erkennen (zum Erfordernis einer solchen Schlüssigkeitsprüfung vgl. BAG 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 48 ff., NZA 2013, 137).

III.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen, weil er in vollem Umfang unterlegen ist.

47

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Juli 2014 - 7 Sa 662/14 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom 14. Januar 2014 - 3 Ca 1440/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 unwirksam ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten unter Anrechnung von Beschäftigungszeiten seit August 1987 zuletzt im Betrieb „T“ (nachfolgend DTDB) beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis fanden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die für den Betrieb oder Betriebsteil betrieblich bzw. fachlich einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. Bei der Beklagten sind regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt.

3

Unter dem 21. Juni 2011 vereinbarte die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di den „Tarifvertrag Bereichsausnahme DTDB“. Er sah für Beschäftigte im Betrieb DTDB vor, dass auf diese - mit Ausnahme von drei hier nicht interessierenden Regelwerken - nicht die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge Anwendung fänden, sondern diejenigen der T D GmbH (TDG) in der jeweils aktuellen Fassung. Die Regelungen des TV Ratio sollten dabei mit der Maßgabe Anwendung finden, dass die Beschäftigungs- und Qualifizierungseinheit (BQE) im Sinne des TV Ratio diejenige im Sinne des TV Ratio der Beklagten (V) sei.

4

Ein TV Ratio der TDG war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags Bereichsausnahme DTDB noch nicht geschlossen. Die Unterzeichnung des „Tarifvertrags Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung“ zwischen der TDG und der Gewerkschaft ver.di erfolgte erst im Juli 2013. Die Unterschriftszeile trägt das Datum „01.04.2010“. Nach den Regelungen des TV Ratio TDG sind alle Arbeitnehmer, die vom Wegfall gleicher Arbeitsplätze in ihrer Gesamtheit betroffen werden, in die BQE der TDG zu versetzen. Sie erhalten ein Angebot auf Abschluss eines entsprechenden Änderungsvertrags. Als Alternative zum Abschluss eines Änderungsvertrags können sie einen Auflösungsvertrag mit Abfindungsregelung wählen. Lehne ein Arbeitnehmer diese Angebote ab, erfolge eine Kündigung unter Aufrechterhaltung des Vertragsangebots zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen in der BQE. Abweichend von den Bestimmungen des Manteltarifvertrags gelte dafür eine Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats. Es werde auf die am 1. April 2010 geltenden gesetzlichen, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen abgestellt. Sollten sich diese ändern, so seien die Tarifvertragsparteien verpflichtet, Verhandlungen über eine entsprechende Anpassung des Tarifvertrags zu führen. In § 17 des Tarifvertrags heißt es, er trete am 1. April 2010 in Kraft.

5

Die Beklagte legte den Betrieb DTDB zum 31. Juli 2013 still. Zuvor hatte sie am 2. Mai 2013 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich geschlossen. Sie bot der Klägerin sowohl einen Änderungsvertrag als auch einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung an. Die Klägerin nahm keines der Angebote an.

6

Nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige gegenüber der Agentur für Arbeit kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 8. Juli 2013 „unter Beachtung der Kündigungsfrist von drei Wochen zum 15. eines Monats oder zum Monatsende mit Wirkung zum Ablauf des 31.07.2013, hilfsweise zum nächst zulässigen Termin“. Zugleich bot sie der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V … zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“ an. Die Kündigung ging der Klägerin am 10. Juli 2013 zu. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot mit Schreiben vom 11. Juli 2013 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an.

7

Die Klägerin hat sich mit der vorliegenden Klage rechtzeitig gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen gewandt. Sie ist der Ansicht gewesen, die Änderungskündigung sei mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung habe kein wirksamer Tarifvertrag vorgelegen, aus dem sich die angebotenen Änderungen der Arbeitsbedingungen hätten ergeben können. Rückwirkung komme dem TV Ratio TDG trotz der Bestimmung zu seinem Inkrafttreten am 1. April 2010 nicht zu. Dementsprechend sei die Kündigung überdies mit einer zu kurzen Kündigungsfrist erklärt worden und daher unverhältnismäßig. Eine Auslegung bzw. Umdeutung dahingehend, dass die Kündigung zum nächst zulässigen Zeitpunkt wirken solle, komme nicht in Betracht. Im Übrigen kürze der TV Ratio TDG die gesetzlichen Kündigungsfristen in unzulässiger Weise ab. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen unwirksam ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Änderungskündigung für wirksam, insbesondere für hinreichend bestimmt gehalten. Der TV Ratio TDG habe rückwirkend seit dem 1. April 2010 Wirkung entfaltet. Die Beklagte hat behauptet, eine „finalisierte Fassung“ des Tarifvertrags sei für die Beschäftigten seit dem 19. Juni 2013 in ihrem Intranet abrufbar gewesen. Der TV Ratio TDG sei zunächst von der Gewerkschaft und sodann am 4. Juli 2013 von der TDG unterzeichnet worden. In der von beiden Parteien unterschriebenen Fassung sei er an die Gewerkschaft zurückgesandt worden. Dort sei er laut Auskunft von ver.di am 10. Juli 2013, nach Auskunft des Kurierunternehmens am 11. Juli 2013 zugegangen.

10

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte der Änderungsschutzklage auf die Berufung der Klägerin hin stattgeben müssen.

12

I. Die Revision ist entgegen der von der Beklagten geäußerten Zweifel nicht deshalb unbegründet, weil die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts unzulässig gewesen wäre.

13

1. Eine Berufungsbegründung muss gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 13. Mai 2015 - 2 AZR 531/14 - Rn. 18; 11. November 2014 - 3 AZR 404/13 - Rn. 18).

14

2. Die Berufungsbegründung der Klägerin genügt diesen Anforderungen. Sie zeigt ausreichend deutlich auf, in welchen Punkten die Klägerin das erstinstanzliche Urteil für fehlerhaft hält.

15

a) Die Klägerin hat gerügt, der TV Ratio TDG sei erst nach Zugang der Kündigung wirksam geworden und entfalte keine Rückwirkung. Vor Eintritt der Wirksamkeit des TV Ratio TDG sei es rechtlich nicht möglich gewesen, ihr ein Angebot gemäß dessen § 5 Abs. 1 zu unterbreiten. Ohne ein solches Angebot wiederum sei die Kündigung unwirksam. Darüber hinaus sei Folge des erst späteren Wirksamwerdens des Tarifvertrags, dass der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß informiert worden sei. Die Kündigung verstoße daher gegen § 102 BetrVG. Mangels eines wirksamen Tarifvertrags sei auch das mit der Kündigung verbundene Änderungsangebot nicht hinreichend bestimmt gewesen.

16

b) Damit hat sich die Klägerin in ausreichendem Maße gegen das arbeitsgerichtliche Urteil gewandt. Sie hat dargelegt, aus welchen Gründen die Kündigung ihrer Ansicht nach unwirksam sei. Zwar beruhten ihre Ausführungen ausschließlich auf der erst mit der Berufungsbegründung vorgetragenen Tatsache, dass der TV Ratio TDG zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht wirksam zustande gekommen sei. Ob dieser Vortrag nach § 67 ArbGG vom Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen war, ist aber keine Frage der Zulässigkeit der Berufung, sondern ihrer Begründetheit(vgl. GMP/Germelmann 8. Aufl. § 64 Rn. 76). Es kann offenbleiben, ob es für die Zulässigkeit der Berufung zumindest der Darlegung bedurfte, weshalb das neue Vorbringen nach Auffassung der Klägerin gemäß § 67 ArbGG zuzulassen sei. Die Klägerin hat sich für die fragliche Tatsache auf Ausführungen in dem Urteil eines Arbeitsgerichts berufen, welches erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz im vorliegenden Rechtsstreit verkündet worden war.

17

II. Die Änderungsschutzklage (§ 4 Satz 2 KSchG) ist begründet. Das mit der Kündigung der Beklagten vom 8. Juli 2013 verbundene Änderungsangebot war nicht hinreichend bestimmt. Die Änderung der Arbeitsbedingungen aufgrund der Änderungskündigung ist damit unwirksam. Ob sie dies auch aus anderen Gründen ist, bedarf keiner Entscheidung.

18

1. Die Änderungskündigung ist ein aus zwei Willenserklärungen zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element ein bestimmtes, zumindest bestimmbares und somit den Voraussetzungen des § 145 BGB entsprechendes Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen hinzukommen(BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 346/12 - Rn. 38, BAGE 147, 237; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 576/09 - Rn. 21). Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen. Nur so kann er eine abgewogene Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Er muss von Gesetzes wegen innerhalb einer recht kurzen Frist auf das Vertragsangebot des Arbeitgebers reagieren und sich entscheiden, ob er es ablehnt, ob er es mit oder ob er es ohne Vorbehalt annimmt. Schon im Interesse der Rechtssicherheit muss deshalb das Änderungsangebot zweifelsfrei klarstellen, zu welchen Vertragsbedingungen das Arbeitsverhältnis künftig fortbestehen soll. Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers. Sie führen zur Unwirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen (BAG 20. Juni 2013 - 2 AZR 396/12 - Rn. 18; 29. September 2011 - 2 AZR 523/10 - Rn. 29).

19

2. Diesen Anforderungen genügte das der Klägerin mit der Änderungskündigung unterbreitete Änderungsangebot nicht.

20

a) Das Änderungsangebot lautete auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses „ab dem 01.08.2013, hilfsweise ab dem nächst zulässigen Termin … in der Vermittlungs- und Qualifizierungseinheit V der D AG zu den in Abschnitt 1 des TV Ratio TDG (nebst Anlagen) genannten Bedingungen“. Es nahm damit Bezug auf die sich aus dem näher bezeichneten Tarifvertrag ergebenden Bedingungen.

21

b) Diese Bedingungen waren zu dem für die Beurteilung der Wirksamkeit der Änderungskündigung maßgeblichen Zeitpunkt ihres Zugangs nicht hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar. Ein „TV Ratio TDG“ existierte noch nicht. Da er bei Kündigungszugang nicht unter Wahrung des Schriftformerfordernisses des § 1 Abs. 2 TVG zustande gekommen war, lag allenfalls ein abgestimmter Entwurf vor, aber kein Tarifvertrag.

22

aa) Das Zustandekommen eines Tarifvertrags als eines privatrechtlichen Vertrags richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - Rn. 14). Es bedarf übereinstimmender Willenserklärungen - Antrag und Annahme -, gerichtet auf Abschluss eines Tarifvertrags. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 2 TVG für Tarifverträge ein Schriftformerfordernis iSd. § 126 BGB auf. Tarifverträge müssen schriftlich niedergelegt und von beiden Seiten unterzeichnet werden. Die nötige Schriftform dient der Klarstellung des Vertragsinhalts und damit dem Gebot der Normenklarheit (BAG 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327; 9. Juli 1980 - 4 AZR 564/78 - BAGE 34, 42).Wird der Antrag auf Abschluss eines Tarifvertrags gegenüber einem Abwesenden erklärt, ist dessen Annahmeerklärung erforderlich. Diese ist wie der Antrag eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Ist für einen Vertrag gesetzlich die Schriftform vorgesehen, wird die Annahmeerklärung erst in dem Zeitpunkt wirksam (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB), in dem sie dem anderen Teil in der vorgeschriebenen Form zugeht (BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO). Es reicht nicht aus, dass der Empfänger des Antrags die Vertragsurkunde unterzeichnet und den anderen Teil hierüber in einer Form, die die Voraussetzungen des § 126 BGB nicht wahrt, in Kenntnis setzt(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO; BGH 30. Mai 1962 - VIII ZR 173/61 - zu II 2 der Gründe; 30. Juli 1997 - VIII ZR 244/96 - zu II 2 b bb der Gründe mwN; vgl. auch BAG 16. Oktober 1991 - 2 AZR 156/91 - zu II 4 d der Gründe). Etwas anderes gilt nur dann, wenn nach § 151 Satz 1 BGB eine Annahmeerklärung entbehrlich ist(BAG 7. Juli 2010 - 4 AZR 1023/08 - aaO).

23

bb) Solange der „TV Ratio TDG“ nicht formwirksam zustande gekommen war, stand nicht zweifelsfrei fest, ob und mit welchem Inhalt er wirksam würde. Solange wiederum war das auf ihn verweisende Änderungsangebot zu unbestimmt.

24

(1) Gegen die Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt seines Zugangs bei der Klägerin am 10. Juli 2013 lässt sich nicht mit Erfolg anführen, in einem Arbeitsvertrag könne ggf. auch auf nichtige oder nicht mehr wirksame Tarifverträge Bezug genommen werden, soweit nicht deren inhaltliche Festlegungen auch als arbeitsvertragliche Regelungen nichtig seien (vgl. dazu BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 26/10 - Rn. 43). Dies besagt nicht, dass die in Bezug genommenen Regelungen nicht jedenfalls hinreichend bestimmt sein müssten. Das wiederum sind sie nicht, solange ihr Inhalt mangels wirksamen Abschlusses noch geändert werden kann.

25

(2) Keiner Entscheidung bedarf, ob das Änderungsangebot hinreichend bestimmt gewesen wäre, wenn darin auf eine genau bezeichnete Entwurfsfassung eines noch nicht formwirksam zustande gekommenen Tarifvertrags verwiesen worden wäre. Ein solches Änderungsangebot hat die Beklagte nicht unterbreitet. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob eine von der Beklagten so bezeichnete „finalisierte“ Fassung des Tarifvertrags in ihrem Intranet einsehbar war.

26

(3) Es wäre auch nicht ausreichend, wenn der Tarifvertrag zwar nach Zugang der Änderungskündigung, aber noch innerhalb der Frist zur Annahme des Änderungsangebots durch die Klägerin zustande gekommen wäre. Das Änderungsangebot muss bereits im Kündigungszeitpunkt hinreichend bestimmt sein. Die Kündigung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird (allgM, vgl. nur APS/Preis 4. Aufl. Grundlagen D Rn. 10). Nur dann, wenn alle Voraussetzungen für die Ausübung des Gestaltungsrechts im Zeitpunkt ihres Zugangs beim Erklärungsgegner vorliegen, kann die - dann wirksame - Kündigung ihr Gestaltungsziel erreichen (APS/Preis aaO Rn. 11). Der Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ist daher der ihres Zugangs, ihre Wirksamkeit bestimmt sich nach den in diesem Zeitpunkt gegebenen objektiven Verhältnissen (BAG 23. Oktober 2014 - 2 AZR 644/13 - Rn. 21, BAGE 149, 367; 27. Februar 1997 - 2 AZR 160/96 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 85, 194; APS/Preis aaO Rn. 11; für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung nach § 1 KSchG KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 235 mwN).

27

cc) Der TV Ratio TDG war in dem Zeitpunkt, als die Änderungskündigung der Klägerin zuging, noch nicht formwirksam zustande gekommen.

28

(1) Unstreitig ist, dass die Originalurkunde des TV Ratio TDG „im Juli 2013“ von beiden Tarifvertragsparteien unterzeichnet wurde.

29

(2) Nach dem Vorbringen der Beklagten war die Vertragsurkunde schon am 4. Juli 2013 von beiden Seiten unterschrieben. Die schriftliche Annahme durch die TDG war aber nicht in Anwesenheit des anderen Teils erfolgt und musste daher, um formwahrend zu sein, der Gewerkschaft noch zugehen. Die Beklagte hat vorgetragen, laut Auskunft von ver.di sei dies am 10. Juli 2013 der Fall gewesen, nach Auskunft des beauftragten Kurierunternehmens am 11. Juli 2013. Damit hat die Beklagte als sicher feststehend nur behauptet, die von beiden Seiten unterschriebene Urkunde sei jedenfalls nicht nach dem 11. Juli 2013 bei ver.di eingegangen. Das schließt einen Eingang bei ver.di erst nach Zugang des Kündigungsschreibens bei der Klägerin nicht aus. Diese hat die Änderungskündigung bereits am 10. Juli 2013 erhalten.

30

(3) Einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, um der Beklagten Gelegenheit zu geben, ggf. zu einem früheren Zugang vorzutragen, bedurfte es nicht. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagtenvertreter auf Nachfrage erklärt, der Zeitpunkt des Zugangs der Vertragsurkunde bei ver.di sei nicht weiter aufklärbar.

31

c) Der Umstand, dass der TV Ratio TDG nach seinem § 17 bereits zum 1. April 2010 in Kraft treten sollte, ändert nichts an der Unbestimmtheit des Änderungsangebots im Zeitpunkt der Kündigung. Es liegt zwar grundsätzlich - soweit Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht entgegenstehen - in der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien, eine rückwirkende Begründung oder Einschränkung tariflicher Ansprüche vorzusehen (vgl. BAG 24. Oktober 2007 - 10 AZR 878/06 - Rn. 18; 17. Juli 2007 - 9 AZR 1089/06 - Rn. 16; 22. Oktober 2003 - 10 AZR 152/03 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 108, 176). Der maßgebliche Zeitpunkt für die Wirksamkeit der Kündigung als Ausübung eines Gestaltungsrechts durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist aber nicht tarifdispositiv.

32

III. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock    

                 

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.

(1) Bund und Länder tragen gemeinsam Sorge für die Behandlung grundsätzlicher und struktureller Fragen des Studienangebots unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Wissenschaft, in der beruflichen Praxis und im Hochschulsystem.

(2) Die Länder tragen gemeinsam dafür Sorge, daß die Gleichwertigkeit einander entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse und die Möglichkeit des Hochschulwechsels gewährleistet werden.

(3) Die Hochschulen und Sachverständige aus der Berufspraxis sind bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 zu beteiligen.

Die Arbeit der Hochschulen in Forschung und Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags soll regelmäßig bewertet werden. Die Studierenden sind bei der Bewertung der Qualität der Lehre zu beteiligen. Die Ergebnisse der Bewertungen sollen veröffentlicht werden.

Die Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Die Arbeit der Hochschulen in Forschung und Lehre, bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Erfüllung des Gleichstellungsauftrags soll regelmäßig bewertet werden. Die Studierenden sind bei der Bewertung der Qualität der Lehre zu beteiligen. Die Ergebnisse der Bewertungen sollen veröffentlicht werden.

Die Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

(1) Bund und Länder tragen gemeinsam Sorge für die Behandlung grundsätzlicher und struktureller Fragen des Studienangebots unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Wissenschaft, in der beruflichen Praxis und im Hochschulsystem.

(2) Die Länder tragen gemeinsam dafür Sorge, daß die Gleichwertigkeit einander entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen sowie Studienabschlüsse und die Möglichkeit des Hochschulwechsels gewährleistet werden.

(3) Die Hochschulen und Sachverständige aus der Berufspraxis sind bei der Wahrnehmung der Aufgaben nach den Absätzen 1 und 2 zu beteiligen.

Die Hochschulen haben die ständige Aufgabe, im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Stellen Inhalte und Formen des Studiums im Hinblick auf die Entwicklungen in Wissenschaft und Kunst, die Bedürfnisse der beruflichen Praxis und die notwendigen Veränderungen in der Berufswelt zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.