Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Juni 2017 - 6 Sa 464/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0608.6Sa464.16.00
bei uns veröffentlicht am08.06.2017

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. Juli 2016 - 5 Ca 1260/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch um einen Anspruch der Klägerin auf zwei Tage bezahlte Freistellung.

2

Die Klägerin ist seit September 2010 bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpflegerin in deren Klinik B beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Unternehmensgruppe Dr. M Anwendung, ua. der für die Beklagte als Trägergesellschaft der Klinik B als Firmentarifvertrag abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 01. März 1999 (in der Folge: MTV). § 16 MTV lautet auszugsweise wie folgt:

3

§ 16 Freistellung von der Arbeit

4


2. Der/Die Arbeitnehmer/-in wird unter Fortzahlung der Vergütung gem. § 14 Abs. 1 (Erholungsurlaub) und insoweit die Freistellung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis steht, aus folgenden Anlässen von der Arbeit freigestellt:

5

a) Bei Wohnungswechsel des/der Arbeitnehmers/in (…)
2 Arbeitstage

6

b) bei Eheschließung des/der Arbeitnehmer/in
2 Arbeitstage

7

c) bei Niederkunft der Ehefrau/Lebenspartnerin in häuslicher Gemeinschaft
2 Arbeitstage

8

d) bei der silbernen Hochzeit des/der Arbeitnehmerin
2 Arbeitstage

9

e) bei Konfirmation, Erstkommunion oder gleichzustellenden Anlässen, Eheschließung eines Kindes
1 Arbeitstag

10

f) beim 25-, 40- und 50jährigen Dienstjubiläum (…)
2 Arbeitstage

11

g) bei Tod des/der Ehegatten/in Lebenspartner/in in häuslicher Gemeinschaft/ Kindes zusammenhängend
5 Arbeitstage

12

h) beim Tod der Eltern oder Schwiegereltern oder Geschwister
2 Arbeitstage

13

Arbeitsfreistellungen sind in zeitlichem Zusammenhang mit den jeweiligen Ereignissen vom/von der Arbeitnehmer/in anzutreten.
3. …

14

Protokollnotiz:

15

Soweit Leistungen aus diesem Manteltarifvertrag an den Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin in häuslicher Gemeinschaft gewährt werden oder sich auf diese beziehen, ist Voraussetzung, dass dem Arbeitgeber diese Person vorher benannt und das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft nachgewiesen wird.
4. …“

16

Die Klägerin hat am 14. September 1990 standesamtlich die Ehe geschlossen, lebt jedoch von ihrem Ehemann getrennt. Diesen Umstand hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, welche in ihrer Personalakte den Vermerk „getrennt lebend“ festgehalten hat.

17

Am 05. August 2015 hat die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Zusatzurlaub wegen „Silberhochzeit (Standesamt)" für den 14. und 15. September 2015 gestellt. Der Antrag wurde von der Beklagten unter Hinweis auf ihr Getrenntleben abgelehnt.

18

Nachdem auch ein nochmaliger Antrag der Klägerin vom 25. August 2015 erfolglos geblieben war, hat sie beim Arbeitsgericht Trier den Erlass einer auf Freistellung gerichteten einstweiligen Verfügung beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 09. September 2015 - 1 Ga 20/15 - zurückgewiesen.

19

Die Klägerin hat am 15. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht Trier vorliegende Klage auf Schadensersatz in Form der Gewährung von zwei Tagen Zusatzurlaub eingereicht.

20

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von zwei Tagen bezahlter Freistellung zu, weil die Beklagte den Sonderurlaub aus § 16 Abs. 2 MTV angesichts des bei ihr erfüllten, rein formalen Kriteriums der silbernen Hochzeit zu Unrecht verweigert habe. Der Arbeitgeber habe nicht zu bewerten, ob und wie eine Ehe geführt werde und ob und wie die Silberhochzeit gefeiert werde. Da die Ehe fortbestehe, solange sie nicht geschieden sei, sei die Regelung vor dem Hintergrund des Artikel 6 Grundgesetz und Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz sachgerecht.

21

Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich betriebsbedingt gekündigt hatte, hat die Klägerin in vorliegendem Rechtsstreit klageerweiternd eine Kündigungsschutzantrag nebst allgemeinem Feststellungsantrag und einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt (Anträge zu 2) bis 4)). Infolge Säumnis der Beklagten hat das Arbeitsgericht Trier am 02. März 2016 vollumfänglich klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen, gegen das die Beklagte nach Urteilszustellung am 09. März 2016 mit am 15. März 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Einspruch eingelegt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. Juli 2016 haben die Parteien einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht, die Anträge zu 2) bis 4) aus der Klageerweiterung erledigt sind und die Kosten des Rechtsstreits insoweit gegeneinander aufgehoben werden.

22

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23

das Versäumnisurteil vom 02.03.2016 bezüglich des nicht erledigten Teils, nämlich des Tenors zu Ziffer 1, aufrechtzuerhalten.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

das Versäumnisurteil vom 02.03.2016 hinsichtlich des nicht erledigten Teils, nämlich des Tenors zu Ziffer 1, aufzuheben und den Antrag aus der Klageschrift vom 15. Oktober 2015 abzuweisen.

26

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch nicht zu, da sie keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung von Zusatzurlaub am 14. und 15. September 2015 gehabt habe. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV sei es, dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, Familienfeiern, die im Zusammenhang mit dem 25-jährigen Bestehen seiner Ehe durchgeführt würden, in Ruhe vor- und nachbereiten zu können und hierfür keinen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen zu müssen. Auch wenn die tatsächliche Durchführung einer Familienfeier keine Voraussetzung für den Anspruch auf den Zusatzurlaub sei, sei nach dem Wortlaut der Tarifnorm unabdingbare Voraussetzung für die Freistellung, dass die zusätzlichen Urlaubstage in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Silberhochzeit stehen. Dies setze zwingend voraus, dass die Ehe tatsächlich noch bestehe und fortgeführt werde, was bei einem Getrenntleben nicht der Fall sei.

27

Das Arbeitsgericht hat dem von der Klägerin zuletzt noch mit dem Antrag zu 1) verfolgten Begehren mit Urteil vom 27. Juli 2016 - unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 02. März 2016 im Hinblick auf den Teilvergleich - entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Gewährung von zwei Tagen bezahlter Freistellung gemäß §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287, 249 Satz 1 BGB als Schadensersatz, da die Beklagte die Urlaubserteilung für den 14. und 15. September 2015 nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Unrecht verweigert habe. Der zulässige Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 02. März 2016 sei nicht begründet. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Tarifnorm komme es lediglich darauf an, dass die Voraussetzungen „Silberne Hochzeit“ und „Freistellung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis“ erfüllt seien. Die einschränkende Auslegung der Beklagten, dass ein Zusammenleben der Eheleute vorliegend müsse, finde im Regelungstext keinen Niederschlag und lasse sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen nicht ableiten. Zwar seien die Freistellungsanlässe nach § 16 Abs. 2 MTV typischerweise mit Familienfeiern verbunden, ob diese tatsächlich erfolgten, werde jedoch nicht für den jeweiligen Einzelfall geprüft, da die Tarifvertragsparteien sonst - etwa in einer Protokollnotiz - hätten regeln können, dass die Freistellung nur im Falle einer Feierlichkeit erfolgen solle. Im Übrigen bestehe eine Ehe - unabhängig davon, ob die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft leben oder einander „achten und ehren“ erst dann nicht mehr, wenn sie geschieden sei. Es komme auch nach einem praktisch brauchbaren Verständnis allein darauf an, dass die Ehe noch nicht geschieden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d. A. Bezug genommen.

28

Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 07. Oktober 2016 zugestellte Urteil mit am 28. Oktober 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 06. Dezember 2016 bis 09. Januar 2017 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 06. Januar 2017 begründet.

29

Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 06. Januar 2017, hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten auf Bl. 151 ff. d. A. Bezug genommen wird, vor,

30

das Arbeitsgericht habe § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV falsch ausgelegt. Es verkenne den Begriff der „Silbernen Hochzeit“, da dieser bedeute, dass die häusliche Gemeinschaft der Eheleute seit 25 Jahren Bestand habe. Dies belegten auch die Regelungen in § 16 Abs. 2 Buchstaben c und g MTV, in denen hinsichtlich des/ der Lebenspartner /in ausdrücklich der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft verlangt werde, der mit der Ehe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - von vorneherein einhergehe und nicht gesondert nachgewiesen werden müsse. Dieses Ergebnis entspreche auch der allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Wertung, dass es keine Silberhochzeit gebe, wenn Eheleute 25 Jahre nach der Eheschließung in Trennung lebten. Das Arbeitsgericht greife unzulässigerweise in die Regelungsbefugnis der Tarifparteien ein, wenn es entgegen deren Ansicht davon ausgehe, dass Praktikabilitätserwägungen der gegenteiligen Auslegung entgegenstünden. Zudem übersehe das Arbeitsgericht, dass der Manteltarifvertrag die Freistellung nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vorsehe, was dazu führe, dass der Arbeitnehmer, der die Freistellung am Ereignistag und unmittelbar davor oder danach nicht benötige, sie auch nicht losgelöst vom Ereignis zu einem anderen Zeitpunkt verlangen könne. Auch lasse das Arbeitsgericht die unterschiedlichen Freistellungszeiträume außer Acht, die ebenfalls dafür sprächen, dass die Tarifparteien die Freistellung zum Zweck von Feierlichkeiten hätten gewähren wollen. Dass mit einem Dienstjubiläum (§ 16 Abs. 2 Buchstabe f MTV) regelmäßig größere Feierlichkeiten nicht verbunden seien, stehe nicht entgegen, da diese Freistellung zu einem anderen Zweck - dem Honorieren von Betriebstreue - gewährt werde und daher nicht vergleichbar sei. Bestehe kein Anlass zum Feiern, weil die Ehegatten bereits die Scheidung vorbereiten, entfalle jeglicher Freistellungsbedarf, weil der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt werden könne. Zudem sei es der Klägerin, bei der die Tatsache des Getrenntlebens feststehe - nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine etwaige Vermutungsregel des Tarifvertrages zu berufen.

31

Die Beklagte beantragt zuletzt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. Juli 2016 - 5 Ca 1260/15 - teilweise abzuändern, das Versäumnisurteil vom 02. März 2016 auch hinsichtlich des Tenors zu Ziff. 1 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

33

Die Klägerin beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift wegen deren weiteren Inhalts auf Bl. 180 ff. d. A. Bezug genommen wird, zweitinstanzlich wie folgt,

36

das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sie noch verheiratet gewesen sei und daher der Anspruch bestehe. In die Tarifnorm sei keine weitere Anspruchsvoraussetzungen in Gestalt eines „Zusammenlebens der Eheleute“ hineinzuinterpretieren. Selbst in einer intakten Ehe könne es vorkommen, dass keine häusliche Lebensgemeinschaft geführt werde, beispielsweise aus beruflichen Gründen. Wie die Ehe zu führen sei, sei Privatsache der Eheleute. Gerade, weil das Trennungsjahr dazu diene, den Trennungsentschluss noch einmal zu überdenken, dürften daran keine Rechtsfolgen geknüpft werden. So lange die Ehe rechtlich noch Bestand habe, finde auch nach 25 Jahren eine Silberhochzeit statt. Ob und wie diese gefeiert werde, sei alleine den beteiligten Ehegatten überlassen. Ein Missbrauch der Regelung könne ihr nicht vorgeworfen werden, da sie lediglich die tarifliche Regelung in Anspruch nehme.

37

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 08. Juni 2017 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

38

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.

I.

39

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde von der Beklagten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 07. Oktober 2016 mit am 28. Oktober 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 06. Dezember 2016 bis 09. Januar 2017 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 06. Januar 2017 begründet rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 2, 3 ZPO).

II.

40

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes ein Anspruch auf zwei Tage bezahlte Freistellung gemäß §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. I, 287, 249 Satz 1 BGB zusteht, da die Beklagte ihr eine Freistellung für den 14. und 15. September 2015 im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Silberhochzeit nach § § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Unrecht verweigert hat. Die Berufungskammer schließt sich den sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen der erstinstanzlichen Entscheidung (Bl. 8 bis 12 des Urteils = Bl. 126 bis 130 d. A.) an und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht.

41

1. Das Arbeitsgericht hat berechtigt angenommen, dass der Klägerin am 14. und 15. September 2015 im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Silberhochzeit nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV ein Anspruch auf zweitägige Freistellung von ihrer Arbeitsleistung zustand, den die Beklagte zu Unrecht verweigert hat und der dazu führt, dass sie sich schadensersatzpflichtig gemacht hat. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifnorm.

42

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 02. November 2016 - 10 AZR 615/15 - Rn. 14, 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN, jeweils zitiert nach juris).

43

1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Recht dahingehend ausgelegt, dass für den Freistellungsanspruch allein der - bei der Klägerin gegebene - formale Bestand der Ehe zum Zeitpunkt von Silberhochzeit und zeitnaher Freistellung maßgeblich ist und die Tatsache ihres unstreitigen Getrenntlebens beim anspruchsbegründenden Ereignis dem Anspruch nicht entgegensteht.

44

1.2.1. Dem reinen Wortlaut der Tarifnorm, der lediglich von einer „silbernen Hochzeit“ spricht, lässt sich nicht entnehmen, dass neben dem formalen Bestand der Ehe eine häusliche Gemeinschaft der Eheleute Anspruchsvoraussetzung für die zweitägige Freistellung anlässlich der silbernen Hochzeit wäre. Hochzeitstage sind nach allgemeinem Sprachgebrauch die Jahrestage der Eheschließung bzw. Hochzeit. Sie werden im Zusammenhang mit der Dauer der Ehe mit verschiedenen Bezeichnungen belegt. Wenn § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV von einer Freistellung anlässlich der „silbernen Hochzeit“ des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin spricht, bedeutet dies zunächst wörtlich nur, dass der Tag der Eheschließung 25 Jahre zurückliegt und die Ehe nicht geschieden ist. Dafür, dass weitere Kriterien zu erfüllen sind, etwa eine häusliche Gemeinschaft vorliegen oder eine Festivität anlässlich der Silberhochzeit stattfinden müsste, gibt der Wortlaut der Norm keinen Anhaltspunkt.

45

1.2.2. Auch aus dem Zweck der Vorschrift und dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nicht, dass ein Getrenntleben der Eheleute dem Anspruch auf Freistellung anlässlich der Silberhochzeit nach dem Willen der Tarifvertragsparteien entgegensteht.

46

a) Der Beklagten ist zuzugeben, dass - bis auf den nicht vergleichbaren Fall der Freistellung wegen Dienstjubiläums nach Buchstabe f - die Freistellungsanlässe nach § 16 Abs. 2 MTV persönliche Ereignisse sind, in denen Mitarbeiter regelmäßig einen erhöhten zeitlichen Mehrbedarf haben, sei es, um üblicherweise stattfindende Feierlichkeiten vor- und nachzubereiten (Eheschließung, Konfirmation, Kommunion, Silberhochzeit), sei es, um organisatorische Angelegenheiten zu regeln oder familiären Ereignissen beiwohnen zu können (Wohnungswechsel, Niederkunft der Ehegattin oder Lebenspartnerin, Tod von Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Schwiegereltern oder Geschwister). Die Gewährung der Freistellung bezweckt damit regelmäßig die Abdeckung etwaig entstehenden zeitlichen Mehrbedarfs, ohne dass die Beschäftigten hierfür ihren Erholungsurlaub einsetzen müssen. Dass der zeitliche Mehraufwand in jedem Einzelfall tatsächlich anfallen und vom Anspruchsteller nachzuweisen ist, setzt der Tarifvertrag indes nicht voraus, sondern stellt pauschal auf das grundsätzliche Vorliegen des Anlasses ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände ab. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Erfüllung des Zwecks der Freistellungen - Ausgleich eines üblicherweise anfallenden Mehraufwandes - im Einzelfall gerade nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben, sondern den Freistellungsanspruch aufgrund einer generalisierenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse anerkannt. Allein die Tatsache, dass die Freistellung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis angetreten werden soll, enthält genügende Anhaltspunkte hierfür nach Auffassung der Berufungskammer jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund kommt es im Fall des Freistellungsanspruchs wegen Silberhochzeit weder darauf an, ob die Eheleute in häuslicher Gemeinschaft leben, noch ob sie den Tag der Silberhochzeit durch eine Festivität oder ähnliches begehen. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien im Übrigen einen entgegenstehenden Willen gehabt hätten, könnte dieser keine Berücksichtigung finden, da die Tarifnorm ihn nicht zum Ausdruck bringt. Der Wille der Tarifvertragsparteien kann wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligt waren, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 267/11 - Rn. 22; 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32; zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

47

b) Auch dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen lässt sich nichts anderes entnehmen. Soweit die Beklagte anführt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass § 16 MTV für Freistellungstatbestände im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich den Bestand einer häuslichen Gemeinschaft voraussetze und hieraus ableitet, dass Entsprechendes als Regelzustand auch für die Ehe zu gelten habe, vermag sich die Berufungskammer dem nicht anzuschließen. Zutreffend ist, dass nach der Protokollnotiz zu § 16 MTV zur Begründung eines Freistellungsanspruchs im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die vorherige namentliche Benennung des Partners und der Nachweis einer häuslichen Gemeinschaft Voraussetzung ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft auch bei einem Freistellungsanspruch anlässlich einer silbernen Hochzeit mach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV Anspruchsvoraussetzung wäre. Arbeitnehmer, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, haben - anders als Eheleute, die die Ehe standesamtlich eingegangen sind und mit deren Familienstand gesetzlich geregelte Rechte und Pflichten einhergehen - keine Möglichkeit, den Bestand ihrer Lebensgemeinschaft, die zudem kurzfristig beendet werden kann, durch behördliche Dokumente nachzuweisen. Die tarifvertraglich ausdrücklich geregelte vorherige Nennung des Lebensgefährten/ der Lebensgefährtin und des Nachweises einer häuslichen Gemeinschaft ermöglichen es dem Arbeitgeber, den angegebenen anspruchsbegründenden Status einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einer Prüfung zuzuführen, während eine derartige Prüfung bei bestehender Ehe aufgrund formaler Kriterien nicht erforderlich ist.

48

1.2.3. Letztlich spricht nach Auffassung der Berufungskammer schließlich die Praktikabilität der Umsetzung der Tarifnorm entscheidend dafür, dass eine fehlende häusliche Gemeinschaft eines Mitarbeiters/ einer Mitarbeiterin einem Freistellungsanspruch nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV nicht entgegensteht. Unabhängig davon, dass der Status der Ehe gemäß § 1353 BGB regelmäßig im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft die häusliche Gemeinschaft als Grundelement vorsieht, ist das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft auch im Rahmen einer bestehenden Ehe - etwa aus beruflichen Gründen oder bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung(hierzu: OLG Brandenburg 16. Oktober 2007 - 10 UF 141/07 - Rn. 22 f., zitiert nach juris) - genauso denkbar, wie - von der Klägerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geltend gemacht - ein Getrenntleben im Zusammenhang mit dem sog. Trennungsjahr iSd. §§ 1565, 1566 Abs. 1 BGB Frage kommt, in dem die Ehepartner den Bestand der Ehe prüfen, ohne dass diese bereits endgültig aufgegeben wäre. Dies zeigt, dass unterschiedlichste Ursachen dafür in Betracht kommen, dass der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Silberhochzeit in Frage gestellt ist. Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht zu beanstanden, dass die Tarifpartner für den Freistellungsanspruch nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV allein auf den formalen Bestand der Ehe abgestellt haben, nachdem die Prüfung der Ursache für das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft durch den Arbeitgeber - ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit überhaupt - nicht praktikabel wäre.

49

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Silberhochzeit zwar verheiratet war, jedoch in Trennung lebte, ihrem Schadensersatzanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGG entgegen. Nachdem aus den dargestellten Gründen der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft nach § 16 Abs 2 Buchstabe d) MTV nicht Voraussetzung für den Freistellungsanspruch ist, ist es der getrennt lebenden Klägerin nicht verwehrt, sich auf ihren Tarifanspruch zu berufen.

B

50

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

51

Gründe, die nach § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.

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(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.

(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. September 2015 - 10 Sa 787/15 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 22. April 2015 - 2 Ca 1076/14 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer tarifvertraglichen Zulage für Zeiten der Teilnahme an einer Schulung.

2

Der Kläger arbeitet bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, als Flugbegleiter (Cabin Manager). Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der Vergütungstarifvertrag Nr. 2 für das in Berlin stationierte Kabinenpersonal der Easyjet Airline Company Ltd. (VTV Kabine 2) vom 14. Mai 2013, abgeschlossen zwischen der Easyjet Airline Company Ltd. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), gültig ab 1. Januar 2013, Anwendung.

3

Der Kläger absolvierte am 19., 20. und 21. April 2014 in Unterrichtsräumen der Beklagten jeweils von 09:00 Uhr bis 17:00 Uhr eine luftfahrtrechtlich vorgeschriebene, jährlich wiederkehrende Schulung für Flugbegleiter.

4

Für die Zeit der Teilnahme an der Schulung erhielt der Kläger von der Beklagten die ihm nach § 5 Abs. 2 VTV Kabine 2 zustehende Basisvergütung, aber keine Zulagen. Solche sind in § 5 Abs. 3 ff. VTV Kabine 2 geregelt und betreffen ua. eine Trainerzulage, Schichtzulage, Zulagen für geflogene Sektoren, beherrschte Sprachen, Übernachtungen an auswärtigen Flughäfen, „Airport Standby“-Dienste, Positioning-Einsätze, Arbeiten in den freien Tag oder Tätigwerden als „Upranker“. § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 hat folgenden Wortlaut:

        

„Für jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von easyJet (Office duty) erhält der Mitarbeiter eine Zulage von

        

1,5 nominalen Sektor bis 4 Stunden Dienstzeit

        

und     

        

3,0 nominalen Sektoren ab vier Stunden Dienstzeit.“

5

Ein „nominaler Sektor“ entspricht nach der ab 1. Januar 2014 gültigen Tabelle in § 4 Abs. 2 VTV Kabine 2 für Cabin Manager 24,49 Euro. Weiter heißt es in § 9 Abs. 4 VTV Kabine 2:

        

„Für individualrechtliche Ansprüche aus diesem Tarifvertrag vereinbaren die Tarifparteien …, dass im Streitfalle die deutsche Fassung bindend ist.“

6

Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten die Zahlung einer Zulage für die drei Schulungstage im April 2014 im Umfang von jeweils drei nominalen Sektoren in unstreitiger Höhe von insgesamt 220,41 Euro.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Teilnahme an der Schulung sei zulagenpflichtig nach § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2. Dies ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der tariflichen Norm. Es handele sich um „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden“. Der Klammerzusatz „Office duty“ sei in diesem Zusammenhang ohne Belang. Übersetzt habe er nur die Bedeutung „Innendienst“, was alle Tätigkeiten umfasse, die nicht Flugdienst seien.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 220,41 Euro brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2014 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

10

Sie hat gemeint, schon aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 könne der Kläger seinen Anspruch nicht ableiten. Die dort geregelte Zulage betreffe nur Bürodienst im engeren Sinn wie Sekretariat, Verwaltungsaufgaben und Büroorganisation, nicht aber Schulungen, wie die Formulierung „Office duty“ zeige. Dies folge insbesondere auch aus der Entstehungsgeschichte des vorhergehenden Vergütungstarifvertrags Nr. 1 für das in SXF/BER stationierte Kabinenpersonal der Easyjet Airline Company Ltd. (VTV Kabine 1) vom 4. November 2011, abgeschlossen zwischen der Easyjet Airline Company Ltd. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), gültig ab 1. Mai 2011, und einem Vergleich mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 1 für das in SXF/BER stationierte Cockpitpersonal der Easyjet Airline Company Ltd. (VTV Cockpit 1) vom 4. November 2011, abgeschlossen zwischen der Easyjet Airline Company Ltd. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), gültig ab 1. Mai 2011.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte tarifvertragliche Zulage. Dies ergibt eine Auslegung von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2.

13

I. Die Klage des Klägers ist unbegründet. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage für sein Begehren allein in Betracht kommenden § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 sind nicht erfüllt. Die vom Kläger am 19., 20. und 21. April 2014 absolvierte Schulung ist nicht eine „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von easyJet (Office duty)“. Die anderslautende Auslegung der Tarifnorm durch das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerhaft.

14

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN). Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 11. November 2015 - 10 AZR 719/14 - Rn. 17, BAGE 153, 215).

15

2. Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 672/08 - Rn. 23 mwN). Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 936/07 - Rn. 15, BAGE 133, 62).

16

3. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie ergibt vielmehr, dass der in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 verwendete Begriff „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von easyJet (Office duty)“ nicht so verstanden werden kann, dass damit auch die Teilnahme an Schulungen gemeint ist.

17

a) Allerdings spricht der Wortlaut der Tarifvorschrift zunächst eher für die Annahme des Klägers, dass auch die Teilnahme an einer Schulung unter diese Regelung fällt und einen Anspruch auf eine Zulage begründet. Er ist aber nicht eindeutig.

18

aa) Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von easyJet (Office duty)“ nicht selbst bestimmt, so dass davon auszugehen ist, dass sie diesen Tarifbegriff in seiner allgemeinen bzw. fachspezifischen Bedeutung verstanden wissen wollen.

19

(1) Der Begriff „Dienstzeit“ wird zwar in der Tabelle zu § 3 VTV Kabine 2 benutzt und meint im Rahmen dieser Überleitungsvorschrift offenbar die (gesamte) Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag. Es gibt aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff „Dienstzeit“ in dieser Sonderregelung gleichbedeutend mit dem Begriff „Dienstzeit“ in der Zulagenregelung des § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 verwendet haben, zumal an anderer Stelle die Dauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses als „beschaeftigungszeit“(§ 7 Abs. 2 Satz 1 VTV Kabine 2) bezeichnet wird. Im Übrigen verwenden die Tarifvertragsparteien den Begriff „Dienstzeit“ im Zusammenhang mit Positioning-Einsätzen (§ 5 Abs. 10 VTV Kabine 2), notwendiger Gewerkschafts- und Betriebsratstätigkeit (§ 5 Abs. 13 VTV Kabine 2)sowie Personalvertretungstätigkeiten und Tätigkeiten in der ver.di-Tarifkommission (§ 7 Abs. 3 VTV Kabine 2), ohne ihn näher zu definieren.

20

(2) Der Begriff „Dienstzeit“ ist ein Fachbegriff im luftfahrtrechtlichen Bereich. Nach der Definition in § 2 Abs. 1 der 2. DV LuftBO ist Dienstzeit „jede Zeitspanne, während der ein Besatzungsmitglied auf der Grundlage von Rechtsvorschriften, tariflichen und betrieblichen Regelungen oder von der Aufsichtsbehörde genehmigten Verfahren arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt“. Nach der Begriffsbestimmung in Art. 1 iVm. Anhang III Abschn. Q OPS 1.1095 Nr. 1.4. der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 224) gehören zum Dienst „alle Aufgaben, die ein Besatzungsmitglied im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb des Inhabers eines Luftverkehrsbetreiberzeugnisses (AOC) wahrzunehmen hat“. Nach Nr. 1.5. dieser Vorschrift ist Dienstzeit „der Zeitraum, der beginnt, wenn ein Besatzungsmitglied auf Verlangen des Luftfahrtunternehmers den Dienst beginnt, und der endet, wenn das Besatzungsmitglied frei von allen dienstlichen Verpflichtungen ist“. Dem wird sowohl in Nr. 1.6. dieser Vorschrift als auch in § 2 Abs. 3 der 2. DV LuftBO die enger gefasste „Flugdienstzeit“ gegenübergestellt, die Tätigkeiten in einem Luftfahrzeug oder nach der 2. DV LuftBO auch in einem Flugübungsgerät als Besatzungsmitglied betrifft. Diese Fachterminologie spricht für ein weites Wortlautverständnis von „Dienstzeit am Boden“, welches auch die vom Kläger absolvierte Schulung umfasst. Aufgrund von Art. 1 iVm. Anhang III Abschn. O OPS 1.1015 und OPS 1.1020 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 190) sind „Wiederkehrende Schulungen“ für die Kabinenbesatzung verpflichtend durchzuführen. Während der in den Schulungsräumen der Beklagten durchgeführten Schulung hat der Kläger der Beklagten zur Verfügung gestanden und eine Aufgabe wahrgenommen, die im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Beklagten steht.

21

(3) Diese Auslegung des Begriffs „Dienstzeit“ wird durch die Verwendung des Pronomens „jegliche“ im Sinne von „jede“ und des Adjektivs „sonstige“ im Sinne von „sonst noch vorhanden“ oder „anderweitig“ verstärkt. Die Tarifvertragsparteien geben mit dieser Wortwahl in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 zu verstehen, dass jede wie auch immer geartete Dienstzeit am Boden einen Zulagenanspruch begründen soll.

22

bb) Das aus dem Begriff „Dienstzeit“ hergeleitete Normverständnis von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 wird allerdings durch den Klammerzusatz „Office duty“ in Frage gestellt.

23

(1) Die Berücksichtigung des Klammerzusatzes „Office duty“ scheidet nicht deshalb aus, weil nach § 9 Abs. 4 VTV Kabine 2 im Streitfall die deutsche Fassung des Tarifvertrags bindend ist. Der vorgelegte VTV Kabine 2 ist die deutsche Fassung des Tarifvertrags. Dem steht nicht entgegen, dass dort einzelne englischsprachige Begriffe (zB „Flight Attendant“ (§ 2 Abs. 2), „Legs“ (§ 5 Abs. 5), „Night Stops“ (§ 5 Abs. 7), „Working into the day off“ (§ 5 Abs. 11), „Crew Food“ (§ 8)) verwendet werden. Diese englischsprachigen Begriffe sind Teil der deutschen Fassung des Tarifvertrags und bei der Auslegung zu berücksichtigen.

24

(2) Der Klammerzusatz „Office duty“ in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 spricht für eine Auslegung, wonach nur solche Dienstzeiten am Boden zulagenpflichtig sein sollen, die im Büro anfallende Arbeit, also im Wesentlichen verwaltende Tätigkeiten betreffen, nicht aber die Teilnahme an Schulungen.

25

(a) Klammerzusätze zu einem bestimmten Begriff haben im Allgemeinen den Sinn, diesen Begriff zu erläutern. Das kann dazu führen, dass der durch Klammerzusatz erläuterte Begriff einen anderen Sinn erhält, als ihm nach seinem Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne den Klammerzusatz zuzuerkennen wäre. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag kommt damit einem Klammerzusatz für die Bestimmung eines vorangestellten Begriffs entscheidende Bedeutung zu (BAG 2. März 1988 - 4 AZR 604/87 -; 28. April 1982 - 4 AZR 642/79 - BAGE 38, 332).

26

(b) Ein Fall, bei dem wie bei einer staatlichen Normsetzung der wesentliche Teil der Begriffsbestimmung vor der Klammer steht (vgl. hierzu BAG 10. Mai 1994 - 3 AZR 721/93 - zu B II 2 a der Gründe), liegt nicht vor. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Einleitungshalbsatz von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 enthalte eine „Legaldefinition“ für die Formulierung „Office duty“. Eine solche wird verwendet, um eine vorangestellte längere Umschreibung für folgende Passagen mit einem zusammenfassenden kurzen Wort zu bezeichnen. Der in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 verwendete Klammerzusatz kehrt im Folgetext aber nicht wieder.

27

(c) Die Erläuterung des Begriffs „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden auf Anweisung von easyJet“ durch den Klammerzusatz „Office duty“ hat erkennbar einschränkende Bedeutung, die dem zunächst sehr weit gefassten Wortlaut einen auf bestimmte Tätigkeiten bezogenen Wortsinn gibt. Sonst hätte es des Klammerzusatzes nicht bedurft. Dieser ist nur erforderlich, um die zunächst nicht begrenzte Zulagenpflicht für Dienstzeit am Boden einzuengen. Den Tarifvertragsparteien kann nicht unterstellt werden, dass sie im Bereich von Vergütungsregelungen überflüssige Klammerzusätze verwendet haben.

28

(d) Die Reichweite dieser Einschränkung hängt von der inhaltlichen Bedeutung des Klammerzusatzes ab.

29

(aa) Die Übersetzung des englischsprachigen Begriffs „Office duty“ ist nicht eindeutig. Verschiedentlich wird „Office duty“ mit „Innendienst“ übersetzt, wie es auch der Kläger annimmt, die Pluralfassung „Office duties“ hingegen mit „Bürotätigkeiten“, was der Ansicht der Beklagten entspräche.

30

(bb) Selbst wenn man den Klammerzusatz „Office duty“ mit dem deutschen Begriff „Innendienst“ gleichsetzt, rechtfertigte dies nicht, darunter auch unbeschränkt die Teilnahme an luftfahrtrechtlich erforderlichen Schulungen zu verstehen. „Innendienst“ ist die Arbeit, die ein Arbeitnehmer auf dem Gelände bzw. in den Bürogebäuden eines Unternehmens leistet, im Gegensatz zum „Außendienst“ etwa eines Vertreters, der Kunden besucht. Das vom Kläger gebildete Begriffspaar „Außendienst“ (Tätigkeit, die im Flugzeug verrichtet wird) und „Innendienst“ (alle Tätigkeiten, die nicht im Flugzeug verrichtet werden) wird den Arbeitsaufgaben eines Flugbegleiters nicht gerecht. Der Flugbegleiter leistet im Flugzeug keinen „Außendienst“ im üblichen Begriffsverständnis, da er keine Kunden besucht. Diese kommen vielmehr zum Luftfahrzeug seines Arbeitgebers. Ferner bezieht sich „Innendienst“ auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit oder arbeitsvertraglichen Hauptpflicht im administrativen Bereich. Ein Innendienstmitarbeiter wird aber nicht angestellt, um an Schulungen teilzunehmen. Die Teilnahme an Schulungen stellt allenfalls die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, die Innen- wie Außendienstmitarbeiter treffen kann.

31

(cc) Angesichts dessen spricht viel dafür, die inhaltliche Bedeutung des Begriffs „Office duty“ - selbst wenn man ihn mit „Innendienst“ übersetzt - auf die Erfüllung arbeitsvertraglicher Hauptpflichten im Bürobereich zu beziehen. Wegen der den weit gefassten Begriff „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden“ einengenden Funktion des Begriffs „Office duty“ kann damit nicht von einem klaren, eindeutigen Wortlaut von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 ausgegangen werden, wonach auch die Teilnahme an Schulungen darunter fällt.

32

b) Die Systematik des VTV Kabine 2 gibt keinen klaren Aufschluss darüber, ob die Teilnahme an Schulungen nach § 5 Abs. 9 zulagenpflichtig ist.

33

aa) Die Vergütung von Schulungen ist im VTV Kabine 2 weder ausdrücklich geregelt noch erwähnt. § 5 VTV Kabine 2 regelt die Zusammensetzung der Monatsvergütung, die nach Abs. 1 aus einer Basisvergütung gemäß Abs. 2 und weiteren Zulagen nach den Abs. 3 bis 11 besteht. Dies könnte zumindest ein Anhaltspunkt dafür sein, dass jedenfalls die Aufzählung der Zulagen in § 5 VTV Kabine 2 abschließend ist. Allerdings entspricht schon die Angabe der Abs. 3 bis 11 für Zulagen in § 5 VTV Kabine 2 nicht der Systematik des VTV Kabine 2, da auch in § 5 Abs. 12 VTV Kabine 2 - sogar dem Wortlaut nach - eine Zulage geregelt wird und die Vergütung für Gewerkschafts- und Betriebsratstätigkeit in § 5 Abs. 13 VTV Kabine 2 mit 3,5 nominalen Sektoren pro Tag der Sache nach auch eine Zulage darstellt, da sie neben der Basisvergütung gezahlt wird. Die in § 5 Abs. 10 VTV Kabine 2 angesprochene Positioning-Zulage wird zudem in § 4 Abs. 4 VTV Kabine 2 inhaltlich ausgestaltet.

34

bb) Die Systematik der tarifvertraglichen Regelung spricht jedenfalls gegen die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, dass es sich bei § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 um eine „Auffangregelung“ handelt.

35

(1) Eine „Auffangregelung“ wäre am ehesten am Schluss einer Tarifnorm zu erwarten, wenn nach der Regelung von Spezialfällen nicht konkret genannte Tatbestände einer pauschalierenden Lösung zugeführt werden. Denkbar wäre dies auch am Anfang einer Tarifnorm als „Grundregelung“, der dann einzelne Spezialfälle nachfolgen. Die Stellung von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 zu Beginn des letzten Drittels einer längeren Aufzählung von Einzelfällen der Zulagenpflicht spricht deshalb eher dafür, dass auch hier nur ein bestimmter Fall geregelt wird. Zwar ist der Wortlaut des ersten Halbsatzes von § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 weit gefasst, was für eine „Auffangregelung“ sprechen könnte. Der Klammerzusatz bezieht dies aber wieder nur auf einen bestimmten Fall und ist nicht etwa mit dem Zusatz „zum Beispiel“ versehen.

36

(2) Ebenfalls gegen eine „Auffangregelung“ spricht der Umstand, dass die Zulagenregelung in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 umfangreicher sein kann als die in anderen Absätzen geregelten speziellen Zulagentatbestände. Von einer Auffangregelung würde man erwarten, dass sie ein Grundniveau sicherstellt, aber nicht über speziellere Regelungen hinausgeht. So wird ein „Airport Standby“- Dienst nach § 5 Abs. 8 VTV Kabine 2 grundsätzlich erst dann mit einem nominalen Sektor als Zulage vergütet, wenn er wenigstens vier Stunden dauert, während nach § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 jegliche sonstige Dienstzeit am Boden von einer Minute bis vier Stunden Dienstzeit mit 1,5 nominalen Sektoren als Zulage vergütet wird. Dabei sind „Dienstzeit“ nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 2 der 2. DV LuftBO bzw. in Art. 1 iVm. Anhang III Abschn. Q OPS 1.1095 Nr. 1.3. der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 224) auch Pausen. „Bereitschaft“ zählt nach Art. 1 iVm. Anhang III Abschn. Q OPS 1.1125 Nr. 1.2. der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 228) demgegenüber sogar vollständig bei der Berechnung der kumulativen Dienststunden und wird ausweislich der Formulierung in § 5 Abs. 8 VTV Kabine 2 auch von den Tarifvertragsparteien als „Dienst“ angesehen.

37

c) Sinn und Zweck der Tarifnorm sprechen maßgeblich gegen einen Zulagenanspruch bei Teilnahme an Schulungen.

38

aa) Die Zulagenregelung in § 5 VTV Kabine 2 betrifft ganz unterschiedliche Bereiche. Tendenziell beziehen sich die Zulagen auf die Tätigkeit als Besatzungsmitglied im Flugzeug und damit in Zusammenhang stehende Arbeitsabläufe oder auf besondere Kenntnisse, Erschwernisse und Aufwendungen. Dies spricht dagegen, Schulungen über die Basisvergütung hinaus mit Zulagen zu vergüten, da sie weder zur produktiven Tätigkeit eines Flugbegleiters gehören noch mit besonderen Belastungen, Erschwernissen oder Anforderungen verbunden sind.

39

bb) Der Sinn des Zulagenanspruchs für „Office duty“ ergibt sich daraus, dass Flugbegleiter, die nicht in ihrer eigentlichen Funktion als Besatzungsmitglied tätig sind, sondern im Büro eingesetzt werden und deshalb keine Zulage für „geflogene Sektoren“ nach § 5 Abs. 5 VTV Kabine 2 erhalten, für diese finanziell unattraktive nichtfliegerische Sonderverwendung einen Ausgleich erhalten sollen. Zweck der tariflichen Zulagenregelung ist es hingegen nicht, jede Art von Dienst zusätzlich zu vergüten, wie schon das Beispiel der „Airport Standby“-Dienste mit unter vier Stunden Dauer in § 5 Abs. 8 VTV Kabine 2 zeigt.

40

Bei der Teilnahme an Schulungen können den Flugbegleitern zwar Zulagen nach § 5 Abs. 5 VTV Kabine 2 entgehen. Andererseits haben die Schulungen jedoch eine überschaubare Dauer, die - wie bei „kurzen“ „Airport Standby“-Diensten bis vier Stunden - nicht als ausgleichsbedürftig eingestuft werden muss. Hinzu kommt, dass die Teilnahme an Schulungen für alle Flugbegleiter verpflichtend ist und keine individuelle Sonderbelastung darstellt. Demgegenüber erhalten Flugbegleiter, die im Bürobereich eingesetzt werden - etwa für die Bedienung des Urlaubsbeantragungssystems oder des Systems zum Tausch von Diensten - gegebenenfalls längerfristig oder dauerhaft keine Zulage für geflogene Sektoren und Positioning-Einsätze. Der Zweck der Zulage nach § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 lässt sich für diese Konstellation mit dem Ausgleich für entgangene Zulagen im Flugdienst begründen, die nur einzelne Flugbegleiter aufgrund einer Sonderverwendung betrifft.

41

d) Dieses Verständnis der Tarifnorm wird von der Tarifgeschichte und einem Vergleich mit dem Inhalt eines von denselben Tarifvertragsparteien zeitlich parallel abgeschlossenen Vergütungstarifvertrags für das Cockpitpersonal bestätigt.

42

aa) Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (BAG 17. Juni 2015 - 10 AZR 518/14 - Rn. 34 mwN).

43

bb) Die Entstehungsgeschichte der Tarifnorm verdeutlicht, dass die Teilnahme an Schulungen keinen Zulagenanspruch begründet.

44

(1) In einem Entwurf der Gewerkschaft ver.di vom Dezember 2010 für den VTV Kabine 1 war ursprünglich sowohl ein Zulagenanspruch für „sämtliche Trainingseinheiten am Boden sowie Schulungen“ im Umfang von zwei nominalen Sektoren pro Einheit (vgl. § 4 Abs. 8) als auch für „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden“ im Umfang von einem nominalen Sektor pro zwei Stunden Dienstzeit (vgl. § 4 Abs. 11) enthalten. Der Begriff „Office duty“ taucht in diesem Entwurf nicht auf.

45

In der Folgezeit schlossen die Tarifvertragsparteien eine „Vereinbarung zu den Tarifverhandlungen vom 18. Juli 2011“, in welcher die bislang erzielten Verhandlungsergebnisse als Zwischenstand festgehalten sind. Dort heißt es unter A I (Kabinenpersonal, Entgelt) ua.:

        

„3. Weitere Entgeltbestandteile

        

…       

        
        

d.    

Buerotage (Office duty): fuer Kabinenmanager und fuer Flugbegleiter gelten ab dem 1. August 2011 folgende Werte:

                 

1.5     

Nominalsektoren bis vier Stunden

                 

3.0     

Nominalsektoren ab vier Stunden“

46

Am 4. November 2011 schlossen die Tarifvertragsparteien rückwirkend zum 1. Mai 2011 den VTV Kabine 1 ab. Dort ist in § 4 Abs. 9 eine Zulagenregelung für „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden (Office duty)“ enthalten, die fast gleichlautend mit der streitgegenständlichen Regelung in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2 ist. Anders als noch im Entwurf der Gewerkschaft ver.di vorgesehen, enthalten weder der VTV Kabine 1 - wie auch später der VTV Kabine 2 - noch das schriftlich niedergelegte Verhandlungszwischenergebnis eine Zulagenregelung für „sämtliche Trainingseinheiten am Boden sowie Schulungen“. Die ursprünglich ausdrücklich erhobene Forderung hat keinen Eingang in den Tarifvertrag gefunden.

47

(2) Ergänzend kommt hinzu, dass in der Vereinbarung zu den Tarifverhandlungen vom 18. Juli 2011 erstmals der Begriff „Office duty“ in A I 3 d erwähnt und in Zusammenhang mit der Formulierung „Buerotage“ gebracht wird. Dies spricht für die einengende Auslegung, wonach nicht jede Form von Dienstzeit und damit auch Schulungen zulagenpflichtig sind, sondern nur Bürotätigkeiten im Sinne verwaltender Arbeiten.

48

cc) Schließlich kann die von den Tarifvertragsparteien im Rahmen eines anderen Tarifvertrags verwendete Systematik nicht unbeachtet bleiben.

49

(1) Zwar können zur Auslegung eines Tarifvertrags andere Tarifverträge nicht ohne weiteres herangezogen werden. Da es entscheidend auf den Willen der Vertragschließenden ankommt, ist nur bei gewichtigen Anhaltspunkten davon auszugehen, dass der Sprachgebrauch anderer Tarifvertragsparteien und die von ihnen getroffene Regelung von Bedeutung sein sollen. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn mehrere Tarifverträge eine gewisse Einheit bilden (vgl. BAG 28. Januar 2009 - 4 ABR 92/07 - Rn. 41 mwN, BAGE 129, 238).

50

(2) Gleichzeitig mit dem VTV Kabine 1 haben dieselben Tarifvertragsparteien den VTV Cockpit 1 verhandelt und am selben Tag abgeschlossen, was auf einen engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang beider Tarifverträge hinweist. Ferner zeigt bereits das gemeinsame Zwischenergebnis dieser Tarifvertragsverhandlungen vom 18. Juli 2011, dass die Tarifvertragsparteien beide Tarifverträge als einen zusammenhängenden Verhandlungskomplex betrachtet haben.

51

(3) Die Tarifvertragsparteien des VTV Cockpit 1 haben die Teilnahme an Schulungen offenkundig nicht als vom Tatbestandsmerkmal „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden (Office duty)“ erfasst angesehen. In diesem Tarifvertrag haben sie vielmehr getrennte Zulagenregelungen für „sämtliche Trainingseinheiten am Boden sowie Schulungen“ (§ 4 Abs. 8 VTV Cockpit 1) einerseits und für „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden (Office duty)“ andererseits (§ 4 Abs. 11 VTV Cockpit 1) in jeweils identischer Höhe von zwei nominalen Sektoren vereinbart. Der Regelung in § 4 Abs. 8 VTV Cockpit 1 bedürfte es nicht, wenn Schulungen schon von § 4 Abs. 11 VTV Cockpit 1 erfasst wären. Man kann den Tarifvertragsparteien aber nicht unterstellen, dass sie mit § 4 Abs. 8 VTV Cockpit 1 eine inhaltlich überflüssige Regelung haben treffen wollen.

52

dd) Die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des VTV Kabine 1 gelten in gleicher Form für den VTV Kabine 2. Dieser ist im Wesentlichen eine Fortschreibung des vorangegangenen Tarifvertrags. § 4 Abs. 9 VTV Kabine 1 ist - bis auf den neu hinzugekommenen, noch stärker begrenzenden Einschub „auf Anweisung von easyJet“ - fast wortidentisch mit § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2. Für das Verständnis dieser Tarifvorschrift und die Frage der Einbeziehung von Schulungen in die Zulagenpflicht kann auf die Entstehungsgeschichte des in seinem Kern unverändert gebliebenen Wortlauts der Vorgängerregelung zurückgegriffen werden. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, dass der im Wesentlichen wortgleich verwendete Begriff „jegliche sonstige Dienstzeit am Boden (Office duty)“ in § 4 Abs. 9 VTV Kabine 1 eine andere Bedeutung hat als in § 5 Abs. 9 VTV Kabine 2(vgl. BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 19, BAGE 134, 34).

53

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat als unterliegende Partei die Kosten von Berufung und Revision zu zahlen.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    Schlünder    

        

        

        

    Großmann    

        

    Züfle    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 4. Juni 2012 - 8 Sa 97/12 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Ausmaß der Absenkung einer tariflichen Sonderzahlung.

2

Der Kläger trat im Jahre 1990 in die Dienste der Beklagten, eines Automobilzulieferer-Unternehmens. Er ist bei ihr als Musterbauer beschäftigt. Sein monatliches Entgelt belief sich im maßgeblichen Zeitraum auf 2.678,50 Euro brutto.

3

Auf das Arbeitsverhältnis der beiderseits tarifgebundenen Parteien findet ua. der Einheitliche Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18. Dezember 2003 (ETV 13. ME) Anwendung. Nach § 2 Nr. 2.2 dieses Tarifvertrags steht dem Kläger eine Jahressonderzahlung in Höhe von 55 vH eines Monatsentgelts zu. In dem am 13. Dezember 2010 abgeschlossenen Standortsicherungstarifvertrag ist eine vorübergehende Absenkung dieses 13. Monatseinkommens für die Jahre 2010 bis 2014 vorgesehen. Der Tarifvertrag enthält, soweit von Belang, folgende Regelungen:

        

3.1   

Tarifliche Einmalzahlungen

        

3.1.1.

Die tariflichen Ansprüche auf

                 

die betriebliche Sonderzahlung gemäß § 2 des einheitlichen Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (ETV 13. ME) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden im Jahr 2010 um 10 Prozent sowie im Jahr 2011 um 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.

        

3.1.2.

Die tariflichen Ansprüche auf

                 

die zusätzliche Urlaubsvergütung gemäß § 14 Nr. 1. des einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden in den Jahren 2011 und 2012 um jeweils 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.

        

…       

        
        

3.2     

Kompensation der reduzierten tariflichen Einmalzahlungen durch zusätzliche Arbeitszeit

                 

Die Beschäftigten können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis zur Kompensation der Reduzierung der tariflichen Einmalzahlungen (betriebliche Sonderzahlung und zusätzliche Urlaubsvergütung) gemäß Ziffer 3.1 wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit leisten.

                 

…       

                 

Macht der Beschäftigte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, werden die tariflichen Einmalzahlungen gemäß Ziff. 3.1 über die angeführten Zeiträume hinaus bis zur Beendigung dieses Standortsicherungstarifvertrages weiterhin um jeweils 40 Prozent abgesenkt.

                 

…       

        

3.8     

AT-/ÜT-Beschäftigte, leitende Angestellte

                 

…       

                 

Die persönlichen Arbeitszeitkonten dieser Beschäftigten werden während der Laufzeit dieser Vereinbarung wie folgt mit Minusstunden belastet:

                          

2010   

15 Minusstunden

                          

2011   

40 Minusstunden

                          

2012   

40 Minusstunden

                          

2013   

40 Minusstunden

                          

2014   

20 Minusstunden.

                 

Soweit außertarifliche bzw. übertarifliche Beschäftigte Anspruch auf Zahlung eines Bonus haben, wird der Bonus um 40 % des individuellen regelmäßigen Bruttomonatsentgelts abgesenkt.

                 

Zur Kompensation der Reduzierung der Bonuszahlung können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit geleistet werden.

                 

...“   

4

Die Beklagte versteht die Regelungen des Standortsicherungstarifvertrags dahin, dass die tarifliche Sondervergütung im Jahr 2010 um 10 % bezogen auf das Monatsentgelt als Grundwert (100), demnach also - um 10 Prozentpunkte - von 55 vH eines Monatsentgelts auf 45 vH eines Monatsentgelts gesenkt wird. Sie hat deshalb für das Jahr 2010 den auf dieser Grundlage zutreffend errechneten Betrag von 1.205,32 Euro an den Kläger ausgezahlt.

5

Der Kläger vertritt demgegenüber eine Kürzung der Sonderzahlung um einen Prozentsatz von 10 vH bezogen auf einen Grundwert von 55 vH des Monatseinkommens, folglich um 5,5 vH auf 49,5 vH eines Monatsentgelts und verlangt hiernach 1.325,86 Euro abzüglich der gezahlten 1.205,32 Euro.

6

Nach Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass die Tarifvertragsparteien ihrer Vereinbarung  das Verständnis zugrunde gelegt haben, das die Beklagte als maßgebend ansieht.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Wortlaut der Regelungen im Standortsicherungstarifvertrag sei eindeutig. Angesichts der Grundsätze der Tarifauslegung sei der entgegenstehende Wille der Tarifvertragsparteien unbeachtlich.

8

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. März 2012 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung ihrer Auffassung hat sie sich auf den vom Tarifwortlaut abweichenden übereinstimmenden Regelungswillen der Tarifparteien berufen. Dieser finde hinreichenden Ausdruck in Ziff. 3.2 des Standortsicherungstarifvertrags, wonach die Absenkung der tariflichen Leistungen wertgleich durch unbezahlte Mehrarbeit kompensiert werden könne. Eine annähernd wertgleiche Kompensation werde allein auf der Grundlage des übereinstimmenden Regelungswillens erreicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat keinen Erfolg. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Die Klage ist unbegründet.

12

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die verlangte Zahlung von 120,54 Euro brutto. Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, nämlich § 2 Nr. 2.2 des ETV 13. ME in Verbindung mit Ziff. 3.1.1 des Standortsicherungstarifvertrags lägen nur dann vor, wenn der Tarifvertrag eine Absenkung des 13. Monatseinkommens auf 49,5 % eines Monatseinkommens vorsähe. Die Absenkung beträgt jedoch 10 vH bezogen auf das Monatseinkommen als Grundwert, sodass sich der Zahlungsanspruch auf den bereits geleisteten Betrag beschränkt. Das ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Norm.

13

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - zu I 1 b aa der Gründe, BAGE 111, 204; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 92, 259) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat (BAG 8. März 1995 - 10 AZR 27/95 - zu II 2 a der Gründe). Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 10 AZR 488/11 - Rn. 13).

14

2. Die Anwendung dieser Grundsätze ergibt, dass sich die im Standortsicherungstarifvertrag enthaltene Angabe der Prozentsätze 10 und 40, um die das 13. Monatseinkommen abgesenkt werden soll, auf das Monatsentgelt als Grundwert (100), nicht aber auf das 13. Einkommen bezieht. Angegeben sind mit den im Tarifvertrag angeführten Zahlenwerten die Prozentpunkte. Diese zeigen die Differenz der Relationen zwischen ungekürzter und gekürzter betrieblicher Sonderzahlung auf (55 vH -  10 vH = 45 vH bzw. 55 vH -  40 vH = 15 vH), nicht die Relation der Differenz, also das Verhältnis zwischen der vollen und der abgesenkten betrieblichen Sonderzahlung.

15

a) Der Wortlaut der Tarifnorm ist allerdings mehrdeutig. Er scheint auf den ersten Blick in die dem Kläger günstige Richtung zu weisen, weil die Vorschrift anordnet, die Absenkung solle 10 bzw. 40 Prozent „des jeweiligen individuellen Anspruchs“ betragen. Mit dem „individuellen Anspruch“ wird die betriebliche Sonderzahlung angesprochen. Indes unterscheidet bereits die Umgangssprache nicht immer deutlich zwischen „Prozent“ und „Prozentpunkt“. Auch in der Rechtspraxis schwankt der Sprachgebrauch; so wird in Klageschriften gelegentlich der Ausdruck „Prozent“ im Sinne des vom Gesetzgeber (vgl. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB) gewählten Ausdrucks „Prozentpunkt“ benutzt (vgl. BAG 2. März 2004 - 1 AZR 271/03 - zu VII 2 der Gründe, BAGE 109, 369). Der Wortlaut schließt damit eine Auslegung im Sinne des von der Beklagten für richtig gehaltenen Verständnisses nicht vollständig aus. Er ordnet nicht mit der vom Kläger in Anspruch genommenen Ausschließlichkeit an, eine andere Deutung komme unter keinen Umständen in Betracht.

16

b) Der Zusammenhang von Ziff. 3.1 des Standortsicherungstarifvertrags mit den weiteren Vorschriften macht deutlich, dass die Absenkung 10 bzw. 40 Prozentpunkte betragen soll. Ziff. 2 gibt den betroffenen Arbeitnehmern für die Zeit ab Juli 2012 die Möglichkeit, die Absenkung des 13. Monatseinkommens durch unentgeltliche Mehrarbeit zu kompensieren. Die Kompensation soll dabei „wertgleich“ erfolgen. Bei der Absenkung des Urlaubsgeldes und des 13. Monatseinkommens um jeweils 40 vH vom Monatsentgelt wird genau der Betrag erreicht, der dem Wert der zur Kompensation vorgesehenen wöchentlichen Mehrarbeit von 2,5 Stunden in einem Zeitraum von zwölf Monaten entspricht. Die Absenkung wird also im Falle der Leistung unbezahlter zusätzlicher Arbeit exakt kompensiert. Die Kompensation ist daher „wertgleich“, wie der Tarifvertrag verlangt. Die vom Kläger bevorzugte Auslegung würde dagegen zu einer deutlichen Überkompensation führen. Die Arbeitnehmer müssten zB bei einem Monatsgehalt von 2.000,00 Euro Arbeitsstunden im Wert von 1.600,00 Euro erbringen, um eine Kürzung von 1.016,00 Euro auszugleichen.

17

c) Bei derartiger Lage spricht die Tarifgeschichte für das hier gewonnene Ergebnis (vgl. BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29). Maßgeblich ist insoweit die vom Landesarbeitsgericht festgestellte, ausdrücklich erklärte Absicht der Tarifvertragsparteien, die Regelung so zu treffen, wie sie von der Beklagten angewandt worden ist.

18

d) Die Einwände der Revision gegen dieses Auslegungsergebnis greifen nicht durch. Dass der Kläger in den Jahren 2010 und 2011 keine Kompensation der Absenkung durch unbezahlte Mehrarbeit erreichen konnte, ist im Tarifvertrag ausdrücklich so geregelt. Es ändert an den für die Auslegung entscheidenden Gesichtspunkten nichts. Die Annahme, die Tarifvertragsparteien könnten bei identischem Wortlaut für die Jahre 2010 und 2011 eine andere Regelung als für die Jahre 2012 bis 2014 getroffen haben, liegt fern.

19

e) Die Ausführungen der Revision zum Zustandekommen des Standortsicherungstarifvertrags enthalten im Wesentlichen neuen Vortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigungsfähig ist. Abgesehen davon sind die Ausführungen auch unbehelflich. Aus ihnen geht allenfalls hervor, dass eine geringere Absenkung im Gespräch war. Der Kläger räumt aber selbst ein, dass eine Vereinbarung auf dieser Grundlage nicht zustande gekommen ist und in einer gemeinsamen Information von Betriebsrat und Werksleitung vom 10. Dezember 2010 - also drei Tage vor Abschluss des Tarifvertrags - eine Absenkung des 13. Monatseinkommens ausdrücklich auf „45 % des regelmäßigen Entgelts“ angekündigt wurde.

20

II. Die Kosten der Revision fallen dem Kläger nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.

        

    Mikosch    

        

    Mestwerdt    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Schürmann    

        

    R. Bicknase    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 11. März 2011 - 5 Sa 106/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Überleitung des Klägers in die Entgeltgruppen des aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Entgelttarifvertrages für die Kliniken der Damp Holding AG (ETV-Kliniken Damp).

2

Der Kläger ist seit 1993 als angelernter Pflegehelfer in der Forensischen Klinik des Klinikums S, das Mitte des letzten Jahrzehnts von der Beklagten übernommen wurde, beschäftigt. Er erhielt zunächst eine Vergütung nach der VergGr. Kr. I (Fallgr. 1) und später ein Entgelt nach der VergGr. Kr. II (Fallgr. 3 - nach Bewährungsaufstieg) der Anlage 1b zum BAT/BAT-O (Pflegedienst). Die Damp Holding AG und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) schlossen am 30. April 2008 den ETV-Kliniken Damp 2008, der zum 1. Januar 2008 in Kraft trat. Am 2. März 2010 vereinbarten sie den - weitgehend inhaltsgleichen - ETV-Kliniken Damp 2010 - ebenfalls mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 - mit der Abweichung, dass die Damp Holding AG auch im Namen und in Vollmacht für die in der Geltungsbereichsbestimmung namentlich aufgeführten Konzerngesellschaften - wie die Beklagte - handele. Die ETV-Kliniken Damp 2008/2010 enthalten ua. eine identische Tabelle zur Überleitung der Vergütungs-, Lohn- und Entgeltgruppen aus verschiedenen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes in die Entgeltgruppen 1 bis 14 der ETV-Kliniken Damp 2008/2010.

3

Nach Überleitung in den ETV-Kliniken Damp 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Januar 2008 Entgelt nach der Entgeltgruppe 2 des Tarifvertrages.

4

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten eine Überleitung nach § 5 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 in die Entgeltgruppe 3 erfolglos geltend gemacht. Mit seiner Klage hat er den Differenzbetrag iHv. von monatlich 136,84 Euro brutto für den Zeitraum Januar 2008 bis einschließlich März 2009 gefordert und mit seinem Feststellungsantrag eine entsprechende Feststellung für den Zeitraum ab dem 1. April 2009 begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Überleitungstabelle des § 5 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 ordne die VergGr. Kr. II BAT/BAT-O der Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 zu.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, 1.368,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Kläger in Entgeltgruppe 3 des Entgelttarifvertrages (Kliniken), abgeschlossen zwischen der Damp Holding AG und der Gewerkschaft ver.di, datierend vom 30. April 2008, eingruppiert ist.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages ausgeführt, nach der Überleitungstabelle in § 5 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 werde der Kläger zutreffend nach der Entgeltgruppe 2 vergütet, da er im Jahre 2004 im Wege des Bewährungsaufstiegs von der VergGr. Kr. I in die VergGr. Kr. II gelangt sei. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Überleitung diejenigen Arbeitsaufgaben, die im BAT/BAT-O wegen eines Bewährungsaufstiegs in zwei unterschiedlichen Vergütungsgruppen aufgeführt worden seien, im neuen Tarifsystem einheitlich nur noch einer Entgeltgruppe zugeordnet. Dieser Regelungsplan ergebe sich aus der „Sternchen-Fußnote“ zu § 5 ETV-Kliniken Damp 2008/2010. Soweit die VergGr. Kr. II BAT/BAT-O dabei nur der Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 zugeordnet worden sei, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Die Tarifvertragsparteien hätten übersehen, dass auch die VergGr. Kr. I einen Bewährungsaufstieg in die VergGr. Kr. II vorsehe. In der Zeile, die zu der Entgeltgruppe 2 gehöre, müsse deshalb in die Spalte zu den Kr-Vergütungsgruppen statt „I“ im Wege der Lückenfüllung „I bis II*“ hineingelesen werden. Bei einer Überleitung aus der VergGr. Kr. II BAT/BAT-O in die Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 komme es ansonsten zu der ungewöhnlichen Tariferhöhung von 25,4 %. Dies verdeutliche, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Überleitung offensichtlich nicht gewollt hätten. Die das Redaktionsversehen berücksichtigende, zutreffende Überleitung in die Entgeltgruppe 2 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 führe dagegen nur zu einer Erhöhung von 4,16 %.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger ist gemäß § 5 ETV-Kliniken Damp 2010 zum 1. Januar 2008 zutreffend in die Entgeltgruppe 3 übergeleitet worden.

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I. Die Klage ist zulässig. Auch der neben dem Leistungsantrag gestellte Feststellungsantrag ist - nach gebotener Auslegung - als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig (st. Rspr., s. nur BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11 mwN, BAGE 128, 165). Das Feststellungsinteresse ist auf die Zeit ab April 2009 gerichtet und überschneidet sich deshalb zeitlich nicht mit dem Leistungsantrag. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie werde sich im Fall einer klagestattgebenden, rechtskräftigen Entscheidung daran halten. Trotz des Zusatzes „datierend vom 30. April 2008“ hat der Kläger seinen Antrag im Verfahrensverlauf hinreichend deutlich auf den ETV-Kliniken Damp 2010 bezogen.

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II. Beide Klageanträge sind begründet. Der Anspruch des Klägers auf Überleitung in die Entgeltgruppe 3 ergibt sich aus § 5 ETV-Kliniken Damp 2010, der für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit normativ nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gilt. Da dieser Tarifvertrag rückwirkend zum 1. Januar 2008 geschlossen worden ist, ist der Kläger zum 1. Januar 2008 nach § 5 ETV-Kliniken Damp 2010 aus dem bisherigen Entgeltsystem in die neuen Entgeltgruppen übergeleitet worden.

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2. In Anwendung dieser Überleitungsregeln ist der Kläger zum 1. Januar 2008 von der VergGr. Kr. II (Fallgr. 3) der Anlage 1b zum BAT/BAT-O in die Entgeltgruppe 3 des ETV-Kliniken Damp 2008/2010 übergeleitet worden.

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a) Nach dem Wortlaut der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 ist der Kläger mit der VergGr. Kr. II (Fallgr. 3) der Anlage 1b zum BAT/BAT-O nach der Zeile „BAT KR - II bis III*“ der Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 zugeordnet. Danach besteht ein Anspruch ab dem 1. Januar 2008 auf ein Entgelt dieser Entgeltgruppe, das der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig ist.

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b) Die Auffassung der Beklagten, es sei eine Überleitung in die Entgeltgruppe 2 erfolgt, ist unzutreffend. Hiergegen sprechen der Wortlaut, die Systematik und der Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen.

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aa) Der Wortlaut der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 ist unmissverständlich und widerlegt die Annahme der Beklagten. In der zur Entgeltgruppe 2 gehörenden Zeile ist die VergGr. Kr. II nicht genannt. Ausdrücklich genannt ist sie nur in der Entgeltgruppe 3.

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bb) Aus der Systematik der Regelung ergibt sich nicht anderes.

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(1) Aus § 5 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 oder anderen Überleitungsbestimmungen dieses Tarifvertrages lässt sich keine zwingende Regel ableiten, nach der Ausgangs- und Bewährungsfallgruppen des Ausgangstarifvertrages immer in einer Entgeltgruppe des neuen Tarifvertrages zusammengefasst werden. Eine solche ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem mit einem Sternchen gekennzeichneten Zusatz unterhalb der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 ETV-Kliniken Damp 2008/2010.

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Aus dem dort aufgeführten Satz: „Lautet die Bezeichnung ‚a bis b’“ (was als Platzhalter für Angaben in der Tabelle steht, ua. „II bis III“, vgl. dazu auch den nachfolgenden Beispielsatz im Tariftext), „so sind … gemeint“, ergibt sich eine solche Regel nicht. Es handelt sich um eine Erklärung der Tabellenspalten, in denen diese „a bis b“-Bezeichnungen ausdrücklich aufgeführt sind, was sich auch an der Formulierung „so sind … gemeint“ zeigt. Der Text stellt lediglich auf die Fälle ab, in denen „II bis III*“, „III bis IV*“ usw. bereits ausdrücklich in einer der Tabellenspalten aufgeführt ist. Deshalb kann diese Erklärung gerade nicht auf solche Tabellenspalten erstreckt werden, in denen lediglich eine Vergütungsgruppe genannt ist.

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(2) Die Annahme der Beklagten, Ausgangs- und Bewährungsfallgruppen des Ausgangstarifvertrages würden immer in einer Entgeltgruppe des neuen Tarifvertrages zusammengefasst, findet auch in der Gesamtschau der Angaben der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 keine Stütze. Für sie fehlt es an einer ausreichenden Grundlage, da jedenfalls auch die VergGr. Kr. V und VergGr. Kr. Va, obwohl Bewährungsaufstiege im Ausgangstarifvertrag vorgesehen waren, ohne „a bis b“-Bezeichnung geblieben sind.

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(3) Demgegenüber ist auch die Annahme der Beklagten, eine Überleitung des Klägers in die Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 komme im Ergebnis einem weiteren, weder im alten noch im neuen Entgeltsystem vorgesehenen Bewährungsaufstieg gleich, unzutreffend. Eine Überleitung kann bereits nicht mit einem Bewährungsaufstieg gleichgesetzt werden. Zudem liefe eine solche Erwägung auf eine inhaltliche Bewertung der vereinbarten Überleitungsregelungen hinaus, die den Tarifvertragsparteien vorbehalten ist. Entsprechendes gilt für die Einwände der Beklagten, die Tarifvertragsparteien hätten mit der Überleitung der Beschäftigten keine Besserstellung zur vorherigen Situation erreichen wollen und eine solche Vergütungserhöhung sei bei Tarifverhandlungen ungewöhnlich.

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3. Die Verfahrensrügen der Beklagten sind nicht begründet.

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a) Entgegen der Auffassung der Beklagten war keine Tarifauskunft zur Auslegung der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 einzuholen. Eine solche darf zum einen nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein (vgl. nur BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 40/09 - Rn. 23; 18. August 1999 - 4 AZR 247/98 - zu I 2.3.1 der Gründe, BAGE 92, 229). Die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist Sache des Gerichts (vgl. ausführlich Creutzfeldt Die „Tarifauskunft“ im Arbeitsgerichtsverfahren in FS Düwell S. 286 ff., 294). Zum anderen kann der Wille der Tarifvertragsparteien wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligt waren, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32, BAGE 124, 110; 31. Oktober 1990 - 4 AZR 114/90 - BAGE 66, 177, 181).

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b) Einer Erhebung des von der Beklagten angebotenen Zeugenbeweises durch die an den Tarifverhandlungen beteiligten Vertreter der Tarifvertragsparteien zu ihrer Behauptung, die Tarifvertragsparteien hätten nicht gewollt, dass die Pflegehelfer der VergGr. Kr. II BAT/BAT-O in die Entgeltgruppe 3 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 „aufsteigen“, sondern sie vielmehr in die Entgeltgruppe 2 ETV-Kliniken Damp 2008/2010 überleiten wollen, bedurfte es nicht. Zum einen lag keine schlüssige Tatsachenbehauptung der Beklagten vor. Zum anderen ist der subjektive Wille der Tarifvertragsparteien nur insoweit von Bedeutung als er in den tariflichen Normen seinen unmittelbaren Niederschlag gefunden hat.

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c) Schließlich war der von der Beklagten vermisste gerichtliche Hinweis nach § 139 ZPO zum weiteren Vortrag der Beklagten des „eigentlich Gewollten“ der Tarifvertragsparteien entbehrlich. Auch insoweit gilt, dass ein abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien weder im Wortlaut noch in der Systematik der tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat.

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III. Der Zinsanspruch für die Klageforderung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

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IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Winter    

        

        

        

    G. Kleinke    

        

    J. Ratayczak    

                 

(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.

(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.

(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.

(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.

(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.

(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.