Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Okt. 2017 - 3 Sa 281/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1030.3Sa281.17.00
bei uns veröffentlicht am30.10.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 06.04.2017, Az.: 9 Ca 325/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dem Kläger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. T. GmbH, N., eine Insolvenzforderung zusteht, oder aber nicht.

2

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger wegen behaupteter Diskriminierung bei der Einstellung Entschädigung bzw. Schadenersatz geltend. Nach der Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter und dessen Bestreiten der angemeldeten Forderung zur Insolvenztabelle ist streitgegenständlich die Feststellung des Bestehens einer entsprechenden Forderung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zur Insolvenztabelle. Bei nach Angabe des Beklagten im Kammertermin vom 06.04.2017 angezeigter Masseunzulänglichkeit.

3

Der als schwerbehindert im Sinne des SGB IX anerkannte Kläger hat sich bei der Gemeinschuldnerin auf ein von dieser über die Bundesagentur für Arbeit ausgeschriebenes Stellenangebot als IT-Systemadministrator (vgl. Bl. 58 ff. d. A.) mit Bewerbung vom 05.06.2015 beworben. Die Parteien führten auf Einladung des Klägers durch die Gemeinschuldnerin am 19.06.2015 ein Vorstellungsgespräch, an dem u. a. die Gehaltsvorstellungen und etwaige Weiterbildungsmöglichkeiten des Klägers bei der Gemeinschuldnerin erörtert wurden.

4

Einige Tage später fand ein Telefonat zwischen der Mitarbeiterin N. und dem Kläger statt, dessen Inhalt in Teilen von den Parteien unterschiedlich dargestellt wird. Hinsichtlich des weiteren unstreitigen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 2, 3 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 195, 196 d. A.) Bezug genommen.

5

De Kläger hat vorgetragen,
die Mitarbeiterin N. habe ihm mitgeteilt, dass man sich definitiv für ihn entschieden habe und ihn einstellen wolle. Als er dann aber darauf hingewiesen habe, dass er eine körperliche Behinderung aufweise, die bislang im Bewerbungsverfahren von ihm noch nicht erwähnt worden sei, sei die Stimmung im Gespräch umgeschlagen. Schließlich habe er dann, was zwischen den Parteien unstreitig ist, nachdem er mehrere Wochen lang keine Rückantwort erhalten habe, telefonisch am 20.10.2015 sowie per E-Mail am 21.10.2015 (vgl. Bl. 11 d. A.) eine Absage erhalten. Es sei davon auszugehen, dass die Absage nur deshalb erteilt worden sei, weil bei ihm eine Schwerbehinderung vorliege. Diese stehe jedoch in keinem Zusammenhang mit der Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit. Soweit die Gemeinschuldnerin behaupte, die Absage sei wegen der unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen der Parteien und angeblich zu hoher Anforderungen des Klägers an seine Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten erfolgt, sei dies nicht zutreffend und insbesondere nicht glaubhaft. Wenn die Gemeinschuldnerin insbesondere der Auffassung gewesen sei, dass er überzogene Erwartungen an seine Weiterbildung stelle, habe sie sich das Telefonat der Mitarbeiterin mit ihm erübrigen können. Auch sei die Weiterbildung im IT-Bereich unabdingbare Voraussetzung, um überhaupt eine entsprechende Tätigkeit dauerhaft ausführen zu können. Das lasse es nicht nachvollziehbar erscheinen, einen Bewerber vermeintlich nur deshalb abzulehnen, weil er den Wunsch nach Weiterbildung äußere. Die seitens der Gemeinschuldnerin genannten Absagegründe seien daher wenig nachvollziehbar.

6

Hinsichtlich des weiteren streitigen Vorbringens des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 3, 4 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 196, 197 d. A.) Bezug genommen.

7

Der Kläger hat beantragt,

8

festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. GmbH, XY-Straße, N., eine Insolvenzforderung in Höhe von 16.500,00 EUR zusteht.

9

Der Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Der Beklagte hat vorgetragen,
ein Anspruch des Klägers in der geltend gemachten Höhe sei jedenfalls nicht gegeben, nachdem er noch mit Schriftsatz vom 01.04.2016 mitgeteilt habe, dass sich der gesamte Klageanspruch auf 10.950,00 EUR belaufe. Es treffe zu, das Thema des Bewerbungsgesprächs vom 19.06.2015 auch die Gehaltsvorstellung des Klägers gewesen sei. Der Kläger habe geäußert, dass es ihm wichtig sei, ein Gehalt in Höhe von 45.000,00 EUR/Jahr zu erzielen. Auch habe der Kläger wiederholt betont, dass er großen Wert auf Weiterbildungsmöglichkeiten und Schulungen lege, nachdem ihm sein bisheriger Arbeitgeber dazu keinerlei Möglichkeiten geboten habe. Insoweit erwarte er von seinem neuen Arbeitgeber entsprechende Innovationen. Im nachfolgenden Telefonat mit der Mitarbeiterin N. habe der Kläger darauf hingewiesen, dass er bereit sei, die Stelle gegen eine monatliche Vergütung von 3.650,00 EUR brutto anzutreten. Frau N. habe insoweit darauf hingewiesen, dass man sich noch intern besprechen müsse und dann wieder auf ihn zukommen werde. Weitergehende Zusagen seien dem Kläger nicht gemacht worden. Nachdem der Kläger anlässlich dieses Telefonates die Mitarbeiterin über seine bestehende Schwerbehinderung informiert habe, habe Frau N. darauf hingewiesen, dass dies für die zu besetzende Position unerheblich sei. Dies sei bereits zuvor Gesprächsthema zwischen Frau N. und dem IT-Leiter J. unmittelbar nach dem Vorstellungsgespräch gewesen, weil man sich darüber ausgetauscht habe, dass bei dem Kläger offensichtlich eine körperliche Beeinträchtigung vorliege und insoweit habe man bereits eine Schwerbehinderung vermutet.

12

Man sei jedoch gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass eine bestehende körperliche Beeinträchtigung des Klägers bzw. das Vorliegen einer Schwerbehinderung bei der Besetzung der Stelle ohne Bedeutung sei. Problematisch seien jedoch die Gehaltsforderungen des Klägers gewesen, ebenso wie die an die Position gerichteten weiteren Anforderungen des Klägers. Frau N. habe anlässlich des zuvor benannten Telefonats mit dem Kläger auch deshalb keine Einstellungszusage machen können, da die Gehaltsfrage bis dahin noch nicht geklärt gewesen und Frau N. insoweit nicht selbst entscheidungsbefugt gewesen sei.

13

Hinsichtlich des weiteren streitigen Vorbringens des Beklagten im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 4 - 6 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 197 - 199 d. A.) Bezug genommen.

14

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin N. und ferner eine Parteianhörung des Klägers im Kammertermin vom 06.04.2017 durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 06.04.2017 (Bl. 182 - 191 d. A.) Bezug genommen.

15

Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 06.04.2017 - 9 Ca 335/16 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 195 - 207 d. A. Bezug genommen.

16

Gegen das ihm am 08.05.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 08.06.2017 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 04.08.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 05.07.2017 auf seinen begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 08.08.2017 einschließlich verlängert worden war.

17

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der Absage und der Behinderung sei gegeben. Die Mitursächlichkeit, die genüge, folge bereits aus der Aussage der Zeugin N.. Denn danach sei die Stellenbesetzung auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Schwerbehinderung besprochen worden. Da der Kläger dem Angebot, dass die Beklagte hinsichtlich des Gehalts gemacht habe, zugestimmt habe, könne schlechterdings nicht angenommen werden, dass die Absage wegen eines vom Kläger geforderten zu hohen Gehalts erfolgt sei. Es überzeuge auch nicht, dass die Absage aus dem Grund erfolgt sei, dass der Kläger Ansprüche an Weiterbildung gestellt habe, die man nicht habe erfüllen können. Denn die Gemeinschuldnerin habe auf ihrer Homepage selbst ausgewiesen, dass sie großen Wert auf ein positives Arbeitsumfeld mit gleitender Arbeitszeit und gezielten Schulungsmaßnahmen lege. Konkrete Weiterbildungswünsche, die man dem Kläger nicht habe erfüllen können, habe der Kläger zu keinem Zeitpunkt geäußert. Auch habe das Arbeitsgericht nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Gemeinschuldnerin die Stelle nach der Absage an den Kläger nicht mit einem anderen Bewerber besetzt habe. Insgesamt habe der Kläger mit seinem Vortrag Indizien nachgewiesen, die vermuten ließen, dass er aufgrund seiner Behinderung benachteiligt worden sei. Insoweit habe das Arbeitsgericht offensichtlich die Anforderungen an den Beweis der Indizien zu hoch gestellt. Auch habe die Gemeinschuldnerin nicht den Beweis geführt, dass die Absage aus anderen Gründen erfolgt sei als aus den Gründen der Schwerbehinderung. Von den drei genannten Gründen zur Absage sei lediglich eine stichhaltig, dies sei die Schwerbehinderung.

18

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.08.2017 (Bl. 246 - 248 d. A.) Bezug genommen.

19

Der Kläger beantragt,

20

unter Aufhebung des am 06.04.2017 verkündeten Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz festzustellen, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der T. GmbH, XY-Straße, N., eine Insolvenzforderung i. H. v. 16.500,00 € zusteht.

21

Der Beklagte beantragt,

22

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

23

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, ein Kausalzusammenhang zwischen der Behinderung der Absage an den Kläger bestehe nicht. Insbesondere sei die Schwerbehinderung nicht mitursächlich gewesen. Der Kläger habe kein hinreichendes Indiz nachweisbar vorgetragen. Vielmehr sei der Kläger für das einzige, von ihm vorgetragene Indiz, die Insolvenzschuldnerin habe ihm während des Telefonats eine definitive Einstellungszusage gegeben und nach anschließender Information über seine Schwerbehinderung ihm eine Absage erteilt, beweisfällig geblieben. Anhaltspunkte für eine unmittelbare Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung bestünden nicht. Eine Einstellungszusage sei zu keinem Zeitpunkt erteilt worden. Lediglich die aus Sicht der Insolvenzschuldnerin nicht akzeptable Gehaltsvorstellung des Klägers sowie dessen Forderung auf Weiterbildung, die die Gemeinschuldnerin nicht habe finanzieren wollen, seien Grund für die dem Kläger erteilte Absage gewesen, nicht aber seine Schwerbehinderung. Der Kläger habe 45.000,00 € brutto als Gehalt pro Jahr gefordert. Er habe betont, dass ihm ein derartiges adäquates Gehalt wichtig sei. Der Kläger habe dann zwar mitgeteilt, dass er auch bereit sei, gegen eine monatliche Vergütung von 3.650,00 € brutto die Stelle anzutreten. Sodann sei aber zwischen den Parteien diskutiert worden, ob diese Bereitschaft auch bestünde, wenn zunächst 3.400,00 € brutto während der Probezeit und danach ein Gehalt von 3.650,00 € gezahlt würde. Eine abschließende Stellungnahme habe die Zeugin N. zu diesen Konditionen nicht abgegeben; allerdings habe der Kläger dem zugestimmt. Eine Einigung sei aber nicht erzielt worden. Denn die Zeugin N. sei nicht befugt gewesen, abschließend dem Kläger das Gehalt zu verhandeln. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sei die Stelle des IT-Systemadministrators zudem Anfang Oktober 2015 und damit vor Erteilung der Absage an den Kläger neu besetzt worden. Der nunmehrige Stelleninhaber sei zu günstigeren Konditionen als der Kläger bereit gewesen, die Stelle zu übernehmen und habe keine Forderung auf Weiterbildung geltend gemacht. Insoweit habe die Insolvenzschuldnerin auch zwischen unterschiedlichen Kandidaten ausgewählt.

24

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 07.09.2017 (Bl. 263 - 271 d. A.) Bezug genommen.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

26

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 30.10.2017.

Entscheidungsgründe

I.

27

Das Rechtsmittel der Berufung ist vorliegend zwar form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; gleichwohl ist es als unzulässig zu verwerfen.

28

Denn gem. § 64 Abs. 2 ArbGG kann Berufung nur eingelegt werden, wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, was vorliegend nicht der Fall ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 € übersteigt, was vorliegend nicht gegeben ist, in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, was hier nicht vorliegt oder wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, was vorliegend ausscheidet.

29

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt vorliegend nicht 600,00 €. Die Zulässigkeit der Berufung setzt insoweit voraus, dass die angefochtene Entscheidung eine Beschwer des Berufungsführers enthält und er mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung dieser Beschwer begehrt. § 64 Abs. 2 lit. b) verlangt insoweit eine bestimmte Mindestbeschwer für die Rechtsmittelzulässigkeit. Die Beschwer begründet das Rechtschutzbedürfnis des Rechtsmittelführers. Der Kläger ist durch die gerichtliche Entscheidung des Arbeitsgerichts nur insoweit und nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu seinem Nachteil abweicht, seinem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (formelle Beschwer). Maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen einer Beschwer ist der Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. In diesem Zeitpunkt muss der Berufungsführer die Beschwer aus dem erstinstanzlichen Urteil zumindest teilweise noch beseitigen wollen. Die Berufung ist dagegen unzulässig, wenn sie den im ersten Rechtszug erhobenen Anspruch nicht wenigstens teilweise weiter verfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageänderung einen neuen, bisher nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Die bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein. Vielmehr setzt ein derartiges Prozessziel eine zulässige Berufung voraus. Die Berufung mit dem alleinigen Ziel, die Klage in der Berufungsinstanz zu erweitern oder zu ändern, ist unzulässig (BAG 19.02.2008 NZA 2008, 1016).

30

Vorliegend ist die gesetzlich vorausgesetzte Mindestbeschwerdesumme nicht erreicht.

31

Zwar hat der Kläger mit der zunächst bezifferten Zahlungsklage einen deutlich höheren Betrag geltend gemacht. Allerdings ist über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so dass sich gem. § 182 InsO der Wert des Streitgegenstandes einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, nach dem Betrag bestimmt, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Dieser Wert ist nach gerichtlichem Ermessen zu schätzen (BAG 07.12.2016, 4 AZR 414/14). Maßgebend ist dabei die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts (BAG 16.05.2007 - 2 AZB 53/06).

32

Der Beklagte hat vorgetragen, die Masseunzulänglichkeit sei angezeigt und publiziert; nach dem aktuellen Stand zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vor der Kammer sei mit einer Quote von null Prozent zu rechnen, bei optimaler Entwicklung von 1 - 2 Prozent. Dieses Vorbringen hat der Kläger lediglich mit Nichtwissen bestritten. Da das Arbeitsgericht die Berufung nicht gesondert zugelassen hat, hätte der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstandes aber glaubhaft machen müssen (§ 64 Abs. 5 ArbGG). Daran fehlt es; auch im Übrigen sind Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Beklagten insoweit unzutreffend sein könnten, nicht ersichtlich.

33

Nach alledem war die Berufung des Klägers als unzulässig zu verwerfen.

II.

34

Unbeschadet dessen erweist sich die Berufung des Klägers aber auch als unbegründet.

35

Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers gegen die Gemeinschuldnerin gem. § 15 Abs. 2 AGG nicht gegeben ist.

36

Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt:

37

"Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist vorliegend eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter im Sinne des AGG, § 6 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 AGG. Die Gemeinschuldnerin ist Arbeitgeberin im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG (vgl. BAG v. 21.06.2012 - 8 AZR 188/11 -, BAG v. 11.08.2016 - 8 AZR 375/15 -).

38

Inwieweit der Kläger seinen Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht hinsichtlich zuletzt beanspruchter Höhe geltend gemacht und eingeklagt hat, §§ 15 Abs. 4 AGG, 61 b Abs. 1 ArbGG, kann vorliegend dahinstehen. Hinsichtlich des zunächst beanspruchten Entschädigungsbetrages von 5.100,00 EUR ist nach dem Akteninhalt jedenfalls die Frist des § 15 Abs. 4 AGG mit Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs unter dem 27.10.2015 nach Ablehnung der Einstellung mit dem 21.10.2015 und des Weiteren die 3-Monats-Frist des § 61 b Abs. 1 ArbGG mit Klageeinreichung gegen die Gemeinschuldnerin unter dem 15.01.2016 gewahrt; im Übrigen mag dies dahinstehen.

39

Nach Parteianhörung des Klägers und durchgeführter Beweisaufnahme ist die Kammer zur Überzeugung gelangt, dass der Beklagte als Rechtsnachfolger der Gemeinschuldnerin nicht verpflichtet ist, aus der Insolvenzmasse eine angemessene Entschädigung zu zahlen, § 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGB i.V.m. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, § 15 Abs. 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG, und ist verschuldensunabhängig. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u.a. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

40

Der Kläger wurde von der Gemeinschuldnerin jedoch nicht unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1, 1 AGG i.V.m. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl die unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligung u.a. von Schwerbehinderten. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine vorliegend ausschließlich in Betracht kommende unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u.a. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Hinblick auf eine insbesondere bei einer Einstellung zu treffende Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (BAG, zuletzt vom 11.08.2016 - 8 AZR 375/15 -, BB 2017, 250 ff). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem letztlich eingestellten Bewerber an (BAG vom 22.10.2015 - 8 AZR 384/14 -).

41

Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung "wegen" eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund i.S.v. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder "Triebfeder" des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund i.S.v. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG, 26.Jun 2014 - 8 AZR 547/13). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C 81/12 -, 19. April 2012 - C 415/10 -; BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 -, 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 -, BAG v. 11.08.2016, a.a.O.).

42

Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

43

Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist (vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11, BB 2013, 1468, 15.. März 2012 - 8 AZR 37/11 -, BB 2013, 319). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (u.a. EuGH 25. April 2013 - C 81/12 -, 10. Juli 2008 - C 54/07 -, BAG 26. September 2013 -, 8 AZR 650/12 -). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (BG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 -, BB 2015, 506). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 -.). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1^ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13).

44

Zur Auffassung der Kammer wurde der Kläger im Bewerberauswahlverfahren wegen der Besetzung der Stelle eines IT-Systemadministrators nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Zunächst wurde der Kläger nicht bereits deshalb benachteiligt, weil er zu einem Bewerbergespräch seitens der Gemeinschuldnerin nicht geladen wurde. Vielmehr hat unstreitig ist Gemeinschuldnerin den Kläger zu einem Bewerbergespräch eingeladen und dieses mit dem Kläger am 19.06.2015 durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings die bestehende Schwerbehinderung des Klägers der Gemeinschuldnerin der Beklagten nicht bekannt. Nach Ansicht der Kammer hätte der Kläger ein hinreichendes Indiz vorgetragen, welches mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf hätte schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vorliegt, wenn sich der Vortrag des Klägers als zutreffend erwiesen hätte, das ihm die Gemeinschuldnerin definitiv eine Einstellungszusage anlässlich des späteren Telefonates gegeben und nach anschließender Information über seine Schwerbehinderung ihm schließlich eine Absage erteilt hätte. Hierfür ist der Kläger jedoch nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme beweisfällig geblieben. Zwar hat der Kläger im Rahmen der am 06.04.2017 durchgeführter Parteianhörung erklärt, dass ihm anlässlich des Telefonates gesagt worden sei, dass man sich für ihn zur Einstellung entschieden habe, worauf er sich dann für das entsprechende Einstellungsangebot bedankt und um Zusendung der Unterlagen gebeten habe, während der Kläger sich an weitere Gesprächsinhalte zunächst nicht erinnern konnte, erst auf Vorhalt, dass auch über das Gehalt gesprochen worden sei, nicht jedoch über Weiterbildungsmöglichkeiten und auch nicht über einen Einstellungstermin. Gerade der entscheidende Punkt, dass ihm definitiv eine Einstellung zugesagt worden sei, ist jedoch nach den insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeugin N., die als Leiterin des Personalwesens und insoweit Personalverantwortliche das Telefonat geführt hat, nicht belegt. Die Zeugin N. hat insoweit bekundet, dass sie anlässlich des Telefonates dem Kläger keineswegs mitgeteilt habe, dass er definitiv eingestellt werde. Dies habe die Zeugin N. aufgrund ihrer Kompetenzen schon deshalb nicht mitteilen können, weil sie sich noch intern hinsichtlich der zu erörternden Gehaltsbezüge habe abstimmen müssen. Sie habe dem Kläger auch, was bei einer definitiven Einstellungszusage zu erwarten gewesen wäre, ein nicht Einstellungsdatum genannt. Sie habe mit dem Kläger auch keine weiteren sonstigen Vertragskonditionen, was ebenfalls zu erwarten gewesen wäre, erörtert. So war der Zeugin N. auch nicht erinnerlich, dass der Kläger sich etwa für den Anruf bzw. die Zusage einer Stelle bedankt hat oder etwa um Zusendung der Vertragsunterlagen gebeten hat. Im Übrigen sei es bei der Gemeinschuldnerin üblich, einem Mitarbeiter, den man einstellen wolle, nicht etwa Unterlagen zuzuschicken, sondern diesen regelmäßig in die Firma einzuladen. Damit ist bereits ein Indiz, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung schließen lässt, nicht gegeben. Soweit der Kläger dann eine weitere Bekundung der Zeugin aufgegriffen hat, dass die Einstellung auch mit dem damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin besprochen worden sei, der dann ihr gegenüber zu erkennen gegeben habe, dass man sämtliche Dinge, Gehaltsvorstellungen, Weiterbildungsmöglichkeiten aber auch den Gesichtspunkt der Schwerbehinderung mit berücksichtigen müsse bei der Einstellung, ist hierin letztlich auch Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung nicht zu sehen. Insoweit nämlich hat der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin in vollem Umfange die Entscheidung über die Einstellung seiner Personalleiterin, der Zeugin N., in Absprache mit dem IT-Leiter J. überlassen und keinen Einfluss auf die Einstellung genommen. Die Zeugin N. und der IT-Leiter J. waren sich jedoch bereits nach Durchführung des Vorstellungsgespräches, bei dem sie eine körperliche Beeinträchtigung des Klägers erkannten und im nach hinein besprochen haben, und insoweit eine Schwerbehinderung des Klägers vermuteten, übereinstimmend der Auffassung, dass eine Schwerbehinderung keine Bedeutung für die Ausübung der Tätigkeit in der vorgesehenen Stelle als IT-Systemadministrator für die Gemeinschuldnerin hatte. Insoweit waren sich die Zeugin und der IT-Leiter darüber einig, dass die Schwerbehinderung kein Ausschlussgrund für eine Einstellung des Klägers war. Auch nach dem Telefonat, in dem dann der Kläger erstmals die Schwerbehinderung erwähnte, kam die Zeugin N. und der IT-Leiter J. nochmals darüber überein, dass die Schwerbehinderung einer Einstellung des Klägers nicht entgegen stehe. Letztlich haben daher ausschließlich die aus Sicht der Gemeinschuldnerin bestehenden Gehaltsvorstellungen des Klägers und dessen Weiterbildungsforderungen, die die Gemeinschuldnerin ebenfalls nicht finanzieren wollte, den Grund für die Absage an den Kläger, nicht aber dessen Schwerbehinderung, dargestellt.

45

Nach allem ist daher eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung vorliegend nicht feststellbar.

46

Soweit die Entscheidung der Kammer auf den Bekundungen der Zeugin N. fußt, sind die Bekundungen der Zeugin N. für die Kammer in jeder Hinsicht glaubhaft. Die Zeugin N. hat keinerlei persönliches oder wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreites. Die Zeugin hat widerspruchsfrei ausgesagt. Sie scheidet selbst absehbar aus dem Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten im laufenden Insolvenzverfahren aus. Die Kammer hält nach ihrem Aussageverhalten die Zeugin N. für absolut glaubwürdig und deren Bekundungen für glaubhaft. Einer Vernehmung des beidseits benannten IT-Leiter J. bedurfte es aus Sicht der Kammer nicht, da entscheidungserheblich der Inhalt des Telefonates zwischen dem Kläger und der Zeugin N. aus Sicht der Kammer ist und der benannte Zeuge J. hieran nicht beteiligt war."

47

Diesen Ausführungen folgt die Kammer und stellt dies hiermit ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

48

Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten. Gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich - deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des schriftsätzlichen Vorbringens der Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug und der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht, der die Kammer voll inhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Die Berufungsbegründungsschrift (Bl. 246 ff. d. A.) macht deutlich, dass der Kläger sich in erster Linie auf seine eigene Würdigung der Aussage der Zeugin N. beruft. Abgesehen davon, dass bereits das Arbeitsgericht, wie dargelegt, diese in jeder Hinsicht zutreffend gewürdigt hat, hat die Zeugin klar und frei von Widersprüchen vor dem Arbeitsgericht ausgesagt, dass sie dem Kläger im Rahmen des Telefonats nicht mitgeteilt hat, dass er definitiv eingestellt werde. Das ist schon deshalb nachvollziehbar, weil die Zeugin sich bezüglich der Gehaltsfrage noch intern abstimmen musste. Des Weiteren hat die Zeugin bekundet, dass kein Einstellungsdatum genannt wurde und auch keine weiteren sonstigen Vertragskonditionen Gesprächsgegenstand waren, ebenso wenig wurde über die Frage der Vornahme von Weiterbildungsmaßnahmen gesprochen. Explizit hat die Zeugin sodann bekundet, dass sie dem Kläger mitgeteilt hat, dass eine Schwerbehinderung mit der körperlichen Einschränkung, schwere Geräte wie z.B. Drucker, nicht tragen zu können, kein Problem darstellt, weil insoweit ein Kollege anpacken kann. Woraus sich im Hinblick auf diese Zeugenaussage auch nur eine Mitursächlichkeit der Schwerbehinderung für die Absage ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht.

49

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

51

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Okt. 2017 - 3 Sa 281/17 zitiert 16 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz


(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Wegen eines Schadens,

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 3 Begriffsbestimmungen


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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 7 Benachteiligungsverbot


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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 1 Ziel des Gesetzes


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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 6 Persönlicher Anwendungsbereich


(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu di

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Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 81 Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten


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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Okt. 2017 - 3 Sa 281/17 zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Okt. 2017 - 3 Sa 281/17 zitiert 10 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 07. Dez. 2016 - 4 AZR 414/14

bei uns veröffentlicht am 07.12.2016

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30. Juli 2013 - 6 Sa 237/13 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 11. Aug. 2016 - 8 AZR 375/15

bei uns veröffentlicht am 11.08.2016

Tenor Die Revision der beklagten Stadt gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Juni 2015 - 8 Sa 1374/14 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Okt. 2015 - 8 AZR 384/14

bei uns veröffentlicht am 22.10.2015

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2014 - 5 Sa 1346/13 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Sept. 2014 - 8 AZR 753/13

bei uns veröffentlicht am 18.09.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. Juni 2013 - 11 Sa 335/13 - teilweise aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13

bei uns veröffentlicht am 26.06.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2013 - 25 Sa 2304/12, 25 Sa 311/13 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 26. Sept. 2013 - 8 AZR 650/12

bei uns veröffentlicht am 26.09.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Mai 2012 - 19 Sa 1658/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11

bei uns veröffentlicht am 21.06.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 2011 - 9 Sa 678/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11

bei uns veröffentlicht am 21.06.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2010 - 5 Sa 3/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. März 2012 - 8 AZR 37/11

bei uns veröffentlicht am 15.03.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2010 - 7 Sa 916/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 17. Aug. 2010 - 9 AZR 839/08

bei uns veröffentlicht am 17.08.2010

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juni 2008 - 15 Sa 198/08 - aufgehoben.

Referenzen

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Der Wert des Streitgegenstands einer Klage auf Feststellung einer Forderung, deren Bestand vom Insolvenzverwalter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden ist, bestimmt sich nach dem Betrag, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30. Juli 2013 - 6 Sa 237/13 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg, Kammer Coburg, vom 18. April 2013 - 4 Ca 548/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Begründetheit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung.

2

Die Klägerin ist bei der Schuldnerin und ihrer Rechtsvorgängerin als Krankenschwester beschäftigt. Sie erhielt bei einer monatlichen Arbeitszeit von zuletzt 120 Stunden ein Entgelt iHv. 1.851,15 Euro brutto.

3

Im Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 heißt es ua.:

        

㤠2

        

Anwendung von Tarifverträgen

        

Auf das Arbeitsverhältnis finden in der jeweils gültigen Fassung Anwendung:

        

a) der Bundesmanteltarifvertrag zwischen dem Bundesverband Deutscher Privatkrankenanstalten e. V. (BDPK) einerseits und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft andererseits,

        

b) der Vergütungs- und Lohntarifvertrag zwischen dem Verband der Privatkrankenanstalten (Landesverband der BDPK) einerseits und der Bezirksverwaltung ………. der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie dem Landesverband ………. der Deutschen Angestellten Gewerkschaft andererseits.

        

…       

        

§ 6

        

Vergütung

        

1.    

Fr. M... wird in die Vergütungsgruppe KR IV (§ 4/Anlage 4 des Vergütungstarifvertrages) eingereiht. …“

4

Die Schuldnerin wechselte zum 1. Januar 1994 von einer tarifgebundenen in eine außerordentliche Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung) im Verband der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. (VPKA), welcher seinerseits Mitglied im BDPK (jetzt Bundesverband Deutscher Privatkliniken e. V.) ist. Seit dem Wechsel in die außerordentliche Mitgliedschaft vergütet die Schuldnerin neu eingetretene Arbeitnehmer nach einem eigenen Regelwerk.

5

Im Laufe des Arbeitsverhältnisses wurde die vertragliche Arbeitszeit der Klägerin mehrfach geändert. In der Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 heißt es ua.:

        

„Die Vertragsparteien stimmen überein, dass der § 7 - Beschäftigungszeit - des am 30.09.1992 geschlossenen Arbeitsvertrages gegenstandslos ist und durch den folgenden ersetzt wird.

        

§ 7

        

Beschäftigungszeit

        

(1) Die Beschäftigungszeit (§ 9 des Bundesmanteltarifvertrages) beginnt am 01.09.2003.

        

Frau B wird auf Ihren eigenen Wunsch mit 100 Stunden monatlich beschäftigt.

        

Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom 30.09.1992 bleiben unberührt.“

6

Die mit Schreiben vom 3. Januar 2012 geltend gemachten weiter gehenden Zahlungsansprüche auf der Grundlage der „aktuellen Entgelttabelle“ wies die Schuldnerin zurück.

7

Mit ihrer am 3. Juli 2012 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung tariflicher Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von Juli 2011 bis Juni 2012 begehrt. Nachdem das Amtsgericht Coburg am 30. Juli 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt hatte, hat die Klägerin den Rechtsstreit gegen den Beklagten wieder aufgenommen und ihre Klage nunmehr auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle umgestellt.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr ursprünglicher Arbeitsvertrag verweise auf die im Tarifbezirk Bayern geltenden Vergütungs- bzw. Entgelttarifverträge. Ihre in § 6 des Arbeitsvertrags aufgeführte Bruttovergütung habe dem Betrag entsprochen, der ihr nach dem damaligen Vergütungstarifvertrag zugestanden hätte. Auch seien auf ihr Arbeitsverhältnis tatsächlich die für das Tarifgebiet Bayern maßgebenden Tarifverträge im Übrigen angewandt worden. Die Bezugnahmeklausel sei nicht mehr als Gleichstellungsabrede zu verstehen, sondern enthalte nach der Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Landesbezirk Bayern, und dem VPKA abgeschlossenen Entgelttarifvertrag Nr. 3 (ETV Nr. 3 VPKA).

9

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der D GmbH zur Insolvenztabelle laufende Nr. 194 eine Insolvenzforderung iHv. 7.304,54 Euro brutto zusteht.

10

Der Beklagte hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags ausgeführt, die Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 sei nur auf Wunsch der Klägerin an die wöchentliche Arbeitszeit angepasst worden. § 2 des ursprünglichen Arbeitsvertrags sei nicht Gegenstand der Vertragsänderung gewesen. Der Satz, nach dem weitere Paragrafen des Arbeitsvertrags unberührt bleiben sollten, sei lediglich floskelhaft aufgenommen worden. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass nach dem 1. Januar 1994 nur Arbeitsverträge ohne Bezugnahmeklauseln abgeschlossen worden seien.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, den Wert des Streitgegenstands auf 547,84 Euro festgesetzt und die Berufung nicht zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die - von ihm für zulässig gehaltene - Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil die Berufung des Beklagten unzulässig gewesen wäre.

14

1. Gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt. Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen (§ 64 Abs. 5 Halbs. 1 ArbGG).

15

Das Arbeitsgericht ist unter Zugrundelegung einer geschätzten Quote von 7,5 vH von einem Wert des Streitgegenstands von 547,84 Euro ausgegangen und hat die Berufung nicht zugelassen. Der Beklagte hat hingegen glaubhaft gemacht, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 3.652,27 Euro beträgt.

16

a) Der Wert einer Klage auf Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle richtet sich nach § 182 InsO. Danach ist der Betrag maßgebend, der bei der Verteilung der Insolvenzmasse für die Forderung zu erwarten ist. Dieser ist nach gerichtlichem Ermessen zu schätzen (vgl. nur Hessisches LAG 5. August 2013 - 1 Ta 217/13 -; LAG Baden-Württemberg 3. Mai 2012 - 5 Ta 3/12 -; LAG Rheinland-Pfalz 1. März 2010 - 1 Ta 16/10 -). Maßgebend ist dabei die Sicht des über die Statthaftigkeit des Rechtsmittels entscheidenden Berufungsgerichts (vgl. BAG 16. Mai 2007 - 2 AZB 53/06 - Rn. 7; 13. Februar 1984 - 7 AZB 22/83 -).

17

b) Der Beklagte hat in der Berufungsschrift vorgetragen, laut Bericht des Insolvenzverwalters habe die zu erwartende Quote - anders als vom Arbeitsgericht geschätzt - mindestens 50 vH betragen. Diese Angabe hat die Klägerin nicht bestritten.

18

2. Der Statthaftigkeit der Berufung steht die Streitwertfestsetzung durch das Arbeitsgericht nicht entgegen (zur Bindungswirkung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung vgl. BAG 4. Juni 2008 - 3 AZB 37/08 -; 16. Mai 2007 - 2 AZB 53/06 - Rn. 6 mwN; grundlegend 2. März 1983 - 5 AZR 594/82 - BAGE 44, 13; kritisch BCF/Friedrich ArbGG 5. Aufl. § 64 Rn. 9; GK-ArbGG/Vossen Stand November 2016 § 64 Rn. 32 ff.). Die Schätzung des Arbeitsgerichts war offensichtlich unzutreffend. Das Arbeitsgericht hat die zu erwartende Quote mangels tatsächlicher Anhaltspunkte unter Heranziehung allgemeiner Erfahrungswerte geschätzt. Das Landesarbeitsgericht durfte der Streitwertbemessung demgegenüber die in der Berufungsinstanz von dem Beklagten - erstmals - vorgetragene und von der Klägerin nicht bestrittene Quote von 50 vH zugrunde legen. Der danach zutreffende Wert übersteigt 600,00 Euro.

19

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage in der Sache zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht eine Arbeitsvergütung nach § 611 BGB iVm. §§ 2 und 6 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 sowie § 2 ETV Nr. 3 VPKA als Insolvenzforderung iSv. §§ 174 ff. InsO iHv. 7.304,54 Euro zu.

20

1. Nach § 6 iVm. § 2 des Arbeitsvertrags vom 30. September 1992 hat die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Anlage 1 zu § 2 ETV Nr. 3 VPKA in Höhe des aktuellen Tarifentgelts. Die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel enthält eine unbedingte zeitdynamische Verweisung auf den ETV Nr. 3 VPKA. Das ergibt deren Auslegung.

21

a) Der Arbeitsvertrag vom 30. September 1992 ist - ebenso wie die Änderungsvereinbarung vom 9. Dezember 2003 - ein Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (zu den Maßstäben sh. nur BAG 14. Dezember 2011 - 4 AZR 28/10 - Rn. 29 mwN). Die Auslegung von typischen Vertragsklauseln ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr. des BAG, zB 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - zu I 2 a der Gründe, BAGE 105, 284; 19. Oktober 2004 - 9 AZR 647/03 - zu III der Gründe, BAGE 112, 214). Das gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 24, BAGE 122, 74).

22

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist der ETV Nr. 3 VPKA von der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel erfasst.

23

aa) Dessen wirksamer Inbezugnahme steht nicht entgegen, dass der Landesverband Bayern (VPKA) sowie die entsprechende Bezirksverwaltung bzw. der entsprechende Landesverband der Gewerkschaften nicht ausdrücklich in der Bezugnahmeklausel genannt werden. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Parteien haben in der Revision insoweit auch keine Rüge erhoben.

24

bb) Die Bezugnahmeklausel umfasst über ihren Wortlaut hinaus auch die Tarifverträge, die der VPKA mit der Gewerkschaft ver.di, Landesbezirk Bayern, abgeschlossen hat.

25

(1) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei einer Bezugnahmeklausel, die - wie hier - auf bestimmte Tarifverträge „in der jeweils gültigen Fassung“ verweist, regelmäßig um eine sog. kleine dynamische Verweisungsklausel, die sich zumindest auch auf die in Bezug genommenen ändernden Tarifverträge bezieht (vgl. nur BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 24/10 - Rn. 19; 7. Juli 2011 - 4 AZR 501/09 - Rn. 24).

26

(2) Der ETV Nr. 3 VPKA ist ein den ursprünglich in Bezug genommenen Vergütungstarifvertrag ändernder Tarifvertrag. Einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf es deshalb nicht.

27

(a) Dem steht nicht entgegen, dass nunmehr die Gewerkschaft ver.di Tarifvertragspartei ist. Am 1. Juli 2001 verschmolzen fünf Gewerkschaften, darunter die ÖTV und die DAG, zur Gewerkschaft ver.di. Diese ist dadurch als Tarifvertragspartei an die Stelle der Gründungsgewerkschaften getreten, deren vor der Verschmelzung abgeschlossene Tarifverträge nach § 95 der Satzung für ver.di als Rechtsnachfolger unverändert fortgalten (vgl. dazu BAG 11. Mai 2005 - 4 AZR 315/04 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 114, 332). Die nunmehr von der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge sind danach die ursprünglichen Tarifverträge ändernde Tarifverträge und damit von der Bezugnahmeklausel umfasst.

28

(b) Der ETV Nr. 3 VPKA ist auch nicht deshalb ein gänzlich anderes Tarifwerk, weil die Bezugnahmeklausel auf den „Vergütungs- und Lohntarifvertrag“ verweist. Bei den Entgelttarifverträgen handelt es sich lediglich um eine - sprachliche und inhaltliche - Zusammenfassung der Vergütungs- und Lohntarifverträge. Eine weiter gehende - grundsätzliche - Änderung des bisherigen Tarifsystems und der bisherigen Tarifwerke ist mit der Neufassung nicht verbunden gewesen.

29

c) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der Bezugnahmeklausel nicht um eine sog. Gleichstellungsabrede, die eine unbedingte zeitdynamische Verweisung ausschließen könnte.

30

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegbare - Vermutung, es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss seien im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., sh. nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

31

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -). Bei Arbeitsverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002 abgeschlossen worden sind („Altverträge“), kommt die Anwendung der früheren Auslegungsregel jedoch dann nicht - mehr - zum Tragen, wenn sie nach dem 31. Dezember 2001 geändert worden sind. Dabei kommt es für die Beurteilung, ob es sich hinsichtlich der Auslegung dieser Klausel um einen Neu- oder Altvertrag handelt, maßgebend darauf an, ob die Klausel zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist. Nur wenn dies der Fall ist, wird die jeweilige Klausel von der Vertragsänderung erfasst (BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 26; 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25 mwN). Ein deutlicher Ausdruck dafür, dass eine zuvor bestehende Verweisungsklausel erneut zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der Vertragsparteien gemacht worden ist und die Parteien trotz der geänderten Gesetzeslage auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts am 1. Januar 2002 ausdrücklich an den zuvor getroffenen Abreden festhalten, liegt beispielsweise in der ausdrücklichen Erklärung, dass „alle anderen Vereinbarungen aus dem Anstellungsvertrag unberührt bleiben“ (vgl. BAG 30. Juli 2008 - 10 AZR 606/07 - Rn. 49). Eine solche Regelung hindert die Annahme eines „Altvertrags“ und eine Rechtsfolgenkorrektur unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes (BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 25, BAGE 132, 261).

32

cc) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe handelt es sich im Streitfall um einen sog. Neuvertrag.

33

(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts haben die Arbeitsvertragsparteien mit dem Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 nicht lediglich die Arbeitszeit verändert. Mit der weiteren Formulierung „Weitere Paragraphen des Arbeitsvertrages vom 30.09.1992 bleiben unberührt“ haben sie vielmehr deutlich gemacht, dass sie sämtliche vorherigen Vereinbarungen und damit auch die bisherige Bezugnahmeklausel in ihre rechtsgeschäftliche Willensbildung einbezogen haben.

34

(2) Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Schuldnerin ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im VPKA bereits neun Jahre vor der Vertragsänderung beendet hatte. Selbst wenn sich die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in diesem Zeitraum geändert haben sollten, haben die Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich die ursprüngliche Vertragsklausel und gerade nicht die tatsächlichen Arbeitsbedingungen zum Gegenstand ihrer Willensbildung gemacht (anders im Sachverhalt in BAG 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 -).

35

(3) Ein abweichendes Verständnis der Vertragsklausel im Änderungsvertrag vom 9. Dezember 2003 ist auch nicht deshalb geboten, weil die Schuldnerin mit den Arbeitnehmern, die nach ihrem Wechsel in eine außerordentliche Verbandsmitgliedschaft in das Unternehmen eingetreten sind, andere Arbeitsvertragsbedingungen vereinbart hat. Selbst wenn die Klägerin hiervon Kenntnis gehabt haben sollte, musste sie die angebotene Vertragsänderung nach dem objektiven Empfängerhorizont nicht dahin gehend verstehen, dass die Bezugnahmeklausel entgegen dem Wortlaut des Vertragstextes nicht novelliert werden sollte. Vereinbarungen, die der Arbeitgeber mit neu eingetretenen Arbeitnehmern trifft, lassen nicht ohne Weiteres den Schluss zu, die Arbeitgeberin wolle auch im Verhältnis zu den bisherigen Arbeitnehmern nicht an den vertraglichen Abreden festhalten. Dies gilt umso mehr, wenn sie - wie hier - in einem Zeitpunkt, zu dem sie ihre tarifgebundene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bereits beendet hatte, einen Änderungsvertrag unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die bisherigen vertraglichen Regelungen schließt und die Gelegenheit gerade nicht dazu nutzt, die Bezugnahmeklausel an die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen anzupassen.

36

2. Die Entgeltdifferenzansprüche stehen der Klägerin unter Zugrundelegung der Entgelttabelle des ETV Nr. 3 VPKA auch der Höhe nach zu. Insoweit hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Weiter gehende Ansprüche, die sich für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2012 aus dem am 12. Dezember 2011 abgeschlossenen ETV Nr. 4 VPKA ergeben könnten, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

37

III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Klose    

        

    Rinck    

        

        

        

    Lippok    

        

    Krüger    

                 

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
2.
die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten,
3.
Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.
Als Beschäftigte gelten auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie die Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist.

(2) Arbeitgeber (Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen) im Sinne dieses Abschnitts sind natürliche und juristische Personen sowie rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 1 beschäftigen. Werden Beschäftigte einem Dritten zur Arbeitsleistung überlassen, so gilt auch dieser als Arbeitgeber im Sinne dieses Abschnitts. Für die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister.

(3) Soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, gelten die Vorschriften dieses Abschnitts für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände, entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 27. Oktober 2010 - 5 Sa 3/09 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche geltend, da sie von ihr bei einer Bewerbung wegen ihres Alters diskriminiert wurde.

2

Die Beklagte suchte mit einer am 15. November 2007 veröffentlichten Stellenanzeige Mitarbeiter für das von ihr betriebene Callcenter. Die Anzeige lautete auszugsweise:

        

„CALL CENTER AGENTS

        

Wir suchen für unser junges Team in der City motivierte Mitarbeiter/innen.

        

Du telefonierst gerne?

        

Dann bist Du genau richtig bei uns. Wir geben Dir die Möglichkeit sogar damit Geld zu verdienen.

        

Du bist zwischen 18 - 35 Jahre alt und verfügst über gute Deutschkenntnisse und suchst eine Vollzeitaufgabe?

        

Wir bieten Dir gute Verdienstmöglichkeiten und ein sehr nettes Arbeitsklima.“

3

Auf die Anzeige bewarb sich die damals 41-jährige, arbeitssuchende Klägerin. Ihrer Bewerbung fügte sie einen vollständigen tabellarischen Lebenslauf bei. Die Beklagte stellte zwei andere Bewerberinnen der Geburtsjahrgänge 1985 und 1987 zum 19. November 2007 ein. Am gleichen Tag sagte sie der Klägerin telefonisch ab, wobei der genaue Gesprächsinhalt streitig ist. Mit Poststempel vom 21. November 2007 schickte sie der Klägerin ihre Bewerbungsunterlagen zurück. Sie fügte eine handschriftliche Notiz bei, der zufolge „alle Plätze belegt“ seien. Weitere, ähnliche Stellenanzeigen schaltete die Beklagte am 22. November 2007 und am 9. April 2008.

4

Ohne vorherige schriftliche Geltendmachung reichte die Klägerin beim Arbeitsgericht Hamburg am 29. Januar 2008 die vorliegende Klage ein, die der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellt wurde.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen ihres Alters bei der Stellenbesetzung benachteiligt worden. Schon der Inhalt der Stellenanzeige weise auf eine solche Diskriminierung hin. Im Telefonat vom 19. November 2007 sei ihr zudem mitgeteilt worden, sie entspreche nicht dem Bewerberprofil der Beklagten. Neben einer Entschädigung iHv. drei Monatsgehältern sei ihr daher die Beklagte auch zum Ersatz der materiellen Schäden verpflichtet, wozu neben den Bewerbungskosten iHv. 1,59 Euro (Porto, Papier) die Anwaltskosten der ersten Instanz iHv. 1.139,43 Euro gehörten. Die Klägerin hat die Meinung vertreten, die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstoße gegen die unionsrechtlichen Gebote der Gleichwertigkeit und der Effektivität. Letzteres gelte auch für § 12a ArbGG, da die erstinstanzlich zu tragenden Anwaltskosten eine nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG begrenzte Entschädigung immer teilweise aufzehrten.

6

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie Schadensersatz iHv. 1,59 Euro zu zahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Entschädigung von 5.709,00 Euro zu zahlen nebst fünf Prozentpunkten Zinsen p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie entstandene Kosten für die anwaltliche Vertretung im Verfahren erster Instanz iHv. 1.139,43 Euro zu zahlen.

7

Die Beklagte hat behauptet, die Bewerbung der Klägerin sei am 19. November 2007 bei ihr eingegangen, als die beiden offenen Stellen schon besetzt gewesen seien. Dies habe man der Klägerin im Telefongespräch vom 19. November 2007 mitgeteilt. Sie beschäftige auch ältere Arbeitnehmer. Jedenfalls habe die Klägerin die wirksame Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht eingehalten.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 3. Juni 2009 hat das Landesarbeitsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

        

„Verstößt eine nationale Gesetzgebung, nach der (außerhalb von kollektivrechtlichen Regelungen) zur schriftlichen Geltendmachung eines Schadens- und/oder Entschädigungsanspruches wegen Diskriminierung bei der Einstellung eine Frist von zwei Monaten nach Empfang der Ablehnung - oder im Wege der Auslegung: nach Kenntnis der Diskriminierung - gilt, gegen Primärrecht der EG (Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes) und/oder das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000, wenn für gleichwertige Ansprüche nach nationalem Recht dreijährige Verjährungsfristen gelten und/oder das Verschlechterungsverbot gemäß Art. 8 der Richtlinie 2000/78/EG, wenn eine frühere nationale Vorschrift bei der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine längere Ausschlussfrist vorsah?“

9

Mit Urteil vom 8. Juli 2010 (- C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8) hat der Gerichtshof der Europäischen Union für Recht erkannt:

        

„1.     

Das Primärrecht der Union und Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegenstehen, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, seine Ansprüche auf Ersatz des Vermögens- und Nichtvermögensschadens gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, innerhalb von zwei Monaten geltend machen muss, sofern

                 

-       

zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts,

                 

-       

zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der von der Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert.

                 

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob diese beiden Bedingungen erfüllt sind.

        

2.    

Art. 8 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen nationalen Verfahrensvorschrift nicht entgegensteht, in deren Folge eine frühere Regelung geändert worden ist, die eine Frist für die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs bei geschlechtsbezogener Diskriminierung vorsah.“

10

Sodann hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 27. Oktober 2010 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ein ihr möglicherweise zustehender Entschädigungsanspruch ist wie ein etwa bestehender Schadensersatzanspruch verfallen.

12

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar habe die Klägerin mit der von der Beklagten verfassten, gegen § 11 AGG verstoßenden Stellenanzeige ein Indiz iSd. § 22 AGG vorgetragen. Auch seien die Bewerbungsverfahren nicht abgeschlossen gewesen, da am 22. November 2007 die nächste diskriminierende Stellenausschreibung erschienen sei. Jedoch habe die Klägerin die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt. Um dem Effektivitätsgebot zu genügen, müsse § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG europarechtskonform dahin ausgelegt werden, dass die Frist erst mit Kenntniserlangung von der Diskriminierung beginne. In Anbetracht des diskriminierenden Inhalts der Stellenanzeige habe eine solche Kenntnis der Klägerin schon mit der Absage am 19. oder 21. November 2007 bestanden. Die Klageeinreichung am 29. Januar 2008 wahre daher die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht. Die Frist sei auch nicht weniger günstig als vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts. Der deutsche Gesetzgeber habe selbst für das bestehende Arbeitsverhältnis eine Reihe von deutlich unter zwei Monaten liegenden Fristen normiert, die die Arbeitnehmer einzuhalten hätten, um ihre Rechte gegenüber dem Arbeitgeber nicht zu verlieren.

13

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

14

I. Ein etwaiger Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 2 AGG ist wegen verspäteter Geltendmachung verfallen(§ 15 Abs. 4 AGG).

15

1. Der von der Klägerin gestellte bezifferte Zahlungsantrag ist hinreichend iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt. Die Klägerin hat die von ihr nach § 15 Abs. 2 AGG begehrte angemessene Entschädigung beziffert und Tatsachen benannt, die den geltend gemachten Entschädigungsbetrag rechtfertigen sollen.

16

2. Das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG findet auf den Streitfall Anwendung.

17

a) Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Die Klägerin ist als Bewerberin „Beschäftigte“ iSd. AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Bewerbung der Klägerin sei bei ihr erst nach der Besetzungsentscheidung über zwei Stellen eingegangen. Jedenfalls hat die Beklagte noch weitere Bewerber gesucht, wie sich ihrer Anzeige vom 22. November 2007 entnehmen lässt.

18

b) Die Beklagte ist als „Arbeitgeberin“ passivlegitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

19

3. Die Klägerin hat die nach § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG einzuhaltende Frist von zwei Monaten nicht gewahrt. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 91; v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 101; Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 99; KR/Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 50; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 66), deren Einhaltung - wie bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen - von Amts wegen zu beachten ist (vgl. GMP/Germelmann 7. Aufl. § 61b Rn. 10; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 15 AGG Rn. 8; ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 33).

20

a) Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen Europarecht.

21

aa) Ausdrücklich lassen Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.

22

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8).

23

cc) § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit(Äquivalenz). Nach deutschem Recht besteht keine, einer Klage auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG vergleichbare, nach ihren Verfahrensmodalitäten günstigere Klageart. Dies hat der Senat bereits mit seinen Urteilen vom 15. März 2012 (- 8 AZR 37/11 - Rn. 32 - 48, NZA 2012, 910 und - 8 AZR 160/11 - Rn. 30 - 46) mit ausführlicher Begründung entschieden, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.

24

dd) Ebenso wenig verstößt § 15 Abs. 4 AGG gegen den Effektivitätsgrundsatz, wie der Senat gleichfalls mit seinen Urteilen vom 15. März 2012 erkannt hat (- 8 AZR 37/11 - Rn. 49 - 53, NZA 2012, 910 und - 8 AZR 160/11 - Rn. 47 - 51). Allerdings ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG im Falle einer Bewerbung oder eines angestrebten beruflichen Aufstiegs unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Frist nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte Kenntnis von der Benachteiligung erlangt. Hierüber gibt die bloße Ablehnung der Bewerbung durch den Arbeitgeber nicht in jedem Fall zwingend Auskunft (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 54 - 59, aaO).

25

b) Mit der Ablehnung im Telefongespräch vom 19. November 2007 hatte die Klägerin Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Durch das Telefonat wusste sie, dass ihre Bewerbung keine Berücksichtigung für das Auswahlverfahren gefunden hat oder finden wird. Ein Nachteil im Sinne einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt im Falle einer Auswahlentscheidung bereits dann vor, wenn die Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Da im Zeitpunkt der Absage die Klägerin Kenntnis vom Inhalt der Stellenanzeige hatte, die die Beklagte am 15. November 2007 veröffentlichen ließ und die gegen § 11 AGG verstieß, war sie seit dem 19. November 2007 in der Lage, Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten geltend zu machen. Nach dem eigenen, von der Beklagten jedoch bestrittenen Vortrag, ist die Klägerin zudem in dem Telefongespräch direkt auf die unmittelbare Benachteiligung aufgrund des Diskriminierungsmerkmals „Alter“ verwiesen worden, da sie „dem Bewerberprofil nicht entspreche“.

26

Mit ihrer Ausschreibung suchte die Beklagte Bewerber im Alter „zwischen 18 - 35 Jahre“ und differenzierte damit nach dem verpönten Merkmal des Alters. Die Ausschreibung verstieß gegen § 7 Abs. 1 AGG, was nach der Rechtsprechung des Senats die Vermutung begründet, die Benachteiligung sei wegen des in der Ausschreibung bezeichneten Merkmals erfolgt(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - Rn. 63, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3 zu § 611b BGB aF; 14. März 1989 - 8 AZR 447/87 - BAGE 61, 209 = AP BGB § 611a Nr. 5 = EzA BGB § 611a Nr. 4 zu § 611a BGB aF).

27

c) Die Zweimonatsfrist begann danach am 20. November 2007 (§ 187 Abs. 1 BGB) und endete am 21. Januar 2008 (§ 188 Abs. 2, § 193 BGB), nachdem der 19. Januar 2008 auf einen Sonnabend fiel. Zwar wird die von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG geforderte Schriftform auch durch eine gerichtliche Klage gewahrt(vgl. BAG 12. Dezember 2000 - 9 AZR 1/00 - zu I 2 b bb der Gründe, BAGE 96, 352 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 154 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 135; 24. Juni 1960 - 1 AZR 29/58 - zu 1 der Gründe, BAGE 9, 296 = AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 5 zu tariflichen Ausschlussfristen; Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 110; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 73), allerdings setzt dies voraus, dass die Klage rechtzeitig zugestellt wird; § 167 ZPO findet keine Anwendung(vgl. BAG 8. März 1976 - 5 AZR 361/75 - zu 3 a der Gründe, AP ZPO § 496 Nr. 4 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 26). Die am 29. Januar 2008 bei Gericht eingereichte und der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellte Klage wahrte die am 21. Januar 2008 abgelaufene Frist nicht.

28

II. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

29

1. Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3). Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - aaO). Eine Haftung kommt insbesondere nur bei einem Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht.

30

Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln hat der Geschädigte sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Erleichterungen(BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65 ff. mwN, NZA 2012, 910).

31

2. Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus den Behauptungen der Klägerin ergibt sich eine schwerwiegende Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts oder ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf, der der Beklagten zu machen wäre. Auch wenn diese unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1, § 11 AGG Arbeitsplätze altersdiskriminierend ausgeschrieben hat, genügt das nicht, um eine Entschädigungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auszulösen, wie es bei einer „Herabwürdigung“(BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3) gegebenenfalls anzunehmen wäre. Eine „Herabwürdigung“ ergibt sich nicht aus Form und Inhalt der Ablehnungen, und zwar weder aus dem Inhalt des Telefonats vom 19. November 2007, selbst wenn man dessen Inhalt mit der Darstellung der Klägerin unterstellt, noch aus der handschriftlichen Ablehnungsnotiz vom 21. November 2007.

32

III. Den Ersatz der von ihr geltend gemachten materiellen Schäden - Bewerbungskosten und Kosten der Rechtsverfolgung - kann die Klägerin schon deswegen nicht von der Beklagten nach § 15 Abs. 1 AGG verlangen, da sie auch insoweit die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Ausschlussfrist nicht eingehalten hat.

33

1. Auch und soweit die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG materielle Schadensersatzansprüche erfasst, verstößt sie nicht gegen den primärrechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit. Nach nationalem Recht bestand kein dem Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG vergleichbarer Anspruch eines erfolglosen Stellenbewerbers bei Verletzung des Inklusionsinteresses oder in Bezug auf andere, vergleichbare Merkmale. Es gilt insoweit grundsätzlich das für die Gleichwertigkeit des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG Ausgeführte.

34

a) Durch die Verabschiedung des AGG hat der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie 2000/43/EG, der Richtlinie 2000/78/EG, der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und der Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen zuvor schon bestehende einzelne Diskriminierungsverbote erstmals zu einem umfassenden Diskriminierungsschutz in Deutschland ausgebaut. Zur effektiven Durchsetzung dient dabei in besonderer Weise die in § 22 AGG getroffene Beweislastverteilung. Die vom Grundsatz der Privatautonomie geprägte deutsche Rechtsordnung unterscheidet sich grundlegend vom europäischen Antidiskriminierungsrecht. Aufgaben, die in anderen Rechtsordnungen dem Diskriminierungsschutz zukamen und zukommen, übernahmen in der Vergangenheit in der deutschen Rechtsordnung für bestehende Arbeitsverhältnisse teilweise als funktionelle Äquivalente der allgemeine Kündigungsschutz oder bei der Gewährung von Leistungen der Gleichbehandlungsgrundsatz. An diesen ist jedoch der Arbeitgeber bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen nicht gebunden (vgl. BAG 20. August 1986 - 4 AZR 272/85 - BAGE 52, 380 = AP TVG § 1 Tarifverträge - Seniorität Nr. 6 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 44; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 311, 578; DFL/Kamanabrou 4. Aufl. § 611 BGB Rn. 287). Für die Nichteinstellung schuldet der Arbeitgeber nach deutschem Recht grundsätzlich keinerlei Rechtfertigung (vgl. ErfK/Preis aaO Rn. 311; Buchner NZA 1991, 577, 579). Zur Richtlinienumsetzung durch das AGG konnte der deutsche Gesetzgeber daher nicht an einen bereits im nationalen Recht bestehenden Diskriminierungsschutz anknüpfen (vgl. Kolbe EuZA 2011, 65, 68; Jacobs RdA 2009, 193, 200 f.; Wagner/Potsch JZ 2006, 1085, 1092). Keinen Vergleichsmaßstab können die Diskriminierungsverbote des § 611a BGB aF und § 81 Abs. 2 SGB IX aF bilden, da diese ihrerseits der Richtlinienumsetzung dienten(vgl. Jacobs RdA 2009, 193, 201).

35

Damit unterscheiden sich Ansprüche nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB von solchen aus § 15 Abs. 1 AGG hinsichtlich ihres Rechtsgrundes und ihrer wesentlichen Merkmale, sodass der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert war, für Ansprüche nach § 15 Abs. 1 AGG eine besondere Ausschlussfrist vorzusehen.

36

b) Der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG ist auch nicht dem Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG vergleichbar.

37

Beide Ansprüche unterscheiden sich bereits hinsichtlich des Gegenstands. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewährt bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung. Der Ersatz materieller Schäden ist bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur für vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (bspw. der unerlaubten Verwertung des Bildes, des Namens, der Stimme oder anderer Persönlichkeitsmerkmale zu kommerziellen Zwecken) anerkannt (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214; Palandt/Sprau 71. Aufl. § 823 BGB Rn. 125; MünchKommBGB/Wagner 5. Aufl. § 823 Rn. 180). Aufwendungen und Schäden des erfolglosen Stellenbewerbers, wie bspw. der entgangene Gewinn, fallen demgegenüber nicht in den Schutzbereich von § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG(vgl. BAG 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 114, BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6). Demgegenüber gewährt § 15 Abs. 1 AGG Anspruch auf Ersatz des durch die Benachteiligung entstandenen materiellen Schadens.

38

2. § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG bestimmt ausdrücklich, dass neben einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auch der Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend zu machen ist(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 69; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 85, 87; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 15; Jacobs RdA 2009, 193, 199). Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die Tarifvertragsparteien dies vereinbart haben, § 15 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 AGG. Hinsichtlich des Fristbeginns differenziert § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG nicht zwischen Ansprüchen nach § 15 Abs. 1 AGG und solchen nach § 15 Abs. 2 AGG, sondern bestimmt für beide Ansprüche, dass die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Allerdings ist § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Frist auch im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs erst zu dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Aus dem Wortlaut von § 15 Abs. 4 AGG ergibt sich somit, dass es für den Fristbeginn zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG nicht auf die Entstehung des Schadens oder dessen Fälligkeit ankommt.

39

Die am 29. Januar 2008 eingereichte und der Beklagten am 2. Februar 2008 zugestellte Klage wahrte daher die Frist des § 15 Abs. 4 AGG auch hinsichtlich eines materiellen Schadensersatzanspruchs aus § 15 Abs. 1 AGG nicht.

40

IV. Ein Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB iVm. § 7 Abs. 3 AGG. Soweit diese Anspruchsgrundlage allein mit einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot begründet wird, kommt sie neben dem Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG nicht in Betracht.

41

1. Nach § 15 Abs. 5 AGG bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, im Übrigen unberührt. Aus der Begründung des Gesetzesentwurfs ergibt sich, dass der Gesetzgeber insbesondere an Ansprüche auf Unterlassung nach § 1004 BGB oder auf Ersatz des materiellen Schadens nach den §§ 252, 823 BGB dachte(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Eine abschließende und klare Regelung des Konkurrenzverhältnisses zu anderen möglichen Ansprüchen auf Schadensersatz und Entschädigung ergibt sich hieraus nicht. Insbesondere ist unklar, inwieweit der Beschäftigte Schadensersatzansprüche bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot auf § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB stützen kann, nachdem § 7 Abs. 3 AGG bestimmt, dass eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch den Arbeitgeber oder Beschäftigte eine Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt.

42

2. In der Rechtslehre ist die Frage umstritten. Ein Teil der Literatur geht davon aus, dass Ansprüche aus § 280 BGB, die auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gestützt werden, neben Ansprüchen aus § 15 AGG bestehen, ohne dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG Geltung erlangt(vgl. v. Roetteken AGG Stand April 2012 § 15 Rn. 69, 112; Bücker in Rust/Falke AGG § 15 Rn. 57; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 3 AGG Rn. 10 u. § 15 AGG Rn. 10; Thüsing Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz Rn. 535; KR/Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 8). Weiter wird auch vertreten, § 280 BGB finde zwar neben § 15 Abs. 1 AGG Anwendung, jedoch sei auch die Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG bei diesem Anspruch zu beachten(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 65, 67; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 70; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 102). Der überwiegende Teil der Literatur nimmt an, dass § 15 Abs. 1 AGG als speziellere Norm mögliche Ansprüche aus § 280 BGB verdrängt(vgl. Däubler/Bertzbach/Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 24, 126; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 66; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 96; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 88; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 137; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 18; Kittner/Däubler/Zwanziger KSchR 8. Aufl. AGG Rn. 60; Richardi NZA 2006, 881, 886; HWK/Rupp 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 14; ErfK/Preis 12. Aufl. § 611 BGB Rn. 270; Stoffels RdA 2009, 204, 214; Staudinger/Annuß [2005] § 611a Rn. 80 zu § 611a BGB aF; Walker NZA 2009, 5, 10 f. für Entschädigungsansprüche).

43

3. Der überwiegenden Auffassung der Literatur ist der Vorzug zu geben. Für die Annahme einer spezielleren Regelung durch § 15 Abs. 1 AGG spricht sowohl der gesetzliche Regelungszusammenhang als auch der Wortlaut von § 15 Abs. 1 und Abs. 5 AGG.

44

a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG bestimmt weiter, dass eine Ersatzpflicht nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht eintritt, wenn der Arbeitgeber die „Pflichtverletzung“ nicht zu vertreten hat. Damit übernimmt § 15 Abs. 1 AGG das Regelungskonzept des § 280 Abs. 1 BGB, bezieht dies aber auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot. § 7 Abs. 3 AGG enthält dazu die Klarstellung, dass die vom Arbeitgeber oder Beschäftigten begangenen Benachteiligungen Vertragsverletzungen darstellen. Durch die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG werden gleichzeitig die §§ 276 bis 278 BGB für den Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG anwendbar(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). § 15 Abs. 1 AGG normiert daher einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, der sich allein gegen den Arbeitgeber richtet und hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Rechtsfolgen besonderen Regelungen unterliegt. So hat der Beschäftigte nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nur hinsichtlich eines Anspruchs nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG eine Ausschlussfrist einzuhalten. Auf der Rechtsfolgenseite stellt § 15 Abs. 6 AGG klar, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungs- oder Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund. Damit wird eine Naturalrestitution ausgeschlossen. Hieran zeigt sich, dass der Gesetzgeber den materiellen Schadensersatz, der sich bei Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ergeben kann, innerhalb vertraglicher Beziehungen speziell ausgestaltet hat. Dies spricht dafür, den allgemeinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB als verdrängt zu betrachten, soweit dieser allein auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot gestützt wird(§ 7 Abs. 1, Abs. 3 AGG). Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die besonderen Voraussetzungen die der Gesetzgeber an einen Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG knüpft(insb. Ausschlussfrist), nicht durch Gewährung eines Anspruchs aus § 280 Abs. 1 BGB umgangen werden.

45

b) Ebenso spricht der Wortlaut von § 15 Abs. 5 AGG für die Annahme, § 15 Abs. 1 AGG stelle in seinem Anwendungsbereich eine § 280 Abs. 1 BGB verdrängende Norm dar. § 15 Abs. 5 AGG bestimmt, dass „im Übrigen“ Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt bleiben. Die vom Gesetzgeber verwendete Formulierung spricht maßgeblich dafür, dass die allgemeinen Regelungen nur insoweit zur Anwendung kommen sollen, als § 15 AGG keine eigene Regelung trifft. Hinsichtlich des Anspruchs auf Ersatz materieller Schäden auf (vor-)vertraglicher Grundlage ist dies aber in § 15 Abs. 1 AGG geschehen.

46

V. Den von ihr begehrten Ersatz ihres materiellen Schadens kann die Klägerin von der Beklagten vorliegend schließlich nicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 7 Abs. 1 oder § 11 AGG verlangen.

47

1. Grundsätzlich werden Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung nicht durch § 15 Abs. 1 AGG verdrängt. Insoweit regelt das AGG nur einen (vor-)vertraglichen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Benachteiligungsverbots, „im Übrigen“ werden aber nach § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche gegen den Arbeitgeber aus anderen Rechtsvorschriften nicht berührt. Der Gesetzgeber hat zum Ausdruck gebracht, dass es insoweit bei der echten Anspruchskonkurrenz zwischen Schadensersatzansprüchen wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten und solchen aus unerlaubter Handlung bleiben soll (BT-Drucks. 16/1780 S. 38).

48

2. Ob § 11 AGG oder, näherliegend, § 7 Abs. 1 AGG „Schutzgesetze“ iSd. § 823 Abs. 2 BGB sind, also zumindest auch Individualschutz wegen eines der vom Gesetzgeber mit einer Norm verfolgten Anliegens gewähren wollen, ist in der Rechtslehre umstritten, kann aber vorliegend dahinstehen. Denn wenn die Beklagte mit ihrem Vorgehen vorliegend § 7 Abs. 1 oder § 11 AGG als „Schutzgesetz“ iSv. § 823 Abs. 2 BGB verletzt hätte, wäre ein daraus resultierender Anspruch der Klägerin aufgrund der auch insoweit anzuwendenden Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG untergegangen.

49

a) Zwar gilt als Grundregel, dass vertragliche und deliktische Ansprüche nach ihren jeweiligen Voraussetzungen, ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung selbständig zu beurteilen sind und den jeweils eigenen Regeln folgen. Ausnahmen kommen aber dann in Betracht, wenn einer gesetzlichen Einschränkung der Vertragshaftung zu entnehmen ist, dass die Möglichkeit des Geschädigten, nach einem Ausschluss mit seinem vertraglichen Schadensersatzanspruch auf den aus demselben Sachverhalt hergeleiteten deliktischen Anspruch auszuweichen, jedenfalls den Zweck einer für den vertraglichen Schadensersatzanspruch geltenden gesetzlichen Vorschrift vereiteln und diese gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würde (vgl. BGH 19. Oktober 2004 - X ZR 142/03 - zu 2 der Gründe mwN, NJW-RR 2005, 172; Palandt/Sprau 71. Aufl. Einf. v. § 823 Rn. 5). Deshalb sind die für Ansprüche aus Vertragsverletzung geltenden kurzen Verjährungsfristen auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden, wenn das Ausweichen des Geschädigten auf einen aus demselben Lebenssachverhalt hergeleiteten deliktischen Anspruch eine Zweckvereitelung der kurzen Verjährungsvorschrift zur Folge hätte (vgl. BGH 8. März 2005 - XI ZR 170/04 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 162, 306; 11. Dezember 1991 - XII ZR 269/90 - zu 1 a der Gründe, BGHZ 116, 293). Auch wendet das Bundesarbeitsgericht eine Ausschlussfrist, die „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erfasst, nicht nur auf vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche, sondern auch auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung an, wenn diese auf einem einheitlichen Lebensvorgang beruhen (vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 26 mwN, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 200; 16. Mai 2007 - 8 AZR 709/06 - Rn. 41, BAGE 122, 304 = AP BGB § 611 Mobbing Nr. 5 = EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 6), da andernfalls die angestrebte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht erreicht werden kann.

50

b) Danach fallen deliktische Ansprüche, die auf denselben Lebenssachverhalt wie Ansprüche aus § 15 Abs. 1 AGG gestützt werden, unter die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG.

51

3. Zwar hat der Gesetzgeber in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG bestimmt, dass ein Anspruch „nach Absatz 1 oder 2“ innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, es sei denn, die Tarifvertragsparteien hätten etwas anderes vereinbart. Der Zweck des § 15 Abs. 4 AGG besteht jedoch darin, angesichts der für das AGG durch § 22 geregelten Beweislastverteilung die Arbeitgeber nicht zu zwingen, Argumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen(BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Für Ansprüche aus dem AGG soll binnen kürzerer Frist Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eintreten. Dem Sinn und Zweck der Regelung entspricht es, die Ausschlussfrist auch auf konkurrierende Ansprüche aus unerlaubter Handlung anzuwenden, die auf denselben Sachverhalt gestützt werden, also auf eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Da der Anspruch nach § 15 Abs. 1 AGG verschuldensabhängig ausgestaltet ist, tritt bei einer Verwirklichung des Haftungstatbestandes nach § 15 Abs. 1 AGG regelmäßig auch eine Verwirklichung des Tatbestandes des § 823 Abs. 2 BGB ein, sofern einzelnen Bestimmungen des AGG, etwa § 7 Abs. 1 AGG, Schutzgesetzcharakter zuzusprechen wäre. Der Zweck des § 15 Abs. 4 AGG, innerhalb einer kurzen Frist Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in Bezug auf solche Ansprüche herbeizuführen, würde jedoch vereitelt, wollte man § 15 Abs. 4 AGG nicht auf alle Ansprüche erstrecken, die auf den besonderen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung gegründet werden.

52

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Pauli    

                 

Tenor

Die Revision der beklagten Stadt gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Juni 2015 - 8 Sa 1374/14 - wird zurückgewiesen.

Die beklagte Stadt hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zu zahlen.

2

Der Kläger ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich alternative Energien. Ausweislich seines Schwerbehindertenausweises vom 12. Juli 2011 beträgt der Grad seiner Behinderung 50.

3

Die beklagte Stadt schrieb Mitte 2013 die Stelle eines „Techn. Angestellte/n EGr. 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT)“ aus. In der Stellenausschreibung heißt es auszugsweise:

        

Zu Ihren Aufgaben gehören: Verantwortliche Leitung des Sachgebietes >Betriebstechnik< mit den Gewerken Elektro, Heizung/Sanitär, Schreiner, Schlosser, Maler sowie Fahrer; Werkstattleitung, Personalführung, Fachaufsicht und Spitzensachbearbeitung; Verantwortung für Betrieb und Unterhaltung der technischen Anlagen und Gebäude des P; Abwicklung von Reparaturen, Wartung, Prüfung und baulicher Instandhaltung mittels eigener Mitarbeiter sowie Fremdfirmen; Organisation und Abwicklung von Servicedienstleistungen für Ausstellungen und Veranstaltungen; technische Abwicklung von Ausstellungen und Veranstaltungen; verantwortliche Bearbeitung zugewiesener Projektaufträge; Mitarbeit in Projektteams.

        

Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs- / Sanitär- / Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; langjährige Berufs- und Führungserfahrung; fundierte Kenntnis und sichere Anwendung der einschlägigen Regelwerke, insbes. der BetrSichV, UVV, MLAR, HausPrüfVO, HBO, VOB, VOL; Führungs- und Organisationskompetenz; Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit; soziale Kompetenz; Durchsetzungsvermögen; Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft; selbstständiges Arbeiten; gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit; gute Kenntnisse der MS-Office-Programme; Bereitschaft zum gelegentlichen Dienst an Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden; Bereitschaft zur Weiterbildung; interkulturelle Kompetenz.

        

Hinweise: … Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. …

        

…       

        

Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen richten Sie bitte bis zum 30.08.2013 unter Angabe der Kennziffer X an den:

        

Magistrat der Stadt …“

4

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 14. August 2013 auf die ausgeschriebene Stelle. In dem Bewerbungsschreiben heißt es:

        

„…    

        

In meiner langjährigen Tätigkeit als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer (Meisterrolleneintrag) und staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich Alternative Energien habe ich umfangreiche Kenntnisse in den Bereichen Energieberatung und Management, Contracting, Energie- und Umweltrecht, Technischen Gebäudeautomation, Hygiene und Brandschutz erworben.

        

Neben der Objekt- und Projektleitung gehörte die Projektierung und Dokumentation der Anlagen und deren Technik zu meinem Aufgabengebiet. Darüber hinaus war ich Ansprechpartner für Kunden und Öffentlichkeitsarbeit.

        

Ebenso kenne ich mich im Bereich der Betriebliche Kostenrechnung (Angebotseinholung, Leistungsverzeichnis, Abrechnung, HOAI, VOB, usw.) aus.

        

Der Umgang mit der EDV, den gängigen Office-Anwendungen wie Excel, Word und Power Point und den einschlägigen Kommunikationsmitteln ist für mich selbstverständlich.

        

…“    

5

Dem Bewerbungsschreiben des Klägers waren eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises sowie ein insgesamt fünfseitiger tabellarischer Lebenslauf beigefügt, der auszugsweise folgende Angaben enthält:

        

BERUFSERFAHRUNG

        

10/07- 09/12

Projektsachbearbeiter, …

                 

Internationale Gebäudeautomation und Gebäudemanagementunternehmen, ca. 800 Mitarbeiter in Deutschland […]

                 

Aufgaben

                 

•       

…       

                 

•       

Unterstützung der Projektleiter bei der Verwaltung der einzelnen Projekte

                 

•       

…       

                 

•       

Objektleiter von vier Büroliegenschaften mit ca. je 5000 qm Bürofläche

                 

•       

…       

                 

•       

Ökologische und Ökonomische Objektführung

                 

•       

Beurteilung der Technischen Einrichtungen und Anlagenteile

                 

•       

…       

                 

•       

Führung der Objekttechniker

                 

•       

Beratung des Niederlassungsleiters

                 

•       

…       

                                   
        

09/04-08/09

Stellvertretender Betriebsleiter in Teilzeit, … Umwelttechnik, Alternative Energien, Energieberatung, Heizung, Lüftung und Sanitär

                 

Unterstützung des Geschäftsführers, ca. 4 Mitarbeiter in Deutschland,

                 

…       

        

08/04-06/06

Weiterbildung zum Staatlich geprüften Umweltschutztechniker, Techniker-schule, B, www.

                          
                 

Fachgebiet

                 

•       

Alternative Energien

                 

Inhalt

                 

•       

…       

        

…       

        

10/99-10/00

Obermonteur, … 4 Mitarbeiter

                 

Aufgaben

                 

•       

Montage von Heizungs-und Sanitäranlagen

                 

•       

…       

                 

•       

Ausbildung von Auszubildenden

                 

•       

…       

        

…       

        

08/96-10/99

Hausmeister und Technischer Leiter,

                 

…       

                 

Aufgaben

                 

•       

Instandhaltung der Haustechnik

                 

•       

Budgetverantwortlichkeit

                 

•       

Mitarbeiterführung

                 

•       

…       

                 

•       

Bauleitung

                 

…       

        

08/88-08/96

Obermonteur, … 3-5 Mitarbeiter,

                 

…       

        

AUSBILDUNG / STUDIEN

        

2011   

Fernstudium zum Baubiologen IBN

                 

…       

        

…       

        
        

2006   

Technikerschule B

                 

Abschluss: Staatlich geprüfter Umweltschutztechniker

                 

Fachbereich: Alternative Energien, …

        

…       

        
        

2006   

Technikerschule B

                 

Zusatzprüfung: Ausbilder der Ausbilder

                 

…       

        

…       

        
        

1978 - 1981

… Ausbildung Heizungs- und Lüftungsbauer

                 

Abschluss: Facharbeiter

                 

…       

        

1969 - 1978

Grund- und Hauptschule G

        

…“    

        
6

Auf die Stellenausschreibung der beklagten Stadt gingen bei dieser neben der Bewerbung des Klägers weitere 55 Bewerbungen ein.

7

Die beklagte Stadt lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit Schreiben vom 4. November 2013 mit:

        

„…    

        

Inzwischen wurde über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle entschieden.

        

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie hierbei nicht berücksichtigt werden konnten, da es hinsichtlich der Erfüllung der fachlichen Anforderungen einen besser qualifizierten Bewerber gab, der sehr ausgeprägte Fachkenntnisse sowie langjährige Berufserfahrung in allen genannten Gewerken vorweisen kann und zudem im besonderen Maße über die im Anforderungsprofil geforderte langjährige Führungserfahrung verfügt.

        

…“    

8

Mit seiner am 15. November 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die beklagte Stadt auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens drei Monatsgehältern à 2.861,96 Euro in Anspruch genommen.

9

Er hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt habe ihn im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt sei nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet gewesen, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil ihm offenkundig die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle gefehlt habe. Aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung verfüge er über eine Qualifikation, die den in der Stellenausschreibung genannten Abschlüssen vergleichbar sei. Die geforderte langjährige Führungserfahrung habe er ua. während seiner Tätigkeit als Obermonteur gesammelt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die beklagte Stadt zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die allerdings 8.585,88 Euro nicht unterschreiten sollte.

11

Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei bei der Auswahlentscheidung für die zu besetzende Stelle nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Der Kläger sei schon kein Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen. Der Begriff der Bewerbung iSv. § 82 Satz 2 SGB IX sei restriktiv dahin auszulegen, dass eine Bewerbung nur vorliege, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt seien. Nur dann sei der öffentliche Arbeitgeber in der Lage, sachgerecht zu prüfen, ob der Interessent geeignet sei oder ob dies offensichtlich nicht der Fall sei. Desungeachtet sei sie nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da der Kläger für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet iSv. § 82 Satz 3 SGB IX sei. Der Kläger habe das zwingende Anforderungsprofil der Stellenausschreibung offensichtlich nicht erfüllt. Vergleichbar qualifiziert iSd. Stellenausschreibung sei nur, wer aufgrund seiner schulischen und beruflichen Ausbildung, seiner beruflichen Tätigkeit oder aufgrund anderweitig erworbener Kenntnisse denjenigen Stand an Kenntnissen habe, der durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschüsse vermittelt würde. Zwar habe der Kläger eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer abgeschlossen; in diesem Bereich sei er allerdings weder Meister noch staatlich geprüfter Techniker. Im Vordergrund seiner Ausbildung zum staatlich geprüften Umweltschutztechniker hätten die ökologische und ökonomische Energieverwendung und der Einsatz alternativer Energien und damit nur ein Spezialbereich der geforderten Gewerke „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ gestanden. Ebenso habe der Kläger in seiner Bewerbung keine „langjährige Führungserfahrung“ und „Führungskompetenz“ nachgewiesen. Dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung diskriminiert worden sei, ergebe sich auch daraus, dass sie im Übrigen alle ihr nach dem SGB IX obliegenden Pflichten erfülle.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem vom Kläger angegebenen Mindestumfang stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise abgeändert und dem Kläger eine Entschädigung iHv. eines Monatsgehalts, dh. iHv. 2.861,96 Euro zugesprochen. Mit ihrer Revision verfolgt die beklagte Stadt ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der beklagten Stadt ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Stadt gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht teilweise zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist in Höhe des vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrages begründet. Die beklagte Stadt hat den Kläger im Auswahlverfahren entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, weshalb sie ihm nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung schuldet. Die vom Landesarbeitsgericht mit 2.861,96 Euro bestimmte Höhe der Entschädigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

14

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die beklagte Stadt ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. ua. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 143).

15

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

16

III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 2 SGB IX.

17

1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus(§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist verschuldensunabhängig.

18

Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

19

2. Der Kläger wurde von der beklagten Stadt unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt iSv. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

20

a) § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

21

aa) Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an (vgl. etwa BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 20).

22

bb) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 25; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN).

23

cc) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

24

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG(vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 32 ff. mwN).

25

(2) Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 35; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).

26

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat und dass ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht.

27

aa) Der Kläger hat gegenüber dem letztlich eingestellten Bewerber sowie gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht.

28

bb) Der Kläger wurde im Auswahlverfahren auch wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt war als öffentliche Arbeitgeberin iSd. § 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX ausnahmsweise wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit.

29

(1) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24, BAGE 119, 262). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 27).

30

(2) Die beklagte Stadt hat gegen ihre Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

31

(a) Die beklagte Stadt kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, sie habe den Kläger bereits deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil dieser nicht Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen sei. Der Kläger war „Bewerber“ iSv. § 82 Satz 2 SGB IX.

32

Der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX entspricht dem Bewerberbegriff nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Diese Bestimmung enthält einen formalen Bewerberbegriff, wonach derjenige Bewerber ist, der eine Bewerbung eingereicht hat. Bis zum Inkrafttreten des AGG regelte § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB IX aF einen eigenständigen Entschädigungsanspruch für schwerbehinderte „Bewerber“ neben § 611a BGB(vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 113: entsprechend § 611a BGB und zur Umsetzung der RL 2000/78/EG). Mit dem AGG wurde sodann der Bewerberschutz auf alle Merkmale des AGG erweitert.

33

(b) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt ist der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX auch nicht deshalb restriktiv auszulegen, weil der öffentliche Arbeitgeber nur dann sachgerecht prüfen könnte, ob ein Interessent geeignet ist oder ob dies offensichtlich nicht der Fall ist, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt wurden. § 82 Satz 3 SGB IX regelt nicht den Begriff des Bewerbers; die offensichtlich fehlende fachliche Eignung iSv. § 82 Satz 3 SGB IX erlaubt es dem öffentlichen Arbeitgeber nur, ausnahmsweise von der Einladung eines schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch abzusehen.

34

(3) Die beklagte Stadt war - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit.

35

(a) Zur Beurteilung der fachlichen Eignung des/der Bewerbers/Bewerberin ist auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07  - Rn. 18, BVerfGK 12, 284 ). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner - der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 30 mwN). Bei der Erstellung des Anforderungsprofils ist der öffentliche Arbeitgeber an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 22, BVerwGE 139, 135). Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen.

36

„Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer „unzweifelhaft” insoweit nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 32; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 27). Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (BeckOK SozR/Gutzeit Stand 1. Dezember 2014 SGB IX § 82 Rn. 1). Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 82 Satz 2 SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen(vgl. etwa BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 29; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, BAGE 131, 232).

37

Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 20, BVerwGE 139, 135; ähnlich Schröder in Hauck/Noftz SGB IX Stand November 2015 K § 82 Rn. 6). Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. Wiegand in Wiegand SGB IX Teil 2 Schwerbehindertenrecht Stand September 2015 § 82 Rn. 5).

38

Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Bei § 82 Satz 3 SGB IX handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, nach dem die nach § 82 Satz 2 SGB IX erforderliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch „entbehrlich“ ist(vgl. Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 82 Rn. 9; aA wohl Knittel SGB IX 9. Aufl. § 82 Rn. 34). Allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder ob er nach § 82 Satz 3 SGB IX von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihrem fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung bzw. den beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen. Kommt der/die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht dies regelmäßig zu seinen/ihren Lasten. Auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

39

(b) Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt sei von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

40

(aa) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt war der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die beklagte Stadt war aufgrund der Angaben des Klägers in seinen Bewerbungsunterlagen ohne Weiteres in der Lage zu prüfen und zu entscheiden, ob sie den Kläger nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen musste oder ob sie hiervon nach § 82 Satz 3 SGB IX absehen durfte. Der Kläger hatte in seinem Bewerbungsschreiben Angaben zu seiner fachlichen Qualifikation gemacht und diesem Schreiben einen ausführlichen Lebenslauf beigefügt, in dem er seine Abschlüsse, Ausbildungsstationen, die Ausbildungsinhalte und seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten im Einzelnen erläutert hat. Dass der Kläger seinen Bewerbungsunterlagen keine Zeugnisse beigefügt hatte, führt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - nicht zu einer anderen Bewertung. Da die beklagte Stadt in der Stellenausschreibung keine bestimmte Note als Mindestqualifikation gefordert hat, wäre der Kläger auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen, wenn er schlechte Zeugnisnoten gehabt hätte (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 22, 24, BVerwGE 139, 135). Nach § 82 Satz 2 SGB IX müssen schwerbehinderte Bewerber/innen zwingend zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Sichtung der Bewerbungsunterlagen sicher ergibt, dass andere Bewerber deutlich besser geeignet sind. Im Falle schwerbehinderter Bewerber soll der persönliche Eindruck entscheidend sein und nicht die „Papierform“ (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22 und 28, BAGE 131, 232). Im Übrigen hat die beklagte Stadt die fachliche Eignung des Klägers auf der Grundlage des von diesem vorgelegten Lebenslaufs beurteilt und ist zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

41

(bb) Dem Kläger fehlte - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat - auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung. Zwar mag zweifelhaft sein, ob der Kläger letztlich für die zu besetzende Stelle fachlich geeignet war; Zweifel an der fachlichen Eignung des Klägers hätten aber - wie unter Rn. 36 ausgeführt - nicht ausgereicht, um von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch abzusehen. Der Kläger hätte vielmehr offensichtlich, dh. unzweifelhaft fachlich nicht geeignet sein müssen. Diese Voraussetzung liegt - wie das Landesarbeitsgericht nach Würdigung aller Umstände zutreffend angenommen hat - nicht vor.

42

(aaa) Unstreitig verfügte der Kläger über einen Abschluss als staatlich geprüfter Umweltschutztechniker, zudem war er gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Dieser Beruf ist - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - später in dem Nachfolgeberuf „Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik“ aufgegangen. Darüber hinaus war der Kläger langjährig in den Bereichen Heizung, Lüftung und Sanitär tätig und während dieser Zeit in die Handwerksrolle (vom Kläger als Meisterrolle bezeichnet) eingetragen. Er hatte darüber hinaus an der Technikerschule eine Zusatzprüfung „Ausbilder der Ausbilder“ abgelegt. Die damit erworbenen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse sind, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls festgestellt hat, auch Bestandteil einer Meisterprüfung, § 51a Abs. 3 HwO. Damit war jedenfalls nicht unzweifelhaft auszuschließen, dass der Kläger den Stand an Kenntnissen hatte, die durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschlüsse „staatlich geprüfter Techniker“ oder „Meister“ im Gewerk „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ vermittelt wurden, zumal die beklagte Stadt auch nicht erläutert hat, welche der drei Gewerke der Kläger mit seiner Qualifikation nicht ausreichend „vergleichbar“ abdeckte.

43

(bbb) Die beklagte Stadt kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die offensichtlich fehlende fachliche Eignung des Klägers ergebe sich daraus, dass dieser nicht über - den Kenntnissen eines staatlich geprüften Technikers oder Meisters „im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ - gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfüge. Auch insoweit fehlt es bereits an jeglichen Darlegungen der beklagten Stadt dazu, welche Kenntnisse in welcher Tiefe und Breite ein staatlich geprüfter Techniker oder Meister in den genannten Gewerken hat und warum diese Kenntnisse beim Kläger offensichtlich nicht vorhanden waren.

44

(ccc) Soweit das Vorbringen der beklagten Stadt zum Fehlen gleichwertiger Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach dahin zu verstehen sein sollte, dass sie geltend machen will, der Kläger sei deshalb offensichtlich fachlich ungeeignet, weil er offensichtlich nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT) erfülle, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich nicht geeignet ist, ist, wie unter Rn. 37 ausgeführt, anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem fachlichen Leistungsprofil des/der Bewerbers/Bewerberin zu ermitteln. Zwar ist der öffentliche Arbeitgeber - wie unter Rn. 35 ausgeführt - bei der Erstellung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden; dies bedeutet allerdings nur, dass er - soweit die tarifliche Eingruppierung in Rede steht - keine höheren Anforderungen stellen darf, als dies nach den einschlägigen tariflichen Eingruppierungsmerkmalen erforderlich ist. Das Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle wird demnach durch die tariflichen Merkmale der in Aussicht genommenen Entgeltgruppe oder Vergütungsgruppe zwar begrenzt, aber nicht inhaltlich ausgefüllt. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die vorgesehene Eingruppierung in der Stellenausschreibung angegeben wird. Dies folgt aus dem im Eingruppierungsrecht geltenden Grundsatz der Tarifautomatik. Der/die Beschäftigte wird nicht durch den Arbeitgeber eingruppiert, sondern ist eingruppiert. Mit der Angabe der Vergütungs- oder Entgeltgruppe (im Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung) wird danach nur wiedergegeben, welche Vergütungs- oder Entgeltgruppe der öffentliche Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften als zutreffend ansieht (vgl. etwa BAG 20. Juni 2012 - 4 AZR 304/10 - Rn. 38; 17. Juli 2003 - 8 AZR 376/02 - zu II 2 a aa (3) der Gründe; 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 340).

45

Im Übrigen fehlt es an jeglichem Vorbringen der beklagten Stadt dazu, woraus sich konkret ergeben soll, dass gleichwertige Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach erforderlich sein sollen. Zwar werden nach § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA für Eingruppierungen zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung zum BAT gemäß Anlage 3 TVÜ-VKA den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. Insoweit sieht die Anlage 3 zum TVÜ-VKA vor, dass der Entgeltgruppe 11 TVöD die Vergütungsgruppen BAT III ohne Aufstieg nach II sowie BAT IVa mit Aufstieg nach III zugeordnet werden. Allerdings bestimmt die Vergütungsordnung zum BAT für Angestellte in technischen Berufen für die Eingruppierung sowohl in die Vergütungsgruppe IVa als auch in die Vergütungsgruppe III zunächst grundlegend, dass es sich entweder um einen technischen Angestellten mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen oder um einen sonstigen Angestellten handeln muss, der aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und seiner Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübt. Auf gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Breite und Tiefe des fachlichen Könnens kann zwar eine Rolle spielen bei der Frage, ob sich die Tätigkeit durch „besondere Schwierigkeit“ aus einer anderen Vergütungsgruppe oder aus einer anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe heraushebt. Auch bezieht sich die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die fachliche Qualifikation des/der Beschäftigten, also auf sein/ihr fachliches Können und seine/ihre fachliche Erfahrung. Verlangt wird ein Wissen und Können, das die Anforderungen einer anderen Vergütungsgruppe oder anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe in gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, wie etwa Spezialkenntnissen (vgl. etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 912/08 - Rn. 37; 25. Februar 2009 - 4 AZR 20/08 - Rn. 36; 1. August 2001 - 4 AZR 298/00 - zu 1 f cc (1) der Gründe). Die beklagte Stadt hat jedoch nicht im Ansatz erläutert, aus welchem Grund welches fachliche Wissen und Können in welcher Tiefe und Breite für welche Eingruppierung in welche Vergütungsgruppe bzw. Fallgruppe verlangt wird.

46

(ddd) Der Kläger ist entgegen der Auffassung der beklagten Stadt auch nicht deshalb für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet, weil es ihm an der geforderten Führungserfahrung oder an einer Führungskompetenz fehlen würde. Der Kläger hatte in seiner Bewerbung angegeben, dass er über eine langjährige Tätigkeit als Führungskraft verfügt. Dies hat die beklagte Stadt nicht bestritten. Ob er insoweit Führungskompetenz erworben hat, lässt sich jedenfalls nicht zweifelsfrei ausschließen, sondern wäre im Vorstellungsgespräch zu klären gewesen.

47

(4) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt habe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde, nicht widerlegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

48

(a) Nicht nur die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber/einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, sondern auch die Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, sind nur eingeschränkt revisibel. In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 28; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 50).

49

(b) Danach hält das angefochtene Urteil einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt. Seine Würdigung ist vollständig, rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

50

(aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass es zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung nicht ausgereicht hätte, wenn die beklagte Stadt Tatsachen vorgetragen und ggf. bewiesen hätte, aus denen sich ergab, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Klägers ausschlaggebend waren, sondern dass hinzukommen musste, dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung des Klägers betrafen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. § 82 Satz 3 SGB IX enthält insoweit eine abschließende Regelung, die bewirkt, dass sich der (potentielle) Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für den Bereich des öffentlichen Dienstes und nicht für private Arbeitgeber (vgl. etwa BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 45 mwN).

51

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat sodann angenommen, die beklagte Stadt habe solche Umstände nicht vorgetragen. Diese Würdigung lässt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vermutungswirkung eines Verstoßes gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX bestimmte Verpflichtung, den/die schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht dadurch aufgehoben wird, dass der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung darauf hinweist, dass schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, revisible Rechtsfehler nicht erkennen. Dasselbe gilt, sofern der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen des/der schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin besonders sorgfältig prüft, die Pflichtquote erfüllt oder einem vermeintlichen Rechtsirrtum unterliegt.

52

3. Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Höhe.

53

a) Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“(hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 16 mwN).

54

b) Der vom Landesarbeitsgericht auf 2.861,96 Euro bestimmte Entschädigungsbetrag ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle relevanten Umstände gewürdigt. Hiergegen wendet sich die beklagte Stadt auch nicht, insbesondere macht sie nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe Umstände nicht gewürdigt, bei deren Einbeziehung die Entschädigung hätte geringer ausfallen müssen.

55

IV. Die beklagte Stadt hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter     

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski     

        

    Wein     

                 

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

(1) Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vor.

(2) Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(3) Eine Belästigung ist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(4) Eine sexuelle Belästigung ist eine Benachteiligung in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

(5) Die Anweisung zur Benachteiligung einer Person aus einem in § 1 genannten Grund gilt als Benachteiligung. Eine solche Anweisung liegt in Bezug auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 insbesondere vor, wenn jemand eine Person zu einem Verhalten bestimmt, das einen Beschäftigten oder eine Beschäftigte wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt oder benachteiligen kann.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Die Revision der beklagten Stadt gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 2. Juni 2015 - 8 Sa 1374/14 - wird zurückgewiesen.

Die beklagte Stadt hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Stadt verpflichtet ist, dem Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung zu zahlen.

2

Der Kläger ist ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich alternative Energien. Ausweislich seines Schwerbehindertenausweises vom 12. Juli 2011 beträgt der Grad seiner Behinderung 50.

3

Die beklagte Stadt schrieb Mitte 2013 die Stelle eines „Techn. Angestellte/n EGr. 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT)“ aus. In der Stellenausschreibung heißt es auszugsweise:

        

Zu Ihren Aufgaben gehören: Verantwortliche Leitung des Sachgebietes >Betriebstechnik< mit den Gewerken Elektro, Heizung/Sanitär, Schreiner, Schlosser, Maler sowie Fahrer; Werkstattleitung, Personalführung, Fachaufsicht und Spitzensachbearbeitung; Verantwortung für Betrieb und Unterhaltung der technischen Anlagen und Gebäude des P; Abwicklung von Reparaturen, Wartung, Prüfung und baulicher Instandhaltung mittels eigener Mitarbeiter sowie Fremdfirmen; Organisation und Abwicklung von Servicedienstleistungen für Ausstellungen und Veranstaltungen; technische Abwicklung von Ausstellungen und Veranstaltungen; verantwortliche Bearbeitung zugewiesener Projektaufträge; Mitarbeit in Projektteams.

        

Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs- / Sanitär- / Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; langjährige Berufs- und Führungserfahrung; fundierte Kenntnis und sichere Anwendung der einschlägigen Regelwerke, insbes. der BetrSichV, UVV, MLAR, HausPrüfVO, HBO, VOB, VOL; Führungs- und Organisationskompetenz; Kommunikationsstärke und Teamfähigkeit; soziale Kompetenz; Durchsetzungsvermögen; Verantwortungs- und Einsatzbereitschaft; selbstständiges Arbeiten; gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit; gute Kenntnisse der MS-Office-Programme; Bereitschaft zum gelegentlichen Dienst an Wochenenden und in den Abend- und Nachtstunden; Bereitschaft zur Weiterbildung; interkulturelle Kompetenz.

        

Hinweise: … Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. …

        

…       

        

Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen richten Sie bitte bis zum 30.08.2013 unter Angabe der Kennziffer X an den:

        

Magistrat der Stadt …“

4

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 14. August 2013 auf die ausgeschriebene Stelle. In dem Bewerbungsschreiben heißt es:

        

„…    

        

In meiner langjährigen Tätigkeit als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer (Meisterrolleneintrag) und staatlich geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich Alternative Energien habe ich umfangreiche Kenntnisse in den Bereichen Energieberatung und Management, Contracting, Energie- und Umweltrecht, Technischen Gebäudeautomation, Hygiene und Brandschutz erworben.

        

Neben der Objekt- und Projektleitung gehörte die Projektierung und Dokumentation der Anlagen und deren Technik zu meinem Aufgabengebiet. Darüber hinaus war ich Ansprechpartner für Kunden und Öffentlichkeitsarbeit.

        

Ebenso kenne ich mich im Bereich der Betriebliche Kostenrechnung (Angebotseinholung, Leistungsverzeichnis, Abrechnung, HOAI, VOB, usw.) aus.

        

Der Umgang mit der EDV, den gängigen Office-Anwendungen wie Excel, Word und Power Point und den einschlägigen Kommunikationsmitteln ist für mich selbstverständlich.

        

…“    

5

Dem Bewerbungsschreiben des Klägers waren eine Kopie seines Schwerbehindertenausweises sowie ein insgesamt fünfseitiger tabellarischer Lebenslauf beigefügt, der auszugsweise folgende Angaben enthält:

        

BERUFSERFAHRUNG

        

10/07- 09/12

Projektsachbearbeiter, …

                 

Internationale Gebäudeautomation und Gebäudemanagementunternehmen, ca. 800 Mitarbeiter in Deutschland […]

                 

Aufgaben

                 

•       

…       

                 

•       

Unterstützung der Projektleiter bei der Verwaltung der einzelnen Projekte

                 

•       

…       

                 

•       

Objektleiter von vier Büroliegenschaften mit ca. je 5000 qm Bürofläche

                 

•       

…       

                 

•       

Ökologische und Ökonomische Objektführung

                 

•       

Beurteilung der Technischen Einrichtungen und Anlagenteile

                 

•       

…       

                 

•       

Führung der Objekttechniker

                 

•       

Beratung des Niederlassungsleiters

                 

•       

…       

                                   
        

09/04-08/09

Stellvertretender Betriebsleiter in Teilzeit, … Umwelttechnik, Alternative Energien, Energieberatung, Heizung, Lüftung und Sanitär

                 

Unterstützung des Geschäftsführers, ca. 4 Mitarbeiter in Deutschland,

                 

…       

        

08/04-06/06

Weiterbildung zum Staatlich geprüften Umweltschutztechniker, Techniker-schule, B, www.

                          
                 

Fachgebiet

                 

•       

Alternative Energien

                 

Inhalt

                 

•       

…       

        

…       

        

10/99-10/00

Obermonteur, … 4 Mitarbeiter

                 

Aufgaben

                 

•       

Montage von Heizungs-und Sanitäranlagen

                 

•       

…       

                 

•       

Ausbildung von Auszubildenden

                 

•       

…       

        

…       

        

08/96-10/99

Hausmeister und Technischer Leiter,

                 

…       

                 

Aufgaben

                 

•       

Instandhaltung der Haustechnik

                 

•       

Budgetverantwortlichkeit

                 

•       

Mitarbeiterführung

                 

•       

…       

                 

•       

Bauleitung

                 

…       

        

08/88-08/96

Obermonteur, … 3-5 Mitarbeiter,

                 

…       

        

AUSBILDUNG / STUDIEN

        

2011   

Fernstudium zum Baubiologen IBN

                 

…       

        

…       

        
        

2006   

Technikerschule B

                 

Abschluss: Staatlich geprüfter Umweltschutztechniker

                 

Fachbereich: Alternative Energien, …

        

…       

        
        

2006   

Technikerschule B

                 

Zusatzprüfung: Ausbilder der Ausbilder

                 

…       

        

…       

        
        

1978 - 1981

… Ausbildung Heizungs- und Lüftungsbauer

                 

Abschluss: Facharbeiter

                 

…       

        

1969 - 1978

Grund- und Hauptschule G

        

…“    

        
6

Auf die Stellenausschreibung der beklagten Stadt gingen bei dieser neben der Bewerbung des Klägers weitere 55 Bewerbungen ein.

7

Die beklagte Stadt lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und teilte ihm mit Schreiben vom 4. November 2013 mit:

        

„…    

        

Inzwischen wurde über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle entschieden.

        

Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Sie hierbei nicht berücksichtigt werden konnten, da es hinsichtlich der Erfüllung der fachlichen Anforderungen einen besser qualifizierten Bewerber gab, der sehr ausgeprägte Fachkenntnisse sowie langjährige Berufserfahrung in allen genannten Gewerken vorweisen kann und zudem im besonderen Maße über die im Anforderungsprofil geforderte langjährige Führungserfahrung verfügt.

        

…“    

8

Mit seiner am 15. November 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die beklagte Stadt auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG iHv. mindestens drei Monatsgehältern à 2.861,96 Euro in Anspruch genommen.

9

Er hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt habe ihn im Auswahlverfahren wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt sei nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet gewesen, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Eine Einladung sei nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil ihm offenkundig die fachliche Eignung für die zu besetzende Stelle gefehlt habe. Aufgrund seiner Ausbildung und langjährigen Berufserfahrung verfüge er über eine Qualifikation, die den in der Stellenausschreibung genannten Abschlüssen vergleichbar sei. Die geforderte langjährige Führungserfahrung habe er ua. während seiner Tätigkeit als Obermonteur gesammelt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die beklagte Stadt zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die allerdings 8.585,88 Euro nicht unterschreiten sollte.

11

Die beklagte Stadt hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Kläger sei bei der Auswahlentscheidung für die zu besetzende Stelle nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Der Kläger sei schon kein Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen. Der Begriff der Bewerbung iSv. § 82 Satz 2 SGB IX sei restriktiv dahin auszulegen, dass eine Bewerbung nur vorliege, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt seien. Nur dann sei der öffentliche Arbeitgeber in der Lage, sachgerecht zu prüfen, ob der Interessent geeignet sei oder ob dies offensichtlich nicht der Fall sei. Desungeachtet sei sie nicht verpflichtet gewesen, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, da der Kläger für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet iSv. § 82 Satz 3 SGB IX sei. Der Kläger habe das zwingende Anforderungsprofil der Stellenausschreibung offensichtlich nicht erfüllt. Vergleichbar qualifiziert iSd. Stellenausschreibung sei nur, wer aufgrund seiner schulischen und beruflichen Ausbildung, seiner beruflichen Tätigkeit oder aufgrund anderweitig erworbener Kenntnisse denjenigen Stand an Kenntnissen habe, der durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschüsse vermittelt würde. Zwar habe der Kläger eine Ausbildung zum Heizungs- und Lüftungsbauer abgeschlossen; in diesem Bereich sei er allerdings weder Meister noch staatlich geprüfter Techniker. Im Vordergrund seiner Ausbildung zum staatlich geprüften Umweltschutztechniker hätten die ökologische und ökonomische Energieverwendung und der Einsatz alternativer Energien und damit nur ein Spezialbereich der geforderten Gewerke „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ gestanden. Ebenso habe der Kläger in seiner Bewerbung keine „langjährige Führungserfahrung“ und „Führungskompetenz“ nachgewiesen. Dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung diskriminiert worden sei, ergebe sich auch daraus, dass sie im Übrigen alle ihr nach dem SGB IX obliegenden Pflichten erfülle.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem vom Kläger angegebenen Mindestumfang stattgegeben. Auf die Berufung der beklagten Stadt hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil - unter Klageabweisung im Übrigen - teilweise abgeändert und dem Kläger eine Entschädigung iHv. eines Monatsgehalts, dh. iHv. 2.861,96 Euro zugesprochen. Mit ihrer Revision verfolgt die beklagte Stadt ihr Begehren nach vollständiger Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der beklagten Stadt ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der beklagten Stadt gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Recht teilweise zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist in Höhe des vom Landesarbeitsgericht zugesprochenen Betrages begründet. Die beklagte Stadt hat den Kläger im Auswahlverfahren entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt, weshalb sie ihm nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung schuldet. Die vom Landesarbeitsgericht mit 2.861,96 Euro bestimmte Höhe der Entschädigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

14

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die beklagte Stadt ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. ua. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 143).

15

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

16

III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die beklagte Stadt verpflichtet ist, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 2 SGB IX.

17

1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus(§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist verschuldensunabhängig.

18

Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

19

2. Der Kläger wurde von der beklagten Stadt unmittelbar wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt iSv. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

20

a) § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

21

aa) Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an (vgl. etwa BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 20).

22

bb) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 25; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN).

23

cc) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

24

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG(vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 32 ff. mwN).

25

(2) Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 35; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).

26

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat und dass ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht.

27

aa) Der Kläger hat gegenüber dem letztlich eingestellten Bewerber sowie gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurden, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht.

28

bb) Der Kläger wurde im Auswahlverfahren auch wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die beklagte Stadt war als öffentliche Arbeitgeberin iSd. § 71 Abs. 3 Nr. 3 SGB IX nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX ausnahmsweise wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit.

29

(1) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24, BAGE 119, 262). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 27).

30

(2) Die beklagte Stadt hat gegen ihre Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX verstoßen, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

31

(a) Die beklagte Stadt kann hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, sie habe den Kläger bereits deshalb nicht zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil dieser nicht Bewerber iSv. § 82 Satz 2 SGB IX gewesen sei. Der Kläger war „Bewerber“ iSv. § 82 Satz 2 SGB IX.

32

Der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX entspricht dem Bewerberbegriff nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Diese Bestimmung enthält einen formalen Bewerberbegriff, wonach derjenige Bewerber ist, der eine Bewerbung eingereicht hat. Bis zum Inkrafttreten des AGG regelte § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 SGB IX aF einen eigenständigen Entschädigungsanspruch für schwerbehinderte „Bewerber“ neben § 611a BGB(vgl. BT-Drs. 14/5074 S. 113: entsprechend § 611a BGB und zur Umsetzung der RL 2000/78/EG). Mit dem AGG wurde sodann der Bewerberschutz auf alle Merkmale des AGG erweitert.

33

(b) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt ist der Begriff des Bewerbers iSv. § 82 Satz 2 SGB IX auch nicht deshalb restriktiv auszulegen, weil der öffentliche Arbeitgeber nur dann sachgerecht prüfen könnte, ob ein Interessent geeignet ist oder ob dies offensichtlich nicht der Fall ist, wenn dem Bewerbungsschreiben prüffähige neutrale Unterlagen, insbesondere Zeugnisse, beigefügt wurden. § 82 Satz 3 SGB IX regelt nicht den Begriff des Bewerbers; die offensichtlich fehlende fachliche Eignung iSv. § 82 Satz 3 SGB IX erlaubt es dem öffentlichen Arbeitgeber nur, ausnahmsweise von der Einladung eines schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch abzusehen.

34

(3) Die beklagte Stadt war - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit.

35

(a) Zur Beurteilung der fachlichen Eignung des/der Bewerbers/Bewerberin ist auf das in der veröffentlichten Stellenausschreibung enthaltene Anforderungsprofil abzustellen. Mit der Bestimmung eines Anforderungsprofils für die zu vergebende Stelle legt der Arbeitgeber die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest; an ihm werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber gemessen (vgl. BVerfG 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07  - Rn. 18, BVerfGK 12, 284 ). Der öffentliche Arbeitgeber hat im Anforderungsprofil die formalen Voraussetzungen, fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie außerfachlichen Kompetenzen zu beschreiben, die ein Bewerber für eine erfolgreiche Bewältigung der künftigen Tätigkeit benötigt und die dementsprechend der leistungsbezogenen Auswahl zugrunde zu legen sind. Aufgrund des Anforderungsprofils sollen einerseits geeignete Bewerber gefunden, andererseits ungeeignete Bewerber schon im Vorfeld der eigentlichen Auswahlentscheidung aus dem Kreis der in das engere Auswahlverfahren einzubeziehenden Bewerber ausgeschlossen werden. Mit der Festlegung des Anforderungsprofils wird ein wesentlicher Teil der Auswahlentscheidung vorweggenommen. Zugleich bestimmt der öffentliche Arbeitgeber mit dem Anforderungsprofil den Umfang seiner - der eigentlichen Auswahlentscheidung vorgelagerten - verfahrensrechtlichen Verpflichtung nach § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 30 mwN). Bei der Erstellung des Anforderungsprofils ist der öffentliche Arbeitgeber an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 22, BVerwGE 139, 135). Er hat das Anforderungsprofil ausschließlich nach objektiven Kriterien anzufertigen.

36

„Offensichtlich” fachlich nicht geeignet ist, wer „unzweifelhaft” insoweit nicht dem Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspricht (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 32; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 27). Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel im Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (BeckOK SozR/Gutzeit Stand 1. Dezember 2014 SGB IX § 82 Rn. 1). Der schwerbehinderte Mensch soll nach § 82 Satz 2 SGB IX die Chance haben, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren und den öffentlichen Arbeitgeber von seiner Eignung zu überzeugen(vgl. etwa BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 29; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, BAGE 131, 232).

37

Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln (BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 20, BVerwGE 139, 135; ähnlich Schröder in Hauck/Noftz SGB IX Stand November 2015 K § 82 Rn. 6). Lassen bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (vgl. Wiegand in Wiegand SGB IX Teil 2 Schwerbehindertenrecht Stand September 2015 § 82 Rn. 5).

38

Zwar trifft den öffentlichen Arbeitgeber in einem Prozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der/die schwerbehinderte Bewerber/in offensichtlich fachlich ungeeignet ist. Bei § 82 Satz 3 SGB IX handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand, nach dem die nach § 82 Satz 2 SGB IX erforderliche Einladung zu einem Vorstellungsgespräch „entbehrlich“ ist(vgl. Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 82 Rn. 9; aA wohl Knittel SGB IX 9. Aufl. § 82 Rn. 34). Allerdings muss der öffentliche Arbeitgeber bereits im Verlauf des Auswahlverfahrens prüfen und entscheiden können, ob er einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einladen muss oder ob er nach § 82 Satz 3 SGB IX von der Verpflichtung zur Einladung befreit ist. Diese Prüfung und Entscheidung muss der/die schwerbehinderte Bewerber/in dem öffentlichen Arbeitgeber durch entsprechende Angaben zu seinem/ihrem fachlichen Leistungsprofil in der Bewerbung bzw. den beigefügten Bewerbungsunterlagen ermöglichen. Kommt der/die Bewerber/in dieser Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nach, geht dies regelmäßig zu seinen/ihren Lasten. Auch in einem solchen Fall besteht für den öffentlichen Arbeitgeber regelmäßig keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen.

39

(b) Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt sei von der Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht ausnahmsweise nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

40

(aa) Entgegen der Rechtsauffassung der beklagten Stadt war der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nachgekommen. Die beklagte Stadt war aufgrund der Angaben des Klägers in seinen Bewerbungsunterlagen ohne Weiteres in der Lage zu prüfen und zu entscheiden, ob sie den Kläger nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einladen musste oder ob sie hiervon nach § 82 Satz 3 SGB IX absehen durfte. Der Kläger hatte in seinem Bewerbungsschreiben Angaben zu seiner fachlichen Qualifikation gemacht und diesem Schreiben einen ausführlichen Lebenslauf beigefügt, in dem er seine Abschlüsse, Ausbildungsstationen, die Ausbildungsinhalte und seine bisherigen beruflichen Tätigkeiten im Einzelnen erläutert hat. Dass der Kläger seinen Bewerbungsunterlagen keine Zeugnisse beigefügt hatte, führt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat - nicht zu einer anderen Bewertung. Da die beklagte Stadt in der Stellenausschreibung keine bestimmte Note als Mindestqualifikation gefordert hat, wäre der Kläger auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen, wenn er schlechte Zeugnisnoten gehabt hätte (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 22, 24, BVerwGE 139, 135). Nach § 82 Satz 2 SGB IX müssen schwerbehinderte Bewerber/innen zwingend zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dies gilt auch dann, wenn eine Sichtung der Bewerbungsunterlagen sicher ergibt, dass andere Bewerber deutlich besser geeignet sind. Im Falle schwerbehinderter Bewerber soll der persönliche Eindruck entscheidend sein und nicht die „Papierform“ (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22 und 28, BAGE 131, 232). Im Übrigen hat die beklagte Stadt die fachliche Eignung des Klägers auf der Grundlage des von diesem vorgelegten Lebenslaufs beurteilt und ist zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

41

(bb) Dem Kläger fehlte - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat - auch nicht offensichtlich die fachliche Eignung. Zwar mag zweifelhaft sein, ob der Kläger letztlich für die zu besetzende Stelle fachlich geeignet war; Zweifel an der fachlichen Eignung des Klägers hätten aber - wie unter Rn. 36 ausgeführt - nicht ausgereicht, um von einer Einladung zum Vorstellungsgespräch abzusehen. Der Kläger hätte vielmehr offensichtlich, dh. unzweifelhaft fachlich nicht geeignet sein müssen. Diese Voraussetzung liegt - wie das Landesarbeitsgericht nach Würdigung aller Umstände zutreffend angenommen hat - nicht vor.

42

(aaa) Unstreitig verfügte der Kläger über einen Abschluss als staatlich geprüfter Umweltschutztechniker, zudem war er gelernter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer. Dieser Beruf ist - wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat - später in dem Nachfolgeberuf „Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik“ aufgegangen. Darüber hinaus war der Kläger langjährig in den Bereichen Heizung, Lüftung und Sanitär tätig und während dieser Zeit in die Handwerksrolle (vom Kläger als Meisterrolle bezeichnet) eingetragen. Er hatte darüber hinaus an der Technikerschule eine Zusatzprüfung „Ausbilder der Ausbilder“ abgelegt. Die damit erworbenen berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnisse sind, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls festgestellt hat, auch Bestandteil einer Meisterprüfung, § 51a Abs. 3 HwO. Damit war jedenfalls nicht unzweifelhaft auszuschließen, dass der Kläger den Stand an Kenntnissen hatte, die durch die in der Ausschreibung genannten Ausbildungsabschlüsse „staatlich geprüfter Techniker“ oder „Meister“ im Gewerk „Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ vermittelt wurden, zumal die beklagte Stadt auch nicht erläutert hat, welche der drei Gewerke der Kläger mit seiner Qualifikation nicht ausreichend „vergleichbar“ abdeckte.

43

(bbb) Die beklagte Stadt kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die offensichtlich fehlende fachliche Eignung des Klägers ergebe sich daraus, dass dieser nicht über - den Kenntnissen eines staatlich geprüften Technikers oder Meisters „im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik“ - gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach verfüge. Auch insoweit fehlt es bereits an jeglichen Darlegungen der beklagten Stadt dazu, welche Kenntnisse in welcher Tiefe und Breite ein staatlich geprüfter Techniker oder Meister in den genannten Gewerken hat und warum diese Kenntnisse beim Kläger offensichtlich nicht vorhanden waren.

44

(ccc) Soweit das Vorbringen der beklagten Stadt zum Fehlen gleichwertiger Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach dahin zu verstehen sein sollte, dass sie geltend machen will, der Kläger sei deshalb offensichtlich fachlich ungeeignet, weil er offensichtlich nicht die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 TVöD (VergGr. IVa/III BAT) erfülle, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Ob der schwerbehinderte Mensch für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich nicht geeignet ist, ist, wie unter Rn. 37 ausgeführt, anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der Stelle und dem fachlichen Leistungsprofil des/der Bewerbers/Bewerberin zu ermitteln. Zwar ist der öffentliche Arbeitgeber - wie unter Rn. 35 ausgeführt - bei der Erstellung des Anforderungsprofils an die gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorgaben gebunden; dies bedeutet allerdings nur, dass er - soweit die tarifliche Eingruppierung in Rede steht - keine höheren Anforderungen stellen darf, als dies nach den einschlägigen tariflichen Eingruppierungsmerkmalen erforderlich ist. Das Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle wird demnach durch die tariflichen Merkmale der in Aussicht genommenen Entgeltgruppe oder Vergütungsgruppe zwar begrenzt, aber nicht inhaltlich ausgefüllt. Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - die vorgesehene Eingruppierung in der Stellenausschreibung angegeben wird. Dies folgt aus dem im Eingruppierungsrecht geltenden Grundsatz der Tarifautomatik. Der/die Beschäftigte wird nicht durch den Arbeitgeber eingruppiert, sondern ist eingruppiert. Mit der Angabe der Vergütungs- oder Entgeltgruppe (im Arbeitsvertrag oder in einer Eingruppierungsmitteilung) wird danach nur wiedergegeben, welche Vergütungs- oder Entgeltgruppe der öffentliche Arbeitgeber bei Anwendung der maßgeblichen Eingruppierungsvorschriften als zutreffend ansieht (vgl. etwa BAG 20. Juni 2012 - 4 AZR 304/10 - Rn. 38; 17. Juli 2003 - 8 AZR 376/02 - zu II 2 a aa (3) der Gründe; 16. Februar 2000 - 4 AZR 62/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 93, 340).

45

Im Übrigen fehlt es an jeglichem Vorbringen der beklagten Stadt dazu, woraus sich konkret ergeben soll, dass gleichwertige Kenntnisse der Tiefe und der Breite nach erforderlich sein sollen. Zwar werden nach § 17 Abs. 7 TVÜ-VKA für Eingruppierungen zwischen dem 1. Oktober 2005 und dem Inkrafttreten der neuen Entgeltordnung die Vergütungsgruppen der Vergütungsordnung zum BAT gemäß Anlage 3 TVÜ-VKA den Entgeltgruppen des TVöD zugeordnet. Insoweit sieht die Anlage 3 zum TVÜ-VKA vor, dass der Entgeltgruppe 11 TVöD die Vergütungsgruppen BAT III ohne Aufstieg nach II sowie BAT IVa mit Aufstieg nach III zugeordnet werden. Allerdings bestimmt die Vergütungsordnung zum BAT für Angestellte in technischen Berufen für die Eingruppierung sowohl in die Vergütungsgruppe IVa als auch in die Vergütungsgruppe III zunächst grundlegend, dass es sich entweder um einen technischen Angestellten mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen oder um einen sonstigen Angestellten handeln muss, der aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und seiner Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausübt. Auf gleichwertige Kenntnisse der Breite und der Tiefe nach kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Breite und Tiefe des fachlichen Könnens kann zwar eine Rolle spielen bei der Frage, ob sich die Tätigkeit durch „besondere Schwierigkeit“ aus einer anderen Vergütungsgruppe oder aus einer anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe heraushebt. Auch bezieht sich die tarifliche Anforderung der „besonderen Schwierigkeit“ nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auf die fachliche Qualifikation des/der Beschäftigten, also auf sein/ihr fachliches Können und seine/ihre fachliche Erfahrung. Verlangt wird ein Wissen und Können, das die Anforderungen einer anderen Vergütungsgruppe oder anderen Fallgruppe derselben Vergütungsgruppe in gewichtiger Weise übersteigt. Diese erhöhte Qualifikation kann sich im Einzelfall aus der Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens ergeben, aber auch aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder einer sonstigen gleichwertigen Qualifikation, wie etwa Spezialkenntnissen (vgl. etwa BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 912/08 - Rn. 37; 25. Februar 2009 - 4 AZR 20/08 - Rn. 36; 1. August 2001 - 4 AZR 298/00 - zu 1 f cc (1) der Gründe). Die beklagte Stadt hat jedoch nicht im Ansatz erläutert, aus welchem Grund welches fachliche Wissen und Können in welcher Tiefe und Breite für welche Eingruppierung in welche Vergütungsgruppe bzw. Fallgruppe verlangt wird.

46

(ddd) Der Kläger ist entgegen der Auffassung der beklagten Stadt auch nicht deshalb für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet, weil es ihm an der geforderten Führungserfahrung oder an einer Führungskompetenz fehlen würde. Der Kläger hatte in seiner Bewerbung angegeben, dass er über eine langjährige Tätigkeit als Führungskraft verfügt. Dies hat die beklagte Stadt nicht bestritten. Ob er insoweit Führungskompetenz erworben hat, lässt sich jedenfalls nicht zweifelsfrei ausschließen, sondern wäre im Vorstellungsgespräch zu klären gewesen.

47

(4) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die beklagte Stadt habe die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt wurde, nicht widerlegt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

48

(a) Nicht nur die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber/einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, sondern auch die Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, sind nur eingeschränkt revisibel. In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 28; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 50).

49

(b) Danach hält das angefochtene Urteil einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt. Seine Würdigung ist vollständig, rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei und verstößt nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze.

50

(aa) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zutreffend davon ausgegangen, dass es zur Widerlegung der auf den Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX gestützten Kausalitätsvermutung nicht ausgereicht hätte, wenn die beklagte Stadt Tatsachen vorgetragen und ggf. bewiesen hätte, aus denen sich ergab, dass ausschließlich andere Gründe als die Behinderung für die Benachteiligung des Klägers ausschlaggebend waren, sondern dass hinzukommen musste, dass diese Gründe nicht die fachliche Eignung des Klägers betrafen. Diese zusätzliche Anforderung folgt aus der in § 82 Satz 3 SGB IX getroffenen Bestimmung, wonach eine Einladung des schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch nur dann entbehrlich ist, wenn diesem die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. § 82 Satz 3 SGB IX enthält insoweit eine abschließende Regelung, die bewirkt, dass sich der (potentielle) Arbeitgeber zur Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität nicht auf Umstände berufen kann, die die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Die Widerlegung dieser Vermutung setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Bewerbers berühren. Diese Einschränkung gilt allerdings nur für den Bereich des öffentlichen Dienstes und nicht für private Arbeitgeber (vgl. etwa BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 45 mwN).

51

(bb) Das Landesarbeitsgericht hat sodann angenommen, die beklagte Stadt habe solche Umstände nicht vorgetragen. Diese Würdigung lässt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Vermutungswirkung eines Verstoßes gegen die in § 82 Satz 2 SGB IX bestimmte Verpflichtung, den/die schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht dadurch aufgehoben wird, dass der Arbeitgeber in der Stellenausschreibung darauf hinweist, dass schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden, revisible Rechtsfehler nicht erkennen. Dasselbe gilt, sofern der Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen des/der schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin besonders sorgfältig prüft, die Pflichtquote erfüllt oder einem vermeintlichen Rechtsirrtum unterliegt.

52

3. Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG in der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Höhe.

53

a) Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“(hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BAG 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 16 mwN).

54

b) Der vom Landesarbeitsgericht auf 2.861,96 Euro bestimmte Entschädigungsbetrag ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle relevanten Umstände gewürdigt. Hiergegen wendet sich die beklagte Stadt auch nicht, insbesondere macht sie nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe Umstände nicht gewürdigt, bei deren Einbeziehung die Entschädigung hätte geringer ausfallen müssen.

55

IV. Die beklagte Stadt hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter     

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski     

        

    Wein     

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2014 - 5 Sa 1346/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der Kläger hat nach einer Ausbildung zum Großhandelskaufmann die Fachhochschulreife erworben und anschließend zwei Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert. Danach war er mehr als zehn Jahre als Gruppenleiter/Gebietsreferent, mehr als fünf Jahre als Einkaufsleiter, mehr als sechs Jahre als Vertriebskaufmann und mehr als fünf Jahre als Business Development Manager Healthcare tätig. Von Januar bis November 2009 war er nicht erwerbstätig und von November 2009 bis April 2012 arbeitete er als Verwaltungsmitarbeiter. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (im Folgenden GdB) von 60. Sein Schwerbehindertenausweis ist ab dem 25. Juli 2008 gültig und ohne zeitliche Befristung ausgestellt.

3

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Februar 2013 schrieb sie für die Abteilung „Organisation“ ihrer Geschäftsstelle eine Stelle als „kaufm. Sachbearbeiter/in“ aus. Laut Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle sind insbesondere eine abgeschlossene Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf, einschlägige Berufserfahrung, gute EDV-Kenntnisse sowie ein sicheres Gespür für Sprache erwünscht.

4

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 26. Februar 2013 auf diese Stelle. Neben Angaben zu seinen Kenntnissen und Fähigkeiten für die ausgeschriebene Stelle, wobei der Kläger auch auf einen routinierten Umgang mit gängigen MS-Office-Programmen hinwies, enthält das Bewerbungsschreiben ua. die folgende Erklärung:

        

„Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren.“

5

Die Beklagte reagierte auf die Bewerbung des Klägers zunächst nicht und lud diesen nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein. Auf seine schriftlichen Nachfragen sandte sie ihm schließlich mit Schreiben vom 16. Mai 2013 seine Bewerbungsunterlagen zurück und teilte mit, sich für einen anderen Bewerber/eine andere Bewerberin entschieden zu haben. Danach kam es zu einem Schriftwechsel unter den Parteien über die Frage, warum der Kläger trotz seiner Schwerbehinderung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Die Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 24. Mai 2013 mit, eine Verpflichtung, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, habe nicht bestanden, da seinen Bewerbungsunterlagen ein Hinweis/Nachweis über eine vorliegende, festgestellte Schwerbehinderung mit einem GdB von mindestens 50 nicht zu entnehmen gewesen sei. Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch iHv. 7.053,24 Euro geltend.

6

Mit seiner am 6. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die ursprünglich auf Zahlung eines Betrages iHv. 7.053,24 Euro gerichtet war, hat der Kläger die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Beklagte habe ihn entgegen ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obgleich sie durch sein Bewerbungsschreiben Kenntnis von seiner Schwerbehinderung gehabt habe.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.955,96 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Pflicht, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, habe nicht bestanden. Der Kläger habe in seinem Anschreiben nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, im Zeitpunkt seiner Bewerbung schwerbehindert gewesen zu sein; zudem habe er den GdB nicht mitgeteilt. Auch aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergebe sich nichts, was die Annahme einer Benachteiligung wegen der Behinderung stützen könne. Im Übrigen habe sie die Stelle mit einer Bewerberin mit einem GdB von 30 besetzt.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger - unter Klageabweisung im Übrigen - 3.955,96 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro.

11

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. ua. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 143).

12

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

13

III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 2 SGB IX.

14

1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus(§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist verschuldensunabhängig.

15

Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

16

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BT-Drs. 16/1780 S. 38; vgl. auch BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 26 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 127, 367).

17

2. Der Kläger wurde von der Beklagten unmittelbar wegen der Behinderung benachteiligt iSv. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

18

a) Im Falle der Schwerbehinderung eines Bewerbers/einer Bewerberin kann in der Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch bei einem öffentlichen Arbeitgeber und dem damit verbundenen vorzeitigen Ausscheiden des Bewerbers/der Bewerberin aus dem Bewerbungsverfahren eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen.

19

aa) § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

20

(1) Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an.

21

(2) Ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nur dann vorliegt, wenn der die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangende Bewerber für die ausgeschriebene Stelleauch „objektiv geeignet“ ist, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen.

22

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist für eine Vergleichbarkeit die am Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle zu messende „objektive Eignung“ des Bewerbers erforderlich (vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offen gelassen allerdings von BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

23

Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, könnte ua. bereits deshalb zweifelhaft sein, weil § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Zudem würde das Erfordernis der „objektiven Eignung“, da die Feststellung einer „vergleichbaren Situation“ nicht ohne Vergleichsbetrachtung auskommen kann, wohl eine parallele Überprüfung der „objektiven Eignung“ der eingeladenen Bewerber und Bewerberinnen nach sich ziehen müssen. Eine derartige Prüfung und Vergleichsbetrachtung findet jedoch möglicherweise weder in den Bestimmungen des AGG noch in den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere denen der Richtlinie 2000/78/EG eine hinreichende Grundlage.

24

Die Frage, ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nur dann angenommen werden kann, wenn der Bewerber für die ausgeschriebene Stelleauch „objektiv geeignet“ ist, muss im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entschieden werden, da das Landesarbeitsgericht die „objektive Eignung“ des Klägers für die zu besetzende Stelle bejaht hat und dies unter den Parteien auch nicht mehr streitig ist.

25

(3) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist;er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN).

26

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Benachteiligung im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt hier in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 36 mwN; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, BAGE 131, 86). Nach § 7 Abs. 1 AGG darf ein vorzeitiger Ausschluss eines Bewerbers/einer Bewerberin aus dem Auswahlverfahren demnach nicht in einem (mit)ursächlichen Zusammenhang mit einem in § 1 AGG aufgeführten Grund stehen. Sind bereits die Chancen einer Bewerberin/eines Bewerbers durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es regelmäßig nicht mehr darauf an, ob eine nach § 1 AGG verbotene Anknüpfung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat(vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 89, 276 zu § 611a Abs. 1 BGB aF für geschlechtsbezogene Benachteiligungen). Bewerber/innen haben vielmehr Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungs-/Stellenbesetzungsverfahren (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23; 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 33, BAGE 122, 54; vgl. auch BT-Drs. 12/5468 S. 44 zu § 611a BGB aF). Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, ob es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung kommt (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN).

27

cc) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt(zur Bedeutung näher BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 119, 262). Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - aaO). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten.

28

Dem steht die Richtlinie 2000/78/EG auch dann nicht entgegen, wenn der andere Bewerber/die andere Bewerberin behindert iSv. § 2 Abs. 1 SGB IX ist. Zwar verlangt Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG von den Mitgliedstaaten, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, um den Zugang zur Beschäftigung zu gewährleisten; allerdings gestattet Art. 7 der Richtlinie positive Maßnahmen, die das Ziel haben, einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu dienen oder diese Eingliederung zu fördern. Welche Maßnahmen und Vorkehrungen der Mitgliedstaat im Einzelnen zu treffen hat, ist dabei nicht vorgegeben (vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 48).

29

Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen und versagt diesem damit die Chance, ihn von seiner Eignung zu überzeugen, kann darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen. Wird dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren, liegt eine weniger günstige Behandlung vor, als sie das Gesetz (§ 82 Satz 2 SGB IX) zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 48; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, BAGE 131, 232; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 119, 262). Der Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren kann demnach eine Benachteiligung sein, die in einem (mit)ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 51; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 44, BAGE 127, 367).

30

dd) Lädt der öffentliche Arbeitgeber den sich bewerbenden schwerbehinderten Beschäftigten nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, kann darin allerdings nur dann eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen, wenn ihm die Schwerbehinderung des Stellenbewerbers/der Stellenbewerberin zum Zeitpunkt der benachteiligenden Maßnahme bekannt ist oder er diese kennen muss. Deshalb muss ein Bewerber, der seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen will, den (potentiellen) Arbeitgeber über die vorhandene Schwerbehinderung rechtzeitig in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht bereits aus anderem Zusammenhang über diese Information verfügt. Andernfalls ist dem öffentlichen Arbeitgeber ein Verstoß gegen die bei der Bewerbung schwerbehinderter Menschen nach § 82 Satz 2 SGB IX auferlegte Verpflichtung objektiv nicht zurechenbar und es fehlt an der (Mit-)Ursächlichkeit der Behinderung für die benachteiligende Maßnahme(vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28, BAGE 127, 367).

31

(1) Ein hinreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 38; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 35, BAGE 127, 367). Eine Information im Bewerbungsanschreiben (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 35; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 4 iVm. Rn. 35 ff.; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28 ff., 39, BAGE 127, 367 ) oder an gut erkennbarer Stelle im Lebenslauf (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 36; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) ist regelmäßig ausreichend (Klarstellung von BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 35; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - aaO). Unter Umständen kann auch eine rechtzeitige gesonderte Mitteilung genügen (vgl. etwa BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 39 zu einer vor Beginn des Auswahlgesprächs dem Arbeitgeber zugesandten Zusicherung der Bundesagentur für Arbeit mit dem Betreff „Gleichstellung gem. § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch IX …“).

32

(2) Zur Mitteilung der Schwerbehinderung eines Bewerbers/einer Bewerberin kann auch die „Vorlage“ des Schwerbehindertenausweises ausreichend sein ( BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 32 f.); allerdings genügt es nicht, wenn eine Kopie des Schwerbehindertenausweises lediglich den Anlagen zur Bewerbung beigefügt wird ( BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 37), ohne dass im Anschreiben oder im Lebenslauf hierauf ausreichend hingewiesen wird.

33

ee) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

34

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG(vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 32 ff. mwN).

35

(2) Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).

36

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung (auch) wegen der Behinderung erfahren hat und ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht.

37

aa) Der Kläger hat gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sind, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht. Die Beklagte, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX als öffentliche Arbeitgeberin gilt, war gemäß § 82 Satz 2 SGB IX auch verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie im Fall des Klägers nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorhandensein der fachlichen Eignung bejaht; dies greift die Revision nicht an.

38

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger der Beklagten seine Schwerbehinderung deutlich und ausreichend mitgeteilt hat und dass die weniger günstige Behandlung des Klägers demnach „wegen“ der Behinderung erfolgt ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

39

(1) Die Beklagte beruft sich auch in der Revision darauf, der Kläger habe sie in seinem Bewerbungsschreiben nicht hinreichend klar und deutlich über seine Schwerbehinderung informiert. Zum einen reiche es nicht aus, nur den Begriff der „Schwerbehinderung“ anzuführen, vielmehr sei auch der GdB anzugeben gewesen. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, im heutigen Berufsleben sei allgemein bekannt, dass zwischen einer Behinderung und einer Schwerbehinderung im Rechtssinne zu unterscheiden sei, existiere insbesondere „nach dem objektiven Empfängerhorizont“ nicht. Zudem ergebe sich aus dem Bewerbungsschreiben des Klägers nicht, dass die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Bewerbung vorgelegen habe.

40

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es im Zusammenhang mit der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers aus § 82 SGB IX ausreicht, über das Vorliegen einer „Schwerbehinderung“ zu informieren und dass es nicht zusätzlich erforderlich ist, den GdB mitzuteilen. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (insbesondere BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 33, 35; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

41

(a) Der Begriff der „Schwerbehinderung“ ist ein Rechtsbegriff, dem im Rechtsverkehr, vor allem im Arbeits- und Sozialrecht eine feste Bedeutung zukommt. Der Begriff der Schwerbehinderung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich definiert. Nach dieser Bestimmung sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Weist ein/e Bewerber/in im Zusammenhang mit einer Bewerbung darauf hin, „schwerbehindert“ zu sein, ist deshalb - sofern nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gegeben sind - für den Arbeitgeber ohne Weiteres erkennbar, dass der Begriff iSd. in § 2 Abs. 2 SGB IX gegebenen Definition gemeint ist und damit beim Bewerber mindestens ein GdB von 50 vorliegt. Eine andere Funktion liegt im Zusammenhang mit einem Bewerbungsschreiben regelmäßig nicht nahe.

42

(b) Da nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen schwerbehindert sind, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und dies die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers nach § 82 Satz 2 SGB IX auslöst, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, ist eine (weitergehende) Angabe des im Einzelfall vorliegenden GdB nicht erforderlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten folgt auch aus der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte der anderen Seite, soweit sich eine solche hier ggf. aus einem Anbahnungsverhältnis ergeben sollte (vgl. dazu BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - Rn. 28), nichts anderes. Zwar ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall wegen bestimmter Arbeitsanforderungen und/oder zur Erfüllung der Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (vgl. dazu BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 53; 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60) nähere Kenntnisse des Arbeitgebers zu Art und ggf. Umfang einer Behinderung erforderlich sein können und der Arbeitnehmer deshalb zu entsprechender Auskunft verpflichtet sein kann; um solch eine besondere Situation geht es vorliegend jedoch nicht.

43

(3) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben hinreichend klar und deutlich auf eine zum Zeitpunkt der Bewerbung vorliegende Schwerbehinderung hingewiesen hat, ist ebenso revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

44

(a) Die Auslegung der Angaben des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat.

45

(b) Unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts einer revisionsgerichtlichen Kontrolle ohne Weiteres stand.

46

Das Landesarbeitsgericht hat - zusammengefasst - angenommen, der Kläger habe mit der Erklärung in seinem Bewerbungsschreiben: „Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren“, unzweideutig darauf hingewiesen, dass die Schwerbehinderung auch zum Zeitpunkt der Bewerbung bestand. Das Schreiben könne sinnvollerweise nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger im Hinblick auf das Vorliegen einer Schwerbehinderung einen nicht mehr aktuellen Hinweis habe geben wollen.

47

Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht lässt weder eine Verletzung von Auslegungsregeln noch einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen. Vielmehr stützt insbesondere die Formulierung in der Erklärung des Klägers - aufgrund „meiner“ Schwerbehinderung - das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis. Auch diese Formulierung legt die Annahme nahe, der Kläger habe auf eine aktuelle Schwerbehinderung hinweisen wollen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen wurden. Das Landesarbeitsgericht hat sich - im Gegenteil - eingehend mit der hier allein für die Auslegung maßgeblichen Erklärung des Klägers befasst. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger habe lediglich eine vergangenheitsbezogene Mitteilung gemacht und damit nicht deutlich erklärt, dass er aktuell ein schwerbehinderter Mensch ist, hat sie keine Verstöße gegen Rechts- oder Erfahrungssätze und/oder Denkgesetze oder eine Widersprüchlichkeit der Würdigung dargetan.

48

Dass die Beklagte nach eigenen Angaben „nicht erkannt hat“, dass sie aufgrund der Mitteilung des Klägers nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet war, diesen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, führt zu keiner anderen Bewertung. Von Bedeutung ist nicht, was sie tatsächlich erkannt hat, sondern was sie erkennen musste.

49

(4) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfahren hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

50

(a) Sowohl die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber/einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Haupt- und/oder Hilfstatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, als auch deren Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber seinerseits vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat,sind nur eingeschränkt revisibel (vgl. etwa BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 49, 63 mwN ). In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf zu prüfen, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 29; 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 30; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 49; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158).

51

(b) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil auch insoweit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

52

Das Landesarbeitsgericht ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Beklagte in seinem Bewerbungsschreiben darauf hingewiesen hatte, dass er zum Zeitpunkt der Bewerbung schwerbehindert war, zutreffend davon ausgegangen, dass der Verstoß der Beklagten gegen ihre aus § 82 Satz 2 SGB IX folgende Verpflichtung, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, geeignet ist, die Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung zu begründen und hat dies gewürdigt. Ebenso gewürdigt hat es den von der Beklagten zur Widerlegung der Vermutung geleisteten Sachvortrag, sie habe eine mit einem GdB von 30 behinderte Bewerberin eingestellt. Insoweit hat es angenommen, mit diesem Vorbringen habe die Beklagte die Vermutungswirkung des § 22 AGG nicht widerlegt. Diese Würdigung lässt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es für die Frage, ob ein/e Bewerber/in diskriminierungsfrei vorab aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen wurde, nicht darauf ankommt, ob und ggf. zu welcher Einstellung es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich gekommen ist, revisible Rechtsfehler nicht erkennen. Solche werden von der Revision auch nicht gerügt.

53

IV. Dem Kläger steht nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro zu. Die Bestimmung der Höhe der Entschädigung (vgl. hierzu näher BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158) ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte (vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 49). Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht eine Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro als angemessen erachtet. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.

54

V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Rinck    

        

        

        

    N. Reiners    

        

        

Soost 

        

(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.

(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.

(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2013 - 25 Sa 2304/12, 25 Sa 311/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG.

2

Der Kläger ist nach erfolgreichem Universitätsstudium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation Diplom-Kommunikationswirt. Zudem hat er an der Universität Island Business Administration studiert. Studienbegleitend war er als universitärer Tutor tätig und beriet Studierende über Studieninhalte. Im Jahr 2006 leitete er das Projekt „B“ des B, mit dem ein Studierendenwettbewerb für Sozialmarketing durchgeführt wurde. Seit Januar 2009 ist er als freiberuflicher Kommunikationsberater tätig. Wegen einer Gehbehinderung ist er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100.

3

Ende Oktober 2011 schrieb die beklagte Universität, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, für ihre Abteilung Gründungsservice die jeweils für die Dauer von zwei Jahren befristeten Stellen als Communitymanager/in und Gründungsberater/in aus. Voraussetzung war in beiden Fällen ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium oder das Vorhandensein gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen, betriebswirtschaftliches Verständnis oder Projektmanagementerfahrung, praktische Erfahrungen in den jeweiligen Aufgabenschwerpunkten sowie Begeisterung für die Förderung von Unternehmertum und Technologietransfer in der Universität. Beide Stellenausschreibungen enthielten den Hinweis „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“. Es war jeweils eine Vergütung nach der EG 13 des Tarifvertrags zur Übernahme des TV-L für die Hochschulen im Land Berlin angegeben (mit einem Grundentgelt der ersten Stufe von monatlich jeweils 2.882,00 Euro brutto).

4

Die Beklagte veröffentlichte die Stellenausschreibungen auf ihrer Webseite und im Onlinemarkt der Wochenzeitung „D“. Sie nahm im Zusammenhang der beiden Stellenausschreibungen keine Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf und prüfte nicht die Möglichkeit der Besetzung der Stellen mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen (Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX). Der frei werdende und neu zu besetzende Arbeitsplatz wurde der Agentur für Arbeit entgegen § 82 Satz 1 SGB IX nicht gemeldet.

5

Mit Schreiben vom 7. November 2011 bewarb sich der Kläger auf beide Ausschreibungen. In seinem Schreiben hieß es ua.:

        

„Meine berufspraktischen Erfahrungen sowie der erfolgreiche Abschluss meines Studiums habe ich mit einer Schwerbehinderung erreicht, die weder meine geistige noch meine soziale Kompetenz beeinflusst. Dabei bin ich weder auf fremde Hilfe noch auf andere Hilfsmittel angewiesen.“

6

Nach einer Vorauswahl anhand der eingegangenen Bewerbungsunterlagen lud die Beklagte den Kläger als einen von acht Kandidat/inn/en für die Stelle als Communitymanager/in und als einen von neun für die Stelle als Gründungsberater/in zu zwei Gesprächsterminen am 25. und 30. November 2011 ein. Im jeweiligen Termin war zunächst ein 25-minütiger schriftlicher Test mit praktischen Fragen zum Aufgabenschwerpunkt zu absolvieren. Zudem fand im Verlauf der ca. 30-minütigen Gespräche je ein kurzes Rollenspiel zur Kommunikationsfähigkeit statt. An den Gesprächen - wie auch an der abschließenden Auswahl - nahmen neben der Leiterin der Abteilung Gründungsservice - Frau M - ua. ein Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Schwerbehindertenvertretung teil. Im ersten Termin des Klägers wurde angesprochen, dass der Umzug der Abteilung Gründungsservice in ein Gebäude ohne Fahrstuhl mit Arbeitsräumen im ersten und zweiten Obergeschoss geplant sei.

7

Der Kläger erfuhr von dem für ihn erfolglosen Ausgang des Bewerbungsverfahrens durch eigene Nachfrage im Dezember 2011 (in der 50. Kalenderwoche). Die Stelle als Communitymanager/in erhielt eine Mitbewerberin; für die Tätigkeit als Gründungsberater/in wurden zwei Mitbewerberinnen in Teilzeitarbeit eingestellt, darunter eine mit einer Behinderung (GdB von 30). Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten, die mit Schreiben vom 23. Januar 2012 antwortete, erfolglos Entschädigungsansprüche iHv. insgesamt 17.292,00 Euro (pro Stelle drei Bruttomonatsentgelte) geltend. Am 14. Februar 2012 reichte er seine Klage beim Arbeitsgericht ein.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung ergebe sich bereits aus der Verletzung der Prüf- und Meldepflicht des § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX. Folglich gehe nach § 22 AGG die Beweislast auf die Beklagte über, die die von ihm vorgebrachten Indizien nicht widerlegt habe. Zudem seien durch Ablauf, Wortwahl und die Art und Weise des Gesprächs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl ausreichend Hilfstatsachen vorhanden, die zur Annahme einer Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung führten. Die Abteilungsleiterin habe ihn am Gesprächsende nach der Art seiner in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Schwerbehinderung und der damit verbundenen Einschränkung gefragt. Er habe erwidert, dass es sich um eine Gehbehinderung handele, die ihn nicht einschränke. Nur beim Treppensteigen habe er Schwierigkeiten. Daraufhin sei eine ihn verunsichernde „Totenstille“ eingetreten und er habe ergänzt, dass ein Aufzug für ihn hilfreich sei. Die Abteilungsleiterin habe sodann gefragt, wie er die im Haus des Bewerbungsgesprächs befindlichen Stufen „gepackt“ habe. Er habe geantwortet, dass er Treppen steigen könne, wenn ein Geländer vorhanden sei. Nachdem daraufhin die Abteilungsleiterin gemeint habe, er brauche dann wohl keinen Aufzug, habe er sich erkundigt, ob seine Gehbehinderung ein Problem darstelle. Erst dann sei der anstehende Umzug der Abteilung einschließlich der zukünftigen Notwendigkeit des Treppensteigens erklärt worden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag iHv. 17.292,00 Euro nicht unterschreiten sollte.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Behinderung des Klägers habe keine Rolle im Bewerbungsverfahren gespielt und der Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX sei nicht kausal für die Nichteinstellung des Klägers, der durch die Einladung zum und Teilnahme am Bewerbungsgespräch die gebotene Chance erhalten habe. Auf beide Stellen seien Personen eingestellt worden, die sich durch mehr Erfahrungen, Kompetenzen, konkrete Ideen in der Umsetzung und durch eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit ausgewiesen hätten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.764,00 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Umfang ihres Unterliegens hat die Beklagte dagegen Berufung eingelegt; der Kläger hat mit seiner Anschlussberufung seine Forderung im Hinblick auf weitere 11.528,00 Euro nebst Zinsen verfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die Klage insgesamt ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vorgetragen. Weder bei einer Einzel- noch bei einer Gesamtbetrachtung ergebe sich die vom Kläger behauptete Vermutungswirkung iSd. § 22 AGG.

14

Zwar sei die Verletzung der Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX grundsätzlich als Vermutungstatsache für einen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Behinderung geeignet. Jedoch liege im Streitfall keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme vor, die Beklagte als Arbeitgeberin sei an einer Bewerbung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert gewesen und habe möglichen Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen wollen. Dies zeige sich daran, dass der Kläger, dessen Schwerbehinderung aus dem Bewerbungsschreiben bekannt gewesen sei, mit den Einladungen zu beiden Vorstellungsgesprächen die Möglichkeit erhalten habe, die Beklagte von seiner persönlichen Eignung und Befähigung zu überzeugen. Die Beklagte habe zudem bei den im Internet der Öffentlichkeit zugänglichen Stellenausschreibungen ausdrücklich den Hinweis auf bei gleicher Eignung bevorzugte Einstellung schwerbehinderter Menschen gegeben und die Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen einbezogen.

15

Auch der vom Kläger behauptete Ablauf des ersten Bewerbungsgesprächs - der zu seinen Gunsten als wahr unterstellt werden könne -, insbesondere die von der Beklagten bestrittene Frage nach der Art seiner Schwerbehinderung, begründe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die Behinderung des Klägers in dem Motivbündel der Auswahlentscheidung eine Rolle gespielt habe. Diese Frage sei vor dem Hintergrund des bevorstehenden Umzugs in ein Gebäude ohne Fahrstuhl offensichtlich auf die Klärung bezogen gewesen, ob und inwieweit seine körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehen könne. Die abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin, er brauche dann wohl keinen Aufzug, zeige, dass auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstehe.

16

B. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

17

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber Beschäftigter (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeberin (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG)iSd. AGG (vgl. ua. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17).

18

II. Die zweimonatige Geltendmachungs- und die im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch maßgebende dreimonatige Klagefrist (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG) sind eingehalten worden.

19

1. Dahinstehen kann dabei, ob dem Kläger bereits bei seiner eigenen Nachfrage im Dezember 2011 eine „Ablehnung“ iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zugegangen ist.

20

a) Seinen Vortrag, er habe auf Nachfrage erfahren, eine für ihn negative Entscheidung sei getroffen worden, müsse jedoch noch „durch den Personalrat gehen“, haben die Vorinstanzen nicht weiter aufgeklärt oder gewürdigt. Es wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Kläger - wie er ausgeführt hat - tatsächlich keine letztliche Absage zugegangen ist.

21

b) Unterstellt, die Antwort auf seine telefonische Nachfrage in der 50. Kalenderwoche des Jahres 2011 (also von Montag dem 12. Dezember bis vermutlich Freitag dem 16. Dezember 2011), sei als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG aufzufassen, so wahrt seine per Telefax und einfacher Post erfolgte schriftliche Geltendmachung vom 10. Januar 2012 die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage, der Beklagten am 23. Februar 2012 „demnächst“ iSd. § 167 ZPO zugegangen, wahrt die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

22

2. Spätestens das Schreiben der Beklagten vom 23. Januar 2012 als Antwort auf seine Geltendmachung vom 10. Januar 2012 ist als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zu verstehen. Jedenfalls die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage wahrt sowohl die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

23

III. Das Landesarbeitsgericht hat den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ohne Rechtsfehler verneint. Die weniger günstige Behandlung des Klägers ist nicht wegen seiner Behinderung erfolgt.

24

1. Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG(zur Bezugnahme auf die Voraussetzungen in § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG - ohne die des Verschuldens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG - vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 25; BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 14, BVerwGE 139, 135). Nach näherer Maßgabe des AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund (hier: wegen einer Behinderung) in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, einschließlich der Auswahlkriterien und der Einstellungsbedingungen, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und von der beruflichen Position unzulässig(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Eine verbotene (§ 7 AGG) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

25

Bei einer Behinderung iSd. § 1 AGG(zum Begriffsverständnis ausführlich: BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 57 ff. mwN) kommt es auf einen bestimmten GdB nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32 mwN). Voraussetzung ist also nicht, wie beim Kläger jedoch gegeben, eine Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB IX.

26

2. Der Nachteil des Klägers iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 AGG beim Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) besteht in der Nichteinstellung.

27

3. Der Kläger hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer „vergleichbaren Situation“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Diese Voraussetzung - deren Erfüllung das Landesarbeitsgericht letztlich dahinstehen gelassen hatte - liegt vor.

28

a) Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (zur Auslegung der übereinstimmenden Maßgabe in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ua. EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 32 f. mwN; 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41 ff., Slg. 2011, I-3591; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 67 ff., Slg. 2008, I-1757; ebenfalls BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Der Vergleich der jeweiligen Situationen ist fallbezogen im Zusammenhang der jeweils streitgegenständlichen Benachteiligung zu bestimmen: Bezugspunkt kann das Ziel einer eine Ungleichbehandlung festsetzenden Regelung (EuGH 12. September 2013 - C-614/11 - [Kuso] Rn. 45 mwN), einer Leistung (EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 33 mwN) oder einer sonstigen Maßnahme (EuGH 30. September 2010 - C-104/09 - [Roca Álvarez] Rn. 24 f., Slg. 2010, I-8661) sein. In jedem Fall darf die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte (hier bezogen auf die Richtlinie 2000/78/EG) nicht durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert (Grundsatz der Effektivität) werden (ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23).

29

b) Vorliegend ist es nicht erforderlich, die Voraussetzungen der „vergleichbaren Situation“ bezogen auf Bewerbungsverfahren und Auswahlentscheidungen im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG näher zu benennen. Nach Wortlaut, Eigenart und Ziel dieses Entschädigungsanspruchs werden auch Personen erfasst, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären. Für den Fall, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, wird nicht der Anspruch ausgeschlossen, sondern lediglich die Entschädigungshöhe begrenzt (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Es muss nicht entschieden werden, wie weit oder eng damit die Anforderung einer vergleichbaren Situation im Zusammenhang des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zu verstehen ist. Selbst bei einem auf Erfüllung einzelner Anforderungen der Stellenausschreibung bezogenem Verständnis der Maßgabe der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt diese hier vor. Die Beklagte hat den Kläger in die engere Wahl einbezogen und ihn zu beiden Bewerbungsgesprächsrunden eingeladen. Damit ist sie davon ausgegangen, dass er die in den beiden veröffentlichten Stellenausschreibungen formulierten Anforderungen (jedenfalls iSv. § 82 Satz 3 SGB IX) erfüllt.

30

4. Der Kläger ist nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.

31

a) Nach § 22 Halbs. 1 AGG iVm. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien (Richtlinie 2000/78/EG: Tatsachen) vorträgt, die ihre - hier unmittelbare - Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen(ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 26; gleichbedeutend ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37). Im Hinblick auf diesen Kausalzusammenhang (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 mwN) sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 44).

32

b) Innerhalb der damit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts kommt es nach der Rechtsprechung des Senats auf Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts zum „Bestandteil eines Motivbündels“ an. Die Beweiswürdigung ist nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des Beweismaßes des § 22 AGG vorzunehmen.

33

aa) Für die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund (oder mehrere) ein „Bestandteil eines Motivbündels“ ist (sind), das die Entscheidung beeinflusst hat.

34

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ (ua. Geschlecht, Rasse, Behinderung) - bzw. in der Begrifflichkeit von § 1 AGG „Gründe“ - nicht als Anknüpfungspunkt für eine (benachteiligende) rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende „Grund“ das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25).

35

So darf bei einer Entscheidung über eine Stellenbesetzung kein in § 1 AGG genannter Grund zu Lasten des Bewerbers/der Bewerberin berücksichtigt werden. Eine unzulässige Berücksichtigung wäre bereits dann gegeben, wenn in dem Motivbündel, das die Entscheidung des (potentiellen) Arbeitgebers beeinflusst hat, ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives oder (sein Fehlen) als positives Kriterium enthalten ist(vgl. zu Art. 3 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3 GG bzw. dem früheren § 611a Abs. 1 BGB: BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - zu II 1 a der Gründe, BVerfGK 9, 218; 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 d der Gründe, BVerfGE 89, 276; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31; 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 109, 265; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 37, BGHZ 193, 110).

36

(2) Der von Verfassungs wegen zu beachtende Maßstab zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist auch unionsrechtskonform.

37

(a) Nach den betroffenen Richtlinien des Unionsrechts (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG, 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; vgl. auch Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2006/54/EG) steht es den Mitgliedstaaten frei, abweichend von den jeweiligen Richtlinienvorgaben für die klagende Partei günstigere (Beweislast-)Vorschriften (wozu auch eine günstigere Auslegung von § 22 AGG gehört) einzuführen oder beizubehalten. Zudem ist teilweise eine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus ausdrücklich untersagt (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG). Weiterhin sind die Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten (15. Erwägungsgrund der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG sowie 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37; 21. Juli 2011 - C-104/10 - [Kelly] Rn. 31, Slg. 2011, I-6813).

38

(b) Die Rechtsprechung zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist für die klagende Partei mindestens gleich im Schutzniveau wie die genannten Vorgaben des Unionsrechts. Demgegenüber enthält das Unionsrecht kaum nähere Vorgaben zum „wie“ der vorzunehmenden Gesamtwürdigung. In älterer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wurde für den Kausalzusammenhang auf einen „wesentlichen Grund“ (EuGH 5. Mai 1994 - C-421/92 - [Habermann-Beltermann] Rn. 14, Slg. 1994, I-1657; 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 10 und 17, Slg. 1990, I-3941) abgestellt. Zudem kommt es auf ein „stichhaltiges Indiz“ (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] - Rn. 51) an.

39

bb) Nach dem 15. Erwägungsgrund der hier maßgebenden Richtlinie 2000/78/EG sind bei der Beurteilung von Tatbeständen, die ua. auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten maßgebend. Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I - 6919; vgl. auch EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 42 mwN). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist daher die freie Überzeugung des Tatsachengerichts gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG. Es reicht aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt(vgl. ua. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - Rn. 63; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 19). Dabei haben die Gerichte darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42).

40

c) Besteht eine Benachteiligungsvermutung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Auch dafür gilt § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, allerdings mit dem Beweismaß des sog. Vollbeweises.

41

Die dafür von Verfassungs wegen zu beachtende Rechtsprechung zum „Motivbündel“ (vgl. oben Rn. 34 f.) ist für die klagende Partei nicht ungünstiger als die des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den einschlägigen Richtlinien. Nach Letzterer kann der (potentielle) Arbeitgeber im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung den Anschein einer Diskriminierung grundsätzlich mit einem Bündel übereinstimmender Indizien widerlegen (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 58). Gemäß der Rechtsprechung zum „Motivbündel“ sind Tatsachen und Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als ua. die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (grundlegend zu Art. 3 Abs. 2 GG und dem früheren § 611a Abs. 1 BGB bereits: BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 e der Gründe, BVerfGE 89, 276). In dem Motivbündel des (potentiellen) Arbeitgebers darf der betreffende Grund - hier die Behinderung - weder als negatives noch - die fehlende Behinderung - als positives Kriterium enthalten gewesen sein (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 41; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58).

42

d) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene tatrichterliche Überzeugung ist nur beschränkt revisibel. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sich das Landesarbeitsgericht entsprechend diesem gesetzlichen Gebot mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. ua. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28).

43

e) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Würdigung, dass der Kläger die ihm obliegende erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG nicht erfüllt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.

44

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht nicht bereits allein wegen der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX eine Benachteiligung wegen des in § 1 AGG genannten Grundes der Behinderung vermutet hat.

45

(1) Grundsätzlich kann aus der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG abgeleitet werden (ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 29; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37 ff., BAGE 144, 275; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 45; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 35). Diese Pflichtverletzung ist geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein und sogar möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 47; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 22, BAGE 119, 262).

46

(2) Allerdings sind entgegen der Auffassung des Klägers bei der Klärung der Frage, ob (genügend) Indizien vorliegen, um eine Benachteiligung iSd. AGG vermuten zu lassen, alle und nicht nur einzelne Umstände zu berücksichtigen. Für eine Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX gilt diesbezüglich keine Ausnahme im Sinne eines „Automatismus“. Das schließt nicht aus, dass bei anders gelagerten Gesamtumständen deren Würdigung dazu führen kann, dass allein eine solche Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX zu einem Entschädigungsanspruch iSv. § 15 Abs. 2 AGG führen kann.

47

bb) Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Beweislastregelung des § 22 AGG nicht richtig angewandt, weil es eine „Kompensation“ bzw. „positive Überlagerung“ des Pflichtverstoßes (Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX) angenommen habe. Die erforderliche und vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts darf nicht mit einer - nicht möglichen - nachträglichen „Heilung“ oder „Beseitigung“ eines Verstoßes beispielsweise gegen § 82 Satz 2 SGB IX(vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 53 zu einer „Nacheinladung“ nach bereits zuvor erfolgter Absage) verwechselt werden.

48

cc) Ebenfalls hält die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Auch in der Gesamtbetrachtung aller Umstände - der Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX und des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl - konnte es die erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG als nicht erfüllt ansehen.

49

(1) Das trifft für die Würdigung zu, dass aus der erfolgten Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX in diesem Fall unter Einbeziehung aller Umstände nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden könne, die Beklagte wolle Bewerbungen von arbeitssuchenden (schwer)behinderten Menschen aus dem Wege gehen.

50

(a) Aus dem Text der Stellenanzeigen, der Einladung des nach den selbst eingereichten Bewerbungsunterlagen offensichtlich behinderten Klägers für beide Bewerbungsrunden und der Einbindung der Schwerbehindertenvertretung durfte das Landesarbeitsgericht ohne Weiteres den Schluss ziehen, dass eine Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung nicht ausreichend dargelegt ist.

51

(b) Soweit der Kläger meint, das Landesarbeitsgericht sei unzutreffend von einer „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen ausgegangen, während die Beklagte selbst nur eine Auswahlentscheidung „im Beisein“ der Schwerbehindertenvertretung vorgetragen habe, ergibt sich nichts anderes. Das Landesarbeitsgericht hat zur „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen zwar verschiedene Begriffe benutzt („im Beisein“, „anwesend war“ und „mit einbezogen“), diese jedoch erkennbar gleichbedeutend verstanden und verwendet: Es ging immer um den Gegensatz zu „nicht erst … nachträglich“.

52

(2) Auch das Gespräch zum Umzug in ein Gebäude ohne Fahrstuhl einschließlich des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs mit Nachfragen zu seiner Gehbehinderung zwang nicht zu einer anderen Bewertung.

53

(a) In der Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, ist unter der Voraussetzung unbedenklich, dass damit die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK]; zur mangelnden ausdrücklichen Umsetzung im AGG, zur Einbeziehung in § 8 Abs. 1 AGG und in der unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53) zum Tragen kommt. Eine solche, besonderen Umständen geschuldete Nachfrage im Bewerbungsgespräch bezogen auf eine vom Bewerber selbst angeführte Schwerbehinderung ist nicht zu verwechseln mit der „Frage nach der (Schwer)behinderung“ (dazu BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11 ff., BAGE 141, 1) oder der Anerkennung als Schwerbehinderte(r) (dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 17).

54

(aa) Die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ ist im Zusammenhang der Richtlinie 2000/78/EG auf die Beseitigung der verschiedenen Barrieren gerichtet, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern. Diese Verpflichtung wird dadurch begrenzt, dass keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung des (potentiellen) Arbeitgebers verlangt wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 49 ff., 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 50, Slg. 2006, I-6467; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 50 ff.). Dabei können im Rahmen des AGG auch Verpflichtungen aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX(zu einer Frage im Bewerbungsgespräch bezogen darauf vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275) und zur Gleichstellung und Barrierefreiheit nach dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) von Bedeutung sein.

55

(bb) Bei der Beurteilung einer solchen Nachfrage im Zusammenhang mit einer Behinderung ist sicherzustellen, dass die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (insoweit übertragbar ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 40). Die Frage muss deshalb einen objektiven - und wünschenswerterweise zu Beginn der Nachfrage darzulegenden - Anlass haben. Beispielsweise kann es um die Klärung gehen, ob ergänzende Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit dienen können, um die tatsächliche Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, etwa der Einbau von weiteren Handläufen im Treppenhaus oder die Bereitstellung eines ebenerdigen Arbeitsraums außerhalb der Abteilung. Dabei ist es von der Würdigung der Umstände im Einzelfall abhängig, ob eine Frage im Hinblick auf einen Bedarf an Hilfsmitteln oder baulichen Maßnahmen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellt (vgl. zu einer vergleichbaren Frage im Zusammenhang von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ebenso BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275).

56

(cc) Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht voraus(ua. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 37 mwN). Deshalb kann bereits ein lediglich „unglücklicher“ Gesprächsverlauf einen Anspruch auf Entschädigung begründen.

57

(b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in der Nachfrage zu der Gehbehinderung des Klägers - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - kein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung gesehen hat. Dabei hat das Gericht den gesamten Vortrag des Klägers berücksichtigt und umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt.

58

(aa) Zwar entspricht die vom Landesarbeitsgericht der Beklagten unterstellte „Fragerichtung“ (ob und inwieweit die körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehe) nicht den oben genannten Vorgaben von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK und auch nicht den ähnlich gelagerten Vorgaben von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX. Danach steht „ermöglichen“ im Fokus, nicht „entgegenstehen“. Es ist gleichwohl nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung des gesamten vom Kläger geschilderten Gesprächsverlaufs kein Indiz gesehen hat, das eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vermuten lässt. Es hat dabei besonders bedacht, dass am Schluss des Gesprächs eine abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin erfolgt sein soll, dass der Kläger „trotz seiner Gehbehinderung wohl keinen Aufzug benötige“, um in die im Obergeschoss gelegenen Büroräume zu gelangen. Das Landesarbeitsgericht hat dies dahin gehend gewertet, dass „auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstand“. Diese Bewertung ist vertretbar und somit im Rahmen von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu beanstanden.

59

(bb) Soweit der Kläger meint, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt (vgl. zu den Anforderungen der Darlegung: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 26), weil das Landesarbeitsgericht seinen Sachvortrag zu Nachfragen zu seiner Schwerbehinderung übergangen habe, ist dies unbegründet. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass sich seine Rügen nicht gegen tatbestandliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, sondern gegen den Weg richten, auf dem dieses seine Überzeugung gewonnen hat. Der Kläger übersieht bereits, dass das Landesarbeitsgericht ihm gestellte Fragen des zu seinen Gunsten unterstellten Gesprächsverlaufs nicht übergangen hat. So ist die Frage „was haben Sie genau?“ in der Frage „nach der Art seiner Schwerbehinderung“ enthalten. Auch die Nachfrage, wie er die Stufen „gepackt“ habe, hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich wiedergegeben, nur mit dem Wort „bewältigt“. Tatsächlich setzt der Kläger lediglich seine eigene Würdigung der Situation an die Stelle derer des Landesarbeitsgerichts, ohne Verstöße gegen Erfahrungs- und/oder Denkgesetze oder eine Widersprüchlichkeit der Würdigung darzulegen. Das reicht nicht aus (vgl. auch BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 31; 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01 - zu II 5 der Gründe, BAGE 104, 358).

60

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Winter    

        

    Kiel    

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

    Volz    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. März 2014 - 5 Sa 1346/13 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der Kläger hat nach einer Ausbildung zum Großhandelskaufmann die Fachhochschulreife erworben und anschließend zwei Jahre Wirtschaftswissenschaften studiert. Danach war er mehr als zehn Jahre als Gruppenleiter/Gebietsreferent, mehr als fünf Jahre als Einkaufsleiter, mehr als sechs Jahre als Vertriebskaufmann und mehr als fünf Jahre als Business Development Manager Healthcare tätig. Von Januar bis November 2009 war er nicht erwerbstätig und von November 2009 bis April 2012 arbeitete er als Verwaltungsmitarbeiter. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (im Folgenden GdB) von 60. Sein Schwerbehindertenausweis ist ab dem 25. Juli 2008 gültig und ohne zeitliche Befristung ausgestellt.

3

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Februar 2013 schrieb sie für die Abteilung „Organisation“ ihrer Geschäftsstelle eine Stelle als „kaufm. Sachbearbeiter/in“ aus. Laut Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle sind insbesondere eine abgeschlossene Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf, einschlägige Berufserfahrung, gute EDV-Kenntnisse sowie ein sicheres Gespür für Sprache erwünscht.

4

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 26. Februar 2013 auf diese Stelle. Neben Angaben zu seinen Kenntnissen und Fähigkeiten für die ausgeschriebene Stelle, wobei der Kläger auch auf einen routinierten Umgang mit gängigen MS-Office-Programmen hinwies, enthält das Bewerbungsschreiben ua. die folgende Erklärung:

        

„Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren.“

5

Die Beklagte reagierte auf die Bewerbung des Klägers zunächst nicht und lud diesen nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein. Auf seine schriftlichen Nachfragen sandte sie ihm schließlich mit Schreiben vom 16. Mai 2013 seine Bewerbungsunterlagen zurück und teilte mit, sich für einen anderen Bewerber/eine andere Bewerberin entschieden zu haben. Danach kam es zu einem Schriftwechsel unter den Parteien über die Frage, warum der Kläger trotz seiner Schwerbehinderung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Die Beklagte teilte dem Kläger mit E-Mail vom 24. Mai 2013 mit, eine Verpflichtung, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, habe nicht bestanden, da seinen Bewerbungsunterlagen ein Hinweis/Nachweis über eine vorliegende, festgestellte Schwerbehinderung mit einem GdB von mindestens 50 nicht zu entnehmen gewesen sei. Mit Schreiben vom 27. Mai 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch iHv. 7.053,24 Euro geltend.

6

Mit seiner am 6. Juni 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage, die ursprünglich auf Zahlung eines Betrages iHv. 7.053,24 Euro gerichtet war, hat der Kläger die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu. Die Beklagte habe ihn entgegen ihrer Verpflichtung nach § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obgleich sie durch sein Bewerbungsschreiben Kenntnis von seiner Schwerbehinderung gehabt habe.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.955,96 Euro zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, eine Pflicht, den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, habe nicht bestanden. Der Kläger habe in seinem Anschreiben nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, im Zeitpunkt seiner Bewerbung schwerbehindert gewesen zu sein; zudem habe er den GdB nicht mitgeteilt. Auch aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ergebe sich nichts, was die Annahme einer Benachteiligung wegen der Behinderung stützen könne. Im Übrigen habe sie die Stelle mit einer Bewerberin mit einem GdB von 30 besetzt.

9

Das Arbeitsgericht hat dem Kläger - unter Klageabweisung im Übrigen - 3.955,96 Euro zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro.

11

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. ua. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18 mwN, BAGE 142, 143).

12

II. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.

13

III. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und § 7 Abs. 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 sowie § 82 Satz 2 SGB IX.

14

1. Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus(§ 15 Abs. 2 iVm. § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG) und ist verschuldensunabhängig.

15

Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG.

16

Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen, § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs dient § 15 Abs. 2 AGG dazu, die „Forderungen der Richtlinien“ (hier insbesondere: Richtlinie 2000/78/EG) sowie der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195) nach einer wirksamen und verschuldensunabhängig ausgestalteten Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbotes durch den Arbeitgeber umzusetzen (BT-Drs. 16/1780 S. 38; vgl. auch BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 26 mwN; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 33 mwN, BAGE 127, 367).

17

2. Der Kläger wurde von der Beklagten unmittelbar wegen der Behinderung benachteiligt iSv. § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

18

a) Im Falle der Schwerbehinderung eines Bewerbers/einer Bewerberin kann in der Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch bei einem öffentlichen Arbeitgeber und dem damit verbundenen vorzeitigen Ausscheiden des Bewerbers/der Bewerberin aus dem Bewerbungsverfahren eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen.

19

aa) § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine - vorliegend ausschließlich in Betracht kommende - unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

20

(1) Im Hinblick auf eine - insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung zu treffende - Auswahlentscheidung des Arbeitgebers befinden sich Personen grundsätzlich bereits dann in einer vergleichbaren Situation, wenn sie sich für dieselbe Stelle beworben haben (vgl. auch BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Bereits deshalb kommt es, sofern ein Bewerber vorab ausgenommen und damit vorzeitig aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, nicht zwangsläufig ausschließlich auf den Vergleich mit dem/der letztlich eingestellten Bewerber/in an.

21

(2) Ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nur dann vorliegt, wenn der die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangende Bewerber für die ausgeschriebene Stelleauch „objektiv geeignet“ ist, kann im vorliegenden Verfahren dahinstehen.

22

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist für eine Vergleichbarkeit die am Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle zu messende „objektive Eignung“ des Bewerbers erforderlich (vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offen gelassen allerdings von BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

23

Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden kann, könnte ua. bereits deshalb zweifelhaft sein, weil § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Zudem würde das Erfordernis der „objektiven Eignung“, da die Feststellung einer „vergleichbaren Situation“ nicht ohne Vergleichsbetrachtung auskommen kann, wohl eine parallele Überprüfung der „objektiven Eignung“ der eingeladenen Bewerber und Bewerberinnen nach sich ziehen müssen. Eine derartige Prüfung und Vergleichsbetrachtung findet jedoch möglicherweise weder in den Bestimmungen des AGG noch in den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere denen der Richtlinie 2000/78/EG eine hinreichende Grundlage.

24

Die Frage, ob eine vergleichbare Situation iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nur dann angenommen werden kann, wenn der Bewerber für die ausgeschriebene Stelleauch „objektiv geeignet“ ist, muss im vorliegenden Verfahren jedoch nicht entschieden werden, da das Landesarbeitsgericht die „objektive Eignung“ des Klägers für die zu besetzende Stelle bejaht hat und dies unter den Parteien auch nicht mehr streitig ist.

25

(3) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung „wegen“ eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist;er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN). Bei der Prüfung des Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN).

26

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats liegt eine Benachteiligung im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung oder Beförderung, bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt hier in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 36 mwN; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29; 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, BAGE 131, 86). Nach § 7 Abs. 1 AGG darf ein vorzeitiger Ausschluss eines Bewerbers/einer Bewerberin aus dem Auswahlverfahren demnach nicht in einem (mit)ursächlichen Zusammenhang mit einem in § 1 AGG aufgeführten Grund stehen. Sind bereits die Chancen einer Bewerberin/eines Bewerbers durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es regelmäßig nicht mehr darauf an, ob eine nach § 1 AGG verbotene Anknüpfung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat(vgl. BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 c der Gründe, BVerfGE 89, 276 zu § 611a Abs. 1 BGB aF für geschlechtsbezogene Benachteiligungen). Bewerber/innen haben vielmehr Anspruch auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungs-/Stellenbesetzungsverfahren (vgl. BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23; 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 33, BAGE 122, 54; vgl. auch BT-Drs. 12/5468 S. 44 zu § 611a BGB aF). Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, ob es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich zu einer Einstellung oder Beschäftigung kommt (BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN).

27

cc) Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch bei einem öffentlichen Arbeitgeber um eine zu besetzende Stelle, so hat dieser ihn nach § 82 Satz 2 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Nach § 82 Satz 3 SGB IX ist eine Einladung nur dann entbehrlich, wenn dem schwerbehinderten Menschen die fachliche Eignung offensichtlich fehlt(zur Bedeutung näher BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 119, 262). Damit muss der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - aaO). Insoweit ist der schwerbehinderte Bewerber im Bewerbungsverfahren besser gestellt als nicht schwerbehinderte Konkurrenten.

28

Dem steht die Richtlinie 2000/78/EG auch dann nicht entgegen, wenn der andere Bewerber/die andere Bewerberin behindert iSv. § 2 Abs. 1 SGB IX ist. Zwar verlangt Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG von den Mitgliedstaaten, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, um den Zugang zur Beschäftigung zu gewährleisten; allerdings gestattet Art. 7 der Richtlinie positive Maßnahmen, die das Ziel haben, einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt zu dienen oder diese Eingliederung zu fördern. Welche Maßnahmen und Vorkehrungen der Mitgliedstaat im Einzelnen zu treffen hat, ist dabei nicht vorgegeben (vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 48).

29

Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, einen sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen zum Vorstellungsgespräch einzuladen und versagt diesem damit die Chance, ihn von seiner Eignung zu überzeugen, kann darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen. Wird dem schwerbehinderten Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen, sich in einem Vorstellungsgespräch zu präsentieren, liegt eine weniger günstige Behandlung vor, als sie das Gesetz (§ 82 Satz 2 SGB IX) zur Herstellung gleicher Bewerbungschancen gegenüber anderen Bewerbern für erforderlich hält (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 48; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, BAGE 131, 232; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 24 mwN, BAGE 119, 262). Der Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren kann demnach eine Benachteiligung sein, die in einem (mit)ursächlichen Zusammenhang mit der Behinderung steht (vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 51; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 44, BAGE 127, 367).

30

dd) Lädt der öffentliche Arbeitgeber den sich bewerbenden schwerbehinderten Beschäftigten nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein, kann darin allerdings nur dann eine unmittelbare Benachteiligung wegen der Behinderung liegen, wenn ihm die Schwerbehinderung des Stellenbewerbers/der Stellenbewerberin zum Zeitpunkt der benachteiligenden Maßnahme bekannt ist oder er diese kennen muss. Deshalb muss ein Bewerber, der seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bei der Behandlung seiner Bewerbung berücksichtigt wissen will, den (potentiellen) Arbeitgeber über die vorhandene Schwerbehinderung rechtzeitig in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht bereits aus anderem Zusammenhang über diese Information verfügt. Andernfalls ist dem öffentlichen Arbeitgeber ein Verstoß gegen die bei der Bewerbung schwerbehinderter Menschen nach § 82 Satz 2 SGB IX auferlegte Verpflichtung objektiv nicht zurechenbar und es fehlt an der (Mit-)Ursächlichkeit der Behinderung für die benachteiligende Maßnahme(vgl. BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28, BAGE 127, 367).

31

(1) Ein hinreichender Hinweis auf eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn die Mitteilung in einer Weise in den Empfangsbereich des Arbeitgebers gelangt ist, die es diesem ermöglicht, die Schwerbehinderung des Bewerbers zur Kenntnis zu nehmen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 38; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 35, BAGE 127, 367). Eine Information im Bewerbungsanschreiben (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 35; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 4 iVm. Rn. 35 ff.; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 28 ff., 39, BAGE 127, 367 ) oder an gut erkennbarer Stelle im Lebenslauf (etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 36; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) ist regelmäßig ausreichend (Klarstellung von BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 35; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - aaO). Unter Umständen kann auch eine rechtzeitige gesonderte Mitteilung genügen (vgl. etwa BAG 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 39 zu einer vor Beginn des Auswahlgesprächs dem Arbeitgeber zugesandten Zusicherung der Bundesagentur für Arbeit mit dem Betreff „Gleichstellung gem. § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch IX …“).

32

(2) Zur Mitteilung der Schwerbehinderung eines Bewerbers/einer Bewerberin kann auch die „Vorlage“ des Schwerbehindertenausweises ausreichend sein ( BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 32 f.); allerdings genügt es nicht, wenn eine Kopie des Schwerbehindertenausweises lediglich den Anlagen zur Bewerbung beigefügt wird ( BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 37), ohne dass im Anschreiben oder im Lebenslauf hierauf ausreichend hingewiesen wird.

33

ee) Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

34

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45). Die Beweiswürdigung erfolgt nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung der Vorgaben von § 22 AGG(vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 32 ff. mwN).

35

(2) Die Verletzung der in § 82 Satz 2 SGB IX geregelten Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, begründet regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Diese Pflichtverletzung ist nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 45 mwN).

36

b) Nach diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler erkannt, dass der Kläger eine ungünstigere Behandlung (auch) wegen der Behinderung erfahren hat und ihm deshalb eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht.

37

aa) Der Kläger hat gegenüber anderen Bewerbern und Bewerberinnen, die zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sind, eine ungünstigere Behandlung erfahren. Hierüber streiten die Parteien nicht. Die Beklagte, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 71 Abs. 3 Nr. 4 SGB IX als öffentliche Arbeitgeberin gilt, war gemäß § 82 Satz 2 SGB IX auch verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Von dieser Verpflichtung war sie im Fall des Klägers nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX wegen offensichtlichen Fehlens der fachlichen Eignung des Klägers befreit. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorhandensein der fachlichen Eignung bejaht; dies greift die Revision nicht an.

38

bb) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger der Beklagten seine Schwerbehinderung deutlich und ausreichend mitgeteilt hat und dass die weniger günstige Behandlung des Klägers demnach „wegen“ der Behinderung erfolgt ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

39

(1) Die Beklagte beruft sich auch in der Revision darauf, der Kläger habe sie in seinem Bewerbungsschreiben nicht hinreichend klar und deutlich über seine Schwerbehinderung informiert. Zum einen reiche es nicht aus, nur den Begriff der „Schwerbehinderung“ anzuführen, vielmehr sei auch der GdB anzugeben gewesen. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, im heutigen Berufsleben sei allgemein bekannt, dass zwischen einer Behinderung und einer Schwerbehinderung im Rechtssinne zu unterscheiden sei, existiere insbesondere „nach dem objektiven Empfängerhorizont“ nicht. Zudem ergebe sich aus dem Bewerbungsschreiben des Klägers nicht, dass die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Bewerbung vorgelegen habe.

40

(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass es im Zusammenhang mit der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers aus § 82 SGB IX ausreicht, über das Vorliegen einer „Schwerbehinderung“ zu informieren und dass es nicht zusätzlich erforderlich ist, den GdB mitzuteilen. Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (insbesondere BAG 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 33, 35; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 30) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

41

(a) Der Begriff der „Schwerbehinderung“ ist ein Rechtsbegriff, dem im Rechtsverkehr, vor allem im Arbeits- und Sozialrecht eine feste Bedeutung zukommt. Der Begriff der Schwerbehinderung ist in § 2 Abs. 2 SGB IX gesetzlich definiert. Nach dieser Bestimmung sind Menschen schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt. Weist ein/e Bewerber/in im Zusammenhang mit einer Bewerbung darauf hin, „schwerbehindert“ zu sein, ist deshalb - sofern nicht ausnahmsweise Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gegeben sind - für den Arbeitgeber ohne Weiteres erkennbar, dass der Begriff iSd. in § 2 Abs. 2 SGB IX gegebenen Definition gemeint ist und damit beim Bewerber mindestens ein GdB von 50 vorliegt. Eine andere Funktion liegt im Zusammenhang mit einem Bewerbungsschreiben regelmäßig nicht nahe.

42

(b) Da nach § 2 Abs. 2 SGB IX Menschen schwerbehindert sind, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und dies die Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers nach § 82 Satz 2 SGB IX auslöst, einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen, ist eine (weitergehende) Angabe des im Einzelfall vorliegenden GdB nicht erforderlich. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten folgt auch aus der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte der anderen Seite, soweit sich eine solche hier ggf. aus einem Anbahnungsverhältnis ergeben sollte (vgl. dazu BAG 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - Rn. 28), nichts anderes. Zwar ist nicht auszuschließen, dass im Einzelfall wegen bestimmter Arbeitsanforderungen und/oder zur Erfüllung der Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (vgl. dazu BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 53; 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60) nähere Kenntnisse des Arbeitgebers zu Art und ggf. Umfang einer Behinderung erforderlich sein können und der Arbeitnehmer deshalb zu entsprechender Auskunft verpflichtet sein kann; um solch eine besondere Situation geht es vorliegend jedoch nicht.

43

(3) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben hinreichend klar und deutlich auf eine zum Zeitpunkt der Bewerbung vorliegende Schwerbehinderung hingewiesen hat, ist ebenso revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

44

(a) Die Auslegung der Angaben des Klägers in seinem Bewerbungsschreiben durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen hat.

45

(b) Unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts einer revisionsgerichtlichen Kontrolle ohne Weiteres stand.

46

Das Landesarbeitsgericht hat - zusammengefasst - angenommen, der Kläger habe mit der Erklärung in seinem Bewerbungsschreiben: „Aus gesundheitlichen Gründen musste ich für kurze Zeit meine Erwerbstätigkeit unterbrechen und mich aufgrund meiner Schwerbehinderung beruflich neu orientieren“, unzweideutig darauf hingewiesen, dass die Schwerbehinderung auch zum Zeitpunkt der Bewerbung bestand. Das Schreiben könne sinnvollerweise nicht dahin ausgelegt werden, dass der Kläger im Hinblick auf das Vorliegen einer Schwerbehinderung einen nicht mehr aktuellen Hinweis habe geben wollen.

47

Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht lässt weder eine Verletzung von Auslegungsregeln noch einen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze erkennen. Vielmehr stützt insbesondere die Formulierung in der Erklärung des Klägers - aufgrund „meiner“ Schwerbehinderung - das vom Landesarbeitsgericht gefundene Auslegungsergebnis. Auch diese Formulierung legt die Annahme nahe, der Kläger habe auf eine aktuelle Schwerbehinderung hinweisen wollen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen wurden. Das Landesarbeitsgericht hat sich - im Gegenteil - eingehend mit der hier allein für die Auslegung maßgeblichen Erklärung des Klägers befasst. Soweit die Beklagte geltend macht, der Kläger habe lediglich eine vergangenheitsbezogene Mitteilung gemacht und damit nicht deutlich erklärt, dass er aktuell ein schwerbehinderter Mensch ist, hat sie keine Verstöße gegen Rechts- oder Erfahrungssätze und/oder Denkgesetze oder eine Widersprüchlichkeit der Würdigung dargetan.

48

Dass die Beklagte nach eigenen Angaben „nicht erkannt hat“, dass sie aufgrund der Mitteilung des Klägers nach § 82 Satz 2 SGB IX verpflichtet war, diesen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, führt zu keiner anderen Bewertung. Von Bedeutung ist nicht, was sie tatsächlich erkannt hat, sondern was sie erkennen musste.

49

(4) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung erfahren hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

50

(a) Sowohl die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber/einer Bewerberin vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen Haupt- und/oder Hilfstatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, als auch deren Würdigung, ob die von dem Arbeitgeber seinerseits vorgebrachten Tatsachen den Schluss darauf zulassen, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat,sind nur eingeschränkt revisibel (vgl. etwa BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 49, 63 mwN ). In beiden Fällen beschränkt sich die revisionsgerichtliche Kontrolle darauf zu prüfen, ob die Würdigung des Tatsachengerichts möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr., vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 29; 18. September 2014 - 8 AZR 759/13 - Rn. 30; 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 49; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158).

51

(b) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs hält das angefochtene Urteil auch insoweit einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.

52

Das Landesarbeitsgericht ist vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Beklagte in seinem Bewerbungsschreiben darauf hingewiesen hatte, dass er zum Zeitpunkt der Bewerbung schwerbehindert war, zutreffend davon ausgegangen, dass der Verstoß der Beklagten gegen ihre aus § 82 Satz 2 SGB IX folgende Verpflichtung, den schwerbehinderten Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, geeignet ist, die Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung zu begründen und hat dies gewürdigt. Ebenso gewürdigt hat es den von der Beklagten zur Widerlegung der Vermutung geleisteten Sachvortrag, sie habe eine mit einem GdB von 30 behinderte Bewerberin eingestellt. Insoweit hat es angenommen, mit diesem Vorbringen habe die Beklagte die Vermutungswirkung des § 22 AGG nicht widerlegt. Diese Würdigung lässt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es für die Frage, ob ein/e Bewerber/in diskriminierungsfrei vorab aus dem Auswahlverfahren ausgeschlossen wurde, nicht darauf ankommt, ob und ggf. zu welcher Einstellung es später im Zuge des Auswahlverfahrens tatsächlich gekommen ist, revisible Rechtsfehler nicht erkennen. Solche werden von der Revision auch nicht gerügt.

53

IV. Dem Kläger steht nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro zu. Die Bestimmung der Höhe der Entschädigung (vgl. hierzu näher BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158) ist grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte (vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 49). Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Arbeitsgericht eine Entschädigung iHv. 3.955,96 Euro als angemessen erachtet. Dies wird von der Revision nicht angegriffen.

54

V. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Rinck    

        

        

        

    N. Reiners    

        

        

Soost 

        

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2013 - 25 Sa 2304/12, 25 Sa 311/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG.

2

Der Kläger ist nach erfolgreichem Universitätsstudium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation Diplom-Kommunikationswirt. Zudem hat er an der Universität Island Business Administration studiert. Studienbegleitend war er als universitärer Tutor tätig und beriet Studierende über Studieninhalte. Im Jahr 2006 leitete er das Projekt „B“ des B, mit dem ein Studierendenwettbewerb für Sozialmarketing durchgeführt wurde. Seit Januar 2009 ist er als freiberuflicher Kommunikationsberater tätig. Wegen einer Gehbehinderung ist er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100.

3

Ende Oktober 2011 schrieb die beklagte Universität, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, für ihre Abteilung Gründungsservice die jeweils für die Dauer von zwei Jahren befristeten Stellen als Communitymanager/in und Gründungsberater/in aus. Voraussetzung war in beiden Fällen ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium oder das Vorhandensein gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen, betriebswirtschaftliches Verständnis oder Projektmanagementerfahrung, praktische Erfahrungen in den jeweiligen Aufgabenschwerpunkten sowie Begeisterung für die Förderung von Unternehmertum und Technologietransfer in der Universität. Beide Stellenausschreibungen enthielten den Hinweis „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“. Es war jeweils eine Vergütung nach der EG 13 des Tarifvertrags zur Übernahme des TV-L für die Hochschulen im Land Berlin angegeben (mit einem Grundentgelt der ersten Stufe von monatlich jeweils 2.882,00 Euro brutto).

4

Die Beklagte veröffentlichte die Stellenausschreibungen auf ihrer Webseite und im Onlinemarkt der Wochenzeitung „D“. Sie nahm im Zusammenhang der beiden Stellenausschreibungen keine Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf und prüfte nicht die Möglichkeit der Besetzung der Stellen mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen (Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX). Der frei werdende und neu zu besetzende Arbeitsplatz wurde der Agentur für Arbeit entgegen § 82 Satz 1 SGB IX nicht gemeldet.

5

Mit Schreiben vom 7. November 2011 bewarb sich der Kläger auf beide Ausschreibungen. In seinem Schreiben hieß es ua.:

        

„Meine berufspraktischen Erfahrungen sowie der erfolgreiche Abschluss meines Studiums habe ich mit einer Schwerbehinderung erreicht, die weder meine geistige noch meine soziale Kompetenz beeinflusst. Dabei bin ich weder auf fremde Hilfe noch auf andere Hilfsmittel angewiesen.“

6

Nach einer Vorauswahl anhand der eingegangenen Bewerbungsunterlagen lud die Beklagte den Kläger als einen von acht Kandidat/inn/en für die Stelle als Communitymanager/in und als einen von neun für die Stelle als Gründungsberater/in zu zwei Gesprächsterminen am 25. und 30. November 2011 ein. Im jeweiligen Termin war zunächst ein 25-minütiger schriftlicher Test mit praktischen Fragen zum Aufgabenschwerpunkt zu absolvieren. Zudem fand im Verlauf der ca. 30-minütigen Gespräche je ein kurzes Rollenspiel zur Kommunikationsfähigkeit statt. An den Gesprächen - wie auch an der abschließenden Auswahl - nahmen neben der Leiterin der Abteilung Gründungsservice - Frau M - ua. ein Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Schwerbehindertenvertretung teil. Im ersten Termin des Klägers wurde angesprochen, dass der Umzug der Abteilung Gründungsservice in ein Gebäude ohne Fahrstuhl mit Arbeitsräumen im ersten und zweiten Obergeschoss geplant sei.

7

Der Kläger erfuhr von dem für ihn erfolglosen Ausgang des Bewerbungsverfahrens durch eigene Nachfrage im Dezember 2011 (in der 50. Kalenderwoche). Die Stelle als Communitymanager/in erhielt eine Mitbewerberin; für die Tätigkeit als Gründungsberater/in wurden zwei Mitbewerberinnen in Teilzeitarbeit eingestellt, darunter eine mit einer Behinderung (GdB von 30). Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten, die mit Schreiben vom 23. Januar 2012 antwortete, erfolglos Entschädigungsansprüche iHv. insgesamt 17.292,00 Euro (pro Stelle drei Bruttomonatsentgelte) geltend. Am 14. Februar 2012 reichte er seine Klage beim Arbeitsgericht ein.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung ergebe sich bereits aus der Verletzung der Prüf- und Meldepflicht des § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX. Folglich gehe nach § 22 AGG die Beweislast auf die Beklagte über, die die von ihm vorgebrachten Indizien nicht widerlegt habe. Zudem seien durch Ablauf, Wortwahl und die Art und Weise des Gesprächs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl ausreichend Hilfstatsachen vorhanden, die zur Annahme einer Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung führten. Die Abteilungsleiterin habe ihn am Gesprächsende nach der Art seiner in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Schwerbehinderung und der damit verbundenen Einschränkung gefragt. Er habe erwidert, dass es sich um eine Gehbehinderung handele, die ihn nicht einschränke. Nur beim Treppensteigen habe er Schwierigkeiten. Daraufhin sei eine ihn verunsichernde „Totenstille“ eingetreten und er habe ergänzt, dass ein Aufzug für ihn hilfreich sei. Die Abteilungsleiterin habe sodann gefragt, wie er die im Haus des Bewerbungsgesprächs befindlichen Stufen „gepackt“ habe. Er habe geantwortet, dass er Treppen steigen könne, wenn ein Geländer vorhanden sei. Nachdem daraufhin die Abteilungsleiterin gemeint habe, er brauche dann wohl keinen Aufzug, habe er sich erkundigt, ob seine Gehbehinderung ein Problem darstelle. Erst dann sei der anstehende Umzug der Abteilung einschließlich der zukünftigen Notwendigkeit des Treppensteigens erklärt worden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag iHv. 17.292,00 Euro nicht unterschreiten sollte.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Behinderung des Klägers habe keine Rolle im Bewerbungsverfahren gespielt und der Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX sei nicht kausal für die Nichteinstellung des Klägers, der durch die Einladung zum und Teilnahme am Bewerbungsgespräch die gebotene Chance erhalten habe. Auf beide Stellen seien Personen eingestellt worden, die sich durch mehr Erfahrungen, Kompetenzen, konkrete Ideen in der Umsetzung und durch eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit ausgewiesen hätten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.764,00 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Umfang ihres Unterliegens hat die Beklagte dagegen Berufung eingelegt; der Kläger hat mit seiner Anschlussberufung seine Forderung im Hinblick auf weitere 11.528,00 Euro nebst Zinsen verfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die Klage insgesamt ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vorgetragen. Weder bei einer Einzel- noch bei einer Gesamtbetrachtung ergebe sich die vom Kläger behauptete Vermutungswirkung iSd. § 22 AGG.

14

Zwar sei die Verletzung der Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX grundsätzlich als Vermutungstatsache für einen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Behinderung geeignet. Jedoch liege im Streitfall keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme vor, die Beklagte als Arbeitgeberin sei an einer Bewerbung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert gewesen und habe möglichen Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen wollen. Dies zeige sich daran, dass der Kläger, dessen Schwerbehinderung aus dem Bewerbungsschreiben bekannt gewesen sei, mit den Einladungen zu beiden Vorstellungsgesprächen die Möglichkeit erhalten habe, die Beklagte von seiner persönlichen Eignung und Befähigung zu überzeugen. Die Beklagte habe zudem bei den im Internet der Öffentlichkeit zugänglichen Stellenausschreibungen ausdrücklich den Hinweis auf bei gleicher Eignung bevorzugte Einstellung schwerbehinderter Menschen gegeben und die Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen einbezogen.

15

Auch der vom Kläger behauptete Ablauf des ersten Bewerbungsgesprächs - der zu seinen Gunsten als wahr unterstellt werden könne -, insbesondere die von der Beklagten bestrittene Frage nach der Art seiner Schwerbehinderung, begründe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die Behinderung des Klägers in dem Motivbündel der Auswahlentscheidung eine Rolle gespielt habe. Diese Frage sei vor dem Hintergrund des bevorstehenden Umzugs in ein Gebäude ohne Fahrstuhl offensichtlich auf die Klärung bezogen gewesen, ob und inwieweit seine körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehen könne. Die abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin, er brauche dann wohl keinen Aufzug, zeige, dass auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstehe.

16

B. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

17

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber Beschäftigter (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeberin (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG)iSd. AGG (vgl. ua. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17).

18

II. Die zweimonatige Geltendmachungs- und die im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch maßgebende dreimonatige Klagefrist (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG) sind eingehalten worden.

19

1. Dahinstehen kann dabei, ob dem Kläger bereits bei seiner eigenen Nachfrage im Dezember 2011 eine „Ablehnung“ iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zugegangen ist.

20

a) Seinen Vortrag, er habe auf Nachfrage erfahren, eine für ihn negative Entscheidung sei getroffen worden, müsse jedoch noch „durch den Personalrat gehen“, haben die Vorinstanzen nicht weiter aufgeklärt oder gewürdigt. Es wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Kläger - wie er ausgeführt hat - tatsächlich keine letztliche Absage zugegangen ist.

21

b) Unterstellt, die Antwort auf seine telefonische Nachfrage in der 50. Kalenderwoche des Jahres 2011 (also von Montag dem 12. Dezember bis vermutlich Freitag dem 16. Dezember 2011), sei als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG aufzufassen, so wahrt seine per Telefax und einfacher Post erfolgte schriftliche Geltendmachung vom 10. Januar 2012 die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage, der Beklagten am 23. Februar 2012 „demnächst“ iSd. § 167 ZPO zugegangen, wahrt die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

22

2. Spätestens das Schreiben der Beklagten vom 23. Januar 2012 als Antwort auf seine Geltendmachung vom 10. Januar 2012 ist als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zu verstehen. Jedenfalls die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage wahrt sowohl die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

23

III. Das Landesarbeitsgericht hat den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ohne Rechtsfehler verneint. Die weniger günstige Behandlung des Klägers ist nicht wegen seiner Behinderung erfolgt.

24

1. Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG(zur Bezugnahme auf die Voraussetzungen in § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG - ohne die des Verschuldens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG - vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 25; BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 14, BVerwGE 139, 135). Nach näherer Maßgabe des AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund (hier: wegen einer Behinderung) in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, einschließlich der Auswahlkriterien und der Einstellungsbedingungen, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und von der beruflichen Position unzulässig(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Eine verbotene (§ 7 AGG) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

25

Bei einer Behinderung iSd. § 1 AGG(zum Begriffsverständnis ausführlich: BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 57 ff. mwN) kommt es auf einen bestimmten GdB nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32 mwN). Voraussetzung ist also nicht, wie beim Kläger jedoch gegeben, eine Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB IX.

26

2. Der Nachteil des Klägers iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 AGG beim Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) besteht in der Nichteinstellung.

27

3. Der Kläger hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer „vergleichbaren Situation“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Diese Voraussetzung - deren Erfüllung das Landesarbeitsgericht letztlich dahinstehen gelassen hatte - liegt vor.

28

a) Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (zur Auslegung der übereinstimmenden Maßgabe in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ua. EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 32 f. mwN; 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41 ff., Slg. 2011, I-3591; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 67 ff., Slg. 2008, I-1757; ebenfalls BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Der Vergleich der jeweiligen Situationen ist fallbezogen im Zusammenhang der jeweils streitgegenständlichen Benachteiligung zu bestimmen: Bezugspunkt kann das Ziel einer eine Ungleichbehandlung festsetzenden Regelung (EuGH 12. September 2013 - C-614/11 - [Kuso] Rn. 45 mwN), einer Leistung (EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 33 mwN) oder einer sonstigen Maßnahme (EuGH 30. September 2010 - C-104/09 - [Roca Álvarez] Rn. 24 f., Slg. 2010, I-8661) sein. In jedem Fall darf die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte (hier bezogen auf die Richtlinie 2000/78/EG) nicht durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert (Grundsatz der Effektivität) werden (ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23).

29

b) Vorliegend ist es nicht erforderlich, die Voraussetzungen der „vergleichbaren Situation“ bezogen auf Bewerbungsverfahren und Auswahlentscheidungen im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG näher zu benennen. Nach Wortlaut, Eigenart und Ziel dieses Entschädigungsanspruchs werden auch Personen erfasst, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären. Für den Fall, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, wird nicht der Anspruch ausgeschlossen, sondern lediglich die Entschädigungshöhe begrenzt (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Es muss nicht entschieden werden, wie weit oder eng damit die Anforderung einer vergleichbaren Situation im Zusammenhang des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zu verstehen ist. Selbst bei einem auf Erfüllung einzelner Anforderungen der Stellenausschreibung bezogenem Verständnis der Maßgabe der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt diese hier vor. Die Beklagte hat den Kläger in die engere Wahl einbezogen und ihn zu beiden Bewerbungsgesprächsrunden eingeladen. Damit ist sie davon ausgegangen, dass er die in den beiden veröffentlichten Stellenausschreibungen formulierten Anforderungen (jedenfalls iSv. § 82 Satz 3 SGB IX) erfüllt.

30

4. Der Kläger ist nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.

31

a) Nach § 22 Halbs. 1 AGG iVm. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien (Richtlinie 2000/78/EG: Tatsachen) vorträgt, die ihre - hier unmittelbare - Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen(ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 26; gleichbedeutend ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37). Im Hinblick auf diesen Kausalzusammenhang (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 mwN) sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 44).

32

b) Innerhalb der damit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts kommt es nach der Rechtsprechung des Senats auf Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts zum „Bestandteil eines Motivbündels“ an. Die Beweiswürdigung ist nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des Beweismaßes des § 22 AGG vorzunehmen.

33

aa) Für die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund (oder mehrere) ein „Bestandteil eines Motivbündels“ ist (sind), das die Entscheidung beeinflusst hat.

34

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ (ua. Geschlecht, Rasse, Behinderung) - bzw. in der Begrifflichkeit von § 1 AGG „Gründe“ - nicht als Anknüpfungspunkt für eine (benachteiligende) rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende „Grund“ das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25).

35

So darf bei einer Entscheidung über eine Stellenbesetzung kein in § 1 AGG genannter Grund zu Lasten des Bewerbers/der Bewerberin berücksichtigt werden. Eine unzulässige Berücksichtigung wäre bereits dann gegeben, wenn in dem Motivbündel, das die Entscheidung des (potentiellen) Arbeitgebers beeinflusst hat, ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives oder (sein Fehlen) als positives Kriterium enthalten ist(vgl. zu Art. 3 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3 GG bzw. dem früheren § 611a Abs. 1 BGB: BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - zu II 1 a der Gründe, BVerfGK 9, 218; 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 d der Gründe, BVerfGE 89, 276; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31; 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 109, 265; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 37, BGHZ 193, 110).

36

(2) Der von Verfassungs wegen zu beachtende Maßstab zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist auch unionsrechtskonform.

37

(a) Nach den betroffenen Richtlinien des Unionsrechts (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG, 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; vgl. auch Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2006/54/EG) steht es den Mitgliedstaaten frei, abweichend von den jeweiligen Richtlinienvorgaben für die klagende Partei günstigere (Beweislast-)Vorschriften (wozu auch eine günstigere Auslegung von § 22 AGG gehört) einzuführen oder beizubehalten. Zudem ist teilweise eine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus ausdrücklich untersagt (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG). Weiterhin sind die Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten (15. Erwägungsgrund der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG sowie 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37; 21. Juli 2011 - C-104/10 - [Kelly] Rn. 31, Slg. 2011, I-6813).

38

(b) Die Rechtsprechung zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist für die klagende Partei mindestens gleich im Schutzniveau wie die genannten Vorgaben des Unionsrechts. Demgegenüber enthält das Unionsrecht kaum nähere Vorgaben zum „wie“ der vorzunehmenden Gesamtwürdigung. In älterer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wurde für den Kausalzusammenhang auf einen „wesentlichen Grund“ (EuGH 5. Mai 1994 - C-421/92 - [Habermann-Beltermann] Rn. 14, Slg. 1994, I-1657; 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 10 und 17, Slg. 1990, I-3941) abgestellt. Zudem kommt es auf ein „stichhaltiges Indiz“ (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] - Rn. 51) an.

39

bb) Nach dem 15. Erwägungsgrund der hier maßgebenden Richtlinie 2000/78/EG sind bei der Beurteilung von Tatbeständen, die ua. auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten maßgebend. Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I - 6919; vgl. auch EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 42 mwN). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist daher die freie Überzeugung des Tatsachengerichts gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG. Es reicht aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt(vgl. ua. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - Rn. 63; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 19). Dabei haben die Gerichte darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42).

40

c) Besteht eine Benachteiligungsvermutung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Auch dafür gilt § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, allerdings mit dem Beweismaß des sog. Vollbeweises.

41

Die dafür von Verfassungs wegen zu beachtende Rechtsprechung zum „Motivbündel“ (vgl. oben Rn. 34 f.) ist für die klagende Partei nicht ungünstiger als die des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den einschlägigen Richtlinien. Nach Letzterer kann der (potentielle) Arbeitgeber im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung den Anschein einer Diskriminierung grundsätzlich mit einem Bündel übereinstimmender Indizien widerlegen (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 58). Gemäß der Rechtsprechung zum „Motivbündel“ sind Tatsachen und Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als ua. die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (grundlegend zu Art. 3 Abs. 2 GG und dem früheren § 611a Abs. 1 BGB bereits: BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 e der Gründe, BVerfGE 89, 276). In dem Motivbündel des (potentiellen) Arbeitgebers darf der betreffende Grund - hier die Behinderung - weder als negatives noch - die fehlende Behinderung - als positives Kriterium enthalten gewesen sein (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 41; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58).

42

d) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene tatrichterliche Überzeugung ist nur beschränkt revisibel. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sich das Landesarbeitsgericht entsprechend diesem gesetzlichen Gebot mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. ua. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28).

43

e) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Würdigung, dass der Kläger die ihm obliegende erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG nicht erfüllt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.

44

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht nicht bereits allein wegen der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX eine Benachteiligung wegen des in § 1 AGG genannten Grundes der Behinderung vermutet hat.

45

(1) Grundsätzlich kann aus der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG abgeleitet werden (ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 29; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37 ff., BAGE 144, 275; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 45; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 35). Diese Pflichtverletzung ist geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein und sogar möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 47; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 22, BAGE 119, 262).

46

(2) Allerdings sind entgegen der Auffassung des Klägers bei der Klärung der Frage, ob (genügend) Indizien vorliegen, um eine Benachteiligung iSd. AGG vermuten zu lassen, alle und nicht nur einzelne Umstände zu berücksichtigen. Für eine Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX gilt diesbezüglich keine Ausnahme im Sinne eines „Automatismus“. Das schließt nicht aus, dass bei anders gelagerten Gesamtumständen deren Würdigung dazu führen kann, dass allein eine solche Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX zu einem Entschädigungsanspruch iSv. § 15 Abs. 2 AGG führen kann.

47

bb) Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Beweislastregelung des § 22 AGG nicht richtig angewandt, weil es eine „Kompensation“ bzw. „positive Überlagerung“ des Pflichtverstoßes (Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX) angenommen habe. Die erforderliche und vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts darf nicht mit einer - nicht möglichen - nachträglichen „Heilung“ oder „Beseitigung“ eines Verstoßes beispielsweise gegen § 82 Satz 2 SGB IX(vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 53 zu einer „Nacheinladung“ nach bereits zuvor erfolgter Absage) verwechselt werden.

48

cc) Ebenfalls hält die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Auch in der Gesamtbetrachtung aller Umstände - der Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX und des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl - konnte es die erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG als nicht erfüllt ansehen.

49

(1) Das trifft für die Würdigung zu, dass aus der erfolgten Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX in diesem Fall unter Einbeziehung aller Umstände nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden könne, die Beklagte wolle Bewerbungen von arbeitssuchenden (schwer)behinderten Menschen aus dem Wege gehen.

50

(a) Aus dem Text der Stellenanzeigen, der Einladung des nach den selbst eingereichten Bewerbungsunterlagen offensichtlich behinderten Klägers für beide Bewerbungsrunden und der Einbindung der Schwerbehindertenvertretung durfte das Landesarbeitsgericht ohne Weiteres den Schluss ziehen, dass eine Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung nicht ausreichend dargelegt ist.

51

(b) Soweit der Kläger meint, das Landesarbeitsgericht sei unzutreffend von einer „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen ausgegangen, während die Beklagte selbst nur eine Auswahlentscheidung „im Beisein“ der Schwerbehindertenvertretung vorgetragen habe, ergibt sich nichts anderes. Das Landesarbeitsgericht hat zur „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen zwar verschiedene Begriffe benutzt („im Beisein“, „anwesend war“ und „mit einbezogen“), diese jedoch erkennbar gleichbedeutend verstanden und verwendet: Es ging immer um den Gegensatz zu „nicht erst … nachträglich“.

52

(2) Auch das Gespräch zum Umzug in ein Gebäude ohne Fahrstuhl einschließlich des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs mit Nachfragen zu seiner Gehbehinderung zwang nicht zu einer anderen Bewertung.

53

(a) In der Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, ist unter der Voraussetzung unbedenklich, dass damit die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK]; zur mangelnden ausdrücklichen Umsetzung im AGG, zur Einbeziehung in § 8 Abs. 1 AGG und in der unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53) zum Tragen kommt. Eine solche, besonderen Umständen geschuldete Nachfrage im Bewerbungsgespräch bezogen auf eine vom Bewerber selbst angeführte Schwerbehinderung ist nicht zu verwechseln mit der „Frage nach der (Schwer)behinderung“ (dazu BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11 ff., BAGE 141, 1) oder der Anerkennung als Schwerbehinderte(r) (dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 17).

54

(aa) Die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ ist im Zusammenhang der Richtlinie 2000/78/EG auf die Beseitigung der verschiedenen Barrieren gerichtet, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern. Diese Verpflichtung wird dadurch begrenzt, dass keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung des (potentiellen) Arbeitgebers verlangt wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 49 ff., 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 50, Slg. 2006, I-6467; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 50 ff.). Dabei können im Rahmen des AGG auch Verpflichtungen aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX(zu einer Frage im Bewerbungsgespräch bezogen darauf vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275) und zur Gleichstellung und Barrierefreiheit nach dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) von Bedeutung sein.

55

(bb) Bei der Beurteilung einer solchen Nachfrage im Zusammenhang mit einer Behinderung ist sicherzustellen, dass die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (insoweit übertragbar ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 40). Die Frage muss deshalb einen objektiven - und wünschenswerterweise zu Beginn der Nachfrage darzulegenden - Anlass haben. Beispielsweise kann es um die Klärung gehen, ob ergänzende Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit dienen können, um die tatsächliche Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, etwa der Einbau von weiteren Handläufen im Treppenhaus oder die Bereitstellung eines ebenerdigen Arbeitsraums außerhalb der Abteilung. Dabei ist es von der Würdigung der Umstände im Einzelfall abhängig, ob eine Frage im Hinblick auf einen Bedarf an Hilfsmitteln oder baulichen Maßnahmen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellt (vgl. zu einer vergleichbaren Frage im Zusammenhang von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ebenso BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275).

56

(cc) Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht voraus(ua. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 37 mwN). Deshalb kann bereits ein lediglich „unglücklicher“ Gesprächsverlauf einen Anspruch auf Entschädigung begründen.

57

(b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in der Nachfrage zu der Gehbehinderung des Klägers - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - kein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung gesehen hat. Dabei hat das Gericht den gesamten Vortrag des Klägers berücksichtigt und umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt.

58

(aa) Zwar entspricht die vom Landesarbeitsgericht der Beklagten unterstellte „Fragerichtung“ (ob und inwieweit die körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehe) nicht den oben genannten Vorgaben von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK und auch nicht den ähnlich gelagerten Vorgaben von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX. Danach steht „ermöglichen“ im Fokus, nicht „entgegenstehen“. Es ist gleichwohl nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung des gesamten vom Kläger geschilderten Gesprächsverlaufs kein Indiz gesehen hat, das eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vermuten lässt. Es hat dabei besonders bedacht, dass am Schluss des Gesprächs eine abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin erfolgt sein soll, dass der Kläger „trotz seiner Gehbehinderung wohl keinen Aufzug benötige“, um in die im Obergeschoss gelegenen Büroräume zu gelangen. Das Landesarbeitsgericht hat dies dahin gehend gewertet, dass „auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstand“. Diese Bewertung ist vertretbar und somit im Rahmen von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu beanstanden.

59

(bb) Soweit der Kläger meint, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt (vgl. zu den Anforderungen der Darlegung: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 26), weil das Landesarbeitsgericht seinen Sachvortrag zu Nachfragen zu seiner Schwerbehinderung übergangen habe, ist dies unbegründet. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass sich seine Rügen nicht gegen tatbestandliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, sondern gegen den Weg richten, auf dem dieses seine Überzeugung gewonnen hat. Der Kläger übersieht bereits, dass das Landesarbeitsgericht ihm gestellte Fragen des zu seinen Gunsten unterstellten Gesprächsverlaufs nicht übergangen hat. So ist die Frage „was haben Sie genau?“ in der Frage „nach der Art seiner Schwerbehinderung“ enthalten. Auch die Nachfrage, wie er die Stufen „gepackt“ habe, hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich wiedergegeben, nur mit dem Wort „bewältigt“. Tatsächlich setzt der Kläger lediglich seine eigene Würdigung der Situation an die Stelle derer des Landesarbeitsgerichts, ohne Verstöße gegen Erfahrungs- und/oder Denkgesetze oder eine Widersprüchlichkeit der Würdigung darzulegen. Das reicht nicht aus (vgl. auch BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 31; 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01 - zu II 5 der Gründe, BAGE 104, 358).

60

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Winter    

        

    Kiel    

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

    Volz    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25. März 2011 - 9 Sa 678/10 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche, die die Klägerin geltend macht, weil sie sich wegen ihrer ethnischen Herkunft durch die Beklagte benachteiligt sieht.

2

Die 1978 in der Türkei geborene Klägerin lebt seit 1989 in Deutschland und hat eine Ausbildung als Arzthelferin abgeschlossen. Die Beklagte ist eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII), die in elf Bezirksverwaltungen über 1.800 Mitarbeiter beschäftigt, davon in der Bezirksverwaltung M 155. Mit dieser schloss die Klägerin am 25. Januar 2008 einen Arbeitsvertrag über eine auf den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis 31. Dezember 2008 nach § 14 Abs. 2 TzBfG iVm. § 30 Berufsgenossenschafts-Angestelltentarifvertrag(BG-AT) befristete Anstellung. Es wurden eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden und ein Arbeitsentgelt in Höhe von 1.569,00 Euro vereinbart, außerdem sollten die Bestimmungen des BG-AT und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung Gültigkeit haben.

3

Die Klägerin sollte als Sachbearbeiterin Rechnungen von Leistungserbringern unterhalb einer internen Bagatellgrenze bearbeiten, dh. prüfen und Zahlungen veranlassen. Am 23. Oktober 2008 führten Frau H und Frau R als Vorgesetzte der Klägerin mit dieser ein Personalgespräch, in dem es auch um fehlerhafte „Vertitelungen“ und Abrechnungen der Klägerin ging. Am 11. November 2008 wurde die Verlängerung der befristeten Beschäftigung vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2010 vereinbart.

4

Im März 2009 wurde das Arbeitsverhältnis der kurz nach der Klägerin eingestellten, zunächst ebenfalls befristet beschäftigten Frau B entfristet. Mit Aushang vom 11. September 2009 schrieb die Beklagte in M eine Fortbildung für eine Tätigkeit in der Unfallbearbeitung aus, die sich „an festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ richtete. Diese Ausschreibung erhielt auch die zunächst ebenfalls befristet eingestellte Frau F, deren Arbeitsverhältnis zuvor entfristet worden war. Vom 18. Februar 2008 bis 6. Februar 2009 beschäftigte die Beklagte in der Bezirksverwaltung M eine Praktikantin türkischer Herkunft. Andere Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft wurden während der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Klägerin in M nicht beschäftigt. In den anderen zehn Bezirksverwaltungen beschäftigt die Beklagte Mitarbeiter aus 13 verschiedenen Nationen.

5

Am 11. September 2009 teilte der Leiter der Bezirksverwaltung M der Klägerin mit, dass eine Verlängerung oder Entfristung des Arbeitsverhältnisses nicht erfolgen werde. Die Einzelheiten dieses Gesprächs sind streitig. Mit Anwaltsschreiben vom 5. November 2009 ließ die Klägerin Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem AGG bei der Beklagten geltend machen. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

        

„Dabei fällt auf, dass meine Mandantin während ihrer nun bald zweijährigen Beschäftigung in der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft M bisher noch keine Beschäftigten aus dem islamischen Kulturkreis oder ausländischer Herkunft angetroffen hat. Eine solche Zusammensetzung der Belegschaft ist für eine Verwaltungseinrichtung dieser Größenordnung durchaus bemerkenswert. Bereits diese evidente Abweichung des Anteils der Beschäftigten nichtdeutscher Herkunft von statistischen Durchschnittszahlen legt gemäß § 22 AGG die Vermutung nahe, dass bei der Personalentscheidung auch die ethnische Herkunft meiner Mandantin eine Rolle gespielt hat.“

6

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Januar 2010 teilte die Beklagte daraufhin mit:

        

„... Unsere Mandantschaft hat sich dazu entschlossen, das Arbeitsverhältnis Ihrer Mandantin nach dem Ablauf der zeitlichen Befristung am 31. Januar 2010 nicht weiter fortzusetzen. Hierzu bedarf es keiner Begründung. ...“

7

Sie wies im Weiteren eine Benachteiligung der Klägerin wegen ihrer „ethnischen Herkunft“ zurück.

8

Das der Klägerin von der Beklagten unter dem 31. Januar 2010 erteilte Zeugnis enthält als Leistungsbeurteilung:

        

„Frau Bü erledigte die ihr übertragenen Aufgaben selbständig, sicher, termingerecht und zu unserer vollsten Zufriedenheit.“

9

Vom 1. Februar 2010 bis 16. Mai 2010 war die Klägerin arbeitslos gemeldet und erhielt Arbeitslosengeld in Höhe von 3.213,92 Euro. Seit dem 17. Mai 2010 steht sie in einem neuen Arbeitsverhältnis.

10

Die vorliegende Klage reichte die Klägerin am 2. Februar 2010 beim Arbeitsgericht M ein, sie wurde der Beklagten am 8. Februar 2010 zugestellt. Die Klägerin sieht sich bei der Entscheidung, das Arbeitsverhältnis mit ihr nicht fortzusetzen, von der Beklagten wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt. Dafür spreche, dass sie in der Bezirksverwaltung M die einzige nichtdeutsche Arbeitnehmerin gewesen sei, während in anderen Bezirksverwaltungen der Beklagten auch Arbeitnehmer anderer Nationen beschäftigt würden. Es sei wenig wahrscheinlich, dass in allen anderen Bezirken, nur nicht in M, zahlreiche ausländische Bewerber zur Verfügung stünden.

11

Die Klägerin behauptet, während des Gesprächs am 11. September 2009 habe ihr der Leiter der Bezirksverwaltung M erklärt, Grund für die Nichtfortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei die Fusion mit einer anderen Berufsgenossenschaft und zurückgehende Fallzahlen. Ebenso sei ihr gesagt worden, sie könne sich auf die ausgeschriebene Fortbildungsstelle nicht bewerben. Das Arbeitsverhältnis der Angestellten F sei entfristet worden, um deren Bewerbung zu ermöglichen. Ihr, der Klägerin, sei damit verschwiegen worden, dass tatsächlich auch befristet eingestellte Mitarbeiter eine Chance gehabt hätten. Ebenso sei es für deutsche Beschäftigte einfacher, ihren Beschäftigungsstatus in der Bezirksverwaltung M zu verfestigen, was die Entfristung des Arbeitsverhältnisses von Frau B indiziere. Schließlich seien die Angaben und das Verhalten der Beklagten widersprüchlich, was die Gründe für die Nichtverlängerung angehe. Zunächst habe der Leiter der Bezirksverwaltung auf eine Fusion verwiesen. Dann habe die Beklagte eine Begründung abgelehnt und nunmehr mache sie angebliche Fehler und Leistungsmängel der Klägerin geltend. Dies indiziere, dass über den wahren, jedoch verbotenen Grund für die Nichtverlängerung, eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft, nicht gesprochen werden solle.

12

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine angemessene Entschädigung zu bezahlen. Die Entschädigung ist ab Klageerhebung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber mindestens 5.000,00 Euro betragen;

        

2.    

die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie als Schadensersatz zu bezahlen: 5.491,50 Euro brutto abzüglich des von der Klägerin in dem Zeitraum 1. Februar 2010 bis 16. Mai 2010 bezogenen Arbeitslosengelds in Höhe von 3.213,92 Euro netto.

13

Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags hat die Beklagte in Abrede gestellt, bei ihren Personalentscheidungen spiele die ethnische Herkunft eine Rolle. Sie beschäftige Mitarbeiter aus einer Vielzahl von Nationen, derzeit in M eine polnische Mitarbeiterin und einen amerikanischen Mitarbeiter. Mit der Arbeitsleistung der Mitarbeiterinnen F und B sei man zufrieden gewesen, weswegen deren Arbeitsverhältnisse entfristet worden seien. Das Gegenteil treffe im Falle der Klägerin zu. So habe ihr der Leiter der Bezirksverwaltung M am 11. September 2009 mitteilen müssen, dass mangels fachlicher Qualifikation eine Bewerbung auf die Fortbildungsstelle nicht aussichtsreich sei.

14

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts M teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz in verlangter Höhe sowie zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 2.500,00 Euro verurteilt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, mit der hilfsweise eingelegten Anschlussrevision will die Klägerin die Verurteilung zu einer höheren Entschädigung erreichen.

Entscheidungsgründe

15

Sowohl die Revision der Beklagten als auch die Anschlussrevision der Klägerin sind begründet. Das Berufungsgericht hat nicht rechtsfehlerfrei einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG bejaht, im Weiteren aber eine höhere Entschädigung als 2.500,00 Euro für die Klägerin abgelehnt. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, welches das Parteivorbringen innerhalb seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraumes erneut zu würdigen haben wird (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Klägerin sei in einer vergleichbaren Situation weniger günstig als die Mitarbeiterinnen B und F behandelt worden. Diese unmittelbare Benachteiligung sei wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin erfolgt. Indiz dafür sei es, dass die Beklagte in M keine Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft, ansonsten aber Arbeitnehmer aus 13 Nationen beschäftige. Da in der örtlichen Untergliederung M die wesentlichen Entscheidungen getroffen worden seien, die zu einer ungünstigeren Behandlung führten, könne auf einen Vergleich mit anderen Bezirksverwaltungen abgestellt werden. Weiteres Indiz sei, dass die Beklagte den Auskunftsanspruch der Klägerin nicht erfüllt habe. Im Zeitpunkt des Auskunftsverlangens habe das Arbeitsverhältnis noch bestanden. Im Rahmen dieser bestehenden Rechtsbeziehung sei ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zu bejahen, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise im Ungewissen sei und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben könne. Auch nach eigenem Vorbringen der Beklagten habe der Leiter der Bezirksverwaltung am 11. September 2009 das berechtigte Auskunftsverlangen der Klägerin nicht erfüllt, da es der Beklagten möglich und zumutbar gewesen sei, andere Gründe als die ethnische Herkunft für die Benachteiligung der Klägerin darzulegen. Die behaupteten Leistungsmängel habe die Beklagte zum einen nicht substanziiert, zum anderen stünde diese Begründung im Widerspruch zum Inhalt des Arbeitszeugnisses. In der Gesamtschau müsse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf geschlossen werden, dass die ethnische Herkunft wenigstens als Teil des Motivbündels mitursächlich für die ungünstigere Behandlung gewesen sei. Bei der Höhe der der Klägerin zuzusprechenden Entschädigung sei zu berücksichtigen, dass sie verhältnismäßig schnell eine neue Beschäftigung habe aufnehmen können und Anhaltspunkte für eine zielgerichtete Diskriminierung fehlten. Daher seien 2.500,00 Euro erforderlich, aber auch ausreichend.

17

B. Die Klage auf Zahlung einer Entschädigung, deren Höhe die Klägerin in das Ermessen des Gerichts gestellt hat, ist zulässig, aber nicht zur Entscheidung reif.

18

I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 Euro mit einer Begründung zugesprochen, die einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standhält.

19

1. Der persönliche Anwendungsbereich des am 18. August 2006 in Kraft getretenen AGG ist eröffnet. Die Klägerin stand bis zum 31. Januar 2010 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten und ist als Arbeitnehmerin Beschäftigte iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG. Die Beklagte ist als Arbeitgeberin nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG passivlegitimiert.

20

2. Die Klägerin hat sowohl die Entschädigungs- wie die Schadensersatzansprüche innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und Klage binnen der in § 61b ArbGG bestimmten Frist erhoben.

21

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt, § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG. Nach Mitteilung der Personalentscheidung am 11. September 2009 hat die Klägerin fristwahrend mit Schreiben ihres Anwalts vom 5. November 2009 Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche geltend gemacht. Da die Beklagte keine Anhaltspunkte vorgebracht hat, die auf einen späteren Zugang dieses Schreibens hindeuten, als er nach dem gewöhnlichen Postlauf anzunehmen ist (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 22, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 18. August 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 25, AP TzBfG § 8 Nr. 28 = EzA TzBfG § 8 Nr. 24), ist von einem Zugang dieses Schreibens vor dem 12. November 2009 auszugehen. Nicht erforderlich war, dass die Klägerin die Entschädigungsforderung bezifferte (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 23, AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 43, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19).

22

b) Die am 2. Februar 2010 beim Arbeitsgericht M eingegangene Klage, die der Beklagten am 8. Februar 2010 zugestellt wurde, wahrte die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG. Nach § 61b Abs. 1 ArbGG muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Für die Fristwahrung genügte vorliegend der rechtzeitige Eingang der Klage beim Arbeitsgericht (§ 167 ZPO), weil deren Zustellung demnächst erfolgte (vgl. BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 23, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6, zu § 611a BGB aF; GMP/Germelmann 7. Aufl. § 61b Rn. 6; DFL/Heider 4. Aufl. § 61b ArbGG Rn. 3; Helml in Hauck/Helml/Biebl ArbGG 4. Aufl. § 61b Rn. 7; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 130; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 122).

23

3. Soweit gesetzlich nicht anders geregelt, gelten für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die gleichen Voraussetzungen wie für den Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG. Dies ergibt sich schon aus dem systematischen Zusammenhang (vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 14, BVerwGE 139, 135; BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 25, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28 mwN, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Daher ist Anspruchsvoraussetzung ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG. Die Klage wird auf eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft der Klägerin gestützt, also auf die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes.

24

a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zunächst davon ausgegangen, dass in der Verweigerung der Fortsetzung, dh. in der Weigerung zum Abschluss eines an die auslaufende Befristung anschließenden Arbeitsverhältnisses, eine unmittelbare Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 3 Abs. 1 AGG liegt.

25

aa) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sich nachteilig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss(vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 50, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; 18. März 2010 - 8 AZR 77/09 - Rn. 19, AP AGG § 8 Nr. 2 = EzA AGG § 8 Nr. 2). Die benachteiligende Regelung oder Maßnahme wird hierbei unmittelbar mit einem in § 1 AGG genannten Merkmal begründet(vgl. BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 33, AP AGG § 3 Nr. 8 = EzA AGG § 3 Nr. 5; EuGH 4. Oktober 2001 - C-438/99 - [Jiménez Melgar] Slg. 2001, I-6915 = AP EWG-Richtlinie Nr. 92/85 Nr. 3 = EzA BGB § 611a Nr. 17, zur Nichterneuerung eines befristeten Vertrags bei einer schwangeren Arbeitnehmerin). Unerheblich ist, ob die Anknüpfung verdeckt oder offen erfolgt (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - aaO). Auch kann die Benachteiligung statt in einem aktiven Tun auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 9; HK-ArbR/Bufalica 2. Aufl. § 3 AGG Rn. 5), wobei eine Benachteiligung durch Unterlassen nicht voraussetzt, dass eine Handlungspflicht besteht (vgl. Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert 2. Aufl. § 3 Rn. 28). Ein Benachteiligung durch Unterlassen kommt in Betracht, wenn ein Arbeitgeber ein befristetes Arbeitsverhältnis wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes nicht verlängert(vgl. EuGH 4. Oktober 2001 - C-438/99 - [Jiménez Melgar] Rn. 47, aaO; KR-Treber 9. Aufl. § 3 AGG Rn. 6).

26

bb) Die Klägerin ist ungünstiger behandelt worden als ihre Kolleginnen Frau B und Frau F, deren Arbeitsverhältnisse jeweils entfristet worden sind. Nach dem anzulegenden objektiven Maßstab (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 20, EzA AGG § 3 Nr. 7; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 52, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 8) liegt hierin eine im Verhältnis zur Klägerin günstigere Behandlung. Die Beklagte hat mit den Kolleginnen der Klägerin neue, unbefristete Arbeitsverträge geschlossen und diese nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts besser gestellt als die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Januar 2010 endete. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG genügt es, dass die Kolleginnen zeitlich früher günstiger behandelt wurden(„erfahren hat“).

27

cc) Die Situation der ungünstiger behandelten Klägerin war mit der ihrer Kolleginnen B und F vergleichbar.

28

Ausdrückliche Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht zwar hierzu nicht getroffen. Unstreitig wurden aber die Kolleginnen B und F wie die Klägerin als Sachbearbeiterinnen bei der Beklagten beschäftigt. Alle drei Arbeitnehmerinnen waren ohne Sachgrund befristet eingestellt worden. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass zwischen der Tätigkeit oder den Vertragsbedingungen der Klägerin und ihren Kolleginnen B und F wesentliche Unterschiede bestanden. Alle verrichteten zumindest gleichartige Tätigkeiten unter im Wesentlichen denselben Arbeitsvertragsbedingungen.

29

b) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Benachteiligung der Klägerin sei wegen ihrer ethnischen Herkunft erfolgt, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

30

aa) Der Begriff der ethnischen Herkunft wird weder in Art. 19 AEUV, im AGG noch in der zugrunde liegenden Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft definiert.

31

Ausweislich der Begründung des AGG-Gesetzesentwurfs ist das Merkmal der ethnischen Herkunft - wie auch das der Rasse - in einem umfassenden Sinn zu verstehen, denn es soll einen möglichst lückenlosen Schutz vor ethnisch motivierten Benachteiligungen gewährleisten. Es ist unionsrechtlich auszulegen und umfasst auch Kriterien, wie sie das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) vom 7. März 1966 nennt, nämlich Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nationaler Ursprung oder Volkstum (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 31). Unter einer ethnischen Gruppierung können Bevölkerungsteile verstanden werden, die durch gemeinsame Herkunft, eine lange gemeinsame Geschichte, Kultur oder Zusammengehörigkeitsgefühl verbunden sind (vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; MüKo-BGB/Thüsing 6. Aufl. § 1 AGG Rn. 55; KR-Treber 9. Aufl. § 1 AGG Rn. 28; DFL/Kappenhagen/Kramer 4. Aufl. § 1 AGG Rn. 4; Däubler/Bertzbach-Däubler 2. Aufl. § 1 Rn. 28). Nicht dem Begriff der ethnischen Herkunft zuzurechnen ist die Staatsangehörigkeit. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG bestimmt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Staatsangehörigkeit nicht von der Richtlinie betroffen wird. Allerdings liegt bei einer scheinbar allein auf die Staatsangehörigkeit bezogenen Differenzierung eine Benachteiligung wegen der Ethnie vor, wenn tatsächlich die Zugehörigkeit zur Volks- und Kulturgemeinschaft für die Zurückstellung tragend ist (vgl. Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 1 Rn. 44; Däubler/Bertzbach aaO Rn. 34; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 1 Rn. 14; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 8; AnwK-ArbR/von Steinau-Steinrück/Schneider 2. Aufl. Bd. 1 § 1 AGG Rn. 8: mittelbare Benachteiligung). Gleichgültig ist, ob die ethnische Unterscheidung positiv oder negativ definiert ist. Erfasst werden sowohl Fälle, in denen die Benachteiligung eine bestimmte Herkunft betrifft, als auch solche, in denen die Benachteiligung allein daran anknüpft, dass der Betroffene nichtdeutscher Herkunft ist (vgl. KR-Treber 9. Aufl. § 1 AGG Rn. 29). Angehörige eines fremden Volkes oder einer fremden Kultur sind vom Merkmal der ethnischen Herkunft erfasst, auch wenn diese Gruppe der in Deutschland lebenden Ausländer nicht durch gemeinsame einheitliche Merkmale geprägt ist (vgl. Däubler/Bertzbach-Däubler 2. Aufl. § 1 Rn. 38, 44; Palandt/Ellenberger 71. Aufl. § 1 AGG Rn. 2; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 1 Rn. 15; Falke in Rust/Falke AGG § 1 Rn. 20).

32

bb) Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und dem Merkmal nach § 1 AGG ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Merkmal anknüpft oder durch sie motiviert ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32 zu § 3 Abs. 1 AGG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 28, EzA AGG § 22 Nr. 3 zum Merkmal Behinderung; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 54, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10 zum Merkmal Alter; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 7 Rn. 14; Schleusener/Suckow/Voigt AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 12; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 7 AGG Rn. 4). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

33

cc) Hinsichtlich der Kausalität zwischen Nachteil und dem verpönten Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt. Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Wörter „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, EzA AGG § 22 Nr. 3; 20. Mai 2010 - 8 AZR 287/08 (A) - Rn. 16, AP AGG § 22 Nr. 1 = EzA AGG § 22 Nr. 1). Solche Vermutungstatsachen können bspw. in Äußerungen bzw. Fragen des Arbeitgebers (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 25, AP AGG § 7 Nr. 2 = EzA AGG § 15 Nr. 6), in Verstößen gegen Verfahrensvorschriften, die der Förderung eines bestimmten Personenkreises dienen (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 35, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21), in sonstigen Verfahrenshandlungen, wie einer Stellenausschreibung unter Verstoß gegen § 11 AGG(vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 59, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10), im Einzelfall auch in statistischen Daten (vgl. BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 68, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2) begründet sein. Werden vom Arbeitnehmer Hilfstatsachen vorgetragen, die für sich genommen nicht zur Begründung der Vermutungswirkung ausreichen, ist vom Tatrichter eine Gesamtbetrachtung dahin gehend vorzunehmen, ob die Hilfstatsachen im Zusammenhang gesehen geeignet sind, die Vermutungswirkung zu begründen (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 25, AP AGG § 3 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 41, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

34

dd) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen oder unstreitigen Tatsachen eine Benachteiligung wegen des in Rede stehenden Merkmals nach § 1 AGG vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verbotenen Merkmal und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, EzA AGG § 15 Nr. 16; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 30, EzA AGG § 22 Nr. 3; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 56, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 34, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21; 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 41, BAGE 127, 367 = AP SGB IX § 81 Nr. 15 = EzA SGB IX § 81 Nr. 17).

35

c) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht stand, das angenommen hat, bereits die Tatsache, dass die Beklagte in der Bezirksverwaltung M keine Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft beschäftige, während ansonsten Arbeitnehmer aus 13 Nationen bei ihr beschäftigt seien, stelle ein Indiz für die Mitursächlichkeit der ethnischen Herkunft der Klägerin bei ihrer Benachteiligung dar.

36

aa) An sich können sich aus Quoten oder Statistiken Indizien für eine Diskriminierung ergeben. Statistiken sind als mögliche Hilfstatsachen im Erwägungsgrund Nr. 15 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft erwähnt. Auch der deutsche Gesetzgeber (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 47) und der Senat (BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 29, AP AGG § 3 Nr. 6 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 7) haben dies bejaht. Eine Vermutung für ein regelhaft die Merkmalsträgergruppe benachteiligendes Verhalten kann sich aus statistischen Daten aber nur dann ergeben, wenn sie sich konkret auf den betreffenden Arbeitgeber beziehen und aussagekräftig sind, was sein Verhalten gegenüber der Merkmalsträgergruppe anbelangt (vgl. EuGH 27. Oktober 1993 - C-127/92 - [Enderby] Slg. 1993, I-5535 = AP EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 50 = EzA EWG-Vertrag Art. 119 Nr. 20). Soweit dabei von in der Vergangenheit erfolgten Diskriminierungen auf die Gegenwart geschlossen wird, spricht dies nicht gegen die Berücksichtigung von Statistiken, weil ein regelhaft geübtes Verhalten gerade nur durch die Betrachtung der Vergangenheit ausgemacht werden kann (BAG 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 68, AP AGG § 22 Nr. 2 = EzA AGG § 22 Nr. 2).

37

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht auf die Bezirksverwaltung M abgestellt. Den Arbeitsvertrag der Klägerin vom 25. Januar 2008 hat der Leiter der Bezirksverwaltung M wie den Änderungsvertrag vom 11. November 2008 unterschrieben. Das trägt den Schluss des Berufungsgerichts, dass die Personalentscheidungen in M getroffen wurden, womit grundsätzlich auf diese Bezirksverwaltung als Bezugsgröße abgestellt werden kann.

38

cc) In der Bezirksverwaltung M wurden zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft beschäftigt, während in den übrigen Bezirksverwaltungen Arbeitnehmer unterschiedlicher Herkunft aus ingesamt 13 Nationen beschäftigt wurden. Das Berufungsgericht hat daraus geschlossen, nichtdeutsche Arbeitnehmer würden in der Bezirksverwaltung M benachteiligt, Arbeitnehmer deutscher Herkunft bevorzugt. Dadurch hat es nicht vernünftigerweise alle in Betracht kommenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze berücksichtigt.

39

Die bloße Unterrepräsentation einer Gruppe ist nicht zwingend ein Indiz für eine diskriminierende Personalpolitik. Dies gilt insbesondere für Beschäftigungsquoten von Arbeitnehmern unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Die Unter- oder Überrepräsentation von Arbeitnehmern einer Ethnie kann statt auf einem diskriminierenden Verhalten des Arbeitgebers etwa auch auf einer individuellen Präferenz der Gruppenmitglieder für eine bestimmte Branche beruhen (vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 22 AGG Rn. 15; Bayreuther NJW 2009, 806; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 22 Rn. 11). Dass Ethnien in einer Belegschaft unterschiedlich repräsentiert werden, kann einerseits von den im Betrieb anfallenden Tätigkeiten und der damit zusammenhängenden Qualifikation, andererseits von der Bewerberlage abhängen (Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 22 Rn. 25; Peick Darlegungs- und Beweislast nach § 22 AGG S. 240 f.). Die Verteilung der Ethnien ist in Deutschland nicht gleich, es gibt bereits größere Unterschiede zwischen urbanen und ländlichen Gebieten sowie zwischen den einzelnen Regionen und Bundesländern. Einen Erfahrungssatz, wonach bestimmte Bevölkerungsgruppen bei Bewerbungen stets gleichmäßig vertreten sind und Belegschaften dementsprechend zusammengesetzt sein müssen, gibt es nicht (Grobys NZA 2006, 898, 902). Soweit eine einseitige Belegschaftsstruktur als Indiz für eine Benachteiligung angeführt wird, muss in jedem Einzelfall je nach dem Merkmal und nach dem Verhältnis der absoluten und relativen Zahlen geprüft werden, ob eine Indizwirkung besteht (Wörl Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 161).

40

Ebenso ist der Umstand, dass die Beklagte in den elf Bezirksverwaltungen Arbeitnehmer aus 13 Nationen beschäftigt, nicht aussagekräftig. Aus ihm kann nicht einmal auf einen „üblichen Anteil“ von Arbeitnehmern nichtdeutscher Herkunft geschlossen werden. Die Beschäftigungsquote ausländischer Arbeitnehmer bei der Beklagten insgesamt bleibt ebenso unklar wie der Anteil solcher Arbeitnehmer je einzelner Bezirksverwaltung. Bei diesen müsste ein auffallend hoher oder niedriger Anteil an Arbeitnehmern nichtdeutscher Herkunft zudem in Beziehung zur jeweiligen Bewerberlage und zu dem regionalen Arbeitsmarkt gesetzt werden. Weder aus den von der Klägerin vorgetragenen Umständen noch aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergibt sich eine „übliche Quote“ von nichtdeutschen Mitarbeitern bei der Beklagten oder in ihren Bezirksverwaltungen oder je einzelner Bezirksverwaltung oder in der Bezirksverwaltung M.

41

dd) Hinzu kommt, dass die Klage darauf gestützt wird, in M stehe die ethnische Herkunft einer Verfestigung des Beschäftigtenstatus entgegen. Im Hinblick auf ihre eigene und die Beschäftigung der türkischen Praktikantin macht die Klägerin nicht geltend, nichtdeutschen Arbeitnehmern werde eine Beschäftigung bei der Beklagten in M generell verwehrt, sondern diesen werde eine unbefristete Beschäftigung versagt. Das Kriterium „Arbeitnehmer aus 13 verschiedenen Nationen“ trifft keine Aussage, ob diese befristet oder unbefristet beschäftigt werden. Es bleibt schon unklar, wie hoch der Anteil (sachgrundlos) befristet beschäftigter Arbeitnehmer in den einzelnen Bezirksverwaltungen ist, mit welchem Anteil deutsche bzw. nichtdeutsche Arbeitnehmer hierunter fallen und mit welchem Anteil solche Arbeitsverhältnisse ggf. entfristet werden. Eine regelhafte Entfristung bzw. unbefristete Beschäftigung von vergleichbaren nichtdeutschen Arbeitnehmern in anderen Bezirksverwaltungen ergibt sich nicht.

42

4. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

43

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe einen der Klägerin zustehenden Anspruch auf Auskunft über die Gründe für die Nichtübernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nicht erfüllt. Diese Tatsachenwürdigung lässt sich weder aus dem unstreitigen Sachverhalt, noch aus dem Akteninhalt und schließlich nicht aus dem eigenen, jedoch bestrittenen Vorbringen der Klägerin ableiten.

44

aa) Auf das Auskunftsverlangen des Anwalts der Klägerin vom 5. November 2009 hat die Beklagte nicht jegliche Auskunft verweigert, sondern mit Schreiben vom 13. Januar 2010 Stellung genommen. Darin hat sie zwar den Standpunkt eingenommen, ihre Entscheidung zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nicht begründen zu müssen. Sie ist aber im Weiteren auf den Vorhalt der Klägerin, sie sei wegen ihrer nichtdeutschen Herkunft vermutlich benachteiligt worden - und um die Erläuterung dieses Vorhalts hatte die Klägerin gebeten - eingegangen, hat abgestritten, dass die ethnische oder religiöse Herkunft eine Rolle gespielt habe und darauf verweisen lassen, dass bei der Beklagten „derzeit zahlreiche ausländische Arbeitnehmer aus etwa 13 Nationen tätig“ sind. Die Klägerin hatte einen konkreten Vorwurf erhoben und um Prüfung und Erläuterung gebeten. Damit hat sich die Beklagte - wenn auch knapp - auseinandergesetzt.

45

bb) Die Beklagte hat weiter - nach ihrem Vorbringen bereits durch den Leiter der Bezirksverwaltung M am 11. September 2009 - jedenfalls aber im Prozess Leistungsmängel bei der von der Klägerin erbrachten Arbeit als Grund dafür angegeben, dass sie das Arbeitsverhältnis nicht weiter fortgesetzt habe. Auch insoweit hat die Beklagte Auskunft erteilt oder behauptet, dies zumindest schon vorprozessual getan zu haben.

46

cc) Schließlich ist nach ihrer eigenen Behauptung der Klägerin am 11. September 2009 vom Leiter der Bezirksverwaltung erklärt worden, die Nichtverlängerung sei auf eine Fusion und einem daraus resultierenden verminderten Arbeitsanfall zurückzuführen. Dies hat die Beklagte zwar bestritten, den Vortrag als wahr unterstellt, kann aber nicht ohne Rechtsfehler angenommen werden, die Beklagte sei einem Auskunftsverlangen nicht nachgekommen.

47

b) Bei der Entscheidung des Rechtsstreits wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob sich aus der Art der von der Beklagten gemachten Angaben, ihrer inhaltlichen Richtigkeit sowie in der Zusammenschau mit dem übrigen Verhalten der Bezirksverwaltung Indizien für eine ethnische Benachteiligung der Klägerin ergeben. Dabei wird das Landesarbeitsgericht folgende rechtliche Erwägungen zu berücksichtigen haben:

48

aa) Die beiden Stufen der Darlegungs- und Beweislast aus § 22 AGG sind zu trennen. Zunächst hat der Arbeitnehmer die Verantwortung, das Gericht von Indizien, also von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung zu überzeugen. Die Glaubhaftmachung durch den Arbeitnehmer lässt die Beweisverteilung unberührt, sie senkt nur das Beweismaß (BAG 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 109, 265 = AP BGB § 611a Nr. 23 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 3). Es kann daher grundsätzlich kein „Indiz“ sein, wenn die Beklagte die Gründe ihrer Rechtsverteidigung nicht hinreichend substanziiert dargelegt hat. Erst auf der zweiten Stufe, also nachdem die klägerseits vorgetragenen Tatsachen eine Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Erst dann, wenn diese Stufe erreicht ist, muss er Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe als die ethnische Herkunft waren, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 61, AP AGG § 15 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 10 für das Merkmal Alter; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 49, EzA AGG § 15 Nr. 16; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45, AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21 für das Merkmal Behinderung).

49

bb) Dagegen kann es ein Indiz darstellen, wenn ein Arbeitgeber bei der Auskunftserteilung Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen. Das Landesarbeitsgericht wird zu würdigen haben, dass sich die Klägerin insoweit auf das ihr erteilte Arbeitszeugnis und seinen Inhalt vom 31. Januar 2010 berufen hat. Weiter hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass schon am 23. Oktober 2008, also vor der Verlängerung des ersten Arbeitsvertrags, Arbeitsfehler der Klägerin Gegenstand eines Personalgesprächs waren. Das Landesarbeitsgericht wird also insoweit zu prüfen haben, ob (im Sinne der ersten Stufe der Darlegungslast des § 22 AGG) eine erteilte, aber widersprüchliche oder unzulässige Auskunft gegeben wurde, zunächst jedoch nicht, ob die Begründung des Arbeitgebers für die benachteiligende Maßnahme inhaltlich zutrifft oder nicht.

50

cc) Indizwirkung können auch gegebene, aber wechselnde Begründungen des Arbeitgebers für eine getroffene benachteiligende Maßnahme haben. In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht das Vorbringen der Klägerin zu prüfen haben, zunächst sei ihr ein betriebsbedingter Grund („Fusion“) für die Nichtverlängerung vom Leiter der Bezirksverwaltung M genannt worden, wobei dies später oder im Prozess von der Beklagten nicht wiederholt worden ist. Ein nicht erläutertes Auswechseln von Begründungen für ein Verhalten lässt nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss zu, dass die zunächst gegebene Begründung unzutreffend war. Stellte sich dann die neue Begründung als unzulässige, jedenfalls aber als im Widerspruch zum bisherigen eigenen Verhalten stehende Argumentation dar, so verstößt es nicht gegen Denkgesetze anzunehmen, dass über die wahren Gründe nicht gesprochen werden soll. Das indiziert, dass die eigentlichen Gründe unerlaubt waren und genügt daher im Sinne der Darlegungslast der Klägerin nach § 22 AGG.

51

dd) Da die Beklagte Auskunft erteilt hat, kann es der Senat vorliegend dahinstehen lassen, ob dem ein Auskunftsanspruch der Klägerin zugrunde lag. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bei einer - wie im Fall der Klägerin - sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG der Arbeitgeber ohne Bindung an sachliche Gründe entscheiden kann, ob er den befristet beschäftigten Arbeitnehmer nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit weiterbeschäftigt; an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist er nicht gebunden (BAG 13. August 2008 - 7 AZR 513/07 - Rn. 23, BAGE 127, 239 = AP TzBfG § 14 Nr. 75 = EzA TzBfG § 14 Nr. 52; APS/Backhaus 4. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 112; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 15 TzBfG Rn. 7; Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 765). Auch aus § 30 Abs. 3 BG-AT, der dem Wortlaut von § 30 Abs. 3 TVöD entspricht, folgt kein Auskunftsanspruch zum Ende der Beschäftigung nach Ablauf der Höchstbefristungsdauer. Nach § 30 Abs. 3 Satz 1 BG-AT soll zwar ein befristeter Arbeitsvertrag ohne sachlichen Grund in der Regel zwölf Monate nicht unterschreiten, die Vertragsdauer muss mind. sechs Monate betragen. § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT sieht dagegen nur vor, dass der Arbeitgeber vor Ablauf des Arbeitsvertrags zu prüfen hat, ob eine unbefristete oder befristete Weiterbeschäftigung möglich ist. Damit statuiert § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT allein eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu prüfen, ob eine weitere Beschäftigung - unbefristet oder befristet - möglich ist. Eine weitergehende Verpflichtung sieht § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT nicht vor, insbesondere nicht, das Ergebnis der Prüfung dem Arbeitnehmer mitzuteilen. Erst recht kann § 30 Abs. 3 Satz 2 BG-AT keine materiellrechtliche Verpflichtung entnommen werden, dem Arbeitnehmer die Gründe für ein negatives Prüfungsergebnis mitzuteilen.

52

5. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, da das Landesarbeitsgericht nicht sämtliche von der Klägerin vorgebrachten Tatsachen gewürdigt hat und der Senat nach § 286 ZPO nicht seine Würdigung an die Stelle der Würdigung des Tatsachengerichts setzen darf.

53

II. Die Revision der Beklagten ist auch begründet, soweit sie sich gegen eine Verurteilung zur Zahlung eines Schadensersatzes wendet. Der von der Klägerin begehrte materielle Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1, §§ 7, 1 AGG iVm. §§ 249, 252 BGB kann mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht bejaht werden. Die bisherige Würdigung des Landesarbeitsgerichts (§ 22 AGG iVm. § 286 ZPO), die Klägerin sei wegen ihrer ethnischen Herkunft ungünstiger behandelt worden, hält, wie dargelegt, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

54

III. Die Anschlussrevision ist gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie konnte auch bedingt für den Fall erhoben werden, dass auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufgehoben wird. Eine unter dieser Bedingung eingelegte Anschlussrevision ist statthaft (vgl. Musielak/Ball ZPO 9. Aufl. § 554 Rn. 8). Es genügt, dass diese sich gegen dasselbe Urteil richtet, welches durch das Hauptrechtsmittel angefochten ist (vgl. BGH 29. Januar 2003 - IV ZR 257/01 - Rn. 18, NJW-RR 2003, 598; 21. Februar 1992 - V ZR 273/90 - Rn. 18, NJW 1992, 1897).

55

Die Anschließung der Klägerin ist am 16. August 2011 (Bl. 218 SenA), also innerhalb eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründungsschrift am 22. Juli 2011 (Bl. 217 SenA), erfolgt (§ 72 Abs. 5 ArbGG, § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Sie ist zugleich begründet worden (§ 554 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

56

1. Ob die Hilfsanschlussrevision der Klägerin begründet ist, kann vom Senat nicht entschieden werden; die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob die zulässige Berufung der Klägerin ganz oder teilweise begründet ist, kann der Senat nicht entscheiden. Bereits die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Ob der Klägerin überhaupt Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zustehen, kann nicht abschließend beurteilt werden.

57

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Klägerin eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zusteht, wird es über die Höhe der Entschädigung neu zu befinden haben. Die Rechtsprechung des EuGH verlangt, dass die Sanktion in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss (vgl. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 27, 32, Slg. 1997, I-2195 = AP BGB § 611a Nr. 13 = EzA BGB § 611a Nr. 12; 2. August 1993 - C-271/91 - [Marshall] Slg. 1993, I-4367; BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82, BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Höhe der Entschädigung muss geeignet sein, den Arbeitgeber zukünftig zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten (spezialpräventive Funktion) und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten (generalpräventive Funktion). Kommt dem Schadensersatz ein Sanktionszweck zu, so ist dieser aber durch den Schadensausgleichsgesichtspunkt begrenzt (vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 14; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 73; Meinel/Heyn/Herms AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 62 f.; Stoffels RdA 2009, 204, 205 f.). Entscheidend ist, dass der immaterielle Schaden kompensiert wird. Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, eine höhere Entschädigung als 2.500,00 Euro sei deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin relativ schnell eine anderweitige Beschäftigung hat aufnehmen können, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat, ohne dass es dies ausdrücklich ausgesprochen hätte, angenommen, mit der Aufnahme der anderweitigen Beschäftigung habe die Beeinträchtigung geendet und zeitige keine Folgen mehr. Allerdings genoss die Klägerin in ihrem neuen Arbeitsverhältnis - anders als im Arbeitsverhältnis zur Beklagten - jedenfalls für die Dauer von sechs Monaten keinen Kündigungsschutz. Daher hielt auch nach der Aufnahme der anderweitigen Beschäftigung die Interessenschädigung an. Diese Interessenschädigung würde auch nicht durch Gewährung des von der Klägerin begehrten materiellen Schadensersatzes ausgeglichen. Mit der gegebenen Begründung kann daher die Begrenzung der Entschädigung auf 2.500,00 Euro, was etwa dem 1,6-Fachen eines Bruttomonatsverdienstes entspricht, nicht gerechtfertigt werden. Im Übrigen kommt mit Rücksicht auf den Präventionszweck auch eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers in Betracht.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Pauli    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2010 - 7 Sa 916/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch des Klägers aufgrund eines Verstoßes des beklagten Landes gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung.

2

Der 1950 geborene Kläger ist schwerbehindert. Er verfügt über Ausbildungen zum Lehrer für Grund- und Hauptschulen sowie zum Dipl.-Pädagogen. Der Kläger ist Mitglied der GEW.

3

Das beklagte Land ließ im Juni 2008 über die Bundesagentur für Arbeit eine Stelle als „Lehrer/in an der Justizvollzugsanstalt R (Lehrer/in - Hauptschulen (Sekundarstufe I))“ ausschreiben. In dieser Ausschreibung heißt es ua.:

        

„WIR BIETEN

        

Tätigkeit

        

Arbeitsplatz: Lehrer/in an der Justizvollzugsanstalt R (Lehrer/in - Hauptschulen (Sekundarstufe I)) (alternativ: Lehrer/in - Gymnasien (Sekundarstufe I und II), Lehrer/in - Grundschulen (Primarstufe)); ein offenes von ursprünglich einem gemeldeten Angebot; Nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigung

        

Stellenbeschreibung

        

A. Stellenbeschreibung

        

I. Funktionsbezeichnung

        

Lehrerin oder Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R als Vollzeitkraft mit 41 Wochenstunden und Präsenzpflicht nach Maßgabe der institutionellen Regelungen. Die Beschäftigung erfolgt bei Vorliegen der laufbahn- und beamtenrechtlichen Voraussetzungen im Beamtenverhältnis (Besoldungsgruppe A 13 - gehobener Dienst - Bundesbesoldungsordnung).

        

...     

        

B. Aufgaben

        

Die Lehrerin oder der Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R

        

- erteilt erwachsenen Strafgefangenen Unterricht in den Fächern Mathematik, Deutsch und Nebenfächern verschiedener Art entsprechend den auch gegenwärtigen fachwissenschaftlichen Erkenntnissen der Pädagogik,

        

…       

        

C. Anforderungsprofil

        

I. Fachkompetenz

        

Die Lehrerin oder der Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R

        

- hat die Befähigung zum Lehramt an öffentlichen Schulen für die Primarstufe oder für die Sekundarstufe I oder für das Lehramt für Sonderpädagogik oder für die Sekundarstufe II,

        

…       

        

II. Persönliche Anforderungen, soziale Kompetenz

        

Die Lehrerin oder der Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R

        

- besitzt Team-, Kommunikations-, Konflikt- und Vermittlungsfähigkeit,

        

- verfügt über Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Erwachsenenbildung,

        

…       

        

WIR SUCHEN

        

Bildungsabschluss

        

Wissenschaftliche Hochschule/Universität

        

Mobilität

        

Reisebereitschaft: nicht erforderlich

        

Frühester Eintrittstermin

        

01.07.2008

        

Berufs- /Ausbildungsbezeichnung

        

Lehrer/in - Grundschulen (Primarstufe); Lehrer/in - Gymnasien (Sekundarstufe I und II); Lehrer/in - Hauptschulen (Sekundarstufe I)

        

Kenntnisse und Fertigkeiten

        

Bildungsberatung: vorhanden

Deutsch (Unterrichtsfach): vorhanden

        

Erziehungswissenschaft,

        
        

Pädagogik: vorhanden

Mathematik: vorhanden“

4

Der Kläger, der noch nie Mathematik unterrichtet hatte, bewarb sich mit Schreiben vom 15. Juni 2008 und - nachdem ihm dieses zurückgesandt worden war - nochmals mit Schreiben vom 26. Juli 2008 um diese Stelle. Sein zweites Bewerbungsschreiben enthielt folgenden Hinweis:

        

„Ich bin zwar schwerbehindert (60 %), dies beeinträchtigt meine Leistungsfähigkeit aber nicht.“

5

Unter dem 12. September 2008 teilte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt R dem Kläger schriftlich mit:

        

„Bewerbung um eine Stelle für eine Lehrerin oder einen Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R

        

Anlage

        

Bewerbungsunterlagen

        

Sehr geehrter Herr G,

        

die Stelle für eine Lehrerin oder einen Lehrer an der Justizvollzugsanstalt R wurde zwischenzeitlich an eine Mitbewerberin vergeben.

        

Zu meiner Entlastung sende ich die von ihnen eingereichten Bewerbungsunterlagen an Sie zurück.

        

Ich bedanke mich für Ihr Interesse an einer Tätigkeit an der Justizvollzugsanstalt R.“

6

Das Schreiben ging dem Kläger am 17. September 2008 zu. Dieser verlangte mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 Auskunft über die Höhe eines Monatsgehalts für die ausgeschriebene Stelle und meldete Schadensersatz-/Entschädigungsansprüche an.

7

Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt R schrieb ihm daraufhin am 15. Dezember 2008:

        

„Stellenausschreibung

        

Ihr Schreiben vom 05.12.2008

        

Sehr geehrter Herr G,

        

den Inhalt Ihres Schreibens vom 05.12.2008 habe ich zur Kenntnis genommen.

        

Aus Ihrem Vorbringen vermag ich keine Schadensersatzpflicht der hiesigen Behörde abzuleiten.“

8

Der Kläger meint, das beklagte Land habe ihn unter Verstoß gegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch habe es ihm keine Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung mitgeteilt und seine weiteren Verpflichtungen aus § 81 und § 82 SGB IX nicht erfüllt. Daraus und aus anderen Gesichtspunkten ergebe sich die Vermutung, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Da nach dem für die in Aussicht genommene Stelle geltenden Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TV-L) für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine sechsmonatige Ausschlussfrist gelte (§ 37 TV-L) und weil die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gegen Europarecht verstoße, habe er seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht.

9

Die Entschädigung müsse mindestens 6.800,00 Euro betragen.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

11

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt.

12

Es beruft sich zunächst darauf, ein etwaiger Anspruch des Klägers sei nicht innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG schriftlich geltend gemacht worden. Die längeren Ausschlussfristen im TVöD beträfen lediglich Ansprüche aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Außerdem sei der Kläger auch nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden. Eine Berücksichtigung seiner Bewerbung sei bereits deshalb nicht in Frage gekommen, weil ein Lehrer für die Fächer Deutsch und Mathematik gesucht worden sei und der Kläger keine Befähigungsnachweise für das Unterrichtsfach Mathematik vorgelegt habe.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während das beklagte Land die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Ein ihm möglicherweise zustehender Entschädigungsanspruch ist verfallen.

15

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers wäre nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen, weil er diesen erst mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 und damit nicht innerhalb von zwei Monaten nach Kenntniserlangung von seiner Benachteiligung schriftlich geltend gemacht habe. Die Ausschlussfrist habe mit dem Zugang der Ablehnung begonnen. Es könne dabei dahinstehen, ob die vom Kläger angeführten Vermutungstatbestände, nämlich die Nichtbenachrichtigung der Arbeitsagentur über eine freie Stelle oder die Nichtinformation der Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung, erfüllt seien und ob der Kläger davon Kenntnis besessen habe. Ihm sei nämlich mit Zugang des Ablehnungsschreibens zwangsläufig bekannt geworden, dass das beklagte Land ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen habe. Diese Tatsache sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung zu begründen. Damit habe eine ausreichende Kenntnis iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beim Kläger mit Zugang des Ablehnungsschreibens vorgelegen. Es sei nicht erforderlich, dass er sämtliche in Betracht kommenden Tatsachen, welche die Vermutung einer Benachteiligung begründen könnten, kenne. Im Übrigen verstoße die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht.

16

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

17

Ein etwaiger Entschädigungsanspruch des Klägers nach § 15 Abs. 2 AGG wäre wegen verspäteter Geltendmachung verfallen(§ 15 Abs. 4 AGG).

18

I. Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§ 15 Abs. 2 AGG), nicht ein auf Ersatz eines Vermögensschadens gerichteter Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG). Zwar verwendet der Kläger in seinem Revisionsantrag das Wort „Schadensersatz“, jedoch macht er ausweislich der von ihm gegebenen Begründung keinen Schadensersatzanspruch geltend. Insbesondere verlangt der Kläger ausdrücklich eine der Höhe nach ins Ermessen des Gerichts gestellte „Entschädigung“ und keinen konkreten Verdienstausfall für einen bestimmten Zeitraum.

19

II. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der von ihm begehrten Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Grundlage hierfür ist § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG, der für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld vorsieht. Dem Gericht wird bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist. Erforderlich ist allein, dass der Kläger Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennt und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angibt (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 6.800,00 Euro beziffert.

20

III. Die Klage ist unbegründet. Ein dem Kläger aus § 15 Abs. 2 AGG oder aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG eventuell zustehender Anspruch auf Entschädigung wäre verfallen.

21

1. Der Kläger hat nach § 81 Abs. 2 SGB IX, § 15 Abs. 2 AGG allein deshalb keinen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld, weil er den von ihm behaupteten Anspruch nicht innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG bestimmten Frist geltend gemacht hat.

22

a) Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber „Beschäftigter“ im Sinne des AGG. Nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG gelten als Beschäftigte auch Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis. Für den Bewerberbegriff kommt es dabei weder auf die objektive Eignung (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12) noch auf die subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung an. Deren Fehlen kann allenfalls einen Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB begründen, für den der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast trägt(vgl. BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 -).

23

b) Das beklagte Land ist als „Arbeitgeber“ passiv legitimiert. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG ist Arbeitgeber im Sinne des Gesetzes, wer „Personen nach Absatz 1“ des § 6 AGG „beschäftigt“. Arbeitgeber ist also derjenige, der um Bewerbungen für ein von ihm angestrebtes Beschäftigungsverhältnis bittet (vgl. BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

24

c) Der Kläger hat die nach § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG einzuhaltende Frist von zwei Monaten nicht gewahrt. Bei dieser Frist handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 91; v. Roetteken AGG Stand März 2012 § 15 Rn. 101; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 99; KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 50; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 66), deren Einhaltung - wie bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen - von Amts wegen zu beachten ist (vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 61b Rn. 10; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 15 AGG Rn. 8; ErfK/Preis 12. Aufl. §§ 194 - 218 BGB Rn. 33).

25

d) Anstelle der nach § 15 Abs. 4 AGG geltenden zweimonatigen Frist ist nicht die längere Frist des § 37 TV-L einschlägig. § 37 Abs. 1 TV-L sieht für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis eine Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit vor. Diese tarifliche Ausschlussfrist ist aber nicht auf einen Entschädigungsanspruch eines Stellenbewerbers nach § 15 Abs. 2 AGG anzuwenden.

26

Im Falle eines behaupteten Entschädigungsanspruchs eines erfolglosen Bewerbers kommt es für die Ausschlussfrist nicht auf die für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis, dh. auf die Frist für Schadensersatzansprüche bei unterstelltem Vertragsabschluss, an. § 611a Abs. 4 Satz 2 BGB in der vom 1. Januar 2002 bis 17. August 2006 geltenden Fassung sah vor, dass sich die Länge der Frist nach einer für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im angestrebten Arbeitsverhältnis vorgesehenen Ausschlussfrist bemisst, mindestens aber zwei Monate beträgt. Diese Regelung hat der Gesetzgeber nicht in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG übernommen. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Regelung des § 611a Abs. 4 Satz 2 BGB idF vom 2. Januar 2002 trotz abweichenden Wortlauts des § 15 Abs. 4 AGG an der Rechtslage nichts ändern wollte(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 15 Abs. 4 AGG weder die Regelungen in § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX in der bis 17. August 2006 geltenden Fassung (keine Bezugnahme auf Ausschlussfristen, die für das angestrebte Arbeitsverhältnis gelten) noch eine der früheren Fassungen des § 611a BGB bezüglich der Ausschlussfrist übernommen. Dies spricht dafür, dass mit § 15 Abs. 4 AGG eine inhaltliche Änderung bzgl. der Ausschlussfrist beabsichtigt war.

27

Voraussetzung dafür, dass nach der in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zugelassenen abweichenden Regelung eines Tarifvertrags die tarifvertragliche Ausschlussfrist zur Anwendung kommt, ist, dass der Tarifvertrag durch beiderseitige Tarifgebundenheit Geltung entfaltet und die tarifvertragliche Ausschlussfrist den Anspruch erfasst. Die normative und zwingende Wirkung eines Tarifvertrags erfordert nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG neben der Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien, dass das Arbeitsverhältnis unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt.

28

In § 1 TV-L haben die Tarifvertragsparteien den persönlichen Geltungsbereich des TV-L geregelt. Danach gilt der TV-L für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) oder eines Mitgliedverbandes der TdL ist. Damit haben die Tarifvertragsparteien den persönlichen Geltungsbereich auf bestehende Arbeitsverhältnisse festgelegt. Kommt es mangels Vertragsabschlusses nicht zu einem Arbeitsverhältnis, findet der TV-L keine Anwendung.

29

e) Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen Europarecht.

30

aa) Ausdrücklich lassen Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft und Art. 17 Abs. 3 der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung betreffend den Gleichbehandlungsgrundsatz unberührt.

31

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität; vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8).

32

cc) § 15 Abs. 4 AGG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit(Äquivalenz). Nach deutschem Recht besteht keine, einer Klage auf Entschädigung infolge einer Diskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG vergleichbare, nach ihren Verfahrensmodalitäten günstigere Klageart(vgl. Kolbe EuZA 2011, 65, 68; Wagner/Potsch JZ 2006, 1085, 1092; Jacobs RdA 2009, 193, 200; im Ergebnis auch: Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 102; KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 51; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 101; MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 15 AGG Rn. 46; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 101a; aA Rust/Eggert-Weyand ZESAR 2011, 186, 189 f.; Fischinger NZA 2010, 1048, 1051; v. Roetteken AGG Stand März 2012 § 15 Rn. 104a; ders. jurisPR-ArbR 1/2011 Anm. 1; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 56).

33

Die Wahrung des Grundsatzes der Äquivalenz setzt voraus, dass die streitige Regelung in gleicher Weise für Klagen gilt, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Klagen einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8). Daraus folgt aber nach der Rechtsprechung des EuGH nicht, dass der nationale Gesetzgeber verpflichtet wäre, die günstigste innerstaatliche Regelung auf alle Klagen zu erstrecken, die im Bereich des Arbeitsrechts erhoben werden (vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] aaO). Das nationale Gericht hat vielmehr objektiv und abstrakt unter Berücksichtigung der Stellung der Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen, ob eine nach Gegenstand, Rechtsgrund und den wesentlichen Merkmalen vergleichbare, nach den Verfahrensmodalitäten günstigere Klage besteht (vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] aaO).

34

Nach diesen Maßstäben ist die Klage eines erfolglosen Stellenbewerbers auf eine angemessene Entschädigung, dh. auf Ersatz eines Nichtvermögensschadens, infolge einer Diskriminierung weder vergleichbar mit Bestandsschutzklagen nach dem Kündigungsschutzgesetz oder dem Teilzeit- und Befristungsgesetz noch mit Klagen nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen oder mit Klagen nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auf eine Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Nach nationalem Recht bestand kein dem Entschädigungsanspruch des AGG vergleichbarer Anspruch eines erfolglosen Stellenbewerbers bei Verletzung des Inklusionsinteresses in Bezug auf die Merkmale des § 1 AGG oder vergleichbare Merkmale. Daher war der deutsche Gesetzgeber nicht nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit daran gehindert, vom Verjährungsrecht abweichende Ausschlussfristen einzuführen.

35

Bereits mit Urteil vom 24. September 2009 (- 8 AZR 705/08 - AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1) hat der Senat die Vereinbarkeit von § 15 Abs. 4 AGG für Entschädigungsansprüche aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit bestätigt und zum Vergleich die § 4 Satz 1, § 12 Satz 1 KSchG, § 17 Satz 1 TzBfG, § 626 Abs. 2 BGB, § 22 Abs. 4 BBiG und § 9 Abs. 1 MuSchG herangezogen. Besteht mangels Vertragsabschlusses jedoch kein Arbeitsverhältnis, sind die zur Verwirklichung des Bestandsschutzes vorgesehenen Feststellungsklagen des deutschen Arbeitsrechts (§§ 4, 9 KSchG, § 17 TzBfG, § 256 ZPO) mit einer Entschädigungsklage nach § 15 Abs. 2 AGG zum Ausgleich des Nichtvermögensschadens wegen einer Diskriminierung im Stellenbesetzungsverfahren nicht vergleichbar(vgl. Fischinger NZA 2010, 1048, 1050; Rust/Eggert-Weyand ZESAR 2011, 186, 190; v. Roetteken jurisPR-ArbR 1/2011 Anm. 1).

36

Soweit in der Literatur Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, welche regelmäßig in drei Jahren verjähren(§ 195 BGB), als mit § 15 Abs. 2 AGG vergleichbare, günstigere Ansprüche betrachtet werden(vgl. Gotthardt ZTR 2000, 448, 450 zu § 611a Abs. 4 BGB aF; Rust/Eggert-Weyand ZESAR 2011, 186, 190), ist dem nicht zu folgen.

37

Bei der Haftung nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen handelt es sich um keinen typisch arbeitsrechtlichen Anspruch, sondern um die Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens. Mit § 311 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung die culpa-in-contrahendo-Haftung normiert, die als Haftung für in Anspruch genommenes, enttäuschtes Vertrauen seit Langem anerkannt war. Die Fallgruppen der Haftung nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB sind im Hinblick auf eine Vielzahl von Schutzpflichten sehr vielgestaltig und reichen bspw. von dem Abbruch von Vertragsverhandlungen (vgl. BGH 29. März 1996 - V ZR 332/94 - NJW 1996, 1884), der Verletzung von Aufklärungspflichten, wie bspw. der unrichtigen Information über wertbildende Merkmale beim Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen (vgl. BGH 4. April 2001 - VIII ZR 32/00 - NJW 2001, 2163) oder der unterlassenen Aufklärung in Arbeitsvertragsverhandlungen über einen konkret ins Auge gefassten bevorstehenden Personalabbau (vgl. BAG 14. Juli 2005 - 8 AZR 300/04 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 242 Nr. 1), bis hin zur Haftung wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (vgl. MüKoBGB/Emmerich 6. Aufl. § 311 BGB Rn. 63 ff.). Im Hinblick auf den in § 311 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken und die vielfältigen Fallgestaltungen der Haftung nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB fehlt auch eine von der allgemeinen Verjährungsvorschrift abweichende Regelung; es gilt im Grundsatz die Regelverjährung des § 195 BGB(vgl. Palandt/Ellenberger 71. Aufl. § 195 BGB Rn. 4).

38

§ 15 Abs. 2 AGG vermittelt dem erfolglosen Stellenbewerber demgegenüber einen Entschädigungsanspruch, wenn der Arbeitgeber im Stellenbesetzungsverfahren gegen das Benachteiligungsverbot(§ 7 Abs. 1 AGG) verstoßen hat. Nach § 7 Abs. 3 AGG ist eine Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 AGG durch Arbeitgeber oder Beschäftigte eine Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten. Hiermit am ehesten vergleichbar ist eine culpa-in-contrahendo-Haftung des Arbeitgebers (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) bei Abbruch der Vertragsverhandlungen, da beide Ansprüche an Pflichtverletzungen im Vorfeld der Begründung eines Arbeitsverhältnisses anknüpfen (hierauf abstellend: Gotthardt ZTR 2000, 448, 450) und es zu keinem Vertragsabschluss kommt. Insoweit besteht ein vergleichbarer Rechtsgrund der Ansprüche.

39

Allerdings sind Ansprüche aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB und solche aus § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1 AGG schon hinsichtlich ihres Gegenstandes nicht vergleichbar.

40

Bei der Verletzung vorvertraglicher Pflichten ist nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2, § 249 Abs. 1 BGB der Geschädigte grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten des anderen Teils gestanden hätte. Soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Dem bei Vertragsverhandlungen Geschädigten steht ein Anspruch auf materiellen Schadensersatz zu. In der Fallgruppe des Abbruchs von Vertragsverhandlungen umfasst dieser grundsätzlich nur das negative Interesse, nicht aber das positive Interesse, da dies auf einen Kontrahierungszwang aus culpa-in-contrahendo hinausliefe (vgl. BGH 18. Juli 2001 - XII ZR 183/98 - NJW-RR 2001, 1524; MüKoBGB/Emmerich 5. Aufl. § 311 BGB Rn. 225; Bamberger/Roth/Unberath BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 280 Rn. 60). Der Schaden besteht daher in den nutzlosen Aufwendungen (vgl. Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 311 BGB Rn. 55), wie sie der BGH bspw. in Um- und Rückbaukosten erkannt hat (vgl. BGH 22. Februar 2006 - XII ZR 48/03 - NJW 2006, 1963). Nur bei Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung kann wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld verlangt werden, § 253 Abs. 2 BGB. § 253 Abs. 2 BGB gewährt keinen Ausgleichsanspruch bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 24, 25; MüKoBGB/Oetker 6. Aufl. § 253 BGB Rn. 27). Ein Anspruch bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts kann sich daher nur aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG ergeben(vgl. Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 253 BGB Rn. 10).

41

Nach § 15 Abs. 2 AGG hat der Arbeitgeber dem Bewerber immaterielle Schäden zu ersetzten, wenn er diesen im Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt. Die Entschädigung wird ausschließlich für immaterielle Schäden gewährt, die regelmäßig bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus den in § 1 AGG genannten Gründen vorliegen, wobei § 15 Abs. 2 AGG die im Verhältnis zu § 253 Abs. 1 BGB speziellere Norm ist(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38; BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Darauf, dass das Persönlichkeitsrecht verletzt ist, kommt es für die Ausgleichspflicht nicht an. Vielmehr ordnet der Gesetzgeber in § 15 Abs. 2 AGG stets einen Ausgleich bei Beeinträchtigung des Inklusionsinteresses in Bezug auf die Merkmale des § 1 AGG an(vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 33). Das Vorhandensein eines immateriellen Schadens wird bei einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermutet(vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 7). Mit der Regelung in § 15 Abs. 2 AGG hat sich der Gesetzgeber für Ersatzleistungen an das Diskriminierungsopfer als Rechtsfolge entschieden und verfolgt das Ziel, mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des EuGH(vgl. insb. EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Slg. 1997, I-2195 = AP BGB § 611a Nr. 13 = EzA BGB § 611a Nr. 12), eine wirksame und verschuldensunabhängige Sanktion bei Verletzung des Benachteiligungsverbots durch den Arbeitgeber vorzusehen (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, zu denen Art und Schwere der Benachteiligung, die Dauer und ihre Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns, der Grad der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, etwa geleistete Wiedergutmachung oder erhaltene Genugtuung und das Vorliegen eines Wiederholungsfalls gehören. Ferner ist der Sanktionszweck der Norm zu berücksichtigen, sodass die Höhe auch danach zu bemessen ist, was zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung erforderlich ist. Die Entschädigung muss geeignet sein, eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber zu haben und muss in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - mwN, aaO).

42

Danach unterscheidet sich der Gegenstand einer Klage zur Erlangung eines materiellen Schadensersatzanspruchs nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB, der bei Abbruch von Vertragsverhandlungen auf das negative Interesse begrenzt ist, und der in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehene Entschädigungsanspruch grundlegend.

43

Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG zur Verwirklichung des Diskriminierungsschutzes ist qualitativ etwas anderes als ein Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB. Ein mit dem AGG vergleichbarer, umfassender Diskriminierungsschutz bestand vor Schaffung des Gesetzes bzw. in Bezug auf die Merkmale Geschlecht bzw. Behinderung vor Schaffung von § 611a BGB aF bzw. § 81 Abs. 2 SGB IX im deutschen Recht nicht. Vielmehr ist das nationale Arbeitsrecht in Deutschland vom Grundsatz der Privatautonomie geprägt, von dem sich das europäische Antidiskriminierungsrecht fundamental unterscheidet (vgl. Richardi NZA 2006, 881 f.; Reichold/Hahn/Heinrich NZA 2005, 1270, 1272; Thüsing NZA 2001, 1061). Aufgaben, die in anderen Rechtsordnungen dem Diskriminierungsschutz zukommen, übernahm in der Vergangenheit in der deutschen Rechtsordnung für bestehende Arbeitsverhältnisse zum Teil der allgemeine Kündigungsschutz als funktionelles Äquivalent (vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. Einl. AGG Rn. 7; ders. NZA 2001, 1061), vor allem im Rahmen der Interessenabwägung (vgl. BAG 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111 = AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 44 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 58). Bei der Gewährung von Leistungen durch den Arbeitgeber übernahm dies der Gleichbehandlungsgrundsatz.

44

Zur Umsetzung der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2002/73/EG und 2004/113/EG durch das AGG konnte der deutsche Gesetzgeber daher nicht an einen bereits im nationalen Recht bestehenden allgemeinen Diskriminierungsschutz wegen der Merkmale des § 1 AGG anknüpfen(vgl. Wagner/Potsch JZ 2006, 1085, 1092; Kolbe EuZA 2011, 65, 68), sondern nur an die Diskriminierungsverbote des § 611a BGB aF und § 81 Abs. 2 SGB IX aF, die ihrerseits der Richtlinienumsetzung dienten und deshalb keine taugliche Vergleichsgrundlage für die Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität bilden. Der Gesetzgeber hat sich zur Normierung des Entschädigungsanspruchs in § 15 Abs. 2 AGG ausdrücklich darauf berufen, dass der aus § 611a BGB aF bekannte Grundgedanke in § 15 Abs. 2 AGG auf alle Tatbestände(des § 1 AGG) einer Benachteiligung übertragen werden solle (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Mit dem Inkrafttreten des AGG besteht erstmals ein umfassender Diskriminierungsschutz in Bezug auf die Merkmale des § 1 AGG. Dabei hat sich der Gesetzgeber für zivilrechtliche Sanktionen entschieden, die er aber bezüglich der Fristen für die Rechtsverfolgung nicht ebenso wie Ansprüche nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB ausgestalten musste.

45

Auch Klagen nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zur Erlangung einer Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts sind nicht mit Entschädigungsklagen nach § 15 Abs. 2 AGG vergleichbar(aA v. Roetteken AGG Stand März 2012 § 15 Rn. 104a ff.; ders. jurisPR-ArbR 1/2011 Anm. 1; Fischinger NZA 2010, 1048, 1050). Der Gesetzgeber hat mit § 15 Abs. 4 AGG keine(ausschließlich) zulasten der Diskriminierungsopfer wirkende Sonderregelung getroffen (so aber v. Roetteken aaO Rn. 106a). Denn mit der Entschädigungsklage nach § 15 Abs. 2 AGG wurde erstmals ein umfassender Diskriminierungsschutz zugunsten Beschäftigter geschaffen, der in seinen Merkmalen vom bisherigen nationalen Recht wesentlich abweicht.

46

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist in der Rechtsprechung als ein durch Art. 1 und Art. 2 GG verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht und zugleich zivilrechtlich nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes „sonstiges Recht” anerkannt(vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214). § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gewähren im deutschen Recht einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dies gilt auch im Arbeitsrecht. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3). Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - aaO). Ein Anspruch kommt nur bei einem Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht. Nach allgemeinen Regeln hat der Geschädigte sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen (vgl. BAG 14. November 1991 - 8 AZR 145/91 -).

47

Demgegenüber hat das AGG erstmals einen umfassenden Diskriminierungsschutz geschaffen, für dessen Entschädigungsanspruch es nicht auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ankommt. Eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Weise einer „Herabwürdigung“ des Beschäftigten voraus, soweit nicht das entsprechende Merkmal in § 3 Abs. 3 oder Abs. 4 AGG zur Anwendung kommen soll, noch bedarf es neben der Feststellung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot jeweils einer gesonderten Feststellung eines immateriellen Schadens(vgl. BAG 18. März 2010 - 8 AZR 1044/08 - AP AGG § 15 Nr. 3 = EzA AGG § 15 Nr. 7). § 15 Abs. 2 AGG gewährt vielmehr bereits dann einen Entschädigungsanspruch, wenn gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, also das Inklusionsinteresse des Bewerbers beeinträchtigt ist(vgl. Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 33). Richtig ist zwar, dass die Rechtsprechung besonders bei geschlechtsspezifischen Benachteiligungen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts und einen Entschädigungsanspruch angenommen hat (vgl. BAG 14. März 1989 - 8 AZR 447/87 - BAGE 61, 209 = AP BGB § 611a Nr. 5 = EzA BGB § 611a Nr. 4; 14. März 1989 - 8 AZR 351/86 - BAGE 61, 219 = AP BGB § 611a Nr. 6 = EzA BGB § 611a Nr. 5). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass § 611a BGB in der damaligen Fassung nur einen materiellen Schadensersatz begrenzt auf das negative Interesse vorsah und der Senat sich zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs auf die Richtlinie 76/207/EWG und eine richtlinienkonforme Auslegung zur Gewährleistung einer ausreichenden Sanktion, die in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden steht und über einen rein symbolischen Schadensersatz hinausgeht, gestützt hat(vgl. BAG 14. März 1989 - 8 AZR 447/97 - aaO; 14. März 1989 - 8 AZR 351/86 - zu B 3 b der Gründe, aaO). Damit hat der Senat die Grundlage für einen Entschädigungsanspruch des Stellenbewerbers bei einer nicht geschlechtsneutralen Stellenausschreibung schon damals nicht allein im nationalen Recht, sondern auch im Gemeinschaftsrecht erkannt. Ein Entschädigungsanspruch eines Stellenbewerbers scheiterte auch nach dieser Rechtsprechung dann, wenn es am Verschulden fehlte (vgl. BAG 5. März 1996 - 1 AZR 590/92 - BAGE 82, 211 = AP GG Art. 3 Nr. 226 = EzA GG Art. 3 Nr. 52), oder das Verschulden geringfügig war (vgl. BAG 14. März 1989 - 8 AZR 351/86 - aaO).

48

Mit Inkrafttreten des AGG kommt es für den Entschädigungsanspruch allein auf einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot und grundsätzlich nicht auf ein Verschulden an (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Insbesondere erweitert das AGG den Schutz auch insoweit in ganz erheblicher Weise, als eine Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG auch bei einer mittelbaren Benachteiligung vorliegt. Bei solchen mittelbaren Benachteiligungen wird es regelmäßig an einer schwerwiegenden Verletzung des Persönlichkeitsrechts als Voraussetzung für die Gewährung eines Entschädigungsanspruchs nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG fehlen. § 15 Abs. 2 AGG gewährleistet auch einen umfassenden Schutz des Inklusionsinteresses im vorvertraglichen Bereich in Bezug auf die Merkmale des § 1 AGG. Vor allem ist auch im Vergleich mit Ansprüchen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu beachten, dass § 22 AGG mit seiner Beweislastverteilung eine wesentliche Vorschrift enthält, die bei einem Vergleich der verschiedenen Klagen nicht unberücksichtigt bleiben darf. Mit dem AGG hat der Gesetzgeber erstmals ein umfassendes Antidiskriminierungsrecht geschaffen, welches in seinen wesentlichen Merkmalen nicht mit Ansprüchen nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG vergleichbar ist.

49

dd) § 15 Abs. 4 AGG verstößt auch nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz.

50

Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, sind nach der Rechtsprechung des EuGH alle Fälle, in denen sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Ausübung der den Bürgern durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie zB der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (EuGH 29. Oktober 2009 - C-63/08 - [Pontin] Slg. 2009, I-10467 = AP EWG-Richtlinie Nr. 92/85 Nr. 10 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 92/85 Nr. 4).

51

Unter Berücksichtigung dessen sind nach der Rechtsprechung des EuGH angemessene Ausschlussfristen grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil die Normierung solcher Ausschlussfristen einen Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit darstellt (vgl. EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8). Angemessene Ausschlussfristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Es ist daher Sache der Mitgliedstaaten, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidung für den Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (vgl. EuGH 29. Oktober 2009 - C-63/08 - [Pontin] Slg. 2009, I-10467 = AP EWG-Richtlinie Nr. 92/85 Nr. 10 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 92/85 Nr. 4).

52

Nach § 15 Abs. 4 AGG sind Entschädigungsansprüche binnen einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Dem Arbeitgeber soll angesichts der Regelung in § 22 AGG nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen(vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Der Arbeitgeber wird sich im Hinblick auf die in § 22 AGG getroffene Beweislastverteilung in der Regel nur dann entlasten können, wenn er die Kriterien und Grundlagen der Einstellungsentscheidung dokumentiert hat. Der Arbeitgeber soll sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf solche Ansprüche nicht mehr gegen ihn erhoben werden (vgl. BAG 19. Februar 2002 - 1 AZR 342/01 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 149). Damit dient die Ausschlussfrist der Rechtssicherheit, dem Rechtsfrieden und der Rechtsklarheit. Ohne Belang ist in diesem Zusammenhang, ob das Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit umfassend erreicht wird, weil § 15 Abs. 2 AGG Ansprüche, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt lässt(§ 15 Abs. 5 AGG). Entscheidend ist allein, dass der Gesetzgeber mit Hilfe der Ausschlussfrist die Schaffung von Rechtsfrieden bezüglich einzelner Ansprüche (hier der Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) beabsichtigt. Es ist nämlich nicht ungewöhnlich, dass Ausschlussfristen nur bestimmte Ansprüche erfassen.

53

So hat auch der EuGH entschieden (EuGH 8. Juli 2010 - C-246/09 - [Bulicke] Slg. 2010, I-7003 = AP Richtlinie 2000/78/EG Nr. 16 = EzA AGG § 15 Nr. 8), es sei nicht ersichtlich, dass die Frist des § 15 Abs. 4 AGG die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich macht oder übermäßig erschweren könnte. Insbesondere auch unter Berücksichtigung der niedrigschwelligen Anforderungen an die Geltendmachung (Schriftform) begegnet die Länge der Frist des § 15 Abs. 4 AGG keinen Bedenken(vgl. KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 51; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 15 AGG Rn. 8; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 102; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 36 Rn. 101a; Jacobs RdA 2009, 193, 200; Wagner/Potsch JZ 2006, 1085, 1093).

54

ee) Schließlich verstößt auch der in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG geregelte Fristbeginn im Falle einer Bewerbung oder beruflichen Aufstiegs nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz.

55

Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung mit dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ein bloßes Abstellen auf den Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung könnte die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, da der Beschäftigte mit der Ablehnung nicht notwendigerweise auch Kenntnis von einer Benachteiligung und dem Bestehen eines Anspruchs nach dem AGG hat (vgl. KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 58; Walker NZA 2009, 5, 10; Kamanabrou RdA 2006, 321, 338).

56

Ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt voraus, dass die Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG erfolgt ist. Hierüber gibt die Ablehnung des Arbeitgebers nicht zwingend Auskunft. Allerdings kann § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG unionsrechtskonform dahin gehend ausgelegt werden, dass die Frist nicht vor dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Beschäftigte Kenntnis von der Benachteiligung erlangt(vgl. MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 15 AGG Rn. 46; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 53; Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 74; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 102; KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 60; Kock NJW 2010, 2713, 2716; Kolbe EuZA 2011, 65, 70; Fischinger NZA 2010, 1048, 1052; Jacobs RdA 2009, 193, 201; Walker NZA 2009, 5, 10; Kamanabrou RdA 2006, 321, 338).

57

Eine solche unionsrechtskonforme Auslegung scheitert nicht am Wortlaut und dem Willen des nationalen Gesetzgebers (aA Roloff in BeckOK AGG § 15 Rn. 13).

58

Eine unionsrechtskonforme Auslegung ist dann nicht zulässig, wenn sie mit dem eindeutigen Wortlaut und dem klaren Willen des nationalen Gesetzgebers nicht mehr vereinbar wäre, also contra legem erfolgen würde (vgl. EuGH 15. April 2008 - C-268/06 - [Impact] mwN, Slg. 2008, I-2483; 4. Juli 2006 - C-212/04 - [Adeneler] Slg. 2006, I-6057 = AP Richtlinie 99/70/EG Nr. 1 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 99/70 Nr. 1). Der Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG steht einer Auslegung nicht entgegen, die im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs neben dem Zugang der Ablehnung zusätzlich auf die Kenntniserlangung von der Benachteiligung abstellt. Aus dem Wortlaut ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, bei einer Bewerbung oder einem beruflichen Aufstieg komme es auf die Kenntnis von der Benachteiligung nicht an. Der Wortlaut legt nahe, dass der Gesetzgeber die Kenntnis von der Benachteiligung mit dem Zugang der Ablehnung unterstellt hat. Tatsächlich hat auch der Gesetzgeber angenommen, dass die Ausschlussfrist erst mit der Kenntnis von der Benachteiligung zu laufen beginnt. Im Gesetzesentwurf heißt es nämlich: „Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der oder die Benachteiligte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs ist das der Zeitpunkt der Ablehnung durch den Arbeitgeber“ (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Auch die Beschlussempfehlung und der Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf gehen hiervon aus. Dort heißt es, dass die Verkürzung der Frist auf zwei Monate für Arbeitnehmer hinnehmbar sei, weil die Frist ohnehin erst mit der Kenntnis von dem Verstoß beginne (vgl. BT-Drucks. 16/2022 S. 12). Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber für den Fristbeginn auf die Kenntnis von der Benachteiligung abstellen wollte. Ein der unionsrechtskonformen Auslegung entgegenstehender gesetzgeberischer Wille lässt sich somit nicht feststellen (vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 102; Fischinger NZA 2010, 1048, 1052; Walker NZA 2009, 5, 10).

59

Damit ist für den Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs § 15 Abs. 4 AGG dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem dem Beschäftigten die Ablehnung zugegangen ist und er zusätzlich Kenntnis von der Benachteiligung erlangt hat. Der Zeitpunkt des Zugangs der Ablehnung stellt damit den frühestmöglichen Zeitpunkt des Fristbeginns dar (vgl. Kolbe EuZA 2011, 65, 70; Fischinger NZA 2010, 1048, 1052; Jacobs RdA 2009, 193, 201).

60

2. Die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG durch den Kläger mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 hat die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt.

61

a) Das Ablehnungsschreiben vom 12. September 2008 war dem Kläger am 17. September 2008 zugegangen. Zwar beginnt in unionsrechtskonformer Auslegung die Frist des § 15 Abs. 4 AGG erst mit der Kenntniserlangung von der Benachteiligung, frühestens mit dem Zugang der Ablehnung. Vorliegend hatte der Kläger mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens auch die Kenntnis von der geltend gemachten Benachteiligung. Deshalb begann die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG am 18. September 2008 (§ 187 Abs. 1 BGB)und endete am 18. November 2008 (§ 188 Abs. 2, § 193 BGB). Das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 5. Dezember 2008 wahrte deshalb nicht die Frist des § 15 Abs. 4 AGG.

62

b) Hinsichtlich der Frage, wann Kenntniserlangung von der Benachteiligung vorliegt, kann auf die Maßstäbe des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit der Maßgabe zurückgegriffen werden, dass wegen des Wortlauts von § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG eine grob fahrlässige Unkenntnis nicht genügt(vgl. Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 75; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 111; Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 51; KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 57; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 107; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 59; Jacobs RdA 2009, 193, 201; aA MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 15 AGG Rn. 47). Kenntnis von der Benachteiligung hat der Beschäftigte daher dann, wenn er Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen hat (vgl. BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - BAGE 129, 181 = AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

63

c) Für Schadensersatzansprüche ist anerkannt, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist darauf ankommt, ob der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage - sei es auch nur in der Form einer Feststellungsklage - erheben kann, die bei verständiger Würdigung der ihm bekannten Tatsachen soviel Aussicht auf Erfolg bietet, dass sie für ihn zumutbar ist (BAG 24. Oktober 2001 - 5 AZR 32/00 - AP BGB § 823 Schutzgesetz Nr. 27 = EzA BGB § 852 Nr. 1). Diese Grundsätze können im Wesentlichen auf den Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG bzgl. eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG übertragen werden.

64

Der Entschädigungsanspruch ist auf den Ersatz des Nichtvermögensschadens gerichtet und muss nicht beziffert werden. Neben der Kenntnis des Anspruchsgegners, dh. des Arbeitgebers, ist Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs, dass der Benachteiligte auch Kenntnis von der Benachteiligung hat. Ein Entschädigungsanspruch besteht aber nur dann, wenn die Benachteiligung wegen eines Grundes im Sinne von § 1 AGG erfolgt ist, § 7 Abs. 1 AGG. Ob das Motiv für die Benachteiligung von der Kenntnis umfasst sein muss, hat der Senat bislang offengelassen (BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 - AP AGG § 3 Nr. 2 = EzA AGG § 3 Nr. 1).

65

Grundsätzlich setzt der Beginn der Ausschlussfrist nicht voraus, dass der Beschäftigte von den Motiven des Benachteiligenden positive Kenntnis haben muss. Der Gesetzgeber hat zugunsten des Arbeitnehmers in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die es genügen lässt, dass der Beschäftigte Tatsachen(Indizien) vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG erfolgt ist. Hinsichtlich dieser Vermutungstatsachen sind die Anforderungen an das Beweismaß abgesenkt. Ausreichend ist es, dass Tatsachen dargelegt und ggf. bewiesen werden, die eine Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG vermuten lassen(vgl. BAG 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - BAGE 119, 262 = AP SGB IX § 81 Nr. 13 = EzA SGB IX § 81 Nr. 14). Zwar kann der Beschäftigte auch den Vollbeweis führen und nachweisen, dass die Benachteiligung wegen eines Merkmals nach § 1 AGG erfolgt ist, jedoch wird ihm dies nach § 22 AGG zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs nicht abverlangt.

66

Kennt der Beschäftigte solche Indizien, die zur Beweislastumkehr führen, kann er initiativ werden. Er kennt dann die Tatsachen, die die Voraussetzungen der anspruchsbegründenden Norm erfüllen, was den Fristbeginn nach § 15 Abs. 4 AGG auslöst(vgl. Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 112; Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 59; Roloff in BeckOK AGG § 15 Rn. 13; Kolbe EuZA 2011, 65, 71; Kock NJW 2010, 2713, 2716). Auch der Bundesgerichtshof geht bei Ansprüchen, die das Vorliegen bestimmter innerer Tatsachen voraussetzen, davon aus, dass es für den Beginn der Verjährungsfrist auf die Kenntnis der äußeren Umstände ankommt, aus denen auf die innere Tatsache geschlossen werden kann (vgl. BGH 27. November 1963 - Ib ZR 49/62 - NJW 1964, 493). Dem entspricht es, bei Ansprüchen nach § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG für den Fristbeginn auf die Kenntnis des Beschäftigten von Hilfstatsachen abzustellen, die auf eine anspruchsauslösende Motivlage des Arbeitgebers schließen lassen. Dadurch wird dem Beschäftigten auch nicht unzumutbar das Risiko eines Anspruchsverlustes aufgebürdet, wenn er nicht erkannt hat, dass die Tatsachen bereits für eine Benachteiligung wegen eines verpönten Merkmals sprechen (so aber: Stein in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 15 Rn. 75), denn entscheidend ist die Tatsachenkenntnis, nicht aber eine juristisch zutreffende Bewertung dahin gehend, dass die Tatsache taugliches Indiz im Sinne von § 22 AGG ist(vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 105). Dies entspricht der Rechtsprechung zum Verjährungsbeginn bei Schadensersatzansprüchen (vgl. BGH 3. März 2005 - III ZR 353/04 - NJW-RR 2005, 1148). Daraus folgt aber auch, dass die Frist des § 15 Abs. 4 AGG nicht beginnen kann, bevor dem Beschäftigten Tatsachen positiv bekannt geworden sind, die tatsächlich geeignet sind, die Beweislastumkehr nach § 22 AGG zu bewirken. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass der Beschäftigte aufgrund seiner Tatsachenkenntnis eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose (nicht notwendig zu beziffernde) Entschädigungsklage erheben kann. Deshalb beginnt die Frist mit der Kenntniserlangung von solchen Hilfstatsachen, die einen Prozess hinreichend aussichtsreich erscheinen lassen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der jeweilige Umstand oder Verfahrensmangel für sich allein die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer merkmalsbedingten Benachteiligung begründet. Bei Verstößen gegen Normen, die der besonderen verfahrensmäßigen Absicherung vor Diskriminierungen wegen verpönter Merkmale dienen, wird dies regelmäßig der Fall sein. Liegt demgegenüber eine Situation vor, bei der Einzeltatsachen keinen Rückschluss auf das Bestehen einer verpönten Motivlage zulassen, jedoch eine Gesamtschau mehrerer Einzeltatsachen die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Kausalbeziehung zu dem verpönten Merkmal begründet, so beginnt die Frist erst mit Kenntniserlangung der letzten, die Gesamtschau iSv. § 22 AGG ermöglichenden Einzeltatsachen.

67

Im Übrigen kann der Beschäftigte auch noch weitere Indizien, die ihm später bekannt geworden sind, in den Prozess einführen, insbesondere kann er sich auch auf Indizien berufen, die ein weiteres Merkmal im Sinne von § 1 AGG betreffen. Auch dann, wenn die Benachteiligung auf einem Bündel unterschiedlicher Motive iSd. § 1 AGG beruht, liegt nur eine Benachteiligung im Sinne von § 3 AGG vor. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 AGG, der von einer unterschiedlichen Behandlung wegen mehrerer in § 1 AGG genannter Gründe spricht(vgl. HWK/Rupp 5. Aufl. § 4 AGG Rn. 1; AnwK-ArbR/v. Steinau-Steinrück/Schneider 2. Aufl. § 4 AGG Rn. 4; aA v. Roetteken AGG Stand März 2012 § 15 Rn. 59a).

68

d) Mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens am 17. September 2008 hatte der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen.

69

Er wusste, dass das Auswahlverfahren abgeschlossen war, ohne dass er Berücksichtigung im Auswahlverfahren gefunden hatte. Ein Nachteil im Sinne einer unmittelbaren Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt im Falle einer Auswahlentscheidung bereits dann vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen, sondern vorab ausgeschieden wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung einer Chance (vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - AP AGG § 15 Nr. 4 = EzA SGB IX § 81 Nr. 21). Damit lag im Streitfalle die benachteiligende Handlung in der im Vorfeld der eigentlichen Besetzungsentscheidung stattfindenden Verfahrenshandlung, dem Ausscheiden aus dem Bewerbungsverfahren bzw. in der Versagung einer Chance, nicht aber in jedem einzelnen vom Kläger vorgetragenen Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift. Deshalb lief auch nicht für jeden einzelnen Verstoß gesondert eine Frist nach § 15 Abs. 4 AGG und war auch nicht jeder Verstoß gesondert zu entschädigen. Die einzelnen Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die zur Förderung der Chancen schwerbehinderter Menschen in konkreten Stellenbesetzungsverfahren geschaffen wurden, bilden vielmehr Indizien im Sinne von § 22 AGG(vgl. BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO) und gewinnen bei der Bemessung der Entschädigungshöhe Bedeutung (vgl. BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1).

70

Nach § 82 Satz 2 SGB IX hat der öffentliche Arbeitgeber den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Diese Pflicht besteht nach § 82 Satz 3 SGB IX nur dann nicht, wenn dem schwerbehinderten Bewerber die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

71

Unterlässt es der öffentliche Arbeitgeber entgegen § 82 Satz 2 SGB IX, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so ist dies eine geeignete Hilfstatsache nach § 22 AGG(vgl. BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16/10 - BVerwGE 139, 135; BAG 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - BAGE 131, 232 = AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). Unterstellt man zugunsten des Klägers, dass das beklagte Land verpflichtet gewesen wäre, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, so hätte er mit dem Zugang des Ablehnungsschreibens am 17. September 2008 Kenntnis von den Tatsachen gehabt, die ein Indiz im Sinne von § 22 AGG begründen. Durch die Mitteilung des Abschlusses des Auswahlverfahrens und die damit verbundene Rücksendung der Bewerbungsunterlagen wusste der Kläger, dass er zu einem Vorstellungsgespräch nicht eingeladen worden und das Besetzungsverfahren abgeschlossen war.

72

Für eine hinreichend aussichtsreiche Entschädigungsklage und damit den Fristbeginn war es nicht notwendig, dass der Kläger Kenntnis weiterer Einzelheiten bzw. Hilfstatsachen hatte. Er musste nicht zusätzlich zu der ihm bereits bekannten Tatsache der unterlassenen Einladung zum Vorstellungsgespräch wissen, dass das beklagte Land möglicherweise gegen die Pflicht verstoßen hatte, der Agentur für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze zu melden (§ 82 Satz 1 SGB IX).

73

§ 15 Abs. 4 AGG senkt das in der Bundesrepublik Deutschland bereits garantierte Schutzniveau in Bezug auf Diskriminierungen wegen einer Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG nicht ab. Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie liegt deshalb nicht vor. Vor Inkrafttreten des § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX aF, der seinerseits der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG diente(vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 113), gab es kein Benachteiligungsverbot zur Bekämpfung der Diskriminierung behinderter Menschen. In Übereinstimmung mit § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB IX aF sieht § 15 Abs. 4 AGG eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen von zwei Monaten vor.

74

3. Der Kläger hat gegen das beklagte Land auch keinen Anspruch auf Ersatz des Nichtvermögensschadens wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG.

75

a) Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob ein etwaiger Anspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts schon deshalb scheitern muss, weil er ebenso wie der Anspruch aus § 15 Abs. 2 AGG nach § 15 Abs. 4 AGG verfallen ist. Die umstrittene Frage, ob § 15 Abs. 4 AGG auch Ansprüche aus § 823 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG erfasst(dafür: Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 67; Adomeit/Mohr AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 135; Schleusener/Suckow/Voigt AGG 3. Aufl. § 15 Rn. 70; dagegen: Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 63; HWK/Rupp 5. Aufl. § 15 AGG Rn. 14; Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 15 Rn. 97; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 15 AGG Rn. 18; KR-Treber 9. Aufl. § 15 AGG Rn. 52; Palandt/Weidenkaff 71. Aufl. § 15 AGG Rn. 10; Jacobs RdA 2009, 193, 195), ist nicht entscheidungserheblich, da der Kläger einen Anspruch aus § 823 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG nicht schlüssig dargelegt hat.

76

b) Voraussetzung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ist, dass der Arbeitgeber das allgemeine Persönlichkeitsrecht schwerwiegend verletzt hat oder dem Arbeitgeber ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf zu machen ist; geringfügige Eingriffe lösen keine Entschädigungsansprüche aus (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3). Weitere Voraussetzung ist, dass die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann (vgl. BGH 1. Dezember 1999 - I ZR 49/97 - BGHZ 143, 214). Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad seines Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - aaO). Eine Haftung kommt insbesondere nur bei einem Verschulden (§ 276 BGB) in Betracht.

77

Nach den allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregeln hat der Geschädigte sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Erleichterungen(vgl. Windel RdA 2011, 193, 198; ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 22 AGG Rn. 11; aA Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 22 Rn. 22e; vgl. zum Streitstand: Grobys NZA 2006, 898, 899).

78

Soweit es in § 22 AGG heißt, „…im Streitfall…“, ist der Wortlaut für die Frage unergiebig, auf welche Streitigkeiten sich die Norm bezieht. Allerdings ergibt sich aus dem Wortlaut weiter, dass „im Streitfall“ iSv. § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat, wenn Indizien bewiesen werden, die eine Benachteiligung „wegen eines in § 1 genannten Grundes“ vermuten lassen. Folglich bezieht sich § 22 AGG schon seinem Wortlaut nach(nur) auf solche Streitigkeiten, in denen das Vorliegen einer Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes streitig ist(vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert 2. Aufl. § 22 Rn. 22a; MüKoBGB/Thüsing 6. Aufl. § 22 AGG Rn. 6; KR-Treber 9. Aufl. § 22 AGG Rn. 5).

79

Die Beweislastregel des § 22 AGG gilt deshalb zunächst für die spezifischen, sich aus dem AGG ergebenden Ansprüche, also insbesondere für Prozesse um Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG. Nach § 15 Abs. 5 AGG bleiben hingegen Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt. Insoweit kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Betracht, weil dieser nicht an eine Benachteiligung wegen eines Grundes iSd. § 1 AGG anknüpft. Für einen solchen Anspruch gilt § 22 AGG nicht, da dieser zwar parallel zu einem spezifischen Anspruch des AGG gegeben sein kann, nicht aber von einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot abhängt. Hierfür spricht auch, dass § 16 Abs. 3 AGG die Geltung der Beweislastverteilung des § 22 AGG ausdrücklich für den Verstoß gegen das Maßregelungsverbot wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach dem AGG für anwendbar erklärt. Einer solchen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn § 22 AGG auch auf Ansprüche Anwendung fände, die keine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes voraussetzen(vgl. Grobys NZA 2006, 898).

80

§ 22 AGG ist auch nicht entsprechend auf Ansprüche aus § 823 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuwenden. Es fehlt schon an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat in § 15 Abs. 5 AGG und § 32 AGG ausdrücklich angeordnet, dass es bei den allgemeinen Bestimmungen verbleibt, soweit das AGG nichts Abweichendes bestimmt.

81

Auch erfordern es Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG nicht, die Beweisregelungen auf Ansprüche zu erstrecken, die keine Benachteiligung aufgrund eines in der jeweiligen Richtlinie geregelten Merkmals zur Voraussetzung haben. Dies folgt bereits aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2000/43/EG und Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2006/54/EG, aus denen sich jeweils ergibt, dass sich die sicherzustellenden Rechtsschutzmöglichkeiten und damit auch die Beweisregelung nur jeweils auf die Ansprüche aus der Richtlinie bezieht(vgl. ErfK/Schlachter 12. Aufl. § 22 AGG Rn. 11).

82

c) Weder aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch aus den Behauptungen des Klägers ergibt sich eine schwerwiegende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts oder ein schwerwiegender Verschuldensvorwurf, der dem beklagten Land zu machen wäre. Auch wenn dieses gegen Verfahrensvorschriften zur Förderung schwerbehinderter Menschen (§ 81 Abs. 1, § 82 SGB IX)verstoßen haben sollte, genügte das nicht, um eine Entschädigungspflicht nach § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG auszulösen, wie es bei einer „Herabwürdigung“(vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 636/08 - AP BGB § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 41 = EzA AGG § 15 Nr. 3) ggf. anzunehmen wäre. Insbesondere ergibt sich eine Herabwürdigung nicht aus Form oder Inhalt des Ablehnungsschreibens vom 12. September 2008. Auch der Kläger behauptet nichts Gegenteiliges.

83

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schulz    

        

    Andreas Henniger    

        

        

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Mai 2012 - 19 Sa 1658/11 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über einen Entschädigungsanspruch des Klägers, der sich wegen seiner Behinderung benachteiligt sieht.

2

Der 1953 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60. Er ist ausgebildeter Opernsänger, hat langjährige Berufserfahrung und war zuletzt von Herbst 1991 bis zum Frühjahr 2009 Erster Tenor im Chor der B.

3

Im Juni 2010 wurde für das Theater der beklagten Stadt die Stelle als Erster Tenor im Chor der Oper ausgeschrieben. Die Stelle wurde nach der Gagenklasse 1a mit einem Monatsgehalt iHv. 2.603,00 Euro brutto vergütet. Der Kläger erhielt auf diese Stelle einen Hinweis der Zentralen Künstlervermittlung (ZKV) Hamburg der Bundesagentur für Arbeit, die von der Beklagten über die freie Stelle informiert worden war. Unter dem 7. Juni 2010 bewarb sich der Kläger umgehend per E-Mail auf diese Stelle. Die das Bewerbungsschreiben darstellende E-Mail enthielt keinen Hinweis auf die Schwerbehinderung des Klägers. Beigefügt waren dieser E-Mail drei Dateien, nämlich „Publicity-Fra“, „Chorpartien“ und „Lebenslauf F“. Letztere Datei ist in acht Unterpunkte gegliedert, nämlich: „Persönliche Informationen“ (vier Unterpunkte), „angestrebte Tätigkeit“ (zwei Unterpunkte), „Ausbildung - akademische Grade“ (sieben Unterpunkte), „Sprachkenntnisse“ (fünf Unterpunkte), „Zusatzausbildungen“ (Hinweis auf mindestens neun Meisterkurse), „Berufserfahrung“ (20 Unterpunkte), „spezielle Qualifikationen“ und „Hobbies“ (fünf Unterpunkte). Der Gliederungspunkt „spezielle Qualifikationen“ auf S. 2 unten des Lebenslaufs hat dabei folgendes Erscheinungsbild:

SPEZIELLE QUALIFIKATIONEN

• fundierte Softwarekenntnisse:

• PC Microsoft XP, Office-Paket (Word, Excel, Powerpoint), Adobe Photoshop Version 8, Corel Draw, Soundforge, WaveLab

• sonstige Qualifikationen:

• Diverse Tätigkeiten im Bereich Theatermanagement sowie im Bühnentechnischen Bereich

Schwerbehindert nach SGB IX-GDB 60“

4

Die Ausschreibung löste elf Bewerbungen aus, acht Bewerber, darunter der Kläger, wurden zum Vorsingen eingeladen. Beim Termin zum Vorsingen am 18. Juni 2010 wies der Kläger auf seine Schwerbehinderung nicht hin. Die Beklagte handelte im weiteren Verlauf in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers. Auf wiederholtes Nachfragen gab er sein Lebensalter an.

5

In der zweiten Julihälfte 2010 telefonierte der Kläger mit dem Chordirektor des Theaters Bi. Der Gesprächsinhalt ist strittig. Sodann verlangte der Kläger unter dem 8. Oktober 2010 durch Schreiben seiner Gewerkschaft von der Beklagten Auskunft über das Schicksal seiner Bewerbung. Diese teilte ihm unter dem 19. Oktober 2010 schriftlich mit, dass er unberücksichtigt geblieben sei und begründete dies.

6

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2010 machte der Kläger ua. einen Entschädigungsanspruch iHv. drei Monatsgehältern geltend. Diesen verfolgte er mit seiner am 14. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage weiter.

7

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er eine Entschädigung beanspruchen könne, weil er wegen seiner Schwerbehinderung und seines Alters benachteiligt worden sei. Trotz seines ausdrücklichen Hinweises auf die Schwerbehinderung bei seiner Bewerbung habe die Beklagte wesentliche Verpflichtungen nach § 81 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt. So seien ihm nicht unverzüglich nach § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX die Ablehnungsgründe mitgeteilt worden. Dies indiziere nach § 22 AGG die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung.

8

Soweit für die Revision von Bedeutung, hat der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.809,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. März 2011 zu zahlen.

9

Ihren Antrag auf Klageabweisung hat die Beklagte damit begründet, dass der Kläger schon nicht ausreichend und ordnungsgemäß bei seiner Bewerbung auf die Schwerbehinderung hingewiesen habe. Einen entsprechenden Hinweis habe der Kläger bewusst an ganz ungewöhnlicher Stelle versteckt, weswegen ihn die Beklagte nicht zur Kenntnis habe nehmen können. Der Kläger sei auch bei fünf anderen Theatern in gleicher Weise vorgegangen. Für die Einladung des Klägers wie für die Auswahlentscheidung selbst seien - in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers - ausschließlich künstlerische Gesichtspunkte maßgeblich gewesen. Dem Chorvorstand seien die persönlichen Daten der Bewerber ohnehin nicht mitgeteilt worden.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler einen Anspruch des Klägers nach § 15 Abs. 2 AGG auf Entschädigung abgelehnt, weil der Kläger nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden ist.

12

A. Hinsichtlich des in der Revisionsinstanz allein noch umstrittenen Entschädigungsanspruchs hat das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der zwischen den Parteien umstrittene Inhalt des Telefonats im Juli 2010 könne dahinstehen, da dem Kläger auch im Falle einer rechtzeitigen Geltendmachung ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht zustehe. Der Kläger habe den erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der weniger günstigen Behandlung seiner Bewerbung und seiner Behinderung nicht dargelegt. Soweit die Beklagte besondere Förderungspflichten nach § 81 Abs. 1 SGB IX gegenüber schwerbehinderten Menschen nicht erfüllt haben sollte, indiziere dies nicht die Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung. Denn diese habe er bei seiner Bewerbung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt. Die Beklagte habe daher die Tatsache, dass der Kläger behinderter Mensch sei, weder gekannt noch habe sie sie kennen müssen. Daher habe die Schwerbehinderung des Klägers nicht ursächlich für das Verhalten der Beklagten sein können. Wegen einer daneben womöglich noch erfolgten Benachteiligung wegen des Alters habe der Kläger jedenfalls die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG nicht eingehalten. Eine Benachteiligung wegen dieses Merkmals habe er klageweise erst mit einem Schriftsatz vom 12. Juli 2011 beim Arbeitsgericht geltend gemacht.

13

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Für eine Diskriminierung wegen seiner Schwerbehinderung hat der Kläger den erforderlichen Kausalzusammenhang nicht dargelegt. Daher hat die Beklagte bei der Besetzung der Stelle als Erster Tenor des Opernchores nicht gegen das Verbot verstoßen, einen schwerbehinderten Bewerber wegen seiner Behinderung zu benachteiligen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, §§ 7, 1 AGG). Ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX steht dem Kläger nicht zu.

14

I. Der persönliche Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eröffnet. Als Bewerber ist der Kläger „Beschäftigter“ iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Die Beklagte hat um Bewerbungen für ein von ihr angestrebtes Beschäftigungsverhältnis nachgesucht, ist also nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG Arbeitgeberin im Sinne des Gesetzes(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 18, AP AGG § 15 Nr. 12 = EzA AGG § 15 Nr. 20; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23, AP SGB IX § 81 Nr. 19 = EzA AGG § 15 Nr. 11).

15

II. Das Landesarbeitsgericht konnte es dahinstehen lassen, ob der Kläger seinen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG rechtzeitig geltend gemacht hat. Einen etwaigen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung hat er jedenfalls nicht binnen der Frist des § 61b ArbGG eingeklagt.

16

1. Bereits nach dem Gesetzeswortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss auch der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG), nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt (vgl. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55, BAGE 141, 48 = AP AGG § 15 Nr. 11 = EzA AGG § 15 Nr. 18). Innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs muss eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG erhoben werden(§ 61b Abs. 1 ArbGG). Es handelt sich in beiden Fällen um materiell-rechtliche Ausschlussfristen, der Anspruch verfällt also, wenn die Fristen nicht eingehalten worden sind (vgl. BAG 24. September 2009 - 8 AZR 705/08 -; ErfK/Koch 13. Aufl. § 61b ArbGG Rn. 2).

17

2. Schriftlich geltend gemacht hat der Kläger einen Entschädigungsanspruch wegen der aus seiner Sicht vorliegenden Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung und wegen seines Alters mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16. Dezember 2010. Die Entschädigungsklage wegen einer Diskriminierung als behinderter Mensch hat er am 14. März 2011 beim Arbeitsgericht eingereicht, ohne jedoch dabei auch klageweise geltend zu machen, eine Entschädigung stehe ihm auch zu, da er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Daher hat der Kläger jedenfalls hinsichtlich einer Altersdiskriminierung die Frist zur Klageerhebung nach § 61b Abs. 1 ArbGG nicht gewahrt.

18

Die Frist zur schriftlichen Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG wurde von ihm nur dann eingehalten, wenn er erstmalig durch das Schreiben der Beklagten vom 19. Oktober 2010 mitgeteilt bekommen hatte, dass er nicht ausgewählt worden sei und aus welchem Grund diese Entscheidung so getroffen worden war. Insoweit ist zwischen den Parteien strittig, ob die Beklagte in dem Telefonat während der zweiten Julihälfte 2010 durch den Chordirektor die ablehnende Entscheidung und die Begründung dafür mitgeteilt hat. Da es sich bei der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, deren Versäumung zur Unbegründetheit der Klage führt, konnte das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei von einer Beweisaufnahme zu dieser zwischen den Parteien strittigen Frage absehen. Darauf kommt es nicht an, wenn die Klage schon aus anderen Gründen materiell keinen Erfolg haben kann.

19

III. Mit der Ablehnung seiner Bewerbung hat der Kläger eine weniger günstige Behandlung erfahren als der letztlich ausgewählte erfolgreiche Bewerber. In Betracht kommt daher eine unmittelbare Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG, wenn diese Behandlung wegen der Behinderung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe erfolgte. Dass sich der Kläger im Verhältnis zum tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Bewerber in einer „vergleichbaren Situation“ befand, hat das Landesarbeitsgericht unterstellt, kann aber auch aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes vom Senat festgestellt werden.

20

1. Das Vorliegen einer vergleichbaren Situation setzt zunächst voraus, dass der Kläger objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet war, denn vergleichbar (nicht: gleich) ist die Auswahlsituation nur für Arbeitnehmer, die gleichermaßen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle aufweisen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13). Für das Vorliegen einer Benachteiligung ist es nämlich erforderlich, dass eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet wäre, nicht ausgewählt oder schon nicht in Betracht gezogen wurde. Könnte auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stünde dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Jenes Gesetz will vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren. Die objektive Eignung ist somit keine ungeschriebene Voraussetzung der Bewerbereigenschaft, sondern Kriterium der „vergleichbaren Situation“ iSd. § 3 Abs. 1 AGG(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 26, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 35, AP AGG § 3 Nr. 5 = EzA AGG § 15 Nr. 12).

21

Für die Beurteilung der objektiven Eignung ist nicht nur auf das formelle und bekannt gegebene Anforderungsprofil, das der Arbeitgeber erstellt hat, zurückzugreifen. Maßgeblich sind vielmehr die Anforderungen, die der Arbeitgeber an einen Bewerber in redlicher Weise stellen durfte. Zwar vermag der Arbeitgeber über den einer Stelle zugeordneten Aufgabenbereich und die dafür geforderten Qualifikationen des Stelleninhabers grundsätzlich frei zu entscheiden. Durch überzogene Anforderungen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben gedeckt sind, darf er allerdings die Vergleichbarkeit der Situation nicht willkürlich gestalten und dadurch den Schutz des AGG de facto beseitigen (vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 36, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

22

Während der private Arbeitgeber im Rahmen der dargelegten Grundsätze frei ist, welche Anforderungen er in seiner Stellenausschreibung an Bewerber stellt und ob er dann ggf. bei seiner Auswahlentscheidung von einzelnen dieser geforderten Qualifikationen abweicht, hat der öffentliche Arbeitgeber Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Jene Bestimmung gewährt einen Anspruch auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen(sog. Bestenauslese), zum anderen trägt er dem berechtigten Interesse des Bewerbers an seinem beruflichen Fortkommen Rechnung. Art. 33 Abs. 2 GG begründet zugleich ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl und auf deren Durchführung nur anhand der dort genannten Auswahlkriterien(sog. Bewerbungsverfahrensanspruch, vgl. BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 40, AP AGG § 15 Nr. 6 = EzA AGG § 15 Nr. 13).

23

2. Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten und zwischen den Parteien unstrittigen Sachverhalt können an der objektiven Eignung des Klägers für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle keine Zweifel bestehen. Die Ausschreibung enthielt die allgemein gehaltene Angabe, dass das Theater Bi für seinen Opernchor einen Ersten Tenor suche und ein Vorsingen geplant sei. Weitere sachliche Anforderungen wie zB Stimmvolumen und Lagerung der Stimme wurden nicht zum Ausdruck gebracht. Andererseits verfügte der Kläger über langjährige Erfahrungen als Sänger und konnte auf ein umfangreiches, auch aus Sicht der Beklagten interessantes Repertoire verweisen. Die Beklagte lud ihn wegen seiner bestehenden generellen, objektiven Eignung daher zu einem ersten Vorsingen ein. Dass der Kläger im weiteren Bewerbungsgang dann nicht in die Endausscheidung kam, beruht auf dem Auswahlverfahren und damit letztlich auf dem von der Beklagten zu verfolgenden Prinzip der Bestenauslese, hat aber mit der objektiven Eignung und damit mit der „Vergleichbarkeit“ des Klägers iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nichts zu tun.

24

IV. Die als unterlegener Bewerber erfahrene „ungünstigere Behandlung“ erfolgte jedoch nicht „wegen“ der Behinderung. Mit einem GdB 60 unterfällt der Kläger zwar ohne weiteres dem Behindertenbegriff des § 1 AGG, jedoch fehlt es an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen seiner Ablehnung und dem bei ihm vorliegenden Merkmal der Behinderung.

25

1. Der Kausalzusammenhang zwischen benachteiligender Behandlung und dem Merkmal der Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch diese motiviert ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund - die Behinderung - das ausschließliche Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Ausreichend ist vielmehr, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat (st. Rspr., BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, EzA AGG § 22 Nr. 6; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 42, AP AGG § 22 Nr. 4 = EzA AGG § 15 Nr. 17). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - aaO). Die Behinderung muss mithin nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt.

26

Hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verpöntem Merkmal ist in § 22 AGG eine Beweislastregelung getroffen, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Ein erfolgloser Bewerber genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines unzulässigen Merkmals vermuten lassen. Dies ist dann der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen - aus objektiver Sicht und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Denn durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32, AP AGG § 3 Nr. 9 = EzA AGG § 7 Nr. 2; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29, AP AGG § 22 Nr. 3 = EzA AGG § 22 Nr. 3).

27

Besteht eine derartige Vermutung für die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

28

2. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal - hier der Schwerbehinderung - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, AP AGG § 22 Nr. 5 = EzA AGG § 22 Nr. 6; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16).

29

3. Die Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen aus dem SGB IX kann grundsätzlich die Vermutungswirkung des § 22 AGG herbeiführen. Das Landesarbeitsgericht hat, insoweit von der Revision nicht angegriffen, festgestellt, dass die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin Verpflichtungen aus §§ 81, 82 SGB IX erfüllt hat, bei denen es nicht darauf ankommt, ob ihr die Schwerbehinderteneigenschaft eines Bewerbers bekannt war. Ob die Beklagte darüber hinaus Förderungspflichten verletzt hat, die gerade gegenüber dem Kläger als schwerbehindertem Bewerber bestanden, konnte das Landesarbeitsgericht offen lassen, da die Verletzung derartiger Pflichten jedenfalls nur dann eine Indizwirkung iSd. § 22 AGG auslöst, wenn ihr die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers bekannt gewesen ist oder sie sich aufgrund der Bewerbungsunterlagen diese Kenntnis hätte verschaffen können. Andernfalls kann der - objektiv vorliegende - Pflichtenverstoß dem Arbeitgeber nicht zugerechnet werden (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 37, AP AGG § 15 Nr. 9 = EzA AGG § 15 Nr. 16; vgl. 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19).

30

a) Soweit die Schwerbehinderteneigenschaft dem Arbeitgeber nicht nachweislich schon bekannt ist oder - etwa bei einem Vorstellungsgespräch - eine körperliche Behinderung offensichtlich bekannt wird, zB im Falle fehlender Gliedmaßen oder der Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benutzen, muss der Bewerber den Arbeitgeber über seine Schwerbehinderteneigenschaft informieren. Dies hat regelmäßig im Bewerbungsschreiben selbst unter Angabe des GdB, gegebenenfalls einer Gleichstellung zu geschehen, da der Arbeitgeber jedenfalls gehalten ist, bei jeder Bewerbung das eigentliche Bewerbungsschreiben zur Kenntnis zu nehmen (vgl. BAG 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 39, BAGE 127, 367). Sofern auf eine anderweitige Behinderung, die nicht unter das SGB IX fällt oder anerkannt ist, hingewiesen werden soll, ist die Behinderung iSd. AGG näher zu umschreiben. Wird die Information im Lebenslauf gegeben, so hat dies an hervorgehobener Stelle und deutlich, etwa durch eine besondere Überschrift hervorgehoben, zu geschehen. Im Falle einer Behinderung oder Schwerbehinderung wird ein Bewerbermerkmal mitgeteilt, über das nicht jede Bewerberin / jeder Bewerber verfügt. Durch den Hinweis sollen besondere Förderpflichten des Arbeitgebers ausgelöst werden. Wegen der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen und Rechte des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB iVm. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB)ist auch bei einer Bewerbung der Arbeitgeber über die besondere Situation des Bewerbers klar und eindeutig zu informieren. Daher sind „eingestreute“ oder unauffällige Informationen, indirekte Hinweise in beigefügten amtlichen Dokumenten, eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises etc. keine ordnungsgemäße Information des angestrebten Vertragspartners.

31

b) Unstrittig hatte die Beklagte keine positive Kenntnis von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers. Sie musste diese auch nicht kennen, da der Hinweis des Klägers in seinem Lebenslauf - zwar unterstrichen, aber an unerwarteter Stelle und unter einer irreführenden Überschrift - nicht ordnungsgemäß erfolgte und eher versteckt war. Dabei spielt es keine Rolle, dass die Beklagte als öffentliche Arbeitgeberin eine Reihe weiterer Pflichten nach dem SGB IX zu erfüllen hat als es privaten Arbeitgebern obliegt. Die Information über die Schwerbehinderteneigenschaft hat klar und unabhängig davon zu erfolgen, welche Rechtsfolgen durch sie ausgelöst werden. Infolge der vom Kläger nicht hinreichend gegebenen Information über seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch musste die Beklagte diese Eigenschaft nicht kennen. Ihre festgestellte Unkenntnis ist unschädlich. Daher konnte diese Eigenschaft des Klägers auch nicht kausal für seine Ablehnung als Bewerber um die ausgeschriebene Stelle sein. Der von ihm geltend gemachte und eingeklagte Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG hat keine Rechtsgrundlage, weil die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt sind.

32

C. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Wein    

        

    Pauli    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. Juni 2013 - 11 Sa 335/13 - teilweise aufgehoben, soweit der Klage stattgegeben wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht Hamm zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den die Klägerin aufgrund einer Benachteiligung als Frau bei einer Bewerbung geltend macht.

2

Die Klägerin ist gelernte Verwaltungsfachfrau. Sie ist verheiratet und Mutter eines schulpflichtigen Kindes, das im Zeitpunkt der Bewerbung sieben Jahre alt war. Die Beklagte, die in S einen Radiosender betreibt, suchte per Zeitungsanzeige für eine Vollzeitstelle eine/n „Buchhalter/-in“ mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung. Mit Schreiben vom 14. April 2012 bewarb sich die Klägerin unter Beifügung ihres Lebenslaufes. Sie erhielt unter dem 2. Mai 2012 eine Absage, der die Beklagte zu ihrer Entlastung die Bewerbungsunterlagen beifügte. Auf dem zurückgesandten Lebenslauf fand die Klägerin neben ihrer Textzeile „verheiratet, ein Kind“ den handschriftlich hinzugesetzten Vermerk „7 Jahre alt!“. Die so entstehende Wortfolge „ein Kind 7 Jahre alt!“ war durchgängig unterstrichen worden.

3

Mit Schreiben vom 6. Juni 2012 machte die Klägerin bei der Beklagten eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG geltend, was die Beklagte unter dem 21. Juni 2012 ablehnte. Am 20./23. Juli 2012 ging beim Arbeitsgericht die Klage auf Zahlung einer Entschädigung iHv. 3.000,00 Euro ein. Diese wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt. Am Ende der Klagebegründung wurde für die Klägerin ausgeführt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“. Im September 2012 teilte die Beklagte mit, das Bruttomonatsentgelt der fraglichen Stelle betrage 2.027,00 Euro. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2012 die Klage auf 6.081,00 Euro erweitert.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, wegen des handschriftlichen Vermerks auf dem zurückgesandten Lebenslauf sei davon auszugehen, ihre Bewerbung sei abgelehnt worden, weil sie ein siebenjähriges Kind zu betreuen habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sie im Lebenslauf das Alter ihres Kindes gar nicht angegeben habe, sondern die Beklagte sich dies selbst aus den Bewerbungsunterlagen errechnet haben müsse. Die Notiz indiziere, dass die Beklagte das Vorhandensein eines Kindes mit einer Vollzeittätigkeit nicht für kompatibel halte. Davon seien vorrangig Frauen betroffen. Die Indizwirkung werde nicht dadurch widerlegt, dass die Beklagte tatsächlich eine junge, nicht schwangere Frau eingestellt habe. Die Beklagte habe nicht erklären können, weshalb es zu dem Vermerk gekommen sei, wenn die Tatsache ihrer Mutterschaft und des Kindesalters bei der Einstellungsentscheidung keine Bedeutung gehabt haben solle.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.081,00 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Juni 2012 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags darauf verwiesen, dass sie eine Buchhalterin gesucht und schließlich eine junge verheiratete Frau befristet eingestellt habe, die neben einer Ausbildung zur Bankkauffrau über Kenntnisse zur Debitoren- und Kreditorenbuchhaltung verfügt habe. Die eingestellte Bewerberin habe über eine Weiterbildung als Bilanzbuchhalterin verfügt. Die Auswahlentscheidung sei allein nach der Qualifikation und unter fachlichen Gesichtspunkten getroffen worden. Familienstand und Betreuungspflicht gegenüber Kindern hätten keine Bedeutung gehabt. Die Notiz sei als Hilfestellung erfolgt, weil man so festgehalten habe, dass das Kind der Klägerin schon in der Schule und damit eine Vollzeitbeschäftigung möglich sei. Dass verheiratete Mütter auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Einstellungschancen hätten, träfe nicht zu.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht in Höhe von 3.000,00 Euro entsprochen und die Revision gegen sein Urteil zugelassen. Mit der nur von der Beklagten eingelegten Revision will diese das erstinstanzliche Urteil wiederherstellen lassen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Die vom Landesarbeitsgericht für seine Entscheidung gegebene Begründung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden.

9

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Benachteiligung der Klägerin durch Nichtberücksichtigung ihrer Bewerbung stelle keine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts dar. Das Merkmal der „Mutterschaft“ iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG umfasse nur Umstände, die unmittelbar mit der Schwangerschaft und der Geburt zusammenhängen. Jedoch sei die Klägerin mittelbar wegen ihres Geschlechts iSd. § 3 Abs. 2 AGG benachteiligt worden. Mit der Anmerkung der Beklagten auf dem Lebenslauf der Klägerin sei die Frage der Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Betreuung eines minderjährigen Kindes im Grundschulalter in den Blick genommen worden. In der Literatur, insbesondere aber aufgrund des Befundes des Mikrozensus 2010 stehe fest, dass wesentlich weniger verheiratete Frauen mit versorgungsberechtigten Kindern in Vollzeit arbeiteten als dies bei verheirateten Vätern der Fall sei. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stelle vor allem für Frauen eine besondere Herausforderung dar. Somit sei der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung zu bejahen. Einen über 3.000,00 Euro hinausgehenden Entschädigungsanspruch habe die Klägerin nicht binnen der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG eingeklagt.

10

B. Die Begründung des Berufungsurteils ist nicht frei von Rechtsfehlern.

11

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet.

12

1. Als Bewerberin ist die Klägerin „Beschäftigte“ nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG. Da die Beklagte um Bewerbungen für das von ihr angestrebte Beschäftigungsverhältnis nachgesucht hat, ist sie „Arbeitgeberin“ iSd. § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG(vgl. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17 und 20; 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 - Rn. 17 und 18, BAGE 142, 143; 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 23).

13

2. Ihren auf eine Benachteiligung wegen ihres Geschlechts gestützten Entschädigungsanspruch hat die Klägerin jedenfalls, soweit er in die Revision gelangt ist, innerhalb der Fristen des § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG geltend gemacht und eingeklagt.

14

a) Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 15 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle einer Bewerbung beginnt die Frist grundsätzlich mit dem Zugang der Ablehnung (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG) zu laufen, nicht jedoch vor dem Zeitpunkt, in dem der Bewerber von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt hat (BAG 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 55, BAGE 141, 48 = AP AGG § 15 Nr. 11).

15

Die Klägerin erhielt unter dem 2. Mai 2012 von der Beklagten die Absage, der die Bewerbungsunterlagen mit dem problematischen handschriftlichen Vermerk beigefügt waren. Unstreitig hat die Klägerin sodann schriftlich unter dem 6. Juni 2012 eine Entschädigung wegen Verstoßes gegen das AGG verlangt, was die Beklagte am 21. Juni 2012 ablehnte. Diese Geltendmachung wahrt die Frist des § 15 Abs. 4 AGG.

16

b) Nach der Ablehnung hat die Klägerin mit Eingang beim Arbeitsgericht am 20./23. Juli 2012 eine Entschädigungszahlung iHv. 3.000,00 Euro eingeklagt. Diese Klage, in deren Begründung die Klägerin ausführen lässt, sie mache „gegenwärtig einen Anspruch von insgesamt 3.000,00 Euro geltend“, wurde der Beklagten am 1. August 2012 zugestellt, womit auch die Dreimonatsfrist des § 61b Abs. 1 ArbGG gewahrt wurde.

17

c) Die Abweisung der darüber hinausgehenden Klage durch die Vorinstanzen ist rechtskräftig. Der Senat hat daher nicht darüber zu entscheiden, ob die Begründung des Berufungsgerichts, die spätere Klageerweiterung sei nach Ablauf der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG erfolgt und daher „aus den Gründen des § 61b Abs. 1 ArbGG abzuweisen“, rechtsfehlerhaft ist.

18

II. Das Berufungsgericht, das ausschließlich auf eine mittelbare Diskriminierung abgestellt hat, hat verkannt, dass eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung oder Äußerung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem Lebenslauf einer Frau von dem Verbot unmittelbarer Benachteiligung erfasst sein kann (§ 3 Abs. 1 AGG). Eine solche verbotene unmittelbare Benachteiligung ist stets vorrangig zu prüfen (vgl. EuGH 20. Oktober 2011 - C-123/10 - [Brachner] Rn. 55, Slg. 2011, I-10003; 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 26, Slg. 2007, I-10573; 9. September 2003 - C-25/02 - [Rinke] Rn. 32, Slg. 2003, I-8349; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour-Smith und Perez] Rn. 53, Slg. 1999, I-623).

19

1. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Bewerbungsablehnung benachteiligt. Eine solche Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Im Verhältnis zur tatsächlich eingestellten, erfolgreichen Person wurde die Klägerin weniger günstig behandelt.

20

2. Die Klägerin befand sich mit der letztlich ausgewählten Person in einer vergleichbaren Situation (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Zwar hat die Beklagte vorgetragen, ihre Einstellungsentscheidung hätte ausschließlich fachliche Gesichtspunkte gehabt. Damit hat sie jedoch nicht in Abrede gestellt, dass die Klägerin objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet gewesen wäre. In der Stellenausschreibung wurde (nur) ein/e Buchhalter/in mit abgeschlossener kaufmännischer Ausbildung gesucht. Spezielle Kenntnisse der Bilanzbuchhaltung wurden in der Ausschreibung nicht verlangt.

21

3. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem durch § 1 AGG verbotenen Anknüpfungsmerkmal muss ein Kausalzusammenhang bestehen. § 22 AGG trifft dabei hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zwischen Nachteil und verbotenem Merkmal eine Beweislastregelung, die sich zugleich auf die Darlegungslast auswirkt. Nach § 22 Halbs. 1 AGG genügt eine Person, die sich wegen eines der in § 1 AGG genannten Gründe für benachteiligt hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien vorträgt, die diese Benachteiligung vermuten lassen(BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 f. mwN; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 34 ff.; vgl. auch Art. 19 Abs. 1 RL 2006/54/EG). Bei der Prüfung eines solchen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände des Rechtsstreits im Sinne einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42 ff.; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 31 mwN; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158). Die vorgetragenen Tatsachen müssen darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung zumindest auch wegen jenes Merkmals erfolgt ist. Durch die Verwendung der Begriffe „Indizien“ und „vermuten“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität zulassen, die aber gleichwohl die Annahme rechtfertigen, dass die Kausalität gegeben ist(BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 32; 27. Januar 2011 - 8 AZR 580/09 - Rn. 29). Auf ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an (BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, aaO). Ist eine solche Vermutung für eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zu bejahen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.

22

4. Für die Vermutungswirkung des § 22 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund „Bestandteil eines Motivbündels“ ist, das die Entscheidung beeinflusst hat. Wie die von Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ dürfen auch die „Gründe“ des § 1 AGG nicht als Anknüpfungspunkt für eine benachteiligende rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(vgl. BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Es ist nicht erforderlich, dass der von Verfassungs oder Gesetzes wegen als Anknüpfungspunkt verbotene Grund ausschließliches oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25). Sollte die Beklagte vorliegend also an das Geschlecht der Klägerin bei ihrer benachteiligenden Behandlung angeknüpft haben, so musste dies nicht der vorherrschende Beweggrund, ihr Hauptmotiv oder die „Triebfeder“ ihres Verhaltens sein.

23

5. Bei der Beurteilung von Tatbeständen, die auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, sind die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder -gepflogenheiten maßgebend (RL 2006/54/EG, 30. Erwägungsgrund). Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I-6919). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist die freie Überzeugung des Tatsachengerichts unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Gerichte haben dabei darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der RL 2006/54/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42; BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 39).

24

6. Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob die von einem Bewerber vorgetragenen und unstreitigen oder bewiesenen (Hilfs-)Tatsachen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen, ist nur eingeschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen dem verpönten Merkmal - hier das Geschlecht der Klägerin - und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28; 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 34, BAGE 142, 158; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 36).

25

7. Eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts iSd. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG liegt nicht schon deswegen vor, weil die Klägerin bei ihrer Bewerbung wegen ihrer „Mutterschaft“ ungünstiger behandelt worden wäre.

26

a) Schwangerschaft und Mutterschaft sind untrennbar mit dem Geschlecht verbunden, sie können als Differenzierungsmerkmale ausschließlich Frauen nachteilig treffen. Das hat Eingang in Art. 2 Abs. 7 Unterabs. 3 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (RL 76/207/EWG) idF der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (RL 2002/73/EG) sowie später in Art. 2 Abs. 2 Buchst. c der die Richtlinie 76/207/EWG ablösenden Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (RL 2006/54/EG) gefunden (siehe nur Erwägungsgrund 23 RL 2006/54/EG). Der EuGH hat stets mit seiner Rechtsprechung unterstrichen, dass jede im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft erfolgende Schlechterstellung von Frauen eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt (EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 14, Slg. 1990, I-3941; 4. Oktober 2001 - C-438/99 - [Jiménez Melgar] Rn. 46, Slg. 2001, I-6915; vgl. 18. November 2004 - C-284/02 - [Sass] Rn. 35 f., Slg. 2004, I-11143). Unter „Mutterschaft“ ist aber nur der besondere Schutz der Frau im Zusammenhang mit einer kurz bevorstehenden oder gerade erfolgten Entbindung zu verstehen.

27

b) Die Tatsache, dass die Klägerin Mutter eines siebenjährigen Kindes ist, fällt nicht unter „Mutterschaft“, wie sie das AGG und das Unionsrecht unter besonderen Schutz stellen. Eine unmittelbare Diskriminierung in diesem Sinne liegt nicht vor.

28

8. Eine unmittelbare Benachteiligung einer Frau wegen ihres Geschlechts ist aber nicht auf die Fälle einer ungünstigeren Behandlung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft begrenzt. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG sieht bei diesen Umständen „auch“ eine unmittelbare Benachteiligung, was klarstellt, dass eine Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG nicht vom Gesetzgeber gewollt war(vgl. dazu die Gesetzesbegründung BT-Drs. 16/1780 S. 32). Zwar geht es bei der unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts um einen Grund, der ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter betrifft (EuGH 18. März 2014 - C-167/12 - [CD] Rn. 46 f.; 7. Dezember 2000 - C-79/99 - [Schnorbus] Rn. 33, Slg. 2000, I-10997). Solche Gründe sind jedoch nicht auf biologische Tatsachen zu reduzieren, die Männer und Frauen nicht in gleicher Weise betreffen können, wie sich zum einen an dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG („auch“), aber auch an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ablesen lässt(vgl. EuGH 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Slg. 1990, I-3941; vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 32).

29

a) Eine arbeitgeberseitige Äußerung, die dem anderen Geschlecht gegenüber nicht gemacht worden wäre, kann einen Grund iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG darstellen, wenn ausschließlich Arbeitnehmer eines der beiden Geschlechter davon betroffen sind. Darunter können auch Äußerungen fallen, die von tradierten Rollenmustern ausgehen und diese als Grundlage der Personalauswahl verdeutlichen. Dies kann auch eine arbeitgeberseitige Bezugnahme auf die tradierte Rollenverteilung in Familien einschließlich der damit einhergehenden pauschalen Annahme sein, eines der beiden Geschlechter sei hauptsächlich für die Kinderbetreuung zuständig und als Arbeitskraft deshalb weniger flexibel oder nur mit Einschränkungen verfügbar.

30

b) Ob die Anmerkung der Beklagten auf dem zurückgesandten Lebenslauf für die Personalauswahl und die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin in diesem Sinne Teil des Motivbündels war, obliegt der Beurteilung durch das Tatsachengericht und kann vom Senat nicht entschieden werden, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

31

aa) Eine arbeitgeberseitige handschriftliche Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“, kann an sich auf einem Lebenslauf bezüglich der in § 1 AGG genannten Gründe neutral sein, wenn sie bei allen sich bewerbenden Eltern gemacht würde, unabhängig vom Geschlecht und aus einer Motivation heraus, die mit dem AGG offensichtlich in Einklang steht, § 5 AGG. Dies etwa bei einem Arbeitgeber, der sich besonders für die berufliche Entwicklung von Eltern stark macht und bevorzugt diese bei Einstellungen berücksichtigt. Wird dagegen eine solche Anmerkung nur auf Lebensläufen weiblicher Elternteile gemacht, liegt darin eine direkte Benachteiligung „als Frau“, wenn die Äußerung auf die herkömmliche Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen bezogen ist und die Problematik der Vereinbarung von Kinderbetreuung und Berufstätigkeit demgemäß nur als Einstellungshindernis für Frauen und Mütter negativ in den Blick genommen wird. In einem solchen Fall ist eine dahin gehende Anmerkung des Arbeitgebers nicht neutral, sondern unmittelbar auf die Bewerberin als Frau bezogen. Ob ein solcher Fall unmittelbarer Benachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt, ist eine Frage der zu prüfenden Indizwirkung. Es ist nicht Aufgabe der Personalpolitik, die gesellschaftliche Rollenverteilung zu ändern (vgl. BAG 27. Januar 2011 - 8 AZR 483/09 - Rn. 32; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 74). Sie darf jedoch in der konkreten Personalentscheidung auch nicht zu Lasten einer Bewerberin an solche gesellschaftlichen Rollenverteilungen anknüpfen und sie in die Motivation der ablehnenden Entscheidung einbeziehen. Das Landesarbeitsgericht wird tatrichterlich zu entscheiden haben, ob beispielsweise in Ansehung des Mikrozensus 2010 vorliegend ein solches Vorgehen der Beklagten zu bejahen oder zu verneinen ist.

32

bb) Das Landesarbeitsgericht wird auch zu prüfen haben, ob die Art der Anmerkung und ihr Zustandekommen darauf hindeuten, dass darin tatsächlich eine solche unzulässige Motivation der Beklagten zum Ausdruck kommt. Es wird dabei die Betonung durch Unterstreichung und Ausrufezeichen sowie die Tatsache zu würdigen haben, dass die Klägerin bei ihrer Bewerbung das Alter ihres Kindes nicht angegeben hat, sondern dieses - aufwändig - von der Beklagten selbst errechnet wurde.

33

cc) Sofern das Landesarbeitsgericht bei erneuter Prüfung eine durch Hilfstatsachen ausgelöste Vermutung einer unmittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts bejaht, hat die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast - mit dem Beweismaß des Vollbeweises, § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO - dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Darzulegen und zu beweisen ist, dass die auf dem Lebenslauf der Klägerin vermerkte handschriftliche Ergänzung keine Anknüpfung an das Geschlecht beinhaltet, auch nicht im Sinne der dargestellten Rechtsprechung zum „Motivbündel“. Insofern hat das Landesarbeitsgericht rechtlich zutreffend schon überlegt, dass weder eine vermeintlich bessere Qualifikation der eingestellten Bewerberin von Bedeutung ist, noch der Umstand, dass die bevorzugte Bewerberin keine Kinder hat. Dass sich die Beklagte auf letztere Tatsache bisher berufen hat, deutet im Gegenteil eher darauf hin, dass bei der Beklagten geschlechtsbezogene Überlegungen bei der Einstellungsentscheidung durchaus eine Rolle gespielt haben können.

34

III. Die Begründung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Klägerin bei der Ablehnung ihrer Bewerbung mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt, was durch die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ auf dem zurückgesandten Lebenslauf indiziert werde, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, da das statistische Material des Mikrozensus 2010 darauf bezogen nicht aussagekräftig ist.

35

1. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

36

a) Der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung setzt das Vorliegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren voraus. Neutral iSv. § 3 Abs. 2 AGG sind die bezeichneten Regelungen stets dann, wenn sie nicht an einen verbotenen Anknüpfungsgrund nach § 1 AGG unmittelbar oder verdeckt zwingend anknüpfen. Als neutrale Regelungen kommen neben allen individual- und kollektivvertraglichen Vereinbarungen auch solche Einzelmaßnahmen - etwa in Gestalt von Weisungen - in Betracht, die auf die Aufstellung oder die Anwendung einer allgemeinen Regel bzw. eines verallgemeinernden Kriteriums zurückgehen (BAG 22. Juni 2011 - 8 AZR 48/10 - Rn. 36 f., BAGE 138, 166; HWK/Rupp 6. Aufl. § 3 AGG Rn. 6; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 4. Aufl. § 3 Rn. 74; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 21 f., die von einseitiger Aufstellung von Maßstäben oder Voraussetzungen durch den Arbeitgeber sprechen).

37

b) Für die Annahme einer mittelbaren Benachteiligung iSd. § 3 Abs. 2 AGG ist ein statistischer Nachweis nicht zwingend erforderlich, dass Personen, bei denen eines der Merkmale des § 1 AGG vorliegt, im Verhältnis zu Personen, bei denen dies nicht der Fall ist, zahlenmäßig wesentlich stärker von einer Vorschrift benachteiligt werden, wenn das Kriterium dazu typischerweise geeignet ist. Dies folgt aus dem Gesetzeswortlaut und entspricht dem unionsrechtlichen Gebot des effet-utile, wonach die Regelungen einer Richtlinie innerhalb ihres Geltungsbereichs tatsächliche Wirksamkeit entfalten sollen (BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

38

c) Nach der Rechtsprechung des EuGH wie des Senats können sich auch aus Statistiken grundsätzlich Indizien für eine Geschlechterdiskriminierung ergeben, also dafür, dass im Sinne einer mittelbaren Diskriminierung scheinbar neutrale Regelungen/Vorschriften, Kriterien, Leistungen oder Maßnahmen tatsächlich nur eine Gruppe von Merkmalsträgern, zB nur das eine Geschlecht überwiegend betreffen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine mittelbare Diskriminierung etwa dann anzunehmen, wenn sich aus den verfügbaren statistischen Daten ergibt, dass ein wesentlich geringerer Prozentsatz der weiblichen als der männlichen Arbeitnehmer die durch diese Regelung aufgestellten Voraussetzungen erfüllen kann (siehe EuGH 6. Dezember 2007 - C-300/06 - [Voß] Rn. 41, Slg. 2007, I-10573; 9. Februar 1999 - C-167/97 - [Seymour Smith und Perez] Rn. 59, Slg. 1999, I-623). Dabei ist es Sache des nationalen Gerichts zu beurteilen, ob die statistischen Daten über die Situation bei den Arbeitskräften aussagefähig sind und ob es sie berücksichtigen kann, ob sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie, generell gesehen, aussagekräftig erscheinen (EuGH 27. Oktober 1993 - C-127/92 - [Enderby] Rn. 17, Slg. 1993, I-5535).

39

2. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann eine mittelbare Diskriminierung der Klägerin wegen ihres Geschlechts infolge des handschriftlichen Zusatzes auf ihrem Lebenslauf nicht auf die statistischen Daten des Mikrozensus 2010 des Statistischen Bundesamtes gestützt werden.

40

a) Das Landesarbeitsgericht hat die Anmerkung „ein Kind 7 Jahre alt!“ als eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift oder als ein solches Differenzierungskriterium angesehen.

41

b) Bei einer mittelbaren Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG können Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die dem Anschein nach neutral sind, jedoch eine Gruppe von Merkmalsträgern wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber einer anderen Gruppe in besonderer Weise benachteiligten, auch durch nicht arbeitgeberbezogene Statistiken belegt werden(vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 966/08 - Rn. 20, BAGE 134, 160; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 29, BAGE 131, 342).

42

c) Im Grundsatz ist es daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den Mikrozensus 2010 als nicht arbeitgeberbezogene Statistik für die Beurteilung eines von ihm so verstandenen „dem Anschein nach neutralen Verhaltens“ herangezogen hat. Insoweit ist die Statistik des Mikrozensus jedoch vorliegend nicht aussagekräftig.

43

aa) Der Mikrozensus 2010 präsentiert Ergebnisse für verschiedene Lebensformen. Dem liegt das Lebensformenkonzept des Berichtsjahrs 2005 zugrunde, nach dem einerseits traditionelle Formen des (Zusammen-)Lebens wie Ehepaare oder Alleinstehende, andererseits alternative Lebensformen wie beispielsweise nichteheliche Lebensgemeinschaften oder Alleinerziehende unterschieden werden (Keller/Haustein Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Ergebnisse des Mikrozensus 2010, Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, Januar 2012 S. 30). In dem Lebensformenkonzept wird die Erwerbstätigkeit der Bevölkerung grundsätzlich entlang zweier „Achsen“ statistisch erfasst: Erstens der Elternschaft und zweitens der Partnerschaft. Die Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern sind als Anteil der aktiv erwerbstätigen Mütter und Väter an allen Müttern bzw. Vätern definiert. Die Vollzeitquote drückt den Anteil an allen aktiv Erwerbstätigen aus (vgl. Keller/Haustein aaO S. 31). Aus dem Mikrozensus geht hervor, dass Ehefrauen mit Kindern zu 60 %, verheiratete Väter zu 85 % berufstätig waren. Gravierende Unterschiede bestehen hinsichtlich des Umfangs der ausgeübten Tätigkeit, da nur 25 % der erwerbstätigen, verheirateten Mütter in Vollzeit arbeiteten im Gegensatz zu 95 % der verheirateten Väter (Keller/Haustein aaO S. 36/37).

44

bb) Von diesen Daten kann nicht auf eine mittelbare Benachteiligung der Klägerin als Bewerberin geschlossen werden. Der Mikrozensus untersucht nur, aufgeteilt in Lebensformen, die jeweilige Quote der Beschäftigung und in diesem Zusammenhang auch die Verteilung auf die Geschlechter. Vorliegend geht es jedoch nicht um eine Beschäftigung, sondern um eine angestrebte Beschäftigung, also um die Frage der Behandlung von Bewerbungen. Den Ergebnissen des Mikrozensus können keine Zahlenangaben/Geschlechterquoten hinsichtlich des Erfolges oder Misserfolges von Bewerbungen oder angestrebten Beschäftigungen in Vollzeitarbeit entnommen werden.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Burr    

        

    Bloesinger    

                 

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Juni 2008 - 15 Sa 198/08 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der schwerbehinderte Kläger eine Entschädigung beanspruchen kann, weil ihn die Beklagte bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses wegen seiner Behinderung benachteiligte.

2

Der 1954 geborene Kläger ist seit 1987 bei der Beklagten in deren Werk in Gelsenkirchen beschäftigt. Er ist gelernter Betriebsschlosser und verfügt über einen Facharbeiterbrief. Ferner ist er ausgebildeter Steuerfachangestellter. Er war zuletzt - jedenfalls bis April 2008 - als Montierer im Bereich der Rohrfertigung mit einer Tätigkeit der Entgeltgruppe 2 des Entgeltrahmenabkommens Metall NRW (im Folgenden: ERA) eingesetzt. Am Standort Gelsenkirchen beschäftigt die Beklagte 162 Mitarbeiter. Im Betrieb der Beklagten besteht ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung.

3

Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 70. Dieser beruht auf einer Herzerkrankung und Epilepsie. Wegen seiner Behinderung trägt er eine Kappe mit Verstärkung, die ihn bei einem Sturz schützen soll. Außerdem ist er mit einem Signalgeber ausgestattet, der anzeigt, wenn er gefallen ist. In einem Schreiben der Arbeitsmedizinisches Zentrum GmbH & Co. KG (AMZ) vom 19. September 2005 an die Beklagte heißt es, der Kläger solle, wenn eben möglich, an der Aushalsmaschine eingesetzt werden. Noch besser wäre angesichts seiner Vorbildung als „Steuerberatungshelfer eine Tätigkeit im Bürobereich“. Der den Kläger behandelnde Arzt bescheinigte in einem der Beklagten vorgelegten Attest am 19. Februar 2007, Tätigkeiten an gefährlichen Maschinen oder Geräten führten zu einer erhöhten Gefährdung und seien dem Kläger nicht mehr zumutbar.

4

Ende Februar 2007 erhielt der Personalleiter der Beklagten, Herr D., die Information, der als Materialdisponent der Produktserie „ecoTEC“ tätige Mitarbeiter verlasse zum 1. April 2007 den Betrieb. Die Beklagte schrieb deshalb unter dem 28. Februar 2007 intern und unter dem 3. März 2007 extern die frei werdende Stelle mit einer Bewerbungsfrist für die internen Bewerber bis zum 16. März 2007 aus. In der internen Stellenausschreibung waren die Anforderungen für die nach der Entgeltgruppe 11 des ERA bewertete Tätigkeit eines/einer Materialdisponent/en/in wie folgt umschrieben:

        

„Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung, vorzugsweise Industriekaufmann/-frau oder auch Facharbeiter/in in einem Metall- oder Elektroberuf. Weitere Anforderungen sind gute Teamfähigkeit, EDV-Kenntnisse (SAP/R3 Modul Materialwirtschaft sowie Word und Excel) und Kommunikationsfähigkeit.

        

Sie beherrschen die englische Sprache in Wort und Schrift.“

5

Der Kläger hatte sich bereits im Sommer 2006 erfolglos um dieselbe Stelle beworben. Die Beklagte schaltete zur Besetzung der freien Stelle weder die Agentur für Arbeit ein, noch beteiligte sie die Schwerbehindertenvertretung.

6

Mit Schreiben vom 5. März 2007 bewarb sich die Segmentleiterin Frau K., die in der Gerätemontage der Produktserie „ecoTEC“ beschäftigt war und Vergütung nach der Entgeltgruppe 9 des ERA bezog. Frau K. verfügte nicht über die geforderten guten Englischkenntnisse. Die Beklagte beantragte dennoch am 7. März 2007 beim Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung und Umgruppierung der Mitarbeiterin K. mit Wirkung zum 9. März 2007. Der Betriebsrat erteilte seine Zustimmung noch am 7. März 2007. Die Stelle ist seit 9. März 2007 mit Frau K. besetzt.

7

Innerhalb der Bewerbungsfrist bewarben sich vier weitere Betriebsangehörige, darunter der Kläger mit Schreiben vom 12. März 2007. Die Beklagte reagierte zunächst nicht auf die Bewerbung des Klägers. Erst als seine Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 9. Mai 2007 die Beklagte unter Hinweis auf das ärztliche Attest vom 19. Februar 2007 und das Schreiben der AMZ vom 19. September 2005 zu einer Stellungnahme zur Besetzung der Stelle sowie zur Bewerbung des Klägers aufforderte, ließ diese durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten am 18. Mai 2007 mitteilen, die Stelle sei anderweitig vergeben worden, weil dem Kläger ua. der für die Stelle erforderliche Facharbeiterbrief in einem Metallberuf bzw. eine Ausbildung zum Industriekaufmann fehle. Die Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 22. Juni 2007 noch einmal die Ablehnung. Darauf machte der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2007 geltend, er sei wegen seiner Schwerbehinderung im Bewerbungsverfahren diskriminiert worden, und forderte eine Entschädigung in Höhe von 12.000,00 Euro.

8

Mit seiner am 17. September 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 21. September 2007 zugestellten Klage verfolgt der Kläger diesen Anspruch.

9

Der Kläger hat behauptet, er sei für die ausgeschriebene Stelle der objektiv bestqualifizierte Bewerber gewesen. Frau K. habe nicht über die geforderte Berufsausbildung verfügt. Auch die anderen Bewerber hätten im Gegensatz zu ihm nicht sämtliche drei geforderten Voraussetzungen erfüllt. Er werde nicht auf einer Stelle eingesetzt, die den Empfehlungen der AMZ und des behandelnden Arztes entspreche. Er habe sich insgesamt fünfmal auf ausgeschriebene Stellen im Bürobereich beworben. Der Beklagten sei daher bestens bekannt gewesen, dass er sich wiederum aufgrund der Stellenausschreibung bewerben werde. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn aufgrund seiner Schwerbehinderung in seinem beruflichen Fortkommen benachteiligt. Darauf deuteten mehrere Indizien hin. Sie habe die Schwerbehindertenvertretung nicht gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterrichtet, die Agentur für Arbeit nicht beteiligt, und es sei mit ihm erst nach der Besetzung der Stelle ein Gespräch geführt worden. Indiziell bedeutsam seien auch die beschleunigte Durchführung des Auswahlverfahrens vor Ablauf der Bewerbungsfrist und der wahrheitswidrige vorgeschobene Ablehnungsgrund im Schreiben vom 18. Mai 2007. Die Beklagte habe sich durch die bis zum 16. März 2007 gesetzte Bewerbungsfrist selbst gebunden. Die voreilige Besetzung der Stelle mit einer an sich nicht geeigneten Bewerberin belege, dass es der Beklagten allein darum gegangen sei, seiner noch innerhalb der Bewerbungsfrist zu erwartenden Bewerbung zuvorzukommen. Die Beklagte habe zumindest grob fahrlässig gehandelt. Eine angemessene Entschädigung dürfe den Betrag von 12.000,00 Euro nicht unterschreiten.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Juli 2007 zu zahlen. Die Höhe der Entschädigung werde in das Ermessen des Gerichts gestellt, solle aber 12.000,00 Euro nicht unterschreiten.

11

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, von den am Standort Gelsenkirchen beschäftigten Arbeitnehmern seien zehn Mitarbeiter schwerbehindert. Die zum 1. April 2007 frei werdende Stelle habe kurzfristig mit einem Mitarbeiter besetzt werden müssen, der Kenntnis von den in Gelsenkirchen stattfindenden alten Dispositionsprozessen gehabt habe. Da Frau K. als ausgebildete Apothekenhelferin besonders für diese Stelle geeignet sei und man nicht davon ausgegangen sei, dass weitere bessere Bewerbungen erfolgen würden, habe man die Stelle bereits am 9. März 2007 mit dieser Bewerberin besetzt. Wegen der arbeitsbedingten Überlastung des Personalleiters sei die dem Kläger angekündigte mündliche Erörterung der Absage in Vergessenheit geraten.

12

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger habe bereits deshalb nicht benachteiligt werden können, weil seine Bewerbung erst nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens und der Besetzung der Stelle eingegangen sei. Die unterbliebene Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung, die fehlende Beteiligung der Arbeitsagentur, das im Nachhinein mit dem Kläger geführte Gespräch und die Ablehnungsschreiben könnten daher von vornherein keine Indizwirkung entfalten. Eine Pflicht zur Unterrichtung der Schwerbehindertenvertretung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX habe nicht bestanden, da die Stelle bei Eingang der Bewerbung des Klägers bereits besetzt gewesen sei. Die Abkürzung der Bewerbungsfrist sei unerheblich und habe im Übrigen alle Arbeitnehmer betroffen. Da sie die Quote gemäß § 71 SGB IX bereits übererfüllt habe und ferner mit einer Werkstatt für Behinderte zusammenarbeite, sei die Vermutung einer Benachteiligung unbegründet. Dem Kläger habe bereits seit März 2007 bekannt sein müssen, dass seine Bewerbung keine Aussicht auf Erfolg habe. Deshalb sei von einer Verfristung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs auszugehen. Schließlich habe sich der Kläger nicht ernsthaft um die Stelle, die neun Gehaltsstufen über seiner eingenommenen Position liege, beworben. Es sei ihm nur um eine Entschädigung gegangen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 2.500,00 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Klage durfte mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht abgewiesen werden. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf eine Entschädigung (§ 81 Abs. 2 SGB IX, § 15 Abs. 2 AGG). Der Senat kann nicht abschließend über die Höhe des Anspruchs entscheiden. Insoweit fehlen tatsächliche Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht nachzuholen und innerhalb seines tatrichterlichen Beurteilungsspielraums rechtlich zu würdigen haben wird.

15

A. Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen eines immateriellen Schadens (§ 15 Abs. 2 AGG) und nicht ein auf Erstattung eines Vermögensschadens gerichteter Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG). Der Klagebegründung kann nicht entnommen werden, dass der Kläger einen konkreten Verdienstausfall wegen der unterbliebenen Beförderung begehrt. Er benennt schon keinen Zeitraum, für den ein solcher geltend gemacht werden soll. Die Verwendung des Worts Entschädigung verdeutlicht zudem, dass es ihm um die Erstattung eines immateriellen Schadens geht und er die - im Übrigen auch nicht substantiiert begründete - Verdienstdifferenz von 774,00 Euro lediglich anführt, um eine Größenordnung für die Höhe der in das Ermessen des Gerichts gestellten Entschädigung vorzugeben.

16

B. Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Kläger durfte die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Damit wird dem Gericht über deren Höhe ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 38). Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zu oder hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss lediglich Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (Senat 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 18, BAGE 127, 367; BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 17 f., AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 17, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat einen Sachverhalt dargelegt, der dem Gericht grundsätzlich die Bestimmung einer Entschädigung ermöglicht, und den Mindestbetrag der angemessenen Entschädigung mit 12.000,00 Euro beziffert.

17

C. Die Klage ist begründet. Die Beklagte hat bei der Besetzung der Stelle eines Materialdisponenten im März 2007 gegen das Verbot verstoßen, schwerbehinderte Beschäftigte wegen ihrer Behinderung beim beruflichen Aufstieg zu benachteiligen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX). Der Kläger hat als benachteiligter schwerbehinderter Beschäftigter nach § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX, § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG Anspruch auf angemessene Entschädigung.

18

I. Das am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG findet iVm. der seit dem 18. August 2006 geltenden Fassung des § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auf den Streitfall Anwendung. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Benachteiligungshandlung (Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 15 mwN, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1). Die Entscheidungen der Beklagten, die unter dem 28. Februar 2007 und 3. März 2007 ausgeschriebene Stelle zu besetzen, ohne vorher die Arbeitsagentur einzuschalten und die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen sowie die Bewerbung des Klägers nicht zu berücksichtigen, wurden nach Inkrafttreten des AGG getroffen.

19

II. Der Anspruch ist entgegen der Meinung der Beklagten nicht „verfristet“. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG innerhalb der Frist des § 15 Abs. 4 AGG schriftlich geltend gemacht und die Klage auf Entschädigung innerhalb der in § 61b Abs. 1 ArbGG bestimmten Frist erhoben.

20

1. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, wenn keine andere tarifliche Regelung besteht. Das ist hier nicht der Fall. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit Zugang der Ablehnung.

21

a) Der Lauf der Frist für die schriftliche Geltendmachung begann nicht bereits im März 2007. Unerheblich ist, ob dem Kläger schon in diesem Monat bekannt wurde, dass Frau K. die Aufgaben einer Materialdisponentin wahrnahm. Zwar bedarf die Ablehnungserklärung des Arbeitgebers nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG keiner Schriftform. Damit der Fristlauf beginnen kann, ist eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Arbeitgebers erforderlich, aus der sich für den Beschäftigten aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers eindeutig ergibt, dass seine Bewerbung erfolglos war. Überträgt der Arbeitgeber einem anderen Mitarbeiter die Aufgaben der übertragenen Stelle, bedeutet das nicht zwangsläufig eine endgültige Besetzung der ausgeschriebenen Position. Denn aus der Sicht der Mitbewerbers ist nicht hinreichend zu erkennen, ob die Übertragung nur kommissarisch/vertretungsweise oder dauerhaft erfolgte. Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung, wonach im Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs die Frist erst mit dem Zugang der Ablehnung beginnt (vgl. auch Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 74), wird die Frist ohnehin nicht deshalb in Gang gesetzt, weil der Bewerber auf andere Weise erfährt, dass er die Stelle nicht bekommen hat (so aber Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 15 Rn. 54). Da der Arbeitgeber es in der Hand hat, den Zugang für die Ablehnung zu bewirken, besteht keine Notwendigkeit für eine nicht am Wortlaut orientierte Auslegung der gesetzlichen Regelung.

22

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte mit Schreiben vom 18. Mai 2007 eine Ablehnung iSv. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG erklärte oder eine solche erst mit Schreiben vom 22. Juni 2007 erfolgte. Denn der Kläger forderte die Beklagte bereits mit Schreiben vom 13. Juli 2007 zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 12.000,00 Euro auf. Da die Beklagte keine Anhaltspunkte vorgebracht hat, die auf einen späteren Zugang dieses Schreibens hindeuten, als er nach dem gewöhnlichen Postlauf anzunehmen ist (vgl. zum Zugang innerhalb der Postlaufzeit auch Senat 18. August 2009 - 9 AZR 517/08 - Rn. 25, AP TzBfG § 8 Nr. 28 = EzA TzBfG § 8 Nr. 24), ist von einem Zugang dieses Schreibens vor dem 19. Juli 2007 (§ 187 Abs. 1 BGB)auszugehen.

23

2. Die Klagefrist nach § 61b Abs. 1 ArbGG von drei Monaten nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs mit Schreiben vom 13. Juli 2007 ist gewahrt. Die Klage ist am 17. September 2007 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 21. September 2007 zugestellt worden (§ 253 Abs. 1 ZPO).

24

III. Die Voraussetzungen für eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erfüllt.

25

Der Entschädigungsanspruch setzt einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot voraus. Dies stellt § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG zwar nicht ausdrücklich klar, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang der Bestimmungen in § 15 AGG(BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 28, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Die Beklagte benachteiligte den schwerbehinderten Kläger wegen seiner Behinderung und verstieß damit gegen das Benachteiligungsverbot gemäß § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX.

26

1. Die Beklagte ist Arbeitgeberin iSv. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, § 6 Abs. 2 Satz 1 AGG. Der Kläger ist schwerbehinderter Beschäftigter iSv. § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Er ist Arbeitnehmer der Beklagten und hat einen Grad der Behinderung von wenigstens 50 (§ 2 Abs. 2 SGB IX).

27

2. Die Beklagte benachteiligte den schwerbehinderten Kläger wegen seiner Behinderung. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen dies vermuten. Die Beklagte hat diese Vermutung nicht widerlegt.

28

a) Die Beklagte benachteiligte den Kläger unmittelbar wegen seiner Behinderung. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG iVm. § 81 Abs. 2 Satz 2 SGB IX liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn ein schwerbehinderter Beschäftigter wegen seiner Behinderung eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

29

Der Kläger erfuhr im Bewerbungsverfahren um die ausgeschriebene Stelle eine weniger günstige Behandlung als die Mitarbeiterin K. Ein Nachteil im Rahmen einer Auswahlentscheidung, insbesondere bei einer Einstellung und Beförderung, liegt bereits vor, wenn der Beschäftigte nicht in die Auswahl einbezogen wird. Die Benachteiligung liegt in der Versagung der Chance (vgl. auch Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 22, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 31, AP AGG § 8 Nr. 1 = EzA AGG § 8 Nr. 1; Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 24). Dies wird durch § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG bestätigt. Danach wird für den Fall, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, nicht der Anspruch ausgeschlossen, sondern lediglich die Entschädigungshöhe begrenzt. Der Kläger und Frau K. befanden sich in einer vergleichbaren Situation, da sie sich beide um die intern ausgeschriebene Stelle innerhalb der von der Beklagten vorgegebenen Bewerbungsfrist beworben hatten. Während die Beklagte die Bewerbung von Frau K. inhaltlich prüfte, verwies sie den Kläger lediglich auf die bereits erfolgte Stellenbesetzung. Ihm wurde damit anders als Frau K. keine Bewerbungschance eingeräumt.

30

b) Die Beklagte behandelte den Kläger wegen seiner Behinderung weniger günstig.

31

Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Behinderung ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an die Behinderung anknüpft oder durch sie motiviert ist (vgl. BT-Drucks. 16/1780 S. 32). Ausreichend ist, dass die Behinderung Bestandteil eines Motivbündels ist, das die Entscheidung beeinflusst hat (Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 38, 40, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; vgl. auch Schleusener in Schleusener/Suckow/Voigt § 3 Rn. 11; Meinel/Heyn/Herms AGG § 3 Rn. 7; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 37). Es genügt, wenn vom Arbeitgeber unterlassene Maßnahmen objektiv geeignet sind, schwerbehinderten Menschen keine oder schlechtere Chancen einzuräumen (vgl. Senat 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 30, BAGE 127, 367; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 44, BAGE 119, 262, jeweils zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF). Ein schuldhaftes Handeln oder gar eine Benachteiligungsabsicht ist nicht erforderlich (Bauer/Göpfert/Krieger § 3 Rn. 10; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert § 3 Rn. 38; Schleusener in Schleusener/ Suckow/Voigt § 3 Rn. 12; vgl. Kamanabrou RdA 2006, 321, 325; aA Adomeit/Mohr NZA 2007, 179, 180 ff.).

32

aa) Nach der allgemeinen Darlegungs- und Beweislastregel muss grundsätzlich derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen (vgl. Zöller/Greger ZPO 28. Aufl. Vor § 284 Rn. 17a; Voigt in Schleusener/Suckow/Voigt § 22 Rn. 21). Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört auch die Kausalität zwischen Nachteil und Behinderung. Der Beschäftigte genügt gemäß § 22 AGG seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, die eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen. Dies ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht nach allgemeiner Lebenserfahrung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen der Behinderung erfolgte (vgl. BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 19, EzA AGG § 15 Nr. 6; vgl. zu § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 idF vom 23. April 2004 Senat 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 18, BAGE 119, 262). Liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Seite die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.

33

bb) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Nichteinschaltung der Schwerbehindertenvertretung begründe schon deshalb keine Vermutung für die Benachteiligung wegen der Behinderung, weil bei Besetzung der Stelle mit der Mitbewerberin noch keine Bewerbung des Klägers vorgelegen habe. Die Nichteinschaltung der Agentur für Arbeit sei bedeutungslos, da der Kläger nicht arbeitslos gewesen sei. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

34

(1) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, ist nur beschränkt revisibel. Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung bzw. Nichtüberzeugung von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen einer Behinderung und einem Nachteil kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. zu § 81 Abs. 2 SGB IX aF Senat 16. September 2008 - 9 AZR 791/07 - Rn. 41, BAGE 127, 367; vgl. zu § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB aF wegen geschlechtsbezogener Benachteiligungen auch BAG 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 27, AP AGG § 33 Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 611a Nr. 6).

35

(2) Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Entscheidung nicht stand. Sie ist fehlerhaft. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung vermuten. Als Vermutungstatsachen für einen Zusammenhang mit der Behinderung kommen alle Pflichtverletzungen in Betracht, die der Arbeitgeber begeht, indem er Vorschriften nicht befolgt, die zur Förderung der Chancen der schwerbehinderten Menschen geschaffen wurden (Düwell in LPK-SGB IX 2. Aufl. § 81 Rn. 50).

36

(3) Die Beklagte prüfte entgegen der ihr gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX obliegenden Pflicht vor der Besetzung der Stelle nicht, ob der freie Arbeitsplatz mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden konnte. Sie nahm insoweit weder eine interne Prüfung vor, noch schaltete sie die Agentur für Arbeit ein. Sie beteiligte ferner entgegen ihrer Verpflichtung nach § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nicht die Schwerbehindertenvertretung.

37

(a) Die Verpflichtung aus § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB IX trifft den Arbeitgeber entgegen der Auffassung der Beklagten unabhängig davon, ob er die Beschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt hat. Damit ist zwar weder ein Einstellungs- noch ein Beförderungsanspruch verbunden. Es soll aber erreicht werden, dass die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gefördert wird (Düwell in LPK-SGB IX § 81 Rn. 71, 73; vgl. Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 81 Rn. 1).

38

(b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts beschränkt sich diese Pflicht nicht auf bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldete Menschen. Das folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut. Danach hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze „insbesondere“ mit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden können. Die Hervorhebung dieser Personengruppe weist darauf hin, dass die Pflicht auch gegenüber anderen nicht arbeitslosen oder arbeitssuchenden schwerbehinderten Menschen bestehen soll. Damit ist der Arbeitgeber auch verpflichtet zu prüfen, ob der freie Arbeitsplatz mit einem bereits bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden kann (vgl. auch Deinert/Neumann Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen 2. Aufl. § 17 Rn. 82; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 11. Aufl. § 81 Rn. 2; Großmann GK-SGB IX Stand Februar 2010 § 81 Rn. 146).

39

(c) Auch bei dieser Prüfung ist die Schwerbehindertenvertretung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 6 iVm. § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zu beteiligen. Das entspricht dem Regelungszweck der weiteren Bestimmungen in § 81 SGB IX. In § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX wird nicht unterschieden, ob es sich um einen externen oder internen Bewerber handelt. Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB IX wird deutlich, dass der Arbeitgeber auch zu einer besonderen Förderung des beruflichen Weiterkommens des schwerbehinderten Menschen verpflichtet ist(Senat 10. Mai 2005 - 9 AZR 230/04 - zu B IV der Gründe, BAGE 114, 299). Der Arbeitgeber hat daher unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu prüfen, ob auch für einen bereits bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der freie Arbeitsplatz in Betracht kommt.

40

(d) Diesen ihr aus § 81 Abs. 1 Satz 1 und 6 SGB IX obliegenden Verpflichtungen kam die Beklagte nicht nach. Sie prüfte weder, ob der freie Arbeitsplatz mit bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann, noch prüfte sie unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung, ob der freie Arbeitsplatz mit einem bereits bei ihr beschäftigen schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden kann. Das begründet die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung.

41

(e) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Vermutung nicht entgegen, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung keine Kenntnis von der Bewerbung schwerbehinderter Menschen hatte. Denn sie besetzte die Stelle bereits vor Ablauf der von ihr selbst gesetzten und bekannt gegebenen Bewerbungsfrist.

42

(aa) Der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang einer Bewerbung besetzt wurde, schließt nicht generell eine Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(aA wohl LAG Baden-Württemberg 26. März 2009 - 11 Sa 83/08 - Rn. 29; zustimmend hierzu Bissels jurisPR-ArbR 32/2009 Anm. 4). Denn die Chance auf Einstellung oder Beförderung kann dem Bewerber oder Beschäftigten auch durch eine diskriminierende Gestaltung des Bewerbungsverfahrens genommen werden, zB weil ein Arbeitgeber die ausgeschriebene Stelle vor Ablauf einer von ihm gesetzten Bewerbungsfrist besetzt, er das Verfahren nach § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX vermeiden will oder ein diskriminierendes Verhalten des Arbeitgebers den Bewerber von einer früheren Bewerbung abhielt(vgl. auch EuGH 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Slg. 2008, I-5187).

43

(bb) So ist es hier. Die Beklagte verhinderte, dass alle schwerbehinderten Arbeitnehmer eine noch berücksichtigungsfähige Bewerbung abgeben konnten. Denn die schwerbehinderten Arbeitnehmer durften sich, solange die Beklagte nicht selbst die Abkürzung der Bewerbungsfrist betriebsintern bekannt gab, darauf einstellen, dass bis zum Fristablauf eingehende Bewerbungen noch bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt wurden. Die Beklagte kam damit nicht nur ihrer Prüfpflicht nicht nach. Sie verhinderte auch durch die vorzeitige Besetzung der Stelle, dass die Schwerbehindertenvertretung über Bewerbungen von schwerbehinderten Arbeitnehmern noch sinnvoll gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX unterrichtet werden konnte. Damit zeigte die Beklagte ein Verhalten, das objektiv geeignet war, schwerbehinderten Beschäftigten keine oder schlechtere Chancen als die ihnen gesetzlich zustehenden einzuräumen.

44

cc) Die Beklagte hat die Vermutung der Benachteiligung des Klägers nicht widerlegt. Ihr bisheriges Vorbringen rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Behinderung des Klägers in dem Motivbündel, das die Beklagte bei der Nichteinhaltung der Prüfpflicht und der Verkürzung der Bewerbungsfrist beeinflusste, nicht enthalten war.

45

(1) Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung wegen der Behinderung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber nach § 22 AGG die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Der Arbeitgeber muss das Gericht davon überzeugen, dass die Benachteiligung nicht - auch - auf der Schwerbehinderung beruht. Damit muss er Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung führten (vgl. Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 33, 37 f., AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 24, 49, AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19), und in seinem Motivbündel weder die Behinderung als negatives noch die fehlende Behinderung als positives Kriterium enthalten war.

46

(2) Die Beklagte ist zur Widerlegung der Benachteiligungsvermutung nicht auf die Gründe beschränkt, die sie in den Schreiben vom 18. Mai 2007 und 22. Juni 2007 anführte. Die Parteien eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits können materiellrechtlich regelmäßig alle Tatsachen vortragen, aus denen sich das Bestehen des erhobenen Anspruchs oder sein Nichtbestehen ergeben soll. Das Verbot des Nachschiebens bestimmter Tatsachen kann über den Erfolg des Rechtsstreits entscheiden. Diese einschneidende Rechtsfolge kann deshalb nur angenommen werden, wenn sie sich aus dem materiellen Recht unzweifelhaft herleiten lässt. An einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung fehlt es. Sie ergibt sich auch nicht aus § 81 Abs. 1 Satz 9 SGB IX. Denn dort ist nicht geregelt, dass der Arbeitgeber mit einem solchen Vorbringen prozessual ausgeschlossen wird, das nicht in der Begründung der Ablehnung benannt war (vgl. Senat 18. November 2008 - 9 AZR 643/07 - Rn. 52 ff., AP SGB IX § 81 Nr. 16 = EzA SGB IX § 81 Nr. 19).

47

(3) Die Beklagte beruft sich zur Widerlegung der Benachteiligungsvermutung ohne Erfolg darauf, die Mitbewerberin sei optimal für die Stelle geeignet. Mit besseren Bewerbern habe nicht gerechnet werden können.

48

Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Das folgt schon aus dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG. Danach ist selbst dann eine Entschädigung zu leisten, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Daran zeigt sich, dass die Bestimmungen in § 81 Abs. 2 SGB IX iVm. § 15 Abs. 2 AGG das Recht der schwerbehinderten Menschen auf ein diskriminierungsfreies Bewerbungsverfahren schützen(Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 42, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1; vgl. 3. April 2007 - 9 AZR 823/06 - Rn. 33, BAGE 122, 54).

49

(4) Die Beklagte hat auch keine substantiierten Tatsachen dafür vorgetragen, dass der Kläger objektiv nicht für die Besetzung der Stelle geeignet gewesen wäre. Sie beschränkt sich auf den Vortrag, der Kläger habe sich im Sommer 2006 auf dieselbe Stellenausschreibung „Materialdisponent“ beworben und sei nicht berücksichtigt worden, da er nach ihrer Auffassung für diese Aufgaben und die damit verbundenen Belastungen völlig ungeeignet sei. Angesichts der vom Kläger absolvierten Ausbildungen und seines Vortrags zu seinen EDV-Kenntnissen sowie seinem bisherigen beruflichen Einsatz ua. als Einsteller und Vertreter des Segmentleiters (Vorarbeiter) hätte die Beklagte näher begründen müssen, weshalb der Kläger nach einer kurzen Einarbeitungszeit, die ja auch Frau K. gewährt wurde, nicht in der Lage gewesen sein soll, die Aufgaben der ausgeschriebenen Stelle wahrzunehmen. Zudem hat der Kläger vorgetragen, dass er nach wenigen Tagen Einarbeitung mit dem aktuellen SAP-Programm umgehen könne. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass auch Frau K. das ausgeschriebene Anforderungsprofil nicht vollständig erfüllte. Sie verfügte zB nicht über die in der Ausschreibung geforderten guten Englischkenntnisse.

50

(5) Unerheblich ist, ob die Beklagte, wie sie behauptet, in ihren Betrieben die Mindestbeschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX erfüllt. Denn deren Erfüllung kann nicht ausschließen, dass beim beruflichen Aufstieg diskriminiert wird. Im Übrigen beschränkt § 81 SGB IX mit Ausnahme des Erörterungsverfahrens in § 81 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB IX die Förderungspflichten nicht auf Arbeitgeber, die ihre Quote nicht erfüllt haben. Die Erfüllung der Quote entbindet den Arbeitgeber deshalb nicht von seinen Förderungspflichten. Sie befreit ihn lediglich von der Zahlung der Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX.

51

(6) Auch die von der Beklagten behauptete Zusammenarbeit mit einer Behinderteneinrichtung/Behindertenwerkstatt ist nicht geeignet, die bestehende Vermutung zu widerlegen. Arbeitgeber, die Aufträge an anerkannte Werkstätten erteilen, haben nach § 140 SGB IX das Recht, ihre Ausgleichsabgabenschuld zu verringern, indem sie 50 vom Hundert des auf diese Arbeitsleistung entfallenden Rechnungsbetrags anrechnen dürfen. Diese Anrechnungsbefugnis steht mit den Förderungspflichten des Arbeitgebers aus § 81 SGB IX in keinem Zusammenhang.

52

3. Anhaltspunkte für einen Rechtfertigungsgrund gemäß § 8 AGG sind nicht ersichtlich.

53

4. Die Bewerbungsabsicht des Klägers war entgegen der Auffassung der Beklagten auch ernsthaft. Die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat keine Tatsachen für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers vorgetragen. Aus diesem Grund erweist sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ebenfalls nicht im Ergebnis als richtig (§ 561 ZPO).

54

a) Im Stellenbesetzungsverfahren kann zwar nur benachteiligt werden, wer sich subjektiv ernsthaft beworben hat. Das ist nicht der Fall, wenn der Beschäftigte/Bewerber nicht ernsthaft an der Stelle interessiert war, sondern in Wirklichkeit nur eine Entschädigung anstrebte (vgl. Senat 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 49 f. mwN, AP SGB IX § 82 Nr. 1 = EzA SGB IX § 82 Nr. 1) und sich damit rechtsmissbräuchlich verhielt.

55

b) Zweifel an der Ernsthaftigkeit können bereits dann bestehen, wenn der Bewerber, auch für ihn erkennbar, objektiv für die Stelle nicht in Betracht kam (BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 16, EzA AGG § 15 Nr. 6). Allein der Umstand, dass die hier ausgeschriebene Stelle mit der Entgeltgruppe 11 ERA bewertet wird und damit neun Entgeltstufen höher liegt als die Entgeltstufe, die der bisherigen Tätigkeit des Klägers entspricht, lässt keinen Rückschluss auf eine nicht ernsthafte Bewerbung zu. Denn die bisherige Entgeltgruppe des Klägers besagt nichts über dessen berufliche Qualifikation und Fähigkeiten, sondern bewertet nur die vom Kläger tatsächlich vertraglich geschuldete Tätigkeit.

56

c) Der Inhalt des Bewerbungsschreibens lässt ebenfalls nicht auf eine nicht ernsthafte Bewerbung schließen. Da der Kläger bereits bei der Beklagten beschäftigt war und er daher davon ausgehen konnte, dass der Beklagten seine bisherigen Tätigkeiten für sie und seine Ausbildungen bekannt waren, ist die Kürze des Bewerbungsschreibens nachvollziehbar. Im Übrigen gaben auch die übrigen Bewerber, einschließlich Frau K., in den Bewerbungsschreiben keine ausführlichen Begründungen hinsichtlich ihrer Eignung für die ausgeschriebene Stelle.

57

d) Die mehrmaligen Bewerbungen des Klägers um einen Arbeitsplatz im Bürobereich signalisieren gerade sein ernsthaftes Interesse an der ausgeschriebenen Stelle. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage ist, im Akkord zu arbeiten, und ihm im Jahr 2005 aus arbeitsmedizinischer Sicht ein Büroarbeitsplatz empfohlen wurde. Aus der erfolglosen Bewerbung um diese Stelle bereits im Jahr 2006 lässt sich ebenso wenig ein fehlendes ernsthaftes Interesse des Klägers herleiten. Die Chancen, eine Stelle zu erhalten, hängen regelmäßig von der jeweiligen Konkurrenzsituation ab. Es ist deshalb völlig üblich, sich mehrmals um gleiche Stellen zu bewerben, in der Hoffnung auf eine - zumindest in einem Verfahren - günstigere Konkurrenzsituation.

58

IV. Dem Kläger steht gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung zu. Der Senat kann hierüber nicht abschließend entscheiden. Hierzu bedarf es weiterer Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.

59

1. § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG räumt dem Gericht einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ein, um bei der Prüfung der Angemessenheit der Entschädigung die Besonderheiten jedes einzelnen Falls berücksichtigen zu können. Hängt die Höhe des Entschädigungsanspruchs von einem Beurteilungsspielraum ab, ist die Bemessung des Entschädigungsanspruchs grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters (BAG 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 80 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1).

60

2. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, welche Höhe angemessen ist und ob die Entschädigung in der Höhe auf drei Monatsgehälter begrenzt werden muss. Dabei hat es folgende Grundsätze zu berücksichtigen.

61

a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Nach § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 SGB IX aF galt die summenmäßige Beschränkung kraft Verweisung auf § 81 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB IX aF auch für den beruflichen Aufstieg. Eine entsprechende Regelung fehlt in § 15 AGG. Dies wird zum Teil für ein Redaktionsversehen gehalten (so Walker NZA 2009, 5, 7 mwN). Für eine Beschränkung der Entschädigungszahlung auf drei Monatsgehälter in den Fällen, in denen ein bereits beschäftigter Arbeitnehmer auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht die Beförderungsstelle erhalten hätte, spricht der sogenannte Erst-Recht-Schluss (vgl. auch Däubler/Bertzbach-Deinert § 15 Rn. 65; Meinel/Heyn/Herms § 15 Rn. 52; aA Schiek/Kocher AGG § 15 Rn. 47; Stein in Wendeling-Schröder/Stein § 15 Rn. 48). Auch der Wortsinn lässt diese Auslegung zu. Denn als Einstellung kann im weitläufigen Sinn auch die Übertragung einer anderen Arbeitsaufgabe im Rahmen einer Vertragsänderung bezeichnet werden. Der Gesetzeswortlaut lässt es aber nicht zu, die Entschädigungssumme im Fall des beruflichen Aufstiegs von vornherein nur auf die dreifache Vergütungsdifferenz zu beschränken, wenn der Beschäftigte die Stelle auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht erhalten hätte (so aber zu § 81 SGB IX aF Düwell in LPK-SGB IX 1. Aufl. § 81 Rn. 10; wie hier Däubler/Bertzbach-Deinert § 15 Rn. 65; Meinel/Heyn/Herms aaO; Knittel SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 124). Auch vom Gesetzeszweck lässt sich diese Auslegung nicht begründen. Die Entschädigung erfolgt allein wegen des immateriellen Schadens. Die Persönlichkeitsverletzung muss im Fall der Auswahl bei Aufstiegsentscheidungen keine geringere sein als bei einer nicht erfolgten erstmaligen Einstellung (vgl. Däubler/Bertzbach-Deinert aaO). Denn auch die Schwere der Verstöße ist bei der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen.

62

b) Der Arbeitgeber hat zu beweisen, dass der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre und damit die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG geregelte Höchstgrenze für die Entschädigungshöhe zum Tragen kommt(HWK/Annuß/Rupp 3. Aufl. § 15 AGG Rn. 9; Knittel § 81 Rn. 121; Meinel/Heyn/Herms § 15 Rn. 51; Schiek/Kocher § 15 Rn. 48; vgl. auch EuGH 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 36, Slg. 1997, I-2195). Das ergibt sich bereits aus der Gesetzesformulierung und Systematik, weil durch § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG von dem in § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG aufgestellten Grundsatz der nur durch das Kriterium der Angemessenheit begrenzten Entschädigungshöhe eine Ausnahme zugunsten des Arbeitgebers geschaffen wird. Diese Verteilung der Beweislast schließt allerdings nicht aus, dass der Beschäftigte im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast geltend machen muss, dass er bei einer benachteiligungsfreien Auswahl eingestellt worden wäre. Als Monatsverdienst iSv. § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG ist der Bruttoverdienst anzusehen, den der Beschäftigte erzielt hätte, wenn er eingestellt worden wäre(Däubler/Bertzbach-Deinert § 15 Rn. 61; Meinel/Heyn/Herms § 15 Rn. 45; Stein in Wendeling-Schröder/Stein § 15 Rn. 45).

63

c) Selbst wenn der Beschäftigte bei benachteiligungsfreier Auswahl die Stelle, um die er sich beworben hat, erhalten hätte, folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG nicht, dass die angemessene Entschädigung drei Monatsverdienste oder darüber hinaus betragen muss, da § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG lediglich eine Begrenzung der Entschädigungshöhe normiert. Vielmehr ist die Entschädigung durch das Tatgericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei § 15 Abs. 2 AGG um den Ersatz des immateriellen Schadens geht und nicht um den Ersatz von Vermögensschäden.

64

d) Nach § 563 Abs. 3 ZPO kann das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheiden, wenn das Urteil des Berufungsgerichts nur wegen eines Mangels in der Gesetzesanwendung aufzuheben und der Rechtsstreit entscheidungsreif ist(Senat 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 24, BAGE 127, 232). Das ist hier nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat keinerlei Feststellungen zu der angemessenen Höhe der Entschädigung getroffen. Die maßgeblichen Tatsachen sind nicht festgestellt worden. Bei der Festsetzung der angemessenen Entschädigung durch das Tatgericht sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (BAG 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38, EzA AGG § 15 Nr. 6; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, AP AGG § 15 Nr. 1 = EzA AGG § 15 Nr. 1). Das Landesarbeitsgericht wird in diesem Zusammenhang auch aufzuklären haben, ob eine Entschädigung angemessen ist, die den dreifachen Bruttomonatsverdienst übersteigt. Eine derartige Höhe kommt in Betracht, wenn der ausgeschriebene Arbeitsplatz bei benachteiligungsfreier Auswahl mit dem Kläger als dem am besten geeigneten Bewerber hätte besetzt werden müssen. Dazu muss das Landesarbeitsgericht noch Feststellungen zur Bestenauslese treffen. Gelangt das Landesarbeitsgericht zu der Überzeugung, dass der Kläger auch bei benachteiligungsfreier Auswahl die Stelle nicht erhalten hätte, greift nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG die „Deckelung“ der Entschädigung auf drei Bruttomonatsentgelte ein. Insbesondere wird das Berufungsgericht auch aufzuklären haben, welche Auswirkungen die Benachteiligung auf den Kläger hat. Die Sache ist deshalb gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

        

    Düwell    

        

    Gallner    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    B. Lang    

        

    Preuß    

                 

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. März 2013 - 25 Sa 2304/12, 25 Sa 311/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG.

2

Der Kläger ist nach erfolgreichem Universitätsstudium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation Diplom-Kommunikationswirt. Zudem hat er an der Universität Island Business Administration studiert. Studienbegleitend war er als universitärer Tutor tätig und beriet Studierende über Studieninhalte. Im Jahr 2006 leitete er das Projekt „B“ des B, mit dem ein Studierendenwettbewerb für Sozialmarketing durchgeführt wurde. Seit Januar 2009 ist er als freiberuflicher Kommunikationsberater tätig. Wegen einer Gehbehinderung ist er schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100.

3

Ende Oktober 2011 schrieb die beklagte Universität, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, für ihre Abteilung Gründungsservice die jeweils für die Dauer von zwei Jahren befristeten Stellen als Communitymanager/in und Gründungsberater/in aus. Voraussetzung war in beiden Fällen ein erfolgreich abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium oder das Vorhandensein gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen, betriebswirtschaftliches Verständnis oder Projektmanagementerfahrung, praktische Erfahrungen in den jeweiligen Aufgabenschwerpunkten sowie Begeisterung für die Förderung von Unternehmertum und Technologietransfer in der Universität. Beide Stellenausschreibungen enthielten den Hinweis „Schwerbehinderte werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt“. Es war jeweils eine Vergütung nach der EG 13 des Tarifvertrags zur Übernahme des TV-L für die Hochschulen im Land Berlin angegeben (mit einem Grundentgelt der ersten Stufe von monatlich jeweils 2.882,00 Euro brutto).

4

Die Beklagte veröffentlichte die Stellenausschreibungen auf ihrer Webseite und im Onlinemarkt der Wochenzeitung „D“. Sie nahm im Zusammenhang der beiden Stellenausschreibungen keine Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf und prüfte nicht die Möglichkeit der Besetzung der Stellen mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen (Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX). Der frei werdende und neu zu besetzende Arbeitsplatz wurde der Agentur für Arbeit entgegen § 82 Satz 1 SGB IX nicht gemeldet.

5

Mit Schreiben vom 7. November 2011 bewarb sich der Kläger auf beide Ausschreibungen. In seinem Schreiben hieß es ua.:

        

„Meine berufspraktischen Erfahrungen sowie der erfolgreiche Abschluss meines Studiums habe ich mit einer Schwerbehinderung erreicht, die weder meine geistige noch meine soziale Kompetenz beeinflusst. Dabei bin ich weder auf fremde Hilfe noch auf andere Hilfsmittel angewiesen.“

6

Nach einer Vorauswahl anhand der eingegangenen Bewerbungsunterlagen lud die Beklagte den Kläger als einen von acht Kandidat/inn/en für die Stelle als Communitymanager/in und als einen von neun für die Stelle als Gründungsberater/in zu zwei Gesprächsterminen am 25. und 30. November 2011 ein. Im jeweiligen Termin war zunächst ein 25-minütiger schriftlicher Test mit praktischen Fragen zum Aufgabenschwerpunkt zu absolvieren. Zudem fand im Verlauf der ca. 30-minütigen Gespräche je ein kurzes Rollenspiel zur Kommunikationsfähigkeit statt. An den Gesprächen - wie auch an der abschließenden Auswahl - nahmen neben der Leiterin der Abteilung Gründungsservice - Frau M - ua. ein Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Schwerbehindertenvertretung teil. Im ersten Termin des Klägers wurde angesprochen, dass der Umzug der Abteilung Gründungsservice in ein Gebäude ohne Fahrstuhl mit Arbeitsräumen im ersten und zweiten Obergeschoss geplant sei.

7

Der Kläger erfuhr von dem für ihn erfolglosen Ausgang des Bewerbungsverfahrens durch eigene Nachfrage im Dezember 2011 (in der 50. Kalenderwoche). Die Stelle als Communitymanager/in erhielt eine Mitbewerberin; für die Tätigkeit als Gründungsberater/in wurden zwei Mitbewerberinnen in Teilzeitarbeit eingestellt, darunter eine mit einer Behinderung (GdB von 30). Mit Schreiben vom 10. Januar 2012 machte der Kläger gegenüber der Beklagten, die mit Schreiben vom 23. Januar 2012 antwortete, erfolglos Entschädigungsansprüche iHv. insgesamt 17.292,00 Euro (pro Stelle drei Bruttomonatsentgelte) geltend. Am 14. Februar 2012 reichte er seine Klage beim Arbeitsgericht ein.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Vermutung einer Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung ergebe sich bereits aus der Verletzung der Prüf- und Meldepflicht des § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX. Folglich gehe nach § 22 AGG die Beweislast auf die Beklagte über, die die von ihm vorgebrachten Indizien nicht widerlegt habe. Zudem seien durch Ablauf, Wortwahl und die Art und Weise des Gesprächs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl ausreichend Hilfstatsachen vorhanden, die zur Annahme einer Benachteiligung des Klägers wegen der Behinderung führten. Die Abteilungsleiterin habe ihn am Gesprächsende nach der Art seiner in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Schwerbehinderung und der damit verbundenen Einschränkung gefragt. Er habe erwidert, dass es sich um eine Gehbehinderung handele, die ihn nicht einschränke. Nur beim Treppensteigen habe er Schwierigkeiten. Daraufhin sei eine ihn verunsichernde „Totenstille“ eingetreten und er habe ergänzt, dass ein Aufzug für ihn hilfreich sei. Die Abteilungsleiterin habe sodann gefragt, wie er die im Haus des Bewerbungsgesprächs befindlichen Stufen „gepackt“ habe. Er habe geantwortet, dass er Treppen steigen könne, wenn ein Geländer vorhanden sei. Nachdem daraufhin die Abteilungsleiterin gemeint habe, er brauche dann wohl keinen Aufzug, habe er sich erkundigt, ob seine Gehbehinderung ein Problem darstelle. Erst dann sei der anstehende Umzug der Abteilung einschließlich der zukünftigen Notwendigkeit des Treppensteigens erklärt worden.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch einen Betrag iHv. 17.292,00 Euro nicht unterschreiten sollte.

10

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Behinderung des Klägers habe keine Rolle im Bewerbungsverfahren gespielt und der Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX sei nicht kausal für die Nichteinstellung des Klägers, der durch die Einladung zum und Teilnahme am Bewerbungsgespräch die gebotene Chance erhalten habe. Auf beide Stellen seien Personen eingestellt worden, die sich durch mehr Erfahrungen, Kompetenzen, konkrete Ideen in der Umsetzung und durch eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit ausgewiesen hätten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung iHv. 5.764,00 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Im Umfang ihres Unterliegens hat die Beklagte dagegen Berufung eingelegt; der Kläger hat mit seiner Anschlussberufung seine Forderung im Hinblick auf weitere 11.528,00 Euro nebst Zinsen verfolgt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die Klage insgesamt ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

13

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger habe keine ausreichenden Indizien für eine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vorgetragen. Weder bei einer Einzel- noch bei einer Gesamtbetrachtung ergebe sich die vom Kläger behauptete Vermutungswirkung iSd. § 22 AGG.

14

Zwar sei die Verletzung der Prüf- und Meldepflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB IX grundsätzlich als Vermutungstatsache für einen Zusammenhang zwischen Benachteiligung und Behinderung geeignet. Jedoch liege im Streitfall keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme vor, die Beklagte als Arbeitgeberin sei an einer Bewerbung schwerbehinderter Menschen nicht interessiert gewesen und habe möglichen Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen wollen. Dies zeige sich daran, dass der Kläger, dessen Schwerbehinderung aus dem Bewerbungsschreiben bekannt gewesen sei, mit den Einladungen zu beiden Vorstellungsgesprächen die Möglichkeit erhalten habe, die Beklagte von seiner persönlichen Eignung und Befähigung zu überzeugen. Die Beklagte habe zudem bei den im Internet der Öffentlichkeit zugänglichen Stellenausschreibungen ausdrücklich den Hinweis auf bei gleicher Eignung bevorzugte Einstellung schwerbehinderter Menschen gegeben und die Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen einbezogen.

15

Auch der vom Kläger behauptete Ablauf des ersten Bewerbungsgesprächs - der zu seinen Gunsten als wahr unterstellt werden könne -, insbesondere die von der Beklagten bestrittene Frage nach der Art seiner Schwerbehinderung, begründe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die Behinderung des Klägers in dem Motivbündel der Auswahlentscheidung eine Rolle gespielt habe. Diese Frage sei vor dem Hintergrund des bevorstehenden Umzugs in ein Gebäude ohne Fahrstuhl offensichtlich auf die Klärung bezogen gewesen, ob und inwieweit seine körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehen könne. Die abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin, er brauche dann wohl keinen Aufzug, zeige, dass auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstehe.

16

B. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

17

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Der Kläger ist als Bewerber Beschäftigter (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG) und die Beklagte Arbeitgeberin (§ 6 Abs. 2 Satz 1 AGG)iSd. AGG (vgl. ua. BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 17).

18

II. Die zweimonatige Geltendmachungs- und die im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch maßgebende dreimonatige Klagefrist (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG) sind eingehalten worden.

19

1. Dahinstehen kann dabei, ob dem Kläger bereits bei seiner eigenen Nachfrage im Dezember 2011 eine „Ablehnung“ iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zugegangen ist.

20

a) Seinen Vortrag, er habe auf Nachfrage erfahren, eine für ihn negative Entscheidung sei getroffen worden, müsse jedoch noch „durch den Personalrat gehen“, haben die Vorinstanzen nicht weiter aufgeklärt oder gewürdigt. Es wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob dem Kläger - wie er ausgeführt hat - tatsächlich keine letztliche Absage zugegangen ist.

21

b) Unterstellt, die Antwort auf seine telefonische Nachfrage in der 50. Kalenderwoche des Jahres 2011 (also von Montag dem 12. Dezember bis vermutlich Freitag dem 16. Dezember 2011), sei als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG aufzufassen, so wahrt seine per Telefax und einfacher Post erfolgte schriftliche Geltendmachung vom 10. Januar 2012 die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage, der Beklagten am 23. Februar 2012 „demnächst“ iSd. § 167 ZPO zugegangen, wahrt die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

22

2. Spätestens das Schreiben der Beklagten vom 23. Januar 2012 als Antwort auf seine Geltendmachung vom 10. Januar 2012 ist als Ablehnung iSd. § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG zu verstehen. Jedenfalls die am 14. Februar 2012 eingereichte Klage wahrt sowohl die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG als auch die Klagefrist des § 61b Abs. 1 ArbGG.

23

III. Das Landesarbeitsgericht hat den geltend gemachten Entschädigungsanspruch ohne Rechtsfehler verneint. Die weniger günstige Behandlung des Klägers ist nicht wegen seiner Behinderung erfolgt.

24

1. Voraussetzung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG(zur Bezugnahme auf die Voraussetzungen in § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG - ohne die des Verschuldens nach § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG - vgl. BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 25; BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 14, BVerwGE 139, 135). Nach näherer Maßgabe des AGG sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund (hier: wegen einer Behinderung) in Bezug auf die Bedingungen für den Zugang zu unselbstständiger Erwerbstätigkeit, einschließlich der Auswahlkriterien und der Einstellungsbedingungen, unabhängig vom Tätigkeitsfeld und von der beruflichen Position unzulässig(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). Eine verbotene (§ 7 AGG) unmittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

25

Bei einer Behinderung iSd. § 1 AGG(zum Begriffsverständnis ausführlich: BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 57 ff. mwN) kommt es auf einen bestimmten GdB nicht an (BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 32 mwN). Voraussetzung ist also nicht, wie beim Kläger jedoch gegeben, eine Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 SGB IX.

26

2. Der Nachteil des Klägers iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 7 AGG beim Zugang zu einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG) besteht in der Nichteinstellung.

27

3. Der Kläger hat eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer „vergleichbaren Situation“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AGG). Diese Voraussetzung - deren Erfüllung das Landesarbeitsgericht letztlich dahinstehen gelassen hatte - liegt vor.

28

a) Die Feststellung einer unmittelbaren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG setzt voraus, dass die gegeneinander abzuwägenden Situationen vergleichbar sind. Dabei müssen die Situationen nicht identisch, sondern nur vergleichbar sein. Die Prüfung dieser Vergleichbarkeit darf nicht allgemein und abstrakt, sondern muss spezifisch und konkret erfolgen (zur Auslegung der übereinstimmenden Maßgabe in Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG ua. EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 32 f. mwN; 10. Mai 2011 - C-147/08 - [Römer] Rn. 41 ff., Slg. 2011, I-3591; 1. April 2008 - C-267/06 - [Maruko] Rn. 67 ff., Slg. 2008, I-1757; ebenfalls BAG 7. Juni 2011 - 1 AZR 34/10 - Rn. 29, BAGE 138, 107). Der Vergleich der jeweiligen Situationen ist fallbezogen im Zusammenhang der jeweils streitgegenständlichen Benachteiligung zu bestimmen: Bezugspunkt kann das Ziel einer eine Ungleichbehandlung festsetzenden Regelung (EuGH 12. September 2013 - C-614/11 - [Kuso] Rn. 45 mwN), einer Leistung (EuGH 12. Dezember 2013 - C-267/12 - [Hay] Rn. 33 mwN) oder einer sonstigen Maßnahme (EuGH 30. September 2010 - C-104/09 - [Roca Álvarez] Rn. 24 f., Slg. 2010, I-8661) sein. In jedem Fall darf die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte (hier bezogen auf die Richtlinie 2000/78/EG) nicht durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert (Grundsatz der Effektivität) werden (ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23).

29

b) Vorliegend ist es nicht erforderlich, die Voraussetzungen der „vergleichbaren Situation“ bezogen auf Bewerbungsverfahren und Auswahlentscheidungen im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG näher zu benennen. Nach Wortlaut, Eigenart und Ziel dieses Entschädigungsanspruchs werden auch Personen erfasst, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären. Für den Fall, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, wird nicht der Anspruch ausgeschlossen, sondern lediglich die Entschädigungshöhe begrenzt (BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 29). Es muss nicht entschieden werden, wie weit oder eng damit die Anforderung einer vergleichbaren Situation im Zusammenhang des § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zu verstehen ist. Selbst bei einem auf Erfüllung einzelner Anforderungen der Stellenausschreibung bezogenem Verständnis der Maßgabe der „vergleichbaren Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt diese hier vor. Die Beklagte hat den Kläger in die engere Wahl einbezogen und ihn zu beiden Bewerbungsgesprächsrunden eingeladen. Damit ist sie davon ausgegangen, dass er die in den beiden veröffentlichten Stellenausschreibungen formulierten Anforderungen (jedenfalls iSv. § 82 Satz 3 SGB IX) erfüllt.

30

4. Der Kläger ist nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden.

31

a) Nach § 22 Halbs. 1 AGG iVm. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast, wenn sie Indizien (Richtlinie 2000/78/EG: Tatsachen) vorträgt, die ihre - hier unmittelbare - Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen(ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 26; gleichbedeutend ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37). Im Hinblick auf diesen Kausalzusammenhang (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25 mwN) sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 50; 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42, 44 f.; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 24. April 2008 - 8 AZR 257/07 - Rn. 44).

32

b) Innerhalb der damit vorzunehmenden Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts kommt es nach der Rechtsprechung des Senats auf Vorgaben des nationalen Verfassungsrechts zum „Bestandteil eines Motivbündels“ an. Die Beweiswürdigung ist nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des Beweismaßes des § 22 AGG vorzunehmen.

33

aa) Für die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG ist es ausreichend, dass ein in § 1 AGG genannter Grund (oder mehrere) ein „Bestandteil eines Motivbündels“ ist (sind), das die Entscheidung beeinflusst hat.

34

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die in Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG genannten „Merkmale“ (ua. Geschlecht, Rasse, Behinderung) - bzw. in der Begrifflichkeit von § 1 AGG „Gründe“ - nicht als Anknüpfungspunkt für eine (benachteiligende) rechtliche Ungleichbehandlung herangezogen werden(BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 1 der Gründe, BVerfGE 85, 191). Dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende „Grund“ das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist. Er muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; eine bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 25).

35

So darf bei einer Entscheidung über eine Stellenbesetzung kein in § 1 AGG genannter Grund zu Lasten des Bewerbers/der Bewerberin berücksichtigt werden. Eine unzulässige Berücksichtigung wäre bereits dann gegeben, wenn in dem Motivbündel, das die Entscheidung des (potentiellen) Arbeitgebers beeinflusst hat, ein in § 1 AGG genannter Grund als negatives oder (sein Fehlen) als positives Kriterium enthalten ist(vgl. zu Art. 3 Abs. 2, Art. 3 Abs. 3 GG bzw. dem früheren § 611a Abs. 1 BGB: BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - zu II 1 a der Gründe, BVerfGK 9, 218; 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 d der Gründe, BVerfGE 89, 276; BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 32, BAGE 142, 158; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 31; 5. Februar 2004 - 8 AZR 112/03 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 109, 265; BGH 23. April 2012 - II ZR 163/10 - Rn. 37, BGHZ 193, 110).

36

(2) Der von Verfassungs wegen zu beachtende Maßstab zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist auch unionsrechtskonform.

37

(a) Nach den betroffenen Richtlinien des Unionsrechts (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG, 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; vgl. auch Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 2006/54/EG) steht es den Mitgliedstaaten frei, abweichend von den jeweiligen Richtlinienvorgaben für die klagende Partei günstigere (Beweislast-)Vorschriften (wozu auch eine günstigere Auslegung von § 22 AGG gehört) einzuführen oder beizubehalten. Zudem ist teilweise eine Absenkung des in den Mitgliedstaaten bereits bestehenden Schutzniveaus ausdrücklich untersagt (25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/43/EG, 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/78/EG). Weiterhin sind die Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten zu bewerten (15. Erwägungsgrund der Richtlinien 2000/43/EG und 2000/78/EG sowie 30. Erwägungsgrund der Richtlinie 2006/54/EG; EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 37; 21. Juli 2011 - C-104/10 - [Kelly] Rn. 31, Slg. 2011, I-6813).

38

(b) Die Rechtsprechung zum „Bestandteil eines Motivbündels“ ist für die klagende Partei mindestens gleich im Schutzniveau wie die genannten Vorgaben des Unionsrechts. Demgegenüber enthält das Unionsrecht kaum nähere Vorgaben zum „wie“ der vorzunehmenden Gesamtwürdigung. In älterer Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wurde für den Kausalzusammenhang auf einen „wesentlichen Grund“ (EuGH 5. Mai 1994 - C-421/92 - [Habermann-Beltermann] Rn. 14, Slg. 1994, I-1657; 8. November 1990 - C-177/88 - [Dekker] Rn. 10 und 17, Slg. 1990, I-3941) abgestellt. Zudem kommt es auf ein „stichhaltiges Indiz“ (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] - Rn. 51) an.

39

bb) Nach dem 15. Erwägungsgrund der hier maßgebenden Richtlinie 2000/78/EG sind bei der Beurteilung von Tatbeständen, die ua. auf eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung schließen lassen, die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten maßgebend. Die Beweiskraft der vorgelegten Beweismittel ist nach den Regeln des innerstaatlichen Rechts zu beurteilen (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10 und C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 79, 82, Slg. 2011, I - 6919; vgl. auch EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 42 mwN). Maßgebend für die Beweiswürdigung ist daher die freie Überzeugung des Tatsachengerichts gemäß § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Zugrundelegung des abgesenkten Beweismaßes des § 22 AGG. Es reicht aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit die Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lässt(vgl. ua. BAG 15. März 2012 - 8 AZR 160/11 - Rn. 63; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 19). Dabei haben die Gerichte darüber zu wachen, dass im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 42).

40

c) Besteht eine Benachteiligungsvermutung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (ua. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 - C-54/07 - [Feryn] Rn. 32, Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 27). Auch dafür gilt § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO, allerdings mit dem Beweismaß des sog. Vollbeweises.

41

Die dafür von Verfassungs wegen zu beachtende Rechtsprechung zum „Motivbündel“ (vgl. oben Rn. 34 f.) ist für die klagende Partei nicht ungünstiger als die des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den einschlägigen Richtlinien. Nach Letzterer kann der (potentielle) Arbeitgeber im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung den Anschein einer Diskriminierung grundsätzlich mit einem Bündel übereinstimmender Indizien widerlegen (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 58). Gemäß der Rechtsprechung zum „Motivbündel“ sind Tatsachen und Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als ua. die Behinderung, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben (grundlegend zu Art. 3 Abs. 2 GG und dem früheren § 611a Abs. 1 BGB bereits: BVerfG 16. November 1993 - 1 BvR 258/86 - zu C I 2 e der Gründe, BVerfGE 89, 276). In dem Motivbündel des (potentiellen) Arbeitgebers darf der betreffende Grund - hier die Behinderung - weder als negatives noch - die fehlende Behinderung - als positives Kriterium enthalten gewesen sein (BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 188/12 - Rn. 41; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58).

42

d) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene tatrichterliche Überzeugung ist nur beschränkt revisibel. Sie kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sich das Landesarbeitsgericht entsprechend diesem gesetzlichen Gebot mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. ua. BAG 27. März 2014 - 6 AZR 989/12 - Rn. 37; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 28).

43

e) Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Urteil des Landesarbeitsgerichts stand. Die Würdigung, dass der Kläger die ihm obliegende erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG nicht erfüllt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben erfolglos.

44

aa) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht nicht bereits allein wegen der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX eine Benachteiligung wegen des in § 1 AGG genannten Grundes der Behinderung vermutet hat.

45

(1) Grundsätzlich kann aus der Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX die Vermutungswirkung des § 22 Halbs. 1 AGG abgeleitet werden (ua. BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 29; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 37 ff., BAGE 144, 275; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 45; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 35). Diese Pflichtverletzung ist geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein und sogar möglichen Vermittlungsvorschlägen und Bewerbungen von arbeitsuchenden schwerbehinderten Menschen aus dem Weg gehen zu wollen (BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 47; 12. September 2006 - 9 AZR 807/05 - Rn. 22, BAGE 119, 262).

46

(2) Allerdings sind entgegen der Auffassung des Klägers bei der Klärung der Frage, ob (genügend) Indizien vorliegen, um eine Benachteiligung iSd. AGG vermuten zu lassen, alle und nicht nur einzelne Umstände zu berücksichtigen. Für eine Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX gilt diesbezüglich keine Ausnahme im Sinne eines „Automatismus“. Das schließt nicht aus, dass bei anders gelagerten Gesamtumständen deren Würdigung dazu führen kann, dass allein eine solche Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX zu einem Entschädigungsanspruch iSv. § 15 Abs. 2 AGG führen kann.

47

bb) Unzutreffend ist die Auffassung des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe die Beweislastregelung des § 22 AGG nicht richtig angewandt, weil es eine „Kompensation“ bzw. „positive Überlagerung“ des Pflichtverstoßes (Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen des SGB IX) angenommen habe. Die erforderliche und vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Gesamtbetrachtung und -würdigung des Sachverhalts darf nicht mit einer - nicht möglichen - nachträglichen „Heilung“ oder „Beseitigung“ eines Verstoßes beispielsweise gegen § 82 Satz 2 SGB IX(vgl. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 53 zu einer „Nacheinladung“ nach bereits zuvor erfolgter Absage) verwechselt werden.

48

cc) Ebenfalls hält die weitere Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Auch in der Gesamtbetrachtung aller Umstände - der Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX und des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs im Zusammenhang mit dem geplanten Umzug der Abteilung Gründungsservice in Obergeschosse eines Gebäudes ohne Fahrstuhl - konnte es die erste Stufe der Darlegungs- und Beweislastverteilung des § 22 AGG als nicht erfüllt ansehen.

49

(1) Das trifft für die Würdigung zu, dass aus der erfolgten Verletzung der Verfahrens- und Förderpflichten des SGB IX in diesem Fall unter Einbeziehung aller Umstände nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geschlossen werden könne, die Beklagte wolle Bewerbungen von arbeitssuchenden (schwer)behinderten Menschen aus dem Wege gehen.

50

(a) Aus dem Text der Stellenanzeigen, der Einladung des nach den selbst eingereichten Bewerbungsunterlagen offensichtlich behinderten Klägers für beide Bewerbungsrunden und der Einbindung der Schwerbehindertenvertretung durfte das Landesarbeitsgericht ohne Weiteres den Schluss ziehen, dass eine Vermutung der Benachteiligung wegen der Behinderung nicht ausreichend dargelegt ist.

51

(b) Soweit der Kläger meint, das Landesarbeitsgericht sei unzutreffend von einer „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen ausgegangen, während die Beklagte selbst nur eine Auswahlentscheidung „im Beisein“ der Schwerbehindertenvertretung vorgetragen habe, ergibt sich nichts anderes. Das Landesarbeitsgericht hat zur „Einbeziehung“ der Schwerbehindertenvertretung in den Prozess der Auswahlentscheidungen zwar verschiedene Begriffe benutzt („im Beisein“, „anwesend war“ und „mit einbezogen“), diese jedoch erkennbar gleichbedeutend verstanden und verwendet: Es ging immer um den Gegensatz zu „nicht erst … nachträglich“.

52

(2) Auch das Gespräch zum Umzug in ein Gebäude ohne Fahrstuhl einschließlich des zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellten Gesprächsverlaufs mit Nachfragen zu seiner Gehbehinderung zwang nicht zu einer anderen Bewertung.

53

(a) In der Bewerbungssituation nachzufragen, welche Einschränkungen sich aus einer in den Bewerbungsunterlagen angegebenen Behinderung ergeben, ist unter der Voraussetzung unbedenklich, dass damit die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ (Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen [UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK]; zur mangelnden ausdrücklichen Umsetzung im AGG, zur Einbeziehung in § 8 Abs. 1 AGG und in der unionsrechtskonformen Auslegung von § 241 Abs. 2 BGB vgl. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53) zum Tragen kommt. Eine solche, besonderen Umständen geschuldete Nachfrage im Bewerbungsgespräch bezogen auf eine vom Bewerber selbst angeführte Schwerbehinderung ist nicht zu verwechseln mit der „Frage nach der (Schwer)behinderung“ (dazu BAG 16. Februar 2012 - 6 AZR 553/10 - Rn. 11 ff., BAGE 141, 1) oder der Anerkennung als Schwerbehinderte(r) (dazu BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 396/10 - Rn. 17).

54

(aa) Die Verpflichtung zu „angemessenen Vorkehrungen“ ist im Zusammenhang der Richtlinie 2000/78/EG auf die Beseitigung der verschiedenen Barrieren gerichtet, die die volle und wirksame Teilhabe der Menschen mit Behinderung am Berufsleben, gleichberechtigt mit den anderen Arbeitnehmern, behindern. Diese Verpflichtung wird dadurch begrenzt, dass keine unverhältnismäßige oder unbillige Belastung des (potentiellen) Arbeitgebers verlangt wird (vgl. EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark, auch genannt „Ring, Skouboe Werge“] Rn. 49 ff., 66, 68; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 50, Slg. 2006, I-6467; BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 50 ff.). Dabei können im Rahmen des AGG auch Verpflichtungen aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX(zu einer Frage im Bewerbungsgespräch bezogen darauf vgl. BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275) und zur Gleichstellung und Barrierefreiheit nach dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (Behindertengleichstellungsgesetz - BGG) von Bedeutung sein.

55

(bb) Bei der Beurteilung einer solchen Nachfrage im Zusammenhang mit einer Behinderung ist sicherzustellen, dass die Verwirklichung des mit der Richtlinie 2000/78/EG verfolgten Ziels nicht beeinträchtigt wird (insoweit übertragbar ua. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 40). Die Frage muss deshalb einen objektiven - und wünschenswerterweise zu Beginn der Nachfrage darzulegenden - Anlass haben. Beispielsweise kann es um die Klärung gehen, ob ergänzende Maßnahmen der Herstellung von Barrierefreiheit dienen können, um die tatsächliche Arbeitsaufnahme zu ermöglichen, etwa der Einbau von weiteren Handläufen im Treppenhaus oder die Bereitstellung eines ebenerdigen Arbeitsraums außerhalb der Abteilung. Dabei ist es von der Würdigung der Umstände im Einzelfall abhängig, ob eine Frage im Hinblick auf einen Bedarf an Hilfsmitteln oder baulichen Maßnahmen ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung darstellt (vgl. zu einer vergleichbaren Frage im Zusammenhang von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 SGB IX ebenso BAG 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 54, BAGE 144, 275).

56

(cc) Der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt kein Verschulden oder gar eine Benachteiligungsabsicht voraus(ua. BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 37 mwN). Deshalb kann bereits ein lediglich „unglücklicher“ Gesprächsverlauf einen Anspruch auf Entschädigung begründen.

57

(b) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in der Nachfrage zu der Gehbehinderung des Klägers - den Vortrag des Klägers als zutreffend unterstellt - kein Indiz für eine Benachteiligung wegen der Behinderung gesehen hat. Dabei hat das Gericht den gesamten Vortrag des Klägers berücksichtigt und umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt.

58

(aa) Zwar entspricht die vom Landesarbeitsgericht der Beklagten unterstellte „Fragerichtung“ (ob und inwieweit die körperliche Beeinträchtigung einem etwaigen Einsatz als Communitymanager entgegenstehe) nicht den oben genannten Vorgaben von Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG iVm. Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. i, Art. 2 Unterabs. 4 UN-BRK und auch nicht den ähnlich gelagerten Vorgaben von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 SGB IX. Danach steht „ermöglichen“ im Fokus, nicht „entgegenstehen“. Es ist gleichwohl nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht unter Zugrundelegung des gesamten vom Kläger geschilderten Gesprächsverlaufs kein Indiz gesehen hat, das eine Benachteiligung wegen einer Behinderung vermuten lässt. Es hat dabei besonders bedacht, dass am Schluss des Gesprächs eine abschließende Feststellung der Abteilungsleiterin erfolgt sein soll, dass der Kläger „trotz seiner Gehbehinderung wohl keinen Aufzug benötige“, um in die im Obergeschoss gelegenen Büroräume zu gelangen. Das Landesarbeitsgericht hat dies dahin gehend gewertet, dass „auch aus Sicht der Beklagten die Gehbehinderung des Klägers seinem Einsatz auf den ausgeschriebenen Stellen nicht entgegenstand“. Diese Bewertung ist vertretbar und somit im Rahmen von § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zu beanstanden.

59

(bb) Soweit der Kläger meint, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt (vgl. zu den Anforderungen der Darlegung: BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 26), weil das Landesarbeitsgericht seinen Sachvortrag zu Nachfragen zu seiner Schwerbehinderung übergangen habe, ist dies unbegründet. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass sich seine Rügen nicht gegen tatbestandliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, sondern gegen den Weg richten, auf dem dieses seine Überzeugung gewonnen hat. Der Kläger übersieht bereits, dass das Landesarbeitsgericht ihm gestellte Fragen des zu seinen Gunsten unterstellten Gesprächsverlaufs nicht übergangen hat. So ist die Frage „was haben Sie genau?“ in der Frage „nach der Art seiner Schwerbehinderung“ enthalten. Auch die Nachfrage, wie er die Stufen „gepackt“ habe, hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich wiedergegeben, nur mit dem Wort „bewältigt“. Tatsächlich setzt der Kläger lediglich seine eigene Würdigung der Situation an die Stelle derer des Landesarbeitsgerichts, ohne Verstöße gegen Erfahrungs- und/oder Denkgesetze oder eine Widersprüchlichkeit der Würdigung darzulegen. Das reicht nicht aus (vgl. auch BAG 2. Mai 2014 - 2 AZR 490/13 - Rn. 31; 13. Februar 2003 - 8 AZR 654/01 - zu II 5 der Gründe, BAGE 104, 358).

60

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Winter    

        

    Kiel    

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

    Volz    

                 

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.