Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Sept. 2017 - 8 Sa 158/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0912.8Sa158.17.00
12.09.2017

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2017 - Az.: 7 Ca 496/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Ausmaß der Kürzungsbefugnis der Beklagten hinsichtlich einer (tariflichen) Sonderleistung bei Arbeitsunfähigkeit.

2

Die Klägerin ist bei der tarifgebundenen Beklagten als Teilzeitbeschäftigte mit 2 Arbeitstagen wöchentlich und zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.470,19 Euro, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Verdi abgeschlossene Haustarifvertrag vom 25.06.2009 Anwendung, der seinerseits in § 2 Abs. 1 die Geltung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zum 01.01.2009 abgeschlossenen, nachwirkenden sowie zukünftig geänderten, neu abgeschlossenen und ergänzenden Tarifverträge für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vorsieht.

3

In dem danach einschlägigen Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vom 23.06.2008 war unter § 8 die tarifvertragliche Sonderleistung geregelt. Dabei war unter anderem in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 dieses Manteltarifvertrag lediglich vorgesehen, dass im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden kann.

4

Unter dem 04.07.2006 hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat zur Beilegung damals aktueller gerichtlicher Auseinandersetzungen zur gleichlautenden tarifvertraglichen Vorgängerregelung eine Vereinbarung getroffen (Bl. 9 d. A.), die unter anderem unter Ziffer 1 folgendes vorsah:

5

„Tarifliche Sonderleistungen (bestehend aus Urlaubs- und Weihnachtsgeld) werden auch nach mehr als 6-wöchiger Erkrankung weiter gezahlt. Auf den Passus aus dem Manteltarifvertrag (der Arbeitgeber kann diese Sonderleistungen ggf. verweigern) wird im Hause A.-Verlag (C-Stadt-L.) verzichtet. Der Arbeitgeber verpflichtet sich stattdessen, diese Sonderleistungen auch weiterhin zu zahlen. Dies gilt für die Laufzeit des jetzigen Tarifs, d.h. mindestens bis zum 31.12.2007. Bei Vereinbarung eines neuen Manteltarifvertrags, welcher wieder eine solche Kann-Option oder eine andere Schlechterstellung enthalten würde, wird sich die Geschäftsführung und der Betriebsrat erneut zusammensetzen und über eine Verlängerung dieser Vereinbarung beraten. ….“

6

In dem nunmehr seit dem 01.01.2011 in Kraft befindlichen Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vom 03.11.2010 (nachfolgend kurz: MTV) ist schließlich in § 8 unter der Überschrift Sonderleistung Nachfolgendes geregelt:

7

„1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden erhalten einmal pro Kalenderjahr eine Sonderleistung, die ganz oder in Teilen zum Urlaubsbeginn und/oder zu Weihnachten zu zahlen ist. Die Auszahlungsmodalitäten können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden.

8

Die tarifliche Sonderleistung beträgt 140 Prozent des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. (Grundlage für die Berechnung der zusätzlichen Leistung ist das Tarifentgelt bzw. die tarifliche Ausbildungsvergütung am 01. Juli des jeweiligen Jahres.)

9

Protokollnotiz: Im Jahr 2011 und 2012 beträgt die tarifliche Sonderleistung 135 % des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. Ab dem Jahr 2013 beträgt die Sonderleistung wieder 140 % des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung.

10

2. Teilzeitbeschäftigte erhalten diese Leistung Im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit.

11

3. Im Kalenderjahr eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer haben Anspruch auf soviel Zwölftel der Sonderleistung, wie sie im Kalenderjahr volle Kalendermonate dem Betrieb angehört haben, ohne dass das Arbeitsverhältnis ruhte. Der Anspruch entsteht erstmalig nach einer sechsmonatigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit. Über diesen Anspruch hinaus gewährte Teile der Sonderleistung sind beim Ausscheiden in entsprechendem Umfang zurückzuzahlen. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Krankheit oder Tod des Arbeitnehmers oder durch Kündigung seitens des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen endet. Von der Rückzahlungspflicht sind ferner weibliche Arbeitnehmer befreit, die von ihrem Recht gemäß § 10 Mutterschutzgesetz Gebrauch machen.

12

Arbeitnehmer, die sich in der Elternzeit oder in unbezahltem Urlaub befinden, ihren Grundwehrdienst oder Zivildienst ableisten, haben lediglich anteiligen Anspruch auf 1/12 der Sonderleistung je Kalendermonat, den sie im Betrieb tatsächlich voll im Bezugszeitraum gearbeitet haben.

13

Im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in 5-Tage-Woche arbeiten) hinaus kann für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden. Der Zeitraum von zehn Wochen muss kein ununterbrochener Zeitabschnitt sein, sondern kann sich auch aus einzelnen kürzeren Krankheitszeiten zusammensetzen, die im Kalenderjahr zusammengerechnet zehn Wochen überschreiten. Eine Kürzung wird nicht vorgenommen bei einem Betriebs- oder Wegeunfall.

14

Protokollnotiz: Für Teilzeitkräfte, die nicht in 5-Tage-Woche arbeiten, wird die Zahl der Arbeitstage nach den in zehn Wochen abzuleistenden Arbeitstagen bestimmt.

15

Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis unter Nichteinhaltung ihres Arbeitsvertrages gelöst haben und/oder die vom Arbeitgeber rechtswirksam fristlos gekündigt wurden, haben keinen Anspruch auf eine noch nicht ausgezahlte Sonderleistung.

16

4. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Arbeitgeber festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, insbesondere Gratifikationen, Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen, können auf die zusätzliche Leistung angerechnet werden.“

17

Unter Geltung dieses MTV kürzte die Beklagte zumindest über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren sodann bei Vollzeitbeschäftigten die Sonderleistung nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag. Beginnend mit der Sonderleistung für das Jahr 2015 kürzte die Beklagte nunmehr bei Vorliegen der tarifvertraglichen Kürzungsvoraussetzungen des § 8 Ziffer 3 MTV ab dem 1.Tag für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung.

18

Die Klägerin war im Jahr 2015 insgesamt an 48 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, sodass die Beklagte (rechnerisch unstreitig richtig) die Sonderleistung für das Jahr 2015 von 2.058,27 Euro brutto um 48 Tage zu je 43,41 Euro brutto) kürzte und der Klägerin 0,00 EUR Sonderleistung auszahlte.

19

Mit der beim Arbeitsgericht Koblenz am 16.02.2016 eingegangenen Klage, die der Beklagten am 23.02.2016 zugestellt wurde, verfolgte die Klägerin das Ziel der Nachzahlung der tariflichen Sonderleistung weiter.

20

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,

21

dass die Kürzung, soweit sie auch die ersten 50 Tage der Krankheit erfasst, unzulässig gewesen sei.

22

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.083,68 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2015 zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie zu der vorgenommenen Kürzung berechtigt gewesen sei.

27

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.03.2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Kürzungsrecht aus § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV nicht von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig sei, sondern allein dem Arbeitgeber und damit der Beklagten zustehe. Ferner lasse die tarifvertragliche Regelung selbst keinen Raum für die Herausbildung einer betrieblichen Übung.

28

 Gegen dieses der Klägerin am 22.03.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 13.04.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 22.06.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit beim Landesarbeitsgericht am 14.06.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

29

Die Klägerin macht zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

30

 Die vom Arbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Erwägungen zur Kürzungsmöglichkeit aus § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV seien nicht zutreffend. Nach der Tarifnorm sei eine Kürzungsmöglichkeit nur für die Krankheitstage, die über 50 Tage hinausgehen, gegeben. Es hätte sonst im Tarifvertrag der Formulierung „ kann vom ersten Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderzahlung gekürzt werden“ bedurft. Dies entspreche auch dem gemeinsamen Verständnis der Tarifvertragsparteien. Darüber hinaus könne der Arbeitgeber die Kürzungsmöglichkeit nur in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ausüben, wie auch die Vereinbarung der Beklagten mit ihrem Betriebsrat vom 04.07.2006 zur tarifvertraglichen Vorgängerregelung belege. Im Übrigen sei aber auch eine betriebliche Übung durch die bisherige Praxis der Beklagten gegeben, da diese mit ihrer bis 2015 praktizierten Handhabung den Arbeitnehmern zu erkennen gegeben habe, dass sie die Vorgaben des Tarifvertrages so ausübe.
Die Klägerin beantragt,

31

 das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2017 – Az.: 7 Ca 496/16 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.083,68 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2016 zu zahlen.

32

 Die Beklagte beantragt,

33

 die Berufung zurückzuweisen.

34

 Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

36

In der Sache hat die zulässige Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung 2.083,68 EUR brutto tariflicher Sondervergütung für das Jahr 2015 aus § 8 MTV.

37

Zwar erfüllt die Klägerin unproblematisch grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Ziffer 1 MTV für die tarifvertragliche Sonderleistung. Die Klägerin kann von der Beklagten dennoch den geltend gemachten Betrag nicht verlangen, da ein Anspruch infolge der 48 Tage krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallen ist. Die Beklagte hat insoweit rechtwirksam von der Kürzungsregelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV Gebrauch gemacht, so dass es auch nicht mehr darauf ankam, dass die Klage teilweise hinsichtlich der Höhe des eingeklagten Betrages unschlüssig ist, worauf das Arbeitsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.

38

1. Die Tarifvertragsparteien haben in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV die entsprechende Kürzungsregelung normiert.

39

Die tarifvertragliche Regelung sieht dabei entgegen der Auffassung der Berufung eine Kürzungsmöglichkeit bei Überschreitung der Grenze von 50 Arbeitstagen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit und nicht lediglich für die, die 50-Tage Grenze überschreitenden Fehltage vor. Dies ergibt eine Auslegung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV.

40

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welche die Berufungskammer zugrunde legt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 701/12 – Rn. 13 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 227; 22.04.2010 – 6 AZR 962/08, NZA 2011, 1293, 1294 f.).

41

b) Schon die Auslegung des Wortlauts des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV ergibt, dass dort eine umfassende Kürzungsmöglichkeit geregelt ist, die sich auf jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit bezieht. So heißt es dort wörtlich, dass im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in 5-Tage-Woche arbeiten) hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden kann. Danach ist ausdrücklich eine Kürzungsmöglichkeit für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit vorgesehen.

42

Etwas anderes folgt auch nach dem Wortlaut nicht daraus, dass in dieser Tarifnorm ein (ggfs. zusammengerechneter) Zeitraum von 10 Wochen und damit 50 Tagen als Kürzungsvoraussetzung aufgenommen ist. Nach dem Tarifwortlaut soll nämlich erst bei Überschreiten dieses Schwellenwerts die sodann mit der Formulierung „für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit“ normierte Kürzungsberechnung eingreifen. Es handelt sich daher bei der aufgenommenen 10-Wochen-Grenze allein um eine unabhängige Voraussetzung für ein Kürzungsrecht. Es wird damit allein geregelt, ob überhaupt gekürzt werden kann, ohne dass daraus etwas für das „Wie“ und damit den Umfang der Kürzung gefolgert werden kann.

43

Des Weiteren ist festzustellen, dass ein etwaig anderslautender Wille der Tarifparteien jedenfalls im Wortlaut der Kürzungsregelung keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat.

44

c) Auch der gesetzliche Zusammenhang mit § 4a EFZG, in welchem § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV zu verstehen ist, stützt das vom Wortlaut abgeleitete Auslegungsergebnis und spricht gerade nicht für die von der Klägerin vertretene Auslegung der Kürzungsberechnung.

45

Nach § 4a EFZG ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütung), auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

46

Da es sich bei der Sondervergütung des § 8 MTV um eine Sonderleistung mit Mischcharakter handelt, wie der tarifliche Zusammenhang der weiteren Regelungen des § 8 Ziffer 3 MTV zeigt (vgl. hierzu bereits ausführlich LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2010 – 7 Sa 514/09 zu A. II. 3 a) der Gründe), stellt die tarifvertragliche Regelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV zum einem die von § 4a EFZG vorausgesetzte Kürzungsgrundlage dar. Denn die von § 4a EFZG vorausgesetzte notwendige Vereinbarung kann auch eine Tarifnorm sein (vgl. zu letzterem ErfK/Reinhard, 17. Aufl. 2017, § 4a EFZG, Rn. 2). Zum anderen übernehmen die Tarifvertragsparteien in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV für die Kürzungsberechnung wortwörtlich die in § 4a S. 2 EFZG vorgesehene Obergrenze nebst Berechnungsfaktoren. Dies belegt einmal mehr, dass eine Kürzungsmöglichkeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV normiert wurde, da dies den Vorgaben des § 4a EFZG entspricht.

47

d) Schließlich führt diese am vorrangigen Wortlaut orientierte Auslegung entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen.

48

Mit der Regelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV wollten die Tarifvertragsparteien für die Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Krankheitszeitraum regeln, der –obwohl innerhalb dessen keine Arbeitsleistung erbracht wird – den vollen Sonderleistungsanspruch unberührt lassen soll. Anders als in den Vorgängerregelungen (vgl. zur dortigen alleinigen Kürzungsmöglichkeit bei zusammenhängender 6-wöchiger Krankheitszeit, LAG Rheinland-Pfalz v. 13.01.2010 – 7 Sa 514/09) haben die Tarifvertragsparteien dabei in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV auch die Kürzung für die Fälle der Addition verschiedener Krankheitszeiträume aufgenommen und im Gegenzug dazu den Schwellenwert von 6 Wochen auf 10 Wochen angehoben. Dies hält sich im Rahmen des vom Gericht zu beachtenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums der Tarifvertragsparteien zur Festlegung unbeachtlicher und relevanter krankheitsbedingter Ausfallzeiten. Denn die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Jahressonderzahlung gewährt wird und welche Tatbestände ggf. zu einer Kürzung führen (BAG 25.09.2013 10 AZR 850/12, NZA 2014, 52 f, zu den Grenzen z.B. BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 31 ff.; vgl. auch § 4a EFZG). Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde eine solche Differenzierung unzulässig sein sollte, zumal sie im Einklang mit § 4a EFZG steht. 

49

2. Zudem bedurfte es zur wirksamen Kürzung auf Grundlage des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV keiner Mitwirkung des Betriebsrats.Der Umstand, dass die Arbeitgeberin von dieser Kürzungsmöglichkeit unter den tariflich geregelten Voraussetzungen im tariflich geregelten Umfang Gebrauch machen "kann", eröffnet dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Insbesondere besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auch aus der Vereinbarung der Beteiligten vom 04.07.2006 folgt nichts anderes. Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht das Kürzungsrecht allein dem Arbeitgeber zu.

50

a) Der Betriebsrat kann von einem - wie hier - tarifgebundenen Arbeitgeber nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG die Gewährung bestimmter über- oder außertariflicher Entgeltleistungen erzwingen. Hierauf läuft sein Begehren letztlich hinaus. Die Arbeitgeberin ist nach dem Tarifvertrag - durch die Verwendung des Modalverbs "kann" - frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Sonderleistung in den geregelten Fällen kürzt oder nicht. So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er übertarifliche Leistungen überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei darüber entscheiden, ob und wann er sie vollständig wieder einstellt (BAG 23.06.2009 - 1 AZR 214/08 - Rn. 16; 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 31; 23.01.2008 - 1 ABR 82/06 - Rn. 24, 25 m.w.N.). Es verbleibt kein Finanzvolumen bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. Ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber eine Sonderleistung im Krankheitsfall zu erbringen hat, ist bereits tariflich festgelegt; ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, mit dem dieser eine andere (günstigere) Regelung für erkrankte Arbeitnehmer erreichen könnte, scheidet wegen § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG aus (LAG Rheinland-Pfalz 20.07.2017 – 5 TaBV 18/17 – Rn. 48 f., juris).

51

b) Entgegen der Ansicht der Berufung ist daher auch die Vereinbarung vom 04.07.2008 ohne Relevanz, wonach die Beklagte als Arbeitgeberin auf ihre Befugnis, die Sonderleistung im Falle einer länger als 6 Wochen dauernden Krankheitsfall kürzen zu können, verzichtet hat. Im Übrigen verfängt der Verweis auf dieses Vereinbarung unabhängig von ihrer Rechtsqualität schon deshalb nicht, da sie nach ihrem eindeutigen Wortlaut für die Laufzeit des früheren Manteltarifvertrags zeitlich befristet war. Die Vereinbarung ist daher seit dem Inkrafttreten des neuen und vorliegend maßgeblichen Manteltarifvertrags vom 03.11.2010 am 01.01.2011 für die Beklagte nicht mehr bindend gewesen.

52

3. Schließlich hat das Arbeitsgericht zu Recht auch das Vorliegen einer der vorgenommenen Kürzung entgegenstehenden betrieblichen Übung verneint. Denn allein aus dem Umstand, dass die Beklagte nach Inkrafttreten der jetzigen Kürzungsregelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV bei Überschreiten des nunmehr maßgeblichen Schwellenwerts von (insgesamt) 10 Wochen Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr die Kürzungsmöglichkeit erst seit dem Jahr 2015 vollständig umsetzt und damit zuvor zumindest über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren bei Vollzeitbeschäftigten die Sonderleistung nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag kürzte, reicht nicht für die Darlegung bzw. Annahme einer entsprechenden betrieblichen Übung aus.

53

Denn die Annahme einer betrieblichen Übung und damit von Ansprüchen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (insbesondere Zahlungen) des Arbeitgebers setzt stets voraus, dass die Arbeitnehmer aus den Verhaltensweisen des Arbeitgebers schließen können, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.

54

Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dementsprechend nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine betriebliche Übung grundsätzlich ebenfalls bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen kann (BAG 24.03.2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 17, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90). Allerdings muss dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers dann aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Zudem ist es Sache der klagenden Partei, die Anspruchsvoraussetzungen der betrieblichen Übung darzulegen. Dazu gehört auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen - etwa aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung - verpflichtet zu sein (vgl. BAG 23.08.2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 58, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10). Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten (vgl. BAG 29.08.2012 – 10 AZR 572/11, NZA 2013, 40, 41).

55

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze scheidet das Entstehen einer betrieblichen Übung durch die bis zum Jahr 2015 gehandhabten Praxis der Beklagten aus. Allein der Umstand, dass die Beklagte bei Überschreiten des Schwellenwertes von 50 Tagen bis dahin über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren eine Kürzung der Sondergratifikation nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag vornahm , lässt aus Empfängersicht keinen Rückschluss auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten unabhängig von der tarifvertraglichen Kürzungsregelung zu. Denn damit hat die Beklagte mangels besonderer Anhaltspunkte zunächst lediglich zu erkennen gegeben, dass sie (vermeintlich) die Vorgaben des Tarifvertrags zur Kürzungsmöglichkeit umsetzt, indem sie zunächst die Sonderleistung nur um die den Schwellenwert überschreitende Krankheitstage kürzte. Der Umstand, dass dies nicht der zutreffenden am vorrangigen Wortlaut orientierten Auslegung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV entspricht, ändert hieran nichts. Vielmehr stellt sich das gezeigte Verhaltend der Beklagten mangels Hinzutreten besonderer Umstände aus Empfängersicht allein als (vermeintlicher) Normenvollzug dar. Unabhängig von den nicht verlautbarten Vorstellungen des leistenden Arbeitgebers kann die Leistungsgewährung in einem solchen Fall nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung einer betrieblichen Übung mit dem Inhalt einer übertariflichen Verpflichtung wahrgenommen werden, da sie aus Sicht des Arbeitnehmers ausschließlich die Erfüllung eines vermeintlichen tarifvertraglichen Anspruchs darstellt. (vgl. std. Rspr. BAG 17.03.2010 – 5 AZR 317/09, BAGE 133, 337 ff. m.w.N.; MüKoBGB/Mülller-Glöge, 7. Aufl. 2016, § 611 BGB Rn. 414).

56

Schließlich sind sowohl die Klägerin als auch die weiteren Kläger/innen zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, die Beklagte sei schon nach § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV lediglich zur Kürzung im Umfang der über den Schwellenwert hinausgehenden Krankheitstage berechtigt. Sie sind somit selbst von einem Vollzug der tarifvertraglichen Regelung ausgegangen. Dies belegt einmal mehr, dass aus Sicht der Belegschaft die Beklagte mit der bis zum Jahr 2015 praktizierten Kürzung lediglich den Tarifvertrag vollzog, so dass kein Raum für das Herausbilden einer betrieblichen Übung bestand.

57

4. Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

III.

58

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1 ZPO.

59

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 20. Juli 2017 - 5 TaBV 18/17

bei uns veröffentlicht am 20.07.2017

Tenor Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 2. März 2017, Az. 7 BV 67/16, wird zurückgewiesen. Gründe I. 1 Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 100 ArbGG über die Einsetzung

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Sept. 2013 - 10 AZR 850/12

bei uns veröffentlicht am 25.09.2013

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. Juni 2012 - 8 Sa 273/12 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 28. Aug. 2013 - 10 AZR 701/12

bei uns veröffentlicht am 28.08.2013

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2012 - 8 Sa 97/12 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Dez. 2012 - 10 AZR 718/11

bei uns veröffentlicht am 12.12.2012

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Juni 2011 - 6 Sa 252/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Aug. 2011 - 3 AZR 650/09

bei uns veröffentlicht am 23.08.2011

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2009 - 1 Sa 142/09 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung un

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Apr. 2010 - 6 AZR 962/08

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. März 2010 - 10 AZR 43/09

bei uns veröffentlicht am 24.03.2010

Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 18. Dezember 2008 - 5 Sa 768/07 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. März 2010 - 5 AZR 317/09

bei uns veröffentlicht am 17.03.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. März 2009 - 3 Sa 244/08 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2012 - 8 Sa 97/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Ausmaß der Absenkung einer tariflichen Sonderzahlung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1990 in die Dienste der Beklagten, eines Automobilzulieferer-Unternehmens. Er ist bei ihr als Musterbauer beschäftigt. Sein monatliches Entgelt belief sich im maßgeblichen Zeitraum auf 2.678,50 Euro brutto.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der beiderseits tarifgebundenen Parteien findet ua. der Einheitliche Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ETV 13. ME) Anwendung. Nach § 2 Nr. 2.2 dieses Tarifvertrags steht dem Kläger eine Jahressonderzahlung in Höhe von 55 vH eines Monatsentgelts zu. In dem am 13. Dezember 2010 abgeschlossenen Standortsicherungstarifvertrag ist eine vorübergehende Absenkung dieses 13. Monatseinkommens für die Jahre 2010 bis 2014 vorgesehen. Der Tarifvertrag enthält, soweit von Belang, folgende Regelungen:

        

3.1   

Tarifliche Einmalzahlungen

        

3.1.1.

Die tariflichen Ansprüche auf

                 

die betriebliche Sonderzahlung gemäß § 2 des einheitlichen Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (ETV 13. ME) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden im Jahr 2010 um 10 Prozent sowie im Jahr 2011 um 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.

        

3.1.2.

Die tariflichen Ansprüche auf

                 

die zusätzliche Urlaubsvergütung gemäß § 14 Nr. 1. des einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden in den Jahren 2011 und 2012 um jeweils 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.

        

…       

        
        

3.2     

Kompensation der reduzierten tariflichen Einmalzahlungen durch zusätzliche Arbeitszeit

                 

Die Beschäftigten können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis zur Kompensation der Reduzierung der tariflichen Einmalzahlungen (betriebliche Sonderzahlung und zusätzliche Urlaubsvergütung) gemäß Ziffer 3.1 wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit leisten.

                 

…       

                 

Macht der Beschäftigte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, werden die tariflichen Einmalzahlungen gemäß Ziff. 3.1 über die angeführten Zeiträume hinaus bis zur Beendigung dieses Standortsicherungstarifvertrages weiterhin um jeweils 40 Prozent abgesenkt.

                 

…       

        

3.8     

AT-/ÜT-Beschäftigte, leitende Angestellte

                 

…       

                 

Die persönlichen Arbeitszeitkonten dieser Beschäftigten werden während der Laufzeit dieser Vereinbarung wie folgt mit Minusstunden belastet:

                          

2010   

15 Minusstunden

                          

2011   

40 Minusstunden

                          

2012   

40 Minusstunden

                          

2013   

40 Minusstunden

                          

2014   

20 Minusstunden.

                 

Soweit außertarifliche bzw. übertarifliche Beschäftigte Anspruch auf Zahlung eines Bonus haben, wird der Bonus um 40 % des individuellen regelmäßigen Bruttomonatsentgelts abgesenkt.

                 

Zur Kompensation der Reduzierung der Bonuszahlung können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit geleistet werden.

                 

...“   

4

Die Beklagte versteht die Regelungen des Standortsicherungstarifvertrags dahin, dass die tarifliche Sondervergütung im Jahr 2010 um 10 % bezogen auf das Monatsentgelt als Grundwert (100), demnach also - um 10 Prozentpunkte - von 55 vH eines Monatsentgelts auf 45 vH eines Monatsentgelts gesenkt wird. Sie hat deshalb für das Jahr 2010 den auf dieser Grundlage zutreffend errechneten Betrag von 1.205,32 Euro an den Kläger ausgezahlt.

5

Der Kläger vertritt demgegenüber eine Kürzung der Sonderzahlung um einen Prozentsatz von 10 vH bezogen auf einen Grundwert von 55 vH des Monatseinkommens, folglich um 5,5 vH auf 49,5 vH eines Monatsentgelts und verlangt hiernach 1.325,86 Euro abzüglich der gezahlten 1.205,32 Euro.

6

Nach Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass die Tarifvertragsparteien ihrer Vereinbarung  das Verständnis zugrunde gelegt haben, das die Beklagte als maßgebend ansieht.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Wortlaut der Regelungen im Standortsicherungstarifvertrag sei eindeutig. Angesichts der Grundsätze der Tarifauslegung sei der entgegenstehende Wille der Tarifvertragsparteien unbeachtlich.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. März 2012 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung ihrer Auffassung hat sie sich auf den vom Tarifwortlaut abweichenden übereinstimmenden Regelungswillen der Tarifparteien berufen. Dieser finde hinreichenden Ausdruck in Ziff. 3.2 des Standortsicherungstarifvertrags, wonach die Absenkung der tariflichen Leistungen wertgleich durch unbezahlte Mehrarbeit kompensiert werden könne. Eine annähernd wertgleiche Kompensation werde allein auf der Grundlage des übereinstimmenden Regelungswillens erreicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.

12

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die verlangte Zahlung von 120,54 Euro brutto. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nämlich § 2 Nr. 2.2 des ETV 13. ME in Verbindung mit Ziff. 3.1.1 des Standortsicherungstarifvertrags lägen nur dann vor, wenn der Tarifvertrag eine Absenkung des 13. Monatseinkommens auf 49,5 % eines Monatseinkommens vorsähe. Die Absenkung beträgt jedoch 10 vH bezogen auf das Monatseinkommen als Grundwert, sodass sich der Zahlungsanspruch auf den bereits geleisteten Betrag beschränkt. Das ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Norm.

13

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 92, 259) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat (BAG 8. März 1995 - 10 AZR 27/95 - zu II 2 a der Gründe). Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - Rn. 13).

14

2. Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass sich die im Standortsicherungstarifvertrag enthaltene Angabe der Prozentsätze 10 und 40, um die das 13. Monatseinkommen abgesenkt werden soll, auf das Monatsentgelt als Grundwert (100), nicht aber auf das 13. Einkommen bezieht. Angegeben sind mit den im Tarifvertrag angeführten Zahlenwerten die Prozentpunkte. Diese zeigen die Differenz der Relationen zwischen ungekürzter und gekürzter betrieblicher Sonderzahlung auf (55 vH -  10 vH = 45 vH bzw. 55 vH -  40 vH = 15 vH), nicht die Relation der Differenz, also das Verhältnis zwischen der vollen und der abgesenkten betrieblichen Sonderzahlung.

15

a) Der Wortlaut der Tarifnorm ist allerdings mehrdeutig. Er scheint auf den ersten Blick in die dem Kläger günstige Richtung zu weisen, weil die Vorschrift anordnet, die Absenkung solle 10 bzw. 40 Prozent „des jeweiligen individuellen Anspruchs“ betragen. Mit dem „individuellen Anspruch“ wird die betriebliche Sonderzahlung angesprochen. Indes unterscheidet bereits die Umgangssprache nicht immer deutlich zwischen „Prozent“ und „Prozentpunkt“. Auch in der Rechtspraxis schwankt der Sprachgebrauch; so wird in Klageschriften gelegentlich der Ausdruck „Prozent“ im Sinne des vom Gesetzgeber (vgl. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) gewählten Ausdrucks „Prozentpunkt“ benutzt (vgl. BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - zu VII 2 der Gründe, BAGE 109, 369). Der Wortlaut schließt damit eine Auslegung im Sinne des von der Beklagten für richtig gehaltenen Verständnisses nicht vollständig aus. Er ordnet nicht mit der vom Kläger in Anspruch genommenen Ausschließlichkeit an, eine andere Deutung komme unter keinen Umständen in Betracht.

16

b) Der Zusammenhang von Ziff. 3.1 des Standortsicherungstarifvertrags mit den weiteren Vorschriften macht deutlich, dass die Absenkung 10 bzw. 40 Prozentpunkte betragen soll. Ziff. 2 gibt den betroffenen Arbeitnehmern für die Zeit ab Juli 2012 die Möglichkeit, die Absenkung des 13. Monatseinkommens durch unentgeltliche Mehrarbeit zu kompensieren. Die Kompensation soll dabei „wertgleich“ erfolgen. Bei der Absenkung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatseinkommens um jeweils 40 vH vom Monatsentgelt wird genau der Betrag erreicht, der dem Wert der zur Kompensation vorgesehenen wöchentlichen Mehrarbeit von 2,5 Stunden in einem Zeitraum von zwölf Monaten entspricht. Die Absenkung wird also im Falle der Leistung unbezahlter zusätzlicher Arbeit exakt kompensiert. Die Kompensation ist daher „wertgleich“, wie der Tarifvertrag verlangt. Die vom Kläger bevorzugte Auslegung würde dagegen zu einer deutlichen Überkompensation führen. Die Arbeitnehmer müssten zB bei einem Monatsgehalt von 2.000,00 Euro Arbeitsstunden im Wert von 1.600,00 Euro erbringen, um eine Kürzung von 1.016,00 Euro auszugleichen.

17

c) Bei derartiger Lage spricht die Tarifgeschichte für das hier gewonnene Ergebnis (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29). Maßgeblich ist insoweit die vom Landesarbeitsgericht festgestellte, ausdrücklich erklärte Absicht der Tarifvertragsparteien, die Regelung so zu treffen, wie sie von der Beklagten angewandt worden ist.

18

d) Die Einwände der Revision gegen dieses Auslegungsergebnis greifen nicht durch. Dass der Kläger in den Jahren 2010 und 2011 keine Kompensation der Absenkung durch unbezahlte Mehrarbeit erreichen konnte, ist im Tarifvertrag ausdrücklich so geregelt. Es ändert an den für die Auslegung entscheidenden Gesichtspunkten nichts. Die Annahme, die Tarifvertragsparteien könnten bei identischem Wortlaut für die Jahre 2010 und 2011 eine andere Regelung als für die Jahre 2012 bis 2014 getroffen haben, liegt fern.

19

e) Die Ausführungen der Revision zum Zustandekommen des Standortsicherungstarifvertrags enthalten im Wesentlichen neuen Vortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigungsfähig ist. Abgesehen davon sind die Ausführungen auch unbehelflich. Aus ihnen geht allenfalls hervor, dass eine geringere Absenkung im Gespräch war. Der Kläger räumt aber selbst ein, dass eine Vereinbarung auf dieser Grundlage nicht zustande gekommen ist und in einer gemeinsamen Information von Betriebsrat und Werksleitung vom 10. Dezember 2010 - also drei Tage vor Abschluss des Tarifvertrags - eine Absenkung des 13. Monatseinkommens ausdrücklich auf „45 % des regelmäßigen Entgelts“ angekündigt wurde.

20

II. Die Kosten der Revision fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Schürmann    

        

    R. Bicknase    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.

3

In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.

4

Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:

        

㤠12 Strukturausgleich

        
        

(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        
        

(3) …

        
        

(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...

        
        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        
        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.

        
        

…       

        
        

Anlage 3 TVÜ-Bund

        
        

Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)

        
        

...

        
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

2       

X       

IX b nach 2 Jahren

OZ 2

23   

40 €

für 4 Jahre

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

8       

V c

ohne

OZ 2

39   

40 €

dauerhaft

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…“   

5

Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:

        

„1.

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.

        

2.   

1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“

6

Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.

7

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.   

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

        

2.   

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.

13

2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.

14

II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.

15

1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.

16

2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

17

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

18

4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.

19

5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.

20

a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.

21

b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.

22

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.

23

d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.

24

6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.

25

a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).

26

b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.

27

c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.

28

7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

29

8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.

30

9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.

31

10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

32

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).

33

11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 21. Juni 2012 - 8 Sa 273/12 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Herford vom 7. Februar 2012 - 3 Ca 193/11 - wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 2010.

2

Der Kläger ist seit 1988 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Manteltarifvertrag für die Entsorgungswirtschaft vom 15. Dezember 2008 (BMTV), gültig ab 1. Januar 2009, Anwendung.

3

Der BMTV lautet auszugsweise wie folgt:

§ 11 Krankenbezüge

(1) Bei Arbeitsunfähigkeit im Falle der Krankheit gelten die gesetzlichen Regelungen über die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall.

(2) Ist der Arbeitnehmer infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, erhält er vom Beginn der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit an einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den tatsächlichen Barleistungen des Sozialversicherungsträgers und der um die gesetzlichen Abzüge verminderten Vergütung. Berechnungsgrundlage ist das Urlaubsentgelt. Der Krankengeldzuschuss wird gezahlt bei einem nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursachten Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit im Sinne der SGB bis zum Ende der 26. Woche.

§ 13 Jahressonderzahlungen

(1) Als jährliche Sonderzahlungen werden 100 % … des Monatsentgelts bezahlt, das sich aus dem Durchschnitt des aufgrund der tariflichen Regelung gezahlten Entgelts der letzten vorausgegangenen 13 Wochen errechnet.

 Besteht das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres, so werden die Sonderzahlungen anteilig gekürzt. Der Zeitpunkt der Fälligkeit wird betrieblich geregelt.

(2) Beschäftigte, die zum 1.1.2009 oder später neu in den Betrieb eingestellt werden, erhalten entgegen der Regelung des Abs. 1 60 % des Monatsentgelts als jährliche Sonderzahlung, …

(3) Für ruhende Arbeitsverhältnisse (bei Wehrpflicht, Ersatzdienst, Elternzeit, unbezahltem Urlaub) besteht kein voller Anspruch auf die Jahressonderzahlungen. Der Anspruch wird bei teilweiser Tätigkeit insoweit gezwölftelt und anteilig für die Monate gewährt, in denen ganz oder teilweise gearbeitet worden ist.

(4) Günstigere Regelungen bis zu einem Aufstockungsbetrag von höchstens 100 % des durchschnittlichen Monatsentgeltes können durch die Betriebsparteien mittels Betriebsvereinbarung geregelt werden.“

4

Der Kläger war im Kalenderjahr 2010 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt. Einen Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld nach § 11 Abs. 2 BMTV hatte er nicht. Eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 hat die Beklagte nicht geleistet.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Jahressonderzahlung stehe ihm unabhängig von der Erbringung von Arbeitsleistung zu. Sein Arbeitsverhältnis habe während des gesamten Kalenderjahres 2010 bestanden und habe auch nicht geruht. Die Tarifvertragsparteien könnten selbst festlegen, welche Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Sonderzahlung auswirken sollten. Für Zeiten der lang andauernden Arbeitsunfähigkeit sei eine Kürzung auch nach Ende der Entgeltfortzahlung tariflich nicht vorgesehen.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.316,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2010 zu zahlen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Tarifvertragsparteien wollten die Sonderzahlung bzw. deren Höhe mit der tatsächlichen Tätigkeit verknüpfen. Dies ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der Tarifnorm. Bei der Jahressonderzahlung handle es sich um reine Vergütung, die - außer an die Arbeitsleistung - nicht an den Eintritt weiterer Bedingungen geknüpft sei.

8

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet. Dem Kläger steht gemäß § 13 Abs. 1 BMTV eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 2.316,72 Euro brutto nebst Zinsen zu. Die durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahr 2010 steht dem Anspruch nicht entgegen. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Vorschriften.

10

I. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Jahressonderzahlung gewährt wird und welche Tatbestände ggf. zu einer Kürzung führen (zu den Grenzen zB BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 31 ff.; vgl. auch § 4a EFZG). Insbesondere sind sie dabei in der Entscheidung frei, ob die Erbringung von Arbeitsleistung Voraussetzung für einen Sonderzahlungsanspruch ist (vgl. zu Sonderzahlungen mit Mischcharakter: grundlegend BAG 5. August 1992 - 10 AZR 88/90 - BAGE 71, 78; zuletzt 14. März 2012 - 10 AZR 112/11 - Rn. 12).

11

1. Nach § 13 BMTV werden in den alten Bundesländern 100 % eines durchschnittlichen Monatsentgelts gezahlt, wenn bestimmte Anspruchsvoraussetzungen vorliegen bzw. Kürzungstatbetände nicht bestehen. Nach dem Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 27. Juli 2011 - 10 AZR 484/10 - Rn. 14), ist die Erbringung einer bestimmten Menge an Arbeitsleistung im bestehenden, nicht ruhenden Arbeitsverhältnis weder als Anspruchsvoraussetzung benannt noch wird deren Fehlen als Grund für die Kürzung der Leistung aufgeführt.

12

a) Nach § 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 BMTV erfolgt eine anteilige Kürzung, wenn das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres besteht. Im Fall der Arbeitsunfähigkeit im laufenden Arbeitsverhältnis scheidet die Anwendung dieser Norm auch nach dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraums gemäß § 3 EFZG aus, da der Bestand des Arbeitsverhältnisses dadurch nicht berührt wird.

13

b) § 13 Abs. 3 Satz 1 BMTV bestimmt, dass für ruhende Arbeitsverhältnisse kein voller Anspruch auf die Jahressonderzahlung besteht. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat im Jahr 2010 nicht geruht.

14

Das „Ruhen“ des Arbeitsverhältnisses ist ein in der Rechtssprache gebräuchlicher Begriff. Ein Arbeitsverhältnis ruht, wenn die wechselseitigen Hauptpflichten kraft Gesetzes oder (ggf. konkludenter) vertraglicher Vereinbarung suspendiert sind und somit der jeweilige Gläubiger von seinem Schuldner die Erbringung der Leistung nicht mehr verlangen und durchsetzen kann (BAG 9. August 1995 - 10 AZR 539/94 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 80, 308; vgl. auch 25. Februar 1998 - 10 AZR 298/97 -). Verwenden die Tarifvertragsparteien - wie hier - einen Rechtsbegriff, ist anzunehmen, dass sie ihn in seiner rechtlichen Bedeutung verwenden wollen (st. Rspr., vgl. zB BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 841/09 - Rn. 15). Bei den im Klammerzusatz benannten Tatbeständen handelt es sich um Fälle ruhender Arbeitsverhältnisse im rechtlichen Sinn. Dies ergibt sich entweder unmittelbar aus gesetzlichen Vorschriften (zB § 1 Abs. 1 ArbPlSchG für Wehrpflicht und Ersatzdienst) oder entspricht ständiger Rechtsprechung (für Elternzeit: zB BAG 15. April 2008 - 9 AZR 380/07 - Rn. 31, BAGE 126, 276; 19. April 2005 - 9 AZR 233/04 - zu II 3 b dd der Gründe, BAGE 114, 206; für unbezahlten Urlaub: zB BAG 22. August 2012 - 5 AZR 652/11 - Rn. 17; 25. Februar 2004 - 5 AZR 160/03 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 109, 362). Im Fall einer über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehenden Erkrankung ruht das Arbeitsverhältnis demgegenüber grundsätzlich nicht, sondern auf Seiten des Arbeitnehmers liegt eine Leistungsstörung vor (st. Rspr., vgl. nur BAG 23. August 1990 - 6 AZR 124/89 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 66, 34; 9. August 1995 - 10 AZR 539/94 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 80, 308). Dementsprechend ist dieser Fall im Klammerzusatz nicht benannt.

15

c) § 13 Abs. 3 Satz 2 BMTV stellt hingegen nach seinem eindeutigen Wortlaut keine eigenständige Kürzungsregelung bei „teilweiser Tätigkeit“ dar, sondern bestimmt lediglich(„insoweit“) was geschieht, wenn das Arbeitsverhältnis nach § 13 Abs. 3 Satz 1 volle oder anteilige Monate ruht(aA ohne Berücksichtigung des Wortlauts: LAG Hamm 13. Dezember 2007 - 15 Sa 1778/07 -). Der Begriff der „teilweisen Tätigkeit“ wäre zudem im Rahmen einer eigenständigen Regelung kaum fassbar.

16

d) Allerdings könnte der Wortlaut des letzten Halbsatzes des § 13 Abs. 1 Unterabs. 1 BMTV einen Anhaltspunkt dafür bieten, dass es auf die tatsächliche Arbeitsleistung ankommt, da sich die Höhe der Leistung aus dem Durchschnitt des „gezahlten Entgelts der letzten vorausgegangenen 13 Wochen errechnet“. Zwar wird auch hier nicht ausdrücklich die Erbringung einer Arbeitsleistung angesprochen; die Zahlung von Entgelt setzt aber regelmäßig Arbeitsleistung oder zumindest einen Entgeltersatzanspruch voraus. Der Annahme, dass in § 13 Abs. 1 Unterabs. 1 letzter Halbsatz BMTV eine weitere Anspruchsvoraussetzung normiert wurde, steht jedoch die Systematik der Tarifnormen entgegen (dazu sogleich zu 2).

17

2. Die Systematik der tariflichen Regelung lässt keinen Schluss darauf zu, dass eine Kürzung bei lang andauernder Erkrankung erfolgt.

18

a) Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Norm erschließt, bestimmt § 13 Abs. 1 Unterabs. 1 letzter Halbsatz BMTV lediglich die Höhe des Anspruchs, es handelt sich um eine bloße Berechnungsvorschrift. Die Bestimmung, was 100 % eines Durchschnittsentgelts sind, knüpft grundsätzlich an das Entgelt der letzten vorausgegangenen 13 Wochen an. Ein Entgeltanspruch in diesem Zeitraum ist im laufenden Arbeitsverhältnis der Normalfall (vgl. zB auch § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG). Als Anspruchsvoraussetzung kann diese Regelung schon deshalb nicht verstanden werden, weil sonst sowohl im Anwendungsbereich des § 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 BMTV als auch des § 13 Abs. 3 BMTV kein anteiliger Sonderzahlungsanspruch bestehen würde, wenn in den 13 Wochen vor Fälligkeit der Sonderzahlung kein Vergütungsanspruch bestanden hat. Eine solche Auslegung wäre mit der Gewährung eines anteiligen Anspruchs nach diesen Normen unvereinbar.

19

b) Anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, lässt sich aus der Systematik auch nicht die Erbringung der Arbeitsleistung (oder der Anspruch auf Entgeltersatzleistungen) als „stillschweigende“ weitere Anspruchsvoraussetzung nach dem allgemeinen Grundsatz „kein Entgelt ohne Arbeit“ entnehmen. Die Tarifvertragsparteien haben detailliert geregelt, in welchen Fällen der Anspruch entfällt oder zu kürzen ist. Der Fall der lang andauernden Erkrankung ist nicht darunter, obwohl den Tarifvertragsparteien diese Problematik präsent war. Dies zeigt ein Blick in § 11 BMTV: Dort wird unter der Überschrift „Krankenbezüge“ zunächst die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall(§ 11 Abs. 1 BMTV) behandelt und insoweit auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen. In § 11 Abs. 2 BMTV wird sodann eine Regelung für bestimmte Fälle getroffen, in denen ein Arbeitnehmer länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist, und ein Zuschuss zum Krankengeld gewährt. Es erscheint deshalb fernliegend, dass die Tarifvertragsparteien eine solche, in der betrieblichen Praxis nicht seltene Fallkonstellation nicht aufnehmen, wenn sie zum Anspruchsverlust oder zur Anspruchskürzung im Rahmen von § 13 BMTV führen soll. Aus dem Schweigen des Tarifvertrags kann hier nicht auf eine Kürzung geschlossen werden (vgl. zu Fallgestaltungen, in denen Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlungsanspruch in Tarifnormen zum Anspruchsverlust führen: BAG 21. Mai 2008 - 5 AZR 187/07 - Rn. 4, BAGE 126, 375; 23. April 2008 - 10 AZR 258/07 - Rn. 4, BAGE 126, 301; 25. April 2007 - 10 AZR 110/06 - Rn. 3, 18).

20

3. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung zwingen nicht zu einer anderen Auslegung. Zwar spricht einiges dafür, dass die Jahressonderzahlung nach dem Tarifvertrag hauptsächlich als Vergütung für geleistete Arbeit ausgestaltet ist (vgl. § 13 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 3 BMTV). Die Tarifnorm beschränkt sich allerdings nicht darauf, einen solchen zusätzlichen Vergütungsanspruch zu gewähren (wie zB beim 13. Monatsgehalt; vgl. dazu BAG 21. März 2001 - 10 AZR 28/00 - BAGE 97, 211), sondern formt diesen gleichzeitig durch Tatbestandsvoraussetzungen und Kürzungsregelungen näher aus. Auf diese kommt es maßgeblich an, um den von den Tarifvertragsparteien der Norm zugrunde gelegten Sinn und Zweck festzustellen. Gerade der Umstand, dass die typische Fallgestaltung der lang andauernden Erkrankung gleichwohl nicht zum Anlass für eine Kürzung genommen wurde, lässt den Schluss zu, dass es sich nicht ausschließlich um Vergütung für geleistete Arbeit handelt, sondern weitere Aspekte bei der Leistungsgewährung eine Rolle spielen („Mischcharakter“). Im Übrigen wäre § 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 BMTV „überflüssig und unverständlich“, wenn es sich um eine rein arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung handeln würde (so der Senat ausdrücklich zur Vorgängerregelung § 12 BMTV vom 3. Mai 1989: BAG 16. März 1994 - 10 AZR 669/92 - zu 5 der Gründe, BAGE 76, 134). Dass die Leistung und deren Höhe nicht allein an den Umfang der Arbeitsleistung anknüpft, zeigt sich auch daran, dass Beschäftigte in den neuen Bundesländern eine prozentual geringere Leistung erhalten, selbst wenn sie in vollem Umfang Arbeitsleistung erbringen (§ 13 Abs. 1 Unterabs. 1 BMTV). Gleiches gilt für Beschäftigte, die ab dem 1. Januar 2009 neu eingestellt werden (§ 13 Abs. 2 BMTV).

21

4. Aus der Tarifgeschichte ergeben sich deutliche Indizien für diese Auslegung.

22

§ 12 des Bundes-Manteltarifvertrags für private Städtereinigungsbetriebe vom 3. Mai 1989 (BMTV 1989) sah eine Jahressonderzahlung in Höhe von 100 % des Monatsentgelts vor; die Regelung entspricht - soweit relevant - fast wörtlich § 13 Abs. 1 BMTV. Eine Bestimmung über ruhende Arbeitsverhältnisse - vergleichbar mit § 13 Abs. 3 BMTV - war nicht enthalten. Dazu hat der Senat durch Urteil vom 16. März 1994 (- 10 AZR 669/92 - BAGE 76, 134) entschieden, dass eine lang andauernde Erkrankung ohne Entgeltfortzahlung dem Anspruch nicht entgegensteht; eine solche Anspruchsvoraussetzung könne dem Tarifvertrag nicht entnommen werden. Der BMTV 1989 wurde durch den Bundes-Manteltarifvertrag für die Entsorgungswirtschaft vom 16. September 1996 (BMTV 1996), gültig ab 1. September 1996, abgelöst. In diesen wurde als § 12 Abs. 2 eine dem § 13 Abs. 3 BMTV entsprechende Kürzungsregelung bei ruhenden Arbeitsverhältnissen eingefügt. Änderungen im Hinblick auf die streitgegenständliche Problematik erfolgten hingegen nicht, obwohl der Senat in seiner Entscheidung vom 16. März 1994 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass eine Kürzung entsprechende Regelungen voraussetzt. Im Nachfolgetarifvertrag vom 31. Oktober 2001 (BMTV 2001), in Kraft getreten ab 1. Januar 2002, sind ebenso wenig für die Streitfrage erhebliche Änderungen erfolgt wie im streitgegenständlichen BMTV vom 15. Dezember 2008.

23

II. Die Höhe des Anspruchs ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass der Anspruch betrieblich gemäß § 13 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 BMTV mit der Novemberabrechnung fällig ist.

24

III. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Simon    

        

    A. Effenberger    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 28. Juni 2011 - 6 Sa 252/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2009.

2

Der am 22. Oktober 1944 geborene Kläger war bei der beklagten Stadt seit 1968 als Angestellter im technischen Dienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für kommunale Arbeitgeber geltenden Fassung (VKA) kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Zum 31. Oktober 2009 schied der Kläger gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD wegen Erreichens der gesetzlichen Regelaltersgrenze aus dem Arbeitsverhältnis aus.

3

§ 20 TVöD lautet auszugsweise:

        

„§ 20 

        

Jahressonderzahlung

        

(1)     

Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

        

(2)     

Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, …“

4

Für das Jahr 2009 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen dessen Ausscheidens keine Jahressonderzahlung.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD benachteilige ihn aufgrund seines Alters. Es liege bereits eine unmittelbare Benachteiligung vor, weil Arbeitnehmer, die wegen Erreichens der Altersgrenze vor dem 1. Dezember eines Jahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 TVöD nicht erfüllen könnten. Jedenfalls führe die Regelung zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Diese könnten die Jahressonderzahlung im letzten Beschäftigungsjahr in deutlich weniger Fällen beanspruchen als jüngere Arbeitnehmer. Anders als jüngere Arbeitnehmer, die eine Eigenkündigung aussprechen oder einen Aufhebungsvertrag abschließen, könnten ältere Arbeitnehmer den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Regelaltersgrenze nicht selbst steuern. Auch würden Stellen im öffentlichen Dienst ganz überwiegend nicht nachbesetzt. Darüber hinaus benachteilige § 20 Abs. 1 TVöD ältere Arbeitnehmer, die vor dem 1. Dezember eines Jahres altersbedingt ausscheiden, gegenüber anderen älteren Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Dezember altersbedingt endet. Zudem folge der Anspruch aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Durch die Stichtagsregelung würden Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage unterschiedlich behandelt.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.310,38 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD sei wirksam. Die Norm benachteilige ältere Arbeitnehmer nicht unmittelbar, weil sie nicht auf das Alter, sondern auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses als differenzierendes Kriterium abstelle. Sie führe auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Jedenfalls sei eine etwaige Ungleichbehandlung gerechtfertigt. Da mit der Jahressonderzahlung Betriebstreue belohnt werden solle, dürfe zwischen beendeten und bestehenden Arbeitsverhältnissen differenziert werden.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine tarifliche Jahressonderzahlung aus § 20 Abs. 1 TVöD für das Jahr 2009. Die Tarifnorm ist wirksam. Ebenso wenig besteht ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Höhe oder ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

10

I. Ein Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 20 Abs. 1 TVöD. Die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Sie ist auch mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.

11

1. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 20 Abs. 1 TVöD waren im Jahr 2009 nicht erfüllt, weil der Kläger am 1. Dezember 2009 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand. Dieses endete gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD am 31. Oktober 2009, nachdem der Kläger am 22. Oktober 2009 das 65. Lebensjahr vollendet und somit die Regelaltersgrenze (§ 235 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) erreicht hatte. Die Befristung des Arbeitsvertrags aufgrund der tariflichen Altersgrenze gilt schon deshalb nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam, weil der Kläger keine Befristungskontrollklage erhoben hat (vgl. zur Anwendbarkeit von § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG im Falle tariflicher Altersgrenzen: BAG 18. Januar 2012 - 7 AZR 211/09 - Rn. 13 ff., AP TzBfG § 14 Nr. 92 = EzA TzBfG § 17 Nr. 16). Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2009 wird vom Kläger auch nicht in Frage gestellt.

12

2. Die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung ist nicht gemäß § 7 AGG unwirksam.

13

a) Gemäß § 7 Abs. 1 Halbs. 1 iVm. § 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen des Alters benachteiligt werden. Nach § 7 Abs. 2 AGG sind Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, unwirksam. § 7 Abs. 2 AGG gilt auch für Tarifverträge(BAG 11. August 2009 - 3 AZR 23/08 - Rn. 33, BAGE 131, 298). Wenn gesetzliche oder tarifvertragliche Regelungen eine mit einer Richtlinie unvereinbare Diskriminierung vorsehen, sind die nationalen Gerichte gehalten, die Diskriminierung auf jede denkbare Weise und insbesondere dadurch auszuschließen, dass sie die Regelung für die nicht benachteiligte Gruppe auch auf die benachteiligte Gruppe anwenden, ohne die Beseitigung der Diskriminierung durch den Gesetzgeber, die Tarifvertragsparteien oder in anderer Weise abzuwarten (vgl. BAG 20. März 2012 -  9 AZR 529/10 - Rn. 28 mwN, EzA AGG § 10 Nr. 5; zur Frage der Beseitigung der Diskriminierung für die Zukunft: vgl. auch BAG 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - Rn. 28, AP BAT § 27 Nr. 12 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 25). Ein Verstoß der Stichtagsregelung gegen das Benachteiligungsverbot hätte danach zur Folge, dass die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung ersatzlos entfiele und der Kläger einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung hätte, deren Höhe sich nach den in § 20 Abs. 4 TVöD niedergelegten Grundsätzen richten würde.

14

b) § 20 Abs. 1 TVöD ist am Maßstab des AGG zu messen.

15

aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG gelten die Diskriminierungsverbote der §§ 1, 7 AGG auch für Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts. Zum Arbeitsentgelt in diesem Sinne zählen Gratifikationen und Sondervergütungen (Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 2 Rn. 9).

16

bb) § 20 TVöD trat gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD zum 1. Januar 2007 und damit nach Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 in Kraft. Im Übrigen ist die hier geltend gemachte Benachteiligung erst im Jahr 2009 eingetreten. Für die Anwendbarkeit des AGG ist nicht der Zeitpunkt des Abschlusses des Tarifvertrags, sondern der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung maßgeblich (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 12, EzA AGG § 10 Nr. 5; 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 33, BAGE 129, 72 ).

17

c) Eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 AGG liegt nicht vor.

18

aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14 mwN, EzA AGG § 10 Nr. 5). Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters liegt vor, wenn die Beschäftigungsbedingungen unter Bezug auf ein bestimmtes Lebensalter oder ein Kriterium, das untrennbar mit dem Lebensalter verbunden ist, unterschiedlich ausgestaltet werden (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14 f. aaO; 30. November 2010 - 3 AZR 754/08 - Rn. 25, AP BetrAVG § 16 Nr. 72 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 57; vgl. EuGH 12. Oktober 2010 - C-499/08 - [Andersen] Rn. 23, Slg. 2010, I-9343).

19

bb) Nach diesen Grundsätzen führt die Differenzierung in § 20 Abs. 1 TVöD nicht zu einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters. Die Vorschrift knüpft nicht an ein bestimmtes Lebensalter an; sie stützt sich auch nicht auf ein Kriterium, das untrennbar mit dem Lebensalter verbunden ist. Anknüpfungstatbestand ist vielmehr der Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag. § 20 Abs. 1 TVöD unterscheidet zwischen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis am 1. Dezember eines Jahres besteht, und solchen Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis nach diesem Zeitpunkt beginnt oder vor diesem Zeitpunkt geendet hat. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist dabei nicht maßgeblich. Beendigungen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD wegen Erreichens der Regelaltersgrenze führen ebenso zum Verlust des Anspruchs auf die Jahressonderzahlung wie die Beendigung aus anderen Gründen, beispielsweise aufgrund Eigenkündigung des Arbeitnehmers, Kündigung des Arbeitgebers oder Erreichens des Befristungsendes gemäß § 15 Abs. 1 TzBfG.

20

d) Die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD führt auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung älterer Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 2 AGG.

21

aa) Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften ihrem Wesen nach geeignet sind, Personen oder Personengruppen aus den in § 1 AGG genannten Gründen in besonderer Weise zu benachteiligen. Dies kann der Fall sein, wenn Vorschriften im Wesentlichen oder ganz überwiegend Personen, die eines der verpönten Merkmale erfüllen, betreffen, wenn sie an Voraussetzungen knüpfen, die von Personen, die von § 1 AGG nicht erfasst sind, leichter erfüllt werden oder wenn sich die Tatbestandsvoraussetzungen einer Norm besonders zum Nachteil von Personen, für die ein Merkmal des § 1 AGG gilt, auswirken(BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 27, BAGE 137, 80; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 21, BAGE 134, 160). Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 2 AGG ist nicht zwingend ein statistischer Nachweis erforderlich, dass Träger eines der Merkmale des § 1 AGG zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden als Personen, bei denen dieses Merkmal nicht vorliegt. Mittelbare Diskriminierungen können statistisch nachgewiesen werden, können sich aber auch aus anderen Umständen ergeben (BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - aaO; 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, aaO).

22

Zur Feststellung, ob eine mittelbare Benachteiligung vorliegt, sind Vergleichsgruppen zu bilden, die dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sind. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Der Gesamtheit der Personen, die von der Regelung erfasst werden, ist die Gesamtheit der Personen gegenüberzustellen, die durch die Regelung benachteiligt werden. Im Vergleich dieser Gruppen ist zu prüfen, ob die Träger eines Merkmals des § 1 AGG im oben genannten Sinn besonders benachteiligt sind(BAG 27. Januar 2011 - 6 AZR 526/09 - Rn. 28 mwN, BAGE 137, 80).

23

bb) Die Kausalität zwischen Benachteiligung und verpöntem Merkmal hat der Beschäftigte als Anspruchsteller darzulegen (vgl. allg. Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. Vor § 284 Rn. 17a; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt § 22 Rn. 21). Er genügt seiner Darlegungslast gemäß § 22 AGG, wenn er Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals erfolgte (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 32, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 65, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2). Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Würdigung, ob die klagende Partei ihrer Darlegungslast nach § 22 AGG genügt hat, ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34, aaO; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 64, aaO).

24

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe eine mittelbare Benachteiligung nicht hinreichend dargelegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

25

(1) Zu vergleichen ist vorliegend die Gruppe aller Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse dem TVöD unterliegen, mit der Gruppe derjenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse vor dem 1. Dezember eines Jahres enden und die daher gemäß § 20 Abs. 1 TVöD keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung haben.

26

(2) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass im Vergleich dieser Gruppen ältere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aufgrund des Erreichens der Regelaltersgrenze enden, von der Stichtagsregelung des § 20 Abs. 1 TVöD in besonderer Weise betroffen sind. Eine besonders nachteilige Betroffenheit dieser Arbeitnehmer ist auch nicht offenkundig. § 20 Abs. 1 TVöD unterscheidet nicht nach dem Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aus anderen Gründen als dem Erreichen der Regelaltersgrenze vor dem 1. Dezember eines Jahres enden, haben ebenfalls keinen Anspruch auf die Jahressonderzahlung. Es ist nicht erkennbar, dass die dem TVöD unterfallenden Arbeitsverhältnisse ganz überwiegend gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD enden. Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst werden regelmäßig auch auf anderem Wege beendet. Dies belegt der TVöD selbst, der neben der Regelung des § 33 Abs. 1 Buchst. a Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Auflösungsvertrag (§ 33 Abs. 1 Buchst. b TVöD), Kündigung (§ 34 TVöD) und Befristung (§ 30 TVöD) sowie bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente (§ 33 Abs. 2 TVöD) enthält. Angesichts der Vielzahl möglicher Beendigungsgründe kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD endet, die Jahressonderzahlung typischerweise häufiger verlieren als (jüngere) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse aus anderen Gründen enden.

27

(3) Der Kläger hat auch keine ausreichenden Indizien für diese Behauptung vorgetragen. Sein Vorbringen, Stellen im öffentlichen Dienst würden überwiegend nicht neu besetzt, ist nicht zielführend, weil es keinen Schluss darauf zulässt, auf welche Weise die betreffenden Arbeitsverhältnisse beendet wurden. Der Hinweis, im Gegensatz zu Arbeitnehmern, die nach § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, könnten jüngere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag enden, den Beendigungszeitpunkt steuern, indiziert keine Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Zum einen handelt es sich bei der Beendigung durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag nur um einen Teil der möglichen Beendigungsgründe; bei anderen Beendigungstatbeständen wie zB einer arbeitgeberseitigen Kündigung oder einer Befristung können auch jüngere Arbeitnehmer den Zeitpunkt ihres Ausscheidens nicht steuern. Darüber hinaus ist nicht offenkundig, und der Kläger hat dies selbst nicht behauptet, dass jüngere Arbeitnehmer bei Eigenkündigungen und Aufhebungsverträgen in der Praxis tatsächlich von der Möglichkeit Gebrauch machen, das Ende des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD zu steuern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Arbeitnehmer den Ausspruch einer Kündigung und den Abschluss eines Aufhebungsvertrags in der Regel nur in besonderen Situationen, wie zB bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber, in Betracht ziehen wird. Hier fehlt dem Arbeitnehmer aber typischerweise die Flexibilität, das Ende des Arbeitsverhältnisses mit Blick auf die in § 20 Abs. 1 TVöD statuierte Voraussetzung für den Erhalt der Jahressonderzahlung festzulegen.

28

(4) Die vom Kläger geltend gemachte Benachteiligung der Arbeitnehmer, die vor dem 1. Dezember eines Jahres altersbedingt ausscheiden, gegenüber Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 1. Dezember altersbedingt endet, kann eine mittelbar diskriminierende Wirkung des § 20 Abs. 1 TVöD ebenfalls nicht begründen. Nach den oben dargelegten Grundsätzen müssen die Vergleichsgruppen dem persönlichen Geltungsbereich der Differenzierungsregel entsprechend zusammengesetzt sein. Bei Tarifverträgen ist deshalb auf den gesamten Kreis der von der fraglichen Bestimmung erfassten Normunterworfenen abzustellen. Diesen Anforderungen genügt die vom Kläger vorgenommene Gruppenbildung nicht, weil sie die ebenfalls von § 20 Abs. 1 TVöD erfasste Beendigung von Arbeitsverhältnissen aus anderen Gründen als dem Erreichen der Regelaltersgrenze des § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD außer Betracht lässt.

29

dd) Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen zulässig sind, da sie in der Sache ohne Erfolg bleiben. Auch der Vortrag in der Revisionsbegründung ist aus den oben genannten Gründen nicht geeignet, Anhaltspunkte für eine mittelbare Diskriminierung zu begründen, sodass es auf die behauptete Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch das Landesarbeitsgericht nicht ankommt. Gleiches gilt im Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Beweisantrag. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es auf die Behauptung, frei werdende Stellen im öffentlichen Dienst würden überwiegend nicht nachbesetzt, nicht ankommt, weil sie keinen Schluss darauf zulässt, dass ältere Arbeitnehmer durch die Stichtagsregelung besonders nachteilig betroffen sind.

30

3. Die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Stichtagsregelung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG.

31

a) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Jedenfalls verpflichtet die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte dazu, den einzelnen Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung seiner Freiheitsrechte und einer gleichheitswidrigen Regelbildung auch durch privatautonom legitimierte Normsetzung zu bewahren. Die Tarifvertragsparteien haben daher bei der tariflichen Normsetzung sowohl den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG und die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG als auch die Freiheitsgrundrechte wie Art. 12 GG zu beachten(BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr. 19; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270; 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - zu II 2 der Gründe, BAGE 111, 8).

32

aa) Allerdings steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maße verfügen. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr. 19; 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - Rn. 29, BAGE 136, 270). Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung (BAG 8. Dezember 2010 - 7 AZR 438/09 - aaO; 4. Mai 2010 - 9 AZR 181/09 - Rn. 23, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 46 = EzA GG Art. 3 Nr. 110). Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - aaO).

33

bb) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist vor diesem Hintergrund erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Verkehrsgewerbe Nr. 19; 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 27, AP GG Art. 3 Nr. 323). Die Tarifvertragsparteien dürfen bei der Gruppenbildung generalisieren und typisieren. Die Differenzierungsmerkmale müssen allerdings im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 22 mwN, aaO).

34

cc) Auch bei der Prüfung, ob eine Tarifnorm gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstößt, ist der weite Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen. Dieser ist erst überschritten, wenn die Regelung auch unter Berücksichtigung der grundgesetzlich gewährleisteten Tarifautonomie ( Art. 9 Abs. 3 GG ) und der daraus resultierenden Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien die berufliche Freiheit der Arbeitnehmer unverhältnismäßig einschränkt (vgl. BAG 19. Dezember 2006 - 9 AZR 356/06 - Rn. 35, 37, AP TzBfG § 8 Nr. 20 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 56).

35

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die in § 20 Abs. 1 TVöD enthaltene Bindung des Anspruchs auf eine Jahressonderzahlung an einen Stichtag im Bezugszeitraum mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

36

aa) Die Jahressonderzahlung nach § 20 TVöD stellt eine Gegenleistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung dar und hat Vergütungscharakter(zum insoweit gleichlautenden § 20 TV-L: BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 922/11 -; 10. November 2010 - 5 AZR 633/09 - Rn. 28, ZTR 2011, 150; Sponer/Steinherr TVöD Stand Oktober 2012 (Geyer) Ordner 3 § 20 Rn. 138; zu § 44 BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 17, EzA ZPO 2002 § 850a Nr. 2). Dies zeigt die Kürzungsvorschrift des § 20 Abs. 4 TVöD. Hat ein Arbeitnehmer ganzjährig keinen Anspruch auf Entgelt, erhält er, sofern nicht die Ausnahmen des § 20 Abs. 4 Satz 2 TVöD greifen, keine Jahressonderzahlung. Gleichzeitig wird mit der Jahressonderzahlung Betriebstreue honoriert (vgl. zu § 44 BT-S: BAG 14. März 2012 - 10 AZR 778/10 - Rn. 18, aaO; vgl. zum TV Zuwendung: BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - zu II 2 c bb der Gründe, BAGE 92, 218). Dies belegt die Stichtagsregelung in § 20 Abs. 1 TVöD, die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt. Darüber hinaus sollen die Mitarbeiter durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert werden (Sponer/Steinherr § 20 Rn. 80; vgl. zu diesem Motivationsgedanken auch: BAG 23. Mai 2007 - 10 AZR 363/06 - Rn. 27, AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 24; 8. März 1995 - 10 AZR 208/94 - zu I 2 b der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 184 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 131; 26. Oktober 1994 - 10 AZR 109/93 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 167 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 115).

37

bb) Angesichts dieser Zwecke, die mit der Jahressonderzahlung verfolgt werden, ist die Differenzierung zwischen Beschäftigten, die vor dem 1. Dezember eines Jahres ausscheiden, und Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis am 1. Dezember eines Jahres noch besteht, sachlich gerechtfertigt. Ihren Zweck, Betriebstreue zu belohnen und die Mitarbeiter auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, kann die Jahressonderzahlung bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht erfüllen. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien wird damit nicht überschritten.

38

cc) Eine andere Beurteilung ist nicht wegen der vom Kläger in den Vorinstanzen beanstandeten Regelung in § 20 Abs. 6 TVöD gerechtfertigt. Die Bevorzugung von Arbeitnehmern, die bis zum 31. März 2005 Altersteilzeit vereinbart hatten, innerhalb der Gruppe von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis wegen Rentenbezugs vor dem 1. Dezember endet, ist aus Gründen des Vertrauensschutzes sachlich gerechtfertigt. Nachdem die Tarifvertragsparteien am 9. Februar 2005 eine Grundsatzeinigung über den Tarifvertrag erzielt hatten, sollte mit der Regelung Rücksicht genommen werden auf diejenigen Beschäftigten, die nach bisherigem Recht beim Übertritt von der Altersteilzeit in die Rente eine Teilzuwendung erwarten konnten und hierauf ggf. ihre Altersteilzeitvereinbarung gestützt hatten (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Juli 2012 Ordner 3 § 20 Rn. 178). Arbeitnehmer, die ohne Altersteilzeitvereinbarung wegen Rentenbezugs aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, befinden sich nicht in einer vergleichbaren Lage.

39

c) Ebenso wenig verstößt die Stichtagsregelung gegen Art. 12 Abs. 1 GG.

40

aa) Die Regelung greift allerdings in die Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ein. Art. 12 Abs. 1 GG schützt mit der Freiheit der Arbeitsplatzwahl auch den Entschluss des einzelnen Arbeitnehmers, an welcher Stelle er dem gewählten Beruf nachgehen möchte. Dies umfasst seine Entscheidung, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in einem gewählten Beruf beizubehalten oder aufzugeben (BVerfG 24. April 1991 - 1 BvR 1341/90 - zu C III 1 der Gründe, BVerfGE 84, 133 ). Diese Freiheit wird durch § 20 Abs. 1 TVöD beeinträchtigt, weil mit dieser Regelung die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe des Arbeitnehmers verzögert oder verhindert werden soll(vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Allgemeinen Geschäftsbedingungen: BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - Rn. 27, EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31; vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 30, BAGE 137, 300).

41

bb) Der Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Mit der Regelung des § 20 Abs. 1 TVöD haben die Tarifvertragsparteien den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Der Stichtagsregelung liegt ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeber zugrunde. Sie verfolgt das legitime Ziel, die Arbeitnehmer zur Betriebstreue anzuhalten. Sie ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet, denn sie schafft einen Anreiz für Arbeitnehmer, von einer an sich statthaften Kündigungsmöglichkeit keinen oder nur verzögerten Gebrauch zu machen. Es ist auch kein anderes, gleich wirksames, aber die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel ersichtlich, um diesen an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern (vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - Rn. 30, BAGE 137, 300). Die Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ist angemessen. Die Stichtagsregelung entfaltet eine vergleichsweise kurze Bindungswirkung, weil sie lediglich das Bestehen, nicht aber den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 20 Rn. 45). Da das Arbeitsverhältnis gemäß § 34 Abs. 1 TVöD jeweils zum Monatsende bzw. zum Ende des Kalendervierteljahres gekündigt werden kann, kann der Arbeitnehmer somit zum 31. Dezember eines Jahres kündigen, ohne die Jahressonderzahlung zu verlieren. Eine solche Bindung ist auch deshalb nicht zu beanstanden, weil es sich beim 31. Dezember um das Ende des Zeitraums handelt, für den die Jahressonderzahlung gewährt wird. Der Angemessenheit der Stichtagsregelung steht nicht entgegen, dass mit der Jahressonderzahlung nicht nur Betriebstreue honoriert, sondern auch die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeitsleistung vergütet werden soll. Die Tarifvertragsparteien überschreiten den ihnen zustehenden Gestaltungsspielraum nicht, wenn sie Sonderzahlungen, die sowohl eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen als auch der Honorierung von Betriebstreue dienen, vom Bestand des Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag im Bezugszeitraum abhängig machen (vgl. zum TV Zuwendung: BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218). Ihr Gestaltungsspielraum ist dabei sowohl gegenüber den Betriebsparteien (vgl. zu Stichtagsregelungen außerhalb des Bezugszeitraums in Betriebsvereinbarungen: BAG 12. April 2011 - 1 AZR 412/09 - BAGE 137, 300; 7. Juni 2011 - 1 AZR 807/09 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 55 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 3; 5. Juli 2011 - 1 AZR 94/10 -) als auch gegenüber den einseitigen Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. dazu BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 612/10 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 31)erweitert. Insbesondere bedurfte es keiner Ausnahme für die Arbeitnehmer, die nicht auf eigene Veranlassung, sondern aus anderen Gründen vor dem Stichtag aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind. Vielmehr ist es noch gerechtfertigt, wenn die Tarifregelung insoweit nicht differenziert, sondern pauschaliert.

42

II. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 15 Abs. 1 AGG kommt aus den genannten Gründen mangels Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot nicht in Betracht.

43

III. Auch ein Anspruch auf Gewährung einer Sonderzahlung aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes scheidet aus.

44

1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers nur dort ein, wo dieser durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk bzw. eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 20, BAGE 133, 33). Innerhalb des Anwendungsbereichs kollektiv-rechtlich geschaffener Normen ist eine Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht möglich (BAG 26. April 2000 - 4 AZR 177/99 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 94, 273). Dies gilt auch dann, wenn der Tarifvertrag mangels Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers nicht unmittelbar und zwingend, sondern lediglich aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme Anwendung findet (BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 895/07 - Rn. 21, aaO).

45

2. Ein solcher, die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausschließender Normenvollzug liegt vor. Die Beklagte hat lediglich die Normen des TVöD angewendet, ohne die Voraussetzungen für den Erhalt der Jahressonderzahlung selbst festzulegen.

46

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Schürmann    

        

    Fieback    

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.


Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 2. März 2017, Az. 7 BV 67/16, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 100 ArbGG über die Einsetzung einer Einigungsstelle.

2

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) stellt zur Unterstützung der gesetzlichen Krankenkasse Z. Schriften und Werbung her. Sie beschäftigt rund 78 Arbeitnehmer. Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der Betriebsrat.

3

Es besteht ein Haustarifvertrag vom 25.06.2009, den die Arbeitgeberin mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat. Der Haustarifvertrag hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

4

"§ 2 Tarifbindung

5

(1) Für alle Beschäftigten nach § 1 gelten die zum Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses Tarifvertrages zwischen dem Arbeitgeberverband der Verlage und Buchhandlungen in Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf, und dem Verband der Zeitschriftenverlage in Nordrhein-Westfalen e.V., Köln, sowie der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Landesbezirk Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, abgeschlossenen, nachwirkenden sowie zukünftig geänderten, neu abgeschlossenen und ergänzenden Tarifverträge als vereinbart.

6

…"

7

Der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW vom 03.11.2010, gültig ab 01.01.2011, enthält u.a. folgende Regelung:

8

㤠8 Sonderleistungen

9

1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden erhalten einmal pro Kalenderjahr eine Sonderleistung, die ganz oder in Teilen zum Urlaubsbeginn und/oder zu Weihnachten zu zahlen ist. Die Auszahlungsmodalitäten können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden.

10

Die tarifliche Sonderleistung beträgt 140 Prozent des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. ...

11

2. …

12

3. …

13

14

Im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in 5-Tage-Woche arbeiten) hinaus kann für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden. Der Zeitraum von zehn Wochen muss kein ununterbrochener Zeitabschnitt sein, sondern kann sich auch aus einzelnen kürzeren Krankheitszeiten zusammensetzen, die im Kalenderjahr zusammengerechnet zehn Wochen überschreiten. Eine Kürzung wird nicht vorgenommen bei einem Betriebs- oder Wegeunfall.

15

Protokollnotiz: Für Teilzeitkräfte, die nicht in 5-Tage-Woche arbeiten, wird die Zahl der Arbeitstage nach den in zehn Wochen abzuleistenden Arbeitstagen bestimmt.

16

17

Die früheren Manteltarifverträge enthielten ebenfalls Kürzungsmöglichkeiten im Krankheitsfall, die bereits bei Abwesenheiten über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus bestanden. Zu der Kürzungsmöglichkeit bei Krankheit zu einem früheren Manteltarifvertrag hatten die Beteiligten am 04.07.2006 folgende Vereinbarung geschlossen:

18

"Zur Beilegung aktueller gerichtlicher Auseinandersetzungen einigen sich die Parteien zum Wohle aller MitarbeiterInnen auf folgende Punkte:

19

1. Tarifliche Sonderleistungen (bestehend aus Urlaubs- und Weihnachtsgeld) werden auch nach mehr als 6-wöchiger Erkrankung weiter gezahlt. Auf den Passus aus dem Manteltarifvertrag (der Arbeitgeber kann diese Sonderleistungen ggf. verweigern) wird im Hause Z-Verlag (A-Stadt-) verzichtet. Der Arbeitgeber verpflichtet sich stattdessen, diese Sonderleistungen auch weiterhin zu zahlen. Dies gilt für die Laufzeit des jetzigen Tarifs, d.h. mindestens bis zum 31.12.2007.

20

Bei Vereinbarung eines neuen Manteltarifvertrags, welcher wieder eine solche Kann-Option oder eine andere Schlechterstellung enthalten würde, wird sich die Geschäftsführung und der Betriebsrat erneut zusammensetzen und über eine Verlängerung dieser Vereinbarung beraten. …"

21

Nach Inkrafttreten des neuen Manteltarifvertrags kürzte die Arbeitgeberin bis zum Jahr 2014 in Krankheitsfällen über einen Zeitraum von zehn Wochen die Sonderleistung (erst) ab dem 51. Krankheitstag. Ab dem Jahr 2015 wendet sie die tarifliche Kürzungsregelung nunmehr so an, dass sie die Kürzung bereits ab dem ersten Krankheitstag vornimmt, wenn die Krankheitszeiten 50 Tage im Kalenderjahr überschreiten. Der Betriebsrat ist hiermit nicht einverstanden. Nach ergebnislosen Gesprächen forderte er die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 02.02.2016 zur Einrichtung einer Einigungsstelle auf, was diese mit Schreiben vom 12.02.2016 ablehnte. Der Betriebsrat ist der Ansicht, dass er bei der Frage, ob und wie die Arbeitgeberin von der tarifvertraglich geregelten Kürzungsmöglichkeit im Krankheitsfall Gebrauch mache, mitzubestimmen habe.

22

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich beantragt,

23

1. zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über die einseitige Kürzung der Jahressonderleistungen im Krankheitsfall

24

beginnend mit dem Jahre 2015 gem. § 8 Abs. 3 des Manteltarifvertrags für Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW iVm. der Vereinbarung vom 04.07.2006 durch die Arbeitgeberin ohne seine Beteiligung, Herrn RArbG B-Stadt Dr. F. zu bestellen,

25

hilfsweise,

26

zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über die Möglichkeiten der Kürzung der Jahressonderleistung im Krankheitsfall

27

beginnend mit dem Jahre 2015 gem. § 8 Abs. 3 des Manteltarifvertrags für Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW iVm. der Vereinbarung vom 04.07.2006 durch die Arbeitgeberin ohne seine Beteiligung, Herrn RArbG B-Stadt Dr. F. zu bestellen,

28

äußerst hilfsweise,

29

zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über die einseitige Kürzung der Jahressonderleistung im Krankheitsfall für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vom ersten Krankheitstage an, soweit der Arbeitnehmer insgesamt mehr als 50 Arbeitstage (10 Wochen) krank gewesen ist

30

beginnend mit dem Jahre 2015 gem. § 8 Abs. 3 des Manteltarifvertrages für Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW iVm. der Vereinbarung vom 04.07.2006 durch die Arbeitgeberin ohne seine Beteiligung, Herrn RArbG B-Stadt Dr. F. zu bestellen,

31

2. die Zahl der Beisitzer auf jeweils vier pro Seite festzusetzen.

32

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

33

die Anträge zurückzuweisen.

34

Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats mit Beschluss vom 02.03.2017 zurückgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die begehrte Einigungsstelle sei iSv. § 100 BetrVG offensichtlich unzuständig, denn dem Betriebsrat stehe bei der Frage, "ob" der Arbeitgeber die tarifliche Sonderleistung im Krankheitsfall kürze, offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Die Arbeitgeberin habe sich im Streitfall entschieden, die tarifvertragliche Kürzungsmöglichkeit in vollem Umfang anzuwenden, so dass kein Verteilungsspielraum verbleibe, bei dem ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats greifen könnte. Auch ergebe sich ein Mitbestimmungsrecht nicht unmittelbar aus dem Tarifvertrag. Dort sei nicht geregelt, dass von der Kürzungsmöglichkeit lediglich durch Betriebsvereinbarung oder sonst mit Zustimmung des Betriebsrats Gebrauch gemacht werden könne. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsbegründung des Arbeitsgerichts wird auf den begründeten Teil des Beschlusses Bezug genommen.

35

Gegen den Beschluss vom 02.03.2017, der ihm am 27.03.2017 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat am 08.04.2017 beim Landesarbeitsgericht Beschwerde eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

36

Er macht nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 07.04.2017, auf dessen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird, geltend, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Bei den hier in Rede stehenden Fragen gehe es um die Ausgestaltung der Verteilung einer arbeitgeberseitigen Leistung bzw. die Rückgängigmachung einer arbeitgeberseitigen Leistung, die zunächst einmal erbracht worden sei. Die Kürzung erfolge grundsätzlich im Nachhinein. Also gehe es hier um die Verteilung der den Arbeitnehmern zugesagten Leistungen, denn der Arbeitgeber schwinge sich auf, in das bestehende Gefüge einzugreifen. Es gehe nicht um die Frage, ob eine Leistung durch den Arbeitgeber überhaupt er-bracht werde, sondern darum, in welchem Umfang der Arbeitgeber die von ihm er-brachte Leistung, nämlich den Arbeitslohn, nachträglich auf der Basis des Tarifvertrags rückgängig machen könne. Es gehe hier um die Grundsätze für die Verteilung von zusätzlich durch Arbeitgeber und Tarifvertrag gewährten Leistungen, insbesondere gehe es auch um die Frage, inwieweit der Arbeitgeber die von ihm in der Vergangenheit gewährten Leistungen einseitig auf der Basis des Tarifvertrags korrigieren können. Der Tarifvertrag sehe für den Arbeitgeber die Möglichkeit vor, unter bestimmten Umständen die Sonderleistung bei krankheitsbedingten Abwesenheiten kürzen zu könne. Allein das Wort "kann" eröffne ihm die Möglichkeit, sein Mitbestimmungsrecht zu reklamieren. Selbstverständlich gehe es darum, wie und gegenüber welchen Arbeitnehmern eine Kürzung erfolgen könne und solle. Auch gehe es um die Frage, inwieweit der Arbeitgeber durch die tarifliche Regelung ein derart weites Verteilungsspektrum erziele, um letztlich ohne Kontrolle durch den Betriebsrat nach "freiem Belieben" handeln zu können. Nach dem Verständnis des Tarifvertrags bedeute das Wort "kann" die Möglichkeit des Arbeitgebers, darüber nachzudenken, wie er eine Kürzung bei krankheitsbedingten Zeiten vornehme. Dies bedeute jedoch nicht, dass er bei dieser Entscheidung, die letztlich die zusätzliche Leistung reduziere, frei sei. Der Arbeitgeber greife durch sein Verhalten in die Grundsätze der Verteilung ein. Nicht umsonst sei zwischen den Beteiligten im Jahr 2006 eine Betriebsvereinbarung geschlossen worden, wie mit der tariflichen Sonderleistung im Krankheitsfall umzugehen sei. Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG greife nicht ein. Der Tarifvertrag regle die hier in Rede stehende Frage nicht abschließend. Das Wort "kann" sei eindeutig bezogen auf die Ausübung einer Möglichkeit, nicht jedoch eines Zwangs. Das Wort "kann" lasse die Frage der Grundsätze für die Verteilung der hier in Rede stehenden Lohngestaltung offen.

37

Der Betriebsrat beantragt zweitinstanzlich,

38

den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2017, Az. 7 BV 67/16, abzuändern und nach den erstinstanzlichen Anträgen (Haupt- und Hilfsanträge) zu entscheiden.

39

Die Arbeitgeberin beantragt,

40

die Beschwerde zurückzuweisen.

41

Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderung vom 20.06.2017, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, als zutreffend.

42

Ergänzend wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

43

1. Die nach § 100 Abs. 2 S. 1 ArbGG statthafte Beschwerde des Betriebsrats ist gemäß §§ 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3, 87 Abs. 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

44

2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass eine Einigungsstelle mit dem vom Betriebsrat beantragten Regelungsgegenstand - sowohl bezüglich des Hauptantrags als auch der beiden Hilfsanträge - offensichtlich unzuständig ist.

45

a)  Im Verfahren nach § 100 ArbGG ist die gerichtliche Zuständigkeitsprüfung der Einigungsstelle weitgehend eingeschränkt. Von einer offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle iSd. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist nur dann auszugehen, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt. Dies erklärt sich aus den Besonderheiten des Bestellungsverfahrens, das darauf gerichtet ist, den Betriebspartnern, die keine ständige Einigungsstelle eingerichtet haben, im Bedarfsfall beim Auftreten von Meinungsverschiedenheiten möglichst rasch eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung zu stellen. Diese Zielsetzung erfordert ein unkompliziertes Bestellungsverfahren ohne zeitraubende Prüfung schwieriger Rechtsfragen. Dem entspricht das vereinfachte gerichtliche Verfahren ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter unter Ausschluss der Rechtsbeschwerde. Der eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich, wenn sie diese nicht für gegeben hält, für unzuständig erklären kann (LAG Rheinland-Pfalz 09.11.2016 - 7 TaBV 22/16 - Rn. 46, 47 mwN; LAG Köln 16.01.2017 - 9 TaBV 77/16 - Rn. 30 mwN).

46

b) Auch gemessen an diesem großzügigen Maßstab ist die Einigungsstelle im Streitfall (sowohl für den Haupt-, als auch für die Hilfsanträge) offensichtlich unzuständig. Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung der Arbeitgeberin, die Kürzungsmöglichkeit vollständig umzusetzen, die ihr der Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage in NRW vom 03.11.2010 für die tarifliche Sonderleistung im Krankheitsfall in § 8 Abs. 3 eröffnet, offensichtlich kein Mitbestimmungsrecht zu. Der Umstand, dass die Arbeitgeberin von dieser Kürzungsmöglichkeit unter den tariflich geregelten Voraussetzungen im tariflich geregelten Umfang Gebrauch machen "kann", eröffnet dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Auch aus der Vereinbarung der Beteiligten vom 04.07.2006 folgt nichts anders.

47

aa) Die Arbeitgeberin ist tarifgebunden. In § 8 Abs. 3 des Manteltarifvertrags vom 03.11.2010 ist geregelt, dass sie im Fall der Krankheit eines Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in der Fünf-Tage-Woche arbeiten) hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, kürzen kann. Der Zeitraum von zehn Wochen muss kein ununterbrochener Zeitabschnitt sein, sondern kann sich auch aus einzelnen kürzeren Krankheitszeiten zusammensetzen, die im Kalenderjahr zusammengerechnet zehn Wochen überschreiten. Eine Kürzung wird nicht vorgenommen bei einem Betriebs- oder Wegeunfall.

48

Die Arbeitgeberin setzt das ihr von den Tarifvertragsparteien eingeräumte Kürzungsrecht in den im Tarifvertrag erlaubten Fällen seit dem Jahr 2015 vollständig um. Sie kürzt seither die Sonderleistung für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit um ein Viertel, wenn die Krankheitszeiten eines Arbeitnehmers im Kalenderjahr zehn Wochen überschreiten. Soweit die Arbeitgeberin in der Vergangenheit von diesem Kürzungsrecht, das nach dem Tarifvertrag durch Verwendung des Verbs "kann" in ihrem Ermessen steht, jahrelang keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch gemacht hat, kann der Betriebsrat aus diesem Verhalten kein Mitbestimmungsrecht herleiten.

49

Der Betriebsrat kann von einem - wie hier - tarifgebundenen Arbeitgeber nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG die Gewährung bestimmter über- oder außertariflicher Entgeltleistungen erzwingen. Hierauf läuft sein Begehren letztlich hinaus. Die Arbeitgeberin ist nach dem Tarifvertrag - durch die Verwendung des Modalverbs "kann" - frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Sonderleistung in den geregelten Fällen kürzt oder nicht. So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er übertarifliche Leistungen überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei darüber entscheiden, ob und wann er sie vollständig wieder einstellt (BAG 23.06.2009 - 1 AZR 214/08 - Rn. 16; 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 31; 23.01.2008 - 1 ABR 82/06 - Rn. 24, 25 mwN). Es verbleibt kein Finanzvolumen bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. Ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber eine Sonderleistung im Krankheitsfall zu erbringen hat, ist bereits tariflich festgelegt; ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, mit dem dieser eine andere (günstigere) Regelung für erkrankte Arbeitnehmer erreichen könnte, scheidet wegen § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG aus.

50

bb) Für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts kommt es nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer - etwa auf Grund betrieblicher Übung - individualrechtlich einen Anspruch auf eine volle Sonderleistung erworben haben (BAG 26.10.2004 - 1 ABR 31/03 (A) - Rn. 42). Hinsichtlich der Einstellung ursprünglich freiwilliger Leistungen ist zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen und der individualrechtlichen Seite zu unterscheiden. Betriebsverfassungsrechtlich ist der Arbeitgeber in seiner Entscheidung frei, soweit er sich nicht dem Betriebsrat gegenüber gebunden hat (Wiese GK-BetrVG 10. Aufl. § 87 Rn. 841, 873).

51

Vorliegend haben die Beteiligten zwar am 04.07.2006 eine Vereinbarung getroffen, wonach die Arbeitgeberin auf ihre Befugnis, die Sonderleistung im Krankheitsfall kürzen zu können, verzichtet. Es kann dahinstehen, welche Rechtsqualität diese Vereinbarung hat, denn sie war nach ihrem eindeutigen Wortlaut für die Laufzeit des früheren Manteltarifvertrags, der bereits nach einer sechswöchigen Erkrankung ein Kürzungsrecht vorsah, zeitlich befristet. Die Vereinbarung ist daher seit dem Inkrafttreten des neuen Manteltarifvertrags vom 03.11.2010 am 01.01.2011 für die Arbeitgeberin nicht mehr bindend. Die Beteiligten haben lediglich geregelt, dass sie sich erneut "zusammensetzen" und über eine neue Vereinbarung "beraten" werden, wenn ein neuer Manteltarifvertrag wieder eine Kürzungsmöglichkeit ("Kann-Option") enthalten sollte. Diese Beratungen haben stattgefunden, jedoch zu keinem Ergebnis geführt. Der Abschluss einer erneuten "freiwilligen" Vereinbarung kann über einen Spruch der Einigungsstelle nicht erzwungen werden.

III.

52

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 100 Abs. 2 S. 4 ArbGG.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 18. Dezember 2008 - 5 Sa 768/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe einer Jahressonderzahlung.

2

Der Kläger war seit dem Jahr 1996 bei der D GmbH & Co. KG beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 1. Januar 2004 infolge eines Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Der Kläger ist als Betriebsschlosser und Schichtleiter tätig und Betriebsratsvorsitzender im Werk H der Beklagten. Er ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.

3

Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag über die Gewährung einer Jahressonderzahlung für die Arbeitnehmer in der Steine- und Erden-Industrie und im Betonsteinhandwerk in Bayern vom 17. Juni 2000 - gültig ab dem 1. Januar 2000 - Anwendung. In dessen § 2 Ziffer 1 ist geregelt, dass gewerbliche Arbeitnehmer Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 165 Tarifstundenlöhnen auf der Basis der tariflichen Jahressonderzahlung 1999 haben.

4

Der Tarifstundenlohn des Klägers stieg von 12,25 Euro im Jahr 1999 auf 13,49 Euro im Jahr 2006. Seine Jahressondervergütung für 2006 betrug 2.226,00 Euro.

5

Mit der Klageschrift hat der Kläger dargelegt, er habe folgende Jahressonderzahlungen bezogen:

        

1999

3.672,90 DM

1.875,05 Euro

        

2000

3.750,45 DM

1.914,64 Euro

        

2001

3.750,45 DM

1.914,64 Euro

        

2002

        

1.965,15 Euro

        

2003

        

2.154,90 Euro

        

2004

        

2.191,20 Euro

        

2005

        

2.041,00 Euro

6

Die Beklagte schloss für ihre bayerischen Werke in N und F im Jahr 2001 einen Überleitungstarifvertrag, wonach ab dem 1. Mai 2001 die Tarifverträge des Landesverbands Beton- und Bimsindustrie Rheinland-Pfalz e. V. gelten sollten. Für die Lohn-/Gehaltsgruppeneinteilung und die Stundenlohnhöhe sollte der Tarifvertrag des bayerischen Landesverbands in der jeweiligen Fassung gelten. Für gesondert genannte Mitarbeiter sollte ua. für die Jahressondervergütung eine besondere Vereinbarung erfolgen. Gegenüber dem Betriebsrat der Werke N und F versicherte der Geschäftsleiter G am 28. November 2000, dass die Jahressonderzahlung nach dem Tarifvertrag Bayern abgerechnet werde.

7

Dem Kläger sowie sämtlichen betroffenen Arbeitnehmern wurde Ende des Jahres 2003 mitgeteilt, dass ihr „Arbeitsverhältnis zum 1. Januar 2004 automatisch“ auf die Beklagte übergehe, die „in sämtliche Rechte und Pflichten“ ihres Arbeitsverhältnisses eintrete.

8

Die Berechnung der Jahressondervergütung erfolgte bis zum Jahr 2003 selbständig durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten. Ab dem Jahr 2004 übernahm der Lohnsachbearbeiter der Beklagten, Herr O, die Berechnung und ab dem Jahr 2005 Frau C.

9

Am 5. Januar 2007 schrieb die Beklagte an den Kläger, dass sie in den Jahren 2004, 2005 und 2006 eine zu hohe Jahressondervergütung ausgezahlt habe. Die Zahlung für 2006 sei auf der Grundlage des Tariflohns für das Jahr 2005 erfolgt, während nach dem Tarifvertrag die Zahlung auf der Basis von 1999 eingefroren sei. Die Differenz von 205,00 Euro brutto werde mit der Januarabrechnung einbehalten. Dies geschah auch bei den übrigen Arbeitnehmern der bayerischen Werke H, N und E. Der Betriebsrat des Werks H wies die Beklagte mit Schreiben vom 16. Januar 2007 darauf hin, dass schon seit dem Jahr 1995 von der D GmbH & Co. KG und sodann von der Beklagten die ansteigenden Jahressonderzahlungen gezahlt worden seien und darin eine betriebliche Übung zu sehen sei.

10

Der Kläger meint, die Beklagte habe den Betrag von 205,00 Euro nicht einbehalten dürfen. Es sei auch festzustellen, dass die Jahressonderzahlung weiterhin auf der Basis des jeweiligen Kalenderjahres zu berechnen sei. Er habe darauf einen Anspruch aus betrieblicher Übung erworben. Diese Übung sei bereits bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten entstanden, die Beklagte habe sie fortgesetzt. Die Arbeitnehmer hätten darauf vertrauen dürfen, dass sowohl die D GmbH & Co. KG als auch die Beklagte die höhere Leistung bewusst als Leistungsäquivalent erbracht hätten. Ein Irrtum sei nicht erkennbar gewesen. Der Beklagten sei der Inhalt der bayerischen Tarifverträge seit den Verhandlungen über die Übernahmetarifverträge im Jahr 2000 bekannt gewesen, ihrer Rechtsvorgängerin als Mitglied des einschlägigen Arbeitgeberverbands ohnehin. Spätestens anlässlich der Betriebsübernahme habe die Beklagte sich intensiv mit den tarifvertraglichen Vergütungsregeln und mit den übergehenden Rechten und Pflichten befasst. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Arbeitnehmer erst recht davon ausgehen müssen, dass ihnen die höhere Leistung bewusst gewährt werden sollte.

11

Der Kläger hat beantragt,

        

1.   

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 205,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 15. Februar 2007 zu zahlen,

        

2.   

festzustellen, dass die Beklagte auch in Zukunft verpflichtet ist, die Jahressonderzahlung abweichend von § 2 Ziffer 1 des Tarifvertrags über die Gewährung einer Jahressonderzahlung für die Steine- und Erden-Industrie und das Betonsteinhandwerk in Bayern vom 1. Januar 2000 auf der Basis des Lohnes des jeweiligen Kalenderjahres bis zu einer individualvertraglichen Änderung zu zahlen.

12

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, eine betriebliche Übung sei nicht entstanden. Sie und ihre Rechtsvorgängerin hätten erkennbar immer nur den tariflichen Anspruch erfüllen wollen und sich bei der Berechnung in der Höhe geirrt.

13

Die Beklagte hat behauptet, der damalige Lohnsachbearbeiter Herr O habe die Tarifänderung so interpretiert, dass die Basis für die Auszahlung der Jahressondervergütung immer das Tarifgehalt des Vorjahres sein sollte. Bis zum Kalenderjahr 2001 habe Herr O so für die Werke F, N und E abgerechnet. Im Jahr 2002 habe Frau K die Werke F und N, 2004 das Werk E übernommen. Ab dem Jahr 2004 habe Herr O die Lohnabrechnung für das Werk H in der K-Gruppe übernommen, ab dem Jahr 2005 sei dies durch Frau C geschehen. Die falsche Interpretation des Tarifvertrags sei von Herrn O jeweils an die anderen Lohnsachbearbeiter weitergegeben worden. Erst im Januar 2007 habe man den Irrtum bemerkt und sodann unverzüglich die Rückforderung veranlasst.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht sowohl den Zahlungs- als auch den Feststellungsantrag abgewiesen. Die Beklagte hat den Betrag von 205,00 Euro zu Recht einbehalten, da der Kläger in dieser Höhe überzahlt worden ist (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ein Anspruch aus betrieblicher Übung auf die übertariflichen Teile der Jahressonderzahlung ist nicht entstanden.

15

1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Beurteilung, ob aus den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen eine betriebliche Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen entstanden ist, uneingeschränkt revisionsrechtlich zu überprüfen (BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - BAGE 118, 360).

16

2. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte (st. Rspr., zB BAG 16. Juni 2004 - 4 AZR 417/03 -).

17

3. Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen (vgl. Senat 1. April 2009 - 10 AZR 393/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 84; BAG 16. Juni 2004 - 4 AZR 417/03 -). Dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers muss aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Dafür hat der Kläger keine genügenden Anhaltspunkte vorgetragen.

18

a) Nach seinem Vorbringen ist nicht davon auszugehen, dass bereits in den Jahren 2001 bis 2003 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine betriebliche Übung entstanden ist. In der Klageschrift trägt der Kläger vor, dass eine Erhöhung nur zweimal eingetreten ist, nämlich in den Jahren 2002 und 2003. Bei jährlichen Leistungen kann aber in der Regel erst nach dreimaliger Gewährung davon ausgegangen werden, die Leistung solle auch in der Zukunft gewährt werden.

19

b) Auch nach der Betriebsübernahme ist keine betriebliche Übung durch das Verhalten der Beklagten begründet worden. Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, welchen Inhalt das Angebot der Beklagten oder ihrer Rechtsvorgängerin überhaupt hätte haben sollen. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche Regel den jährlichen Zahlungen zugrunde lag. Die vorgetragenen Zahlen lassen weder eine Berechnung auf der Grundlage des jeweils aktuellen Tarifstundenlohns noch eine sonstige nachvollziehbare Regelhaftigkeit im Sinn einer übertariflichen Vergütung zugunsten der Arbeitnehmer erkennen.

20

Es kann nicht einmal nachvollzogen werden, dass die Sonderzahlung sich seit dem Jahr 2002 kontinuierlich erhöht hätte. Demnach bleibt unklar, wie der Kläger die Berechnungsweise der Beklagten verstanden haben will. Eine betriebliche Übung auf eine wie auch immer geartete stetige Steigerung der Sonderzuwendung, ohne dass deren Höhe und Berechnung eindeutig festzustellen wären, kann jedenfalls nicht entstehen.

21

4. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die vom Kläger oder von der Beklagten angenommene Berechnungsweise grundsätzlich geeignet wäre, als Angebot gewertet zu werden, und einen Anspruch auf die sich so ergebenden Sonderzahlungen aus betrieblicher Übung hätte begründen können, fehlt es doch an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Beklagte erkennbar nicht irrtümlich gezahlt hat, sondern bewusst mehr zahlen wollte, als sie musste.

22

Während in dem Fall, der der Entscheidung des Senats vom 1. April 2009 (- 10 AZR 393/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 84) zugrunde lag, der übertarifliche Teil der Sonderzahlung in den Abrechnungen jeweils genau ausgewiesen wurde und auch zu anderen Zeitpunkten erfolgte, als dies tarifvertraglich vorgesehen war, fehlt es im vorliegenden Fall an einer solchen eindeutigen Willenskundgabe. Die Sonderzahlung wurde in einem einheitlichen Betrag ausgewiesen.

23

Aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer gab es zwar mehrere Anlässe dafür, dass die Beklagte den von ihr reklamierten Irrtum hätte bemerken müssen. Bei den Verhandlungen über den Übernahmetarifvertrag für andere bayerische Werke im Jahr 2000 und anlässlich der Betriebsübernahme in den Jahren 2003/2004 hat sich die Beklagte mit den einschlägigen Tarifwerken befasst. Dies muss auch bezüglich der Jahressondervergütung geschehen sein, da diese gesondert im Überleitungstarifvertrag erwähnt wurde. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte sich über die Berechnungsweise geirrt hat. Hätte die Beklagte eine übertarifliche Leistung erbringen wollen, hätte es nahe gelegen, dies in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen.

24

5. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Mitteilungen über den Betriebsübergang nicht mehr ausdrücken als die gesetzlichen Folgen des § 613a BGB. Da bereits bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten keine betriebliche Übung entstanden ist, hat auch die Mitteilung, an der Vergütung ändere sich nichts, keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Inhalt.

25

6. Da kein Anspruch auf eine betriebliche Übung entstanden ist, ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

        

    Mikosch    

        

    Marquardt    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Rudolph    

        

    Großmann    

                 

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 21. Juli 2009 - 1 Sa 142/09 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine betriebliche Zusatzrente iHv. 77,33 Euro monatlich zu zahlen.

2

Der 1938 geborene Kläger war vom 1. September 1957 bis zum 30. November 1995 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der T AG (T) und deren volkseigenen Rechtsvorgängern beschäftigt.

3

Zum 1. Januar 1954 trat im Gebiet der ehemaligen DDR die Anordnung zur Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (AO 54, GBl. 1954 S. 301) in Kraft. Diese bestimmte ua.:

        

㤠1

        

(1)     

Zur Verbesserung der Rentenversorgung der Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben wird ab 1. Januar 1954 eine Zusatzrentenversorgung eingeführt.

        

…       

        
        

§ 2

        

Arbeiter und Angestellte, die in einem dieser Betriebe beschäftigt sind oder beschäftigt waren, erhalten bei Erfüllung der Voraussetzungen eine Zusatzrente nach Maßgabe folgender Bestimmungen.

        

…       

        

§ 7

        

(1)     

Angestellte, die eine zusätzliche Altersversorgung erhalten, haben keinen Anspruch auf die Gewährung der Zusatzrente. Ob ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung besteht, regelt sich nach den Bestimmungen der Verordnung vom 17. August 1950 über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (GBl. S. 844) oder nach der Verordnung vom 12. Juli 1951 über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik (GBl. S. 675).“

4

Eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem für die technische Intelligenz setzte seinerzeit die Erteilung einer formellen Versorgungszusage voraus, die dem Kläger nicht erteilt worden war.

5

Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 bestimmte in Anlage II Kap. VIII Sachgebiet H - Gesetzliche Rentenversicherung Abschnitt III Nr. 4 zur Anwendbarkeit der AO 54, dass folgendes Recht der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft bleibt:

        

„4. Anordnung über die Einführung einer Zusatzrentenversorgung für die Arbeiter und Angestellten in den wichtigsten volkseigenen Betrieben vom 9. März 1954 (GBl. Nr. 30 S. 301) mit folgenden Maßgaben:

        

a)    

Die Anordnung ist bis zum 31. Dezember 1991 anzuwenden.

        

b)    

Von der Anordnung kann für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abgewichen werden.

        

…“    

        
6

Das System der Zusatzversorgung der technischen Intelligenz wurde aufgrund des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets vom 25. Juli 1991 (AAÜG, BGBl. I S. 1606) gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 AAÜG iVm. Anlage 1 Nr. 1 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt.

7

Am 20. Juli 1990/9. Oktober 1990/8. November 1990 schloss der Arbeitgeberverband energie- und versorgungswirtschaftlicher Unternehmen eV (AVEU) ua. mit der Gewerkschaft Bergbau, Energie, Wasserwirtschaft und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr einen Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie (TVV Energie), der in § 2 ua. bestimmt:

        

„Arbeitnehmer erhalten bei Erfüllung der Voraussetzungen eine betriebliche Zusatzrente nach folgenden Bestimmungen:

        

(1)     

Der Anspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer

                 

a)    

noch beschäftigt oder wegen Invalidität oder Überschreitung der Altersgrenze aus dem Betrieb ausgeschieden ist und

                 

b)    

eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer im Betrieb sowie

                 

c)    

den Bezug einer Alters-, Invaliden- oder Unfallvollrente

                 

nachweist.

        

(2)     

Die monatliche Zusatzrente beträgt 5 Prozent des monatlichen Nettodurchschnittsverdienstes der letzten 5 Arbeitsjahre.

        

(3)     

Die betriebliche Zusatzrente wird auch Arbeitnehmern gewährt, die in den Vorruhestand treten, wenn sie eine 20jährige ununterbrochene Beschäftigungsdauer nachweisen können.

        

(4)     

Arbeitnehmer, die eine zusätzliche Altersversorgung erhalten, haben keinen Anspruch auf Gewährung einer betrieblichen Zusatzrente.

        

…“    

8

Am 16. Oktober 1992 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag über die Ablösung des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TVV Energie) (im Folgenden TV Ablösung) ab. Dieser lautet auszugsweise:

        

㤠2

        

Schließung der betrieblichen Zusatzrentenversorgung

        

Die aus dem TVV Energie folgende betriebliche Zusatzrentenversorgung wird mit Wirkung ab dem 01.01.1993 geschlossen. Die tarifliche Nachwirkung des gekündigten TVV Energie wird mit Ablauf des 31.12.1992 beendet.

        

§ 3

        

Fortzahlung laufender Rentenleistungen

        

Soweit Arbeitnehmern bzw. ehemaligen Arbeitnehmern der Mitgliedsunternehmen der Tarifgruppe Energie bereits bis zum 31.12.1992 Rentenleistungen aus dem TVV Energie gezahlt wurden, bleiben diese über den 31.12.1992 hinaus unberührt. Eine Dynamisierung dieser Leistungen bleibt auch für die Zukunft ausgeschlossen, § 16 i.V.m. § 17 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BetrAVG.

        

§ 4

        

Anwartschaften aufgrund erfüllter Wartezeit

        

Arbeitnehmer, die spätestens mit Ablauf des 31.12.1992 eine 20jährige Unternehmenszugehörigkeit aufweisen, haben eine Anwartschaft auf 5 % der Bemessungsgrundlage nach § 6 dieses Vertrages, soweit die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie i.d.F. des § 7 dieses Vertrages ab dem 01.01.1993 eintreten.

        

…       

        

§ 7

        

Leistungsvoraussetzungen

        

1.    

Die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie gelten ausschließlich nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

        

…“    

        
9

Der Kläger schied aufgrund Aufhebungsvertrags vom 10./31. März 1995 zum 30. November 1995 aus dem Arbeitsverhältnis aus und nahm die damals bestehende Möglichkeit des Vorruhestandes in Anspruch. Der Aufhebungsvertrag bestimmt in § 5 ua.:

        

„Eine betriebliche Zusatzrente wird Herrn S nach dem ‚Tarifvertrag über die betriebliche Zusatzrentenversorgung’ gültig ab 01.01.1993, bei Eintritt in den Ruhestand gewährt, soweit die dafür geltenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt werden.“

10

Unter dem 15. November 1995 schrieb die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Kläger wie folgt an:

        

„Sehr geehrter Herr S,

        

auf der Grundlage des Tarifvertrages vom 16.10.1992 über die Ablösung des Tarifvertrages über die betriebliche Zusatzrentenversorgung der Tarifgruppe Energie des AVEU (TVV Energie) vom 20.07.1990/09.10.1990/ 08.11.1990 haben Sie eine unverfallbare Anwartschaft auf eine betriebliche Zusatzrente erworben.

        

…       

        

Die Zahlung der betrieblichen Zusatzrente erfolgt, wenn die Voraussetzungen gemäß § 7 des o.g. Tarifvertrages erfüllt sind.

        

…“    

11

Zum 1. Dezember 1998 trat der Kläger in den Ruhestand. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte an ihn ab diesem Zeitpunkt eine betriebliche Zusatzrente iHv. 151,24 DM (= 77,33 Euro) monatlich.

12

Mit Urteilen vom 24. März 1998 (- B 4 RA 27/97 R - SozR 3-8570 § 5 Nr. 3) sowie vom 30. Juni 1998 (- B 4 RA 11/98 R -) entschied das Bundessozialgericht, dass eine Überführung von Anwartschaften auf Zusatzversorgung nach dem Zusatzversorgungssystem für die technische Intelligenz in die gesetzliche Rentenversicherung nach den Bestimmungen des AAÜG nicht von einer formellen Versorgungszusage abhängt, sondern es ausreicht, dass eine entgeltliche Beschäftigung iSv. § 1 Satz 1 Nr. 1 Regelung 1 SGB VI ausgeübt wurde, deretwegen ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war.

13

Der Kläger beantragte bei der gesetzlichen Rentenversicherung die Einbeziehung von Anwartschaftszeiten aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

14

Mit Urteil vom 21. Januar 2003 (- 3 AZR 35/02 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 63) entschied das Bundesarbeitsgericht, dass eine „zusätzliche Altersversorgung“ iSd. § 2 Abs. 4 TVV Energie auch eine nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung überführte Versorgungsanwartschaft aus der Zugehörigkeit zur technischen Intelligenz ist. Das Urteil betraf einen Versorgungsempfänger, bei dem der Versorgungsfall vor dem 31. Dezember 1992 eingetreten war und sich die Ansprüche nach § 3 TV Ablösung richteten. In einem obiter dictum führte das Bundesarbeitsgericht aus, dass auch bei Versorgungsfällen nach dem 31. Dezember 1992 iSd. § 4 TV Ablösung der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 4 TVV Energie Anwendung finde. Dieser sei durch § 7 TV Ablösung nicht aufgehoben worden. Die Entscheidung wurde der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Sommer des Jahres 2003 bekannt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt empfahl auch der Arbeitgeberverband, dem die Rechtsvorgängerin der Beklagten angehörte, die Zahlung der Zusatzrente an die Versorgungsempfänger einzustellen, deren Anwartschaften aus der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in die gesetzliche Rentenversicherung überführt wurden.

15

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten zahlte dem Kläger die Zusatzrente - wie auch allen anderen vergleichbaren Versorgungsempfängern - zunächst weiter. Zumindest sechs Betriebsrentnern, bei denen der Versorgungsfall erst nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eingetreten war, gewährte sie eine Zusatzrente.

16

Mit Schreiben vom 28. April 2005 teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger mit, sie gehe davon aus, dass ihm in der gesetzlichen Rentenversicherung nachträglich Zeiten in einem DDR-Zusatzversorgungssystem zuerkannt worden seien und deshalb nach den tariflichen Regelungen der Anspruch auf die Zusatzrente entfallen sei. Zum 31. Mai 2005 stellte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Zahlung der Zusatzrente an den Kläger - wie in nahezu allen anderen vergleichbaren Fällen - ein. Lediglich bei einigen Versorgungsempfängern der früheren T G GmbH, die erst im Juni/Juli 2005 mit der T zur Beklagten fusioniert hatte, wurde die Rente noch bis November 2005 weitergezahlt.

17

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihm die Zusatzrente auch über den 31. Mai 2005 hinaus weiterzuzahlen. Die Beklagte habe ihm sowohl mit dem Aufhebungsvertrag als auch mit dem Schreiben vom 15. November 1995 vertraglich eine unwiderrufliche Versorgungszusage erteilt. Zumindest bestehe ein Anspruch aus betrieblicher Übung sowie nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe trotz Kenntnis der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sowie des Bundessozialgerichts über Jahre hinweg die Zusatzrente weitergezahlt, obschon keine Zahlungsverpflichtung bestanden habe. Hierdurch habe die Beklagte einen eigenständigen Zahlungsgrund geschaffen.

18

Es habe sich unter den betroffenen Versorgungsempfängern auf Studiengruppen- und Klassentreffen, Geburtstagsfeiern sowie auf Treffen mit früheren Mitarbeitern anderer Unternehmen, die ihrerseits die Zahlung der Zusatzrente teilweise schon eingestellt hätten, herumgesprochen, dass die Beklagte nicht mehr zur Zahlung verpflichtet sei. Zudem habe im Oktober 2003 im Haus der Gewerkschaften in C eine Aussprache über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stattgefunden, an der rund 20 Kollegen verschiedener Energieversorgungsunternehmen teilgenommen hätten. Es sei deshalb davon auszugehen gewesen, dass die Beklagte die Zusatzrente weiterhin habe zahlen wollen. Zumindest aufgrund der Zahlung der Zusatzrente an die Mitarbeiter, die erst nach Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2003 (- 3 AZR 35/02 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 63) in den Ruhestand traten, sei eine betriebliche Übung entstanden. Er könne Gleichbehandlung mit diesen verlangen.

19

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger über den 30. November 2008 hinaus eine betriebliche Zusatzrente iHv. monatlich 77,33 Euro zu zahlen,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.247,86 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils monatlich 77,33 Euro ab 1. Juli 2005, 1. August 2005, 1. September 2005, 1. Oktober 2005, 1. November 2005, 1. Dezember 2005, 1. Januar 2006, 1. Februar 2006, 1. März 2006, 1. April 2006, 1. Mai 2006, 1. Juni 2006, 1. Juli 2006, 1. August 2006, 1. September 2006, 1. Oktober 2006, 1. November 2006, 1. Dezember 2006, 1. Januar 2007, 1. Februar 2007, 1. März 2007, 1. April 2007, 1. Mai 2007, 1. Juni 2007, 1. Juli 2007, 1. August 2007, 1. September 2007, 1. Oktober 2007, 1. November 2007, 1. Dezember 2007, 1. Januar 2008, 1. Februar 2008, 1. März 2008, 1. April 2008, 1. Mai 2008, 1. Juni 2008, 1. Juli 2008, 1. August 2008, 1. September 2008, 1. Oktober 2008 und 1. November 2008 zu zahlen.

20

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

21

Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zusatzrente zu. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden. Hierzu sei erforderlich, dass der Wille, die Zusatzrente trotz fehlender tariflicher Verpflichtung als freiwillige Leistung erbringen zu wollen, nach außen hervorgetreten sei. Dies sei nicht der Fall. Ihre Rechtsvorgängerin habe sich lediglich tarifgerecht verhalten wollen. Die Zahlung der Zusatzrente sei erst zum 31. Mai 2005 eingestellt worden, weil rund 5.000 Akten ehemaliger Mitarbeiter hätten überprüft werden müssen, von denen ca. 2.000 eine Rente erhalten hätten. Die Rentenbescheide seien zumeist nur unvollständig in den Akten gewesen; in der Regel sei nur die erste Seite vorhanden gewesen. Wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung sei zunächst die Prüfung vollständig abgeschlossen und die Rentenzahlung sodann bei allen Versorgungsempfängern zum gleichen Zeitpunkt eingestellt worden. Im Übrigen werde bestritten, dass der Kläger bereits vor dem 28. April 2005 Kenntnis von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gehabt habe.

22

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Bei der Verkündung des Urteils des Landesarbeitsgerichts am 21. Juli 2009 ist eine Entscheidung über die Zulassung der Revision im Tenor unterblieben. Die Beklagte hat mit einem am 24. Juli 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragt, die Revision zuzulassen. Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Juli 2009 die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass dem Kläger weder ein einzelvertraglicher noch ein tarifvertraglicher Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente zusteht. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann aber nicht entschieden werden, ob dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente aus betrieblicher Übung zusteht. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 ZPO) und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 ZPO).

24

A. Die Revision ist zulässig. Sie ist aufgrund der nachträglichen Zulassungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts statthaft.

25

I. Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 ArbGG findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht nur statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts zugelassen ist. Hierbei ist gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG die Entscheidung, ob die Revision zugelassen wird oder nicht, in den Urteilstenor aufzunehmen. Durch die Neuregelung in § 64 Abs. 3a ArbGG hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Mai 2000 durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens (Arbeitsgerichtsbeschleunigungsgesetz) vom 30. März 2000 (BGBl. I S. 333) den bis dahin in Literatur und Rechtsprechung bestehenden Streit, ob die Zulassung auch in den Entscheidungsgründen oder in der Rechtsmittelbelehrung erfolgen kann (vgl. zum früheren Streitstand BAG 11. Dezember 1998 - 6 AZB 48/97 - BAGE 90, 273) geklärt. Sowohl die positive als auch die negative Entscheidung über die Zulassung der Revision muss im Tenor des Urteils enthalten sein (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 251/04 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 114, 313).

26

Ist eine Entscheidung über die Zulassung der Revision im Tenor unterblieben, können die Parteien gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2, § 64 Abs. 3a Satz 2 ArbGG binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragen. Über diesen Antrag kann die Kammer nach § 64 Abs. 3a Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Bei dieser Entscheidung müssen, da es sich um eine § 320 Abs. 1 ZPO vergleichbare Auslassung in der Urteilsformel handelt, dieselben Richter wie am Urteil selbst mitwirken(so auch GK-ArbGG/Vossen Stand Juli 2011 § 64 Rn. 62b; GMP/Germelmann 7. Aufl. § 64 Rn. 33; Breinlinger in Düwell/Lipke ArbGG 2. Aufl. § 64 Rn. 21; Hauck/Biebl in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 64 Rn. 9; aA Schwab/Weth/Schwab ArbGG 3. Aufl. § 64 Rn. 56). Ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist sie durch Beschluss zu treffen, § 53 Abs. 1 ArbGG(Schwab/Weth/Schwab § 64 Rn. 57).

27

II. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Ergänzungsantrag wurde von der Beklagten mit am 24. Juli 2009 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz und damit innerhalb der Frist von zwei Wochen ab Verkündung des Urteils am 21. Juli 2009 gestellt. Über diesen Antrag der Beklagten hat die Kammer in derselben Besetzung wie in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2009 nach Gewährung rechtlichen Gehörs entschieden.

28

B. Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht erkannt, dass dem Kläger weder aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung noch aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ein Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente zusteht. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergibt sich auch kein Anspruch auf die Zusatzrente. Rechtsfehlerhaft hat das Landesarbeitsgericht jedoch einen Anspruch aus betrieblicher Übung bejaht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, ob eine betriebliche Übung entstanden ist, die die Beklagte zur Zahlung der begehrten Zusatzrente verpflichtet. Hierzu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und tatrichterlicher Würdigungen durch das Landesarbeitsgericht.

29

I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Feststellungsantrag, mit dem der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Zusatzrente für die Zeit nach dem 30. November 2008 begehrt.

30

1. Der Feststellungsantrag ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 ZPO gerichtet. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO nur Rechtsverhältnisse Gegenstand einer Feststellungsklage sein, nicht hingegen bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr, wie vorliegend, auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen sowie auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 3 AZR 653/07 - Rn. 12, EzA BetrAVG § 1 Betriebsvereinbarung Nr. 6).

31

2. Der Feststellungsantrag weist auch das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse auf. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger auf künftige Leistungen klagen könnte. Zwar hat eine Leistungsklage in der Regel Vorrang vor einer Feststellungsklage. Für eine Feststellungsklage kann allerdings trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein Feststellungsinteresse bestehen, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 391/06 - Rn. 11). So verhält es sich hier. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung der Zusatzrente verpflichtet ist; über deren Höhe besteht kein Streit. Durch die Klärung dieser Vorfrage wird der Streit der Parteien insgesamt beigelegt.

32

II. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klage begründet ist. Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und tatrichterlicher Würdigungen durch das Landesarbeitsgericht.

33

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht aufgrund einer individualvertraglichen Vereinbarung zur Zahlung der Zusatzrente an den Kläger verpflichtet ist. Weder mit dem Schreiben vom 15. November 1995 noch in dem Aufhebungsvertrag vom 10./31. März 1995 wurde dem Kläger eine entsprechende eigenständige Versorgungszusage erteilt. Beiden Schriftstücken ist vielmehr zu entnehmen, dass die Zahlung der Zusatzrente davon abhängt, dass die Voraussetzungen des Tarifvertrags über die betriebliche Zusatzversorgung erfüllt sind.

34

2. Der Kläger hat auch keinen tarifvertraglichen Anspruch auf die Zusatzrente nach § 4 TV Ablösung. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tarifvertrag nach § 4 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis des Klägers normativ galt - wozu das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen hat - oder ob der Tarifvertrag kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme wirkte. Dem Anspruch des Klägers steht jedenfalls § 2 Abs. 4 TVV Energie entgegen. Danach haben Arbeitnehmer, die eine zusätzliche Altersversorgung erhalten, keinen Anspruch auf Gewährung einer betrieblichen Zusatzrente. Der Kläger unterfällt diesem Ausschlusstatbestand, da seine Rentenanwartschaft nach dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AAÜG iVm. Anlage 1 Nr. 1 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt wurde. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche Altersversorgung iSv. § 2 Abs. 4 TVV Energie. Diese Bestimmung wurde durch den TV Ablösung nicht aufgehoben. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Regelungen.

35

a) Tarifverträge sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wegen ihres normativen Charakters objektiv wie Gesetze auszulegen. Es kommt in erster Linie auf den aus dem Wortlaut zu ermittelnden Wortsinn und den Gesamtzusammenhang der tariflichen Bestimmungen sowie den hieraus erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung an. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den Vorschriften seinen Niederschlag gefunden hat. Soweit hiernach kein eindeutiges Auslegungsergebnis möglich ist, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie etwa eine regelmäßige Anwendungspraxis oder die Normgeschichte herangezogen werden. Im Zweifel gebührt der Auslegung der Vorzug, die zu einer gesetzeskonformen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch handhabbaren Regelung führt (vgl. etwa BAG 29. September 2004 - 1 ABR 29/03 - zu B III 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 112, 87).

36

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat § 7 TV Ablösung die Ansprüche aus dem TVV Energie nicht erweitert und den Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 4 TVV Energie nicht aufgehoben. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen. Zwar enthält der TV Ablösung selbst keinen § 2 Abs. 4 TVV Energie entsprechenden Ausschlusstatbestand. Dies ist aber auch nicht erforderlich. § 4 TV Ablösung gewährt Arbeitnehmern, die spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1992 eine 20jährige Unternehmenszugehörigkeit aufweisen, einen Anspruch auf eine Zusatzrente, soweit die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie idF des § 7 TV Ablösung ab dem 1. Januar 1993 eintreten. § 7 TV Ablösung bestimmt, dass die Leistungsvoraussetzungen des TVV Energie ausschließlich nach der Maßgabe der folgenden Vorschriften gelten. Hieraus ergibt sich, dass sich die Leistungsvoraussetzungen nach wie vor nach dem TVV Energie richten und diese lediglich in § 7 TV Ablösung modifiziert werden. Demnach stellt auch das Nichteingreifen des Ausschlusstatbestandes des § 2 Abs. 4 TVV Energie weiterhin eine Leistungsvoraussetzung für den Erhalt der Zusatzrente dar(vgl. BAG 21. Januar 2003 - 3 AZR 35/02 - zu 2 a bb der Gründe, AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 63).

37

c) Unter dem Begriff der „zusätzlichen Altersversorgung“ iSd. § 2 Abs. 4 TVV Energie ist auch eine Rentenanwartschaft nach dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz zu verstehen, die nach § 2 Abs. 2 Satz 1 AAÜG iVm. Anlage 1 Nr. 1 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt wurde. Dies ergibt sich daraus, dass die Vorschriften des TVV Energie wörtlich oder zumindest inhaltlich der AO 54 entsprechen, die einen Anspruch auf Zusatzrente ausschloss, wenn der Angestellte eine zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz beanspruchen konnte. Zwar haben die Tarifvertragsparteien § 7 Abs. 1 Satz 2 AO 54, wonach sich die Frage, ob ein Anspruch auf zusätzliche Altersversorgung besteht, ua. nach der Verordnung vom 17. August 1950 über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben beantwortet, nicht in den TVV Energie übernommen. Diese Abweichung beruht aber auf der sich damals abzeichnenden Wiedervereinigung Deutschlands und dem Umstand, dass seinerzeit noch nicht feststand, wie die in der AO 54 erwähnten Zusatzversorgungen zur Herstellung der Rechtseinheit überführt würden. Mit § 2 Abs. 4 TVV Energie sollte ebenso wie mit § 7 Abs. 1 AO 54 eine zweifache Begünstigung vermieden werden. Dass in § 2 Abs. 4 TVV Energie bestimmte Versorgungssysteme und Durchführungswege - anders als in der AO 54 - nicht ausdrücklich genannt werden, ist insoweit unerheblich(vgl. BAG 21. Januar 2003 - 3 AZR 35/02 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 63).

38

3. Dem Kläger steht der Anspruch auf Zahlung der Zusatzrente auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu.

39

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr., vgl. etwa BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 184 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 87; 21. Juni 2000 - 5 AZR 806/98 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 612 Nr. 60 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 83). Stellt der Arbeitgeber hingegen nur einzelne Arbeitnehmer unabhängig von abstrakten Differenzierungsmerkmalen in Einzelfällen besser, können sich andere Arbeitnehmer hierauf zur Begründung gleichartiger Ansprüche nicht berufen (BAG 13. Februar 2002 - 5 AZR 713/00 - mwN, aaO).

40

b) Der Kläger hat nicht dargelegt, dass eine Gruppe mit ihm vergleichbarer Versorgungsempfänger die Zusatzrente über den 31. Mai 2005 hinaus von der Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. der Beklagten erhalten hat. Die Beklagte hat zwar an die Versorgungsempfänger der früheren T G GmbH die Zusatzrente noch bis November 2005 bezahlt. Die T G GmbH wurde jedoch erst im Sommer 2005 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei der der Kläger beschäftigt war, zur jetzigen Beklagten fusioniert. Eine Einstellung der Leistungen an diese Gruppe durch die Beklagte konnte daher nicht bereits zum 31. Mai 2005 erfolgen. Im Übrigen handelt es sich auch deshalb nicht um vergleichbare Gruppen, weil die Versorgungsempfänger unterschiedlichen Unternehmen angehörten.

41

4. Ob der Kläger einen Anspruch auf Zusatzrente nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung hat, kann auf Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen vom Senat nicht beurteilt werden. Hierzu bedarf es weiterer Sachverhaltsaufklärung seitens des Landesarbeitsgerichts.

42

a) Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung hat der Gesetzgeber die betriebliche Übung ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt (§ 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG). Danach steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage eine auf betrieblicher Übung beruhende Versorgungsverpflichtung gleich.

43

Die betriebliche Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn die Leistungsempfänger aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt (BAG 16. Februar 2010 - 3 AZR 118/08 - Rn. 11, AP BetrAVG § 1b Nr. 11 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10; 29. April 2003 - 3 AZR 247/02 - zu I 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4). Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Leistungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss deshalb danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften(BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 27, BAGE 127, 185; 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 15, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8; 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 35, BAGE 118, 360; 28. Juli 2004 - 10 AZR 19/04 - zu II 1 a der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 257 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 2).

44

b) Ob ausgehend hiervon eine betriebliche Übung entstanden ist, die die Beklagte zur Zahlung der Zusatzrente verpflichtet, kann der Senat auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entscheiden.

45

aa) Ursprünglich hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Rentenzahlungen auf eine vermeintliche tarifvertragliche Verpflichtung hin geleistet. Hiervon gingen auch die Versorgungsempfänger aus. Solange dies der Fall war, konnte keine betriebliche Übung entstehen. Die Entstehung einer betrieblichen Übung ist nicht nur dann ausgeschlossen, wenn für die vom Arbeitgeber erbrachten Leistungen tatsächlich eine anderweitige Rechtsgrundlage besteht, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer vermeintlichen Verpflichtung die Leistung erbringt und die Arbeitnehmer den Irrtum des Arbeitgebers teilen (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 21, AP TVG § 1 Tarifverträge: Brotindustrie Nr. 9 = EzA TVG § 4 Brot- und Backwarenindustrie Nr. 2; 29. April 2003 - 3 AZR 247/02 - zu I 1 der Gründe, EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 4; 23. April 2002 - 3 AZR 224/01 - zu B III 1 b der Gründe, BAGE 101, 122; 22. Januar 2002 - 3 AZR 554/00 - zu III der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 77 Ruhestand Nr. 2).

46

bb) Ob eine betriebliche Übung entstanden ist, als die Rechtsvorgängerin der Beklagten spätestens im Sommer 2003 ihren rechtlichen Irrtum hinsichtlich des Umfangs ihrer tarifvertraglichen Pflicht zur Zahlung der Zusatzrente erkannte und diese dennoch ohne einen Vorbehalt oder einen Hinweis auf eine rechtliche Überprüfung an den Kläger und andere Versorgungsempfänger weiterzahlte, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung setzt voraus, dass aus dem Verhalten des Arbeitgebers auf dessen Bindungswillen geschlossen werden durfte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger oder zumindest die Mehrheit der betroffenen Versorgungsempfänger ebenfalls Kenntnis von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2003 erlangt hätten und außerdem aus dem Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten schließen können, dass diese nicht mehr auf eine vermeintliche tarifvertragliche Verpflichtung leistet, sondern die Zahlung der Zusatzrente unabhängig davon erbringen wollte. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht bislang keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.

47

(1) Eine betriebliche Übung bezieht sich grundsätzlich auf eine Vielzahl von Arbeitnehmern oder zumindest auf eine abgrenzbare Gruppe von Arbeitnehmern, ohne dass individuelle Besonderheiten die vertraglichen Beziehungen gestalten. Das Institut der betrieblichen Übung enthält ein kollektives Element (BAG 21. April 2010 - 10 AZR 163/09 - Rn. 11, AP BGB § 151 Nr. 5; 11. April 2006 - 9 AZR 500/05 - Rn. 15, BAGE 118, 16). Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann auch dann entstehen, wenn die Leistung nur an einen Teil der Arbeitnehmer gezahlt wird und diese Zahlungen den übrigen Arbeitnehmern nicht mitgeteilt werden. Auf die Kenntnis des einzelnen Arbeitnehmers kommt es insoweit nicht an (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 88 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 12). Dies beruht darauf, dass begünstigende Leistungen der Belegschaft erfahrungsgemäß bekannt werden (BAG 17. November 2009 - 9 AZR 765/08 - Rn. 26, aaO; 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 18 mwN, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 8; 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 36, BAGE 118, 360). Hierdurch wird allerdings nicht darauf verzichtet, dass die Leistungsgewährung für jeden Arbeitnehmer, der Ansprüche aus betrieblicher Übung geltend macht, erkennbar war. Vielmehr wird dessen Kenntnis von der Leistung aufgrund eines Erfahrungssatzes fingiert. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann(BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 27, BAGE 127, 185; 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07 - Rn. 15, aaO). Die Annahme einer Willenserklärung setzt voraus, dass das Angebot dem Empfänger zugegangen ist. Dies kann bei einer aus einem Verhalten abgeleiteten konkludenten Willenserklärung nur der Fall sein, wenn der Erklärungsempfänger dieses Verhalten zur Kenntnis nehmen konnte. § 151 BGB ersetzt den Zugang der Annahmeerklärung beim Antragenden, nicht aber die Annahme selbst.

48

(2) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Erfahrungssatz, wonach begünstigende Leistungen der Belegschaft bekannt werden, grundsätzlich auch bei Leistungen an Versorgungsempfänger greifen kann. Zwar gehören diese dem Betrieb nicht mehr unmittelbar an. Ein arbeitstäglicher Austausch im Kollegenkreis findet damit nicht mehr statt. Die im Laufe des Erwerbslebens im Betrieb und Unternehmen geknüpften persönlichen Beziehungen werden jedoch durch den Renteneintritt nicht vollständig gelöst. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass ehemalige Betriebsangehörige untereinander Kontakt halten und sich nicht zuletzt über den Betrieb und auch über ihre Betriebsrenten austauschen. Es ist deshalb erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass begünstigende Leistungen des Arbeitgebers an Versorgungsempfänger auch in deren Kreisen allgemein bekannt werden.

49

(3) Dieser Erfahrungssatz ist grundsätzlich auch nicht auf Fälle der erstmaligen Gewährung zusätzlicher Leistungen beschränkt, bei denen im Verhalten des Arbeitgebers erkennbar eine Veränderung eintritt. Auch bei Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen bei dauerhaft in gleichbleibender Höhe erbrachten Zahlung der Arbeitgeber einen Irrtum über seine Zahlungspflicht erkennt, die monatlichen Zahlungen jedoch der Höhe nach unverändert bleiben, kann ein solcher Erfahrungssatz greifen. Hier tritt zwar - anders als bei der erstmaligen Erbringung zusätzlicher Leistungen - keine ohne weiteres wahrnehmbare Veränderung im äußeren Verhalten des Arbeitgebers ein. Ändern kann sich aber uU die Motivation für die Zahlung. Der Arbeitgeber kann sich in einem solchen Fall entscheiden, die Leistung künftig unabhängig von der bisherigen - vermeintlichen - Zahlungspflicht zu erbringen. Eine betriebliche Übung kann in einem solchen Fall jedoch nur entstehen, wenn die Änderung in der Motivation den Leistungsempfängern erkennbar wird. Dies erfordert, dass der Irrtum des Arbeitgebers und die Weitergewährung der Leistungen in Kenntnis der fehlenden Verpflichtung in den Kreisen der Begünstigten bekannt wird. Neben der eigenen Kenntnis des Betroffenen kann auch die Kenntnis des überwiegenden Teils der gleichfalls Begünstigten zur Begründung einer betrieblichen Übung ausreichend sein.

50

(4) Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann weder eine entsprechende Kenntnis des Klägers selbst noch eine Kenntnis vergleichbarer Versorgungsempfänger von der fehlenden Zahlungsverpflichtung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Weitergewährung der Zusatzrente in Kenntnis der fehlenden Verpflichtung angenommen werden.

51

(a) Das Landesarbeitsgericht hat keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, dass den Versorgungsempfängern die fehlende Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Zahlung der Zusatzrente bekannt war.

52

(aa) Das Landesarbeitsgericht hat insoweit ausgeführt, dass mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2003 (- 3 AZR 35/02 - AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 63)eine erhebliche Unruhe unter den Beteiligten eingetreten sei. Es sei eine bekannte und offenkundige Tatsache, dass die verrenteten Mitarbeiter der Energieversorgungsunternehmen miteinander kommunizierten und alle relevanten Daten und Informationen über ihre Altersversorgung austauschten. Nicht zufällig liefen die Mandate fast aller Kläger bei einer Prozessbevollmächtigten zusammen. Wenn die Verbände sich über die Rechtslage austauschten und auch die Beklagte selbst das Wissen um die geänderte Rechtslage kurz nach der Veröffentlichung der Gründe der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts einräume, könne auch von einem ausreichenden Informationsstand der Versorgungsempfänger ausgegangen werden. Ebenso sei zu unterstellen, dass die Tatsache, dass die meisten Energieversorger angesichts der geänderten Rechtsprechung die Zahlung der Zusatzrente eingestellt hatten, sehr schnell bekannt geworden sei und sich nach aller Erfahrung nur wie ein Lauffeuer unter den Betroffenen verbreitet haben könne.

53

(bb) Diese Würdigung beruht - wie die Revision zu Recht rügt - auf unzureichenden Tatsachenfeststellungen. Zwar ist eine vom Berufungsgericht gemäß § 286 Abs. 1 ZPO vorgenommene Würdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist, gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt(BAG 26. April 2007 - 8 AZR 695/05 - AP InsO § 125 Nr. 4) und ob alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände in sich widerspruchsfrei berücksichtigt worden sind (BAG 31. Mai 2007 - 2 AZR 276/06 - BAGE 123, 1). Neben dem Parteivorbringen darf das Gericht bei seiner Würdigung auch offenkundige Tatsachen iSv. § 291 ZPO verwerten. Offenkundig ist eine Tatsache dann, wenn sie zumindest am Gerichtsort der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde - auch durch Information aus allgemein zugänglichen zuverlässigen Quellen - wahrnehmbar ist. Offenkundig kann eine Tatsache auch dann sein, wenn der Richter sie aus seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit kennt („gerichtskundige Tatsachen“). Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn die zur Entscheidung berufenen Richter sich nicht erst durch Vorlegung von Akten uä. informieren müssen. Keine Gerichtskundigkeit begründet die Sachkunde, die das Gericht aus ähnlichen Verfahren gewonnen haben will (BAG 28. Oktober 2010 - 8 AZR 546/09 - Rn. 25, AP BGB § 611 Mobbing Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 10).

54

Offenkundige oder gerichtskundige Tatsachen sind seitens des Gerichts in die mündliche Verhandlung einzuführen, um den in Art. 103 Abs. 1 GG normierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs vor Gericht zu sichern. Nur solche Tatsachen, Beweisergebnisse und Äußerungen anderer dürfen zugrunde gelegt werden, zu denen die Parteien Stellung nehmen konnten (BAG 11. September 1997 - 8 AZR 4/96 - BAGE 86, 278; vgl. auch BVerfG 7. Oktober 1980 - 2 BvR 1581/79 - BVerfGE 55, 95).

55

(cc) Das Landesarbeitsgericht hat ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 21. Juli 2009 und des Urteils vom selben Tag in der mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, woraus es seine „allgemeine Erfahrung“ herleitet und der Beklagten die Möglichkeit genommen, sich hierzu zu äußern. Auch aus dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, auf welche Erkenntnisquelle sich das Landesarbeitsgericht stützt. Es wird ohne Begründung davon ausgegangen, dass unter den Versorgungsempfängern aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine erhebliche Unruhe eingetreten sei. Weshalb aus der Kenntnis der Verbände und der Rechtsvorgängerin der Beklagten von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts auf die Kenntnis auch der Betriebsrentner geschlossen werden soll, erschließt sich nicht. Während sich Personalabteilungen und Arbeitgeberverbände ständig mit der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts beschäftigen, findet eine solche berufsmäßige Befassung in Kreisen der Versorgungsempfänger nicht statt. Auch ist nicht erkennbar, auf welche Weise die Einstellung der Zahlungen durch andere Energieversorger - möglicherweise in anderen Bundesländern - den Versorgungsempfängern der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Kenntnis gelangt sein soll. Der vom Landesarbeitsgericht gegebene Hinweis darauf, dass die Mandate fast aller Kläger bei derselben Prozessbevollmächtigten zusammenlaufen, besagt in diesem Zusammenhang nichts. Dies mag zwar für einen regen Austausch der Versorgungsempfänger sprechen. Daraus kann jedoch nicht auf einen Austausch über die fehlende tarifvertragliche Zahlungsverpflichtung für die Zeit vor Ankündigung der Einstellung der Rentenzahlung zum 31. Mai 2005, die für alle Versorgungsempfänger der Rechtsvorgängerin der Beklagten Ende April 2005 erfolgte, geschlossen werden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Mandatierung der Prozessbevollmächtigten bereits vor der Ankündigung der Einstellung der Rentenzahlung erfolgt ist.

56

(b) Das Landesarbeitsgericht hat außerdem nicht ausreichend berücksichtigt, dass eine betriebliche Übung durch die Weiterzahlung der Zusatzrente nur entstanden sein kann, wenn die Versorgungsempfänger davon ausgehen konnten, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Zahlungen leistete, obwohl sie wusste, dass den einzelnen konkreten Zahlungsempfängern die Zusatzrente nach dem Tarifvertrag nicht zustand. Nur dann war aus Sicht der Versorgungsempfänger die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten trotz der fehlenden tariflichen Verpflichtung die Zusatzrente weiterhin dauerhaft leisten wollte. Dazu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen.

57

Insoweit genügt es nicht, dass zwischen dem Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im Sommer 2003 und der Einstellung der Zahlungen zum 31. Mai 2005 nahezu zwei Jahre lagen. Allein aus dem Zeitablauf konnten die Versorgungsempfänger nicht ohne weiteres schließen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Zusatzrente auf Dauer weitergewähren wollte, ohne hierzu nach dem Tarifvertrag verpflichtet zu sein. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten musste zunächst prüfen, bei welchen Versorgungsempfängern die tariflichen Voraussetzungen für die Zusatzrente nicht vorlagen. Um dies zu ermitteln, war nach dem Vorbringen der Beklagten eine Vielzahl von Akten zu sichten. Dieses Vorbringen hat das Landesarbeitsgericht zwar für unschlüssig gehalten und gemeint, hierbei handele es sich um eine Schutzbehauptung, wie sich aus dem an die Versorgungsempfänger gerichteten Schreiben vom 28. April 2005 ergebe; danach sei die Zahlung der Zusatzrente eingestellt worden, weil davon ausgegangen werde, dass einem Rentenantrag stattgegeben worden sei. Zudem müsse angenommen werden, dass die Versorgungsempfänger von der Rechtsvorgängerin der Beklagten datentechnisch erfasst gewesen seien, so dass eine Überprüfung in kurzer Zeit möglich gewesen sein müsse. Diese Würdigung ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern. Allein wegen des Wortlauts des Schreibens vom 28. April 2005 kann das Vorbringen der Beklagten nicht als Schutzbehauptung angesehen werden. Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, dass sich die Durchsicht der Akten als schwierig und zeitaufwendig erwiesen habe, da die Akten teilweise in schlechtem Zustand und überdies zum Teil unvollständig gewesen seien. Dieses Vorbringen hat das Landesarbeitsgericht nicht berücksichtigt.

58

(c) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, zumindest aufgrund der Zahlung der Zusatzrente an die nach dem Bekanntwerden der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in den Ruhestand getretenen Versorgungsempfänger („Neurentner“) sei eine betriebliche Übung entstanden, tragen die von ihm getroffenen Feststellungen diese Würdigung ebenfalls nicht. Es fehlt an Tatsachenfeststellungen dazu, dass diese Versorgungsempfänger Kenntnis davon hatten, dass die Beklagte zur Zahlung der Zusatzrente tariflich nicht verpflichtet war und woraus sie schließen konnten, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Zahlungen erbringen wollte ohne hierzu tariflich verpflichtet zu sein.

59

c) Die rechtsfehlerhafte Würdigung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

60

aa) Im Rahmen der neuen Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht zunächst aufzuklären haben, ob und ggf. zu welchem konkreten Zeitpunkt dem Kläger bekannt wurde, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht aufgrund des Tarifvertrags zur Zahlung der Zusatzrente verpflichtet ist, dass auch die Rechtsvorgängerin der Beklagten ihrerseits ihren rechtlichen Irrtum erkannt hatte und weiterhin Zahlungen an Versorgungsempfänger leistete, von denen sie wusste, dass ihnen ein Anspruch nach dem Tarifvertrag nicht zustand. Nur dann kann das Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus Sicht des Klägers dahingehend verstanden worden sein, dass sie sich durch die Weiterzahlung selbständig vertraglich verpflichten wollte. Aufschluss über die eigene Kenntnis des Klägers könnte das Landesarbeitsgericht durch die Verwertung der vom Kläger in seiner Klageschrift vom 12. November 2008 genannten - bislang nicht in den Akten befindlichen - Widerspruchsschreiben vom 20. Mai 2005 und 29. September 2005 erhalten.

61

bb) Sollte dem Kläger der Nachweis einer eigenen Kenntnis dieser Umstände nicht gelingen, so kann er zur Kenntnis von der fehlenden Zahlungsverpflichtung seitens der überwiegenden Mehrheit der betroffenen Betriebsrentner Vortrag halten. Dazu wird er sein Vorbringen zur Kenntniserlangung durch ein Treffen im Gewerkschaftshaus in C im Oktober 2003 ebenso zu präzisieren haben wie zu dem behaupteten Kenntnisaustausch bei Geburtstagsfeiern und Zusammenkünften ehemaliger Kollegen auf Studiengruppen- und Klassentreffen. Für die Feststellung des Kenntnisstandes der überwiegenden Anzahl der betroffenen Versorgungsempfänger könnte auch von Bedeutung sein, mit welchen Begründungen diese der Einstellung der Zahlungen durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten widersprochen und auf welcher Grundlage sie ihre Forderungen gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten bzw. die Beklagte geltend gemacht haben. Sollten sie selbst ihren Anspruch auf den Tarifvertrag gestützt haben, spräche dies gegen die Annahme, dass sie die Weiterzahlung der Zusatzrente als anspruchsbegründend angesehen haben. Dies könnte der Entstehung einer betrieblichen Übung entgegenstehen. Sollte sich ergeben, dass der überwiegenden Mehrheit der betroffenen Versorgungsempfänger das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2003 gar nicht bekannt war oder zwar bekannt war, aber allgemein davon ausgegangen wurde, dass es ihren tariflichen Ansprüchen nicht entgegenstand, scheidet ein Anspruch aus betrieblicher Übung aus.

62

cc) Soweit das Landesarbeitsgericht für das Entstehen einer betrieblichen Übung auf die ab Sommer 2003 in den Ruhestand getretenen „Neurentner“ abstellen will, wird es zu prüfen haben, ob diese von der fehlenden Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Zahlung der Zusatzrente Kenntnis hatten. In diesem Zusammenhang könnten die an die „Neurentner“ gerichteten Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten anlässlich der erstmaligen Zahlung der Zusatzrente Bedeutung haben. Soweit die Rechtsvorgängerin der Beklagten dort auf eine tarifliche Verpflichtung verwiesen haben sollte, könnte dies der Entstehung einer betrieblichen Übung entgegenstehen. Sollte die Rechtsvorgängerin der Beklagten jedoch darauf hingewiesen haben, dass eine tarifvertragliche Grundlage für die Zusatzrente nicht besteht und sie gleichwohl die Zusatzrente zahle, könnte dies für die Begründung einer betrieblichen Übung sprechen, die dann auch zu Gunsten des Klägers wirken könnte.

63

dd) Das Landesarbeitsgericht wird auch zu klären haben, ob die Versorgungsempfänger aus anderen Umständen als der bloßen Weiterzahlung der Zusatzrente schließen konnten, dass diese unabhängig vom Vorliegen der tariflichen Voraussetzungen gewährt werden sollte. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, das frühere Vorstandsmitglied S habe eine entsprechende Entscheidung zu Gunsten der Versorgungsempfänger getroffen. Insoweit wird dem Kläger Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben sein.

64

C. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

        

        

    Möller    

        

    Schepers    

                 

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. März 2009 - 3 Sa 244/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 28. November 2007 - 6 Ca 590/07 - abgeändert.

3. Die Klagen werden abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1. 4,3 %, der Kläger zu 2. 3,57 %, der Kläger zu 3. 5,34 %, der Kläger zu 4. 17,3 %, der Kläger zu 5. 7,48 %, der Kläger zu 6. 10,69 %, der Kläger zu 7. 6,18 %, der Kläger zu 8. 3,45 %, der Kläger zu 9. 4,07 %, der Kläger zu 10. 3,33 %, der Kläger zu 11. 6,65 %, der Kläger zu 12. 3,57 %, der Kläger zu 13. 4,49 %, der Kläger zu 14. 6,65 %, der Kläger zu 15. 5,05 %, der Kläger zu 16. 3,41 % und der Kläger zu 17. 4,47 % zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Feiertagszuschlag für Ostersonntag.

2

Die Kläger sind seit Jahren bei der Beklagten, einem Unternehmen der Brot- und Backwarenindustrie, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Manteltarifvertrag für die Brot- und Backwarenindustrie Niedersachsen/Bremen (im Folgenden: MTV) Anwendung, dessen § 4 Abs. 5 lautet:

        

„Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit, sofern nicht bei Schichtarbeit durch Betriebsvereinbarung andere Zeiten bestimmt sind.“

3

§ 5 Abs. 1 MTV regelt:

        

„Für Mehr-, Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Schichtarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

        
        

a)   

für Mehrarbeit (täglich)

25 v.H.

        

b)   

für Mehrarbeit ab der 3. Stunde (täglich)

50 v.H.

        

c)   

für Nachtarbeit von 22.00 bis 4.00 Uhr

50 v.H.

        

d)   

für regelmäßige Nachtschichtarbeit

30 v.H.

        

e)   

für Arbeit an Sonntagen

75 v.H.

        

f)   

für Arbeit an Feiertagen, auch wenn sie auf einen Sonntag fallen,

175 v.H.

        

…       

                 
        

h)   

für Wächter und Pförtner bei Mehrarbeit, Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit (einheitlich)

30 v.H.

        

…       

        
        

4.   

An Feiertagen, die auf einen Wochentag fallen und an denen nach den gesetzlichen Bestimmungen die ausfallende Arbeitszeit dem Nichtarbeitenden zu vergüten ist, erhält der Arbeitende für die geleisteten Arbeitsstunden den Stundenverdienst nebst Feiertagszuschlag, aber keinen Lohnausfall bezahlt. Für ausgefallene Arbeitsstunden an diesen Feiertagen ist der Lohnausfall zu vergüten.“

        
4

Seit Jahren zahlte die Beklagte für die Arbeit an Ostersonntagen einen Zuschlag iHv. 175 % und wies diesen in den Lohnabrechnungen als „Feiertagsvergütung“ aus. Ostern 2007 zahlte sie lediglich den Sonntagszuschlag iHv. 75 %.

5

Die Kläger haben geltend gemacht, ihnen stehe gem. § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV ein Zuschlag iHv. 175 % zu. Ostersonntag sei in der christlichen Welt ein Feiertag. Sinn der Tarifvorschrift sei die Honorierung der besonderen Belastung der Arbeitnehmer, die an Feiertagen arbeiten müssten. Dies gelte gerade am Ostersonntag. Jedenfalls ergebe sich der Anspruch aus einer betrieblichen Übung.

6

Die Kläger haben die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung bezifferter Beträge in einer Gesamthöhe von 899,70 Euro nebst Zinsen beantragt.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Ein tariflicher Anspruch bestehe nicht. Eine betriebliche Übung sei nicht entstanden, weil in der Vergangenheit der Feiertagszuschlag irrtümlich gezahlt worden sei.

8

Das Arbeitsgericht hat den Klagen nach Verbindung der Rechtsstreite stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht zurückgewiesen. Den Klägern steht für die am Ostersonntag 2007 geleistete Arbeit kein Feiertagszuschlag iHv. 175 % zu.

10

I. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV.

11

1. Nach § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV ist für Arbeit an Feiertagen, auch wenn diese auf einen Sonntag fallen, ein Zuschlag von 175 % zu zahlen.

12

a) Feiertage im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV sind ausschließlich die gesetzlichen Feiertage, wie sich aus § 4 Abs. 5 MTV ergibt. Die auf § 4 Abs. 5 MTV folgende Regelung in § 5 bezieht sich schon aufgrund der systematischen Stellung auf die in § 4 MTV näher erläuterten Zeiten. § 5 MTV enthält keinen eigenständigen, von § 4 MTV abweichenden Feiertagsbegriff. Vielmehr liegt gerade der Sinn des § 4 MTV darin, die in anderen Bestimmungen des MTV verwendeten Rechtsbegriffe zu definieren. Im Übrigen wird der Begriff Feiertagsarbeit an keiner anderen Stelle des Manteltarifvertrags außerhalb des § 5 behandelt, so dass § 4 Abs. 5 MTV leerliefe, wollte man diese Definition nicht auf § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV beziehen.

13

b) Nach § 4 Abs. 5 MTV ist Sonn- und Feiertagsarbeit die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0:00 Uhr bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit. Damit verweist der MTV auf das staatliche Feiertagsrecht. Gesetzlicher Feiertag iSd. MTV ist nur ein staatlich anerkannter Feiertag. Dies entspricht einem vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auslegungsgrundsatz: Verwendet ein Tarifvertrag einen Rechtsbegriff, der vom Gesetzgeber in anderem Zusammenhang gebraucht wird, und bedienen die Tarifvertragsparteien sich damit der juristischen Fachsprache, ist dieser Begriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung auszulegen, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt(BAG 28. Mai 1998 - 6 AZR 349/96 - zu II 2 a der Gründe mwN, AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5; Wiedemann/Wank 7. Aufl. § 1 TVG Rn. 1000).

14

c) Der Begriff „auch“ in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV rechtfertigt keine abweichende Auslegung. Damit wird in § 5 Abs. 1 Buchst. f) die Zuschlagspflicht für den Fall geregelt, dass ein beweglicher gesetzlicher Feiertag auf einen Sonntag fällt. „Auch“ in diesem Fall muss der erhöhte Zuschlag bezahlt werden, der für Feiertage zu zahlen ist, und nicht nur der Sonntagszuschlag von 75 %.

15

d) § 5 Abs. 4 Satz 1 MTV bestätigt die Annahme, dass sich die in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV geregelte Zuschlagspflicht allein auf gesetzliche Feiertage bezieht. Denn diese Bestimmung verweist auf § 2 EFZG, der allein die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen regelt.

16

e) Mit dem Berufungsgericht ist zwar davon auszugehen, dass Sinn und Zweck der Tarifnorm in der finanziellen Kompensation der mit der Arbeit an Feiertagen verbundenen Nachteile und Erschwernisse liegt. Doch rechtfertigt dieser Normzweck keine den Wortlaut übersteigende Auslegung des MTV. Die Regelung des MTV bewegt sich im Rahmen der Tarifautonomie und darf nicht durch die Gerichte erweitert werden. Die tarifliche Zuschlagsregelung ist wirksam. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeits- und Zweckmäßigkeitskontrolle. Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Tarifvertragsparteien die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen haben.

17

2. Eine ergänzende Tarifauslegung ist unzulässig, denn es fehlt an einer unbewussten Tariflücke. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten versehentlich eine Zuschlagsregelung für Ostersonntag unterlassen. Vielmehr sprechen die Regelungen anderer Tarifverträge dafür, dass sich Tarifvertragsparteien dieses Problems durchaus bewusst sind. Beispiele einer tarifvertraglichen Regelung finden sich in§ 35 Abs. 1 Buchst. c BAT; § 5 LTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hamburg vom 18. August 2006, § 8 MTV-Friseure NRW vom 7. Januar 2008 oder § 10 MTV für die Beschäftigten der elektrotechnischen Handwerke in Baden-Württemberg vom 14. April 2000.

18

3. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, bestimmt sich nach dem Recht des Landes, in dem der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses liegt(BAG 14. Dezember 1982 - 3 AZR 311/81 -). In Niedersachsen ist der Ostersonntag kein gesetzlicher Feiertag (§ 2 des Niedersächsischen Gesetzes über die Feiertage in der Fassung vom 7. März 1995 Nds. GVBl. S. 50).

19

II. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung eines Feiertagszuschlags aus betrieblicher Übung.

20

1. Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird( § 151 BGB ), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände ( §§ 133 , 157 BGB ) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Belegschaft davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (Senat 26. August 2009 - 5 AZR 969/08 - Rn. 25, NZA 2010, 173 ; BAG 28. Mai 2008 - 10 AZR 274/07  - Rn. 15 ff., AP BGB § 242 B etriebliche Übung Nr. 80 = EzA BGB 2002 § 242 B etriebliche Übung Nr. 8; 28. Juni 2006 -  10 AZR 385/05  - Rn. 35 f. mwN, BAGE 118, 360 ).

21

2. Hiernach scheidet ein Anspruch aus betrieblicher Übung aus. Die Kläger sind zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, die Beklagte schulde den Feiertagszuschlag iHv. 175 % aufgrund der tarifvertraglichen Regelung in § 5 Abs. 1 Buchst. f) MTV. Sie sind somit von einer tarifvertraglichen Anspruchsgrundlage ausgegangen. Aus der Sicht der Belegschaft stellte sich die Gewährung des Feiertagszuschlags für Ostersonntage als Erfüllung eines tariflichen Anspruchs dar. In einem solchen Fall wird die Leistungsgewährung nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung einer betrieblichen Übung mit dem Inhalt einer übertariflichen Verpflichtung wahrgenommen, sondern als Normvollzug(vgl. Senat 26. August 2009 - 5 AZR 969/08 - Rn. 27, NZA 2010, 173 ; 5. November 2008 - 5 AZR 455/07 - Rn. 28; BAG 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 51, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 54; 25. Juli 2001 -  10 AZR 758/00  - EzA BGB § 611 Schichtarbeit Nr. 2). Die Zahlungen begründen - unabhängig von den nicht verlautbarten Vorstellungen des leistenden Arbeitgebers - keine betriebliche Übung.

22

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Reinders    

        

    Dombrowsky    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.