Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 20. Okt. 2016 - 13 Sa 356/16

ECLI:ECLI:DE:LAGD:2016:1020.13SA356.16.00
bei uns veröffentlicht am20.10.2016

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 04.04.2016 - 2 Ca 5709/15 - abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.01.2016 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 24.09.2015 nicht aufgelöst ist.

Die erstinstanzlichen Kosten hat die Beklagte zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Klägerin im Termin am 18.01.2016 entstandenen Kosten. Diese hat die Klägerin zu tragen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


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Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 84 Hilfsmittel


(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 117 Geltung für die Luftfahrt


(1) Auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden. Auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag nach Absatz 2 Satz 1 errichtet is

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Nov. 2014 - 2 AZR 664/13

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. März 2011 - 2 AZR 170/10

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. Oktober 2009 - 20 Sa 19/09 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 30. Sept. 2010 - 2 AZR 88/09

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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 - 14 Sa 1428/08 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 20. Okt. 2016 - 13 Sa 356/16.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 11. Juli 2017 - 8 Sa 23/17

bei uns veröffentlicht am 11.07.2017

Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 10.11.2016, Az.: 5 Ca 289/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand

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(1) Auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden. Auf im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn keine Vertretung durch Tarifvertrag nach Absatz 2 Satz 1 errichtet ist.

(2) Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden. Über die Zusammenarbeit dieser Vertretung mit den nach diesem Gesetz zu errichtenden Vertretungen der Arbeitnehmer der Landbetriebe des Luftfahrtunternehmens kann der Tarifvertrag von diesem Gesetz abweichende Regelungen vorsehen. Auf einen Tarifvertrag nach den Sätzen 1 und 2 ist § 4 Absatz 5 des Tarifvertragsgesetzes anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

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c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

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aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. Oktober 2009 - 20 Sa 19/09 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Nach Maßgabe der erstinstanzlichen Entscheidung streiten die Parteien über eine auf Krankheitszeiten gestützte Kündigung. Das Landesarbeitsgericht hat von einer eigenen Darstellung des Tatbestandes abgesehen.

2

Der im Oktober 1974 geborene Kläger war seit dem 3. August 1998 als Lager- und Logistikarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Sein durchschnittlicher Bruttomonatslohn betrug etwa 2.430,00 Euro.

3

Mit Schreiben vom 30. Mai 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. August 2008. Zur Begründung hat sie sich auf häufige Kurzerkrankungen des Klägers bezogen, die im Jahr 2005 insgesamt 46 Arbeitstage, im Jahr 2006 24 Arbeitstage, im Jahr 2007 70 Arbeitstage und im Jahr 2008 bis Ende Mai 47 Arbeitstage betragen hätten.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Eine negative Gesundheitsprognose sei nicht berechtigt. Im Übrigen habe die Beklagte ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX nicht durchgeführt.

5

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 30. Mai 2008 nicht aufgelöst worden ist.

6

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, der Kläger sei auch künftig nicht in der Lage, die von ihm geschuldete Arbeitsleistung ohne erhebliche Ausfallzeiten zu erbringen. Diese Prognose werde durch das vom Kläger selbst vorgelegte ärztliche Attest vom 12. Juni 2008 belegt. Diesem zufolge dürfe der Kläger nur noch leichte körperliche Tätigkeiten ausführen. Auch ihr eigener Betriebsarzt halte eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf der bisherigen Arbeitsstelle für ausgeschlossen, nachdem er dieses Attest eingesehen habe. Sie habe in den Jahren 2005 bis 2008 insgesamt etwa 32.000,00 Euro an Lohnfortzahlungskosten aufwenden müssen. Sie habe häufiger versucht, ein betriebliches Eingliederungsmanagement mit dem Kläger durchzuführen. Anderweitige Einsatzmöglichkeiten habe dieser bisher nicht aufzeigen können.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet.

9

I. Das Berufungsurteil ist schon deswegen aufzuheben, weil es entgegen § 69 Abs. 3 ArbGG keinen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Tatbestand enthält.

10

1. Ein Berufungsurteil muss einen den Anforderungen des § 69 Abs. 3 ArbGG genügenden Tatbestand enthalten.

11

a) Nach § 69 Abs. 2 ArbGG kann unter den dort genannten Voraussetzungen von der Darstellung des Tatbestandes nur dann abgesehen werden, wenn das Berufungsurteil unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt( § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO ). § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Das ist erforderlich, um die Nachprüfung des angefochtenen Urteils durch das Revisionsgericht zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn die Revision vom Landesarbeitsgericht nicht zugelassen worden ist. Darin liegt kein Fall des § 69 Abs. 2 ArbGG iVm. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG ist ein Rechtsmittel gegen das Berufungsurteil nicht „unzweifelhaft“ unzulässig(Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA 2011, 349). Ein völliges Absehen von der Darstellung des Tatbestandes gem. § 69 Abs. 2 ArbGG, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO kommt bei Berufungsurteilen nur dann in Betracht, wenn ein Rechtsmittelverzicht erklärt worden ist(BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 15, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Zumindest eine verkürzte Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens ist erforderlich ( BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 16, aaO; Senat 15. August 2002 - 2 AZR 386/01 - AP ZPO 1977 § 543 Nr. 12 = EzA ZPO § 543 Nr. 12; BGH 13. August 2003 - XII ZR 303/02 - BGHZ 156, 97 ; Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 69 Rn. 10, 11).

12

b) Einem Urteil ohne Tatbestand kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Damit ist dem Revisionsgericht eine abschließende Überprüfung verwehrt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Zweck des Revisionsverfahrens, dem Revisionsgericht die Nachprüfung des Berufungsurteils und seiner Rechtsanwendung auf den festgestellten Sachverhalt zu ermöglichen, deshalb erreicht werden kann, weil der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt ( Senat 30. September 2010 - 2 AZR 160/09 - Rn. 11, NZA 2011, 349; BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; Senat 17. Juni 2003 - 2 AZR 123/02 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO 1977 § 543 Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 4).

13

2. Danach enthält das angefochtene Urteil keinen ausreichenden Tatbestand.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Im Übrigen hat es „gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen“, weil sein Urteil nicht der Revision unterfalle. Hierbei hat es außer Acht gelassen, dass auf eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers die Revision zugelassen werden konnte. Die Parteien hatten keinen Rechtsmittelverzicht erklärt.

15

b) Die in den Entscheidungsgründen erwähnten Sachverhaltselemente stellen keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine abschließende Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen dar. Sie erlauben dem Senat keine Entscheidung darüber, ob die Kündigung deswegen unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger trifft.

16

II. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Für die neue Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Hinweise zu beachten haben.

17

1. Das Landesarbeitsgericht hat vor einer Prüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG Feststellungen zur Anzahl der im Betrieb der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer zu treffen.

18

2. Falls danach der erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes im Streitfall Anwendung findet, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte gem. § 84 Abs. 2 SGB IX ein betriebliches Eingliederungsmanagement(BEM) durchzuführen hatte. Ist dies zu bejahen, trifft sie eine erweiterte Darlegungslast. Sie hätte dann von sich aus zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten vorzutragen.

19

a) Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234). Nach den vom Landesarbeitsgericht zugrunde gelegten Krankheitszeiten des Klägers wäre die Beklagte grundsätzlich verpflichtet gewesen, ein BEM durchzuführen. Danach war der Kläger iSv. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank. Dafür genügt es, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, gegebenenfalls in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen betragen haben (Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 34, aaO; Gagel/Schian br 2006, 46; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 11). Nicht erforderlich ist, dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gab.

20

b) Die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234).

21

aa) Wurde entgegen § 84 Abs. 2 SGB IX ein BEM nicht durchgeführt, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56). Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

22

bb) Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt(Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56).

23

cc) Hat der Arbeitgeber ein BEM deshalb nicht durchgeführt, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt hat, kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber den Betroffenen zuvor auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hatte (vgl. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX; Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines BEM(vgl. Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22). Sie soll dem Arbeitnehmer die Entscheidung ermöglichen, ob er ihm zustimmt oder nicht (Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 54). Die Initiativlast für die Durchführung eines BEM trägt der Arbeitgeber (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, AP SGB IX § 84 Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57).

24

dd) Stimmt der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zu, ist das Unterlassen eines BEM „kündigungsneutral“ (vgl. Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 56). Zwingende Voraussetzung für die Durchführung eines BEM ist das Einverständnis des Betroffenen (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 51, BAGE 123, 234; Fabricius in Schlegel/Voelzke SGB IX § 84 Rn. 22; Trenk-Hinterberger in Lachwitz/Schellhorn/Welti HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 53). Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Betroffenen darf keine Stelle unterrichtet oder eingeschaltet werden (Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 9).

25

ee) Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deshalb entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein BEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, erneuten Krankheitszeiten des Arbeitnehmers vorzubeugen und ihm den Arbeitsplatz zu erhalten (Senat 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 36, NZA 2011, 39).

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 - 14 Sa 1428/08 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Anlagenmechaniker der Fachrichtung Versorgungstechnik. Er war bei der Beklagten seit dem 1. September 1994 als Gasrohrnetzwerker, zuletzt in der Funktion eines Vorarbeiters, bei einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.500,00 Euro beschäftigt. Bei dem Kläger ist durch bisher nicht bestandskräftigen Bescheid ein Grad der Behinderung von 20 festgestellt.

3

Die Beklagte betreibt Rohrleitungs- und Anlagenbau. Sie beschäftigt etwa 200 Arbeitnehmer. Sie hat ihren Sitz in W und eine Außenstelle in B. Der Kläger war nahezu ausschließlich in der Außenstelle eingesetzt. Die Beklagte hat sieben Bauleitungen gebildet, darunter die Bauleitung „Rohrleitungsbau B“, zu welcher der Kläger und der weitere Vorarbeiter H gehörten. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

4

Der Kläger erkrankte am 25. September 2006 arbeitsunfähig. Er leidet unter Wirbelsäulenschäden. Am 16. März 2007 bot er der Beklagten die Wiederaufnahme der Arbeit an. Dabei wies er darauf hin, dass ihm seit Januar 2007 eine Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt worden sei. Die Beklagte hatte gegen einen weiteren Einsatz des Klägers Bedenken und vereinbarte einen Untersuchungstermin mit dem zuständigen arbeitsmedizinischen Dienst. Der Kläger nahm den Termin wahr. Mit Schreiben vom 12. April 2007 schlug die Krankenkasse einen Arbeitsplatzwechsel vor. Vom 4. Juli 2007 bis 25. Juli 2007 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme in einer Fachklinik teil. Mit Schreiben vom 19. September 2007 teilte die Rentenversicherung mit, es sei festgestellt worden, dass der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeit überwiegend im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen/Gehen verrichten solle und Gefährdungen durch Kälte, Nässe, Zugluft und starke Temperaturschwankungen zu vermeiden seien.

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2008. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er könne zwar seine bisherigen Arbeiten nicht mehr verrichten, die Beklagte könne ihn aber als Sicherheitsbeauftragten oder in der Materialverwaltung der Außenstelle B, außerdem in ihrem Materiallager in W oder zur Erfüllung der verwaltungstechnischen Aufgaben aller Poliere und Vorarbeiter einsetzen. Auch ein Einsatz bei der Rohrleitungsumhüllung, bei der Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, beim Schweißen oder im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter komme in Frage. Ebenso könne sie ihm wie dem Mitarbeiter H einen Schonarbeitsplatz in W einrichten. Im Übrigen habe es die Beklagte versäumt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15. Oktober 2007 nicht beendet worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe nicht. Sie verfüge über keine freien Arbeitsplätze, die eine der Qualifikation, den Fähigkeiten und den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers entsprechende Tätigkeit zuließen. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) habe sie mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht durchführen müssen. Die dem Mitarbeiter H übertragenen Aufgaben könnten vom Kläger mangels ausreichender Qualifikation und wegen der mit ihnen verbundenen körperlichen Belastungen nicht ausgeführt werden.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 KSchG hinreichend substantiiert vorgetragen, weshalb eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe(I.). Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen gleichwohl nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist(II.).

10

I. Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat die Beklagte hinreichend vorgetragen, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe.

11

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist nach der Rechtsprechung des Senats in drei Stufen vorzunehmen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - BAGE 101, 39; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - BAGE 91, 271; 21. Mai 1992 - 2 AZR 399/91 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 45 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO).

12

2. Eine Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann, dh., wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und ggf. „freizumachen“ (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 29, BAGE 123, 234; 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107).

13

3. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung des Fehlens - alternativer - Beschäftigungsmöglichkeiten.

14

a) Der Arbeitgeber kann - außerhalb der Verpflichtung zur Durchführung eines BEM - zunächst pauschal behaupten, es bestehe für den dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer keine andere Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Behauptung umfasst den Vortrag, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Anpassung des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitsplatzes. Der Arbeitnehmer muss sodann konkret darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine Beschäftigung - an einem anderen Arbeitsplatz - vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Es ist dann Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 47, aaO).

15

b) Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall vom Landesarbeitsgericht angenommen - der Arbeitnehmer keinen oder nur einen oberflächlichen Einblick in die organisatorischen Arbeitsabläufe in anderen betrieblichen Bereichen hat. Dem Grundsatz, dass einer Partei nicht ein ihr unmöglicher Grad an Konkretisierung ihres Vortrags abverlangt werden darf, ist dadurch Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer lediglich konkret darlegen muss, wie er sich die anderweitige Beschäftigung vorstellt; von ihm wird nicht verlangt, dass er dazu ganz bestimmte Arbeitsplätze im Betrieb oder Unternehmen benennt (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers muss sich allerdings ergeben, dass er die seinen Vorstellungen entsprechende Tätigkeit trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben kann (Senat 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, aaO).

16

4. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte ihrer Darlegungslast genügt.

17

a) Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, es bestehe keine andere Möglichkeit, den Kläger leidensgerecht zu beschäftigen.

18

b) Daraufhin hat der Kläger vorgetragen, er sei als Vorarbeiter mit der Funktion eines Poliers weiterhin in der Lage, die für den entsprechenden Mitarbeiterkreis anfallenden verwaltungstechnischen Aufgaben zu erfüllen. So könne er Aufmaße erstellen, Bauzeichnungen fertigen, Baustellen einrichten und leiten. Ferner könne er als zweiter „hauptamtlicher“ Sicherheitsbeauftragter beschäftigt werden, die Materialverwaltung in der Außenstelle in B übernehmen oder als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager der Beklagten in W tätig sein. Außerdem sei er - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - in der Lage, Rohrleitungen zu umhüllen, mit Hochdrucksystem an Gasleitungen zu arbeiten oder zu schweißen. Er könne sich auch eine Bürotätigkeit mit Zuarbeit für die Bauleiter vorstellen. Schließlich könne ihm die Beklagte einen dem des Mitarbeiters H entsprechenden Schonarbeitsplatz in W einrichten.

19

c) Hierauf hat die Beklagte erwidert und dargelegt, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei.

20

aa) Die Übernahme der verwaltungstechnischen Aufgaben sämtlicher Vorarbeiter und Poliere erfordere die Übertragung von Bauleitertätigkeiten, was einer Beförderung gleichkomme. Dies ist ein erheblicher Einwand. Der Kläger kann eine Beförderung nicht verlangen. Im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Beförderungsstelle anzubieten (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 40; 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d cc der Gründe, BAGE 95, 350).

21

bb) Eine Beschäftigungsmöglichkeit ausschließlich als Sicherheitsbeauftragter bestehe nicht. Auch dieser Einwand ist beachtlich. Der Sicherheitsbeauftragte übt ein freiwilliges Ehrenamt aus, das neben dem eigentlichen Arbeitsverhältnis besteht (vgl. MünchArbR/Wlotzke 2. Aufl. § 208 Rn. 26).

22

cc) Die Beklagte hat behauptet, in der Außenstelle in B beschäftige sie keine Arbeitnehmer, eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Materialverwaltung in der Außenstelle bestehe daher ebenfalls nicht. Tätigkeiten als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager in W oder - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - das Umhüllen von Rohrleitungen, die Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, das Schweißen oder eine Tätigkeit im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter, die der Kläger nach seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könne, gebe es in ihrem Unternehmen nicht.

23

dd) Die Beklagte hat ferner vorgetragen, die dem Mitarbeiter H übertragenen Arbeiten fielen nur im B Raum an. Die davon abweichende Feststellung des Landesarbeitsgerichts, auch am Stammsitz der Beklagten würden Hochdruck-Rohrleitungsarbeiten und Hausanschluss-Versorgungsarbeiten ausgeführt, ist für den Senat nicht bindend. Die Beklagte hat sie mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO) angegriffen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie findet keine Grundlage im Parteivorbringen. Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, der Kläger könne die dem Mitarbeiter H übertragenen Tätigkeiten nach seiner Qualifikation und seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohnehin nicht ausüben.

24

II. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

25

1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine negative Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der Kündigung gerechtfertigt war.

26

2. Anhand der bisherigen Feststellungen lässt sich auch nicht beurteilen, ob die Kündigung deshalb unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte mangels Durchführung eines BEM eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten trifft.

27

a) Der Kläger war vor Ausspruch der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen krank. Damit war die Beklagte gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX grundsätzlich verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorzunehmen. Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

28

b) Ein BEM ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX gebildet ist(FKS-SGB IX-Feldes § 84 Rn. 41; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 342; Knittel SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 84; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 18; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 34; Schulz PersV 2008, 244, 245; Zorn br 2006, 42, 43; LAG Schleswig-Holstein 7. November 2005 - 4 Sa 328/05 - zu II 2 e der Gründe, br 2006, 170). Das ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX. Die Durchführung eines BEM ist weder unmöglich noch sinnlos, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht besteht.

29

aa) Der Wortlaut der Bestimmung erlaubt kein zweifelsfreies, eindeutiges Verständnis. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber dann, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann. Die Klärung hat danach zwar „mit der zuständigen Interessenvertretung“ zu erfolgen. Daraus kann aber nicht zwingend geschlossen werde, eine Klärung habe gar nicht zu erfolgen, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht gebildet sei. Der Wortlaut lässt sich ebenso gut dahin verstehen, dass dann, wenn eine solche besteht, die Klärung mit der Interessenvertretung und den übrigen Beteiligten, anderenfalls nur mit den übrigen Beteiligten vorzunehmen ist.

30

bb) Für dieses Verständnis sprechen systematische Gesichtspunkte. Auf der Tatbestandsseite des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist als Voraussetzung für die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM nur formuliert, dass ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sein muss. Davon, dass eine betriebliche Interessenvertretung bestehen müsse, ist nicht die Rede. Wenn der Gesetzgeber ihre Existenz als notwendige Voraussetzung für die Verpflichtung zur Vornahme eines BEM angesehen hätte, wäre stattdessen zu erwarten gewesen, dass er das an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck bringt. Hinzu kommt, dass § 84 Abs. 2 SGB IX zu demjenigen Regelungskomplex des SGB IX gehört, welcher sonstige Pflichten der Arbeitgeber und Rechte schwerbehinderter Menschen normiert. Die in diesem Abschnitt geregelten Arbeitgeberpflichten sind vom Bestehen einer betrieblichen Interessenvertretung durchweg unabhängig. Aus § 93 SGB IX ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift bestimmt, dass Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte die Eingliederung schwerbehinderter Menschen fördern und insbesondere darauf achten, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 71, 72 und §§ 81 bis 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Diese Aufgabe besteht im Hinblick auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX in gleicher Weise wie für die nach den anderen genannten Vorschriften. Der Umstand, dass die Interessenvertretungen darauf achten sollen, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX nachkommt, spricht dafür, dass diese Pflichten als solche gerade unabhängig von der Existenz einer Interessenvertretung bestehen.

31

cc) Entscheidend sprechen Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX für ein Verständnis der Vorschrift, demzufolge ein BEM auch dann durchzuführen ist, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht besteht. Die Durchführung eines BEM ist auch in diesem Fall möglich und geboten (Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 48).

32

(1) Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen durch das BEM krankheitsbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern verhindert werden. Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert (BT-Drucks.15/1783 S. 16). Die Gesetzesbegründung nennt die betriebliche Interessenvertretung ausdrücklich nur als eine von mehreren Beteiligten, mit denen eine gemeinsame Klärung möglicher Maßnahmen erfolgen soll, um kurzfristig Beschäftigungshindernisse zu überwinden und den Arbeitsplatz durch Leistungen und Hilfen zu erhalten (BT-Drucks.15/1783 S. 12). Durch die dem Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll damit möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BAGE 123, 234). Ziel des BEM ist - wie das der gesetzlichen Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX(vgl. dazu BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - BAGE 116, 121) - die frühzeitige Klärung, ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, aaO).

33

(2) Die Verwirklichung des Gesetzeszwecks setzt nicht die Existenz einer betrieblichen Interessenvertretung voraus. Das gesetzliche Ziel ist auch dann sinnvoll und erreichbar, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist. Das Gesetz beschreibt den im Wege des BEM durchzuführenden Klärungsprozess nicht als formalisiertes Verfahren, sondern lässt den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57). Die betriebliche Interessenvertretung ist dabei nur eine der vom Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX einzubeziehenden Beteiligten. Beteiligte des BEM sind außer ihr der betroffene Beschäftigte, soweit erforderlich zudem der Werks- oder Betriebsarzt und ferner die örtlichen gemeinsamen Servicestellen und ggf. das Integrationsamt, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen. Auch und gerade dann, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist, ist ein BEM zum Schutz betroffener Arbeitnehmer vor einer vermeidbaren krankheitsbedingten Kündigung geboten.

34

c) War danach im Streitfall ein BEM nicht mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung entbehrlich, darf die Beklagte als Arbeitgeberin aus ihrer dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile ziehen können (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234). Dieser Grundsatz führt nicht dazu, dass der Senat über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15. Oktober 2007 abschließend entscheiden könnte.

35

aa) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Wäre ein positives Ergebnis dagegen möglich gewesen, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, aaO). Dies geht über die Darlegungslast des Arbeitgebers für das Nichtbestehen einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit nach allgemeinen Grundsätzen hinaus. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

36

bb) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deswegen entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Die objektive Nutzlosigkeit eines BEM führt zu einer Einschränkung der nach § 84 Abs. 2 SGB IX bestehenden Pflicht des Arbeitgebers zu dessen Durchführung. Es obliegt daher dem Arbeitgeber, die tatsächlichen Umstände im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer ein BEM wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können.

37

cc) Dazu, ob ein BEM aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ohnehin keine andere Beschäftigungsmöglichkeit erbracht hätte, hat die Beklagte bislang nicht vorgetragen. Da das Landesarbeitsgericht diesen Gesichtspunkt nicht als entscheidungserheblich angesehen hat, ist ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

38

(1) Die Beklagte hat bisher nicht hinreichend dargelegt, dass weder eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers noch sein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit möglich gewesen sei. Es fehlt insbesondere an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass auch die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes durch Umstrukturierung der betrieblichen Abläufe ausgeschlossen gewesen sei. Der bloße Verweis auf betriebsablauforganisatorische Störungen im Baubereich genügt hierfür nicht. Was die mögliche Beschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz betrifft, hat die Beklagte mit Blick auf ihr Material- und Werkzeuglager in W lediglich vorgetragen, leidensgerechte Tätigkeiten in der Materialverwaltung gebe es dort nicht und auch bei den Tätigkeiten im Bereich Disposition/Lager/Werkstatt handele es sich um körperlich schwere Arbeiten. Welche Tätigkeiten in W im Einzelnen anfallen und warum eine für den Kläger leidensgerechte Umstrukturierung der Arbeitsabläufe nicht möglich gewesen ist, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

39

(2) Der Beklagten ist durch Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Zwar hat sich der Kläger durchgängig auf die Erforderlichkeit eines BEM und die daraus folgende Erweiterung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten berufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Parteien aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es seiner Auffassung nach auf die Erforderlichkeit eines BEM nicht ankomme. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte im Hinblick hierauf von weiterem Vortrag abgesehen hat.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    Baerbaum    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.