Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 08. Juni 2017 - 6 Sa 464/16
Gericht
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. Juli 2016 - 5 Ca 1260/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten zuletzt noch um einen Anspruch der Klägerin auf zwei Tage bezahlte Freistellung.
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Die Klägerin ist seit September 2010 bei der Beklagten als Gesundheits- und Krankenpflegerin in deren Klinik B beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Unternehmensgruppe Dr. M Anwendung, ua. der für die Beklagte als Trägergesellschaft der Klinik B als Firmentarifvertrag abgeschlossene Manteltarifvertrag vom 01. März 1999 (in der Folge: MTV). § 16 MTV lautet auszugsweise wie folgt:
- 3
„§ 16 Freistellung von der Arbeit
- 4
…
2. Der/Die Arbeitnehmer/-in wird unter Fortzahlung der Vergütung gem. § 14 Abs. 1 (Erholungsurlaub) und insoweit die Freistellung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis steht, aus folgenden Anlässen von der Arbeit freigestellt:
- 5
a) Bei Wohnungswechsel des/der Arbeitnehmers/in (…)
2 Arbeitstage
- 6
b) bei Eheschließung des/der Arbeitnehmer/in
2 Arbeitstage
- 7
c) bei Niederkunft der Ehefrau/Lebenspartnerin in häuslicher Gemeinschaft
2 Arbeitstage
- 8
d) bei der silbernen Hochzeit des/der Arbeitnehmerin
2 Arbeitstage
- 9
e) bei Konfirmation, Erstkommunion oder gleichzustellenden Anlässen, Eheschließung eines Kindes
1 Arbeitstag
- 10
f) beim 25-, 40- und 50jährigen Dienstjubiläum (…)
2 Arbeitstage
- 11
g) bei Tod des/der Ehegatten/in Lebenspartner/in in häuslicher Gemeinschaft/ Kindes zusammenhängend
5 Arbeitstage
- 12
h) beim Tod der Eltern oder Schwiegereltern oder Geschwister
2 Arbeitstage
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Arbeitsfreistellungen sind in zeitlichem Zusammenhang mit den jeweiligen Ereignissen vom/von der Arbeitnehmer/in anzutreten.
3. …
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Protokollnotiz:
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Soweit Leistungen aus diesem Manteltarifvertrag an den Lebensgefährten bzw. die Lebensgefährtin in häuslicher Gemeinschaft gewährt werden oder sich auf diese beziehen, ist Voraussetzung, dass dem Arbeitgeber diese Person vorher benannt und das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft nachgewiesen wird.
4. …“
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Die Klägerin hat am 14. September 1990 standesamtlich die Ehe geschlossen, lebt jedoch von ihrem Ehemann getrennt. Diesen Umstand hat die Klägerin der Beklagten mitgeteilt, welche in ihrer Personalakte den Vermerk „getrennt lebend“ festgehalten hat.
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Am 05. August 2015 hat die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Zusatzurlaub wegen „Silberhochzeit (Standesamt)" für den 14. und 15. September 2015 gestellt. Der Antrag wurde von der Beklagten unter Hinweis auf ihr Getrenntleben abgelehnt.
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Nachdem auch ein nochmaliger Antrag der Klägerin vom 25. August 2015 erfolglos geblieben war, hat sie beim Arbeitsgericht Trier den Erlass einer auf Freistellung gerichteten einstweiligen Verfügung beantragt. Das Arbeitsgericht hat den Antrag mit Urteil vom 09. September 2015 - 1 Ga 20/15 - zurückgewiesen.
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Die Klägerin hat am 15. Oktober 2015 beim Arbeitsgericht Trier vorliegende Klage auf Schadensersatz in Form der Gewährung von zwei Tagen Zusatzurlaub eingereicht.
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Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen geltend gemacht, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch in Höhe von zwei Tagen bezahlter Freistellung zu, weil die Beklagte den Sonderurlaub aus § 16 Abs. 2 MTV angesichts des bei ihr erfüllten, rein formalen Kriteriums der silbernen Hochzeit zu Unrecht verweigert habe. Der Arbeitgeber habe nicht zu bewerten, ob und wie eine Ehe geführt werde und ob und wie die Silberhochzeit gefeiert werde. Da die Ehe fortbestehe, solange sie nicht geschieden sei, sei die Regelung vor dem Hintergrund des Artikel 6 Grundgesetz und Artikel 2 Abs. 2 Grundgesetz sachgerecht.
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Nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich betriebsbedingt gekündigt hatte, hat die Klägerin in vorliegendem Rechtsstreit klageerweiternd eine Kündigungsschutzantrag nebst allgemeinem Feststellungsantrag und einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt (Anträge zu 2) bis 4)). Infolge Säumnis der Beklagten hat das Arbeitsgericht Trier am 02. März 2016 vollumfänglich klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen, gegen das die Beklagte nach Urteilszustellung am 09. März 2016 mit am 15. März 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Einspruch eingelegt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 27. Juli 2016 haben die Parteien einen Teilvergleich dahingehend geschlossen, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht, die Anträge zu 2) bis 4) aus der Klageerweiterung erledigt sind und die Kosten des Rechtsstreits insoweit gegeneinander aufgehoben werden.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 02.03.2016 bezüglich des nicht erledigten Teils, nämlich des Tenors zu Ziffer 1, aufrechtzuerhalten.
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Die Beklagte hat beantragt,
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das Versäumnisurteil vom 02.03.2016 hinsichtlich des nicht erledigten Teils, nämlich des Tenors zu Ziffer 1, aufzuheben und den Antrag aus der Klageschrift vom 15. Oktober 2015 abzuweisen.
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Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch nicht zu, da sie keinen Rechtsanspruch auf die Gewährung von Zusatzurlaub am 14. und 15. September 2015 gehabt habe. Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV sei es, dem Mitarbeiter die Möglichkeit zu geben, Familienfeiern, die im Zusammenhang mit dem 25-jährigen Bestehen seiner Ehe durchgeführt würden, in Ruhe vor- und nachbereiten zu können und hierfür keinen Erholungsurlaub in Anspruch nehmen zu müssen. Auch wenn die tatsächliche Durchführung einer Familienfeier keine Voraussetzung für den Anspruch auf den Zusatzurlaub sei, sei nach dem Wortlaut der Tarifnorm unabdingbare Voraussetzung für die Freistellung, dass die zusätzlichen Urlaubstage in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Silberhochzeit stehen. Dies setze zwingend voraus, dass die Ehe tatsächlich noch bestehe und fortgeführt werde, was bei einem Getrenntleben nicht der Fall sei.
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Das Arbeitsgericht hat dem von der Klägerin zuletzt noch mit dem Antrag zu 1) verfolgten Begehren mit Urteil vom 27. Juli 2016 - unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 02. März 2016 im Hinblick auf den Teilvergleich - entsprochen und zur Begründung im Wesentlichen angeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Gewährung von zwei Tagen bezahlter Freistellung gemäß §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. 1, 287, 249 Satz 1 BGB als Schadensersatz, da die Beklagte die Urlaubserteilung für den 14. und 15. September 2015 nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Unrecht verweigert habe. Der zulässige Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 02. März 2016 sei nicht begründet. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Tarifnorm komme es lediglich darauf an, dass die Voraussetzungen „Silberne Hochzeit“ und „Freistellung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis“ erfüllt seien. Die einschränkende Auslegung der Beklagten, dass ein Zusammenleben der Eheleute vorliegend müsse, finde im Regelungstext keinen Niederschlag und lasse sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen nicht ableiten. Zwar seien die Freistellungsanlässe nach § 16 Abs. 2 MTV typischerweise mit Familienfeiern verbunden, ob diese tatsächlich erfolgten, werde jedoch nicht für den jeweiligen Einzelfall geprüft, da die Tarifvertragsparteien sonst - etwa in einer Protokollnotiz - hätten regeln können, dass die Freistellung nur im Falle einer Feierlichkeit erfolgen solle. Im Übrigen bestehe eine Ehe - unabhängig davon, ob die Ehegatten in häuslicher Gemeinschaft leben oder einander „achten und ehren“ erst dann nicht mehr, wenn sie geschieden sei. Es komme auch nach einem praktisch brauchbaren Verständnis allein darauf an, dass die Ehe noch nicht geschieden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 124 ff. d. A. Bezug genommen.
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Die Beklagte hat gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 07. Oktober 2016 zugestellte Urteil mit am 28. Oktober 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 06. Dezember 2016 bis 09. Januar 2017 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 06. Januar 2017 begründet.
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Die Beklagte trägt zur Begründung ihrer Berufung nach Maßgabe ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 06. Januar 2017, hinsichtlich deren weiterer Einzelheiten auf Bl. 151 ff. d. A. Bezug genommen wird, vor,
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das Arbeitsgericht habe § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV falsch ausgelegt. Es verkenne den Begriff der „Silbernen Hochzeit“, da dieser bedeute, dass die häusliche Gemeinschaft der Eheleute seit 25 Jahren Bestand habe. Dies belegten auch die Regelungen in § 16 Abs. 2 Buchstaben c und g MTV, in denen hinsichtlich des/ der Lebenspartner /in ausdrücklich der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft verlangt werde, der mit der Ehe - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - von vorneherein einhergehe und nicht gesondert nachgewiesen werden müsse. Dieses Ergebnis entspreche auch der allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Wertung, dass es keine Silberhochzeit gebe, wenn Eheleute 25 Jahre nach der Eheschließung in Trennung lebten. Das Arbeitsgericht greife unzulässigerweise in die Regelungsbefugnis der Tarifparteien ein, wenn es entgegen deren Ansicht davon ausgehe, dass Praktikabilitätserwägungen der gegenteiligen Auslegung entgegenstünden. Zudem übersehe das Arbeitsgericht, dass der Manteltarifvertrag die Freistellung nur im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis vorsehe, was dazu führe, dass der Arbeitnehmer, der die Freistellung am Ereignistag und unmittelbar davor oder danach nicht benötige, sie auch nicht losgelöst vom Ereignis zu einem anderen Zeitpunkt verlangen könne. Auch lasse das Arbeitsgericht die unterschiedlichen Freistellungszeiträume außer Acht, die ebenfalls dafür sprächen, dass die Tarifparteien die Freistellung zum Zweck von Feierlichkeiten hätten gewähren wollen. Dass mit einem Dienstjubiläum (§ 16 Abs. 2 Buchstabe f MTV) regelmäßig größere Feierlichkeiten nicht verbunden seien, stehe nicht entgegen, da diese Freistellung zu einem anderen Zweck - dem Honorieren von Betriebstreue - gewährt werde und daher nicht vergleichbar sei. Bestehe kein Anlass zum Feiern, weil die Ehegatten bereits die Scheidung vorbereiten, entfalle jeglicher Freistellungsbedarf, weil der Schutzzweck der Norm nicht erfüllt werden könne. Zudem sei es der Klägerin, bei der die Tatsache des Getrenntlebens feststehe - nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine etwaige Vermutungsregel des Tarifvertrages zu berufen.
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Die Beklagte beantragt zuletzt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. Juli 2016 - 5 Ca 1260/15 - teilweise abzuändern, das Versäumnisurteil vom 02. März 2016 auch hinsichtlich des Tenors zu Ziff. 1 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift wegen deren weiteren Inhalts auf Bl. 180 ff. d. A. Bezug genommen wird, zweitinstanzlich wie folgt,
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das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass sie noch verheiratet gewesen sei und daher der Anspruch bestehe. In die Tarifnorm sei keine weitere Anspruchsvoraussetzungen in Gestalt eines „Zusammenlebens der Eheleute“ hineinzuinterpretieren. Selbst in einer intakten Ehe könne es vorkommen, dass keine häusliche Lebensgemeinschaft geführt werde, beispielsweise aus beruflichen Gründen. Wie die Ehe zu führen sei, sei Privatsache der Eheleute. Gerade, weil das Trennungsjahr dazu diene, den Trennungsentschluss noch einmal zu überdenken, dürften daran keine Rechtsfolgen geknüpft werden. So lange die Ehe rechtlich noch Bestand habe, finde auch nach 25 Jahren eine Silberhochzeit statt. Ob und wie diese gefeiert werde, sei alleine den beteiligten Ehegatten überlassen. Ein Missbrauch der Regelung könne ihr nicht vorgeworfen werden, da sie lediglich die tarifliche Regelung in Anspruch nehme.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer am 08. Juni 2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A
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Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht erfolgreich.
I.
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Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde von der Beklagten nach Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 07. Oktober 2016 mit am 28. Oktober 2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 519 ZPO) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Beschluss vom 06. Dezember 2016 bis 09. Januar 2017 mit am gleichen Tag bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 06. Januar 2017 begründet rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 2, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 2, 3 ZPO).
II.
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Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht ist mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes ein Anspruch auf zwei Tage bezahlte Freistellung gemäß §§ 275 Abs. 1, 280 Abs. 1, 283, 286 Abs. I, 287, 249 Satz 1 BGB zusteht, da die Beklagte ihr eine Freistellung für den 14. und 15. September 2015 im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Silberhochzeit nach § § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Unrecht verweigert hat. Die Berufungskammer schließt sich den sorgfältig begründeten Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen der erstinstanzlichen Entscheidung (Bl. 8 bis 12 des Urteils = Bl. 126 bis 130 d. A.) an und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Auch die Angriffe der Berufung rechtfertigen ein anderes Ergebnis nicht.
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1. Das Arbeitsgericht hat berechtigt angenommen, dass der Klägerin am 14. und 15. September 2015 im zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Silberhochzeit nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV ein Anspruch auf zweitägige Freistellung von ihrer Arbeitsleistung zustand, den die Beklagte zu Unrecht verweigert hat und der dazu führt, dass sie sich schadensersatzpflichtig gemacht hat. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifnorm.
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1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Berufungskammer anschließt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 02. November 2016 - 10 AZR 615/15 - Rn. 14, 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN, jeweils zitiert nach juris).
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1.2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Arbeitsgericht § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV zu Recht dahingehend ausgelegt, dass für den Freistellungsanspruch allein der - bei der Klägerin gegebene - formale Bestand der Ehe zum Zeitpunkt von Silberhochzeit und zeitnaher Freistellung maßgeblich ist und die Tatsache ihres unstreitigen Getrenntlebens beim anspruchsbegründenden Ereignis dem Anspruch nicht entgegensteht.
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1.2.1. Dem reinen Wortlaut der Tarifnorm, der lediglich von einer „silbernen Hochzeit“ spricht, lässt sich nicht entnehmen, dass neben dem formalen Bestand der Ehe eine häusliche Gemeinschaft der Eheleute Anspruchsvoraussetzung für die zweitägige Freistellung anlässlich der silbernen Hochzeit wäre. Hochzeitstage sind nach allgemeinem Sprachgebrauch die Jahrestage der Eheschließung bzw. Hochzeit. Sie werden im Zusammenhang mit der Dauer der Ehe mit verschiedenen Bezeichnungen belegt. Wenn § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV von einer Freistellung anlässlich der „silbernen Hochzeit“ des Arbeitnehmers/ der Arbeitnehmerin spricht, bedeutet dies zunächst wörtlich nur, dass der Tag der Eheschließung 25 Jahre zurückliegt und die Ehe nicht geschieden ist. Dafür, dass weitere Kriterien zu erfüllen sind, etwa eine häusliche Gemeinschaft vorliegen oder eine Festivität anlässlich der Silberhochzeit stattfinden müsste, gibt der Wortlaut der Norm keinen Anhaltspunkt.
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1.2.2. Auch aus dem Zweck der Vorschrift und dem tariflichen Gesamtzusammenhang ergibt sich nicht, dass ein Getrenntleben der Eheleute dem Anspruch auf Freistellung anlässlich der Silberhochzeit nach dem Willen der Tarifvertragsparteien entgegensteht.
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a) Der Beklagten ist zuzugeben, dass - bis auf den nicht vergleichbaren Fall der Freistellung wegen Dienstjubiläums nach Buchstabe f - die Freistellungsanlässe nach § 16 Abs. 2 MTV persönliche Ereignisse sind, in denen Mitarbeiter regelmäßig einen erhöhten zeitlichen Mehrbedarf haben, sei es, um üblicherweise stattfindende Feierlichkeiten vor- und nachzubereiten (Eheschließung, Konfirmation, Kommunion, Silberhochzeit), sei es, um organisatorische Angelegenheiten zu regeln oder familiären Ereignissen beiwohnen zu können (Wohnungswechsel, Niederkunft der Ehegattin oder Lebenspartnerin, Tod von Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Schwiegereltern oder Geschwister). Die Gewährung der Freistellung bezweckt damit regelmäßig die Abdeckung etwaig entstehenden zeitlichen Mehrbedarfs, ohne dass die Beschäftigten hierfür ihren Erholungsurlaub einsetzen müssen. Dass der zeitliche Mehraufwand in jedem Einzelfall tatsächlich anfallen und vom Anspruchsteller nachzuweisen ist, setzt der Tarifvertrag indes nicht voraus, sondern stellt pauschal auf das grundsätzliche Vorliegen des Anlasses ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände ab. Damit haben die Tarifvertragsparteien die Erfüllung des Zwecks der Freistellungen - Ausgleich eines üblicherweise anfallenden Mehraufwandes - im Einzelfall gerade nicht zur Anspruchsvoraussetzung erhoben, sondern den Freistellungsanspruch aufgrund einer generalisierenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die konkreten Verhältnisse anerkannt. Allein die Tatsache, dass die Freistellung nach § 16 Abs. 2 Satz 2 MTV im zeitlichen Zusammenhang mit dem Ereignis angetreten werden soll, enthält genügende Anhaltspunkte hierfür nach Auffassung der Berufungskammer jedenfalls nicht. Vor diesem Hintergrund kommt es im Fall des Freistellungsanspruchs wegen Silberhochzeit weder darauf an, ob die Eheleute in häuslicher Gemeinschaft leben, noch ob sie den Tag der Silberhochzeit durch eine Festivität oder ähnliches begehen. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien im Übrigen einen entgegenstehenden Willen gehabt hätten, könnte dieser keine Berücksichtigung finden, da die Tarifnorm ihn nicht zum Ausdruck bringt. Der Wille der Tarifvertragsparteien kann wegen der weitreichenden Wirkung von Tarifnormen auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den Tarifvertragsverhandlungen unbeteiligt waren, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 12. Dezember 2012 - 4 AZR 267/11 - Rn. 22; 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 32; zitiert nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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b) Auch dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen lässt sich nichts anderes entnehmen. Soweit die Beklagte anführt, das Arbeitsgericht habe verkannt, dass § 16 MTV für Freistellungstatbestände im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich den Bestand einer häuslichen Gemeinschaft voraussetze und hieraus ableitet, dass Entsprechendes als Regelzustand auch für die Ehe zu gelten habe, vermag sich die Berufungskammer dem nicht anzuschließen. Zutreffend ist, dass nach der Protokollnotiz zu § 16 MTV zur Begründung eines Freistellungsanspruchs im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft die vorherige namentliche Benennung des Partners und der Nachweis einer häuslichen Gemeinschaft Voraussetzung ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft auch bei einem Freistellungsanspruch anlässlich einer silbernen Hochzeit mach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV Anspruchsvoraussetzung wäre. Arbeitnehmer, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben, haben - anders als Eheleute, die die Ehe standesamtlich eingegangen sind und mit deren Familienstand gesetzlich geregelte Rechte und Pflichten einhergehen - keine Möglichkeit, den Bestand ihrer Lebensgemeinschaft, die zudem kurzfristig beendet werden kann, durch behördliche Dokumente nachzuweisen. Die tarifvertraglich ausdrücklich geregelte vorherige Nennung des Lebensgefährten/ der Lebensgefährtin und des Nachweises einer häuslichen Gemeinschaft ermöglichen es dem Arbeitgeber, den angegebenen anspruchsbegründenden Status einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einer Prüfung zuzuführen, während eine derartige Prüfung bei bestehender Ehe aufgrund formaler Kriterien nicht erforderlich ist.
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1.2.3. Letztlich spricht nach Auffassung der Berufungskammer schließlich die Praktikabilität der Umsetzung der Tarifnorm entscheidend dafür, dass eine fehlende häusliche Gemeinschaft eines Mitarbeiters/ einer Mitarbeiterin einem Freistellungsanspruch nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV nicht entgegensteht. Unabhängig davon, dass der Status der Ehe gemäß § 1353 BGB regelmäßig im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft die häusliche Gemeinschaft als Grundelement vorsieht, ist das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft auch im Rahmen einer bestehenden Ehe - etwa aus beruflichen Gründen oder bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung(hierzu: OLG Brandenburg 16. Oktober 2007 - 10 UF 141/07 - Rn. 22 f., zitiert nach juris) - genauso denkbar, wie - von der Klägerin zuletzt in der mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer geltend gemacht - ein Getrenntleben im Zusammenhang mit dem sog. Trennungsjahr iSd. §§ 1565, 1566 Abs. 1 BGB Frage kommt, in dem die Ehepartner den Bestand der Ehe prüfen, ohne dass diese bereits endgültig aufgegeben wäre. Dies zeigt, dass unterschiedlichste Ursachen dafür in Betracht kommen, dass der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Silberhochzeit in Frage gestellt ist. Jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt ist es nicht zu beanstanden, dass die Tarifpartner für den Freistellungsanspruch nach § 16 Abs. 2 Buchstabe d) MTV allein auf den formalen Bestand der Ehe abgestellt haben, nachdem die Prüfung der Ursache für das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft durch den Arbeitgeber - ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit überhaupt - nicht praktikabel wäre.
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2. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Silberhochzeit zwar verheiratet war, jedoch in Trennung lebte, ihrem Schadensersatzanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGG entgegen. Nachdem aus den dargestellten Gründen der Bestand einer häuslichen Gemeinschaft nach § 16 Abs 2 Buchstabe d) MTV nicht Voraussetzung für den Freistellungsanspruch ist, ist es der getrennt lebenden Klägerin nicht verwehrt, sich auf ihren Tarifanspruch zu berufen.
B
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Gründe, die nach § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben.
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(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.