Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0720.2Sa253.17.00
20.07.2017

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. November 2015 - 1 Ca 902/15 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 408,55 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15. März 2014 und weitere 1.191,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31. Juli 2015 zu zahlen.

II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) hat die Beklagte zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Differenzvergütungsansprüche der Klägerin aufgrund tariflicher Gehaltserhöhungen von 3 % ab 01. August 2013 und 2,1 % ab 01. Mai 2014.

2

Die Klägerin ist seit 01. Juli 2008 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Verkäuferin in Teilzeit (80 %) aufgrund Arbeitsvertrags vom 05. Februar 2010 beschäftigt, der u.a. folgende Regelungen enthält:

3

"12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn-/Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsübergangs vom Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt.

5

13. Schlussbestimmungen

6

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

7

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden.

8

Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform."

9

Die in Ziff. 12 des Arbeitsvertrags enthaltene Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

10

Die Beklagte war bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages nicht Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Mit Schreiben vom 16. Juni 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie, obgleich keine Tarifbindung bestehe, auch nach dem 30. Juni 2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergütet werde.

11

Bis einschließlich Juli 2013 hatte die Beklagte die Klägerin nach den Bestimmungen des Gehalts-TV nach der Gehaltsgruppe II/6. Tätigkeitsjahr eingruppiert und vergütet. Zum 01. August 2013 erhöhte sich die tarifliche Vergütung in der Gehaltsgruppe II/6. Tätigkeitsjahr für Teilzeitkräfte mit 80 % einer Vollzeitkraft um 53,58 EUR von 1.798,40 EUR auf 1.851,98 EUR brutto monatlich und zum 01. Mai 2014 um weitere 39,22 EUR auf 1.891,20 EUR brutto monatlich.

12

Mit folgendem Schreiben vom 28. Februar 2014 machte die Klägerin rückwirkend zum 01. August 2013 die Tariferhöhung von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01. Mai 2014 geltend:

13

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz

14

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 %, sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

15

Sehr geehrter Herr W.,
ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

16

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

17

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

18

Ich bitte sie mir bis zum 15.03.14 meinen Anspruch zu bestätigen."

19

Dieses Begehren lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 18. März 2014 ab mit der Begründung, dass weder aufgrund originärer tarifrechtlicher Verpflichtungen noch aufgrund individueller arbeitsvertraglicher Regelungen ein Anspruch auf Erhöhung der monatlichen Vergütung bestehe.

20

Mit ihrer am 22. Juli 2015 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen und der Beklagten am 30. Juli 2015 zugestellten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung der sich aus den tariflichen Gehaltserhöhungen ergebenden Differenzbeträge zu den von der Beklagten geleisteten Zahlungen in Anspruch genommen, die sich - rechnerisch unstreitig - für die Zeit von August 2013 bis Februar 2014 auf insgesamt 408,55 EUR brutto und für die Zeit von März 2014 bis Juni 2015 auf insgesamt 1.191,06 EUR brutto belaufen; wegen der Einzelheiten der errechneten Differenzbeträge wird auf die Berechnung der Klageforderungen im Schriftsatz der Klägerin vom 22. September 2015 verwiesen.

21

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

22

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 408,55 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 15. März 2014 zu zahlen,

23

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.191,06 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. November 2015 verwiesen. Mit dem vorgenannten Urteil hat das Arbeitsgericht Kaiserslautern der Klage in Höhe von 408,55 EUR für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 und weiteren 368,40 EUR brutto für den Zeitraum von Januar bis Juni 2015 stattgegeben und sie im Übrigen hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche mangels Wahrung der tariflichen Verfallfrist abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

27

Gegen das ihr am 03. Dezember 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04. Januar 2016, beim Landesarbeitsgericht am gleichen Tag (Montag) eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 03. Februar 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen und der Beklagten am 22. Februar 2016 zugestellt, begründet. Die Beklagte hat nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungserwiderungsfrist bis zum 22. April 2016 mit Schriftsatz vom 21. April 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am gleichen Tag eingegangen, Anschlussberufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die vom Arbeitsgericht aberkannten Differenzansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 in Höhe von 822,66 EUR brutto weiter (Klageantrag zu 2.: 1.191,06 EUR brutto für die Zeit von März 2014 bis Juni 2015 abzüglich des bereits zuerkannten Betrags in Höhe von 368,40 EUR brutto für die Zeit von Januar bis Juni 2015 = verbleibende Differenz in Höhe von 822,66 EUR brutto). Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung nur insoweit gegen die stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts, als sie die Abweisung der Klage in Höhe von weiteren 408,55 EUR brutto für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 begehrt.

28

Die Klägerin trägt vor, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die von ihr geltend gemachten Differenzansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 mangels Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen seien. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts sei ihr Geltendmachungsschreiben vom 28. Februar 2014 nicht einschränkend dahingehend auszulegen, dass hiervon nur die bezifferten Differenzbeträge bis Februar 2014 umfasst seien. Das Arbeitsgericht sei hier fehlerhaft von einer unzureichenden Geltendmachung ausgegangen. Die Rechtsprechung erkenne an, dass eine entsprechende Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs möglich sei, wenn bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Im Streitfall sei zwischen den Parteien allein die Frage streitig, ob eine dynamische Verweisungsklausel vorliege und sie regelmäßig an der Tariflohnerhöhung teilnehme, während ihre Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II/6. Tätigkeitsjahr unstreitig sei. Für den Arbeitgeber sei die Interessenlage damit hinreichend deutlich, insbesondere auch vor dem Hintergrund der in der Vergangenheit diesbezüglich durchgeführten Rechtsstreite. Entgegen den Ausführungen des Arbeitsgerichts könne etwas anderes auch nicht aus ihrem Schreiben vom 28. Februar 2014 hergeleitet werden. Darin werde deutlich gemacht, dass man Ansprüche des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz geltend mache. Neben der rückwirkenden Geltendmachung der Tariferhöhung ab 01. August 2013 um 3 % werde dem Arbeitgeber deutlich signalisiert, dass sie auch beabsichtige, an einer weiteren Gehaltserhöhung ab 01. Mai 2014 in Höhe von 2,1 % zu partizipieren. Etwas anderes könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die rückwirkend bis zu diesem Zeitpunkt bereits angefallenen Beträge beziffert worden seien, weil gleichzeitig deutlich gemacht werde, dass man auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren wolle. Entgegen der Darstellung der Beklagten in ihrer Anschlussberufung müsse der Beschäftigte beim Durchblättern des Arbeitsvertrages nicht damit rechnen, dass nach der Verweisungsklausel in den Schlussbestimmungen versteckt Ausschlussklauseln gesondert in Abweichung zum Tarifvertrag vereinbart würden. Vorliegend sei in Ziff. 12 des Arbeitsvertrags drucktechnisch die Geltung des Tarifvertrages hervorgehoben und in der nächsten Ziffer dann versteckt unter Schlussbestimmungen im Anschluss an eine salvatorische Klausel letztlich eine weitergehende Verfallsregelung in den Vertrag eingeführt worden.

29

Die Klägerin beantragt,

30

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. November 2015 - 1 Ca 902/15 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 822,66 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen,

33

und im Wege der Anschlussberufung,

34

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 11. November 2015 - 1 Ca 902/15 - die Klage in Höhe von weiteren 408,55 EUR brutto nebst Zinsen seit 15. März 2014 abzuweisen.

35

Die Klägerin beantragt,

36

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

37

Die Beklagte erwidert, die Berufung sei bereits mangels ordnungsgemäßer Berufungsbegründung unzulässig. Die Klägerin habe sich in ihrer Berufungsbegründung weder ausreichend mit den Urteilsgründen des erstinstanzlichen Urteils auseinandergesetzt noch anhand der Urteilsbegründung konkrete Rechtsfehler sowie deren Erheblichkeit aufgezeigt. An keiner Stelle der Berufungsbegründung setze sich die Klägerin mit der Entscheidungserheblichkeit der gerügten Falschbeurteilung des Arbeitsgerichts auseinander. Die Klägerin hätte die Kausalität bzw. Entscheidungserheblichkeit des etwaigen Rechtsfehlers auch insbesondere deshalb darlegen müssen, weil auch in ihrem Arbeitsvertrag eine Ausschlussklausel enthalten sei. Selbst wenn die von der ersten Instanz abgewiesenen Forderungen nicht der tariflichen Ausschlussklausel unterlägen, greife die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel. Die Klägerin hätte zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit zumindest darlegen müssen, dass die abgewiesenen Forderungen auch nicht der arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel unterfallen würden, d. h. ihr die zusätzlich geltend gemachten Forderungen zustünden. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin noch nicht einmal die Umstände vorgetragen habe, die zu einer Entscheidungserheblichkeit führten, sei die Berufung bereits unzulässig. Weiterhin sei das Arbeitsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Zahlungsansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen seien. Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt habe, habe die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 2014 nur die Ansprüche geltend gemacht, die bis zu diesem Zeitpunkt fällig geworden seien, d. h. die Ansprüche bis Februar 2014. Schon nach der Betreffzeile des Geltendmachungsschreibens seien bezüglich der Erhöhung von 3 % nur die Ansprüche vom Zeitpunkt der Geltendmachung an rückwirkend zum 01. August 2013 erfasst. Auch wenn in der Betreffzeile weiterhin die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01. Mai 2014 stehe, ergebe sich aus der abschließenden Formulierung, nach der sich der Gesamtbetrag der Geltendmachung auf 408,55 EUR belaufe, dass der Zeitraum ab März 2014 dennoch nicht vom Schreiben der Klägerin umfasst sei. Die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 2014 keine zukünftigen Ansprüche geltend gemacht. Wenn die Klägerin über den bezifferten Gesamtbetrag hinaus Ansprüche hätte geltend machen wollen, so hätte sie das mit der notwendigen Deutlichkeit in ihrem Geltendmachungsschreiben ausführen müssen. Zwar könne eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise durch eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden, was jedoch an sehr enge Voraussetzungen geknüpft sei, die hier nicht vorlägen. Zum einen betreffe die Geltendmachung vom 28. Februar 2014 für die bereits fälligen Ansprüche die Tariferhöhung zum 01. August 2013 um 3 %, während die zukünftig fällig werdenden Ansprüche aus der Tariferhöhung ab dem 01. Mai 2014 um 2,1 % basierten. Danach beruhten die künftigen Ansprüche nicht auf derselben tatsächlichen Grundlage wie die bereits fälligen Ansprüche. Zudem sei der tatsächliche Umstand, auf den die noch nicht fälligen Ansprüche gestützt werden sollten, noch nicht einmal eingetreten, weshalb das Geltendmachungsschreiben auch nur von "der zu erwartenden Erhöhung von 2,1 %" spreche. Die mit der Berufung geltend gemachten und vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien auch aufgrund der Ausschlussklausel in Ziff. 13 des Arbeitsvertrags verfallen. Die Klägerin habe weder die erste Stufe noch die zweite Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist gewahrt. Selbst wenn man in der Geltendmachung vom 28. Februar 2014 auch eine Geltendmachung der Ansprüche von März bis Dezember 2014 sehen würde, wären diese Ansprüche jedenfalls wegen verspäteter gerichtlicher Geltendmachung verfallen. Mit ihrer Anschlussberufung wende sie sich gegen die rechtsfehlerhaft vom Arbeitsgericht zuerkannten Differenzlohnansprüche für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass diese Ansprüche der zweiten Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist unterfielen und danach verfallen seien. Bei der im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausschlussklausel handele es sich nicht um eine überraschende Klausel. Vielmehr seien Ausschlussklauseln nach der ständigen Rechtsprechung im Arbeitsvertrag üblich und im Arbeitsleben weit verbreitet. Die Klausel zu den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei auch nicht versteckt platziert. Zum einen würden Ausschlussklauseln erwartungsgemäß und üblicherweise am Ende eines Arbeitsvertrags stehen. Daher findet sich die Klausel zu den Ausschlussfristen genau dort, wo ein verständiger Arbeitnehmer sie auch erwarten würde. Zum anderen falle die Ausschlussklausel aufgrund ihrer Lage über dem Unterschriftenfeld auch besonders ins Auge, so dass sie nicht zu übersehen sei. Insbesondere die zweite Stufe der Ausschlussklausel sei extra textlich abgesetzt mit Leerzeile zwischen dem vorgehenden Text und dem Folgetext versehen worden. Die Kombination aus dieser Absetzung des Textblocks mit Leerzeile und der Lage der Klausel im Blickfeld über Unterschriftenzeile mache ein Übersehen der Klausel nahezu unmöglich. Eine eigene Überschrift oder besondere drucktechnische Hervorhebung könne allenfalls dann für eine Ausschlussklausel gefordert werden, wenn diese bei einem Durchblättern vor der Unterschrift nicht ins Auge falle, weil innerhalb des mehrere Seiten umfassenden Textes keine Überschrift "Ausschlussklausel" hervorsteche und auch am Anfang und Ende die Ausschlussklausel sich nicht durch die Lage dem Leser aufdränge. Im Hinblick darauf, dass die Ausschlussklausel vorliegend aufgrund ihrer Lage über dem Unterschriftenfeld ins Auge steche, könne von einer versteckten Klausel schon begrifflich nicht die Rede sein. Die von ihr im Einzelnen dargestellte Rechtsprechung sehe bei Klauseln am Vertragsende gerade kein "Verstecken" als gegeben an, sondern gehe gerade von einer besonderen Wahrnehmbarkeit aus. Auch die optische Hervorhebung durch Fettdruck der vorangehenden Ziffer des Arbeitsvertrags führe nicht dazu, dass die Ausschlussklausel als überraschend anzusehen wäre. Im Hinblick darauf, dass sich der Fettdruck in einer anderen Ziffer und auf einer anderen Seite des Arbeitsvertrages befinde, spiele die Ausgestaltung von Ziff. 12 des Arbeitsvertrages keine Rolle für die Wahrnehmung. Auch die Tatsache, dass zunächst in einer Ziffer des Arbeitsvertrags auf anwendbare Tarifverträge verwiesen werde, hindere den Arbeitgeber nicht daran, in einer späteren Ziffer des Arbeitsvertrags arbeitsvertragliche Ausschlussfristen aufzunehmen, die ggf. von der tariflichen Regelung abweichen würden. Dies mache eine Ausschlussfrist noch nicht überraschend im Sinne von § 305 c BGB. Im Übrigen wäre die Ausschlussklausel auch teilbar, wonach jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet sowohl textlich abgesetzt als auch allein für sich inhaltlich sinnvoll und nach dem blue-pencil-Test wirksam sei.

38

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

39

Das Berufungsgericht hat im Einverständnis beider Parteien durch Beschluss vom 14. Juni 2017 die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe

40

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist hingegen unbegründet.

I.

41

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. b ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).

42

Entgegen der Ansicht der Beklagten genügt die Berufungsbegründung der Klägerin ohne weiteres den Anforderungen des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO.

43

Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass sich der Klageanspruch der Klägerin auf Nachzahlung der Differenzen zum Tarifgehalt aus § 12 S. 1 des Arbeitsvertrages ergebe, aber bezüglich des Zeitraums von März bis Dezember 2014 mangels Wahrung der tariflichen Ausschlussfrist verfallen sei, weil das Geltendmachungsschreiben vom 28. Februar 2014 auf den angegebenen Gesamtbetrag in Höhe von 408,55 EUR beschränkt sei und damit nur die fälligen Ansprüche bis Februar 2014, nicht aber die Ansprüche ab März 2014 umfasse. Mit dieser tragenden Begründung des Arbeitsgerichts (für die Abweisung der mit der Berufung weiterverfolgten Differenzansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014) hat sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung im Einzelnen auseinandergesetzt und dargelegt, aus welchen Gründen sie entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts mit ihrem Geltendmachungsschreiben hinreichend deutlich gemacht habe, dass sie - neben der rückwirkenden Geltendmachung der Tariferhöhung - auch zukünftig an den bezeichneten Tariferhöhungen partizipieren wolle. Deshalb sei das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise zu korrigieren und die Beklagte zur Zahlung der weiteren Differenzgeldansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 verpflichtet.

44

Ergibt sich - wie hier - die Entscheidungserheblichkeit des behaupteten Rechtsverstoßes unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung, bedarf sie keiner gesonderten Darlegung in der Berufungsbegründung (vgl. BGH 10. März 2015 - VI ZB 28/14 - NJW 2015, 1458). Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand für die Klägerin kein besonderes Darlegungserfordernis hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit wegen der im Arbeitsvertrag enthaltenen Ausschlussklausel, weil das Arbeitsgericht darauf seine klageabweisende Entscheidung nicht gestützt hat (vgl. BGH 10. März 2015 - VI ZR 215/14 - NJW 2015, 1684). Vielmehr hat das Arbeitsgericht angenommen, dass die unter den Schlussbestimmungen der Ziff. 13 des Arbeitsvertrags normierte zweite Stufe der Verfallfrist so ungewöhnlich und überraschend sei, dass die Klägerin nicht mit ihr habe rechnen müssen. Im Hinblick darauf, dass das Arbeitsgericht gemäß der von der Klägerin vertretenen Rechtsansicht angenommen hat, dass die Klausel gemessen am Maßstab des § 305c BGB keinen Bestand haben könne, brauchte die Klägerin hierzu keine Ausführungen zu machen.

II.

45

Die Berufung der Klägerin ist auch begründet.

46

Die Klägerin hat gemäß Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrags der Parteien einen Anspruch auf die von ihr geltend gemachte Differenzvergütung für die Monate März bis Dezember 2014 in rechnerisch unstreitiger Höhe. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts ist dieser Klageanspruch nicht verfallen.

47

1. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Klageanspruch aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrags ergibt und die Formulierung "in der jeweils geltenden Fassung" eine dynamische Bezugnahme auf die bezeichneten Tarifverträge enthält. Weiterhin hat das Arbeitsgericht zutreffend angenommen, dass Ziff. 12 S. 2 des Arbeitsvertrags dem nicht entgegensteht, weil die Beklagte bereits bei Vertragsabschluss nicht tarifgebunden war.

48

Der Eintritt der in dieser Klausel enthaltenen auflösenden Bedingung, nach der eine dynamische Weitergeltung der bezeichneten Tarifverträge bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, war bereits von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich. Die Wirksamkeit der in Ziff. 12 S. 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Januar 2015 - 4 Sa 487/14 - Rn. 28, juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. April 2016 - 3 Sa 529/15 - Rn. 49, juris; LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 61, juris).

49

Nichts anderes ergibt sich bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB). Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12 - Rn. 17, juris; BAG 20. März 2013 - 10 AZR 636/11 - Rn. 20, juris; LAG Rheinland-Pfalz 28. Januar 2015 - 4 Sa 487/14 - Rn. 29 f., juris).

50

Ausgehend von diesen Grundsätzen soll nach dem eindeutigen Wortlaut der ausschließlich zukunftsbezogen formulierten Regelung in Ziff. 12 S. 2 des Arbeitsvertrages der Wegfall der dynamischen Weitergeltung der bezeichneten Tarifverträge bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser auflösenden Bedingung ergibt sich deutlich aus den verwandten Formulierungen "Dies gilt dann nicht mehr, wenn …" und "… nicht mehr tarifgebunden ist." Hingegen bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte dynamische Weitergeltung der bezeichneten Tarifverträge von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht eintreten sollte, zumal dies zu einer unauflösbaren Widersprüchlichkeit der in Ziff. 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen und zu einer völligen Sinnentleerung der in S. 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen würde (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Januar 2015 - 4 Sa 487/14 - Rn. 31, juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. April 2016 - 3 Sa 529/15 - Rn. 67, juris; LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 64, juris).

51

Die streitgegenständlichen Ansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.

52

2. Die Klageansprüche für die Zeit von März bis Dezember 2014 sind nicht verfallen.

53

a) Die Klägerin hat diese zum damaligen Zeitpunkt noch nicht entstandenen und fälligen Ansprüche mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 28. Februar 2014 rechtzeitig schriftlich geltend gemacht.

54

Nach § 16 Ziff. 1 Buchst. c des Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz sind die betreffenden Ansprüche innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Die tarifliche Ausschlussfrist stimmt insoweit mit der in Ziff. 13 S. 3 des Arbeitsvertrags der Parteien geregelten ersten Stufe der Verfallfrist überein, als danach alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

55

Die sechsmonatige Frist zur schriftlichen Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 2014 hinsichtlich der Klageansprüche von März bis Dezember 2014 gewahrt.

56

aa) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 24, NZA 2013, 975).

57

Danach hat die Klägerin mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 28. Februar 2014 die sechsmonatige Ausschlussfrist auch für die künftigen Ansprüche von März bis Dezember 2014 gewahrt. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts lässt sich das Schreiben der Klägerin vom 28. Februar 2014 nicht dahingehend auslegen, dass die Geltendmachung auf den beziffert angegebenen Betrag in Höhe von 408,55 EUR beschränkt worden ist. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens vom 28. Februar 2014, dass die Klägerin mit der "Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrags Einzelhandel Rheinland-Pfalz" nicht nur die "Tariferhöhung rückwirkend zum 01. August 2013 von 3 %", sondern auch "die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01. Mai 2014" geltend gemacht hat. Zur Begründung des Anspruchs auf die genannten Tariferhöhungen verweist die Klägerin in ihrem Schreiben darauf, dass ihr Arbeitsvertrag eine dynamische Verweisungsklausel enthält. Aus dem Schreiben eindeutig hervor, dass die Klägerin unter Berufung auf die in ihrem Arbeitsvertrag vereinbarte dynamische Verweisungsklausel nicht nur die bereits fälligen, sondern auch die künftigen Ansprüche geltend macht, die sich aus den in ihrem Schreiben angeführten Tariferhöhungen zum 01. August 2013 und 01. Mai 2014 ergeben. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus für die Beklagte ohne weiteres errechenbar war (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 81, juris).

58

bb) Zwar waren diese Ansprüche zum damaligen Zeitpunkt weder entstanden noch fällig. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls war es der Klägerin jedoch möglich, diese Ansprüche auch schon vor ihrer Entstehung und Fälligkeit gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

59

Die Geltendmachung eines Anspruchs setzt regelmäßig dessen Bestehen voraus. Anderenfalls liegt kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte. Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht grundsätzlich auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung von Ansprüchen bewahrt werden, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht. Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können. Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen. Auch wird die rasche Klärung von Ansprüchen nicht erreicht. In Ausnahmefällen können Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aber die Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs auch schon vor dessen Entstehen gebieten. Wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht, kann der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, auch durch eine einmalige Geltendmachung erreicht werden. Eine solche einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen im Streit steht; in einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was von ihm verlangt wird und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seine Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat (BAG 03. Juli 2013 - 4 AZR 476/12 - Rn. 44 und 45, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 205; BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 29 ff., NZA 2013, 975, LAG Rheinland-Pfalz 22. Januar 2014 - 4 Sa 325/13 - Rn. 56 ff., juris).

60

Die Parteien streiten allein darüber, ob die in Ziff. 12 ihres Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel zu einer dynamischen Anwendung der bezeichneten Tarifverträge mit der Folge führt, dass die Klägerin die im Geltendmachungsschreiben vom 28. Februar 2014 bezeichneten Tariferhöhungen zum 01. August 2013 von 3 % sowie von weiteren 2,1 % ab 01. Mai 2014 beanspruchen kann. Im Übrigen waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig und mit den erteilten Gehaltsabrechnungen streitlos gestellt. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 28. Februar 2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf die geltend gemachten Tariferhöhungen. Für die Beklagte bestand ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was die Klägerin von ihr verlangte. Sie musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22. Januar 2014 - 4 Sa 325/13 - Rn. 57 f., juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. April 2016 - 3 Sa 529/15 - Rn. 80, juris; LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 85, juris).

61

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüche nicht mangels rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung nach Maßgabe der in Ziff. 13 S. 4 des Arbeitsvertrags der Parteien geregelten 2. Stufe der Verfallfristen verfallen.

62

aa) Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dieser Klausel entsprechend dem äußeren Erscheinungsbild um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB handelt, die als überraschende Klausel gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden ist.

63

Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel, ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle, kann die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen (BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 24, NZA 2006, 324).

64

Gemessen an diesen Anforderungen ist die in Ziff. 12 S. 4 des Arbeitsvertrags enthaltene Verfallfrist zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen (2. Stufe) nicht Vertragsbestandteil geworden. Die Klausel befindet sich am Ende eines Arbeitsvertrags, der insgesamt 13 Ziffern enthält. Darin sind neben den üblichen auch von § 2 Abs. 1 NachwG geforderten Bestimmungen u. a. die Abtretung von Schadensersatzansprüchen, Personalfragebogen, Nebentätigkeit, Rückgabe des Arbeitsmaterials, allgemeine Pflichten und die Vertragsstrafe eigenständig unter gesonderten Überschriften geregelt. Die "Schlussbestimmungen" in Ziff. 13 des Arbeitsvertrags enthalten zunächst eine salvatorische Klausel (Sätze 1 und 2). Sodann ist in den Sätzen 3 und 4 eine zweistufige Ausschlussfrist enthalten. Hieran schließt sich eine Regelung an, nach der Änderungen und Ergänzungen der Schriftform bedürfen (Satz 5). Nach dem gesamten Erscheinungsbild des Vertrags hat die Beklagte die zweistufige Ausschlussklausel damit an einer aus Sicht eines redlichen Vertragspartners unerwarteten Stelle versteckt. Unter der Überschrift "Schlussbestimmungen" muss ein verständiger Arbeitnehmer bei einem so detaillierten Vertrag nicht mit einer Klausel rechnen, durch die der Verfall von Ansprüchen bei nicht rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung herbeigeführt werden soll (vgl. BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 25, NZA 2006, 324). Das gilt umso mehr, als vorliegend in der vorangegangenen Ziff. 12 eine Verweisungsklausel enthalten ist, in der - fettgedruckt - geregelt ist, dass im Übrigen die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz und die weiteren aufgeführten Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Arbeitsvertrag so aufgebaut, dass in den Ziffern 1 bis 11 die einzelnen arbeitsvertraglichen Bestimmungen geregelt sind und dann in Ziff. 12 ergänzend auf die maßgeblichen Tarifverträge Bezug genommen wird. Nach § 16 Ziff. 1 Buchst. c des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Hingegen ist eine zweite Stufe zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen im vorgenannten Manteltarifvertrag nicht vorgesehen. Nach der in Ziff. 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen umfassenden Verweisungsklausel, deren Text zudem noch durch Fettdruck gegenüber den Textpassagen der vorangegangenen Ziffern besonders hervorgehoben ist, braucht ein verständiger Arbeitnehmer nicht damit zu rechnen, dass in den nachfolgenden "Schlussbestimmungen" (Ziff. 13) - abweichend von dem in Ziff. 12 in Bezug genommenen Manteltarifvertrag - eine Klausel enthalten ist, durch die der Verfall von Ansprüchen bei nicht rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung herbeigeführt werden soll. Hinzu kommt noch, dass in Ziff. 13 des Vertrags sowohl in den ersten beiden Sätzen als auch im letzten Satz über der Unterschriftenzeile (Schluss)Bestimmungen enthalten sind, die ebenso wie die Überschrift nicht erwarten lassen, dass dazwischen noch eine zweistufige Ausschlussfrist untergebracht ist, die - abweichend von der nach Ziff. 12 in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussfristenregelung - den Verfall von Ansprüchen bei nicht rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung bewirken soll.

65

bb) Unabhängig davon hält die zweite Stufe der vertraglichen Ausschlussfristenregelung auch einer Angemessenheitskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht stand, weil diese Regelung in Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel steht, bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 70 ff., juris).

66

Der in Ziff. 12 Satz 1 in Bezug genommene Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die inhaltlich der in Ziff. 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen, jedoch beide nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung Geltung beanspruchen. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlichen Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziff. 12, ebenso wie die Anwendung von Ziff. 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Deshalb ist die nur in Ziff. 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. blue-pencil-Tests zu streichen, während die in beiden Ziffern gleichlautend vorgesehene erste Stufe aufrechtzuerhalten ist (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15 - Rn. 74, juris; LAG Rheinland-Pfalz 25. April 2016 - 3 Sa 529/15 - Rn. 74, juris).

III.

67

Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

68

Gemäß den obigen Ausführungen bedurfte es entgegen der Ansicht der Beklagten keiner gerichtlichen Geltendmachung der Klageansprüche. Das Arbeitsgericht hat daher zu Recht die geltend gemachten Differenzansprüche für die Zeit von August 2013 bis Februar 2014 in Höhe von 408,55 EUR brutto zuerkannt.

69

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

70

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17 zitiert 16 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 307 Inhaltskontrolle


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den Vertrag


(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmung

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 305c Überraschende und mehrdeutige Klauseln


(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 310 Anwendungsbereich


(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermöge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 247 Basiszinssatz


#BJNR001950896BJNE024003377 (1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gef

Nachweisgesetz - NachwG | § 2 Nachweispflicht


(1) Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind minde

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17 zitiert oder wird zitiert von 12 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Juni 2016 - 8 Sa 528/15

bei uns veröffentlicht am 28.06.2016

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Apr. 2016 - 3 Sa 529/15

bei uns veröffentlicht am 25.04.2016

Tenor 1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 510,88 € brutt

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. März 2015 - VI ZB 28/14

bei uns veröffentlicht am 10.03.2015

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VI ZB28/14 vom 10. März 2015 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 a) Für die Zulässigkeit der Berufung ist es ohne Bedeu

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 28. Jan. 2015 - 4 Sa 487/14

bei uns veröffentlicht am 28.01.2015

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 1.7.2014, Az.: 8 Ca 376/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbe

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 22. Jan. 2014 - 4 Sa 325/13

bei uns veröffentlicht am 22.01.2014

Tenor Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7.2.2013 - 1 Ca 2331/11 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die

Bundesarbeitsgericht Urteil, 03. Juli 2013 - 4 AZR 476/12

bei uns veröffentlicht am 03.07.2013

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 5 Sa 830/11 - insoweit aufgehoben, als es das Urteil des Arbeitsgerichts

Bundesarbeitsgericht Urteil, 15. Mai 2013 - 10 AZR 325/12

bei uns veröffentlicht am 15.05.2013

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 - 4 Sa 1025/11 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2013 - 10 AZR 636/11

bei uns veröffentlicht am 20.03.2013

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. März 2011 - 10 Sa 486/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 16. Jan. 2013 - 10 AZR 863/11

bei uns veröffentlicht am 16.01.2013

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Juli 2017 - 2 Sa 253/17.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. März 2018 - 6 Sa 374/17

bei uns veröffentlicht am 06.03.2018

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016 - 2 Ca 1089/15 - wie folgt abgeändert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 457,50 Euro bru

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. März 2018 - 6 Sa 375/17

bei uns veröffentlicht am 06.03.2018

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. Januar 2016 - 2 Ca 1090/15 - wie folgt abgeändert: 1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 582,54 Euro brutto

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. März 2018 - 6 Sa 376/17

bei uns veröffentlicht am 06.03.2018

Diese Entscheidung zitiert Tenor I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 05. Februar 2015 - 2 Ca 1285/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbest

Referenzen

*

(1) Der Basiszinssatz beträgt 3,62 Prozent. Er verändert sich zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.

(2) Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB28/14
vom
10. März 2015
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Für die Zulässigkeit der Berufung ist es ohne Bedeutung, ob die Ausführungen
des Berufungsführers in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind.

b) Ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit einer gerügten Rechtsverletzung
oder einer beanstandeten Tatsachenfeststellung unmittelbar aus dem angefochtenen
Urteil in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung
, bedarf sie keiner gesonderten Darlegung in der Berufungsbegründung.
BGH, Beschluss vom 10. März 2015 - VI ZB 28/14 - OLG Brandenburg
LG Frankfurt (Oder)
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Galke, die Richterin Diederichsen, den Richter Stöhr, die
Richterin von Pentz und den Richter Offenloch

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 12. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2014 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 4.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Ersatz materiellen Schadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch.
2
Der Ehemann der Klägerin fuhr mit seinem Pkw auf einer Bundesstraße hinter einem bei der Beklagten zu 3 haftpflichtversicherten Fahrzeuggespann.
Die Beklagte zu 2 war Halterin des Zugfahrzeugs; der Beklagte zu 1 war dessen Fahrer und Halter des Anhängers. Als das Gespann nach links in eine Parkplatzeinfahrt abbog, fuhr der Ehemann der Klägerin auf den Anhänger auf.
3
Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage einer Haftungsquote von 60 % stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. In die Abwägung der Verursachungsbeiträge hat es zu Lasten der Klägerin eingestellt, dass ihr Ehemann bei unklarer Verkehrslage überholt habe. Zu Lasten der Beklagten hat es neben der Länge des Gespanns und der durch den Anhänger reduzierten Übersichtlichkeit einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht berücksichtigt. Einen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen § 9 Abs. 5 StVO hat es aus Rechtsgründen verneint. Einen Verstoß gegen die Anzeigepflicht beim Abbiegen hat es auf Grund der vom Vorgänger des erkennenden Einzelrichters durchgeführten Zeugenvernehmung und Anhörung des Beklagten zu 1 als nicht erwiesen angesehen. Die geltend gemachten Verbringungskosten hat es als nicht ersatzfähig angesehen, da ihre Entstehung nicht nachvollziehbar sei.
4
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, dass die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO nur insoweit genüge, als die Kürzung der Kostenpauschale , der Mietwagenkosten und der Anwaltsgebühren angegriffen werde. Die sich daraus ergebende Beschwer in Höhe von 333,65 € erreiche aber nicht die Berufungssumme. Hinsichtlich der Klageabweisung im Übrigen lasse die Berufungsbegründung nicht erkennen, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen das angefochtene Urteil unrichtig sein solle. Es würden im Ansatz zwar Rechtsverletzungen gerügt; inwieweit das Urteil aber darauf beruhe, sei unklar. Soweit gerügt werde, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei eine Wiederholung der Beweisaufnahme geboten, sei nicht dargelegt, welche beweiserhebliche Frage zu klären sei. Auch soweit die Verneinung des § 9 Abs. 5 StVO beanstandet werde, bleibe die Entscheidungserheblichkeit der vermeintlichen Rechtsverletzung unklar. Dass das Landgericht eine Haftung der Beklagten lediglich in Höhe von 60 % angenommen habe, beruhe ausweislich der Entscheidung nicht auf der Verneinung eines Verstoßes gegen § 9 Abs. 5 StVO, sondern darauf, dass auch dem Ehemann der Klägerin ein Verkehrsverstoß vorgeworfen worden sei. Soweit gerügt werde, das Landgericht habe die Haftungsquote bestimmt, ohne den Haftungsmaßstab der einzelnen Beteiligten zu berücksichtigen, treffe dies nicht zu. Die Berufung gegen die Aberkennung der Verbringungskosten werde ausschließlich auf neues Vorbringen gestützt, ohne dass aufgezeigt werde, aus welchem Grund das Vorbringen in der Berufungsinstanz zuzulassen sei.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
6
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil eine Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Das Berufungsgericht hat die in § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO normierten Anforderungen an den Inhalt der Berufungsbegründung überspannt und hierdurch der Klägerin den Zugang zur Berufungsinstanz in unzulässiger Weise verwehrt (vgl. Senats- beschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 5, 7; BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2014 - V ZB 225/12, juris Rn. 5 mwN).
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
8
a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat, wenn die Berufung darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 Fall 1, § 546 ZPO), die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben , aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleiten. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus Sicht des Berufungsführers infrage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (st. Rspr.: Senatsbeschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 8; BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2011 - II ZB 21/10, NJW-RR 2012, 440 Rn. 7; vom 30. Januar 2013 - III ZB 49/12, NJW-RR 2013, 509 Rn. 7; vom 22. Mai 2014 - IX ZB 46/12, juris Rn. 7; jeweils mwN).
9
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 513 Abs. 1 Fall 2 ZPO hat der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte zu bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahin enthalten , warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (Senatsbeschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 9). Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 272; Senatsbeschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 9).
10
b) Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung. Die Klägerin hat darin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass und aus welchen Gründen sie die teilweise Abweisung ihrer Klage durch das Landgericht für rechtsfehlerhaft und eine erneute - ihr günstige - Beurteilung durch das Berufungsgericht für geboten hält.
11
aa) Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung klar zu erkennen gegeben , dass sie die - für die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge erhebliche - Würdigung des Landgericht angreifen möchte, sie habe einen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die Anzeigepflicht beim Abbiegen nicht bewiesen. Mit dem Vorbringen, das Landgericht habe die Zeugenaussage ihres Ehemannes als "leicht verarmt" und damit nicht überzeugend gewürdigt, ohne sich einen persönlichen Eindruck verschafft zu haben (§ 355 ZPO), hat die Klägerin einen Verfahrensfehler gerügt, der dem Landgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sein soll. Damit hat sie einen konkreten Anhaltspunkt aufgezeigt, der aus ihrer Sicht Zweifel an der Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet (vgl. Senatsbeschluss vom 11. März 2014 - VI ZB 22/13, VersR 2014, 895 Rn. 9; BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 257/03, BGHZ 158, 269, 272).
12
bb) Die Klägerin hat darüber hinaus geltend gemacht, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO verneint. Denn bei dem Parkplatz, auf den der Beklagte zu 1 abgebogen sei, handle es sich um ein Grundstück im Sinne dieser Bestimmung. Da sich der Unfall beim Abbiegen in das Grundstück ereignet habe, spreche der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten zu 1. Diesen Beweis habe der Beklagte nicht widerlegt. Er habe bereits nicht schlüssig dargetan, den Blinker nach links betätigt zu haben.
13
cc) Soweit das Berufungsgericht in der Berufungsbegründung eine Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Rechtsverstöße vermisst , hat es zunächst nicht berücksichtigt, dass sich diese unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergibt und deshalb keiner gesonderten Darlegung bedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 12). Es liegt auf der Hand, dass sich rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigte Verursachungsbeiträge eines Fahrzeugführers auf das Ergebnis der Haftungsabwägung gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG auswirken.
14
Abgesehen davon hat die Klägerin die Erheblichkeit der gerügten Rechtsverletzungen dargetan. Sie hat geltend gemacht, dass aufgrund des nicht widerlegten Anscheinsbeweises von der alleinigen Haftung der Beklagten auszugehen sei. Jedenfalls sei die vom Landgericht rechtsfehlerhaft verneinte Missachtung der Anzeigepflicht beim Abbiegen und der besonderen Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO durch den Beklagten zu 1 in die Abwägung der wechselseitigen Verursachungsbeiträge einzustellen, was zu keinem anderen Ergebnis als der alleinigen Haftung der Beklagten führen könne.
15
Soweit das Berufungsgericht Ausführungen der Klägerin dazu vermisst, warum die vom Landgericht angenommene Sorgfaltspflichtverletzung ihres Ehemannes - Überholen bei unklarer Verkehrslage - in der Abwägung hinter den Verstößen des Beklagten zu 1 gegen § 9 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 4 und Abs. 5 StVO zurücktrete, hat es das Vorbringen in der Berufungsbegründung übersehen, wonach den Beklagten zu 1 - anders als den Ehemann der Klägerin - eine "besondere Sorgfaltspflicht" getroffen habe. Hiermit ist ersichtlich die erhöhte Sorgfaltspflicht des § 9 Abs. 5 StVO gemeint, wonach sich der Fahrzeugführer so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Abgesehen davon bedurfte es derartiger Ausführungen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es nicht darauf an, ob die von der Klägerin angenommene Haftungsquote zutreffend oder vertretbar ist. Dies ist allein eine Frage der Begründetheit.
16
dd) Den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO ist auch insoweit genügt, als sich die Berufung gegen die Aberkennung derVerbringungskosten wendet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der diesbezügliche Vortrag in der Berufungsbegründung nicht neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, so dass die besonderen Begründungsanforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO nicht Platz greifen. Neu ist ein Vorbringen, wenn es einen sehr allgemein gehaltenen Vortrag der ersten Instanz konkretisiert und erstmals substantiiert , nicht aber dann, wenn ein bereits schlüssiges Vorbringen aus der ersten Instanz durch weitere Tatsachenbehauptungen zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird (st. Rspr.: Senatsurteile vom 8. Juni 2004 - VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 251 und vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04, BGHZ 164, 330, 333; BGH, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 9 und Urteil vom 28. August 2012 - X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 Rn. 26; jeweils mwN). Letzteres ist vorliegend geschehen.
17
Die Klägerin hatte den zur Wiederherstellung ihres Fahrzeugs erforderlichen Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erstinstanzlich auf 5.973,21 € beziffert und ihr Vorbringen durch Vorlage der Reparaturrechnung konkretisiert. Aus der Rechnung ergab sich, dass ihr im Zusammenhang mit der Reparatur Verbringungskosten in Höhe von 85 € netto berechnet worden waren. Damit hatte sie die Entstehung von Verbringungskosten schlüssig dargetan. Diesen schlüssigen Vortrag hat sie in der Berufungsbegründung lediglich erläutert, um ein Missverständnis, dem das Landgericht unterlegen war, auszuräumen. Das Landgericht hat die Geltendmachung von Verbringungskosten für nicht nachvollziehbar erachtet, da das Fahrzeug bereits zum konkreten Reparaturbetrieb abgeschleppt worden sei. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass Verbringungskosten von Abschleppkosten zu unterscheiden sind und dadurch entstehen, dass die Lackierarbeiten in der Werkstatt , in der das Fahrzeug repariert wird, nicht erledigt werden können und dieses deshalb in eine Lackiererei transportiert werden muss (vgl. OLG Düsseldorf , Urteile vom 16. Juni 2008 - 1 U 246/07, DAR 2008, 523, 526; vom 6. März 2012 - 1 U 108/11, Schaden-Praxis 2012, 324, 325; MünchKommBGB/Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 372; Jahnke in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht , 23. Aufl., § 249 BGB Rn. 104; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 12 StVG Rn. 24). Den Begriff der Verbringungskosten musste die Klägerin erstinstanzlich nicht ungefragt erläutern.
18
3. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und die Sache - da die Berufung auch im Übrigen zulässig ist - zur Entscheidung über die Be- gründetheit des Rechtsmittels an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Galke Diederichsen Stöhr von Pentz Offenloch
Vorinstanzen:
LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 12.06.2013 - 14 O 23/11 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 25.03.2014 - 12 U 118/13 -

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 1.7.2014, Az.: 8 Ca 376/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Klägerin.

2

Die Klägerin ist seit dem 14.12.1994 in der Unternehmensgruppe der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen, als Angestellte beschäftigt. Anlässlich der Übernahme eines Einkaufsmarktes in K. zum 01.07.2008 und der Umsetzung der Klägerin dorthin schlossen die Parteien am 30.06.2008 einen Arbeitsvertrag, der u.a. folgende Regelung enthält:

3

"12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- / Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinlandpfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austrittes aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt. "

5

Die Beklagte ist, wie auch bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages, nicht tarifgebunden.

6

Bis einschließlich Juli 2013 wurde die Klägerin von der Beklagten nach den Vorschriften des jeweiligen Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten des Einzel- und Versandhandels in Rheinland-Pfalz (im Folgenden: Gehalts-TV) bei unstreitiger Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II/6. Berufsjahr vergütet, d.h. die Beklagte gewährte der Klägerin bis dahin sämtliche Tariferhöhungen.

7

Zum 01.08.2013 erhöhte sich die tarifliche Vergütung in der Gehaltsgruppe II/6. Berufsjahr um 67,00 €, zum 01.05.2014 um weitere 49,00 €. Diese Tariferhöhungen hat die Beklagte an die Klägerin nicht weitergegeben.

8

Mit ihrer am 11.03.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 26.06.2014 erweiterten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung der Tarifgehaltserhöhungen für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 835,00 € brutto in Anspruch genommen.

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.07.2014 (Bl. 61 - 66 d.A.).

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 835,00 Euro brutto nebst folgenden Zinsen zu zahlen:

12

a) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 402,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Februar 2014,
b) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. März 2014,
c) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. April 2014,
d) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Mai 2014,
e) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 116,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juni 2014,
f) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 116,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juli 2014.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.07.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 f. dieses Urteils (= Bl. 66 f d.A.) verwiesen.

16

Gegen das ihr am 16.07.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.08.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 18.08.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15.10.2014 begründet.

17

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel sei - entgegen der rechtsfehlerhaften Auslegung des Arbeitsgerichts - statisch auszulegen, d.h. der Arbeitgeber gebe hier deutlich zu erkennen, dass er die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter so stellen wolle wie die entsprechenden tarifgebundenen Mitarbeiter. Die Klausel solle ersichtlich jedenfalls eine dynamische Tarifanwendung verhindern, wenn gegenüber tarifgebundenen Mitarbeitern keine zwingende Anwendungspflicht bestehe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sie - die Beklagte - bei Vertragsschluss tarifgebunden gewesen sei. Auch bei fehlender Tarifbindung sei die Klausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede auszulegen. Soweit das Arbeitsgericht diesbezüglich die Unklarheitenregelung angewendet habe, so stelle dies einen Rechtsfehler dar, da im vorliegenden Fall gerade keine Unklarheit gegeben sei. Durch die betreffende Vertragsklausel habe erkennbar sichergestellt werden sollen, dass der Arbeitgeber nicht gegen seinen Willen an einer dynamischen Bezugnahme festgehalten werden könne. Dadurch, dass die Klausel explizit regele, dass der Arbeitgeber die dynamische Tarifanwendung beenden könne bzw. diese bei fehlender Tarifbindung nicht greife, hätten die Arbeitsvertragsparteien deutlich gemacht, dass über eine bestehende Tarifbindung hinaus gerade keine Bindung gegenüber den Mitarbeitern gewollt sei. Dies ergebe sich auch bereits aus seinem Erst-Recht-Schluss. Wenn schon bei einem Tarifaustritt eine Statischstellung erfolgen solle, dann solle eine verpflichtende Tarifbindung des Arbeitgebers erst recht nicht bei schon bei Vertragsschluss fehlender Tarifbindung entstehen. Daraus folge, dass die Klägerin bei von Anfang an fehlender Tarifbindung keinen Anspruch auf die geltend gemachte Tarifgehaltserhöhung habe. Auch eine Auslegung anhand der Interessenlage der Parteien führe zu diesem Ergebnis, welches auch von der tatsächlichen Handhabung des Arbeitsverhältnisses bestätigt werde. Zunächst seien (unstreitig) allen Arbeitnehmern die Tariferhöhungen einheitlich auf freiwilliger Basis gewährt worden. Die mit der Klage geltend gemachten Erhöhungen seien hingegen einheitlich weder an tarifgebundene noch an nicht tarifgebundene Mitarbeiter weitergegeben worden. Die freiwillige Tarifanwendung sei mit dem Betriebsrat in einem sog. "betrieblichen Bündnis" vereinbart worden, welches jedoch mit Ablauf des 30.06.2011 ohne Nachwirkung geendet habe. Auch aus diesem Grund sei die Bezugnahmeklausel nicht im Sinne einer Zusage einer dynamischen Tarifbindung auszulegen. Die Arbeitsvertragsparteien hätten vielmehr durch diese Klausel gerade klargestellt, dass sich der Arbeitgeber von einer Tarifbindung jederzeit lösen könne. Wenn dies für den Fall der Tarifbindung bei Arbeitsvertragsschluss gelte, müsse dies erst recht bzw. umso mehr für den Fall der Tarifanwendung ohne Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers gelten.

18

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 15.10.2014 (Bl. 123 - 134 d.A.) Bezug genommen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 20.11.2014 (Bl. 141 - 146 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben.

II.

25

Die Klage ist begründet.

26

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate August 2013 bis Juni 2014 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages von insgesamt 835,00 € brutto zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

27

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

28

Ziffern 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 71. Aufl., Einf. § 158 Rz. 11; BeckOK BGB/Rövekamp, BGB § 158 Rz. 33).

29

Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - Rz. 17, zitiert nach juris), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

30

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG v. 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - Rz. 20, zitiert nach juris).

31

Der Wortlaut der in Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Klausel ist eindeutig. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen.

32

Dem Anspruch der Klägerin steht - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Rechtsansicht - auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Zwar hat einen Tag nach Abschluss des Arbeitsvertrages vom 30.06.2008, nämlich zum 01.07.2008 ein Betriebsübergang des Einkaufsmarktes K. von dessen vormaligem Inhaber auf die Beklagte stattgefunden. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst.

III.

33

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

34

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 510,88 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.489,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die 35-jährige Klägerin ist seit Juli 2008 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. -hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen- folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverbandes oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

"13. Schussbestimmungen"

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Beklagte betreibt in der M.-straße in K. ein großes Einkaufscenter. Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 162 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit erhöhte die Beklagte auch jeweils die Vergütung entsprechend dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Mit Schreiben vom 16.06.2011 wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

12

„Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

13

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandeltarifvertrags vergüten.

14

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen - insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen - Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

15

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte (vgl. Bl. 22 d. A.). Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

16

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 03.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

17

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz
Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.
Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.
Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.
Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 510,88 Euro.
Ich bitte sie mir bis zum 15.03.14 meinen Anspruch zu bestätigen."

18

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Bl. 41 d. A. ) zurückgewiesen.

19

Abzüglich der von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 eine rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige Differenz von 510,88 Euro und für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 eine Differenz von 1.489,88 Euro brutto.

20

Die Klägerin hat vorgetragen,
der von ihr geltend gemachte Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

21

Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die Klägerin habe mit der Geltendmachung vom 03.03.2014 auch die zukünftige Lohnerhöhung geltend gemacht. In Ausnahmefällen -wie vorliegend- sei auch bereits die Geltendmachung zukünftiger Lohnerhöhungen vor deren Entstehung möglich.

22

Im Übrigen handele es sich bei der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist um eine versteckte Klausel.

23

Die Klägerin hat beantragt,

24

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 510,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

25

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.489,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte hat vorgetragen, aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur von der Einzahl der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

29

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass die Beklagte gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe.

30

Die Ansprüche seien zudem insgesamt nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Die Klausel sei keineswegs überraschend und - direkt über der Unterschrift - auch nicht versteckt. Die gerichtliche Geltendmachung sei nach der schriftlichen Ablehnung der Ansprüche von März 2014 viel zu spät erfolgt und die übrigen Ansprüche seien zudem erstmals überhaupt mit der Klage, die hier streitgegenständlich sei, geltend gemacht worden.

31

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - verurteilt, an die Klägerin 247,50 € brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 91 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 04.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und heb insbesondere hervor, die Klausel im Arbeitsvertrag unter Ziff. 13 sei ungewöhnlich und überraschend; die Klägerin habe mit ihr nicht rechnen müssen. Aufgrund der fettgedruckten Verweisungsklausel auf die maßgeblichen Tarifverträge habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass davon abweichend im Arbeitsvertrage eine weitergehende Verfallklausel vereinbart worden sei. Die zweite Stufe der Verfallfrist, auf die sich die Beklagte berufe, sei nach dem Erscheinungsbild des Vertrages in den Schlussbestimmungen "versteckt". Für diese Auslegung spreche auch der Aufbau des Arbeitsvertrages, der in Ziffer 1 - 11 die einzelnen arbeitsvertraglichen Bestimmungen und Regelungen enthalte und ergänzend in Ziffer 12 auf die maßgeblichen Tarifverträge Bezug nehme. Ohne ausdrückliche Hervorhebung in einem weiteren Punkt habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass in den Schlussbestimmungen, die eine übliche salvatorische Klausel enthalte, noch von den Tarifverträgen abweichende Bestimmungen, die zum Erlöschen von Ansprüche führen könnten, geregelt seien.

34

Die Ansprüche seien für die Zukunft wirksam geltend gemacht worden. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.02.2016 (Bl. 121 - 125 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.753,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.07.2015 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

40

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel sei nicht überraschend. Denn Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen seien üblich und im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen, sofern sie für beide Parteien gelten und ausreichend lange Fristen enthalten. Die Klausel zu den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei auch nicht versteckt platziert. Die Platzierung am Vertragsende stelle zudem gerade kein "Verstecken" dar, sondern spreche für eine besondere Wahrnehmbarkeit der Klausel. Die Klausel sei auch nicht wegen anderer Regelungen im gleichen Paragrafen überraschend. Nichts anderes gelte für den Umstand, dass Ziffer 12 des Arbeitsvertrages in Fettdruck gehalten sei. Schließlich sei die Ausschlussklausel auch teilbar, d. h. sofern man aufgrund der fehlenden textlichen Absätze der ersten Stufe der Ausschlussklausel von einer überraschenden Klausel ausgehe, sei jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet sowohl textlich abgesetzt als auch allein für sich inhaltlich sinnvoll und nach dem Bluepencil-Test wirksam.

41

Hilfsweise und für den Fall, dass jedenfalls die tarifliche Ausschlussfrist aus dem Manteltarifvertrag des Einzelhandels eingreife, berufe sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin zusätzlich darauf, dass bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei. Denn durch das Geltendmachungsschreiben vom 03.03.2014 seien lediglich die Ansprüche für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 umfasst. Ein bestehender Anspruch sei insbesondere und gerade für die "zu erwartende Erhöhung" nicht gegeben. Insoweit habe es einer erneuten Geltendmachung bedurft.

42

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.03.2016 (Bl. 142 - 153 d. A) Bezug genommen.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

44

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

45

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

46

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

47

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage voll umfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 510,88 € brutto und weiteren 1489,88 € brutto, jeweils nebst Zinsen, verlangen.

48

Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung nach dem Tarifvertrag aus Ziffer 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergibt.

49

Danach sind auf das Arbeitsverhältnis dynamisch die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Dem steht Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbildung nicht mehr gegeben sein soll, nicht entgegen. Denn diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt davon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist von Anfang an als voll wirksam anzusehen (LAG R.-P. 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 -).

50

Nichts anderes ergibt sich auch nach einer Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Insoweit handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Dafür spricht, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, bereits das äußere Erscheinungsbild und eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegen getreten ist. Erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs.3 Nr. 1 BGB).

51

Insoweit gilt zusammengefasst Folgendes:

52

§§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei; BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind, und die der Verwender i.d.R. der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrags oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48m.Anm. Natzel SAE 2006, 225). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei - einmalig - die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (s. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22). Andererseits sind typische Erklärungen, die ein Arbeitgeber abgibt, nicht notwendig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nimmt der Arbeitgeber durch Schreiben, die für eine Mehrfachverwendung vorgesehen sind, inhaltsgleiche Änderungsangebote mehrerer Arbeitnehmer an, stellt er den Arbeitnehmern keine Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 20.05.2008 - 9 AZR 271/07, FA 2008, 318, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 1 Rz. 676 ff.).

53

Der Arbeitgeber muss die Vertragsbedingungen stellen, d. h. er muss konkret die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag verlangen (s. BAG 28.05.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Nicht entscheidend ist, in welcher Form die gestellte Vertragsbedingung nach außen hin erscheint. AGB liegen auch vor, wenn ein im PC gespeichertes Formular verwendet wird, das einen individuellen Anschein erweckt. Ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt auf einer Gehaltsabrechnung oder in einem Schreiben, mit der eine Sonderzahlung gewährt wird, ist ebenso kontrollfähig (BAG 18.03.2009 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43). wie die Bedingungen einer betrieblichen Übung, auch wenn sie nicht schriftlich festgehalten worden sind (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28; s.a. Ricken DB 2006, 1374 ff.). Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist also eine AGB (BAG 16.05.201 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 5 = NZA 2012, 908). Ebenso unterliegen die Bedingungen einer Gesamtzusage der Inhaltskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22).

54

Auslegung geht der Inhaltskontrolle stets voraus. Im Wege einer objektiven Auslegung ist der Kontrollgegenstand zu präzisieren. Sie kann durch das BAG als Revisionsgericht erfolgen (BAG 01.02.2006 EzA § 611BB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 31.08.2005 EzA § 6 ArbZG § 6 Nr. 6); eine vom LAG vorgenommene Auslegung von AGB unterliegt also der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das BAG (BAG 24.01.201 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20). Klauseln sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten nicht des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG 24.10.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 26; 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 344; 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9), denn der Vertragspartner des Verwenders kann auf den Inhalt der AGB, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19).

55

Die Auslegung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Inhaltskontrolle zunächst nicht auf der Grundlage einer kundenfreundlich ausgelegten Klausel durchzuführen ist. Erst wenn die Klausel nach den §§ 307-309 BGB gleichwohl Bestand, ist im Individualprozess die kundenfreundlichste Interpretation maßgebend (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 31; s.a. Preis/Roloff RdA 2005, 144); Voraussetzung dafür ist, dass nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305 c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 34). Die Anwendung der Unklarheitenregelung de § 305 c As. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 18; 09.02.2011 EzA § 311 a BGB 202 Nr. 2; 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11; 24.01.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20; s.a. BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10, EzA-SD 10/2011, S. 6 LS; Anrechnung von Vordienstzeiten EuroBerlin nicht unklar).

56

Bei der Auslegung können Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern erkannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen grds. nicht berücksichtigt werden. Zur Auslegung heranzuziehen sind demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9).

57

Typisierte Vertragsklauseln müssen nicht nur bei der Auslegung, sondern auch im Rahmen der Inhaltskontrolle typisierenden und generalisierenden Wertungen unterzogen werden. Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor. Hat eine Vertragsklausel einen unangemessen benachteiligenden Inhalt, ist es für die Wirksamkeit der Klausel nicht ausschlaggebend, ob sich der benachteiligende Inhalt auch im konkreten Einzelfall tatsächlich auswirkt. Entscheidend ist, welche Rechte nach dem konkreten Inhalt der Klausel geltend gemacht werden können und welche Folgen sich daraus bei genereller Betrachtung ergeben (s. BGH 23.06.1988 ZIP 1988, 1126; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42). Auf Grund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch die Berücksichtigung konkret individueller Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen (BAG 31.08.2005 EzA § 6 ArZG Nr. 6; 07.12.2005 EzA § 12 TzBfG Nr. 1). Es kommt also auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses an, also z.B. darauf, ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert hat (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

58

§ 310 As. 3 Nr. 3 BGB beseitigt also nicht den generell-abstrakten Prüfungsmaßstab, sondern ergänzt ihn. Die Umstände des Vertragsschlusses allein können nicht die Unwirksamkeit der Klausel begründen, auch inhaltliche Kriterien müssen Bedenken gegen sie begründen, ohne zur Unwirksamkeit zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene können die Umstände des Vertragsschlusses den Ausschlag geben, so dass eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann. Damit kann gem. § 310 As. 3 Nr. 3 BGB flexibel reagiert werden, um z.B. Vertragsgestaltungen mit erfahrenen Spitzenkräften und leitenden Angestellten zurückhaltend zu kontrollieren (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

59

Gem. § 307 Abs.2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbarten ist. Dahinter steht die Idee des Leitbildes des dispositiven Rechts. Die Anwendung im Arbeitsrecht ist nicht einfach, weil es zum großen Teil zwingend ist oder aus Richterrecht besteht. Andererseits erkennt auch die Zivilrechtsprechung die von ihr entwickelten Rechtsgrundsätze als gesetzliches Leitbild an (s. BGH 10.12.1992 BGHZ 121, 14, 18), was auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann (s. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43).

60

Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel auch dann vor, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (sog. Kardinalpflichten), so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (s. z.B. BAG 25.04.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 20; Freiwilligkeitsvorbehalt).Bei Verzichtserklärungen und Ausschlussfristen kann ein Verstoß gegen § 307 As. 2 Nr. 2 BGB darin liegen, dass die Klauseln zum Erlöschen der vertraglichen Hauptleistungspflicht führen können (BAG 28.09.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43; s. Preis/Sagan NZA 2012, 697 ff. Bauer/von Medern NZA 20122, 894 ff.).

61

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht bei normwiederholenden Klauseln und Preisabreden (§ 307 Abs. 3 S.2 BGB) sowie bei Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (trotz § 310 Abs. 4 S. 3 BGB; BAG 28.06.2007 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 5) ein. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot ist Bestandteil der Angemessenheitskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 14.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 01.09.201 - 5 AZR 517/09, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 50). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14.11.201 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10; 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40)

62

Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt in Abweichung von § 139 BGB bei Teilnichtigkeit grds. der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten; dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Teilbarkeit der Klausel ist durch eine Streichung des unwirksamen Teils mit einem blauen Stift zu ermitteln (Blue-Pencil-Test; BAG 21.04.2005 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 3; 19.12.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 17; 12.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 33; s.a. LAG Köln 03.08.2010LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; LAG Hessen 26.07.2010 - 7 a 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS).

63

Sprachliche Unteilbarkeit spricht im Übrigen für inhaltliche Unteilbarkeit. Sprachliche Teilbarkeit ist dagegen nur ein Indiz für inhaltliche Teilbarkeit. Um eine Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zu vermeiden, ist zu prüfen, ob der Klauselteil üblicherweise nicht selbständig vorkommt oder ob eine gekünstelte Aufspaltung der Klausel vorliegt. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann z. B. unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen gestrichen werden, wenn daneben an den Nichtantritt oder die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch angeknüpft wird (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 103; a. A: DBD/Bonin § 306 Rn. 12).

64

Im Übrigen gilt das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Klauseln (BAG 04.03.204 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1; 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 25.05.2005 EzA § 306 BGB 202 Nr. 1; LAG Nbg. 12.01.2011 - 4 Sa 437/10, AuR 2011, 221 LS; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104). Wer den Spielraum der Vertragsfreiheit durch AGB nutzt, muss das volle Risiko der Unwirksamkeit der Klausel tragen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist aber dann möglich, wenn Normen eine Aufrechterhaltung unwirksamer Abreden ausdrücklich zulassen (s. z.B. § 622 As. 6 BGB i. V. m. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB, § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB; ErfK/Preis §§ 3055-310 BGB Rn. 104).

65

Nur ausnahmsweise ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB als Anwendung dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB möglich (instr. Bieder NZA 2011, Beil Nr. 3/2011 S. 142 ff.).

66

Das setzt aber voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine angemessene, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung bietet, so dass der Regelungsplan der Vertragspartner infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf (BGH 03.11.1999 NJW 2000, 1110); Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89). Hinzukommen muss, dass ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt (BAG 28.11.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 30; 07.07.2010, 09.06.2010 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 49, 50; 16.11.2011 - 45 AZR 246/10, EzA-SD 8/2012 S. 7 LS; LAG Köln 03.08.2010 LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104; Günther ZTR 2011, 203 ff.). Bei unwirksamen Bestimmungen in AGB hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 25.04.2007 EzA § 307BGB 2002 Nr. 20; 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89).

67

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Er ist ausschließlich zukunftsbezogen formuliert, was sich schon aus der Formulierung "dies gilt dann nicht mehr, wenn" und der Formulierung "nicht mehr tarifgebunden ist" ergibt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Vorschriften von vorneherein bereits wegen der bei dem Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zu Stande kommen sollte.

68

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.

69

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind sie auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

70

Das Arbeitsgericht hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

71

" c) Die Ansprüche vor April 2015 sind jedoch nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Für die im Schreiben vom 03.03.2014 zweifellos geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 510,88 Euro fehlt es an der gerichtlichen Geltendmachung nach der Ablehnung. Nach Auffassung der Kammer ist die Klausel nicht überraschend, denn die Regelung von Verfallfristen in Arbeitsverträgen ist durchaus üblich. Nachdem die Beklagte nicht aufgrund einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebunden war, durfte auch von der tarifvertraglichen Klausel zu Lasten der Klägerin abgewichen werden.

72

Die Klausel ist auch nicht versteckt. Vielmehr befindet sie sich an der Stelle, die noch einmal unmittelbar vor der Unterzeichnung wahrgenommen wird. Allerdings folgt das Gericht der Auffassung der Klägerin, dass in dem Schreiben vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung für die Zukunft liegt. Dann hat aber auch die Ablehnung der Beklagten diese Ansprüche erfasst, weshalb die gerichtliche Geltendmachung in der vorliegenden Klage nur noch die letzten drei Monate betraf. Daraus ergibt sich der Betrag von 247,50 Euro."

73

Dem vermag die Kammer nur teilweise im Ergebnis zu folgen. Denn zwar ist in dem Schreiben der Klägerin vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung der streitgegenständlichen Beträge für die Zukunft zu sehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin aus der Zeit vor April 2015 jedoch nicht nach Maßgabe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Eine gerichtliche Geltendmachung war nicht erforderlich.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält, wie dargelegt, eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die voll inhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Insofern ist deshalb davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB erzielen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Teilbarkeit der Ausschlussklausel habe zur Folge, dass jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet, allein für sich auch inhaltlich sinnvoll und damit nach dem Blue-Pencil-Test wirksam sei, folgt die Kammer dem nicht. Denn die hier festzustellende Unklarheit der formularvertraglichen Regelung besteht gerade darin, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob sich die Ausschlussklausel aus Ziffer 12 oder aber aus Ziffer 13 des Arbeitsvertrages ergibt. Dann liegt es nahe, die in beiden Ziffern gleichlautend vorgesehene erste Stufe als wirksam anzusehen und aufrechtzuerhalten, die nur in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe dagegen zu streichen. Folglich bedurfte es einer gerichtlichen Geltendmachung vorliegend nicht.

75

Mit dem Schreiben vom 03.03.2014 hat die Klägerin schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten auch die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht fälligen Ansprüche, soweit streitgegenständlich, rechtzeitig geltend gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

76

Für den Beginn der Ausschlussfrist wird zumeist auf die Fälligkeit des Anspruchs -grds. unabhängig von der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Bestehen des Anspruchs (BAG 13.12.2007 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 189) - abgestellt (s. BAG 14.03.2012 - 10 AZR 172/11, NZA-RR 2012, 480 = ZTR 2012, 518); davon ist insbes. dann auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien diesen Zeitpunkt nicht ausdrücklich festgelegt haben (BAG, 18.03.2003, NZA 2003, 1359 LS). Insoweit ist z.B. ein Anspruch auf Vergütung aus einem Arbeitszeitkonto frühestens zum Ablauf des Verteilungszeitraums fällig, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Ausschlussfrist zu laufen beginnt (LAG Nds. 29.04.2005, NZA-RR 2005, 589). Die an die Eingruppierung anknüpfende Ausschlussfrist läuft insoweit nicht an, wenn der Arbeitgeber gar keine Tarifgruppe wählt, sondern einen Stundenlohn zugrunde legt, der keiner Tarifgruppe und keiner Tarifstufe entspricht (BAG 11.02.2009 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rn. 4719 ff.).

77

Die Fälligkeit i.S. einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist kann von einer Abrechnung durch den Anspruchsgegner abhängen. Das ist dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne diese Abrechnung nicht erkennen kann (BAG 27.02.2002 EzA § 138 BGB Nr. 30). Fälligkeit einer tariflichen Leistung (z.B. einer Abfindung) tritt erst dann ein, wenn der maßgebende Tarifvertrag wirksam geworden, also unterzeichnet worden ist (§§ 1 Abs. 2 TVG, 126 Abs. 2 BGB). Denn eine Leistung ist erst fällig, wenn der Gläubiger sie verlangen kann (BAG 20.03.1997 NZA 1997, 896).

78

Eine Geltendmachung kann aber auch vor Fälligkeit erfolgen (BAG 20.06.2002 EzA § 611 BGB Arbeitgeberhaftung Nr. 11); sie ist andererseits aber grds. erst dann möglich, wenn der Anspruch bereits entstanden ist (BAG 10.07.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 168; 11.12.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014S. 15 LS). Abgesehen von dem Sonderfall der fristwahrenden Geltendmachung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist (z.B. im Rahmen des § 18 Abs. 4 TV-DRK für die Geltendmachung von Überstundenvergütung) eine die tarifliche Ausschlussfrist wahrende Geltendmachung vor dem Entstehen des Anspruchs grds. nicht möglich (BAG 22.01.2009 - 6 AZR 5/08, NZA-RR 2010, 54 LS; 09.03.2005 EzA § 4 TVG Rotes Kreuz Nr. 5). Ein Anspruch auf Abfindung nach § 113 Abs. 2 BetrVG wird auch dann mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist und später rechtskräftig die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG 03.08.1982 EzA § 113 BetrVG 1972 Nr. 10).

79

Eine tarifliche Ausschlussfrist kann allerdings ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3), wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 863/11, EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS).

80

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beklagte konnte unzweifelhaft erkennen, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen sie abhängen. Die Erfüllung aller streitgegenständlichen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche wurde auf einer der Beklagten ohne Weiteres und voll inhaltlich bekannten Rechnungsgrundlage verlangt und nur diese ist zwischen den Parteien streitig. Folglich genügte die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung der Klägerin zutreffenden Auslegung des Formular-Arbeitsvertrages auf für später entstehende Zahlungsansprüche. Denn vorliegend bestand für die Beklagte ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was die Klägerin von ihr verlangte. Insoweit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 22.01.2014 - 4 Sa 325/13 - für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung zutreffend ausgeführt:

81

" Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).

82

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2009 die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen ab dem 01.04.2009 geltend gemacht. Diese Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über das Jahr 2009 hinaus für die Beklagte bzw. deren Sohn bei Einsichtnahme in die jeweiligen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres errechenbar war.

83

Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG v. 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170).

84

Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zumindest zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regel-mäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird (BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975).

85

Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauer-hafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (hier: Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, so erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat (BAG v. 16.01.2003, a. a. O.).

86

Vorliegend stritten die Parteien - soweit ersichtlich - bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2009 im Hinblick auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche auf tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung zustehen, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 21.03.2009 wahrt daher auch die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der betreffenden tariflichen Sonderleistungen. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistungen verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen."

87

Dem ist - zustimmend - nichts hinzuzufügen.

88

Folglich erweist sich die Klage der Klägerin als voll umfänglich begründet. Deshalb war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Klägerin teilweise aufzuheben und der Klage insgesamt stattzugeben.

89

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

90

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

„13. Schussbestimmungen

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.

12

Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

13

„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!

14

Sehr geehrte Frau A.,

15

wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.

16

In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.

17

Wie geht es nun weiter?

18

Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

19

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

20

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

21

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.

22

Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

23

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

24

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz

25

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

26

Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

27

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

28

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

29

Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."

30

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.

31

Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.

32

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.

34

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

35

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

40

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.

41

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.

42

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.

43

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

44

Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.

45

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.

46

Die Klägerin beantragt zuletzt,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:

51

Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.

52

Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

53

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

55

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

56

Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.

B.

57

Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.

I.

59

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

60

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

61

2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

62

3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

63

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

64

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

65

4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

66

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.

II.

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

68

Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.

69

1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.

70

Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.

71

Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.

72

a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).

73

b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

75

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:

76

Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.

77

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.

78

Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.

79

Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:

80

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

81

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.

82

b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

83

c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.

84

Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

85

Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

86

Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.

88

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

(1) § 305 Absatz 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 9 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. In den Fällen des Satzes 1 finden § 307 Absatz 1 und 2 sowie § 308 Nummer 1a und 1b auf Verträge, in die die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) in der jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichungen insgesamt einbezogen ist, in Bezug auf eine Inhaltskontrolle einzelner Bestimmungen keine Anwendung.

(2) Die §§ 308 und 309 finden keine Anwendung auf Verträge der Elektrizitäts-, Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgungsunternehmen über die Versorgung von Sonderabnehmern mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser aus dem Versorgungsnetz, soweit die Versorgungsbedingungen nicht zum Nachteil der Abnehmer von Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung von Tarifkunden mit elektrischer Energie, Gas, Fernwärme und Wasser abweichen. Satz 1 gilt entsprechend für Verträge über die Entsorgung von Abwasser.

(3) Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträge) finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit folgenden Maßgaben Anwendung:

1.
Allgemeine Geschäftsbedingungen gelten als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurden;
2.
§ 305c Abs. 2 und die §§ 306 und 307 bis 309 dieses Gesetzes sowie Artikel 46b des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche finden auf vorformulierte Vertragsbedingungen auch dann Anwendung, wenn diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte;
3.
bei der Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen.

(4) Dieser Abschnitt findet keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen; § 305 Abs. 2 und 3 ist nicht anzuwenden. Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen stehen Rechtsvorschriften im Sinne von § 307 Abs. 3 gleich.

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 9. Februar 2012 - 4 Sa 1025/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitsverpflichtung der Klägerin und über Vergütungsansprüche.

2

Die Klägerin ist - nach Vorbeschäftigung bei einem anderen Konzernunternehmen - seit dem 1. Januar 2006 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als außertarifliche Mitarbeiterin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 2005 lautet auszugsweise:

        

„2. Vergütung

        

(1)     

Die übertragene Aufgabe ist dem Band 1 im Sinne der Betriebsvereinbarung der R E AG zur Vergütung für nicht leitende außertariflich beschäftigte Mitarbeiter (AT-Mitarbeiter) der R E AG zugeordnet.

        

(2)     

Als Vergütung erhalten Sie für die Erfüllung Ihrer Aufgabe:

                 

a)    

ein festes Jahresgehalt in Höhe von € 67.920,00 brutto, zahlbar in zwölf gleichen Teilen, jeweils monatlich nachträglich in Höhe von € 5.660,00 brutto. Davon sind zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses € 5.622,00 (99,33 %) pensionsfähig.

                 

b)    

ein festes, nicht ruhegeldfähiges Bruttomonatsgehalt, zahlbar ab Mitte November,

                 

c)    

eine variable, individuelle Vergütung bis max. 1,56 Monatsgehälter gemäß Ziffer 2, Absatz 2 a). Die individuelle Vergütung wird auf Basis der Betriebsvereinbarung über die Zielerreichung der R E AG ermittelt;

                 

d)    

eine variable, vom Unternehmenserfolg abhängige Vergütung bis max. 0,6 Monatsgehälter gemäß Ziffer 2, Absatz 2 a). Die Höhe der variablen Unternehmensvergütung ist von dem Unternehmenserfolg abhängig. Näheres regelt die Betriebsvereinbarung AT-Vergütung der R E AG.

        

…       

        
        

(5)     

Im Rahmen Ihrer Aufgabenstellung sind Sie verpflichtet, auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Mit der Vergütung gemäß Ziffer 2 ist die gesamte Tätigkeit für die R E AG abgegolten; darüber hinausgehende Zulagen und Zuschläge werden nicht gewährt.“

3

Das aktuelle Jahresgehalt der Klägerin beläuft sich auf ca. 95.000,00 Euro brutto. Ua. erhält sie ein monatliches Grundgehalt iHv. 6.225,00 Euro brutto.

4

Die Betriebsvereinbarung 2009 zur Erfassung und Regelung der Arbeitszeit zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat vom 31. März 2009 (im Folgenden: BV) lautet auszugsweise:

        

Präambel:          

        

Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist eine moderne Gestaltung der Arbeitszeit, um den Anforderungen des Wettbewerbs Rechnung zu tragen und den Mitarbeitern eine flexible Einteilung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Diese Betriebsvereinbarung erfordert eine hohe Verantwortung der Führungskräfte und Mitarbeiter. Die Regelungen dieser Betriebsvereinbarung sind von Führungskräften und Mitarbeitern uneingeschränkt und aktiv umzusetzen. Dazu wird eine intensive Kooperation zwischen Führungskräften, Mitarbeitern und dem Betriebsrat vorausgesetzt.

        

§ 1 Geltungsbereich            

        

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter (Tarif- und AT-Mitarbeiter) der Gesellschaft am Standort Es mit Ausnahme der Leitenden Angestellten gemäß § 5 Absatz 3, 4 BetrVG sowie Auszubildenden, Werksstudenten, Praktikanten und Diplomanden.

        

§ 2 Arbeitszeit/Arbeitszeitrahmen/Servicezeit            

        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Tarifangestellte bestimmt sich nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag (z. Zt.: Manteltarifvertrag Tarifgruppe R) und beträgt derzeit 38 Stunden für Vollzeitmitarbeiter (ohne Ruhepausen und Zeiten z. B. zur Verlängerung von Pausen, für Arztbesuche oder sonstige private Wegezeiten). Für Teilzeitmitarbeiter gelten die jeweils vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten.

        

2.    

Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt in der Regel auf die Wochentage Montag bis Freitag jeweils zwischen 6:00 Uhr und 20:00 Uhr. Die Mitarbeiter können die Lage der Arbeitszeit innerhalb dieses Rahmens unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Servicezeit gemäß nachfolgender Ziffer 3 in Abstimmung mit dem Vorgesetzten frei wählen.

        

…       

        

§ 3 Zeiterfassung            

        

1.    

Die Arbeitszeitdaten (z. B. ‚Kommen’- und ‚Gehen’-Zeiten) aller Mitarbeiter werden elektronisch erfasst. Jeder Mitarbeiter hat täglich vor Arbeitsbeginn mit seiner Servicekarte an einem der Zeiterfassungsgeräte oder durch Passieren der Zutrittskontrolle eine ‚Kommen-Buchung’ und bei Arbeitsende eine ‚Gehen-Buchung’ durchzuführen.

        

2.    

Ist eine Nutzung der Zeiterfassungsgeräte bei Arbeitsbeginn und/oder Arbeitsende nicht möglich, ist der Mitarbeiter verpflichtet, seine Arbeitszeiten über ESS (Employee Self Service) bis zum dritten Arbeitstag des Folgemonats zu erfassen. Dieses System ist darüber hinaus für die Kontrolle und ggf. Aktualisierung oder Korrektur der Arbeitszeitdaten zu nutzen.

        

3.    

Die Arbeitszeitdaten der Mitarbeiter können von dem Vorgesetzten jederzeit eingesehen werden.

        

…       

        

§ 5 Gleitzeit            

        

1.    

Für jeden Mitarbeiter wird ein Gleitzeitkonto eingerichtet und geführt. Davon ausgenommen sind nur AT-Mitarbeiter, die gemäß Ziffer II. 2., 3. und 5. der Bonus-Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 2008 in Verbindung mit Anlage 2 zur Bonus-Betriebsvereinbarung der Vergütungsgruppe ‚Commercial’ angehören. Für diese AT-Mitarbeiter wird kein Gleitzeitkonto geführt und kein Arbeitszeitsaldo gebildet; die Arbeitszeiten werden lediglich dokumentiert.

        

…       

        
        

3.    

Das Gleitzeitkonto von AT-Mitarbeitern erfasst die Differenz aus IST-Arbeitszeit inklusive Mehrarbeit und regelmäßiger Arbeitszeit.

        

…       

        
        

§ 7 Gleitzeitkonto AT-Mitarbeiter            

        

1.    

Das Gleitzeitkonto für AT-Mitarbeiter (§ 5 Ziffer 1) wird auf der Basis der derzeit gültigen tariflichen Wochenarbeitszeit (38 Stunden) geführt. Die jeweils gültige tarifliche Wochenarbeitszeit wird ausschließlich zum Zweck der Führung des Gleitzeitkontos herangezogen. Eine entsprechende Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter erfolgt damit nicht.

        

2.    

Zeitguthaben sollen vorrangig durch Freizeit ausgeglichen werden.

        

3.    

Soweit das Gleitzeitkonto ein Zeitguthaben von 180 Stunden oder eine Zeitschuld von 80 Stunden erreicht, ist der Vorgesetzte verpflichtet, mit dem Mitarbeiter gemeinsam mit dem Betriebsrat sowie einem Vertreter von Human Resources ein Gespräch zu führen und Maßnahmen zu vereinbaren, die ein weiteres Anwachsen des Zeitguthabens, insbesondere die Überschreitung eines Zeitguthabens von 220 Stunden, oder der Zeitschuld verhindern. Die Inhalte des Gesprächs sind von dem Vorgesetzten zu protokollieren. Das Protokoll ist Human Resources und dem Betriebsrat zuzuleiten.

        

…       

        
        

5.    

Zum 31.12. eines Kalenderjahres bestehende Zeitguthaben entfallen ersatzlos. Etwaige Zeitschulden werden in vollem Umfang auf das nächste Kalenderjahr übertragen und sind auch in diesem Jahr abzubauen.“

5

Mit E-Mail vom 8. Oktober 2010 wies die Beklagte die Klägerin an, mindestens 7,6 Stunden täglich zu arbeiten. Mit Schreiben vom 10. November 2010 forderte die Beklagte die Klägerin auf, eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten, und wies darauf hin, dass sie beginnend mit dem Monat November 2010 einen Teil des Gehalts einbehalten werde, bis das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sei.

6

Im Dezember 2010 arbeitete die Klägerin insgesamt 19,8 Stunden im Betrieb. Für diesen Monat zahlte die Beklagte der Klägerin 2.144,56 Euro brutto. Vom 1. bis 19. Januar 2011 arbeitete die Klägerin insgesamt 5,51 Stunden. Vom 20. bis 31. Januar 2011 hatte die Klägerin Urlaub. Für Januar 2011 zahlte die Beklagte der Klägerin 3.346,43 Euro brutto.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, weder im Arbeitsvertrag noch in der BV sei ein bestimmter Umfang der Arbeitszeit festgelegt. Zumindest bestünden erhebliche Zweifel daran, dass der Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Einhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeit enthalte, sodass zugunsten der Klägerin § 305c Abs. 2 BGB Anwendung finden müsse. Das Maß für ihre Arbeitsleistung sei nicht eine bestimmte Arbeitszeit, sondern die Erfüllung der ihr übertragenen Tätigkeiten. Sie sei ihrer Pflicht, ihr zugewiesene Aufgaben zu bewältigen, stets nachgekommen. Die Beklagte habe sie jedoch nicht oder doch nicht in ausreichendem Maße mit Aufträgen betraut, weshalb im fraglichen Zeitraum Annahmeverzug bestanden habe.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sie keine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche hat;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.277,83 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 2.878,57 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin sei zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche verpflichtet. Das folge aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Da die Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in vollem Umfang erbracht habe, bestehe der erhobene Vergütungsanspruch nicht.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

12

I. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für den negativen Feststellungsantrag, der allerdings der Auslegung bedarf.

13

1. Nach dem Wortlaut des Feststellungsantrags bezieht sich das Begehren auf die von der Beklagten in Anspruch genommene arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung einer 38-Stunden-Woche. Gegenstand des Streits der Parteien ist danach allein der vertraglich festgelegte zeitliche Umfang der Arbeitspflicht, nicht aber die - gegebenenfalls auch kollektivrechtlich beeinflusste (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG) - Wirksamkeit etwaiger Einzelweisungen zur Verteilung der Arbeitszeit.

14

2. Mit diesem Inhalt ist der Feststellungsantrag zulässig. Eine Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 779/10 - Rn. 22; 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 - Rn. 13). Der - hier streitige - Umfang der Leistungspflicht des Arbeitnehmers ist zulässiger Inhalt einer Feststellungsklage (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 29, BAGE 138, 148). Die gerichtliche Entscheidung ist geeignet, die Streitfrage endgültig zu klären und weitere Prozesse über diesen Streitpunkt zu vermeiden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BGH 12. Juli 2006 - VIII ZR 235/04 - Rn. 16; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 256 Rn. 7b).

15

II. Die Klage ist nicht begründet.

16

1. Die Klägerin ist zur Arbeitsleistung im Umfang von 38 Wochenstunden am vereinbarten Dienstort verpflichtet. Dies ergibt sich nicht aus der BV; deren § 7 Ziff. 1 stellt ausdrücklich klar, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter durch die BV nicht festgelegt wird. Eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin haben die Parteien jedoch im Arbeitsvertrag vereinbart. Das ergibt die Auslegung des Vertrags.

17

a) Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags handelt es sich nach der von der Revision nicht angegriffenen rechtlichen Wertung des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR 406/10 - Rn. 11, BAGE 139, 44; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Die Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 14. November 2012 - 10 AZR 783/11 - Rn. 16).

18

b) Die Auslegung des Arbeitsvertrags nach diesen Grundsätzen führt - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - zu dem Ergebnis, dass die Klägerin verpflichtet ist, die im Betrieb der Beklagten übliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte einzuhalten.

19

aa) Durch den Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 2005 haben die Parteien ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet. Die Vertragsbestimmungen enthalten keine Vereinbarung über ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung wird im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet (BAG 21. Juni 2011 9 AZR 236/10 - Rn. 52, BAGE 138, 148; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 19). Für ein Vollzeitarbeitsverhältnis spricht auch der vertraglich eingeräumte Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen pro Jahr (Ziff. 3 des Arbeitsvertrags).

20

bb) Eine genaue Bezifferung des Umfangs der Arbeitszeit enthält der Arbeitsvertrag nicht. Gleichwohl war für einen redlichen und verständigen Arbeitnehmer erkennbar, dass durch den Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Umfang der betriebsüblichen Arbeitszeit für Vollzeitmitarbeiter begründet werden sollte.

21

(1) Wird im Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der Arbeitszeit getroffen, so ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit vereinbaren wollen (vgl. BAG 9. Dezember 1987 4 AZR 584/87 - BAGE 57, 130; ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 653; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 45 Rn. 49; Staudinger/Richardi/Fischinger (2011) § 611 Rn. 544; MüArbR/Reichold 3. Aufl. § 36 Rn. 81; MüArbR/Anzinger § 297 Rn. 14; zur Lage der Arbeitszeit: BAG 23. Juni 1992 - 1 AZR 57/92 - zu II 2 der Gründe). Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und redlicher Vertragspartner. Ein Mitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag über ein Vollzeitarbeitsverhältnis abschließt, muss bei Fehlen einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger Anhaltspunkte redlicherweise davon ausgehen, dass er in gleichem Umfang wie andere Vollzeitarbeitnehmer des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung verpflichtet und für ihn daher der betriebsübliche Umfang der für Vollzeitmitarbeiter geltenden Arbeitszeit maßgeblich ist.

22

(2) Auch der Arbeitsvertrag der Parteien spricht nicht für die Auffassung der Klägerin, ihre Tätigkeit sei von der Bindung von Arbeitszeit frei. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen Festlegung des zeitlichen Umfangs der zu leistenden Arbeit. Gemäß Ziff. 2 Abs. 5 Satz 1 des Arbeitsvertrags ist die Klägerin jedoch im Rahmen ihrer Aufgabenstellung verpflichtet, auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Damit ist eine mittelbare Bindung an die betriebsübliche Arbeitszeit vorausgesetzt. Das ergibt sich aus dem erkennbaren Zweck der in Ziff. 2 getroffenen Regelung. Wie schon die Überschrift zeigt, betrifft sie unmittelbar die Vergütung, also eine Leistungspflicht der Beklagten und nicht der Klägerin (vgl. auch BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 18). Mit der vereinbarten Vergütung soll die gesamte Tätigkeit - auch soweit sie die betriebsübliche Arbeitszeit übersteigt - abgegolten sein. Es handelt sich um eine Abrede zur pauschalierten Vergütung von Überstunden. Unbeschadet der Frage, ob eine derartige Abrede wirksam ist (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN, BAGE 135, 250), bietet sie jedenfalls keinerlei Grund für die Annahme, es sei nicht wenigstens Arbeitsleistung im Umfang der betriebsüblichen Arbeitszeit geschuldet.

23

cc) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die vertragliche Regelung der Arbeitszeit sei unklar, weshalb die betriebsübliche Arbeitszeit nicht vereinbart sei (§ 305c Abs. 2 BGB, vgl. dazu BAG 14. November 2012 - 10 AZR 783/11 - Rn. 17). Die Klägerin legt bereits nicht dar, welche Arbeitszeitregelung nach ihrem Verständnis die hier maßgebliche Klausel treffen soll. Ein Verständnis dahin gehend, nach dem Vertrag sei eine Messung ihrer Arbeitsleistung in Zeitabschnitten von vornherein ausgeschlossen, liegt fern.

24

(1) Der Vertrag bietet keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Klägerin, sie schulde allein die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben und sei vertraglich nicht zur Arbeitsleistung in einem bestimmten zeitlichen Umfang, sondern gegebenenfalls auch nur wenige Tage im Monat - etwa in dem von der Klägerin im Dezember 2010 und Januar 2011 erbrachten Maße - verpflichtet. Nach der Präambel des mit „AT-Arbeitsvertrag“ überschriebenen Vertrags wird durch ihn ein „Arbeitsverhältnis“ begründet. Der Arbeitnehmer schuldet nicht die Erbringung von einzelnen Tätigkeiten oder ein bestimmtes Ergebnis. Nicht der Erfolg, sondern die Zeit ist das wesentliche Maß für die Arbeitsleistung (ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 641; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611 Rn. 18). Das gilt auch für außertarifliche Angestellte; auch sie entgehen nicht der Notwendigkeit, ihre Arbeitsleistung „in der Zeit“ zu erbringen (Franke Der außertarifliche Angestellte S. 75; Beseler in Beseler/Bopp/Bram/Göttling/Grundmann/Keil/
Schliemann Außertarifliche Angestellte S. 47). Der zeitbezogene Charakter der geschuldeten Arbeitsleistung lag - insbesondere für eine AT-Mitarbeiterin - auf der Hand. Gemäß Ziff. 2 Abs. 2 Buchst. a des Arbeitsvertrags erhält die Klägerin ein monatliches und damit nach Zeitabschnitten bemessenes Grundgehalt, das den wesentlichen Teil ihrer Vergütung ausmacht. Die Vereinbarung und Erreichung von Zielen, die im Übrigen ebenfalls nur „in der Zeit“ erarbeitet werden können, ist lediglich für die Höhe der variablen Vergütung gemäß Ziff. 2 Abs. 2 Buchst. c des Arbeitsvertrags relevant.

25

(2) Auch die BV spricht nicht für die Auffassung der Klägerin. Vielmehr zeigt § 5 Ziff. 3 BV, dass auch für außertarifliche Angestellte eine regelmäßige Arbeitszeit gelten muss. Ansonsten hätte die dort getroffene Anordnung, derzufolge das Gleitzeitkonto die Differenz aus IST-Arbeitszeit einschließlich Mehrarbeit und „regelmäßiger Arbeitszeit“ erfasst, keinen Anwendungsbereich.

26

(3) Die Behauptung der Klägerin, bei der Beklagten werde das Konzept der Vertrauensarbeitszeit angewendet, ist nicht zielführend. Abgesehen von dem Umstand, dass der Arbeitsvertrag keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung enthält, entfällt durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht die Pflicht des Arbeitnehmers, Arbeitszeit in einem nach Stunden bemessenen Umfang abzuleisten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung wird lediglich nicht kontrolliert (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR 124/11 - Rn. 34; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. § 160 Rn. 34).

27

(4) Auch die Bedeutung des in Ziff. 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags verwendeten Begriffs der „betriebsüblichen Arbeitszeit“ unterliegt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin keinen Zweifeln. Zwar trifft es zu, dass die betriebsübliche Arbeitszeit in einem Betrieb nicht zwingend für alle Arbeitnehmer einheitlich sein muss, sondern abhängig von dem jeweils vertraglich geschuldeten regelmäßigen Umfang der Arbeitsleistung für verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein kann (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 122, 127). Die Klägerin behauptet indes selbst nicht, dass eine andere als die von der Beklagten als maßgeblich angesehene Arbeitszeit von 38 Wochenstunden, sei es auch nur für einzelne Gruppen von Arbeitnehmern, betriebsüblich wäre.

28

dd) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass die Arbeitszeit nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Ob darin ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG zu sehen ist, wofür einiges spricht, kann dahinstehen. Jedenfalls führt ein Verstoß gegen die Nachweispflicht nicht zur Unwirksamkeit der betreffenden Vereinbarung.

29

c) Die betriebsübliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte ist die in dem jeweiligen Betrieb von Vollzeitkräften regelmäßig geleistete Arbeitszeit (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 122, 127). Bei tarifgebundenen Arbeitgebern ist dies regelmäßig die tarifliche Arbeitszeit (vgl. BAG 21. Juni 2011 9 AZR 236/10 - Rn. 52, BAGE 138, 148; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 20). Auch § 2 Ziff. 1 BV bestimmt, dass sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitmitarbeitern im Betrieb der Beklagten nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag richtet. Gemäß § 4 Ziff. 1.1 MTV beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte 38 Stunden. Die tarifliche Arbeitszeit ist danach betriebsüblich. Sie gilt deshalb auch für außertarifliche Angestellte, mit denen eine andere Arbeitszeit nicht vereinbart ist.

30

2. Die Leistungsanträge sind ebenfalls unbegründet. Die Beklagte hat sämtliche Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 bereits erfüllt. Darüber hinausgehende Vergütungsansprüche für diese Monate bestehen nicht.

31

a) Im Dezember 2010 arbeitete die Klägerin insgesamt 19,8 Stunden. Am 24. und 31. Dezember werden die Mitarbeiter der Beklagten bezahlt von der Arbeitsleistung freigestellt (§ 8 Ziff. 4 BV). Vom 1. bis 19. Januar 2011 arbeitete die Klägerin insgesamt 5,51 Stunden. Vom 20. bis 31. Januar 2011 hatte sie Urlaub.

32

b) Unter Berücksichtigung eines Bruttomonatsgehalts iHv. 6.225,00 Euro, der auf der Grundlage einer 38-Stunden-Woche im jeweiligen Monat zu leistenden Arbeitsstunden und der bereits geleisteten Zahlungen stehen der Klägerin daher für Dezember 2010 und Januar 2011 keine weiteren Zahlungsansprüche zu.

33

aa) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt(BAG 18. April 2012 - 5 AZR 248/11 - Rn. 14 mwN).

34

bb) Dass die Klägerin über die bereits vergüteten Arbeitsstunden hinaus weitere erbracht hätte, ist nicht erkennbar.

35

(1) Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, im maßgeblichen Zeitraum über die im Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgewiesenen Zeiten hinaus Arbeitsleistungen für die Beklagte erbracht zu haben. Die pauschale Behauptung, die Zeiterfassung der Beklagten habe im Jahr 2010 nicht immer reibungslos funktioniert, lässt nicht erkennen, ob und gegebenenfalls welche tatsächliche Arbeitsleistungen der Klägerin nicht aufgezeichnet worden sein sollen.

36

(2) Die Klägerin kann die von ihr begehrte Vergütung auch nicht gemäß § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB wegen Annahmeverzugs verlangen. Der Arbeitgeber kommt nur dann in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt (§ 293 BGB). Voraussetzung ist ein zur Erfüllung taugliches Angebot. Die Leistung muss gemäß § 294 BGB so, wie sie geschuldet ist, tatsächlich angeboten werden(BAG 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 18, BAGE 123, 98). Die Klägerin ist - wie sie nicht in Abrede stellt - mangels entgegenstehender Verabredungen mit der Beklagten verpflichtet, ihre Arbeitsleistung an ihrem Dienstort (früher D, zuletzt Es) zu erbringen. Eine Tätigkeit von zu Hause aus ist nicht vereinbart. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, dass sie - außerhalb der im Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgewiesenen und bereits vergüteten Zeiten - ihre Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten tatsächlich angeboten hat.

37

c) Die Klägerin kann die von ihr begehrte Vergütung auch nicht unter Verweis auf die in der BV enthaltene Regelung über das Arbeitszeitkonto verlangen.

38

aa) Allerdings regelt § 7 BV die Führung eines Arbeitszeitkontos mit verstetigter Lohnzahlung. Darin liegt eine wechselseitige Vorschussvereinbarung (MüKoBGB/Müller-Glöge § 614 Rn. 2). Ein nicht ausgeglichenes Arbeitszeitkonto weist, je nach Stand, Vorleistungen der einen oder der anderen Seite aus. Ein negatives Zeitguthaben bedeutet bei gleichbleibender, nach der regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers bemessener Vergütung einen Vorschuss des Arbeitgebers (BAG 13. Dezember 2000 - 5 AZR 334/99 - zu II 2 a der Gründe; MüKoBGB/Müller-Glöge § 611 Rn. 1058).

39

bb) Verlangt der Arbeitnehmer auf der Grundlage einer Vereinbarung über ein Arbeitszeitkonto eine verstetigte Vergütung für einen bestimmten Zeitraum, obwohl er die geschuldete Arbeitsleistung in dem betreffenden Zeitraum nicht in vollem Umfang erbracht hat, ist sein Vortrag daher nur dann schlüssig, wenn er erkennen lässt, dass er einen Vorschuss und nicht eine bereits verdiente Vergütung verlangt. Das setzt insbesondere voraus, dass sich dem Vortrag des Arbeitnehmers entnehmen lässt, dass er zur Nachleistung der im betreffenden Zeitraum geschuldeten, aber freiwillig nicht erbrachten Arbeitsleistung verpflichtet und daher mit einer entsprechenden Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden einverstanden ist.

40

cc) Diese Anforderungen liegen nicht vor. Die Klägerin stellt jegliche Verpflichtung zur Ableistung eines in Zeitabschnitten bemessenen Mindestmaßes an Arbeit in Abrede. Sie erkennt auch keine Verpflichtung zur Nachleistung von Arbeitsstunden entsprechend der Gleitzeitregelung. Sie hat bereits vor Beginn des Verfahrens ausdrücklich erklärt, dass sie mit einer Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden nicht einverstanden ist. Sie verlangt somit keinen Vorschuss im Sinne der BV über das Gleitzeitkonto, sondern eine nach ihrer Rechtsauffassung bereits verdiente Vergütung, der nach ihrer Auffassung eine Pflicht zu nach Stunden zu messender Arbeitsleistung - sei es in der Vergangenheit oder in der Zukunft - nicht gegenübersteht.

41

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Petri    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30. März 2011 - 10 Sa 486/10 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17. März 2010 - 7 Ca 10953/09 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Leistungsbonus für das Jahr 2008.

2

Die Beklagte ist Mitte 2009 aus dem Zusammenschluss der H Bank AG und der D AG entstanden. Sie gehört zur H-Group (H-Gruppe). Diese besteht aus der H Holding AG, der Beklagten und der DE BANK plc, Dublin (Irland) sowie deren Tochtergesellschaften. Die Klägerin ist für die Beklagte und deren Rechtsvorgängerin als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr tätig gewesen, zuletzt in Altersteilzeit mit einer Arbeitsphase bis zum 31. August 2008 und mit anschließender Freistellung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der letzte Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält auszugsweise nachstehende Regelungen:

        

        

„II.   

        

1. Vergütung

        

Die Mitarbeiterin erhält ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt und Leistungsbonus zusammensetzt. Die genaue Höhe des Grundgehalts ergibt sich aus dem Begleitschreiben zu diesem Vertrag.

        

…       

        

2. Leistungsbonus

        

Darüber hinaus erhält die Mitarbeiterin einen Leistungsbonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Leistungsbonus wird jeweils mit dem Maigehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt.

        

…       

        

IV.     

        

…       

        
        

6. Betriebsvereinbarungen

        

Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.“

3

Das in II 1 des Dienstvertrags in Bezug genommene Begleitschreiben vom 29. Juni 2001 hat auszugsweise nachstehenden Inhalt:

        

„Ab diesem Zeitpunkt setzt sich Ihr Gehalt aus verschiedenen Bestandteilen zusammen:

        

Grundgehalt:

        

Ihr jährliches Grundgehalt beträgt DM 126.000,00 brutto. Es wird in zwölf monatlichen Teilbeträgen von DM 10.500,00 ausgezahlt.

        

…       

        

Leistungsbonus:

        

Durch Ihre Leistung beeinflussen Sie auch die Höhe Ihres Gehalts:

        

Ihr Leistungsbonus kann zwischen 0 bis 200 % Ihres Basiswertes betragen, der zur Zeit bei DM 29.000,00 brutto liegt.

        

Gesamtgehalt:

        

Je nach Höhe Ihres Leistungsbonus wird Ihr Gesamtgehalt deshalb zwischen DM 136.500,00 brutto und DM 194.500,00 brutto liegen.“

4

Die Vereinbarung der Parteien über „die Umwandlung des Vollzeitdienstverhältnisses in ein Altersteilzeitdienstverhältnis“ sieht die Zahlung des anteiligen Leistungsbonus entsprechend der vereinbarten durchschnittlichen Teilzeitquote mit weiteren Maßgaben vor.

5

Über das Vergütungssystem verhalten sich mehrere Betriebsvereinbarungen. In der Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 11. Februar 1999 zwischen der B AG und dem Betriebsrat der B AG (nachfolgend: BV 1999) heißt es:

        

„Geschäftsleitung und Betriebsrat sind sich darüber einig, dass die leistungsbezogene Komponente im Vergütungssystem der Bank weiter verstärkt werden soll. Hierzu sollen einzelne bisher als fix geltende Gehaltsbestandteile dem Leistungsbonus zugeschlagen werden. Eine Senkung der Gesamtgehaltssumme der Bank ist mit dieser Flexibilisierung nicht verbunden. Im Übrigen soll mit der Neuordnung des Gehaltssystems dessen Vereinfachung und Vereinheitlichung für alle Mitarbeiter erreicht werden.

        

…       

        

3.    

Tarifmitarbeiter

                 

Das tarifliche Grundgehalt wird zukünftig 13,25 mal gezahlt. Das 13. Monatsgehalt wird wie bisher gezwölftelt auf die monatliche Zahlung des Grundgehalts aufgesetzt. Die restlichen 0,25 des Monatsgehalts werden als Sonderzahlung mit dem Dezembergehalt vergütet.

                 

0,75 eines Monatsgehalts werden flexibilisiert und der jeweiligen Einheit als erhöhter Gesamtbetrag auf den Leistungsbonus zur Verfügung gestellt. Leistungszulagen werden im Regelfall auf die Jahressumme umgerechnet und als Erhöhungsbetrag dem individuellen freiwilligen Leistungsbonus zugeschlagen. Die Gesamtsumme der der Einheit zur Verfügung stehenden Leistungsboni erhöht sich entsprechend.

        

…“    

        
6

Die BV 1999 wurde ersetzt durch die Betriebsvereinbarung „Flexibles Vergütungssystem“ vom 5. September 2001, geschlossen zwischen der HV Bank AG und dem Gesamtbetriebsrat (nachfolgend: BV 2001). Diese verhält sich über den Leistungsbonus wie folgt:

        

„…    

        
        

III.   

Der Leistungsbonus

                 

Die Leistung des Mitarbeiters wird auch über den Leistungsbonus honoriert. Sie wird auf der Basis der individuellen Leistung und des Teamverhaltens bewertet. Dabei spiegelt sich die Leistung maßgeblich in der Zielerreichung wider. Einflussfaktoren wie Marktsituation, Organisation, Team, Führungskraft und persönliche Voraussetzungen sind darüber hinaus zu berücksichtigen.

                 

...     

                 

Für die Höhe des Leistungsbonus ist neben der Leistung und dem Teamverhalten auch der Erfolg des Unternehmens in dem jeweiligen Geschäftsjahr maßgeblich. Seitens der Bank wird angestrebt, das für das jeweilige Geschäftsjahr zur Verfügung stehende Leistungsbonusbudget rechtzeitig vor Beginn der Mitarbeitergespräche bekannt zu geben. Der Leistungsbonus bemisst sich jeweils aus einem fixierten Basiswert. Sofern die Ziele nicht erreicht wurden, beträgt er zwischen 0 und unter 75 % des Basiswertes. Sofern die Ziele erreicht wurden, hat der Mitarbeiter Anspruch auf einen Bonus in Höhe von mindestens 75 % des Basiswertes (Regelbandbreite 75 % bis unter 150 %). Sofern die Ziele deutlich übertroffen wurden, hat er einen Anspruch auf mindestens 150 % des Basiswertes (Regelbandbreite 150 % bis 200 %).

                 

Die Festlegung der Bonushöhe innerhalb der dargestellten Bandbreiten liegt in der Verantwortung der unmittelbaren Führungskraft.

                 

…       

                 

Der Leistungsbonus wird jeweils für die Leistung des vorangegangenen Kalenderjahres neu festgelegt und im ersten halben Jahr des laufenden Jahres ausgezahlt.

        

…“    

7

Die BV 2001 wurde durch die „Betriebsvereinbarung zur flexiblen Vergütung und zum Mitarbeitergespräch“ vom 13. Oktober 2005 ersetzt (nachfolgend: BV 2005). Diese regelt ua. Folgendes:

        

B.    

Flexible Vergütung

        

I.    

Die zwei Vergütungskomponenten

        

Die Mitarbeiter erhalten ein Festgehalt und einen (Leistungs-)Bonus (im Folgenden Bonus genannt).

                          
        

II.     

Die Vergütung der einzelnen Mitarbeitergruppen

        

1.    

Tarifmitarbeiter

        

Das Festgehalt der tariflich vergüteten Mitarbeiter besteht entsprechend dem jeweils gültigen Tarifvertrag für das private Bankgewerbe aus 12 Monatsgehältern und einer tariflichen Sonderzahlung, die jeweils im Dezember ausgezahlt wird.

        

Der Basiswert des Bonus beträgt für Tarifmitarbeiter 1,25 Grundgehälter. Abhängig von seiner Leistung und dem zur Verfügung stehenden Budget kann der Mitarbeiter damit ein Gesamtjahresgehalt von maximal 15,50 Grundgehältern erhalten.

        

Bei unterjährigem Eintreten oder Ausscheiden werden Sonderzahlung und Bonus zeitanteilig vergütet. Dies gilt auch bei einem unterjährigen Wechsel von bzw. in ein ruhendes Arbeitsverhältnis oder (bezogen auf den Bonus) bei erfolgter Freistellung.

        

…       

        

C.    

Mitarbeitergespräch

        

…       

        
        

IV.     

Zielerreichung/Gesamtbewertung

        

Hier wird die Leistung des Mitarbeiters insgesamt beurteilt. Hierbei sind alle Ergebnisse, nicht nur die individuellen fachlichen Arbeitsziele (Punkt 1), sondern auch die Ziele zu persönlichen Kompetenzen (Punkt 2) und sonstige Ergebnisse zu berücksichtigen.

        

…       

        
        

V.    

Festlegung der individuellen Höhe des Bonus

        

Die Höhe des individuellen Bonus hängt zum einen von der Höhe des jährlichen Bonustopfes ab. Dieser wird wiederum grundsätzlich vom Gesamtbankerfolg bestimmt.

        

Darüber hinaus honoriert der Bonus auch die Zielerreichung des Mitarbeiters. Die konkrete Höhe des individuellen Bonus ist damit - neben der Abhängigkeit vom Erfolg der Bank - auch abhängig von der durch die Führungskraft im Mitarbeitergespräch durchgeführten Gesamtbewertung.

        

…       

        
        

D.    

Schlussbestimmungen

        

Die Betriebsvereinbarung tritt mit Unterzeichnung in Kraft. Sie ersetzt die Betriebsvereinbarung Flexibles Vergütungssystem vom 05.09.2001, …“

8

Die Klägerin erhielt für die Geschäftsjahre 2001 bis 2007 Boni von 6.200,00 Euro bis 16.000,00 Euro brutto.

9

Die H Bank AG geriet im Zusammenhang mit der weltweiten Bankenkrise in eine finanzielle Schieflage. Sie wies im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro und die H-Gruppe insgesamt einen Fehlbetrag iHv. 5,461 Mrd. Euro aus. Eine Insolvenz wurde nur durch staatliche Unterstützungszahlungen und Garantien in Milliardenhöhe abgewendet. Die H-Gruppe erhielt in den Jahren 2008 und 2009 kurz- und mittelfristige Liquiditätshilfen iHv. insgesamt 102 Mrd. Euro, davon 87 Mrd. Euro durch Garantien der Bundesrepublik Deutschland. Zum 31. Dezember 2008 betrug das Volumen der von der H Bank AG selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen 6,37 Mrd. Euro. Am 12. März 2009 teilte der Vorstand in einem Mitarbeiterbrief mit, für das Geschäftsjahr 2008 werde keine diskretionäre variable Vergütung gezahlt.

10

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe für das Jahr 2008 ein anteiliger Leistungsbonus zu. Sie habe vereinbarte persönliche Ziele voll erreicht und leicht übertroffen; selbst wenn das Unternehmensergebnis für das Jahr 2008 negativ gewesen sei, rechtfertige dies nicht eine vollständige Streichung des Bonus.

11

Sie hat auf Grundlage des vereinbarten Basiswerts und nach den Maßgaben der Vereinbarung über ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis den ihr ihrer Auffassung nach zustehenden Bonus errechnet.

12

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.336,19 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. März 2009 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Wegen der Milliardenverluste sei ermessensfehlerfrei kein Bonustopf für das Jahr 2008 zur Verfügung gestellt worden.

14

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht entsprochen. Es hat nicht berücksichtigt, dass nach dem Anstellungsvertrag die Bestimmung des Leistungsbonus nach § 315 Abs. 1 BGB zu erfolgen hat; es hat deshalb die gebotene umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter Einbezug der wirtschaftlichen Situation der Rechtsvorgängerin der Beklagten unterlassen.

16

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus II 2 des Dienstvertrags vom 29. Juni/15. August 2001 iVm. § 315 Abs. 1 BGB auf einen Leistungsbonus für das Jahr 2008.

17

1. Nach II 2 des Dienstvertrags erhält die Klägerin einen Leistungsbonus, der sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank richtet und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird.

18

2. Dieser Anspruch ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Dies beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern - im Ausnahmefall - auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen.

19

a) Der Dienstvertrag vom 29. Juni/15. August 2001 enthält Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 ff. BGB. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

20

b) Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (st. Rspr., zB BAG 8. Dezember 2010 - 10 AZR 671/09 - Rn. 15, BAGE 136, 294). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 19).

21

c) Nach II 2 des Dienstvertrags „erhält“ die Mitarbeiterin einen Leistungsbonus. Grundsätzlich besteht damit ein Anspruch, dieser ist der Höhe nach aber nicht bestimmt. Vereinbart sind die Kriterien für die Bemessung des Bonus, diese sind inhaltlich aber weder konkretisiert, noch ist ihr Verhältnis zueinander festgelegt. Dies verdeutlicht das im Dienstvertrag in Bezug genommene Begleitschreiben; danach kann der Leistungsbonus zwischen 0 % und 200 % des Basiswerts betragen. Ein (Mindest-)Bonus bei Teilerreichung von Zielen ist vertraglich nicht festgelegt. Für einen verständigen Vertragspartner folgt daraus, dass der Verwender sich ein Leistungsbestimmungsrecht sowohl in Bezug auf die Höhe des Anspruchs als auch in Bezug auf die Gewichtung der Kriterien vorbehalten und die Festlegung des jeweiligen Bonus nach billigem Ermessen zu erfolgen hat.

22

d) Die Ausübung des billigen Ermessens ist durch vertraglich festgelegte Vorgaben bestimmt. Nach II 2 des Dienstvertrags hat sich der Leistungsbonus nach den Bemessungskriterien „zu richten“, nach dem Begleitschreiben soll die Klägerin durch ihre Leistung die Höhe ihres Gehalts „beeinflussen“ können. An diese Vorgaben ist die Beklagte gebunden; sind Voraussetzungen für eine zusätzliche Vergütung vertraglich festgelegt, kann sich der Arbeitgeber davon nicht mehr einseitig durch anderweitige Leistungsbestimmung befreien (vgl. zu einer konkreten Zielvereinbarung: BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 22). Nach dem Dienstvertrag entspricht die Leistungsbestimmung regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Eine Leistungsbestimmung auf „Null“ kann nur dann billigem Ermessen entsprechen, wenn für eine vom Regelfall abweichende Gewichtung vereinbarter Kriterien besonders wichtige Gründe sprechen.

23

3. Mit diesem Inhalt hält II 2 des Dienstvertrags einer Inhaltskontrolle nach § 307 ff. BGB stand.

24

a) Die Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).

25

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 14, BAGE 135, 250). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB(st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 206/10 - Rn. 29, BAGE 138, 80).

26

bb) Diese Gefahr besteht nicht. Der Dienstvertrag bestimmt eindeutig, dass nach billigem Ermessen über den Leistungsbonus zu entscheiden ist und welche Faktoren in seine Bemessung einfließen. Dass sich die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Bestimmung der Leistung vorbehalten hat, macht die Vereinbarung nicht unklar. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ausübung des billigen Ermessens, den sie gerichtlich durchsetzen kann (§ 315 Abs. 3 BGB).

27

b) II 2 des Dienstvertrags enthält keinen unzulässigen Änderungsvorbehalt iSv. § 308 Nr. 4 BGB.

28

aa) Gemäß § 308 Nr. 4 BGB ist die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zumutbar ist. Einseitige Leistungsbestimmungsrechte nach § 315 ff. BGB fallen aber nicht unter § 308 Nr. 4 BGB, wenn sie darauf beschränkt sind, dem Verwender die erstmalige Festlegung seiner Leistung zu ermöglichen(BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 32; BGH 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 - zu II 2 b aa der Gründe, BGHZ 158, 149).

29

bb) So ist es hier. Der Anspruch ist auf Festlegung des Leistungsbonus nach billigem Ermessen unter Beachtung vertraglich vereinbarter Vorgaben gerichtet. Ein Recht zur Änderung bereits zugesagter Leistungen ist nicht vereinbart.

30

c) II 2 des Dienstvertrags enthält keine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BGB.

31

aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, besonderer Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten sind gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB angemessen zu berücksichtigen(BAG 14. September 2011 - 10 AZR 526/10 - Rn. 33; 13. März 2007 - 9 AZR 433/06 - Rn. 39 f; 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 33 f., BAGE 118, 22). Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

32

bb) Die Beklagte hat sich zur Zahlung eines Leistungsbonus nach billigem Ermessen verpflichtet und nicht das Recht vorbehalten, Vergütungschancen zu entziehen. Es ist zwar möglich, dass sich das Verhältnis zwischen festen und variablen Bezügen zugunsten der Festbezüge verschiebt, wenn der variable Teil aufgrund schlechter individueller Leistung und/oder schlechter wirtschaftlicher Situation niedrig festgesetzt wird. Auch in diesem Fall ist die Beklagte aber verpflichtet, den Leistungsbonus nach billigem Ermessen festzusetzen und unterliegt die Leistungsbestimmung der vollen gerichtlichen Kontrolle (st. Rspr., zB BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 46).

33

cc) Die vertragliche Regelung weicht nicht vom Gesetz ab, § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Gesetz sieht die vertragliche Einräumung einseitiger Leistungsbestimmungsrechte vor (§ 315 BGB). Es geht davon aus, dass dies einem rechtlichen Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechen kann und deshalb nicht von vornherein unangemessen ist. § 315 BGB ordnet ausdrücklich an, dass die Bestimmung mangels abweichender Vereinbarung nach billigem Ermessen zu geschehen hat, dass der Gläubiger die Entscheidung des Schuldners gerichtlich überprüfen und sie gegebenenfalls durch Urteil ersetzen lassen kann. Damit sind gegenüber einer Gefährdung des Gläubigers Vorkehrungen getroffen (BAG 17. Oktober 2012 - 10 AZR 620/11 - Rn. 43). Hinzu kommt, dass das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur einen Teil der vereinbarten Vergütung betrifft. Das in monatlichen Teilbeträgen auszukehrende Grundgehalt und eine weitere Sonderzahlung in Höhe eines Monatsgehalts sind im Dienstvertrag fest vereinbart. Der Kernbereich des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung wird damit durch die Leistungsbestimmung nach § 315 BGB nicht berührt.

34

4. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen ist erloschen (§ 362 BGB). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat den Leistungsbonus für das Jahr 2008 ermessensfehlerfrei auf „Null“ festgesetzt und damit den Anspruch der Klägerin erfüllt. Die getroffene Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 1 und Abs. 3 BGB).

35

a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BAG 12. Oktober 2011 - 10 AZR 746/10 - Rn. 26; 25. August 2010 - 10 AZR 275/09 - Rn. 31, BAGE 135, 239; 13. April 2010 - 9 AZR 36/09 - Rn. 40; 23. September 2004 - 6 AZR 567/03 - zu IV 2 a der Gründe, BAGE 112, 80). Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B II 3 b aa der Gründe). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen (vgl. BAG 14. Juli 2010 - 10 AZR 182/09 - Rn. 90, BAGE 135, 128; BGH 5. Juli 2005 - X ZR 60/04 - zu II 2 c aa der Gründe mwN, BGHZ 163, 321). Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen (vgl. BAG 13. Juni 2012 - 10 AZR 296/11 - Rn. 28; BGH 18. Oktober 2007 - III ZR 277/06 - Rn. 20, BGHZ 174, 48).

36

b) Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB(vgl. BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 29). Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - zu B IV 1 der Gründe; zur Kontroverse über den Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung: GMP/Müller-Glöge 7. Aufl. § 73 Rn. 10). Das Landesarbeitsgericht hat die gebotene gerichtliche Kontrolle der Leistungsbestimmung - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht vorgenommen. Im Streitfall kann der Senat die Entscheidung selbst treffen, weil alle maßgeblichen Tatsachen feststehen (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 47).

37

c) Die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten vorgenommene Leistungsbestimmung für den Leistungsbonus für das Jahr 2008 wird den gesetzlichen Vorgaben gerecht.

38

aa) Die Leistungsbestimmung war über die Vorgaben des Dienstvertrags hinaus an die Regelungen der BV 2005 gebunden. Vorgaben für die Ausübung des billigen Ermessens iSv. § 315 BGB können sich aus vertraglichen(vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 21) oder aus kollektivrechtlichen Vereinbarungen ergeben, vorliegend aus der BV 2005. Die vorher geltende BV 1999 sowie die BV 2001 sind letztlich durch die BV 2005 abgelöst worden und haben im Streitzeitraum keine Rechtswirkungen mehr entfaltet (sog. Ablösungsprinzip; st. Rspr., vgl. BAG 18. September 2012 - 3 AZR 431/10 - Rn. 34; 29. Oktober 2002 - 1 AZR 573/01 - zu I 2 a der Gründe mwN, BAGE 103, 187). Die BV 2005 begründet keinen Anspruch auf Zahlung eines bestimmten Leistungsbonus, sie bestimmt aber das Verfahren zur Festlegung der individuellen Höhe eines Leistungsbonus auf der Grundlage eines im Arbeitsvertrag zugesagten Basiswerts. Nach C V Abs. 1 der BV 2005 hängt die Höhe des individuellen Bonus von der Höhe des jährlichen Bonustopfs ab, der vom Gesamtbankerfolg bestimmt wird. Auch nach der BV 2005 können deshalb die Kriterien zur Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen gewichtet werden und besteht kein unbedingter Anspruch bei Teilerreichung von Zielen.

39

bb) Die Leistungsbestimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten entspricht den vertraglichen Vorgaben des Dienstvertrags und den kollektivrechtlichen Vorgaben der BV 2005, selbst wenn die Klägerin die Ziele für das Jahr 2008 erreicht hat. Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele könnte bei einem negativen Ergebnis der Bank im Rahmen „normaler“ Schwankungsbreiten zwar billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB widersprechen; für das Geschäftsjahr 2008 haben aber besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen, die ausnahmsweise die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null“ gerechtfertigt haben. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Geschäftsjahr 2008 einen Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. Euro, die H-Gruppe sogar einen solchen iHv. 5,461 Mrd. Euro ausgewiesen. Die H-Gruppe ist nur durch Liquiditätshilfen in den Jahren 2008 bis 2009 iHv. 102 Mrd. Euro gerettet worden; allein das Volumen der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten selbst in Anspruch genommenen Liquiditätshilfen betrug zum 31. Dezember 2008 6,37 Mrd. Euro. Dies zeigt, dass sich im Geschäftsjahr 2008 nicht die im Dienstvertrag vorausgesetzten und vom Arbeitgeber gegebenenfalls selbst zu tragenden Risiken einer „normalen“ negativen Geschäftsentwicklung verwirklicht haben. Ohne staatliche Liquiditätshilfen wäre über das Vermögen der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden und hätten Vergütungsansprüche nur im Rahmen der Insolvenzordnung realisiert werden können. Die Rettung von Banken diente zudem nicht der Sicherung von Vergütungsansprüchen ihrer Arbeitnehmer, sondern ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft (vgl. BAG 29. August 2012 - 10 AZR 385/11 - Rn. 50). Es bestand deshalb eine Ausnahmesituation, die es auch unter Berücksichtigung unterstellter guter Leistungen der Klägerin nicht unangemessen erscheinen lässt, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Leistungsbonus auf „Null“ festgesetzt hat.

40

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch     

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt     

        

        

        

    Thiel     

        

    D. Kiel     

                 

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 1.7.2014, Az.: 8 Ca 376/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche der Klägerin.

2

Die Klägerin ist seit dem 14.12.1994 in der Unternehmensgruppe der Beklagten, einem Einzelhandelsunternehmen, als Angestellte beschäftigt. Anlässlich der Übernahme eines Einkaufsmarktes in K. zum 01.07.2008 und der Umsetzung der Klägerin dorthin schlossen die Parteien am 30.06.2008 einen Arbeitsvertrag, der u.a. folgende Regelung enthält:

3

"12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- / Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinlandpfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austrittes aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt. "

5

Die Beklagte ist, wie auch bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages, nicht tarifgebunden.

6

Bis einschließlich Juli 2013 wurde die Klägerin von der Beklagten nach den Vorschriften des jeweiligen Gehaltstarifvertrages für die Beschäftigten des Einzel- und Versandhandels in Rheinland-Pfalz (im Folgenden: Gehalts-TV) bei unstreitiger Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II/6. Berufsjahr vergütet, d.h. die Beklagte gewährte der Klägerin bis dahin sämtliche Tariferhöhungen.

7

Zum 01.08.2013 erhöhte sich die tarifliche Vergütung in der Gehaltsgruppe II/6. Berufsjahr um 67,00 €, zum 01.05.2014 um weitere 49,00 €. Diese Tariferhöhungen hat die Beklagte an die Klägerin nicht weitergegeben.

8

Mit ihrer am 11.03.2014 beim Arbeitsgericht eingereichten und mit Schriftsatz vom 26.06.2014 erweiterten Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Nachzahlung der Tarifgehaltserhöhungen für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014 in rechnerisch unstreitiger Höhe von insgesamt 835,00 € brutto in Anspruch genommen.

9

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 01.07.2014 (Bl. 61 - 66 d.A.).

10

Die Klägerin hat beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 835,00 Euro brutto nebst folgenden Zinsen zu zahlen:

12

a) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 402,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Februar 2014,
b) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. März 2014,
c) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. April 2014,
d) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 67,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Mai 2014,
e) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 116,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juni 2014,
f) Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 116,00 Euro brutto p. a. für die Zeit ab dem 1. Juli 2014.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 01.07.2014 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 7 f. dieses Urteils (= Bl. 66 f d.A.) verwiesen.

16

Gegen das ihr am 16.07.2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.08.2014 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 18.08.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 15.10.2014 begründet.

17

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltene Bezugnahmeklausel sei - entgegen der rechtsfehlerhaften Auslegung des Arbeitsgerichts - statisch auszulegen, d.h. der Arbeitgeber gebe hier deutlich zu erkennen, dass er die nicht tarifgebundenen Mitarbeiter so stellen wolle wie die entsprechenden tarifgebundenen Mitarbeiter. Die Klausel solle ersichtlich jedenfalls eine dynamische Tarifanwendung verhindern, wenn gegenüber tarifgebundenen Mitarbeitern keine zwingende Anwendungspflicht bestehe. Dabei komme es nicht darauf an, ob sie - die Beklagte - bei Vertragsschluss tarifgebunden gewesen sei. Auch bei fehlender Tarifbindung sei die Klausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede auszulegen. Soweit das Arbeitsgericht diesbezüglich die Unklarheitenregelung angewendet habe, so stelle dies einen Rechtsfehler dar, da im vorliegenden Fall gerade keine Unklarheit gegeben sei. Durch die betreffende Vertragsklausel habe erkennbar sichergestellt werden sollen, dass der Arbeitgeber nicht gegen seinen Willen an einer dynamischen Bezugnahme festgehalten werden könne. Dadurch, dass die Klausel explizit regele, dass der Arbeitgeber die dynamische Tarifanwendung beenden könne bzw. diese bei fehlender Tarifbindung nicht greife, hätten die Arbeitsvertragsparteien deutlich gemacht, dass über eine bestehende Tarifbindung hinaus gerade keine Bindung gegenüber den Mitarbeitern gewollt sei. Dies ergebe sich auch bereits aus seinem Erst-Recht-Schluss. Wenn schon bei einem Tarifaustritt eine Statischstellung erfolgen solle, dann solle eine verpflichtende Tarifbindung des Arbeitgebers erst recht nicht bei schon bei Vertragsschluss fehlender Tarifbindung entstehen. Daraus folge, dass die Klägerin bei von Anfang an fehlender Tarifbindung keinen Anspruch auf die geltend gemachte Tarifgehaltserhöhung habe. Auch eine Auslegung anhand der Interessenlage der Parteien führe zu diesem Ergebnis, welches auch von der tatsächlichen Handhabung des Arbeitsverhältnisses bestätigt werde. Zunächst seien (unstreitig) allen Arbeitnehmern die Tariferhöhungen einheitlich auf freiwilliger Basis gewährt worden. Die mit der Klage geltend gemachten Erhöhungen seien hingegen einheitlich weder an tarifgebundene noch an nicht tarifgebundene Mitarbeiter weitergegeben worden. Die freiwillige Tarifanwendung sei mit dem Betriebsrat in einem sog. "betrieblichen Bündnis" vereinbart worden, welches jedoch mit Ablauf des 30.06.2011 ohne Nachwirkung geendet habe. Auch aus diesem Grund sei die Bezugnahmeklausel nicht im Sinne einer Zusage einer dynamischen Tarifbindung auszulegen. Die Arbeitsvertragsparteien hätten vielmehr durch diese Klausel gerade klargestellt, dass sich der Arbeitgeber von einer Tarifbindung jederzeit lösen könne. Wenn dies für den Fall der Tarifbindung bei Arbeitsvertragsschluss gelte, müsse dies erst recht bzw. umso mehr für den Fall der Tarifanwendung ohne Verbandsmitgliedschaft des Arbeitgebers gelten.

18

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 15.10.2014 (Bl. 123 - 134 d.A.) Bezug genommen.

19

Die Beklagte beantragt,

20

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

die Berufung zurückzuweisen.

23

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 20.11.2014 (Bl. 141 - 146 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

24

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage vielmehr zu Recht stattgegeben.

II.

25

Die Klage ist begründet.

26

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate August 2013 bis Juni 2014 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages von insgesamt 835,00 € brutto zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

27

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

28

Ziffern 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB 71. Aufl., Einf. § 158 Rz. 11; BeckOK BGB/Rövekamp, BGB § 158 Rz. 33).

29

Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - Rz. 17, zitiert nach juris), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

30

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrundezulegen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (BAG v. 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - Rz. 20, zitiert nach juris).

31

Der Wortlaut der in Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages enthaltenen Klausel ist eindeutig. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen.

32

Dem Anspruch der Klägerin steht - entgegen der von der Beklagten in der mündlichen Berufungsverhandlung geäußerten Rechtsansicht - auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Zwar hat einen Tag nach Abschluss des Arbeitsvertrages vom 30.06.2008, nämlich zum 01.07.2008 ein Betriebsübergang des Einkaufsmarktes K. von dessen vormaligem Inhaber auf die Beklagte stattgefunden. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst.

III.

33

Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

34

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 510,88 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.489,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die 35-jährige Klägerin ist seit Juli 2008 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. -hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen- folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverbandes oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

"13. Schussbestimmungen"

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Beklagte betreibt in der M.-straße in K. ein großes Einkaufscenter. Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 162 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit erhöhte die Beklagte auch jeweils die Vergütung entsprechend dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Mit Schreiben vom 16.06.2011 wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

12

„Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

13

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandeltarifvertrags vergüten.

14

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen - insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen - Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

15

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte (vgl. Bl. 22 d. A.). Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

16

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 03.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

17

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz
Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.
Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.
Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.
Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 510,88 Euro.
Ich bitte sie mir bis zum 15.03.14 meinen Anspruch zu bestätigen."

18

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Bl. 41 d. A. ) zurückgewiesen.

19

Abzüglich der von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 eine rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige Differenz von 510,88 Euro und für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 eine Differenz von 1.489,88 Euro brutto.

20

Die Klägerin hat vorgetragen,
der von ihr geltend gemachte Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

21

Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die Klägerin habe mit der Geltendmachung vom 03.03.2014 auch die zukünftige Lohnerhöhung geltend gemacht. In Ausnahmefällen -wie vorliegend- sei auch bereits die Geltendmachung zukünftiger Lohnerhöhungen vor deren Entstehung möglich.

22

Im Übrigen handele es sich bei der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist um eine versteckte Klausel.

23

Die Klägerin hat beantragt,

24

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 510,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

25

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.489,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte hat vorgetragen, aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur von der Einzahl der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

29

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass die Beklagte gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe.

30

Die Ansprüche seien zudem insgesamt nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Die Klausel sei keineswegs überraschend und - direkt über der Unterschrift - auch nicht versteckt. Die gerichtliche Geltendmachung sei nach der schriftlichen Ablehnung der Ansprüche von März 2014 viel zu spät erfolgt und die übrigen Ansprüche seien zudem erstmals überhaupt mit der Klage, die hier streitgegenständlich sei, geltend gemacht worden.

31

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - verurteilt, an die Klägerin 247,50 € brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 91 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 04.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und heb insbesondere hervor, die Klausel im Arbeitsvertrag unter Ziff. 13 sei ungewöhnlich und überraschend; die Klägerin habe mit ihr nicht rechnen müssen. Aufgrund der fettgedruckten Verweisungsklausel auf die maßgeblichen Tarifverträge habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass davon abweichend im Arbeitsvertrage eine weitergehende Verfallklausel vereinbart worden sei. Die zweite Stufe der Verfallfrist, auf die sich die Beklagte berufe, sei nach dem Erscheinungsbild des Vertrages in den Schlussbestimmungen "versteckt". Für diese Auslegung spreche auch der Aufbau des Arbeitsvertrages, der in Ziffer 1 - 11 die einzelnen arbeitsvertraglichen Bestimmungen und Regelungen enthalte und ergänzend in Ziffer 12 auf die maßgeblichen Tarifverträge Bezug nehme. Ohne ausdrückliche Hervorhebung in einem weiteren Punkt habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass in den Schlussbestimmungen, die eine übliche salvatorische Klausel enthalte, noch von den Tarifverträgen abweichende Bestimmungen, die zum Erlöschen von Ansprüche führen könnten, geregelt seien.

34

Die Ansprüche seien für die Zukunft wirksam geltend gemacht worden. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.02.2016 (Bl. 121 - 125 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.753,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.07.2015 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

40

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel sei nicht überraschend. Denn Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen seien üblich und im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen, sofern sie für beide Parteien gelten und ausreichend lange Fristen enthalten. Die Klausel zu den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei auch nicht versteckt platziert. Die Platzierung am Vertragsende stelle zudem gerade kein "Verstecken" dar, sondern spreche für eine besondere Wahrnehmbarkeit der Klausel. Die Klausel sei auch nicht wegen anderer Regelungen im gleichen Paragrafen überraschend. Nichts anderes gelte für den Umstand, dass Ziffer 12 des Arbeitsvertrages in Fettdruck gehalten sei. Schließlich sei die Ausschlussklausel auch teilbar, d. h. sofern man aufgrund der fehlenden textlichen Absätze der ersten Stufe der Ausschlussklausel von einer überraschenden Klausel ausgehe, sei jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet sowohl textlich abgesetzt als auch allein für sich inhaltlich sinnvoll und nach dem Bluepencil-Test wirksam.

41

Hilfsweise und für den Fall, dass jedenfalls die tarifliche Ausschlussfrist aus dem Manteltarifvertrag des Einzelhandels eingreife, berufe sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin zusätzlich darauf, dass bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei. Denn durch das Geltendmachungsschreiben vom 03.03.2014 seien lediglich die Ansprüche für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 umfasst. Ein bestehender Anspruch sei insbesondere und gerade für die "zu erwartende Erhöhung" nicht gegeben. Insoweit habe es einer erneuten Geltendmachung bedurft.

42

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.03.2016 (Bl. 142 - 153 d. A) Bezug genommen.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

44

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

45

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

46

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

47

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage voll umfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 510,88 € brutto und weiteren 1489,88 € brutto, jeweils nebst Zinsen, verlangen.

48

Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung nach dem Tarifvertrag aus Ziffer 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergibt.

49

Danach sind auf das Arbeitsverhältnis dynamisch die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Dem steht Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbildung nicht mehr gegeben sein soll, nicht entgegen. Denn diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt davon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist von Anfang an als voll wirksam anzusehen (LAG R.-P. 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 -).

50

Nichts anderes ergibt sich auch nach einer Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Insoweit handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Dafür spricht, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, bereits das äußere Erscheinungsbild und eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegen getreten ist. Erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs.3 Nr. 1 BGB).

51

Insoweit gilt zusammengefasst Folgendes:

52

§§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei; BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind, und die der Verwender i.d.R. der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrags oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48m.Anm. Natzel SAE 2006, 225). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei - einmalig - die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (s. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22). Andererseits sind typische Erklärungen, die ein Arbeitgeber abgibt, nicht notwendig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nimmt der Arbeitgeber durch Schreiben, die für eine Mehrfachverwendung vorgesehen sind, inhaltsgleiche Änderungsangebote mehrerer Arbeitnehmer an, stellt er den Arbeitnehmern keine Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 20.05.2008 - 9 AZR 271/07, FA 2008, 318, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 1 Rz. 676 ff.).

53

Der Arbeitgeber muss die Vertragsbedingungen stellen, d. h. er muss konkret die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag verlangen (s. BAG 28.05.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Nicht entscheidend ist, in welcher Form die gestellte Vertragsbedingung nach außen hin erscheint. AGB liegen auch vor, wenn ein im PC gespeichertes Formular verwendet wird, das einen individuellen Anschein erweckt. Ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt auf einer Gehaltsabrechnung oder in einem Schreiben, mit der eine Sonderzahlung gewährt wird, ist ebenso kontrollfähig (BAG 18.03.2009 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43). wie die Bedingungen einer betrieblichen Übung, auch wenn sie nicht schriftlich festgehalten worden sind (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28; s.a. Ricken DB 2006, 1374 ff.). Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist also eine AGB (BAG 16.05.201 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 5 = NZA 2012, 908). Ebenso unterliegen die Bedingungen einer Gesamtzusage der Inhaltskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22).

54

Auslegung geht der Inhaltskontrolle stets voraus. Im Wege einer objektiven Auslegung ist der Kontrollgegenstand zu präzisieren. Sie kann durch das BAG als Revisionsgericht erfolgen (BAG 01.02.2006 EzA § 611BB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 31.08.2005 EzA § 6 ArbZG § 6 Nr. 6); eine vom LAG vorgenommene Auslegung von AGB unterliegt also der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das BAG (BAG 24.01.201 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20). Klauseln sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten nicht des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG 24.10.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 26; 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 344; 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9), denn der Vertragspartner des Verwenders kann auf den Inhalt der AGB, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19).

55

Die Auslegung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Inhaltskontrolle zunächst nicht auf der Grundlage einer kundenfreundlich ausgelegten Klausel durchzuführen ist. Erst wenn die Klausel nach den §§ 307-309 BGB gleichwohl Bestand, ist im Individualprozess die kundenfreundlichste Interpretation maßgebend (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 31; s.a. Preis/Roloff RdA 2005, 144); Voraussetzung dafür ist, dass nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305 c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 34). Die Anwendung der Unklarheitenregelung de § 305 c As. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 18; 09.02.2011 EzA § 311 a BGB 202 Nr. 2; 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11; 24.01.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20; s.a. BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10, EzA-SD 10/2011, S. 6 LS; Anrechnung von Vordienstzeiten EuroBerlin nicht unklar).

56

Bei der Auslegung können Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern erkannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen grds. nicht berücksichtigt werden. Zur Auslegung heranzuziehen sind demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9).

57

Typisierte Vertragsklauseln müssen nicht nur bei der Auslegung, sondern auch im Rahmen der Inhaltskontrolle typisierenden und generalisierenden Wertungen unterzogen werden. Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor. Hat eine Vertragsklausel einen unangemessen benachteiligenden Inhalt, ist es für die Wirksamkeit der Klausel nicht ausschlaggebend, ob sich der benachteiligende Inhalt auch im konkreten Einzelfall tatsächlich auswirkt. Entscheidend ist, welche Rechte nach dem konkreten Inhalt der Klausel geltend gemacht werden können und welche Folgen sich daraus bei genereller Betrachtung ergeben (s. BGH 23.06.1988 ZIP 1988, 1126; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42). Auf Grund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch die Berücksichtigung konkret individueller Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen (BAG 31.08.2005 EzA § 6 ArZG Nr. 6; 07.12.2005 EzA § 12 TzBfG Nr. 1). Es kommt also auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses an, also z.B. darauf, ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert hat (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

58

§ 310 As. 3 Nr. 3 BGB beseitigt also nicht den generell-abstrakten Prüfungsmaßstab, sondern ergänzt ihn. Die Umstände des Vertragsschlusses allein können nicht die Unwirksamkeit der Klausel begründen, auch inhaltliche Kriterien müssen Bedenken gegen sie begründen, ohne zur Unwirksamkeit zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene können die Umstände des Vertragsschlusses den Ausschlag geben, so dass eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann. Damit kann gem. § 310 As. 3 Nr. 3 BGB flexibel reagiert werden, um z.B. Vertragsgestaltungen mit erfahrenen Spitzenkräften und leitenden Angestellten zurückhaltend zu kontrollieren (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

59

Gem. § 307 Abs.2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbarten ist. Dahinter steht die Idee des Leitbildes des dispositiven Rechts. Die Anwendung im Arbeitsrecht ist nicht einfach, weil es zum großen Teil zwingend ist oder aus Richterrecht besteht. Andererseits erkennt auch die Zivilrechtsprechung die von ihr entwickelten Rechtsgrundsätze als gesetzliches Leitbild an (s. BGH 10.12.1992 BGHZ 121, 14, 18), was auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann (s. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43).

60

Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel auch dann vor, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (sog. Kardinalpflichten), so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (s. z.B. BAG 25.04.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 20; Freiwilligkeitsvorbehalt).Bei Verzichtserklärungen und Ausschlussfristen kann ein Verstoß gegen § 307 As. 2 Nr. 2 BGB darin liegen, dass die Klauseln zum Erlöschen der vertraglichen Hauptleistungspflicht führen können (BAG 28.09.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43; s. Preis/Sagan NZA 2012, 697 ff. Bauer/von Medern NZA 20122, 894 ff.).

61

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht bei normwiederholenden Klauseln und Preisabreden (§ 307 Abs. 3 S.2 BGB) sowie bei Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (trotz § 310 Abs. 4 S. 3 BGB; BAG 28.06.2007 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 5) ein. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot ist Bestandteil der Angemessenheitskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 14.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 01.09.201 - 5 AZR 517/09, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 50). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14.11.201 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10; 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40)

62

Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt in Abweichung von § 139 BGB bei Teilnichtigkeit grds. der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten; dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Teilbarkeit der Klausel ist durch eine Streichung des unwirksamen Teils mit einem blauen Stift zu ermitteln (Blue-Pencil-Test; BAG 21.04.2005 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 3; 19.12.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 17; 12.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 33; s.a. LAG Köln 03.08.2010LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; LAG Hessen 26.07.2010 - 7 a 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS).

63

Sprachliche Unteilbarkeit spricht im Übrigen für inhaltliche Unteilbarkeit. Sprachliche Teilbarkeit ist dagegen nur ein Indiz für inhaltliche Teilbarkeit. Um eine Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zu vermeiden, ist zu prüfen, ob der Klauselteil üblicherweise nicht selbständig vorkommt oder ob eine gekünstelte Aufspaltung der Klausel vorliegt. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann z. B. unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen gestrichen werden, wenn daneben an den Nichtantritt oder die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch angeknüpft wird (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 103; a. A: DBD/Bonin § 306 Rn. 12).

64

Im Übrigen gilt das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Klauseln (BAG 04.03.204 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1; 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 25.05.2005 EzA § 306 BGB 202 Nr. 1; LAG Nbg. 12.01.2011 - 4 Sa 437/10, AuR 2011, 221 LS; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104). Wer den Spielraum der Vertragsfreiheit durch AGB nutzt, muss das volle Risiko der Unwirksamkeit der Klausel tragen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist aber dann möglich, wenn Normen eine Aufrechterhaltung unwirksamer Abreden ausdrücklich zulassen (s. z.B. § 622 As. 6 BGB i. V. m. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB, § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB; ErfK/Preis §§ 3055-310 BGB Rn. 104).

65

Nur ausnahmsweise ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB als Anwendung dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB möglich (instr. Bieder NZA 2011, Beil Nr. 3/2011 S. 142 ff.).

66

Das setzt aber voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine angemessene, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung bietet, so dass der Regelungsplan der Vertragspartner infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf (BGH 03.11.1999 NJW 2000, 1110); Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89). Hinzukommen muss, dass ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt (BAG 28.11.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 30; 07.07.2010, 09.06.2010 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 49, 50; 16.11.2011 - 45 AZR 246/10, EzA-SD 8/2012 S. 7 LS; LAG Köln 03.08.2010 LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104; Günther ZTR 2011, 203 ff.). Bei unwirksamen Bestimmungen in AGB hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 25.04.2007 EzA § 307BGB 2002 Nr. 20; 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89).

67

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Er ist ausschließlich zukunftsbezogen formuliert, was sich schon aus der Formulierung "dies gilt dann nicht mehr, wenn" und der Formulierung "nicht mehr tarifgebunden ist" ergibt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Vorschriften von vorneherein bereits wegen der bei dem Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zu Stande kommen sollte.

68

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.

69

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind sie auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

70

Das Arbeitsgericht hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

71

" c) Die Ansprüche vor April 2015 sind jedoch nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Für die im Schreiben vom 03.03.2014 zweifellos geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 510,88 Euro fehlt es an der gerichtlichen Geltendmachung nach der Ablehnung. Nach Auffassung der Kammer ist die Klausel nicht überraschend, denn die Regelung von Verfallfristen in Arbeitsverträgen ist durchaus üblich. Nachdem die Beklagte nicht aufgrund einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebunden war, durfte auch von der tarifvertraglichen Klausel zu Lasten der Klägerin abgewichen werden.

72

Die Klausel ist auch nicht versteckt. Vielmehr befindet sie sich an der Stelle, die noch einmal unmittelbar vor der Unterzeichnung wahrgenommen wird. Allerdings folgt das Gericht der Auffassung der Klägerin, dass in dem Schreiben vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung für die Zukunft liegt. Dann hat aber auch die Ablehnung der Beklagten diese Ansprüche erfasst, weshalb die gerichtliche Geltendmachung in der vorliegenden Klage nur noch die letzten drei Monate betraf. Daraus ergibt sich der Betrag von 247,50 Euro."

73

Dem vermag die Kammer nur teilweise im Ergebnis zu folgen. Denn zwar ist in dem Schreiben der Klägerin vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung der streitgegenständlichen Beträge für die Zukunft zu sehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin aus der Zeit vor April 2015 jedoch nicht nach Maßgabe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Eine gerichtliche Geltendmachung war nicht erforderlich.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält, wie dargelegt, eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die voll inhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Insofern ist deshalb davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB erzielen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Teilbarkeit der Ausschlussklausel habe zur Folge, dass jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet, allein für sich auch inhaltlich sinnvoll und damit nach dem Blue-Pencil-Test wirksam sei, folgt die Kammer dem nicht. Denn die hier festzustellende Unklarheit der formularvertraglichen Regelung besteht gerade darin, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob sich die Ausschlussklausel aus Ziffer 12 oder aber aus Ziffer 13 des Arbeitsvertrages ergibt. Dann liegt es nahe, die in beiden Ziffern gleichlautend vorgesehene erste Stufe als wirksam anzusehen und aufrechtzuerhalten, die nur in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe dagegen zu streichen. Folglich bedurfte es einer gerichtlichen Geltendmachung vorliegend nicht.

75

Mit dem Schreiben vom 03.03.2014 hat die Klägerin schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten auch die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht fälligen Ansprüche, soweit streitgegenständlich, rechtzeitig geltend gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

76

Für den Beginn der Ausschlussfrist wird zumeist auf die Fälligkeit des Anspruchs -grds. unabhängig von der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Bestehen des Anspruchs (BAG 13.12.2007 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 189) - abgestellt (s. BAG 14.03.2012 - 10 AZR 172/11, NZA-RR 2012, 480 = ZTR 2012, 518); davon ist insbes. dann auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien diesen Zeitpunkt nicht ausdrücklich festgelegt haben (BAG, 18.03.2003, NZA 2003, 1359 LS). Insoweit ist z.B. ein Anspruch auf Vergütung aus einem Arbeitszeitkonto frühestens zum Ablauf des Verteilungszeitraums fällig, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Ausschlussfrist zu laufen beginnt (LAG Nds. 29.04.2005, NZA-RR 2005, 589). Die an die Eingruppierung anknüpfende Ausschlussfrist läuft insoweit nicht an, wenn der Arbeitgeber gar keine Tarifgruppe wählt, sondern einen Stundenlohn zugrunde legt, der keiner Tarifgruppe und keiner Tarifstufe entspricht (BAG 11.02.2009 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rn. 4719 ff.).

77

Die Fälligkeit i.S. einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist kann von einer Abrechnung durch den Anspruchsgegner abhängen. Das ist dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne diese Abrechnung nicht erkennen kann (BAG 27.02.2002 EzA § 138 BGB Nr. 30). Fälligkeit einer tariflichen Leistung (z.B. einer Abfindung) tritt erst dann ein, wenn der maßgebende Tarifvertrag wirksam geworden, also unterzeichnet worden ist (§§ 1 Abs. 2 TVG, 126 Abs. 2 BGB). Denn eine Leistung ist erst fällig, wenn der Gläubiger sie verlangen kann (BAG 20.03.1997 NZA 1997, 896).

78

Eine Geltendmachung kann aber auch vor Fälligkeit erfolgen (BAG 20.06.2002 EzA § 611 BGB Arbeitgeberhaftung Nr. 11); sie ist andererseits aber grds. erst dann möglich, wenn der Anspruch bereits entstanden ist (BAG 10.07.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 168; 11.12.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014S. 15 LS). Abgesehen von dem Sonderfall der fristwahrenden Geltendmachung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist (z.B. im Rahmen des § 18 Abs. 4 TV-DRK für die Geltendmachung von Überstundenvergütung) eine die tarifliche Ausschlussfrist wahrende Geltendmachung vor dem Entstehen des Anspruchs grds. nicht möglich (BAG 22.01.2009 - 6 AZR 5/08, NZA-RR 2010, 54 LS; 09.03.2005 EzA § 4 TVG Rotes Kreuz Nr. 5). Ein Anspruch auf Abfindung nach § 113 Abs. 2 BetrVG wird auch dann mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist und später rechtskräftig die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG 03.08.1982 EzA § 113 BetrVG 1972 Nr. 10).

79

Eine tarifliche Ausschlussfrist kann allerdings ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3), wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 863/11, EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS).

80

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beklagte konnte unzweifelhaft erkennen, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen sie abhängen. Die Erfüllung aller streitgegenständlichen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche wurde auf einer der Beklagten ohne Weiteres und voll inhaltlich bekannten Rechnungsgrundlage verlangt und nur diese ist zwischen den Parteien streitig. Folglich genügte die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung der Klägerin zutreffenden Auslegung des Formular-Arbeitsvertrages auf für später entstehende Zahlungsansprüche. Denn vorliegend bestand für die Beklagte ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was die Klägerin von ihr verlangte. Insoweit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 22.01.2014 - 4 Sa 325/13 - für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung zutreffend ausgeführt:

81

" Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).

82

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2009 die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen ab dem 01.04.2009 geltend gemacht. Diese Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über das Jahr 2009 hinaus für die Beklagte bzw. deren Sohn bei Einsichtnahme in die jeweiligen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres errechenbar war.

83

Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG v. 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170).

84

Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zumindest zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regel-mäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird (BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975).

85

Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauer-hafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (hier: Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, so erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat (BAG v. 16.01.2003, a. a. O.).

86

Vorliegend stritten die Parteien - soweit ersichtlich - bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2009 im Hinblick auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche auf tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung zustehen, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 21.03.2009 wahrt daher auch die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der betreffenden tariflichen Sonderleistungen. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistungen verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen."

87

Dem ist - zustimmend - nichts hinzuzufügen.

88

Folglich erweist sich die Klage der Klägerin als voll umfänglich begründet. Deshalb war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Klägerin teilweise aufzuheben und der Klage insgesamt stattzugeben.

89

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

90

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

„13. Schussbestimmungen

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.

12

Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

13

„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!

14

Sehr geehrte Frau A.,

15

wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.

16

In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.

17

Wie geht es nun weiter?

18

Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

19

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

20

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

21

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.

22

Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

23

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

24

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz

25

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

26

Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

27

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

28

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

29

Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."

30

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.

31

Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.

32

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.

34

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

35

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

40

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.

41

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.

42

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.

43

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

44

Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.

45

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.

46

Die Klägerin beantragt zuletzt,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:

51

Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.

52

Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

53

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

55

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

56

Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.

B.

57

Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.

I.

59

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

60

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

61

2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

62

3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

63

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

64

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

65

4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

66

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.

II.

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

68

Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.

69

1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.

70

Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.

71

Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.

72

a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).

73

b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

75

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:

76

Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.

77

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.

78

Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.

79

Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:

80

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

81

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.

82

b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

83

c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.

84

Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

85

Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

86

Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.

88

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage tarifliche Zeitzuschläge zu berechnen sind.

2

Die Beklagte betreibt ein Beförderungsunternehmen und war im Streitzeitraum November 2007 bis August 2009 Mitglied des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer e. V. (LHO). Der Kläger ist für die Beklagte als Omnibusfahrer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen Anwendung.

3

Die für die Beklagte geltende betriebsbezogene Anlage 4 zu § 3 des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 (nachfolgend: LTV) regelt den Stundenlohn auszugsweise wie folgt:

Definition der Lohngruppen Sippel, gültig ab 01. Januar 2005***

Lohn-
gruppe

Bezeichnung

Stunden-
lohn

Zulage Betriebs-
zugehörigkeit

Zulage Ballungs-
raum

Zulage betriebs-
intern

Stunden-
lohn gesamt

im Monat
(s. unten stehende Erklärung)

L 1 A *
(Klasse D, D1, DE, D1E)

Innerstädtische Verkehre
nach § 42 PBefG in
hess. Städten
> 100.000 Einw.

                                                     

…       

                                                              

Stufe 4

nach vollendetem 5. Jahr
der Betriebszugehörigkeit

9,66 €

0,38 €

0,40 €

0,80 €

11,23 €

1.965,90 €

...

Erklärung zur Berechnung des Bruttomonatslohnes:

Bruttomonatslohn = 200 Dienststunden (abzüglich der Pausenzeiten), entspricht 175 Arbeitsstunden.

Ändert sich der Pausenabzug gem. § 7 Abschnitt A Ziffer 1, Punkt 4 Manteltarifvertrag LHO vom 01. März 1999, so sind die Bruttomonatslöhne entsprechend neu auszuweisen.“

4

Der Kläger wurde im Streitzeitraum nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 vergütet.

5

Zum 1. Oktober 2007 trat die „Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ in Kraft. Diese regelt ua.:

        

„2.     

Die betriebsbezogenen Anlagen Nr. 1 bis 5 gemäß § 3 Lohntarifvertrag vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 für die Unternehmen

                 

…       

        
                 

4.)     

A S GmbH …

                 

…       

                 

werden einvernehmlich zum 1. Oktober 2007 … aufgehoben.

        

…       

        
        

4.    

Für die am 30. Dezember 2007 unter eine der in Ziffer 2 genannten Anlagen fallenden Beschäftigten wird in Bezug auf das jeweils individuell erreichte ‚Stundenentgelt gesamt’ Besitzstandswahrung … vereinbart. Eine Minderung des jeweils individuell erreichten ‚Stundenentgelt gesamt’ ist unzulässig.“

6

Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 10. März 1999 (nachfolgend: MTV) enthält folgende Regelungen:

        

„§ 11 

        

Zeitzuschläge

        

1.    

Die Zeitzuschläge betragen:

                 

für Mehrarbeit

25 %   

        
                 

für Arbeit an Sonntagen

50 %   

        
                 

für Arbeit an gesetzlichen Wochen-
feiertagen

100 % 

        
                 

für Nachtarbeit von 22:00 Uhr
bis 6:00 Uhr

25 %   

        
                 

des Stundenlohnes.

                 
                 

…       

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

...     

        

§ 21   

        

Ausschlussfristen

        

...     

        

2.    

Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Spesen und von Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens 8 Wochen nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

3.    

Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

4.    

Nach Ablauf der angeführten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, es sei denn, dass sie vorher schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht worden sind.

        

5.    

Ausgenommen von den vorstehenden Bestimmungen sind beiderseits Ansprüche aus unerlaubten Handlungen.“

7

Die im Streitzeitraum geleisteten Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden sind jeweils in den Lohnabrechnungen ausgewiesen. Die Beklagte hat die Zeitzuschläge ausschließlich auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro berechnet.

8

Im Frühjahr und Herbst 2007 gab es Gespräche zwischen der Beklagten, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di über die Berechnung der Vergütung der Mitarbeiter. Geltend gemacht wurde in diesem Zusammenhang auch, dass die tariflichen Zeitzuschläge auf einer falschen Grundlage berechnet würden.

9

Ende Januar 2008 überreichte der Kläger der Beklagten zusammen mit ca. 80 Kollegen ein vom Betriebsrat formuliertes Schreiben vom 18. Januar 2008 mit folgendem Wortlaut:

        

„Geltendmachung

        

Ich, B, geboren 1965 und als Busfahrer/S bei der Firma A S GmbH beschäftigt, mache hiermit meine Ansprüche auf ordnungsgemäße Bezahlung nach meinem Arbeitsvertrag, dem geltenden Tarifvertrag LHO und den gesetzlichen Bestimmungen geltend. Ich mache im Einzelnen meine Ansprüche auf Bezahlung des mir nach Tarifvertrag zustehenden Stundenlohnes geltend, ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung aller von mir geleisteten Arbeitsstunden geltend, ich mache meinen Anspruch auf Bezahlung der von mir geleisteten Arbeitszeiten ohne Abzug von 1/6 bzw. 1/8 der von mir gearbeiteten Arbeitszeit geltend. Ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung von Überstundenzuschlägen und sonstigen Zuschlägen (Feiertag, Nacht usw.) geltend. Dabei mache ich meinen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro geltend und mache geltend, dass die jeweiligen Zuschläge (von 25 % bis 100 %) auf diesen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro zu zahlen sind. Ich mache geltend, dass die Zahlung von Überstunden/Wochenstunden, Feiertagsstunden und Nachtstunden ohne jegliche Abzüge erfolgt. Ich mache geltend, dass mein Krankenlohn bzw. Urlaubsentgelt ebenfalls auf der Basis der ordnungsgemäßen Vergütung nach dieser Geltendmachung zu erfolgen hat.“

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeitzuschläge seien nicht auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro, sondern nach dem „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro zu berechnen. Er hat mit der im Januar 2010 erhobenen Klage die Differenzbeträge für die in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden für den Zeitraum November 2007 bis August 2009 geltend gemacht.

11

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 927,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer monatlicher Staffelung zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV sei der „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Etwaige Ansprüche seien auch nach § 21 MTV verfallen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn gesamt“ und nicht aus dem „Stundenlohn“ zu berechnen(unter I). Die Ansprüche sind nicht nach § 21 MTV verfallen(unter II).

15

I. Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ist der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV in der Lohngruppe L1A ausgewiesene „Stundenlohn gesamt“.

16

1. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm legt dies nahe. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist „Stundenlohn“ die Vergütung, die ein Arbeitnehmer für die in einer Stunde geleistete Arbeit erhält (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Stundenlohn“). Mitarbeiter mit einer Vergütung nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 erhalten für eine Stunde Arbeit den „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro und nicht lediglich den „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Der Stundenlohn setzt sich zusammen aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn“ sowie den für jede Stunde zu zahlenden Zulagen. Diese sind feste stundenbezogene Lohnbestandteile und damit Teil des tariflichen Stundenlohns.

17

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Auslegung. Bezugsgröße für tarifliche Ansprüche der nach der Lohngruppe L1A vergüteten Mitarbeiter ist nicht der „Stundenlohn“, sondern der „Stundenlohn gesamt“. Die in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen Bruttomonatslöhne für die verschiedenen Stufen der Lohngruppe L1A werden auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ errechnet; gleiches gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 MTV, die Urlaubsvergütung nach § 15 Nr. 11 MTV und das Sterbegeld nach § 14 Nr. 1 MTV. Auch die in Nr. 4 der „Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ vereinbarte Besitzstandswahrung ist ausdrücklich auf das individuell erreichte „Stundenentgelt gesamt“ bezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Anhaltspunkte bedurft, wenn für die Berechnung der Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ausnahmsweise der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesene „Stundenlohn“ hätte maßgeblich sein sollen. Daran fehlt es. Dass der Arbeitgeber nach § 10 Nr. 5 MTV zur getrennten Ausweisung des „Lohnsatzes“, der „Lohnzuschläge“ und der „Lohnzulagen“ in der Lohnabrechnung verpflichtet wird, spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht dafür, dass „Lohnsatz“ iSv. § 10 Nr. 5 MTV und „Stundenlohn“ iSv. § 11 Nr. 1 MTV gleichbedeutend sind. Hätten die Tarifvertragsparteien in beiden Normen auf eine einheitliche Bezugsgröße Bezug nehmen wollen, hätte es nahegelegen, denselben Begriff zu verwenden.

18

3. Sinn und Zweck der Zulagen gemäß der genannten betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV bestehen erkennbar nur darin, die geschuldete (Stunden-)Vergütung entsprechend der Eingruppierung des Arbeitnehmers festzulegen. Den Zulagen kommt keine besondere, neben einem Stundenlohn bestehende Funktion zu. Die Aufschlüsselung dient lediglich der Erläuterung des Stundenlohns, wie der Zusammenhang mit den übrigen Lohngruppen zeigt.

19

4. Auch die Tarifgeschichte spricht dagegen, dass der Begriff des „Stundenlohns“ - in Abgrenzung zu dem ebenfalls verwendeten Ausdruck „Stundenlohn gesamt“ - für § 11 Nr. 1 MTV maßgeblich sein soll. Der LTV nebst seinen betriebsbezogenen Anlagen wurde am 14. Juli 2003 vereinbart. Bei Abschluss des MTV am 10. März 1999 galt noch der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen vom 12. Juli 1996. Dieser Lohntarifvertrag differenzierte nicht zwischen „Stundenlohn“ und „Stundenlohn gesamt“, sondern wies in der Anlage zu § 3 einheitliche Stundenlöhne aus. Die Bezugnahme auf den „Stundenlohn“ in § 11 Nr. 1 MTV zeigt vor diesem Hintergrund, dass der Berechnung der Zuschläge die Vergütung zugrunde zu legen ist, die ein Arbeitnehmer nach dem Lohntarifvertrag für die in einer Stunde geleistete Arbeit verlangen kann. Dies ist bei Beschäftigten der Lohngruppe L1A der „Stundenlohn gesamt“.

20

5. Die Höhe der Differenzbeträge steht nicht im Streit.

21

II. Die Ansprüche sind nicht nach § 21 Nr. 4 MTV verfallen.

22

1. Nach § 21 Nr. 2 MTV müssen Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit spätestens acht Wochen nach Fälligkeit und nach § 21 Nr. 3 MTV alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Fristen ist die Geltendmachung dieser Ansprüche nach § 21 Nr. 4 MTV ausgeschlossen.

23

2. Ob die Geltendmachung aller im Streit stehenden Zuschläge sich nach § 21 Nr. 2 MTV richtet oder ob Zuschläge für die dort nicht ausdrücklich aufgeführte Nachtarbeit als „übrige Ansprüche“ nach § 21 Nr. 3 MTV geltend gemacht werden müssen, kann dahinstehen; die schriftliche Geltendmachung vom 18. Januar 2008 hat beide Ausschlussfristen gewahrt.

24

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG 22. April 2004 8 AZR 652/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG 22. Juni 2005 - 10 AZR 459/04 - zu II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfrist Nr. 183 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 179 ). Dies ist besonders bei Lohnklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (BAG 26. Februar 2003 5 AZR 223/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181).

25

b) Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. Januar 2008 die Zahlung von Zeitzuschlägen auf der Grundlage eines Stundenlohns von 11,23 Euro verlangt und damit die Abrechnung und Zahlung der Zuschläge auf einer anderen Berechnungsgrundlage als von der Beklagten bisher durchgeführt geltend gemacht. Die Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich; über Art und Anzahl der zuschlagspflichtigen Stunden streiten die Parteien nicht, die Höhe der Ansprüche war für die Beklagte ohne Weiteres errechenbar.

26

c) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. § 21 Nr. 2 MTV bestimmt lediglich den Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch „spätestens“ geltend gemacht werden muss, nicht aber den frühestmöglichen Zeitpunkt. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchsteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 109, 100).

27

d) Der wirksamen Geltendmachung steht nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zum Teil noch nicht entstanden waren.

28

aa) Nach § 21 Nr. 2 MTV ist allerdings grundsätzlich erforderlich, dass der Anspruch bereits entstanden ist.

29

(1) Die Norm regelt die Geltendmachung von „Ansprüchen“. Das setzt voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind. Fehlt es daran, liegt regelmäßig kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).

30

(2) Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht regelmäßig auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahrt werden, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22, NZA 2013, 101). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 c der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen; die rasche Klärung von Ansprüchen wird nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 14, AP BAT § 70 Nr. 39; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO).

31

bb) Eine Besonderheit liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - aaO). Einzelne Tarifverträge erlauben ausdrücklich eine solche Konzentration der Obliegenheit zur Geltendmachung (zB § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD). In Betracht kommt aber auch eine entsprechende Auslegung ohne ausdrückliche Regelung (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, aaO); denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Der Wortlaut des § 21 MTV schließt die Geltendmachung künftiger Ansprüche nicht von vornherein aus.

32

Dasselbe Verständnis von tariflichen Ausschlussfristen liegt der ständigen Rechtsprechung zugrunde, wonach künftig entstehende Entgeltansprüche bereits mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage wirksam geltend gemacht werden. Eine derartige Geltendmachung vor Entstehen der Ansprüche ist zugleich auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust des Arbeitsverhältnisses verloren gehen. Damit ist der Arbeitgeber ausreichend von dem Ziel des Arbeitnehmers unterrichtet, die Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 ff. mwN, NZA 2013, 101; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe mwN, aaO). Eine weitere Geltendmachung kann nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen regelmäßig nicht verlangt werden.

33

cc) Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind regelmäßig solche auf eine dauerhafte Zulage oder aus einer bestimmten Eingruppierung (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Unständige Bezüge, deren Entstehung von verschiedenen Faktoren abhängt, müssen vor der Geltendmachung hingegen regelmäßig entstanden sein (zur Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; zur Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, aaO). Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen in Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

34

dd) Die Parteien streiten über die Berechnungsgrundlage der Zeitzuschläge nach § 11 MTV und damit über einen für die Vergütung aller zuschlagpflichtigen Stunden gleichen Grundtatbestand. Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden sind in den Lohnabrechnungen ausgewiesen und damit streitlos gestellt; sie mussten nicht geltend gemacht werden (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18 f., BAGE 135, 197). Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Abrechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ ausreichend. Das Schreiben vom 18. Januar 2008 wahrt sowohl die zu diesem Zeitpunkt entstandenen als auch die künftigen Differenzansprüche unter Zugrundelegung der jeweils abgerechneten Stunden. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Zahlung ganz bestimmter höherer Zeitzuschläge verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen, etwaige Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden; ein monatlich wiederholter Hinweis des Klägers hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, der Kläger habe zwischenzeitlich von seiner Forderung Abstand genommen.

35

e) Die vorstehende Auslegung von § 21 MTV steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts. Soweit bei unständigen Bezügen verschiedentlich nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche für ausreichend erachtet worden ist (für Ansprüche auf Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; für Ansprüche auf Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168), wurde auch darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmer in den einzelnen Monaten in unterschiedlichem Umfang Arbeitsleistungen zu erbringen hatten (BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - aaO; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - aaO; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO). Diese können nicht im Voraus geltend gemacht werden. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass Umfang und Art der zuschlagpflichtigen Stunden streitlos sind und nur über die Berechnungsgrundlage gestritten wird. Der Grund, weshalb bei unständigen Bezügen regelmäßig nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche eine Ausschlussfrist wahren kann, ist mit Aufnahme der geleisteten Stunden in eine Lohnabrechnung entfallen. Für die richtige Berechnung der Zeitzuschläge gemäß § 11 MTV reichte deshalb die einmalige Geltendmachung aus.

36

3. Jedenfalls ist die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

37

a) § 242 BGB kann zum Verlust eines Rechts im Hinblick auf ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, führen(BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19, BAGE 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - aaO).

38

b) Die Beklagte führte mit Betriebsrat und Gewerkschaft seit 2007 Verhandlungen über eine andere Berechnung der Zeitzuschläge; spätestens seit der gemeinsamen Geltendmachung im Januar 2008 war ihr bewusst, dass die Arbeitnehmer auf einer Berechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ bestehen. Der faire Umgang mit dem Vertragspartner hätte vor diesem Hintergrund geboten, auf eine im Sinne des Tarifvertrags gegebenenfalls nicht ausreichende, aber offenbar von den Arbeitnehmern als ausreichend angesehene Geltendmachung zu reagieren, um die - auch für sich selbst reklamierte - Klarheit zu schaffen. Dies ist unterblieben. Die Beklagte hat erkennbar darauf gesetzt, dass ein Teil der Mitarbeiter zunächst vor weiteren Geltendmachungen und (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zurückschreckt und Ansprüche sukzessive verfallen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.

39

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 10 Nr. 4 MTV, die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Stefan Fluri    

                 

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

„13. Schussbestimmungen

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.

12

Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

13

„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!

14

Sehr geehrte Frau A.,

15

wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.

16

In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.

17

Wie geht es nun weiter?

18

Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

19

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

20

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

21

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.

22

Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

23

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

24

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz

25

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

26

Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

27

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

28

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

29

Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."

30

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.

31

Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.

32

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.

34

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

35

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

40

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.

41

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.

42

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.

43

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

44

Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.

45

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.

46

Die Klägerin beantragt zuletzt,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:

51

Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.

52

Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

53

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

55

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

56

Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.

B.

57

Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.

I.

59

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

60

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

61

2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

62

3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

63

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

64

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

65

4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

66

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.

II.

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

68

Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.

69

1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.

70

Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.

71

Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.

72

a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).

73

b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

75

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:

76

Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.

77

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.

78

Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.

79

Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:

80

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

81

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.

82

b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

83

c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.

84

Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

85

Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

86

Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.

88

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2012 - 5 Sa 830/11 - insoweit aufgehoben, als es das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - auf die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) und des Zahlungsantrags zu 4) abgeändert und die Klage abgewiesen hat, sowie insoweit es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat.

1. Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1) und des Zahlungsantrags zu 4) wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - zurückgewiesen.

2. Hinsichtlich des Zahlungsantrags zu 5) wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 30. März 2011 - 3 Ca 2345/10 - auf die Berufung des Klägers abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 424,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16. November 2010 zu zahlen.

3. Hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 2) und 3) wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsstreits - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Vergütungsanspruch des Klägers.

2

Der Kläger ist seit 1995 bei der Beklagten in deren Werk in S als Ziegeleiarbeiter beschäftigt. Der schriftliche Arbeitsvertrag lautet ua. wie folgt:

        

§ 2   

Stundenlohn/Arbeitszeit

        

Der Arbeitgeber zahlt an den Arbeitnehmer einen Stundenlohn von brutto TL 3 = 18,96 DM.

        

Setzt sich der Stundenlohn aus einem Tariflohn gemäß § 10 dieses Vertrages und freiwilligen übertariflichen Zulagen zusammen, so können diese übertariflichen Zulagen jederzeit nach billigem Ermessen widerrufen werden. Auch durch die wiederholte Gewährung entsteht für die Zukunft kein Rechtsanspruch. Die übertariflichen Zulagen können auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden.

        

Tarifliche Zulagen werden nur für die Dauer der tariflichen Voraussetzungen der Zulagen gewährt.

        

…       

        

§ 10   

Ergänzende Vereinbarungen

        

Im übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis ergänzend die Vorschriften des Tarifvertrages BRTV gewerbl. AN der Ziegelindustrie/der Arbeitsordnung vom 06.11.1990 in seiner/ihrer jeweiligen Fassung.

        

Vereinbarungen außerhalb dieses Vertrages bestehen zwischen den Parteien nicht.“

3

Die Beklagte wendet auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis den „Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in der Ziegelindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgenommen Bayern“ (MTV), den „Entgeltrahmentarifvertrag für die Ziegelindustrie in der Bundesrepublik Deutschland (ausgenommen Bayern)“ (ERTV) und den „Entgelttarifvertrag für die Ziegelindustrie in Nordrhein-Westfalen und südlichem Niedersachsen“ (ETV) in der jeweiligen Fassung an.

4

Im Jahre 1996 beabsichtigte die Beklagte, in dem Werk einen 3-Schichtbetrieb einzuführen. Diese Einführung war ua. Gegenstand eines Beschlussverfahrens vor dem Arbeitsgericht Wesel. Nachdem dort am 17. Dezember 1996 ein Anhörungstermin stattgefunden hatte, kam es am 18. Dezember 1996 im sog. Sozialraum der Beklagten zu einer Mitarbeiterbesprechung, an der auch der Kläger teilnahm. Das Protokoll der Besprechung hat auszugsweise folgenden Inhalt:

        

„Nachdem das Arbeitsgericht Wesel am 17.12.1996 die Rechtmäßigkeit der Einführung des 3-Schichtbetriebs bestätigt hat, wurde in dem Gespräch mit obigen Teilnehmern geklärt, wie nach Einführung des 3-Schichtbetriebs und der Abschaffung der Fegestunden die Entlohnung ausgeführt wird.

        

Dabei wurde folgende Regelung für die Mitarbeiter im 3-Schichtbetrieb getroffen:

        

1. Die Firma N erstattet denjenigen Mitarbeitern, die vom 2- in den 3-Schichtbetrieb umgesetzt werden, eine freiwillige Einmalzahlung, die sich orientiert an der Arbeitsstundenzahl von 1995 im Vergleich zu den Stunden beim 3-Schichtbetrieb.

        

Formel: (Arbeitsstunden 1995 - 2030 Stunden) * 1,- DM = Einmalzahlung. (Anlage)

        

2. Die betroffenen Mitarbeiter werden in eine höhere Lohngruppe eingestuft. (Anlage)

        

3. Es wird eine neue Prämienstaffelung eingeführt. (Anlage)

        

4. Die Fegestunden werden abgeschafft. Als Ausgleich erhalten die Mitarbeiter im Pressenbereich eine einmalige Zahlung von DM 3.600.-. Die Mitarbeiter an der Setzanlage werden einmalig mit DM 5.400.- abgegolten.

        

Die Auszahlung erfolgt im Dezember. Die Vorabzahlung vom 11.7.1996 wird damit verrechnet.

        

Für die Mitarbeiter, die nur gelegentlich (20 bis 35 Stunden) an den obigen Anlagen tätig waren, ergibt sich eine einmalige Zahlung von DM 1.000.-.

        

5. Die oben beschriebene Regelung gilt rückwirkend ab Einführung des 3-Schichtbetriebs am 13.5.1996.“

5

Die Anlage zum Protokoll hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

        

Vorschläge zur Verbesserung der Lohnsituation nach der Umstellung auf 3-Schicht-Betrieb in S

        

A)    

Es wird eine einmalige Zahlung ausgeschüttet, die sich an der Differenz der Jahresarbeitsstunden 1995 zu den möglichen Arbeitsstunden nach Einführung des 3-Schichtbetriebs orientiert.

                          

Bei der geplanten 40 Stunden-Woche können pro Jahr 2080 Arbeitsstunden geleistet werden. Für jede Stunde die 1995 mehr geleistet wurde, zahlt die Firma N einmalig 1,- DM.

        

B)    

Die Mitarbeiter werden in eine höhere Lohngruppe eingestuft.

                 

Der Lohn setzt sich derzeit zusammen aus Tariflohngruppe 3 plus 1,41 DM freiwilliger Zulage und ergibt sich zu 21,58 DM

                          

Es werden 3 betriebliche Bewertungsgruppen eingeführt, die sich wie folgt darstellen:

                          

BWG 1:

Für Pressenfahrer, Bühnenfahrer die Presse fahren können und Springer

                          

Tariflohngruppe 5 plus 1,50 DM freiwillige Zulage ergibt 22,53 DM

                          

BWG 2:

Betrifft alle anderen derzeitigen Mitarbeiter

                          

Tariflohngruppe 4 plus 1,25 DM freiwillige Zulage ergibt 21,00 DM

                          

BWG 3:

Für Kurve, Einhänger, Entlader und Neuzugänge

                          

Tariflohngruppe 3 ergibt 20,17 DM

                 
        

C)    

Es wird eine neue Prämienstaffelung eingeführt.

        

…       

        
        

Stundenlohnfindung:

        

Bewertungsgruppe 1:

(Pressenfahrer, Springer)

Tariflohngruppe 5:

21,03 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

1,50 DM

        
                          

Stundenlohn:

22,53 DM

        
                                                     
        

Bewertungsgruppe 2:

(Übrige Arbeitsplätze)

Tariflohngruppe 4:

20,35 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

1,25 DM

        
                          

Stundenlohn:

21,60 DM

        
                                                     
        

Bewertungsgruppe 3:

(Kurve, Entladung Einhänger und Neuzugänge)

Tariflohngruppe 3:

20,17 DM

        
                          

Betriebliche Zulage:

0,00 DM

        
                          

Stundenlohn:

20,17 DM

        
        

…“    

6

In den nachfolgenden zwölfeinhalb Jahren erhielt der Kläger eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV. Zwischenzeitlich vereinbarte Tabellenlohnerhöhungen wurden an ihn weitergegeben. Die Stundenvergütung des Klägers betrug im Jahre 2009 nach Maßgabe der Lohn- und Gehaltstarifverträge vom 30. August 2006 13,94 Euro brutto.

7

Am 5. Juni 2009 wurde ein neuer Entgeltrahmentarifvertrag (ERTV 2009) vereinbart. Dieser sieht ua. eine neue Vergütungsordnung in Form einer Entgeltgruppeneinteilung mit neuen Tätigkeitsmerkmalen vor. Zugleich vereinbarten die Tarifvertragsparteien ein „Überführungsgitter“, aufgrund dessen die bisher nach dem MTV eingruppierten Arbeitnehmer in die neue Vergütungsordnung „regelüberführt“ werden sollten. Danach entsprachen die bisherigen Lohngruppen 3, 4 und 5 MTV den neuen Entgeltgruppen E 4, E 5 und E 6 ERTV 2009. Eine Besitzstandsregelung sollte die Erhaltung des bisherigen „Tarifentgelts“ sicherstellen.

8

Mit Schreiben vom 15. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass

        

„nach Ausgang der rechtlichen Auseinandersetzung bezüglich Ihrer Umgruppierung (Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 29.04.2010) die Zustimmung des Betriebsrates zur Umgruppierung in die Lohngruppe 3 als erteilt gilt. Wir werden daher die sich hieraus ergebenden Korrekturabrechnungen für den Zeitraum Oktober 2008 bis Mai 2010 ermitteln und in der nächsten Abrechnung zum Abzug bringen.

        

…       

        

Soweit sich aus der individuellen Rückrechnung der Monate Abzugsbeträge ergeben, nach denen das Nettoeinkommen unterhalb der Pfändungsfreigrenze fallen würde, werden wir in den einzelnen monatlichen Abrechnungen ab Juni 2010 jeweils nur bis zur Pfändungsfreigrenze verrechnen und die verbleibenden Differenzen auf die nächsten Monate vortragen …“

9

Der Kläger widersprach den Rückforderungsabsichten mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30. Juni 2010, das ua. wie folgt lautet:

        

„Wir können nur anraten, zwingend darauf zu verzichten, etwaige Verrechnungen vor allen Dingen rückwirkend seit Oktober 2008 umzusetzen. Ein entsprechendes Umgruppierungsverlangen unseres Mandanten ist erstmals mit Ihrem Schreiben vom 15.06.2010 erfolgt, so dass Korrekturabrechnungen rückwirkend für den Zeitraum Oktober 2008 bis Mai 2010 schlicht auch aufgrund der bestehenden Verfallklausel in § 20 des Manteltarifvertrages für die Ziegeleiindustrie vom 30.08.2006 unzulässig sind. Würden Sie eine entsprechende Verrechnung vornehmen, würden wir unverzüglich im Rahmen einer einstweiligen Verfügung die dahingehenden Zahlungsansprüche geltend machen.“

10

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 8. Juli 2010 mit, dass insgesamt ein Betrag in Höhe von 1.716,76 Euro netto überzahlt worden sei. Sie behielt in der Folgezeit - wie angekündigt - vom Lohn des Klägers Nettobeträge ein, und zwar 404,01 Euro im Monat Juni 2010, 295,01 Euro im Monat August 2010, 315,01 Euro im Monat September 2010 und 424,72 Euro im Monat Oktober 2010.

11

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 17. September 2010 eingegangenen und der Beklagten am 25. September 2010 zugestellten Klage hat der Kläger ua. die Feststellung begehrt, dass er in die Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 einzugruppieren sei, und die Nachzahlung der einbehaltenen Vergütungsbeträge für den Monat Juni 2010 verlangt. Mit Klageerweiterungen, die am 18. November 2010 und am 11. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 23. November 2010 bzw. am 12. Januar 2011 zugestellt worden sind, hat er ferner die weiteren einbehaltenen Beträge für die Monate August 2010 und September 2010 sowie für Oktober 2010 eingeklagt. Er hat unter Hinweis auf das Besprechungsprotokoll vom 18. Dezember 1996 die Auffassung vertreten, er habe einen vertraglichen Anspruch auf eine Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV gehabt. Die langjährige Weiterzahlung einer Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV belege die individuell vereinbarte Höhergruppierung. In der Folge sei er nunmehr entsprechend dem „Überführungsgitter“ nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten. Im Übrigen habe die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 15. Juni 2010 die Ansprüche verspätet geltend gemacht und zu Unrecht von seiner Vergütung abgezogen.

12

Der Kläger hat zuletzt, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass er nach der Tarifgruppe West Entgeltgruppe E 6 des Entgeltrahmentarifvertrags für die Ziegeleiindustrie in der Bundesrepublik Deutschland vom 5. Juni 2009 zu vergüten ist,

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 404,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1. Juli 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 6/2010),

        

3.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 295,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. September 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 8/2010),

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 315,01 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15. Oktober 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 9/2010),

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 424,72 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. November 2010 zu zahlen (verrechneter Restlohn 10/2010).

13

Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dem Kläger stehe weder ein einzelvertraglicher noch ein tariflicher Anspruch auf die begehrte Eingruppierung zu. Es habe keine einzelvertragliche Zusage für ein übertarifliches Gehalt gegeben. Diese sei nur für den Zeitraum erfolgt, in dem tatsächlich im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet worden sei. Soweit der Kläger noch später nach der höheren Lohngruppe 5 MTV entlohnt worden sei, habe dem ein Irrtum zugrunde gelegen. Diesen habe die Beklagte mit der Umgruppierung korrigieren können. Die Vereinbarung des neuen Entgeltsystems und die Überführung aller Arbeitnehmer sei ein von den Tarifvertragsparteien gewollter Anlass, Ungerechtigkeiten und Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Im Übrigen seien die Ansprüche des Klägers zumindest teilweise verfallen, weil er die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der Anträge zu 1) und 4) stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichteten Berufungen der Parteien hat das Landesarbeitsgericht nach Einholung einer „Tarifauskunft“ die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft der Berufung der Beklagten stattgegeben und diejenige des Klägers zurückgewiesen. Der Feststellungsantrag zu 1) ist begründet. Ebenfalls begründet sind die Zahlungsanträge zu 4) und 5). Die weiteren Zahlungsanträge zu 2) und 3) konnten mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht zurückgewiesen werden. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils ( § 562 Abs. 1 ZPO ) und wegen fehlender ausreichender Feststellungen insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 ZPO ).

16

I. Der als ein nach allgemeinen Grundsätzen auch in der Privatwirtschaft zulässiger (vgl. zB BAG 30. November 1994 - 4 AZR 901/93 -) Eingruppierungsfeststellungsantrag auszulegende Antrag zu 1) des Klägers ist begründet. Die Beklagte ist auf der Grundlage vertraglicher Regelungen verpflichtet, den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten.

17

1. Allerdings folgt diese Vergütungspflicht nicht unmittelbar aus dem ERTV 2009. Dieser regelt allein die Zuordnung einer Tätigkeit zu einem Tätigkeitsmerkmal der Entgeltordnung und weist dieses einer bestimmten Entgeltgruppe zu. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt jedoch kein Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009. Das ist inzwischen zwischen den Parteien nicht mehr streitig.

18

2. Die Verpflichtung der Beklagten ergibt sich aber aus den vertraglichen Abreden der Parteien. Die Beklagte hat dem Kläger am 18. Dezember 1996 individualvertraglich eine übertarifliche Vergütung zugesagt, an die sie nach wie vor gebunden ist. Die Auslegung dieser vertraglichen Zusage (zu den Maßstäben vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 453/12 - Rn. 22 mwN) ergibt, dass sie den Kläger nach der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten hat.

19

a) Die Vorinstanzen sind rechtsfehlerfrei von einem Antrag der Beklagten und einer nachfolgenden Annahme des Klägers ausgegangen, ihm solle aufgrund des Besprechungstermins vom 18. Dezember 1996 ein einzelvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV zustehen, der nicht auf die tatsächliche Zeitdauer eines Drei-Schicht-Betriebs begrenzt ist.

20

aa) Bis zum 18. Dezember 1996 richtete sich die Vergütung des Klägers aufgrund vertraglicher Bezugnahme der Tarifverträge der Ziegelindustrie nach den tariflichen Regelungen. Die Parteien waren sich insoweit darüber einig, dass die Tätigkeit des Klägers die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der Lohngruppe 3 MTV erfüllt und er entsprechend vergütet wird.

21

bb) Diese Vergütungsvereinbarung haben die Parteien für die Zeit nach dem 18. Dezember 1996 geändert. Nach zutreffender Auffassung der Vorinstanzen ist dem Kläger - wie anderen Mitarbeitern auch - im Zusammenhang mit der Einführung eines Drei-Schicht-Betriebs individualvertraglich die Vergütung nach einer höheren Lohngruppe, nämlich der Lohngruppe 5 MTV angeboten wurden. Der Kläger gehörte als „Springer“ zu der in der Anlage zum Besprechungsprotokoll vom 18. Dezember 1996 aufgeführten „Bewertungsgruppe 1“, die ein Entgelt nach der Lohngruppe 5 MTV erhalten sollten. Diesen Antrag hat er durch Erbringung seiner Arbeitsleistung nach der von der Beklagten vorgenommen Schichteinteilung ab dem weiteren Monat Dezember 1996 konkludent angenommen. Er wurde dementsprechend in den folgenden mehr als zwölfeinhalb Jahren nach dieser Lohngruppe - einschließlich der tariflichen Lohnerhöhungen - vergütet.

22

cc) Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht sind weiterhin zutreffend davon ausgegangen, dass diese vertragliche Abrede nicht für den Zeitraum der tatsächlichen Beschäftigung im Drei-Schicht-Betrieb befristet war. Hierfür fehlt es an Anhaltspunkten.

23

(1) Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass eine Befristung oder auflösende Bedingung jedenfalls nicht ausdrücklich vereinbart worden ist.

24

(2) Eine konkludente Vereinbarung kann dem Sachvortrag der dafür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht entnommen werden. Der Verweis auf ein dahingehendes Interesse der Beklagten an einer solchen Einschränkung genügt nicht für die Annahme einer tatsächlichen Vereinbarung. Entscheidend gegen eine konkludente Vereinbarung einer befristeten Vergütungsabrede spricht, dass die Einstellung des Drei-Schicht-Betriebs durch die Beklagte bereits im Jahre 1998 erfolgte und sie gleichwohl bis zum Jahre 2009 weiterhin die übertarifliche Vergütung an den Kläger leistete. Dieses konkrete Verhalten der Vertragspartner nach dem Vertragsschluss lässt zugleich Rückschlüsse darauf zu, wie die Parteien die Vereinbarung im Zeitpunkt ihres Abschlusses verstanden haben. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die tatsächliche Umsetzung des Drei-Schicht-Betriebs keine Anspruchsvoraussetzung war, sondern dass die vertragliche Zusage die Einholung des Einverständnisses mit einem solchen - auch nur möglichen - Arbeitszeitregime bezweckte. Hierauf hätte die Beklagte auch jederzeit zurückgreifen können und sie hat dies nach ihrem eigenen Vortrag in den Fällen, in denen auch nach dem Jahr 1998 vereinzelt wieder im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wurde, tatsächlich getan. Mit der Vereinbarung, die Regelung gelte rückwirkend ab Einführung des Drei-Schicht-Betriebs, ist lediglich der Beginn der betreffenden Änderung festgelegt worden.

25

b) Seit dem 1. August 2009 kann der Kläger auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung infolge des neuen ERTV 2009 ein Entgelt nach der dort geregelten Entgeltgruppe E 6 beanspruchen.

26

aa) Die vertragliche Abrede erfasst nach ihrem Inhalt eine (übertarifliche) Vergütung nach der Lohngruppe 5 MTV. Der Kläger sollte so vergütet werden, als erfülle seine Tätigkeit die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals dieser Lohngruppe.

27

bb) Infolge der Neuregelung der Vergütungsordnung durch den ERTV 2009 ist zwar diese Lohngruppe weggefallen. Die von den Parteien vorgesehene und durchgeführte dynamische Anwendung der jeweiligen tariflichen Regelungen zur Lohngruppe 5 MTV führt vorliegend allerdings dazu, dass ab Inkrafttreten des ERTV 2009 nach den Maßgaben des tariflichen „Überführungsgitters“ dessen Entgeltgruppe E 6 jedenfalls im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ( ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben BAG 18. April 2012 - 4 AZR 392/10  - Rn. 20 , BAGE 141, 150 ; 6. Juli 2011 -  4 AZR 706/09  - Rn. 27 , 31 ff., BAGE 138, 269 ; 19. Mai 2010 -  4 AZR 796/08  - Rn. 23 , 31 ff., BAGE 134, 283 ) maßgebend ist.

28

(1) Aufgrund der übertariflichen Vergütungsabrede ist die tatsächliche Erfüllung der konkreten Tätigkeitsmerkmale der neuen Entgeltordnung durch den Kläger ebenso ohne Bedeutung, wie sie dies bereits für die vorherige Entgeltordnung war. Die Parteien haben die Vergütung gerade unabhängig von den in ihr formulierten Anforderungen festlegen wollen.

29

(2) Für den vorliegenden Fall einer Neugestaltung der Vergütungsordnung hätten die Parteien redlicherweise diejenige Entgeltgruppe des ERTV 2009 vereinbart, die der bisherigen Lohngruppe 5 MTV in der neuen Entgeltordnung entspricht. Ein Arbeitnehmer, dessen Tätigkeit die Anforderungen der Lohngruppe 5 MTV erfüllte, wurde ab dem 1. August 2009 in Anwendung des „Überführungsgitters“ der Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zugeordnet.

30

3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten stehen dem die Überleitungsvorschriften des ERTV 2009 nicht entgegen.

31

a) § 7 und § 8 ERTV 2009 haben folgenden Wortlaut:

        

§ 7   

        

Tarifüberführung

        

Die unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallenden Beschäftigten, die vor dem Zeitpunkt der Einführung des Entgelttarifvertrages in die bis dahin geltenden Lohn- und Gehaltsgruppenbestimmungen eingruppiert waren, werden gemäß dem Überleitungsraster (siehe Anlage 2 zum Entgeltrahmentarifvertrag) regelüberführt.

        

Sollten zwischen den Betriebsparteien bei der Regelüberführung Unstimmigkeiten oder Streitigkeiten auftreten, die nicht betrieblich zu bereinigen sind, so sind vor Einleitung von gerichtlichen Auseinandersetzungen die Tarifvertragsparteien einzuschalten.

        

§ 8     

        

Besitzstandswahrung

        

a.)     

Arbeitnehmern, deren neues Tarifentgelt unter dem Tarifentgelt der Lohn- bzw. Gehaltsgruppe liegt, in die sie vor dem Inkrafttreten des Entgelttarifvertrages eingruppiert waren, wird der Unterschiedsbetrag zwischen dem neuen Tarifentgelt und ihrem bisherigen Tarifentgelt als persönliche Überführungszulage gewährt.

                 

Stichtag für die Gewährung der Überführungszulage sind die am 31. Juli 2009 geltenden Arbeitsverhältnisse.

                 

Die Überführungszulage bleibt auf Dauer erhalten, wird als normaler Entgeltbestandteil behandelt und nimmt daher an zukünftigen Tariferhöhungen teil.

                 

Voraussetzung für die Gewährung der Überführungszulage in der Zukunft ist gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung.

        

b.)     

Anrechnungen sonstiger übertariflicher Zulagen bleiben von diesen Regelungen unberührt.“

32

b) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, die Beklagte sei aus Anlass des neuen Tarifvertrags berechtigt gewesen, die „objektiv nicht (mehr) richtige Eingruppierung“ des Klägers - womit erkennbar die Erfüllung der entsprechenden Tätigkeitsmerkmale gemeint ist - „zurückzufahren und den aktuellen Vorgaben des ERTV neu anzupassen“. Entscheidendes Kriterium für die Eingruppierung solle die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit sein. Aus der „Tarifauskunft“ des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ergebe sich, dass die im „Überführungsgitter“ zum Ausdruck gebrachte Regelüberführung nur dann erfolgen solle, wenn auch die bisherige Eingruppierung nach den Lohngruppen des MTV zutreffend gewesen sei. Diese Tarifauslegung führe auch zu einer vernünftigen, sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung, weil mögliche Ungleichbehandlungen beseitigt, dem Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit Rechnung getragen werden könne und die Auswirkungen für den Kläger aufgrund der Überführungszulage zumutbar seien.

33

c) Dies ist unzutreffend und verkennt das Verhältnis von individualvertraglichen und tariflichen Regelungen. Den Tarifvertragsparteien ist es verwehrt, durch tarifliche Regelungen auf günstigere individualvertragliche Rechte zuzugreifen. Tarifverträge regeln Mindestarbeitsbedingungen, denen gegenüber einzelvertragliche günstigere Arbeitsbedingungen jederzeit Vorrang haben (§ 4 Abs. 3 TVG). Selbst wenn - wie das Landesarbeitsgericht zu mutmaßen scheint - von den Tarifvertragsparteien ein Eingriff in vertragliche Rechte beabsichtigt gewesen wäre, scheiterte ein solches Vorhaben an den Grenzen tariflicher Regelungsbefugnis. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Abwägung zur „Zumutbarkeit“ der neuen tariflich geregelten Arbeitsbedingungen für den Kläger obliegt dabei im Grundsatz allein dem Arbeitnehmer selbst und lediglich im Falle einer entsprechenden Änderungskündigung den über deren Sozialwidrigkeit anhand der Maßstäbe des § 2 iVm. § 1 KSchG ggf. entscheidenden Gerichten für Arbeitssachen.

34

4. Ebenso wenig ist das von der Beklagten angeführte Umgruppierungsverfahren nach § 99 BetrVG und die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats von Bedeutung. Der Kläger stützt seinen Anspruch nicht auf die Erfüllung der Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer betrieblichen Vergütungsordnung, sondern allein auf die vertragliche Abrede der Parteien.

35

II. Die Revision des Klägers ist auch hinsichtlich der als Nettolohnklage zulässigen (BAG 26. Februar 2003 - 5 AZR 223/02 - mwN, BAGE 105, 181) Zahlungsanträge begründet. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen kann der Senat jedoch nur hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 4) und 5) für die Monate September und Oktober 2010 abschließend entscheiden. Für die Entscheidung über die Anträge zu 2) und 3) für die Monate Juni und August 2010 bedarf es weiterer Tatsachenfeststellungen.

36

1. Der Zahlungsantrag zu 4) - Entgelt für den Monat September 2010 - ist begründet.

37

a) Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger für diesen Zeitraum eine weitere Vergütung in Höhe von 315,01 Euro netto zu zahlen. Der Kläger war aufgrund einzelvertraglicher Abrede nach der Lohngruppe 5 MTV bzw. Entgeltgruppe E 6 ERTV 2009 zu vergüten. Deshalb kann sich die Beklagte für den Einbehalt nicht auf einen aufrechnungsfähigen Gegenanspruch berufen. Da der Kläger sich darauf beschränkt hat, die von der Beklagten selbst vorgenommene Lohnabrechnung mit Ausnahme der Aufrechnungsbeträge zur Grundlage seiner Klageforderung zu machen, bedarf es einer weiteren Darlegung der Begründetheit der Forderung nicht.

38

b)  Der Anspruch des Klägers auf den ungekürzten Lohn für den Monat September 2010 ist nicht verfallen. Die tarifliche Ausschlussfrist ist gewahrt worden.

39

aa) Aufgrund einzelvertraglicher Verweisung ist auf das Arbeitsverhältnis der MTV einschließlich der in § 20 geregelten Ausschlussfristen anzuwenden. Dieser lautet:

        

§ 20 

        

Ausschlussfristen

        

1.    

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit, spätestens aber innerhalb von 5 Wochen nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb, geltend gemacht werden.

        

2.    

Lehnt die Gegenpartei die Ansprüche ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung der Ansprüche, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht werden.“

40

bb) Die Ausschlussfrist gilt entgegen der Auffassung des Klägers auch für noch offene Lohnansprüche für den Monat September 2010. Dies gilt unabhängig davon, ob die eigene Gegenforderung der Beklagten ihrerseits wegen der Nichteinhaltung der auch für sie geltenden Ausschlussfristen verfallen war.

41

Auch wenn die Beklagte zur Aufrechnung mit angeblichen Gegenansprüchen gegen den vertraglichen Entgeltanspruch nicht berechtigt war, führt dies nicht dazu, dass der Kläger seinerseits die tariflichen Ausschlussfristen nicht einhalten muss. Diese gelten für alle Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis, also auch für die zu Unrecht einbehaltenen Lohnanteile. Die Obliegenheit zur Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen besteht unabhängig davon, aus welchen Gründen ein berechtigter Anspruch nicht erfüllt worden ist.

42

cc) Der Kläger hat die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt.

43

(1) Das gilt zunächst für die erste Stufe der außergerichtlichen Geltendmachung. § 20 Abs. 1 MTV fordert die schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten ab Fälligkeit der Forderung. Diese Frist hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 2010 eingehalten. Zu diesem Zeitpunkt war der Anspruch auf das Entgelt für den Monat September 2010 zwar weder entstanden noch fällig. Aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles war es dem Kläger jedoch möglich, diesen Anspruch auch schon vor seiner Entstehung und seiner Fälligkeit gegenüber der Beklagten geltend zu machen.

44

(a) Die Geltendmachung eines Anspruchs nach § 20 Abs. 1 MTV setzt regelmäßig dessen Bestehen voraus. Andernfalls liegt kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (so zB BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100 ). Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht grundsätzlich auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung von Ansprüchen bewahrt werden, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22 ). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, aaO). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen. Auch wird die rasche Klärung von Ansprüchen nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35 ).

45

In Ausnahmefällen können Sinn und Zweck der Ausschlussfrist aber die Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs auch schon vor dessen Entstehen gebieten. Wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht, kann der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, auch durch eine einmalige Geltendmachung erreicht werden. Eine solche einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus (grundlegend dazu BAG 16. Januar 2013 - 10 AZR 863/11 - Rn. 31 f. mwN). Dies gilt insbesondere dann, wenn allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen im Streit steht; in einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was von ihm verlangt wird und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

46

(b) Gemessen an diesen Anforderungen hat der Kläger mit seinem Schreiben vom 30. Juni 2010 bereits durch eine einmalige Geltendmachung der monatlichen Entgeltdifferenzen auch für die Zukunft die erste Stufe der tariflichen Ausschlussfrist eingehalten.

47

(aa) Zwischen den Parteien ist weder die absolute Höhe der monatlichen Vergütung noch deren Berechnung im Übrigen im Streit. Der Kläger hat hinsichtlich der streitigen Monatsbeträge - darunter auch bezüglich des Monats September 2010 - die von der Beklagten in der monatlichen Entgeltabrechnung zugrunde gelegten Beträge akzeptiert. Hiervon ausgenommen ist einzig der Berechnungsfaktor, der sich in allen hier streitigen Entgeltabrechnungen auswirkt, nämlich der von der Beklagten - jeweils anteilig - geltend gemachte Gegenanspruch wegen angeblicher Überzahlung in der Vergangenheit, den sie im Wege der Aufrechnung in mehreren aufeinanderfolgenden Lohnzahlungszeiträumen monatlich durchsetzen wollte.

48

(bb) Dieser dem Kläger gegenüber erklärten Absicht konnte dieser mit einer Ankündigung dahingehend begegnen, dass er die den verschiedenen Einbehaltungsbeträgen zugrunde liegende Gegenforderung nicht akzeptieren und sich hiergegen ggf. auch gerichtlich wehren würde. Damit hat er die durch die tarifliche Ausschlussfrist geschützten Interessen des Schuldners, hier der Beklagten gewahrt. Dieser war damit bekannt, welche Beträge von ihr für den Fall des Einbehalts verlangt würden. Einer jeweils auf die einzelnen monatlich einbehaltenen Beträge bezogenen außergerichtlichen Geltendmachung bedurfte es deshalb nicht.

49

(cc) Das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 30. Juni 2010 wahrte damit die tarifliche Geltendmachungsfrist aus § 20 Abs. 1 MTV bezüglich aller Einzelansprüche, die aufgrund der Umsetzung der von der Beklagten erklärten Absicht eines Einbehalts von Vergütungsteilen entstanden waren oder in Zukunft entstehen würden. Hiervon sind alle später gerichtlich geltend gemachten Zahlungsansprüche der Anträge zu 2) bis 5) für die Monate Juni, August, September und Oktober 2010 erfasst.

50

(2) Der Kläger hat auch die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfrist nach § 20 Abs. 2 MTV eingehalten.

51

(a) Die Frist zur Einhaltung der zweiten Stufe nach § 20 Abs. 2 MTV begann nicht vor dem Entstehen und der Fälligkeit der Forderung.

52

Für den Fristbeginn ist die Besonderheit der Geltendmachung vor Entstehen einer Forderung zu berücksichtigen. Eine gerichtliche Geltendmachung ist dabei immer erst möglich, wenn der Anspruch tatsächlich entstanden ist, auch wenn die erste Stufe der Ausschlussfrist bei zukünftig entstehenden Ansprüchen bereits Monate vor deren Entstehen gewahrt werden kann. Darüber hinaus ist in der Erteilung der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Zeitraum unter ausdrücklicher Bezifferung auch desjenigen Betrages, der dem Grunde nach Gegenstand der außergerichtlichen Geltendmachung war, die Ablehnung des vorgerichtlich geltend gemachten Anspruchs iSv. § 20 Abs. 2 MTV zu sehen.

53

(b) Danach ist die Frist des § 20 Abs. 2 MTV vom Kläger vorliegend gewahrt worden. Das Entgelt für September 2010 war am 15. Oktober 2010 fällig; hierüber sind sich die Parteien ausdrücklich einig. Die auf die einbehaltene Vergütungsdifferenz gerichtete Klage ist bei Gericht am 18. November 2010 und damit innerhalb der Frist des § 20 Abs. 2 MTV eingegangen.

54

c) Über die Höhe des Anspruchs und über die Verzinsung nach §§ 288, 286 BGB besteht kein Streit zwischen den Parteien.

55

2. Auch der Zahlungsantrag zu 5) hinsichtlich des Monats Oktober 2010 ist in Höhe des einbehaltenen Betrags von 424,72 Euro netto begründet.

56

Dabei gilt für das Bestehen des Anspruchs und die Einhaltung der tariflichen Ausschlussfristen durch den Kläger das für den Monat September 2010 Ausgeführte (s. oben unter II 1) entsprechend. Hier begann die Zweimonatsfrist für die gerichtliche Geltendmachung nach § 20 Abs. 2 MTV mit der Ablehnung des Anspruchs durch Übermittlung der Entgeltabrechnung für den Monat Oktober 2010. Der Lohnanspruch war am 15. November 2010 fällig. Mit dem Eingang der diesen Betrag erfassenden Klageerweiterung beim Arbeitsgericht am 11. Januar 2011 ist die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt.

57

3. Die Revision des Klägers ist zwar auch hinsichtlich der Entgeltansprüche für die Monate Juni und August 2010 begründet. Das Landesarbeitsgericht hätte sie mit der von ihm gegebenen Begründung nicht verneinen dürfen. Der Senat kann aber aufgrund nicht hinreichender tatsächlicher Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entscheiden.

58

a) Für die Begründung der Ansprüche des Klägers auch in diesen beiden Bezugsmonaten Juni und August 2010 sowie für die Einhaltung der ersten Stufe der tariflichen Ausschlussfrist durch das hierauf gerichtete Geltendmachungsschreiben vom 30. Juni 2010 wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

59

b) Ob der Kläger auch hinsichtlich dieser beiden Monate die zweite Stufe der Ausschlussfrist gewahrt hat, lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen.

60

Die zweite Stufe der Ausschlussfrist könnte durch die am 17. September 2010 (Monat Juni 2010) und am 18. November 2010 (Monat August 2010) beim Arbeitsgericht eingegangene Klage bzw. Klageerweiterung gewahrt worden sein. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn dem Kläger die Entgeltabrechnungen, in denen der im Schreiben vom 30. Juni 2010 geltend gemachte Anspruch durch Erteilung der entsprechenden Abrechnung jeweils abgelehnt worden ist, für den Monat Juni 2010 frühestens am 17. Juli 2010 und für den Monat August 2010 erst nach dem 18. September 2010 dem Kläger zugegangen wären. Hierzu fehlt es jedoch an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Den Parteien ist unter Berücksichtigung des Anspruchs rechtlichen Gehörs Gelegenheit zu einem ergänzenden Vortrag zu geben.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Hannig    

        

    H. Klotz    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 10. August 2011 - 18 Sa 96/11 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, auf welcher Grundlage tarifliche Zeitzuschläge zu berechnen sind.

2

Die Beklagte betreibt ein Beförderungsunternehmen und war im Streitzeitraum November 2007 bis August 2009 Mitglied des Landesverbands Hessischer Omnibusunternehmer e. V. (LHO). Der Kläger ist für die Beklagte als Omnibusfahrer tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft vertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen Anwendung.

3

Die für die Beklagte geltende betriebsbezogene Anlage 4 zu § 3 des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 (nachfolgend: LTV) regelt den Stundenlohn auszugsweise wie folgt:

Definition der Lohngruppen Sippel, gültig ab 01. Januar 2005***

Lohn-
gruppe

Bezeichnung

Stunden-
lohn

Zulage Betriebs-
zugehörigkeit

Zulage Ballungs-
raum

Zulage betriebs-
intern

Stunden-
lohn gesamt

im Monat
(s. unten stehende Erklärung)

L 1 A *
(Klasse D, D1, DE, D1E)

Innerstädtische Verkehre
nach § 42 PBefG in
hess. Städten
> 100.000 Einw.

                                                     

…       

                                                              

Stufe 4

nach vollendetem 5. Jahr
der Betriebszugehörigkeit

9,66 €

0,38 €

0,40 €

0,80 €

11,23 €

1.965,90 €

...

Erklärung zur Berechnung des Bruttomonatslohnes:

Bruttomonatslohn = 200 Dienststunden (abzüglich der Pausenzeiten), entspricht 175 Arbeitsstunden.

Ändert sich der Pausenabzug gem. § 7 Abschnitt A Ziffer 1, Punkt 4 Manteltarifvertrag LHO vom 01. März 1999, so sind die Bruttomonatslöhne entsprechend neu auszuweisen.“

4

Der Kläger wurde im Streitzeitraum nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 vergütet.

5

Zum 1. Oktober 2007 trat die „Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ in Kraft. Diese regelt ua.:

        

„2.     

Die betriebsbezogenen Anlagen Nr. 1 bis 5 gemäß § 3 Lohntarifvertrag vom 14. Juli 2003 idF vom 1. Januar 2005 für die Unternehmen

                 

…       

        
                 

4.)     

A S GmbH …

                 

…       

                 

werden einvernehmlich zum 1. Oktober 2007 … aufgehoben.

        

…       

        
        

4.    

Für die am 30. Dezember 2007 unter eine der in Ziffer 2 genannten Anlagen fallenden Beschäftigten wird in Bezug auf das jeweils individuell erreichte ‚Stundenentgelt gesamt’ Besitzstandswahrung … vereinbart. Eine Minderung des jeweils individuell erreichten ‚Stundenentgelt gesamt’ ist unzulässig.“

6

Der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen in Hessen vom 10. März 1999 (nachfolgend: MTV) enthält folgende Regelungen:

        

„§ 11 

        

Zeitzuschläge

        

1.    

Die Zeitzuschläge betragen:

                 

für Mehrarbeit

25 %   

        
                 

für Arbeit an Sonntagen

50 %   

        
                 

für Arbeit an gesetzlichen Wochen-
feiertagen

100 % 

        
                 

für Nachtarbeit von 22:00 Uhr
bis 6:00 Uhr

25 %   

        
                 

des Stundenlohnes.

                 
                 

…       

        

2.    

Beim Zusammentreffen mehrerer Zeitzuschläge für eine Arbeitsleistung wird nur der jeweils höchste Zeitzuschlag gezahlt.

        

...     

        

§ 21   

        

Ausschlussfristen

        

...     

        

2.    

Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Spesen und von Zulagen aller Art sowie auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens 8 Wochen nach Fälligkeit schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

3.    

Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen 3 Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend zu machen.

        

4.    

Nach Ablauf der angeführten Fristen ist beiderseits die Geltendmachung dieser Ansprüche ausgeschlossen, es sei denn, dass sie vorher schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht worden sind.

        

5.    

Ausgenommen von den vorstehenden Bestimmungen sind beiderseits Ansprüche aus unerlaubten Handlungen.“

7

Die im Streitzeitraum geleisteten Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden sind jeweils in den Lohnabrechnungen ausgewiesen. Die Beklagte hat die Zeitzuschläge ausschließlich auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro berechnet.

8

Im Frühjahr und Herbst 2007 gab es Gespräche zwischen der Beklagten, dem Betriebsrat und der Gewerkschaft ver.di über die Berechnung der Vergütung der Mitarbeiter. Geltend gemacht wurde in diesem Zusammenhang auch, dass die tariflichen Zeitzuschläge auf einer falschen Grundlage berechnet würden.

9

Ende Januar 2008 überreichte der Kläger der Beklagten zusammen mit ca. 80 Kollegen ein vom Betriebsrat formuliertes Schreiben vom 18. Januar 2008 mit folgendem Wortlaut:

        

„Geltendmachung

        

Ich, B, geboren 1965 und als Busfahrer/S bei der Firma A S GmbH beschäftigt, mache hiermit meine Ansprüche auf ordnungsgemäße Bezahlung nach meinem Arbeitsvertrag, dem geltenden Tarifvertrag LHO und den gesetzlichen Bestimmungen geltend. Ich mache im Einzelnen meine Ansprüche auf Bezahlung des mir nach Tarifvertrag zustehenden Stundenlohnes geltend, ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung aller von mir geleisteten Arbeitsstunden geltend, ich mache meinen Anspruch auf Bezahlung der von mir geleisteten Arbeitszeiten ohne Abzug von 1/6 bzw. 1/8 der von mir gearbeiteten Arbeitszeit geltend. Ich mache meine Ansprüche auf Bezahlung von Überstundenzuschlägen und sonstigen Zuschlägen (Feiertag, Nacht usw.) geltend. Dabei mache ich meinen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro geltend und mache geltend, dass die jeweiligen Zuschläge (von 25 % bis 100 %) auf diesen Stundenlohn in Höhe von 11,23 Euro zu zahlen sind. Ich mache geltend, dass die Zahlung von Überstunden/Wochenstunden, Feiertagsstunden und Nachtstunden ohne jegliche Abzüge erfolgt. Ich mache geltend, dass mein Krankenlohn bzw. Urlaubsentgelt ebenfalls auf der Basis der ordnungsgemäßen Vergütung nach dieser Geltendmachung zu erfolgen hat.“

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zeitzuschläge seien nicht auf der Grundlage des in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV für die Lohngruppe des Klägers ausgewiesenen „Stundenlohns“ iHv. 9,66 Euro, sondern nach dem „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro zu berechnen. Er hat mit der im Januar 2010 erhobenen Klage die Differenzbeträge für die in den Lohnabrechnungen ausgewiesenen Mehrarbeits-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtstunden für den Zeitraum November 2007 bis August 2009 geltend gemacht.

11

Der Kläger hat - soweit noch von Interesse - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 927,23 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer monatlicher Staffelung zu zahlen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV sei der „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Etwaige Ansprüche seien auch nach § 21 MTV verfallen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist unbegründet. Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV für Mehr-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sind aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn gesamt“ und nicht aus dem „Stundenlohn“ zu berechnen(unter I). Die Ansprüche sind nicht nach § 21 MTV verfallen(unter II).

15

I. Grundlage der Berechnung der Zeitzuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ist der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV in der Lohngruppe L1A ausgewiesene „Stundenlohn gesamt“.

16

1. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm legt dies nahe. Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist „Stundenlohn“ die Vergütung, die ein Arbeitnehmer für die in einer Stunde geleistete Arbeit erhält (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. Stichwort „Stundenlohn“). Mitarbeiter mit einer Vergütung nach der Lohngruppe L1A Stufe 4 erhalten für eine Stunde Arbeit den „Stundenlohn gesamt“ iHv. 11,23 Euro und nicht lediglich den „Stundenlohn“ iHv. 9,66 Euro. Der Stundenlohn setzt sich zusammen aus dem in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen „Stundenlohn“ sowie den für jede Stunde zu zahlenden Zulagen. Diese sind feste stundenbezogene Lohnbestandteile und damit Teil des tariflichen Stundenlohns.

17

2. Der tarifliche Gesamtzusammenhang bestätigt diese Auslegung. Bezugsgröße für tarifliche Ansprüche der nach der Lohngruppe L1A vergüteten Mitarbeiter ist nicht der „Stundenlohn“, sondern der „Stundenlohn gesamt“. Die in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesenen Bruttomonatslöhne für die verschiedenen Stufen der Lohngruppe L1A werden auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ errechnet; gleiches gilt für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 12 Nr. 1 Abs. 2 MTV, die Urlaubsvergütung nach § 15 Nr. 11 MTV und das Sterbegeld nach § 14 Nr. 1 MTV. Auch die in Nr. 4 der „Tarifvertraglichen Vereinbarung Nr. 12 vom 25. Oktober 2007“ vereinbarte Besitzstandswahrung ist ausdrücklich auf das individuell erreichte „Stundenentgelt gesamt“ bezogen. Vor diesem Hintergrund hätte es besonderer Anhaltspunkte bedurft, wenn für die Berechnung der Zuschläge nach § 11 Nr. 1 MTV ausnahmsweise der in der betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV ausgewiesene „Stundenlohn“ hätte maßgeblich sein sollen. Daran fehlt es. Dass der Arbeitgeber nach § 10 Nr. 5 MTV zur getrennten Ausweisung des „Lohnsatzes“, der „Lohnzuschläge“ und der „Lohnzulagen“ in der Lohnabrechnung verpflichtet wird, spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht dafür, dass „Lohnsatz“ iSv. § 10 Nr. 5 MTV und „Stundenlohn“ iSv. § 11 Nr. 1 MTV gleichbedeutend sind. Hätten die Tarifvertragsparteien in beiden Normen auf eine einheitliche Bezugsgröße Bezug nehmen wollen, hätte es nahegelegen, denselben Begriff zu verwenden.

18

3. Sinn und Zweck der Zulagen gemäß der genannten betriebsbezogenen Anlage 4 zu § 3 LTV bestehen erkennbar nur darin, die geschuldete (Stunden-)Vergütung entsprechend der Eingruppierung des Arbeitnehmers festzulegen. Den Zulagen kommt keine besondere, neben einem Stundenlohn bestehende Funktion zu. Die Aufschlüsselung dient lediglich der Erläuterung des Stundenlohns, wie der Zusammenhang mit den übrigen Lohngruppen zeigt.

19

4. Auch die Tarifgeschichte spricht dagegen, dass der Begriff des „Stundenlohns“ - in Abgrenzung zu dem ebenfalls verwendeten Ausdruck „Stundenlohn gesamt“ - für § 11 Nr. 1 MTV maßgeblich sein soll. Der LTV nebst seinen betriebsbezogenen Anlagen wurde am 14. Juli 2003 vereinbart. Bei Abschluss des MTV am 10. März 1999 galt noch der Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des privaten Personenverkehrs mit Omnibussen vom 12. Juli 1996. Dieser Lohntarifvertrag differenzierte nicht zwischen „Stundenlohn“ und „Stundenlohn gesamt“, sondern wies in der Anlage zu § 3 einheitliche Stundenlöhne aus. Die Bezugnahme auf den „Stundenlohn“ in § 11 Nr. 1 MTV zeigt vor diesem Hintergrund, dass der Berechnung der Zuschläge die Vergütung zugrunde zu legen ist, die ein Arbeitnehmer nach dem Lohntarifvertrag für die in einer Stunde geleistete Arbeit verlangen kann. Dies ist bei Beschäftigten der Lohngruppe L1A der „Stundenlohn gesamt“.

20

5. Die Höhe der Differenzbeträge steht nicht im Streit.

21

II. Die Ansprüche sind nicht nach § 21 Nr. 4 MTV verfallen.

22

1. Nach § 21 Nr. 2 MTV müssen Ansprüche aus Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit spätestens acht Wochen nach Fälligkeit und nach § 21 Nr. 3 MTV alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens einen Monat nach Arbeitsvertragsende, schriftlich oder mündlich unter Zeugen geltend gemacht werden. Nach Ablauf der Fristen ist die Geltendmachung dieser Ansprüche nach § 21 Nr. 4 MTV ausgeschlossen.

23

2. Ob die Geltendmachung aller im Streit stehenden Zuschläge sich nach § 21 Nr. 2 MTV richtet oder ob Zuschläge für die dort nicht ausdrücklich aufgeführte Nachtarbeit als „übrige Ansprüche“ nach § 21 Nr. 3 MTV geltend gemacht werden müssen, kann dahinstehen; die schriftliche Geltendmachung vom 18. Januar 2008 hat beide Ausschlussfristen gewahrt.

24

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG 22. April 2004 8 AZR 652/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BAT-O §§ 22, 23 Nr. 28). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne Weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG 22. Juni 2005 - 10 AZR 459/04 - zu II 2 b aa der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfrist Nr. 183 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 179 ). Dies ist besonders bei Lohnklagen regelmäßig der Fall; hier ist der Arbeitgeber aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zur genauen Bezifferung regelmäßig eher in der Lage als der Arbeitnehmer (BAG 26. Februar 2003 5 AZR 223/02 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 105, 181).

25

b) Der Kläger hat mit Schreiben vom 18. Januar 2008 die Zahlung von Zeitzuschlägen auf der Grundlage eines Stundenlohns von 11,23 Euro verlangt und damit die Abrechnung und Zahlung der Zuschläge auf einer anderen Berechnungsgrundlage als von der Beklagten bisher durchgeführt geltend gemacht. Die Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich; über Art und Anzahl der zuschlagspflichtigen Stunden streiten die Parteien nicht, die Höhe der Ansprüche war für die Beklagte ohne Weiteres errechenbar.

26

c) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. § 21 Nr. 2 MTV bestimmt lediglich den Zeitpunkt, zu dem ein Anspruch „spätestens“ geltend gemacht werden muss, nicht aber den frühestmöglichen Zeitpunkt. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchsteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b der Gründe, BAGE 109, 100).

27

d) Der wirksamen Geltendmachung steht nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zum Teil noch nicht entstanden waren.

28

aa) Nach § 21 Nr. 2 MTV ist allerdings grundsätzlich erforderlich, dass der Anspruch bereits entstanden ist.

29

(1) Die Norm regelt die Geltendmachung von „Ansprüchen“. Das setzt voraus, dass die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen bei der Geltendmachung erfüllt sind. Fehlt es daran, liegt regelmäßig kein Anspruch vor, der geltend gemacht werden könnte (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).

30

(2) Eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs widerspricht regelmäßig auch dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Der Anspruchsgegner soll vor der Verfolgung unzumutbarer Ansprüche bewahrt werden, das sind regelmäßig solche, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und auch nicht zu rechnen braucht(BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 22, NZA 2013, 101). Er soll sich auf offene Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden können (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu I 4 b aa der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 3 c der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Sind die rechtserzeugenden Tatsachen noch nicht eingetreten, können diese Ziele regelmäßig nicht erreicht werden. Es bleibt ungewiss, ob und in welchem Umfang Ansprüche entstehen; die rasche Klärung von Ansprüchen wird nicht erreicht (BAG 16. Juni 2010 - 4 AZR 924/08 - Rn. 35, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 79; 22. Januar 2009 - 6 AZR 5/08 - Rn. 14, AP BAT § 70 Nr. 39; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO).

31

bb) Eine Besonderheit liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Durch einmalige ordnungsgemäße Geltendmachung kann die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein (vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - aaO). Einzelne Tarifverträge erlauben ausdrücklich eine solche Konzentration der Obliegenheit zur Geltendmachung (zB § 37 Abs. 1 Satz 2 TVöD). In Betracht kommt aber auch eine entsprechende Auslegung ohne ausdrückliche Regelung (vgl. BAG 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, aaO); denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten wird; hier reicht im Zweifel die einmalige Geltendmachung der richtigen Berechnungsmethode auch für später entstehende Zahlungsansprüche aus. Der Wortlaut des § 21 MTV schließt die Geltendmachung künftiger Ansprüche nicht von vornherein aus.

32

Dasselbe Verständnis von tariflichen Ausschlussfristen liegt der ständigen Rechtsprechung zugrunde, wonach künftig entstehende Entgeltansprüche bereits mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage wirksam geltend gemacht werden. Eine derartige Geltendmachung vor Entstehen der Ansprüche ist zugleich auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust des Arbeitsverhältnisses verloren gehen. Damit ist der Arbeitgeber ausreichend von dem Ziel des Arbeitnehmers unterrichtet, die Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 627/11 - Rn. 14 ff. mwN, NZA 2013, 101; 9. März 2005 - 5 AZR 385/02 - zu III 1 a der Gründe mwN, aaO). Eine weitere Geltendmachung kann nach dem Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen regelmäßig nicht verlangt werden.

33

cc) Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind regelmäßig solche auf eine dauerhafte Zulage oder aus einer bestimmten Eingruppierung (BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168; 17. Mai 2001 - 8 AZR 366/00 - zu II 3 c der Gründe, AP BAT-O § 70 Nr. 2 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 136). Unständige Bezüge, deren Entstehung von verschiedenen Faktoren abhängt, müssen vor der Geltendmachung hingegen regelmäßig entstanden sein (zur Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; zur Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, aaO). Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen in Streit, erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne Weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat.

34

dd) Die Parteien streiten über die Berechnungsgrundlage der Zeitzuschläge nach § 11 MTV und damit über einen für die Vergütung aller zuschlagpflichtigen Stunden gleichen Grundtatbestand. Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden sind in den Lohnabrechnungen ausgewiesen und damit streitlos gestellt; sie mussten nicht geltend gemacht werden (vgl. BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 18 f., BAGE 135, 197). Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Abrechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ ausreichend. Das Schreiben vom 18. Januar 2008 wahrt sowohl die zu diesem Zeitpunkt entstandenen als auch die künftigen Differenzansprüche unter Zugrundelegung der jeweils abgerechneten Stunden. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Zahlung ganz bestimmter höherer Zeitzuschläge verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen, etwaige Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden; ein monatlich wiederholter Hinweis des Klägers hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, der Kläger habe zwischenzeitlich von seiner Forderung Abstand genommen.

35

e) Die vorstehende Auslegung von § 21 MTV steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung anderer Senate des Bundesarbeitsgerichts. Soweit bei unständigen Bezügen verschiedentlich nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche für ausreichend erachtet worden ist (für Ansprüche auf Überstundenvergütung: vgl. BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - zu III 1 b der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 177; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - zu IV der Gründe, ZTR 1990, 155; für Ansprüche auf Vergütung von Nachtdiensten: vgl. BAG 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - zu II 2 b cc der Gründe, BAGE 109, 100; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - zu 4 der Gründe, EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168), wurde auch darauf abgestellt, dass die Arbeitnehmer in den einzelnen Monaten in unterschiedlichem Umfang Arbeitsleistungen zu erbringen hatten (BAG 9März 2005 -  5 AZR 385/02 - aaO; 20. Juli 1989 - 6 AZR 774/87 - aaO; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 539/02 - aaO; 10. Juli 2003 - 6 AZR 283/02 - aaO). Diese können nicht im Voraus geltend gemacht werden. Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass Umfang und Art der zuschlagpflichtigen Stunden streitlos sind und nur über die Berechnungsgrundlage gestritten wird. Der Grund, weshalb bei unständigen Bezügen regelmäßig nur die Geltendmachung bereits entstandener Ansprüche eine Ausschlussfrist wahren kann, ist mit Aufnahme der geleisteten Stunden in eine Lohnabrechnung entfallen. Für die richtige Berechnung der Zeitzuschläge gemäß § 11 MTV reichte deshalb die einmalige Geltendmachung aus.

36

3. Jedenfalls ist die Berufung der Beklagten auf den Verfall der Ansprüche rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB).

37

a) § 242 BGB kann zum Verlust eines Rechts im Hinblick auf ein missbilligtes Verhalten, das mit der Rechtsposition in sachlichem Zusammenhang steht, führen(BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - Rn. 19, BAGE 136, 54).Eine unzulässige Rechtsausübung liegt etwa vor, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit durch ein Verhalten der Gegenpartei veranlasst worden ist (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 222/07 - Rn. 32 mwN, BAGE 125, 216) oder wenn der Schuldner es pflichtwidrig unterlassen hat, dem Gläubiger die Umstände mitzuteilen, die diesen zur Einhaltung der Ausschlussfrist veranlasst hätten (BAG 13. Oktober 2010 - 5 AZR 648/09 - aaO).

38

b) Die Beklagte führte mit Betriebsrat und Gewerkschaft seit 2007 Verhandlungen über eine andere Berechnung der Zeitzuschläge; spätestens seit der gemeinsamen Geltendmachung im Januar 2008 war ihr bewusst, dass die Arbeitnehmer auf einer Berechnung der Zeitzuschläge auf der Grundlage des „Stundenlohns gesamt“ bestehen. Der faire Umgang mit dem Vertragspartner hätte vor diesem Hintergrund geboten, auf eine im Sinne des Tarifvertrags gegebenenfalls nicht ausreichende, aber offenbar von den Arbeitnehmern als ausreichend angesehene Geltendmachung zu reagieren, um die - auch für sich selbst reklamierte - Klarheit zu schaffen. Dies ist unterblieben. Die Beklagte hat erkennbar darauf gesetzt, dass ein Teil der Mitarbeiter zunächst vor weiteren Geltendmachungen und (gerichtlichen) Auseinandersetzungen zurückschreckt und Ansprüche sukzessive verfallen. Dies ist rechtsmissbräuchlich.

39

III. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB iVm. § 10 Nr. 4 MTV, die Kostenentscheidung aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    Stefan Fluri    

                 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 7.2.2013 - 1 Ca 2331/11 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsgeld für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 2.014,65 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen. Die weitergehende Klage auf Zahlung von Urlaubsgeld für diese Jahre wird abgewiesen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Jahre 2009, 2010 und 2011 tarifliche Sonderleistungen in Höhe von insgesamt 2.566,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen.

Die weitergehende Klage auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen für diese Jahre wird abgewiesen.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin eine tarifliche Einmalzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 88,27 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2012 zu zahlen.

Die Klage auf Zahlung tariflicher Altersvorsorgebeträge für die Jahre 2009, 2010 und 2011 in Höhe von insgesamt 1.106,84 € wird abgewiesen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Arbeitsvergütung für November 2011 in Höhe von 736,29 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, das der Klägerin mit Datum vom 1.6.2011 ausgefertigte Zwischenzeugnis in den Sätzen 1 und 2 wie folgt zu ändern:

"Frau A., geboren am ...1959 in F., trat zum …1982 als Fachverkäuferin in die Dienste des von mir geführten Modehauses. Dort ist sie als Teilzeitkraft im Verkauf der Filiale K-Center tätig".

Der Unterschrift der Beklagten ist ihr Name in Druckschrift hinzuzufügen und das Zwischenzeugnis umgehend neu zu übersenden.

Im Übrigen werden die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Klägerin hat 16 % und die Beklagte 84 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren über mehrere Zahlungsansprüche der Klägerin auf Grundlage der Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel in Rheinland-Pfalz, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob diese Tarifverträge auf das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Darüber hinaus streiten die Parteien im vorliegenden Berufungsverfahren über einen Anspruch der Klägerin auf Berichtigung eines ihr von der Beklagten erteilten Zwischenzeugnisses.

2

Die am ...1959 geborene Klägerin ist seit dem ...1982 durchgehend als Fachverkäuferin in Modegeschäften in F. beschäftigt, die zunächst von der Beklagten selbst und zwischenzeitlich von deren Sohn betrieben wurden. Seit Mitte 2009 betreibt die Beklagte diese Geschäfte wieder selbst. Zuletzt arbeitete die Klägerin in einer (unselbständigen) Filiale der Beklagten im Familia-Center F..

3

Der zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag vom 31.08.1982 enthält u. a. folgende Bestimmungen:

4

"Entgelt
I. Tarifliche Bezahlung

5

Das monatliche Brutto-Tarifgehalt beträgt: nur während der Probezeit DM 1.200,00.
danach nach Tarif.

§ 14

6

Im Übrigen gelten die tariflichen Bestimmungen für Beschäftigte im Einzelhandel der Pfalz bzw. die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften.
Herr/Frau/Fräulein A. kann jederzeit den im Betrieb vorhandenen Manteltarifvertrag einsehen…"

7

Unter dem Datum vom 21.03.2009 richtete die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten ein Schreiben an den Sohn der Beklagten, der seinerzeit die betreffenden Modegeschäfte in F. führte. Das Schreiben enthält u. a. folgende Formulierungen:

8

"… Wie inzwischen festgestellt und Ihnen bekannt, beinhaltet der Arbeitsvertrag meiner Mandantin einen dynamischen Verweis auf die jeweils gültigen Tarifverträge des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz.

9

Sie haben diese Tarifordnung offenbar seit einiger Zeit durch veränderte Zahlungsmodalitäten einseitig unterlaufen und damit tarifwidrig vergütet.

10

Ich habe Sie deshalb aufzufordern, ab 01.04.2009 die Vergütung meiner Mandantin auf die Tarifsystematik, -struktur und -höhe des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages umzustellen.

11

Im Einzelnen sind das folgende Elemente:

12
Stundenlohn: € 12,75 statt von Ihnen gezahlter € 12,20
Urlaubsgeld: € 1.033,00q (Vollzeit) statt von Ihnen gezahlter € 988,15
Weihnachtsgeld: € 1.291,25q (Vollzeit) statt von Ihnen gezahlter € 1.235,19
Vorsorgetarif: € 300,00q (Vollzeit) statt von Ihnen gezahlter € 0,00
Altersvorsorge: € 170,00q (Vollzeit) statt von Ihnen gezahlter € 0,00

13

Die künftig zu erbringenden Zahlungen sind mit der vertraglich vereinbarten Stundenzahl zu multiplizieren. Für Jahresbeträge sind für Vollzeit 162 Monatsstunden in Ansatz zu bringen, die vertraglich vereinbarte Stundenzahl im Verhältnis zu 162 ergibt die Quote, um die die o. a. Jahresbeträge aufgrund Teilzeit zu kürzen sind. …"

14

In der Zeit von Juli 2009 bis einschließlich Juli 2010 belief sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin auf 27,5 Stunden, ab August 2010 reduzierte sich diese Arbeitszeit auf 22 Stunden pro Woche.

15

Mit ihrer am 29.12.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin die Beklagte u. a. auf Nachzahlung tariflichen Urlaubsgeldes für die Jahre 2009 bis 2011, auf nachträgliche Leistung tariflicher Sonderzahlungen für die Jahre 2009 bis 2011, auf nachträgliche Leistung einer tariflichen Einmalzahlung für das Jahr 2010 sowie auf Nachzahlung eines tariflichen Altersvorsorgebetrages in einer Gesamthöhe von 5.974,49 € brutto in Anspruch genommen.

16

Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Zeit vom 01.11. bis 17.11.2011 in Höhe von 736,29 € brutto, einen Anspruch auf Nachzahlung tariflicher Gehaltsdifferenzen für den Zeitraum Juli 2009 bis einschließlich November 2011 in Höhe von insgesamt 2.356,07 € brutto sowie einen Anspruch auf Berichtigung eines ihr erteilten Zwischenzeugnisses geltend gemacht.

17

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.02.2013 (Bl. 177-184 d. A.). Von dieser Bezugnahme ausgenommen bleiben die Feststellungen des Arbeitsgerichts im dritten Absatz des Tatbestandes bezüglich der Arbeitszeit der Klägerin, da im weiteren Verlauf des Verfahrens zwischen den Parteien unstreitig wurde, dass sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin in der Zeit von Juli 2009 bis Juli 2010 auf 27,5 Stunden und ab August 2010 auf 22 Stunden belief.

18

Die Klägerin hat beantragt:

19

Die Beklagte wird verurteilt, das der Klägerin mit Datum 01.06.2011 ausgefertigte und mit Anwaltsschreiben vom 25.10.2011 übersandte Zwischenzeugnis wie folgt in Satz 2 zu ändern:

20

"Frau A., geboren am ...1959 in F., trat zum …1982 als Fachverkäuferin in die Dienste des inzwischen von mir geführten Modehauses. Dort ist sie als Teilzeitkraft im Verkauf in der Filiale K-Center tätig",

21

sowie die Unterschrift, den Namen und die Funktion der Unterzeichnerin maschinenschriftlich in Klarschrift hinzuzufügen und das Zeugnis ungefaltet neu zu übersenden.

22

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Gehalt für November 2011 (bis einschließlich 17.11.2011) brutto 736,29 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2011 zu zahlen.

23

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin brutto weitere 8.330,56 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 07.02.2013 der Klägerin Ansprüche auf Zahlung von Urlaubsgeld und auf Leistung tariflicher Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 5.091,81 € brutto sowie einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für November 2011 in Höhe von 736,29 € brutto zugesprochen. Auch dem Antrag der Klägerin auf Zeugnisberichtigung hat das Arbeitsgericht stattgegeben. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, mit Ausnahme der Klage auf Zahlung tariflicher Gehaltsdifferenzen betreffend den Zeitraum Juli 2009 bis November 2011, über die das Arbeitsgericht erst mit (weiterem) Teil-Urteil vom 16.05.2013 entschieden hat. Dieses Urteil ist Gegenstand des Berufungsverfahrens 4 Sa 381/13.

27

Gegen das ihr am 05.07.2013 zugestellte Teilurteil hat die Klägerin am 02.08.2013 Berufung eingelegt und diese am 02.09.2013 begründet. Die Beklagte, der das Teilurteil ebenfalls am 05.07.2013 zugestellt wurde, hat am 05.08.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 06.09.2013 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 07.10.2013 begründet.

28

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, zu Unrecht habe das Arbeitsgericht einen Teil der erstinstanzlichen geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung tarif-licher Urlaubsgelder und auf Leistung tariflicher Sonderzahlungen verneint. Diesbezüglich habe das Arbeitsgericht die für die Berechnung der tariflichen Leistungen maßgeblichen Vorschriften teilweise falsch angewendet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts seien die betreffenden Ansprüche auch nicht zum Teil verfallen. Das maßgebliche Geltendmachungsschreiben vom 21.03.2009 beinhalte eine Geltendmachung nach Anspruchsgrund, Systematik und jeweiliger Höhe der einzelnen Ansprüche. Deshalb sei die Tarifdynamik, an der sowohl das Urlaubsgeld als auch die tarifliche Sonderzahlung teilnehme, von der Geltend-machung mit umfasst. Es sei der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die betreffenden Ansprüche bei Fälligkeit zu errechnen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht auch die Klage auf Zahlung der tariflichen Altersvorsorgebeträge abgewiesen. Ihr - der Klägerin - stehe diesbezüglich nämlich ein entsprechender Schadensersatzanspruch zu, da die Beklagte ihrer in § 3 Ziffer 3 des maßgeblichen Tarifvertrages auferlegten Verpflichtung, den Tarifvertrag im Betrieb an geeigneter Stelle zur Einsicht auszulegen oder auszuhängen, nicht nachgekommen sei. Die Beklagte schulde daher Schadensersatz in Höhe des Erfüllungsschadens.

29

Zur Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung der Klägerin wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 29.08.2013 (Bl. 378 bis 381 d. A.) Bezug genommen.

30

Die Klägerin beantragt,

31

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 882,68 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

32

Die Beklagte beantragt,

33

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

34

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil insoweit, als die Klage abgewiesen wurde und macht zur Begründung ihrer eigenen Berufung im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgericht bestehe das Arbeitsverhältnis zwischen ihr - der Beklagten - und der Klägerin nicht bereits seit dem …1982. Dementsprechend fänden auch nicht die im Arbeitsvertrag vom 31.08.1982 in Bezug genommenen Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Das Arbeitsverhältnis sei am …2004 (neu) zustande gekommen, nachdem sie die Fa. Modehaus H. e.K. neu gegründet habe. Der Klägerin seien damals zwei unterschriebene Abschriften eines Arbeitsvertrages mit der Aufforderung, ein Exemplar zu unterschreiben, übergeben worden. Dieser Aufforderung sei die Klägerin jedoch nicht nachgekommen. Im Übrigen sei die Klägerin zwischenzeitlich bei ihrem Sohn beschäftigt gewesen. Hierdurch sei das ursprünglich zustande gekommene Arbeitsverhältnis beendet worden. Die Klägerin sei seinerzeit auf der Grundlage eines mündlich geschlossenen Arbeitsvertrages neu eingestellt worden. Falls die Tarifverträge für den Einzelhandel Rheinland-Pfalz Anwendung fänden, so seien die Ansprüche der Klägerin verfallen. Die Klägerin habe ihre Ansprüche nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist wirksam geltend gemacht. Das an ihren Sohn als damaligen Betriebsinhaber gerichtete Schreiben vom 21.03.2009 beinhalte keine ordnungsgemäße Geltendmachung tariflicher Ansprüche. Darüber hinaus entfalte diese Geltendmachung ihr gegenüber keine Wirkung. Sie habe erstmalig durch Einreichung der Klageschrift von den vermeintlichen Ansprüchen erfahren.

35

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 07.10.2013 (Bl. 420 bis 424 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

das erstinstanzliche Teil-Urteil vom 07.02.2013 abzuändern und die Klage, soweit sie Gegenstand dieses Teil-Urteils ist, insgesamt abzuweisen.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

40

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Teil-Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 06.11.2013 (Bl. 478 bis 482 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die statthafte Berufung der Klägerin ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel ist somit insgesamt zulässig.

42

Die Berufung der Beklagten ist zum Teil unzulässig. Zwar hat die Beklagte das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt, auch erfolgte die Berufungsbegründung fristgerecht. Soweit sich diese jedoch (auch) gegen die im erstinstanzlichen Urteil erfolgte Stattgabe der Klage auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01. bis 17.11.2011 in Höhe von 736,29 EUR brutto sowie der Klage auf Berichtigung des Zwischenzeugnisses richtet, erweist sie sich jedoch deshalb als unzulässig, weil die Berufungsbegründung insoweit nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO gerecht wird. Die Berufungsbegründung lässt insoweit jegliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils (dort unter I. und X.) vermissen.

43

Die Berufung der Beklagten war daher insoweit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass dies im Tenor des Berufungsurteils gesondert zum Ausdruck zu bringen war.

44

Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten insgesamt zulässig.

II.

45

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache jeweils nur zum Teil Erfolg.

46

Die Berufung der Klägerin ist insoweit begründet, als das Arbeitsgericht die Klage auf Leistung einer (anteiligen) tariflichen Einmalzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 88,27 EUR brutto abgewiesen hat. Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als das Arbeitsgericht der Klage auf Zahlung von Urlaubsgeld und auf Gewährung tariflicher Sonderzahlungen in einer Höhe von insgesamt 5.091,81 € brutto stattgegeben hat; die diesbezüglichen Ansprüche belaufen sich nämlich auf lediglich insgesamt 4.581,02 € brutto. Im Übrigen erweisen sich die Berufungen der Klägerin und der Beklagten als unbegründet.

1.

47

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 2 des Tarifvertrages über Sonderleistungen für die Beschäftigten des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz (im Folgenden: TV-Sonderleistungen) Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld für die Jahre 2009 bis 2011. Der Anspruch auf Gewährung einer tariflichen Sonderzahlung für diese Jahre resultiert aus § 2 TV-Sonderleistungen.

48

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Vorschriften der Tarifverträge für den Einzel- und Versandhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung.

49

Der zwischen den Parteien am 31.08.1982 geschlossene Arbeitsvertrag enthält, wie sich aus dem Inhalt der §§ 3 und 14 dieses Vertrages ergibt, sowohl bezüglich der Arbeitsvergütung, als auch bezüglich der sonstigen Arbeitsbedingungen eine dynamische Verweisung auf die tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz. Damit haben die Parteien die Anwendung der betreffenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbart. Dem stehen nicht die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur sog. Gleichstellungsabrede entgegen, da die Beklagte selbst vorgetragen hat (vgl. Schriftsatz vom 22.01.2014, Bl. 599 f. d. A.), im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht Mitglied des tarifvertragsschließenden Einzelhandelsverbandes gewesen zu sein.

50

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin richtete sich durchgehend nach den im Arbeitsvertrag vom 31.08.1982 getroffenen Vereinbarungen, mithin auch nach den Tarifverträgen für den Einzel- und Versandhandel Rheinland-Pfalz. Dies ergibt sich daraus, dass die Klägerin unstreitig seit dem 01.09.1992 durchgehend in den von der Beklagten bzw. zeitweise auch von deren Sohn geführten Modegeschäften in F. beschäftigt war, ohne dass ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt wurde. Soweit die Beklagte vorträgt, es sei unter dem 01.07.2004 ein (neues) Arbeitsverhältnis zustande gekommen, nachdem sie die Fa. Modehaus H. e.K. neu gegründet habe, so erweist sich dieses Vorbringen als unsubstantiiert und betrifft allenfalls die Frage, welche Person bzw. welche Firma den Betrieb, in welchem die Klägerin beschäftigt wurde, ab dem 01.07.2004 führte und somit Arbeitgeber der Klägerin war. Die (Fort-)Geltung der getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen bleibt hiervon unberührt. Entsprechendes gilt hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten, ihr Modegeschäft bzw. dessen Filiale sei zeitweise von ihrem Sohn geführt worden, wodurch das zwischen ihr - der Beklagten - und der Klägerin ursprünglich zustande gekommene Arbeitsverhältnis beendet worden sei. Ein Wechsel in der Person des Betriebsinhabers führt nämlich für sich genommen weder zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch zu einer Änderung arbeitsvertraglicher Bestimmungen. Es ist diesbezüglich im Übrigen vielmehr zur Überzeugung des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass das Modegeschäft der Beklagten nebst Filiale und somit auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 613 a BGB (zunächst) auf den Sohn der Beklagten und später wiederum von diesem auf die Beklagte bzw. auf die von dieser gegründete Einzelfirma übergegangen ist. Aus der Gesamtheit der unstreitigen Tatsachen ergibt sich zweifelsfrei, dass zunächst die Beklagte, sodann zeitweise deren Sohn und zuletzt wiederum die Beklagte selbst den Betrieb mit denselben Mitteln geführt bzw. fortgesetzt haben. Anhaltspunkte dafür, dass es im Zusammenhang mit dem Betriebsinhaberwechsel zu einer Änderung hinsichtlich der verwendeten sachlichen oder personellen Betriebsmittel gekommen ist, oder das sonstige Umstände vorliegen, die der Übertragung einer wirtschaftlichen Einheit entgegenstehen könnten, sind nicht ansatzweise ersichtlich.

51

b) Die streitgegenständlichen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Urlaubsgeld und Gewährung tariflicher Sonderzahlungen sind nicht verfallen.

52

Nach § 16 Ziffer 1 c) MTV-Einzelhandel sind die betreffenden Ansprüche innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Dieses Erfordernis ist vorliegend in Ansehung des Schreibens der Klägerin vom 21.03.2009 erfüllt. In diesem Schreiben hat die Klägerin den seinerzeitigen Betriebsinhaber unter Hinweis auf die Geltung der jeweils gültigen Tarifverträge für den Einzelhandel Rheinland-Pfalz ausdrücklich aufgefordert, ab dem 01.04.2009 nicht nur die Arbeitsvergütung, sondern auch die sonstigen Leistungen, so auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach Maßgabe und unter Beachtung der betreffenden tariflichen Vorschriften zu zahlen. Dieses Schreiben beinhaltet eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung.

53

Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).

54

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2009 die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Grundlage der tariflichen Be-stimmungen ab dem 01.04.2009 geltend gemacht. Diese Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über das Jahr 2009 hinaus für die Beklagte bzw. deren Sohn bei Einsichtnahme in die jeweiligen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres errechenbar war.

55

Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG v. 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170).

56

Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zumindest zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regel-mäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird (BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975).

57

Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauer-hafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleis-tungen. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (hier: Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, so erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat (BAG v. 16.01.2003, a. a. O.).

58

Vorliegend stritten die Parteien - soweit ersichtlich - bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2009 im Hinblick auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche auf tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung zustehen, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche aus-reichend. Das Schreiben vom 21.03.2009 wahrt daher auch die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der betreffenden tariflichen Sonderleistungen. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistungen verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen.

59

Unerheblich ist letztlich, dass die Klägerin ihre Forderungen nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber deren Sohn als damaligem Betriebsinhaber geltend gemacht hat, da die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in dessen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eingetreten ist.

60

c) Die Klägerin hat somit gegen die Beklagte für die Jahre 2009 bis einschließlich 2011 Anspruch auf Zahlung von Urlaubsgeld nach Maßgabe der Bestimmungen des § 2 TV-Sonderleistungen. Dieses beträgt bei einer Vollzeittätigkeit 50 % des Endgehaltes des am 01. Januar des Urlaubsjahres geltenden Gehaltstarifvertrages. Dieses Endgehalt belief sich am 01.01.2009 auf 2.066,00 EUR, am 01.01.2010 auf 2.108,00 EUR und am 01.01.2011 auf 2.140,00 EUR. Von dem daraus zu errechnenden hälftigen Betrag steht der Klägerin jedoch nur ein anteiliges Urlaubsgeld im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit zu (§ 2 Ziffer 3 TV-Sonderleistungen), wobei im Hinblick auf die Regelung in § 2 Ziffer 6 TV-Sonderleistungen jeweils auf die Verhältnisse am 30.09. des jeweiligen Urlaubsjahres abzustellen ist. Am 30.09.2009 belief sich die Arbeitszeit der Klägerin auf 27,5 Stunden pro Woche (119,17 Stunden monatlich), am 30.09.2010 und am 30.09.2011 auf 22 Stunden wöchentlich (95,33 Stunden monatlich).

61

Unter Zugrundelegung dieser Daten und Berücksichtigung der tariflichen (Voll-) Arbeitszeit von 162 Stunden pro Woche errechnet sich ein Urlaubsgeld der Klägerin für das Jahr 2009 in Höhe von 762,50 EUR, für 2010 auf 622,50 EUR und für 2011 auf 630,00 EUR, wovon die Klägerin allerdings nur 629,65 EUR eingeklagt hat (Schriftsatz vom 10.04.2012, dort Seite 6 = Bl. 35 d. A.). Der auszuurteilende Anspruch der Klägerin auf Urlaubsgeld für die Jahre 2009 bis 2011 beläuft sich somit auf insgesamt 2.014,65 EUR brutto.

62

Die Ansprüche der Klägerin auf Sonderzahlung berechnen sich nach den Bestimmungen des § 3 TV-Sonderleistungen. Demnach beträgt die jährliche Sonderzahlung bei Vollzeitbeschäftigten 62,5 Prozent des monatlichen tariflichen Entgelts, wobei für die Berechnung jeweils die Verhältnisse am 30.11. des jeweiligen Kalenderjahres maßgeblich sind. Die Klägerin ist unter Berücksichtigung ihrer Tätigkeit und ihrer Berufsjahre in die Gehaltsgruppe II 6. Berufsjahr eingruppiert. Das diesbezügliche Tarifgehalt (bei Vollzeitbeschäftigung) betrug am 30.11.2009 2.108,00 EUR am 30.11.2010 2.140,00 EUR und am 30.11.2011 2.204,00 EUR. Unter Berücksichtigung des Umfangs ihrer jeweiligen, zum maßgeblichen Zeitpunkt (30.11.) zu leistenden Teilzeit ergibt sich somit für das Jahr 2009 ein Anspruch auf Sonderzahlung in Höhe von 969,00 EUR, für das Jahr 2010 in Höhe von 787,06 EUR und für das Jahr 2011 in Höhe von 810,31 EUR, woraus ein Gesamtanspruch in Höhe von 2.566,37 EUR brutto resultiert.

63

2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf (anteilige) tarifliche Einmalzahlung für das Jahr 2010 in Höhe von 88,27 EUR brutto.

64

Dieser Anspruch ergibt sich aus § 4 des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel Rheinland-Pfalz vom 16.06.2009.

65

3. Die Klage auf Zahlung tariflicher Altersvorsorgebeträge nach Maßgabe der Be-stimmungen des Tarifvertrages über tarifliche Altersvorsorge für die Arbeitnehmer im Einzelhandel Rheinland-Pfalz vom 27.06.2001 ist unbegründet.

66

Die Unbegründetheit der Klage ergibt sich bereits daraus, dass nach A. § 2 Ziffer 7 dieses Tarifvertrages eine unmittelbare Auszahlung des Altersvorsorgebetrages an den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu. Dabei kann offen bleiben, ob aus der Nichterfüllung der in § 3 Ziffer 3 dieses Tarifvertrages normierten Verpflichtung, den Tarifvertrag im Betrieb auszulegen oder auszuhängen, ein Schadensersatzanspruch resultiert. Ein solcher kann nämlich seinem Umfang nur in Höhe des Versorgungsschadens bestehen, d. h. in Höhe des Nachteils, den die Klägerin infolge der Nichtdurchführung der tariflichen Bestimmungen erleidet. Hierzu hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen.

67

4. Die ausgeurteilten Zinsansprüche folgen aus den §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 291, 288 Abs. 1 BGB.

III.

68

Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen.

69

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

70

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 510,88 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.489,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die 35-jährige Klägerin ist seit Juli 2008 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. -hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen- folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverbandes oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

"13. Schussbestimmungen"

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Beklagte betreibt in der M.-straße in K. ein großes Einkaufscenter. Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 162 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit erhöhte die Beklagte auch jeweils die Vergütung entsprechend dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Mit Schreiben vom 16.06.2011 wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

12

„Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

13

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandeltarifvertrags vergüten.

14

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen - insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen - Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

15

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte (vgl. Bl. 22 d. A.). Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

16

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 03.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

17

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz
Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.
Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.
Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.
Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 510,88 Euro.
Ich bitte sie mir bis zum 15.03.14 meinen Anspruch zu bestätigen."

18

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Bl. 41 d. A. ) zurückgewiesen.

19

Abzüglich der von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 eine rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige Differenz von 510,88 Euro und für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 eine Differenz von 1.489,88 Euro brutto.

20

Die Klägerin hat vorgetragen,
der von ihr geltend gemachte Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

21

Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die Klägerin habe mit der Geltendmachung vom 03.03.2014 auch die zukünftige Lohnerhöhung geltend gemacht. In Ausnahmefällen -wie vorliegend- sei auch bereits die Geltendmachung zukünftiger Lohnerhöhungen vor deren Entstehung möglich.

22

Im Übrigen handele es sich bei der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist um eine versteckte Klausel.

23

Die Klägerin hat beantragt,

24

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 510,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

25

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.489,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte hat vorgetragen, aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur von der Einzahl der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

29

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass die Beklagte gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe.

30

Die Ansprüche seien zudem insgesamt nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Die Klausel sei keineswegs überraschend und - direkt über der Unterschrift - auch nicht versteckt. Die gerichtliche Geltendmachung sei nach der schriftlichen Ablehnung der Ansprüche von März 2014 viel zu spät erfolgt und die übrigen Ansprüche seien zudem erstmals überhaupt mit der Klage, die hier streitgegenständlich sei, geltend gemacht worden.

31

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - verurteilt, an die Klägerin 247,50 € brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 91 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 04.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und heb insbesondere hervor, die Klausel im Arbeitsvertrag unter Ziff. 13 sei ungewöhnlich und überraschend; die Klägerin habe mit ihr nicht rechnen müssen. Aufgrund der fettgedruckten Verweisungsklausel auf die maßgeblichen Tarifverträge habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass davon abweichend im Arbeitsvertrage eine weitergehende Verfallklausel vereinbart worden sei. Die zweite Stufe der Verfallfrist, auf die sich die Beklagte berufe, sei nach dem Erscheinungsbild des Vertrages in den Schlussbestimmungen "versteckt". Für diese Auslegung spreche auch der Aufbau des Arbeitsvertrages, der in Ziffer 1 - 11 die einzelnen arbeitsvertraglichen Bestimmungen und Regelungen enthalte und ergänzend in Ziffer 12 auf die maßgeblichen Tarifverträge Bezug nehme. Ohne ausdrückliche Hervorhebung in einem weiteren Punkt habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass in den Schlussbestimmungen, die eine übliche salvatorische Klausel enthalte, noch von den Tarifverträgen abweichende Bestimmungen, die zum Erlöschen von Ansprüche führen könnten, geregelt seien.

34

Die Ansprüche seien für die Zukunft wirksam geltend gemacht worden. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.02.2016 (Bl. 121 - 125 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.753,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.07.2015 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

40

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel sei nicht überraschend. Denn Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen seien üblich und im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen, sofern sie für beide Parteien gelten und ausreichend lange Fristen enthalten. Die Klausel zu den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei auch nicht versteckt platziert. Die Platzierung am Vertragsende stelle zudem gerade kein "Verstecken" dar, sondern spreche für eine besondere Wahrnehmbarkeit der Klausel. Die Klausel sei auch nicht wegen anderer Regelungen im gleichen Paragrafen überraschend. Nichts anderes gelte für den Umstand, dass Ziffer 12 des Arbeitsvertrages in Fettdruck gehalten sei. Schließlich sei die Ausschlussklausel auch teilbar, d. h. sofern man aufgrund der fehlenden textlichen Absätze der ersten Stufe der Ausschlussklausel von einer überraschenden Klausel ausgehe, sei jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet sowohl textlich abgesetzt als auch allein für sich inhaltlich sinnvoll und nach dem Bluepencil-Test wirksam.

41

Hilfsweise und für den Fall, dass jedenfalls die tarifliche Ausschlussfrist aus dem Manteltarifvertrag des Einzelhandels eingreife, berufe sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin zusätzlich darauf, dass bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei. Denn durch das Geltendmachungsschreiben vom 03.03.2014 seien lediglich die Ansprüche für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 umfasst. Ein bestehender Anspruch sei insbesondere und gerade für die "zu erwartende Erhöhung" nicht gegeben. Insoweit habe es einer erneuten Geltendmachung bedurft.

42

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.03.2016 (Bl. 142 - 153 d. A) Bezug genommen.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

44

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

45

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

46

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

47

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage voll umfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 510,88 € brutto und weiteren 1489,88 € brutto, jeweils nebst Zinsen, verlangen.

48

Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung nach dem Tarifvertrag aus Ziffer 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergibt.

49

Danach sind auf das Arbeitsverhältnis dynamisch die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Dem steht Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbildung nicht mehr gegeben sein soll, nicht entgegen. Denn diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt davon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist von Anfang an als voll wirksam anzusehen (LAG R.-P. 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 -).

50

Nichts anderes ergibt sich auch nach einer Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Insoweit handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Dafür spricht, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, bereits das äußere Erscheinungsbild und eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegen getreten ist. Erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs.3 Nr. 1 BGB).

51

Insoweit gilt zusammengefasst Folgendes:

52

§§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei; BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind, und die der Verwender i.d.R. der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrags oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48m.Anm. Natzel SAE 2006, 225). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei - einmalig - die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (s. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22). Andererseits sind typische Erklärungen, die ein Arbeitgeber abgibt, nicht notwendig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nimmt der Arbeitgeber durch Schreiben, die für eine Mehrfachverwendung vorgesehen sind, inhaltsgleiche Änderungsangebote mehrerer Arbeitnehmer an, stellt er den Arbeitnehmern keine Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 20.05.2008 - 9 AZR 271/07, FA 2008, 318, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 1 Rz. 676 ff.).

53

Der Arbeitgeber muss die Vertragsbedingungen stellen, d. h. er muss konkret die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag verlangen (s. BAG 28.05.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Nicht entscheidend ist, in welcher Form die gestellte Vertragsbedingung nach außen hin erscheint. AGB liegen auch vor, wenn ein im PC gespeichertes Formular verwendet wird, das einen individuellen Anschein erweckt. Ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt auf einer Gehaltsabrechnung oder in einem Schreiben, mit der eine Sonderzahlung gewährt wird, ist ebenso kontrollfähig (BAG 18.03.2009 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43). wie die Bedingungen einer betrieblichen Übung, auch wenn sie nicht schriftlich festgehalten worden sind (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28; s.a. Ricken DB 2006, 1374 ff.). Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist also eine AGB (BAG 16.05.201 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 5 = NZA 2012, 908). Ebenso unterliegen die Bedingungen einer Gesamtzusage der Inhaltskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22).

54

Auslegung geht der Inhaltskontrolle stets voraus. Im Wege einer objektiven Auslegung ist der Kontrollgegenstand zu präzisieren. Sie kann durch das BAG als Revisionsgericht erfolgen (BAG 01.02.2006 EzA § 611BB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 31.08.2005 EzA § 6 ArbZG § 6 Nr. 6); eine vom LAG vorgenommene Auslegung von AGB unterliegt also der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das BAG (BAG 24.01.201 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20). Klauseln sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten nicht des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG 24.10.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 26; 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 344; 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9), denn der Vertragspartner des Verwenders kann auf den Inhalt der AGB, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19).

55

Die Auslegung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Inhaltskontrolle zunächst nicht auf der Grundlage einer kundenfreundlich ausgelegten Klausel durchzuführen ist. Erst wenn die Klausel nach den §§ 307-309 BGB gleichwohl Bestand, ist im Individualprozess die kundenfreundlichste Interpretation maßgebend (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 31; s.a. Preis/Roloff RdA 2005, 144); Voraussetzung dafür ist, dass nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305 c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 34). Die Anwendung der Unklarheitenregelung de § 305 c As. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 18; 09.02.2011 EzA § 311 a BGB 202 Nr. 2; 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11; 24.01.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20; s.a. BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10, EzA-SD 10/2011, S. 6 LS; Anrechnung von Vordienstzeiten EuroBerlin nicht unklar).

56

Bei der Auslegung können Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern erkannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen grds. nicht berücksichtigt werden. Zur Auslegung heranzuziehen sind demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9).

57

Typisierte Vertragsklauseln müssen nicht nur bei der Auslegung, sondern auch im Rahmen der Inhaltskontrolle typisierenden und generalisierenden Wertungen unterzogen werden. Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor. Hat eine Vertragsklausel einen unangemessen benachteiligenden Inhalt, ist es für die Wirksamkeit der Klausel nicht ausschlaggebend, ob sich der benachteiligende Inhalt auch im konkreten Einzelfall tatsächlich auswirkt. Entscheidend ist, welche Rechte nach dem konkreten Inhalt der Klausel geltend gemacht werden können und welche Folgen sich daraus bei genereller Betrachtung ergeben (s. BGH 23.06.1988 ZIP 1988, 1126; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42). Auf Grund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch die Berücksichtigung konkret individueller Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen (BAG 31.08.2005 EzA § 6 ArZG Nr. 6; 07.12.2005 EzA § 12 TzBfG Nr. 1). Es kommt also auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses an, also z.B. darauf, ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert hat (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

58

§ 310 As. 3 Nr. 3 BGB beseitigt also nicht den generell-abstrakten Prüfungsmaßstab, sondern ergänzt ihn. Die Umstände des Vertragsschlusses allein können nicht die Unwirksamkeit der Klausel begründen, auch inhaltliche Kriterien müssen Bedenken gegen sie begründen, ohne zur Unwirksamkeit zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene können die Umstände des Vertragsschlusses den Ausschlag geben, so dass eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann. Damit kann gem. § 310 As. 3 Nr. 3 BGB flexibel reagiert werden, um z.B. Vertragsgestaltungen mit erfahrenen Spitzenkräften und leitenden Angestellten zurückhaltend zu kontrollieren (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

59

Gem. § 307 Abs.2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbarten ist. Dahinter steht die Idee des Leitbildes des dispositiven Rechts. Die Anwendung im Arbeitsrecht ist nicht einfach, weil es zum großen Teil zwingend ist oder aus Richterrecht besteht. Andererseits erkennt auch die Zivilrechtsprechung die von ihr entwickelten Rechtsgrundsätze als gesetzliches Leitbild an (s. BGH 10.12.1992 BGHZ 121, 14, 18), was auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann (s. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43).

60

Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel auch dann vor, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (sog. Kardinalpflichten), so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (s. z.B. BAG 25.04.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 20; Freiwilligkeitsvorbehalt).Bei Verzichtserklärungen und Ausschlussfristen kann ein Verstoß gegen § 307 As. 2 Nr. 2 BGB darin liegen, dass die Klauseln zum Erlöschen der vertraglichen Hauptleistungspflicht führen können (BAG 28.09.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43; s. Preis/Sagan NZA 2012, 697 ff. Bauer/von Medern NZA 20122, 894 ff.).

61

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht bei normwiederholenden Klauseln und Preisabreden (§ 307 Abs. 3 S.2 BGB) sowie bei Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (trotz § 310 Abs. 4 S. 3 BGB; BAG 28.06.2007 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 5) ein. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot ist Bestandteil der Angemessenheitskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 14.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 01.09.201 - 5 AZR 517/09, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 50). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14.11.201 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10; 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40)

62

Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt in Abweichung von § 139 BGB bei Teilnichtigkeit grds. der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten; dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Teilbarkeit der Klausel ist durch eine Streichung des unwirksamen Teils mit einem blauen Stift zu ermitteln (Blue-Pencil-Test; BAG 21.04.2005 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 3; 19.12.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 17; 12.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 33; s.a. LAG Köln 03.08.2010LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; LAG Hessen 26.07.2010 - 7 a 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS).

63

Sprachliche Unteilbarkeit spricht im Übrigen für inhaltliche Unteilbarkeit. Sprachliche Teilbarkeit ist dagegen nur ein Indiz für inhaltliche Teilbarkeit. Um eine Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zu vermeiden, ist zu prüfen, ob der Klauselteil üblicherweise nicht selbständig vorkommt oder ob eine gekünstelte Aufspaltung der Klausel vorliegt. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann z. B. unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen gestrichen werden, wenn daneben an den Nichtantritt oder die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch angeknüpft wird (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 103; a. A: DBD/Bonin § 306 Rn. 12).

64

Im Übrigen gilt das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Klauseln (BAG 04.03.204 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1; 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 25.05.2005 EzA § 306 BGB 202 Nr. 1; LAG Nbg. 12.01.2011 - 4 Sa 437/10, AuR 2011, 221 LS; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104). Wer den Spielraum der Vertragsfreiheit durch AGB nutzt, muss das volle Risiko der Unwirksamkeit der Klausel tragen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist aber dann möglich, wenn Normen eine Aufrechterhaltung unwirksamer Abreden ausdrücklich zulassen (s. z.B. § 622 As. 6 BGB i. V. m. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB, § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB; ErfK/Preis §§ 3055-310 BGB Rn. 104).

65

Nur ausnahmsweise ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB als Anwendung dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB möglich (instr. Bieder NZA 2011, Beil Nr. 3/2011 S. 142 ff.).

66

Das setzt aber voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine angemessene, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung bietet, so dass der Regelungsplan der Vertragspartner infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf (BGH 03.11.1999 NJW 2000, 1110); Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89). Hinzukommen muss, dass ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt (BAG 28.11.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 30; 07.07.2010, 09.06.2010 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 49, 50; 16.11.2011 - 45 AZR 246/10, EzA-SD 8/2012 S. 7 LS; LAG Köln 03.08.2010 LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104; Günther ZTR 2011, 203 ff.). Bei unwirksamen Bestimmungen in AGB hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 25.04.2007 EzA § 307BGB 2002 Nr. 20; 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89).

67

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Er ist ausschließlich zukunftsbezogen formuliert, was sich schon aus der Formulierung "dies gilt dann nicht mehr, wenn" und der Formulierung "nicht mehr tarifgebunden ist" ergibt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Vorschriften von vorneherein bereits wegen der bei dem Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zu Stande kommen sollte.

68

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.

69

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind sie auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

70

Das Arbeitsgericht hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

71

" c) Die Ansprüche vor April 2015 sind jedoch nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Für die im Schreiben vom 03.03.2014 zweifellos geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 510,88 Euro fehlt es an der gerichtlichen Geltendmachung nach der Ablehnung. Nach Auffassung der Kammer ist die Klausel nicht überraschend, denn die Regelung von Verfallfristen in Arbeitsverträgen ist durchaus üblich. Nachdem die Beklagte nicht aufgrund einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebunden war, durfte auch von der tarifvertraglichen Klausel zu Lasten der Klägerin abgewichen werden.

72

Die Klausel ist auch nicht versteckt. Vielmehr befindet sie sich an der Stelle, die noch einmal unmittelbar vor der Unterzeichnung wahrgenommen wird. Allerdings folgt das Gericht der Auffassung der Klägerin, dass in dem Schreiben vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung für die Zukunft liegt. Dann hat aber auch die Ablehnung der Beklagten diese Ansprüche erfasst, weshalb die gerichtliche Geltendmachung in der vorliegenden Klage nur noch die letzten drei Monate betraf. Daraus ergibt sich der Betrag von 247,50 Euro."

73

Dem vermag die Kammer nur teilweise im Ergebnis zu folgen. Denn zwar ist in dem Schreiben der Klägerin vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung der streitgegenständlichen Beträge für die Zukunft zu sehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin aus der Zeit vor April 2015 jedoch nicht nach Maßgabe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Eine gerichtliche Geltendmachung war nicht erforderlich.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält, wie dargelegt, eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die voll inhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Insofern ist deshalb davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB erzielen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Teilbarkeit der Ausschlussklausel habe zur Folge, dass jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet, allein für sich auch inhaltlich sinnvoll und damit nach dem Blue-Pencil-Test wirksam sei, folgt die Kammer dem nicht. Denn die hier festzustellende Unklarheit der formularvertraglichen Regelung besteht gerade darin, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob sich die Ausschlussklausel aus Ziffer 12 oder aber aus Ziffer 13 des Arbeitsvertrages ergibt. Dann liegt es nahe, die in beiden Ziffern gleichlautend vorgesehene erste Stufe als wirksam anzusehen und aufrechtzuerhalten, die nur in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe dagegen zu streichen. Folglich bedurfte es einer gerichtlichen Geltendmachung vorliegend nicht.

75

Mit dem Schreiben vom 03.03.2014 hat die Klägerin schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten auch die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht fälligen Ansprüche, soweit streitgegenständlich, rechtzeitig geltend gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

76

Für den Beginn der Ausschlussfrist wird zumeist auf die Fälligkeit des Anspruchs -grds. unabhängig von der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Bestehen des Anspruchs (BAG 13.12.2007 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 189) - abgestellt (s. BAG 14.03.2012 - 10 AZR 172/11, NZA-RR 2012, 480 = ZTR 2012, 518); davon ist insbes. dann auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien diesen Zeitpunkt nicht ausdrücklich festgelegt haben (BAG, 18.03.2003, NZA 2003, 1359 LS). Insoweit ist z.B. ein Anspruch auf Vergütung aus einem Arbeitszeitkonto frühestens zum Ablauf des Verteilungszeitraums fällig, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Ausschlussfrist zu laufen beginnt (LAG Nds. 29.04.2005, NZA-RR 2005, 589). Die an die Eingruppierung anknüpfende Ausschlussfrist läuft insoweit nicht an, wenn der Arbeitgeber gar keine Tarifgruppe wählt, sondern einen Stundenlohn zugrunde legt, der keiner Tarifgruppe und keiner Tarifstufe entspricht (BAG 11.02.2009 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rn. 4719 ff.).

77

Die Fälligkeit i.S. einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist kann von einer Abrechnung durch den Anspruchsgegner abhängen. Das ist dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne diese Abrechnung nicht erkennen kann (BAG 27.02.2002 EzA § 138 BGB Nr. 30). Fälligkeit einer tariflichen Leistung (z.B. einer Abfindung) tritt erst dann ein, wenn der maßgebende Tarifvertrag wirksam geworden, also unterzeichnet worden ist (§§ 1 Abs. 2 TVG, 126 Abs. 2 BGB). Denn eine Leistung ist erst fällig, wenn der Gläubiger sie verlangen kann (BAG 20.03.1997 NZA 1997, 896).

78

Eine Geltendmachung kann aber auch vor Fälligkeit erfolgen (BAG 20.06.2002 EzA § 611 BGB Arbeitgeberhaftung Nr. 11); sie ist andererseits aber grds. erst dann möglich, wenn der Anspruch bereits entstanden ist (BAG 10.07.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 168; 11.12.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014S. 15 LS). Abgesehen von dem Sonderfall der fristwahrenden Geltendmachung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist (z.B. im Rahmen des § 18 Abs. 4 TV-DRK für die Geltendmachung von Überstundenvergütung) eine die tarifliche Ausschlussfrist wahrende Geltendmachung vor dem Entstehen des Anspruchs grds. nicht möglich (BAG 22.01.2009 - 6 AZR 5/08, NZA-RR 2010, 54 LS; 09.03.2005 EzA § 4 TVG Rotes Kreuz Nr. 5). Ein Anspruch auf Abfindung nach § 113 Abs. 2 BetrVG wird auch dann mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist und später rechtskräftig die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG 03.08.1982 EzA § 113 BetrVG 1972 Nr. 10).

79

Eine tarifliche Ausschlussfrist kann allerdings ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3), wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 863/11, EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS).

80

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beklagte konnte unzweifelhaft erkennen, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen sie abhängen. Die Erfüllung aller streitgegenständlichen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche wurde auf einer der Beklagten ohne Weiteres und voll inhaltlich bekannten Rechnungsgrundlage verlangt und nur diese ist zwischen den Parteien streitig. Folglich genügte die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung der Klägerin zutreffenden Auslegung des Formular-Arbeitsvertrages auf für später entstehende Zahlungsansprüche. Denn vorliegend bestand für die Beklagte ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was die Klägerin von ihr verlangte. Insoweit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 22.01.2014 - 4 Sa 325/13 - für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung zutreffend ausgeführt:

81

" Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).

82

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2009 die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen ab dem 01.04.2009 geltend gemacht. Diese Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über das Jahr 2009 hinaus für die Beklagte bzw. deren Sohn bei Einsichtnahme in die jeweiligen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres errechenbar war.

83

Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG v. 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170).

84

Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zumindest zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regel-mäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird (BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975).

85

Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauer-hafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (hier: Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, so erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat (BAG v. 16.01.2003, a. a. O.).

86

Vorliegend stritten die Parteien - soweit ersichtlich - bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2009 im Hinblick auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche auf tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung zustehen, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 21.03.2009 wahrt daher auch die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der betreffenden tariflichen Sonderleistungen. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistungen verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen."

87

Dem ist - zustimmend - nichts hinzuzufügen.

88

Folglich erweist sich die Klage der Klägerin als voll umfänglich begründet. Deshalb war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Klägerin teilweise aufzuheben und der Klage insgesamt stattzugeben.

89

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

90

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

„13. Schussbestimmungen

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.

12

Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

13

„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!

14

Sehr geehrte Frau A.,

15

wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.

16

In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.

17

Wie geht es nun weiter?

18

Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

19

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

20

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

21

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.

22

Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

23

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

24

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz

25

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

26

Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

27

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

28

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

29

Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."

30

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.

31

Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.

32

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.

34

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

35

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

40

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.

41

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.

42

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.

43

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

44

Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.

45

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.

46

Die Klägerin beantragt zuletzt,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:

51

Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.

52

Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

53

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

55

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

56

Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.

B.

57

Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.

I.

59

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

60

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

61

2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

62

3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

63

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

64

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

65

4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

66

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.

II.

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

68

Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.

69

1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.

70

Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.

71

Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.

72

a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).

73

b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

75

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:

76

Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.

77

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.

78

Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.

79

Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:

80

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

81

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.

82

b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

83

c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.

84

Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

85

Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

86

Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.

88

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

(2) Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss

1.
die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist und
2.
der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen,
und wenn die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden ist.

(3) Die Vertragsparteien können für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften die Geltung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Beachtung der in Absatz 2 bezeichneten Erfordernisse im Voraus vereinbaren.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.

(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.

(1) Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 4 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
2.
der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,
3.
bei befristeten Arbeitsverhältnissen: das Enddatum oder die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,
4.
der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden oder seinen Arbeitsort frei wählen kann,
5.
eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,
6.
sofern vereinbart, die Dauer der Probezeit,
7.
die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung,
8.
die vereinbarte Arbeitszeit, vereinbarte Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und Voraussetzungen für Schichtänderungen,
9.
bei Arbeit auf Abruf nach § 12 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes:
a)
die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat,
b)
die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden,
c)
der Zeitrahmen, bestimmt durch Referenztage und Referenzstunden, der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und
d)
die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat,
10.
sofern vereinbart, die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
11.
die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,
12.
ein etwaiger Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
13.
wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt, der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers; die Nachweispflicht entfällt, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist,
14.
das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage anzuwenden,
15.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.
Der Nachweis der wesentlichen Vertragsbedingungen in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Dem Arbeitnehmer ist die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 1, 7 und 8 spätestens am ersten Tag der Arbeitsleistung, die Niederschrift mit den Angaben nach Satz 2 Nummer 2 bis 6, 9 und 10 spätestens am siebten Kalendertag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses und die Niederschrift mit den übrigen Angaben nach Satz 2 spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen.

(1a) Wer einen Praktikanten einstellt, hat unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrages, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Praktikanten auszuhändigen. In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen:

1.
der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,
2.
die mit dem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele,
3.
Beginn und Dauer des Praktikums,
4.
Dauer der regelmäßigen täglichen Praktikumszeit,
5.
Zahlung und Höhe der Vergütung,
6.
Dauer des Urlaubs,
7.
ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Praktikumsverhältnis anzuwenden sind.
Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(2) Hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung länger als vier aufeinanderfolgende Wochen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor dessen Abreise die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 mit allen wesentlichen Angaben nach Absatz 1 Satz 2 und folgenden zusätzlichen Angaben auszuhändigen:

1.
das Land oder die Länder, in dem oder in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit,
2.
die Währung, in der die Entlohnung erfolgt,
3.
sofern vereinbart, mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Entsendezulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten,
4.
die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr.

(3) Fällt ein Auslandsaufenthalt nach Absatz 2 in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1), die durch die Richtlinie (EU) 2018/957 (ABl. L 173 vom 9.7.2018, S. 16) geändert worden ist, muss die Niederschrift nach Absatz 1 Satz 1 neben den Angaben nach Absatz 2 auch folgende zusätzliche Angaben enthalten:

1.
die Entlohnung, auf die der Arbeitnehmer nach dem Recht des Mitgliedstaats oder der Mitgliedstaaten, in dem oder in denen der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, Anspruch hat,
2.
den Link zu der einzigen offiziellen nationalen Website, die der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit leisten soll, betreibt nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems – („IMI-Verordnung“) (ABl. L 159 vom 28.5.2014, S. 11).

(4) Die Angaben nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis 8 und 10 bis 14 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen. Ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 11 und 14 die jeweilige gesetzliche Regelung maßgebend, so kann hierauf verwiesen werden. Die Angaben nach Absatz 2 Nummer 2 und Absatz 3 Nummer 1 können ersetzt werden durch einen Hinweis auf konkrete Bestimmungen der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Satzungen oder Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sowie Regelungen paritätisch besetzter Kommissionen, die auf der Grundlage kirchlichen Rechts Arbeitsbedingungen für den Bereich kirchlicher Arbeitgeber festlegen.

(5) Wenn dem Arbeitnehmer ein schriftlicher Arbeitsvertrag ausgehändigt worden ist, entfällt die Verpflichtung nach den Absätzen 1, 2 und 3, soweit der Vertrag die in den Absätzen 1 bis 4 geforderten Angaben enthält.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.10.2015 - Az.: 3 Ca 1004/15 - unter teilweiser Abänderung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.017,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.08.2015 zu zahlen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10 zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die am … 1985 geborene Klägerin ist seit dem 21.04.2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin - der Firma r.,- - als Verkäuferin in der Betriebsstätte K. beschäftigt. Ihr mit der Beklagten abgeschlossener Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. - hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Anlage 4 zur Klageschrift Bezug genommen - folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverband oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

„13. Schussbestimmungen

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 129,6 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit orientierte sich die Vergütung bis Juli 2013 stets an dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Vor dem Betriebsübergang von r.,- auf die Beklagte gab r.,- den Arbeitnehmern mit Schreiben vom 08.05.2008 die Information, dass der Betriebserwerber - die Beklagte - tarifgebunden sei und die Tarifverträge für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden. Der Betriebsübergang auf die Beklagte erfolgte am 01.07.2008.

12

Mit Schreiben vom 16.06.2011 (Anlage 5 zur Klageschrift, Bl. 8 d. A.) wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. Dieses Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:

13

„Der Tarifvertrag wird weiter angewendet – Auch Ihr Gehalt soll steigen!

14

Sehr geehrte Frau A.,

15

wie Sie wissen, ist unser G. SB-Warenhaus in K. nicht tarifgebunden. Im August 2009 wurde gemeinsam mit dem Betriebsrat ein Betriebliches Bündnis geschlossen, in dem u.a. die Anwendung des rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vereinbart wurde. Das Bündnis endet am 30.06.2011.

16

In diesem Jahr wurde von Seiten der Gewerkschaft ver.di in unserem Haus eine Tarifkommission gebildet, mit dem Ziel, die tariflichen Rahmenbedingungen in unserem Haus ab dem 01.07.2011 zu verhandeln. Diese Verhandlungen wurden am 14.06.2011 ohne Ergebnis beendet.

17

Wie geht es nun weiter?

18

Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

19

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandelstarifvertrages vergüten.

20

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen – insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen – Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

21

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte.

22

Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

23

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 07.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

24

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz

25

Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.

26

Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.

27

Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.

28

Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 408,55 Euro.

29

Ich bitte sie mir bis zum ________ meinen Anspruch zu bestätigen."

30

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 3 R. d. A.) zurückgewiesen.

31

Mit der ursprünglichen Klage hatte die Klägerin Lohndifferenzen für die Monate August 2013 bis einschließlich Februar 2014 in Höhe von EUR 408,55 brutto geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 21.07.2015 hatte die Klägerin ihre Klage um weitere 1.095,00 EUR brutto als Differenzlohn für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 erweitert. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Klageerweiterungsforderung wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 21.07.2015 (Bl. 21, 21 R. d. A.) verwiesen.

32

Das Arbeitsgericht hat im Kammertermin vom 13.08.2015 die Klageerweiterung vom 21.07.2015 abgetrennt und die Ursprungsklage durch Urteil beschieden (s. S. S. 2-5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 13.08.2015, Bl. 25-27 d. A.). Die abgetrennte Klageerweiterung ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

33

Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2015 die rechnerische Richtigkeit der Klageerweiterungsforderung bestritten hatte, hat die Klägerin ihre Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 24.09.2015 (Bl. 48-53 d. A.) modifiziert und nunmehr die – rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige – Differenz von EUR 1017,88 EUR brutto für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 geltend gemacht.

34

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,
der von ihr zuletzt geltend gemachte Anspruch auf Differenzvergütung für den Zeitraum März 2014 bis einschließlich Juni 2015 folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

35

Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

36

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1017,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Klagezustellung zu zahlen.

37

Die Beklagte hat beantragt,

38

die Klage abzuweisen.

39

Die Beklagte hat vorgetragen,
aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur im Singular von der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

40

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass sie - die Beklagte - gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe. Jedenfalls seien die geltend gemachten Zahlungsansprüche vor Januar 2015 aufgrund der sich aus § 16 des Manteltarifvertrages des Einzelhandels in Rheinland-Pfalz ergebenden Ausschlussfristen verfallen.

41

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 08.10.2015 - Az. 3 Ca 1004/15 - verurteilt, an die Klägerin 361,60 EUR brutto zuzüglich Zinsen ab dem 04.08.1015 zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat im zugesprochenen Umfang einen Anspruch der Klägerin auf Weitergabe der Tariflohnerhöhungen aus Ziff. 12 S. 1 des Arbeitsvertrages bejaht und die Klage im Übrigen mit der Begründung abgewiesen, dass die Klägerin insoweit die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 16 des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz nicht gewahrt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der der Entscheidung zugrunde liegenden rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 63-68 d. A.) Bezug genommen.

42

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 05.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 verlängert worden war.

43

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor:

44

Die Ansprüche seien für die Zukunft durch das Schreiben vom 07.03.2014, in dem auch die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab dem 01.05.2014 eingefordert worden sei, wirksam geltend gemacht worden. Sie – die Klägerin – habe hinreichend deutlich gemacht, auch zukünftig an der Tarifentwicklung partizipieren zu wollen. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen. Zudem habe sich die Beklagte aufgrund der zahlreichen Parallelstreitigkeiten auf eine Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen einstellen können und müssen.

45

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 05.02.2016 (Bl. 97 - 101 d. A.) Bezug genommen.

46

Die Klägerin beantragt zuletzt,

47

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 656,28 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

48

Die Beklagte beantragt,

49

die Berufung zurückzuweisen.

50

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und trägt vor:

51

Ihrer Auffassung nach sei die Berufung bereits als unzulässig zu verwerfen, insbesondere, da eine Auseinandersetzung mit der zweiten arbeitsvertraglichen Rechtsgrundlage für den Verfall der Ansprüche nicht erfolgt sei.

52

Darüber hinaus sei eine Wahrung der Ausschlussfrist durch das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 für die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzunehmen, da von diesem Schreiben nur die bereits fälligen, entstandenen Ansprüche erfasst gewesen seien, eine hinreichend deutliche Geltendmachung der noch nicht fälligen Ansprüche sei weder erfolgt, noch nach dem Einzelhandelstarifvertrag zulässig. Dieser sehe nämlich gerade keine Möglichkeit der Geltendmachung zukünftiger Ansprüche vor. Auch seien im vorliegenden Verfahren nicht lediglich „auf dem selben Rechtsgrund basierende, wiederkehrende und in der Höhe unstreitige Beträge“ in Streit, für die das Bundesarbeitsgericht eine Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung ausnahmsweise für zulässig erachte. Die noch nicht fälligen Forderungen basierten auf einer anderen Anspruchsgrundlage als die bereits fälligen Forderungen. Zudem sei der Umstand, auf dem diese noch nicht fälligen Forderungen sich gründeten, noch nicht eingetreten. Die rechtserzeugenden Anspruchsvoraussetzungen müssten jedoch nach dem Vorbringen des Anspruchsstellers bei der Geltendmachung bereits erfüllt sein. Eine vollumfängliche Einhaltung der Ausschlussfrist sei auch nicht durch die Klage vom 30.07.2014, den Schriftsatz vom 21.07.2015 und den Schriftsatz vom 24.09.2015 erfolgt. Die mit der Berufung geltend gemachten, vom Arbeitsgericht abgewiesenen Ansprüche seien jedenfalls gemäß Ziff. 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da die Klägerin erst mehr als 3 Monate nach Ablehnung des Anspruchs seine Ansprüche gerichtlich geltend gemacht habe und mithin die 2. Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

53

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.03.2016 (Bl. 128-139 d. A) Bezug genommen.

54

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

55

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

56

Insbesondere hat sich die Klägerin in hinreichender Weise mit den rechtlichen Erwägungen des Urteils auseinandergesetzt, indem sie gerügt hat, dass das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt habe, dass das Geltendmachungsschreiben vom 07.03.2014 auch eine zukunftsbezogene Geltendmachung enthalte und hierdurch nach ihrer Auffassung die Ausschlussfristen vollumfänglich gewahrt worden seien. Dass die Klägerin die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen nicht thematisiert hat, kann vor dem Hintergrund, dass sie für die Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht von Relevanz waren und in den Entscheidungsgründen keine Erwähnung gefunden haben, nicht zur Unzulässigkeit der Berufung führen.

B.

57

Das daher insgesamt zulässige Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

58

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage vollumfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von EUR 1017,88 brutto nebst Zinsen verlangen.

I.

59

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Monate März 2014 bis einschließlich Juni 2015 in Höhe des rechnerisch unstreitigen Differenzbetrages zwischen der tariflichen Vergütung der Klägerin nach Gehaltsgruppe II/ 6. Berufsjahr für die Angestellten im rheinland-pfälzischen Einzelhandel und des ihr von der Beklagten tatsächlich ausgezahlten Gehalts.

60

1. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts ergibt sich aus Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages, wonach auf das Arbeitsverhältnis u.a. die Vorschriften des Gehaltstarifvertrages für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung finden. Im Hinblick auf die Verwendung der Formulierung "in der jeweils gültigen Fassung" beinhaltet diese Vertragsklausel zweifellos eine dynamische Bezugnahme.

61

2. Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbindung der Beklagten nicht mehr gegeben sein soll, steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i.S.v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt hiervon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist nämlich (im Übrigen) von Anfang an voll wirksam (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 27 f. m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

62

3. Nichts anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - bei Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Bei dieser handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. von § 305 Abs. 1 BGB. Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG v. 15.05.2013 - 10 AZR 325/12 - JURIS Rn. 17; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 29; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB).

63

a) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten (vgl. BAG 20.03.2013 - 10 AZR 636/11 - JURIS Rn. 20; LAG Rheinland-Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 30; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Die Anwendung des § 305c As. 2 BGB setzt also zwingend voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient (BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10 - JURIS Rn. 23 m. w. N.; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

64

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Danach soll der Wegfall der dynamischen Weitergeltung des Gehaltstarifvertrages bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses, nämlich des Wegfalls der Tarifbindung des Arbeitgebers eintreten. Die ausschließliche Zukunftsbezogenheit dieser Bedingung ergibt sich deutlich aus der Formulierung: "Dies gilt dann nicht mehr, wenn…", und der Formulierung: "…nicht mehr tarifgebunden ist." Anhaltspunkte dafür, dass die in Ziffer 12 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte dynamische Weitergeltung der tariflichen Gehaltsvorschriften von vornherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zum Zuge kommen sollte, enthält die Vertragsklausel nicht. Die Rechtsansicht der Beklagten, unter deren Zugrundelegung vorliegend bereits von Anfang an keine dynamische Bezugnahme vereinbart sein könnte, hätte überdies nicht nur eine unauflösbare Widersprüchlichkeit der in Ziffer 12 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelungen zur Folge, sondern würde auch zu einer völligen Sinnentleerung der in Satz 1 dieser Verweisungsklausel enthaltenen Bestimmung führen (so auch LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 31; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

65

4. Dem Anspruch der Klägerin steht auch nicht § 12 Satz 5 des Arbeitsvertrages entgegen, der ein Ende der dynamischen Weitergeltung der Tarifvorschriften für den Fall eines Betriebsübergangs auf einen "neuen Arbeitgeber" vorsieht. Bei der Beklagten handelt es sich nämlich nicht um einen "neuen" Arbeitgeber im Sinne der vertraglichen Abrede. Als solcher käme nur ein der Beklagten gemäß § 613 a BGB nachfolgender Betriebsinhaber in Betracht, nicht hingegen die Beklagte als vertragsschließende Arbeitgeberin selbst (vgl. LAG Rheinland- Pfalz 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 - JURIS Rn. 32; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

66

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien in der Kammerverhandlung vom 08.10.2015 unstreitig gestellt worden.

II.

67

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind die Ansprüche der Klägerin auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

68

Das Arbeitsgericht hat in Anwendung des § 16 des Manteltarifvertrags Einzelhandel einen teilweisen Verfall der streitgegenständlichen Ansprüche angenommen. Nach Ansicht der Beklagtenseite hat zumindest die fehlende gerichtliche Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten nach Ablehnung des streitgegenständlichen Anspruchs zu einem Verfall der Ansprüche nach Ziff. 13 Abs. 2 des Arbeitsvertrages geführt.

69

1. Die Berufungskammer teilt die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach vorliegend eine gerichtliche Geltendmachung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Anspruchserhalt erforderlich war, nicht.

70

Zwar sieht Ziff. 13 des Arbeitsvertrages neben einer schriftlichen Geltendmachung innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit der Ansprüche für den Fall, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf einer gesetzten Frist oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden, einen Verfall dieser Ansprüche vor. Diese Regelung steht jedoch im Widerspruch zu der über die Verweisungsklausel aus Ziff. 12 des Arbeitsvertrags in Bezug genommenen tariflichen Ausschlussklausel (§ 16 MTV Einzelhandel), bei der die gerichtliche Geltendmachung gerade nicht erforderlich ist, um einen Anspruchsverfall zu verhindern.

71

Dieser Widerspruch führt, dass zu, dass die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung im Hinblick auf die zweite Stufe der Ausschlussfrist einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB nicht standhält.

72

a) Für eine den Inhalt des Entgeltanspruchs regelnde Allgemeine Geschäftsbedingung verlangt das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Vertragsabschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 16.05. 2012 - 5 AZR 331/11 - JURIS Rn. 2). Für eine die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Entgeltanspruchs - und damit zugleich dessen Untergang (zur rechtsvernichtenden Wirkung der Ausschlussfrist: BAG 28.09.2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 29, BAGE 116, 66) - regelnde Klausel gelten keine geringeren Anforderungen. Auch hier muss der Arbeitnehmer bei Vertragsabschluss erkennen können, was ihn erwartet: Es muss aus der Klausel ersichtlich sein, welche Rechtsfolge eintreten wird und was er zu tun hat, um diese Rechtsfolge zu verhindern (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 48; BAG 31.08. 2005 - 5 AZR 545/04 - Rn. 26, BAGE 115, 372). Eine Ausschlussfrist muss dem Gläubiger eine faire Chance lassen, seine Ansprüche durchzusetzen (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 52; BAG 28.05. 2005 - 5 AZR 52/05 - Rn. 30, BAGE 116, 66).

73

b) Diesen Anforderungen genügt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung vorliegend in Teilen nicht.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält - wie dargelegt - eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die vollinhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Dies hat zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der sich nicht sicher ist, ob er nun die erste Stufe oder auch die zweite Stufe einhalten muss, möglicherweise von einer weiteren Rechtsverfolgung absehen würde, wenn er die erste Stufe der Ausschlussfrist gewahrt, jedoch zu spät geklagt hätte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist, denn die Unwirksamkeit der zweiten Stufe berührt die Wirksamkeit der ersten Stufe einer Ausschlussfristenregelung wie der vorliegenden nicht (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 54; BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - JURIS Rn. 37; BAG 12.03.2008 - 10 AZR 152/07 - JURIS Rn. 26 ff.). Die diesbezüglichen Formulierungen im Tarifvertrag und im Arbeitsvertrag sind inhaltsgleich, ausreichend transparent und bleiben, ebenso wie die übrigen arbeitsvertraglichen Bestimmungen gemäß § 306 Abs. 1 BGB wirksam.

75

c) Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass das Bundesarbeitsgericht in mehreren „equal-pay-Fällen“ (vgl. z. B. BAG 25.09.2013 - 5 AZR 815/12 - JURIS Rn. 18; BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 40) einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist gegenüber einer Ausschlussfrist aus einem in Bezug genommenen Tarifvertrag den Vorrang eingeräumt hat. Die diesen Entscheidungen zugrunde liegende Sachverhalte sind mit dem vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht vergleichbar:

76

Zum einen war in den den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zugrunde liegenden Sachverhalten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits die Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Tarifvertrages festgestellt. Es stand mithin fest, dass die im Tarifvertrag enthaltene Ausschlussfrist gar nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist und die Verweisung in der Konsequenz gleichsam „leer lief“ (vgl. BAG 13.03.2013 - 5 AZR 954/11 - JURIS Rn. 35). Zum anderen enthielten die Arbeitsverträge in den betreffenden Verfahren ausdrückliche Kollisionsregelungen zum Verhältnis zwischen arbeitsvertraglicher und tariflicher Regelung. Nicht zuletzt standen – anders als im vorliegenden Fall – die tariflichen Ausschlussfristen zu den arbeitsvertraglichen Regelungen gerade nicht im Widerspruch.

77

2. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der eingeklagten Differenzvergütung ist auch nicht (zum Teil) wegen zu später schriftlicher Geltendmachung verfallen.

78

Zwar sieht § 16 Ziff. 1 c) MTV Einzelhandel Rheinland-Pfalz ebenso wie Ziff. 13 Abs. 1 S. 3 des Arbeitsvertrages vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, da sie ansonsten verfallen.

79

Diesem Erfordernis hat die Klägerin jedoch durch das Schreiben vom 07.03.2014 Genüge getan. Dieses Schreiben beinhaltet neben der rückwirkenden Geltendmachung von Ansprüchen auch eine wirksame Geltendmachung der vorliegend streitgegenständlichen Ansprüche auf Zahlung des Tarifgehalts für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015:

80

a) Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (vgl. BAG 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (vgl. BAG 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 48; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

81

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 07.03.2014 die Zahlung von Arbeitsvergütung auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen nicht nur rückwirkend zum 01.08.2013, sondern auch zukunftsbezogen geltend gemacht, indem sie sich nach dem eindeutigen Wortlaut des Geltendmachungsschreibens nicht nur darauf beschränkt hat, die Tariferhöhung rückwirkend zum 01.08.2013 geltend zu machen, sondern auch „die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.2014“ eingefordert hat. Diese Geltendmachung ist mithin ersichtlich nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über Mai 2014 hinaus aufgrund der bereits abgeschlossenen Tarifverhandlungen für die Beklagte durch die Nennung des Prozentsatzes ersichtlich und bei Einsichtnahme in die jeweiligen Gehaltstarifverträge im Übrigen ohne Weiteres errechenbar war.

82

b) Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (vgl. BAG 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 - 4 Sa 381/13 - JURIS Rn. 50; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 - noch nicht veröffentlicht).

83

c) Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung noch nicht entstanden waren.

84

Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regelmäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Eine tarifliche Ausschlussfrist kann deswegen ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird, wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (so BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hamburg 08.07.2014 - LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3; BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 51; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12 - EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 52; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

85

Vorliegend stritten die Parteien bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 07.03.2014 im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf tarifliche Arbeitsvergütung hat, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zwar bestand im Nachgang zur Geltendmachung der künftigen Ansprüche prozessual kurzzeitig Unklarheit darüber, ob die vom Kläger für den streitgegenständlichen Zeitraum eingeklagten Beträge korrekt waren. Ursache dafür, war aber nicht, dass sich die Parteien über die geschuldete Arbeitszeit, die Eingruppierung, die prozentuale Tariflohnerhöhung oder sonstige Berechnungsgrundlagen uneinig waren. Vielmehr waren und sind die für die Berechnung der Klageforderung maßgeblichen Faktoren zwischen den Parteien unstreitig, durch die Lohnabrechnungen streitlos gestellt und es handelte sich schlicht um einen Rechenfehler. Die Beklagte konnte aufgrund der Tatsache, dass ihr Arbeitszeit und Eingruppierung bekannt war, unproblematisch erkennen, welche finanzielle Forderung bei der geltend gemachten Tariflohnerhöhung um 2,1 % ab dem 01.05.2014 auf sie zukommen würde. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 07.03.2014 wahrt daher auch die Ausschlussfrist für die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des Tarifgehalts. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistung verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 22.01.2014 – 4 Sa 381/13 – JURIS Rn. 53; LAG Rheinland-Pfalz 25.04.2016 - 3 Sa 529/15 – noch nicht veröffentlicht).

86

Nach alledem war der Klage auf Nachzahlung von Arbeitsvergütung für die Zeit von Mai 2014 bis Juni 2015 unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt stattzugeben.

III.

87

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kosten waren aufgrund der Reduzierung der Klageforderung in erster Instanz und der teilweisen Berufungsrücknahme in zweiter Instanz wie ausgeurteilt zu quoteln.

88

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben. Insbesondere liegt keine Abweichung von den durch die Beklagten in der Berufungsbegründung vom 15.03.2016 (S. 7-9) zitierten Entscheidungen vor. Soweit sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung sowie in der Kammerverhandlung vom 28.06.2016 insbesondere auf die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30.10.2013 – 2 Sa 744/13 – bezogen hat, wird darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung bereits deswegen nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, weil der Kläger Ansprüche aus einer Höhergruppierung begehrt. Überdies stellt auch das LAG Hessen in seiner Entscheidungsbegründung (vgl. Juris Rn. 39) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, dass eine tarifliche Ausschlussfrist ausnahmsweise auch durch Geltendmachung des Anspruchs vor dessen Entstehung gewahrt werden kann, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Genau diese Ausnahme war vorliegend gegeben, so dass die zitierte Rechtsprechung gerade einschlägig, nicht aber divergierend zur getroffenen Entscheidung ist.

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 510,88 € brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.489,88 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Weitergabe von tariflichen Lohnerhöhungen und über den Ausschluss entsprechender Ansprüche aufgrund tarifvertraglicher Verfallfristen.

2

Die 35-jährige Klägerin ist seit Juli 2008 bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag vom 09.02.2010 enthält u.a. -hinsichtlich des weiteren Inhalts des formularmäßig abgeschlossenen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 10 ff. d. A. Bezug genommen- folgende Regelung:

3

12. Verweisungsklausel

4

Im Übrigen finden die Vorschriften des Manteltarifvertrages Einzelhandel Rheinland-Pfalz, des Lohn- /Gehaltstarifvertrages Rheinland-Pfalz und des Tarifvertrages über Sonderzahlungen im rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Dies gilt dann nicht mehr, wenn der Arbeitgeber im Falle eines Austritts aus dem Arbeitgeberverbandes oder im Falle eines Wechsels in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht mehr tarifgebunden ist. In diesen Fällen ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o. g. Tarifverträge zwischen den Vertragsparteien gewollt. Der Arbeitnehmer hat dann keinen Anspruch auf Anpassung seiner Ansprüche aus dem Tarifvertrag hinsichtlich zukünftiger tariflicher Änderungen. Gleiches gilt im Falle eines Betriebsüberganges vom Zeitpunkt des Überganges des Arbeitsverhältnisses auf den neuen Arbeitgeber an. Auch hier ist nur eine statische Weitergeltung der zu diesem Zeitpunkt geltenden o.g. Tarifverträge gewollt."

5

Diese Regelung ist als einzige der insgesamt 13 Ziffern des Vertragstextes insgesamt im Fettdruck gehalten.

6

Weiterhin enthält der Arbeitsvertrag folgende Regelung:

7

"13. Schussbestimmungen"

8

Soweit einzelne Bestimmungen ganz oder teilweise unwirksam sind oder werden sollten, berührt dies die Wirksamkeit der Allgemeinen Regelungen im Übrigen nicht. An der Stelle der unwirksamen Bestimmung tritt eine Regelung, die dem Gewollten am nächsten kommt. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher aus unerlaubter Handlung - verfallen, wenn sie nicht spätestens sechs Monate nach ihrer Fälligkeit schriftlich gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden.

9

Unterbleibt eine Reaktion des Vertragspartners oder lehnt er die Ansprüche schriftlich ab, so verfallen die Ansprüche, wenn sie nicht innerhalb von weiteren 3 Monaten nach Fristablauf oder nach Zugang der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

10

Die Beklagte betreibt in der M.-straße in K. ein großes Einkaufscenter. Die Klägerin wurde in der Vergangenheit nach der Gehaltsgruppe G II Stufe 6 bei 162 Arbeitsstunden im Monat eingruppiert und vergütet. In der Folgezeit erhöhte die Beklagte auch jeweils die Vergütung entsprechend dem jeweils gültigen Entgelttarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz.

11

Mit Schreiben vom 16.06.2011 wandte sich die Beklagte an die Beschäftigten, unter anderem auch an die Klägerin, und wies darauf hin, dass die Beklagte in K. nicht tarifgebunden sei. In diesem Schreiben heißt es u.a.:

12

„Wenngleich wir in K. nicht tarifgebunden sind und bis dato weder mit ver.di noch mit unserem Betriebsrat eine gemeinsame Lösung zu finden war, geben wir Ihnen hiermit freiwillig folgende Zusicherung:

13

1. Wir werden Sie auch nach dem 30.06.2011 entsprechend den Regelungen des gültigen rheinland-pfälzischen Einzelhandeltarifvertrags vergüten.

14

2. Sobald in 2011 ein neuer Gehalts- und Lohntarifvertrag für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel abgeschlossen ist, wird auch dieser neue Tarifvertrag mit den darin enthaltenen Regelungen - insbesondere den Lohn- und Gehaltserhöhungen - Anwendung auf Ihr Arbeitsverhältnis finden."

15

Mit Schreiben vom 12.09.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Zusage vom 16.06.2011 auch selbstverständlich für den MTV des rheinland-pfälzischen Einzelhandels gelte (vgl. Bl. 22 d. A.). Ab dem 01.08.2013 wurden die tariflichen Gehälter um 3 % angehoben und ab dem 01.05.2014 um weitere 2,1 %.

16

Die Klägerin hat die Zahlung dieser Erhöhungen mit Schreiben vom 03.03.2014 gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. Das formularmäßig vorgefertigte Schreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:

17

"Geltendmachung des aktuellen Tarifvertrages Einzelhandel Rheinlandpfalz
Tariferhöhung Rückwirkend zum 01.08.2013 von 3 % sowie die zu erwartende Erhöhung von 2,1 % ab 01.05.14.
Sehr geehrter Herr W.
Ich möchte sie bitten mir die vorgenannte Tariferhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung auszuzahlen.
Meinen Anspruch mache ich geltend auf Basis des von Ihnen an mich gesendeten Schreibens vom 16.06.2011 zum Gehaltstarifvertrag sowie dem Schreiben vom 12.09.11, zum Manteltarifvertrag Einzelhandel Rheinland-Pfalz.
Ebenso ergibt sich der Anspruch aus meinem Arbeitsvertrag, der eine dynamische Verweisklausel enthält. Der Gesamtbetrag der Geltendmachung beläuft sich auf 510,88 Euro.
Ich bitte sie mir bis zum 15.03.14 meinen Anspruch zu bestätigen."

18

Die Beklagte hat die geltend gemachten Ansprüche mit Schreiben vom 18.03.2014 (Bl. 41 d. A. ) zurückgewiesen.

19

Abzüglich der von der Beklagten geleisteten Zahlungen ergibt sich für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 eine rechnerisch zwischen den Parteien unstreitige Differenz von 510,88 Euro und für den Zeitraum März 2014 bis Juni 2015 eine Differenz von 1.489,88 Euro brutto.

20

Die Klägerin hat vorgetragen,
der von ihr geltend gemachte Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag selbst. Denn darin sei vereinbart, dass die jeweiligen rheinland-pfälzischen Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel Anwendung finden. Die dort vorgesehene Ausnahme bzw. das Ende der dynamischen Verweisungsklausel sei nicht gegeben. Daneben habe die Beklagte mit Schreiben vom 16.06.2011 zusätzlich ausdrücklich erklärt, dass die rheinland-pfälzischen Tarifverträge weiterhin Anwendung fänden. Diese Zusage habe die Beklagte in der Vergangenheit auch tatsächlich umgesetzt. Das Wort „freiwillig" in diesem Zusammenhang solle lediglich bedeuten, dass die Beklagte freiwillig diese Zusage gegeben habe. Es habe sie auch keiner dazu zwingen können, diese Zusage zu geben. Die Freiwilligkeit bedeute aber keineswegs, dass sich die Beklagte nicht verpflichtet habe.

21

Die Ansprüche seien auch nicht verfallen. Denn die Klägerin habe mit der Geltendmachung vom 03.03.2014 auch die zukünftige Lohnerhöhung geltend gemacht. In Ausnahmefällen -wie vorliegend- sei auch bereits die Geltendmachung zukünftiger Lohnerhöhungen vor deren Entstehung möglich.

22

Im Übrigen handele es sich bei der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist um eine versteckte Klausel.

23

Die Klägerin hat beantragt,

24

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 510,88 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19.03.2014 zu zahlen.

25

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.489,88 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 24.07.2015 zu zahlen.

26

Die Beklagte hat beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Die Beklagte hat vorgetragen, aus dem Schreiben vom 16.06.2011 lasse sich keineswegs entnehmen, dass dynamisch und dauerhaft verbindlich die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel, insbesondere die Lohn- und Gehaltstarifverträge, auch über 2011 hinaus Anwendung finden sollten. Dies hätten die Arbeitnehmer auch so aufgefasst und sei von ver.di selbst gegenüber den Mitgliedern so kommuniziert worden. Es sei in dem Schreiben auch ausdrücklich nur von der Einzahl der Weitergeltung des nächsten Tarifvertrages die Rede und nicht von den folgenden Tarifverträgen.

29

Aus dem Arbeitsvertrag werde außerdem deutlich, dass die Beklagte gerade keine dynamische Weitergeltung von Tarifverträgen gewollt habe.

30

Die Ansprüche seien zudem insgesamt nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Die Klausel sei keineswegs überraschend und - direkt über der Unterschrift - auch nicht versteckt. Die gerichtliche Geltendmachung sei nach der schriftlichen Ablehnung der Ansprüche von März 2014 viel zu spät erfolgt und die übrigen Ansprüche seien zudem erstmals überhaupt mit der Klage, die hier streitgegenständlich sei, geltend gemacht worden.

31

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat die Beklagte darauf hin durch Urteil vom 27.10.2015 - 8 Ca 899/15 - verurteilt, an die Klägerin 247,50 € brutto zuzüglich Zinsen zu zahlen und die weitergehende Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 84 - 91 d. A. Bezug genommen.

32

Gegen das ihr am 05.11.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 04.12.2015 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 04.02.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor durch Beschluss vom 30.12.2015 auf ihren begründeten Antrag hin die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 05.02.2016 einschließlich verlängert worden war.

33

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und heb insbesondere hervor, die Klausel im Arbeitsvertrag unter Ziff. 13 sei ungewöhnlich und überraschend; die Klägerin habe mit ihr nicht rechnen müssen. Aufgrund der fettgedruckten Verweisungsklausel auf die maßgeblichen Tarifverträge habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass davon abweichend im Arbeitsvertrage eine weitergehende Verfallklausel vereinbart worden sei. Die zweite Stufe der Verfallfrist, auf die sich die Beklagte berufe, sei nach dem Erscheinungsbild des Vertrages in den Schlussbestimmungen "versteckt". Für diese Auslegung spreche auch der Aufbau des Arbeitsvertrages, der in Ziffer 1 - 11 die einzelnen arbeitsvertraglichen Bestimmungen und Regelungen enthalte und ergänzend in Ziffer 12 auf die maßgeblichen Tarifverträge Bezug nehme. Ohne ausdrückliche Hervorhebung in einem weiteren Punkt habe die Klägerin nicht damit rechnen müssen, dass in den Schlussbestimmungen, die eine übliche salvatorische Klausel enthalte, noch von den Tarifverträgen abweichende Bestimmungen, die zum Erlöschen von Ansprüche führen könnten, geregelt seien.

34

Die Ansprüche seien für die Zukunft wirksam geltend gemacht worden. Eine entsprechende Geltendmachung bereits vor der Entstehung eines Anspruchs sei möglich, wenn - wie vorliegend - bei unveränderter rechtlicher oder tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden könne. Durch die einmalige Geltendmachung könne die Ausschlussfrist dann auch im Hinblick auf noch nicht entstandene Ansprüche gewahrt sein. Diese Auslegung von Ausschlussfristen sei insbesondere dann geboten, wenn um die stets gleiche Berechnungsgrundlage von im Übrigen unstreitigen Ansprüchen gestritten werde. Davon sei vorliegend auszugehen.

35

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 04.02.2016 (Bl. 121 - 125 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Klägerin beantragt,

37

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.10.2015 -8 Ca 899/15- teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.753,26 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 24.07.2015 zu zahlen.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

40

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussklausel sei nicht überraschend. Denn Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen seien üblich und im Arbeitsleben weit verbreitet. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer auch nicht unangemessen, sofern sie für beide Parteien gelten und ausreichend lange Fristen enthalten. Die Klausel zu den arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen sei auch nicht versteckt platziert. Die Platzierung am Vertragsende stelle zudem gerade kein "Verstecken" dar, sondern spreche für eine besondere Wahrnehmbarkeit der Klausel. Die Klausel sei auch nicht wegen anderer Regelungen im gleichen Paragrafen überraschend. Nichts anderes gelte für den Umstand, dass Ziffer 12 des Arbeitsvertrages in Fettdruck gehalten sei. Schließlich sei die Ausschlussklausel auch teilbar, d. h. sofern man aufgrund der fehlenden textlichen Absätze der ersten Stufe der Ausschlussklausel von einer überraschenden Klausel ausgehe, sei jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet sowohl textlich abgesetzt als auch allein für sich inhaltlich sinnvoll und nach dem Bluepencil-Test wirksam.

41

Hilfsweise und für den Fall, dass jedenfalls die tarifliche Ausschlussfrist aus dem Manteltarifvertrag des Einzelhandels eingreife, berufe sich die Beklagte entgegen der Auffassung der Klägerin zusätzlich darauf, dass bereits die erste Stufe der Ausschlussfrist nicht eingehalten worden sei. Denn durch das Geltendmachungsschreiben vom 03.03.2014 seien lediglich die Ansprüche für den Zeitraum von August 2013 bis Februar 2014 umfasst. Ein bestehender Anspruch sei insbesondere und gerade für die "zu erwartende Erhöhung" nicht gegeben. Insoweit habe es einer erneuten Geltendmachung bedurft.

42

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 08.03.2016 (Bl. 142 - 153 d. A) Bezug genommen.

43

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

44

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 25.04.2016.

Entscheidungsgründe

I.

45

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

46

Das Rechtsmittel der Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

47

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts ist die Klage voll umfänglich begründet. Die Klägerin kann deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 510,88 € brutto und weiteren 1489,88 € brutto, jeweils nebst Zinsen, verlangen.

48

Mit dem Arbeitsgericht ist zunächst davon auszugehen, dass sich der Anspruch der Klägerin auf Zahlung nach dem Tarifvertrag aus Ziffer 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrags ergibt.

49

Danach sind auf das Arbeitsverhältnis dynamisch die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung anwendbar. Dem steht Ziffer 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages, wonach eine dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Gehaltsvorschriften bei Wegfall der Tarifbildung nicht mehr gegeben sein soll, nicht entgegen. Denn diese Klausel beinhaltet eine auflösende Bedingung i. S. v. § 158 Abs. 2 BGB, wobei deren Eintritt jedoch bereits von vorneherein wegen der bereits bei Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten unmöglich war. Die Wirksamkeit der in Ziffer 12 Satz 1 vereinbarten dynamischen Bezugnahme bleibt davon unberührt. Ein Rechtsgeschäft, das mit einer unmöglichen auflösenden Bedingung versehen wurde, ist von Anfang an als voll wirksam anzusehen (LAG R.-P. 28.01.2015 - 4 Sa 487/14 -).

50

Nichts anderes ergibt sich auch nach einer Auslegung der betreffenden Vertragsklausel. Insoweit handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Dafür spricht, insoweit folgt die Kammer dem Arbeitsgericht, bereits das äußere Erscheinungsbild und eine tatsächliche Vermutung, der keine der Parteien entgegen getreten ist. Erst Recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Klausel von der Klägerin in den Arbeitsvertrag eingeführt worden wäre (§ 310 Abs.3 Nr. 1 BGB).

51

Insoweit gilt zusammengefasst Folgendes:

52

§§ 305 ff. BGB gelten nur für AGB, das sind Vertragsbedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen (mindestens drei; BAG 25.05.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3) vorformuliert sind, und die der Verwender i.d.R. der Arbeitgeber, der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Arbeitsvertrags oder dessen Änderung stellt (§ 305 Abs. 1 BGB). Aus dem äußeren Erscheinungsbild und dem Inhalt typisierter Bedingungen kann sich ein vom Verwender zu widerlegender Anschein für das Vorliegen von AGB ergeben (BAG 01.03.2006 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 48m.Anm. Natzel SAE 2006, 225). Für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingungen liegen auch bereits dann vor, wenn eine Partei - einmalig - die von einem anderen vorformulierten Vertragsbedingungen benutzt, selbst wenn die Partei eine mehrfache Verwendung nicht plant (s. BGH 16.11.1990 NJW 1991, 843; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22). Andererseits sind typische Erklärungen, die ein Arbeitgeber abgibt, nicht notwendig Allgemeine Geschäftsbedingungen. Nimmt der Arbeitgeber durch Schreiben, die für eine Mehrfachverwendung vorgesehen sind, inhaltsgleiche Änderungsangebote mehrerer Arbeitnehmer an, stellt er den Arbeitnehmern keine Vertragsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB (BAG 20.05.2008 - 9 AZR 271/07, FA 2008, 318, vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 1 Rz. 676 ff.).

53

Der Arbeitgeber muss die Vertragsbedingungen stellen, d. h. er muss konkret die Einbeziehung in den Arbeitsvertrag verlangen (s. BAG 28.05.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 3). Nicht entscheidend ist, in welcher Form die gestellte Vertragsbedingung nach außen hin erscheint. AGB liegen auch vor, wenn ein im PC gespeichertes Formular verwendet wird, das einen individuellen Anschein erweckt. Ein Freiwilligkeits- oder Widerrufsvorbehalt auf einer Gehaltsabrechnung oder in einem Schreiben, mit der eine Sonderzahlung gewährt wird, ist ebenso kontrollfähig (BAG 18.03.2009 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 43). wie die Bedingungen einer betrieblichen Übung, auch wenn sie nicht schriftlich festgehalten worden sind (BAG 27.08.2008 EzA § 4 TVG Tariflohnerhöhung Nr. 49; LAG Bln-Bra. 08.12.2011 LAGE § 307 BGB 2002 Nr. 28; s.a. Ricken DB 2006, 1374 ff.). Auch eine mündliche Vertragsbedingung, die der Arbeitgeber für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen verwendet, ist also eine AGB (BAG 16.05.201 EzA § 611 BGB 2002 Mehrarbeit Nr. 5 = NZA 2012, 908). Ebenso unterliegen die Bedingungen einer Gesamtzusage der Inhaltskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 22).

54

Auslegung geht der Inhaltskontrolle stets voraus. Im Wege einer objektiven Auslegung ist der Kontrollgegenstand zu präzisieren. Sie kann durch das BAG als Revisionsgericht erfolgen (BAG 01.02.2006 EzA § 611BB 2002 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 2; 31.08.2005 EzA § 6 ArbZG § 6 Nr. 6); eine vom LAG vorgenommene Auslegung von AGB unterliegt also der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung durch das BAG (BAG 24.01.201 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20). Klauseln sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von einem verständigen und redlichen Vertragspartner unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Dabei sind die Verständnismöglichkeiten nicht des konkreten, sondern des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen, d. h des typischerweise bei Arbeitsverträgen zu erwartenden nicht rechtskundigen Arbeitnehmers (BAG 24.10.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 26; 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 344; 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19). Für das Auslegungsergebnis von Bedeutung ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Regelungszweck (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9), denn der Vertragspartner des Verwenders kann auf den Inhalt der AGB, die für eine Vielzahl von Fallgestaltungen vorformuliert worden sind und gerade unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls zur Anwendung kommen sollen, keinen Einfluss nehmen (BAG 04.08.2011 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 19).

55

Die Auslegung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Inhaltskontrolle zunächst nicht auf der Grundlage einer kundenfreundlich ausgelegten Klausel durchzuführen ist. Erst wenn die Klausel nach den §§ 307-309 BGB gleichwohl Bestand, ist im Individualprozess die kundenfreundlichste Interpretation maßgebend (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 31; s.a. Preis/Roloff RdA 2005, 144); Voraussetzung dafür ist, dass nicht behebbare Zweifel verbleiben (BAG 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11). Führt die objektive Auslegung zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, greift die Unklarheitenregelung (§ 305 c Abs. 2 BGB) mit der Folge der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegung ein (BAG 19.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 34). Die Anwendung der Unklarheitenregelung de § 305 c As. 2 BGB setzt aber voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keine den klaren Vorzug verdient (BAG 20.01.2010 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 18; 09.02.2011 EzA § 311 a BGB 202 Nr. 2; 19.10.2011 EzA § 1 KSchG Wiedereinstellungsanspruch Nr. 11; 24.01.2013 EzA § 305 c BGB 2002 Nr. 20; s.a. BAG 23.02.2011 - 10 AZR 101/10, EzA-SD 10/2011, S. 6 LS; Anrechnung von Vordienstzeiten EuroBerlin nicht unklar).

56

Bei der Auslegung können Begleitumstände, die nur den konkreten Vertragspartnern erkannt sind oder die den konkreten Einzelfall kennzeichnen grds. nicht berücksichtigt werden. Zur Auslegung heranzuziehen sind demgegenüber Begleitumstände dann, wenn sie nicht ausschließlich die konkrete Vertragsabschlusssituation betreffen, sondern den Abschluss einer jeden vergleichbaren Abrede begleiten (BAG 15.02.2011 EzA § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung Nr. 9).

57

Typisierte Vertragsklauseln müssen nicht nur bei der Auslegung, sondern auch im Rahmen der Inhaltskontrolle typisierenden und generalisierenden Wertungen unterzogen werden. Die Auslegung geht der Inhaltskontrolle vor. Hat eine Vertragsklausel einen unangemessen benachteiligenden Inhalt, ist es für die Wirksamkeit der Klausel nicht ausschlaggebend, ob sich der benachteiligende Inhalt auch im konkreten Einzelfall tatsächlich auswirkt. Entscheidend ist, welche Rechte nach dem konkreten Inhalt der Klausel geltend gemacht werden können und welche Folgen sich daraus bei genereller Betrachtung ergeben (s. BGH 23.06.1988 ZIP 1988, 1126; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42). Auf Grund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch die Berücksichtigung konkret individueller Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen (BAG 31.08.2005 EzA § 6 ArZG Nr. 6; 07.12.2005 EzA § 12 TzBfG Nr. 1). Es kommt also auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses an, also z.B. darauf, ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert hat (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

58

§ 310 As. 3 Nr. 3 BGB beseitigt also nicht den generell-abstrakten Prüfungsmaßstab, sondern ergänzt ihn. Die Umstände des Vertragsschlusses allein können nicht die Unwirksamkeit der Klausel begründen, auch inhaltliche Kriterien müssen Bedenken gegen sie begründen, ohne zur Unwirksamkeit zu führen. Erst auf einer zweiten Ebene können die Umstände des Vertragsschlusses den Ausschlag geben, so dass eine unangemessene Benachteiligung angenommen werden kann. Damit kann gem. § 310 As. 3 Nr. 3 BGB flexibel reagiert werden, um z.B. Vertragsgestaltungen mit erfahrenen Spitzenkräften und leitenden Angestellten zurückhaltend zu kontrollieren (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 42).

59

Gem. § 307 Abs.2 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbarten ist. Dahinter steht die Idee des Leitbildes des dispositiven Rechts. Die Anwendung im Arbeitsrecht ist nicht einfach, weil es zum großen Teil zwingend ist oder aus Richterrecht besteht. Andererseits erkennt auch die Zivilrechtsprechung die von ihr entwickelten Rechtsgrundsätze als gesetzliches Leitbild an (s. BGH 10.12.1992 BGHZ 121, 14, 18), was auf das Arbeitsrecht übertragen werden kann (s. ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43).

60

Eine unangemessene Benachteiligung liegt im Zweifel auch dann vor, wenn wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben (sog. Kardinalpflichten), so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (s. z.B. BAG 25.04.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 20; Freiwilligkeitsvorbehalt).Bei Verzichtserklärungen und Ausschlussfristen kann ein Verstoß gegen § 307 As. 2 Nr. 2 BGB darin liegen, dass die Klauseln zum Erlöschen der vertraglichen Hauptleistungspflicht führen können (BAG 28.09.2005 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 8; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 43; s. Preis/Sagan NZA 2012, 697 ff. Bauer/von Medern NZA 20122, 894 ff.).

61

Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB greift nicht bei normwiederholenden Klauseln und Preisabreden (§ 307 Abs. 3 S.2 BGB) sowie bei Bezugnahmen auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (trotz § 310 Abs. 4 S. 3 BGB; BAG 28.06.2007 EzA § 310 BGB 2002 Nr. 5) ein. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass eine Vertragsbestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot ist Bestandteil der Angemessenheitskontrolle (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 44). Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Danach müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BAG 14.11.2012 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 01.09.201 - 5 AZR 517/09, EzA § 307 BGB 2002 Nr. 50). Sinn des Transparenzgebots ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn der Arbeitnehmer keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Erst in der Gefahr, dass der Vertragspartner des Klauselverwenders wegen unklar abgefasster Allgemeiner Vertragsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB (BAG 14.11.201 EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 34; 18.05.2011 - 10 AZR 206/10; 10.12.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 40)

62

Gem. § 306 Abs. 1 BGB bleibt in Abweichung von § 139 BGB bei Teilnichtigkeit grds. der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten; dieser Grundsatz gilt im Arbeitsrecht allgemein. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle das Gesetz (§ 306 Abs. 2 BGB). Die Teilbarkeit der Klausel ist durch eine Streichung des unwirksamen Teils mit einem blauen Stift zu ermitteln (Blue-Pencil-Test; BAG 21.04.2005 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 3; 19.12.2006 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 17; 12.03.2008 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 33; s.a. LAG Köln 03.08.2010LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; LAG Hessen 26.07.2010 - 7 a 1881/09, EzA-SD 22/2010 S. 10 LS).

63

Sprachliche Unteilbarkeit spricht im Übrigen für inhaltliche Unteilbarkeit. Sprachliche Teilbarkeit ist dagegen nur ein Indiz für inhaltliche Teilbarkeit. Um eine Umgehung des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion zu vermeiden, ist zu prüfen, ob der Klauselteil üblicherweise nicht selbständig vorkommt oder ob eine gekünstelte Aufspaltung der Klausel vorliegt. Die unzulässige Vertragsstrafenregelung wegen schuldhaft vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kann z. B. unter Aufrechterhaltung der Klausel im Übrigen gestrichen werden, wenn daneben an den Nichtantritt oder die Lösung des Arbeitsverhältnisses unter Vertragsbruch angeknüpft wird (ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 103; a. A: DBD/Bonin § 306 Rn. 12).

64

Im Übrigen gilt das Verbot geltungserhaltender Reduktion unangemessener Klauseln (BAG 04.03.204 EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1; 12.01.2005 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 1; 25.05.2005 EzA § 306 BGB 202 Nr. 1; LAG Nbg. 12.01.2011 - 4 Sa 437/10, AuR 2011, 221 LS; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104). Wer den Spielraum der Vertragsfreiheit durch AGB nutzt, muss das volle Risiko der Unwirksamkeit der Klausel tragen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist aber dann möglich, wenn Normen eine Aufrechterhaltung unwirksamer Abreden ausdrücklich zulassen (s. z.B. § 622 As. 6 BGB i. V. m. § 89 Abs. 2 S. 2 HGB, § 74 a Abs. 1 S. 2 HGB; ErfK/Preis §§ 3055-310 BGB Rn. 104).

65

Nur ausnahmsweise ist auch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB als Anwendung dispositiven Rechts nach § 306 Abs. 2 BGB möglich (instr. Bieder NZA 2011, Beil Nr. 3/2011 S. 142 ff.).

66

Das setzt aber voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften keine angemessene, den Interessen der Parteien Rechnung tragende Lösung bietet, so dass der Regelungsplan der Vertragspartner infolge der Lücke einer Vervollständigung bedarf (BGH 03.11.1999 NJW 2000, 1110); Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist, dass die Vereinbarung der Parteien eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit aufweist (BAG 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89). Hinzukommen muss, dass ein ersatzloser Wegfall der unwirksamen Klausel keine sachgerechte Lösung darstellt (BAG 28.11.2007 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 30; 07.07.2010, 09.06.2010 EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 49, 50; 16.11.2011 - 45 AZR 246/10, EzA-SD 8/2012 S. 7 LS; LAG Köln 03.08.2010 LAGE § 4 ArbZG Nr. 2; ErfK/Preis §§ 305-310 BGB Rn. 104; Günther ZTR 2011, 203 ff.). Bei unwirksamen Bestimmungen in AGB hat die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie die Auslegung und Inhaltskontrolle solcher Bestimmungen nach einem objektiv-generalisierenden Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der typischerweise beteiligten Verkehrskreise (und nicht nur der konkret beteiligten Parteien) ausgerichtet sein muss. Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Es ist zu fragen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BAG 11.10.2006 EzA § 308 BGB 2002 Nr. 6; 25.04.2007 EzA § 307BGB 2002 Nr. 20; 17.10.2012 EzA § 307 BGB 2002 Nr. 89).

67

In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Wortlaut der auflösenden Bedingung in § 12 Satz 2 des Arbeitsvertrages eindeutig ist. Er ist ausschließlich zukunftsbezogen formuliert, was sich schon aus der Formulierung "dies gilt dann nicht mehr, wenn" und der Formulierung "nicht mehr tarifgebunden ist" ergibt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die vereinbarte dynamische Weitergeltung der tarifvertraglichen Vorschriften von vorneherein bereits wegen der bei dem Vertragsschluss fehlenden Tarifbindung der Beklagten nicht zu Stande kommen sollte.

68

Die streitgegenständlichen Ansprüche sind dem Umfang und der Höhe nach zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.

69

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Arbeitsgerichts sind sie auch nicht insgesamt bzw. überwiegend nach Maßgabe einer anzuwenden Ausschlussfrist verfallen.

70

Das Arbeitsgericht hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

71

" c) Die Ansprüche vor April 2015 sind jedoch nach der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Für die im Schreiben vom 03.03.2014 zweifellos geltend gemachten Ansprüche in Höhe von 510,88 Euro fehlt es an der gerichtlichen Geltendmachung nach der Ablehnung. Nach Auffassung der Kammer ist die Klausel nicht überraschend, denn die Regelung von Verfallfristen in Arbeitsverträgen ist durchaus üblich. Nachdem die Beklagte nicht aufgrund einer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband tarifgebunden war, durfte auch von der tarifvertraglichen Klausel zu Lasten der Klägerin abgewichen werden.

72

Die Klausel ist auch nicht versteckt. Vielmehr befindet sie sich an der Stelle, die noch einmal unmittelbar vor der Unterzeichnung wahrgenommen wird. Allerdings folgt das Gericht der Auffassung der Klägerin, dass in dem Schreiben vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung für die Zukunft liegt. Dann hat aber auch die Ablehnung der Beklagten diese Ansprüche erfasst, weshalb die gerichtliche Geltendmachung in der vorliegenden Klage nur noch die letzten drei Monate betraf. Daraus ergibt sich der Betrag von 247,50 Euro."

73

Dem vermag die Kammer nur teilweise im Ergebnis zu folgen. Denn zwar ist in dem Schreiben der Klägerin vom 03.03.2014 auch die Geltendmachung der streitgegenständlichen Beträge für die Zukunft zu sehen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beklagten sind die Ansprüche der Klägerin aus der Zeit vor April 2015 jedoch nicht nach Maßgabe einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Eine gerichtliche Geltendmachung war nicht erforderlich.

74

§ 12 Satz 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Formulararbeitsvertrages enthält, wie dargelegt, eine für das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien rechtsverbindliche dynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge für den rheinland-pfälzischen Einzelhandel in der jeweils gültigen Fassung. Dessen MTV sieht eine einstufige Ausschlussfrist vor, die voll inhaltlich der in Ziffer 13 des Formulararbeitsvertrages enthaltenen ersten Stufe der Ausschlussfrist entspricht; eine zweite Stufe, die eine gerichtliche Geltendmachung nach Ablehnung verlangt, ist dort nicht vorgesehen. Damit enthält der Formulararbeitsvertrag zwei Ausschlussfristenregelungen, die inhaltlich - hinsichtlich der zweiten Stufe - erheblich voneinander abweichen. Beide beanspruchen nach dem Wortlaut der vertraglichen Regelung jedoch Geltung. Die objektive Auslegung führt zu keinem eindeutigen, sondern zu einem mehrdeutigen Ergebnis, nämlich dem gleichwertigen Geltungsanspruch beider inhaltlich unterschiedlicher Ausschlussfristen. Beide Ergebnisse erscheinen vertretbar, also sowohl die Anwendung von Ziffer 12, ebenso wie die Anwendung von Ziffer 13 des Formularvertrages, und von diesen verdient keine den klaren Vorzug. Insofern ist deshalb davon auszugehen, dass die in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe der Ausschlussfrist nach Maßgabe des sog. Blue-Pencil-Tests zu streichen ist. Das gleiche Ergebnis lässt sich auch durch eine ergänzende Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB erzielen. Soweit die Beklagte im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten hat, die Teilbarkeit der Ausschlussklausel habe zur Folge, dass jedenfalls die zweite Stufe der Ausschlussklausel für sich betrachtet, allein für sich auch inhaltlich sinnvoll und damit nach dem Blue-Pencil-Test wirksam sei, folgt die Kammer dem nicht. Denn die hier festzustellende Unklarheit der formularvertraglichen Regelung besteht gerade darin, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob sich die Ausschlussklausel aus Ziffer 12 oder aber aus Ziffer 13 des Arbeitsvertrages ergibt. Dann liegt es nahe, die in beiden Ziffern gleichlautend vorgesehene erste Stufe als wirksam anzusehen und aufrechtzuerhalten, die nur in Ziffer 13 enthaltene zweite Stufe dagegen zu streichen. Folglich bedurfte es einer gerichtlichen Geltendmachung vorliegend nicht.

75

Mit dem Schreiben vom 03.03.2014 hat die Klägerin schließlich entgegen der Auffassung der Beklagten auch die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht fälligen Ansprüche, soweit streitgegenständlich, rechtzeitig geltend gemacht. Insoweit gilt Folgendes:

76

Für den Beginn der Ausschlussfrist wird zumeist auf die Fälligkeit des Anspruchs -grds. unabhängig von der Kenntnis des Arbeitnehmers vom Bestehen des Anspruchs (BAG 13.12.2007 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 189) - abgestellt (s. BAG 14.03.2012 - 10 AZR 172/11, NZA-RR 2012, 480 = ZTR 2012, 518); davon ist insbes. dann auszugehen, wenn die Arbeitsvertragsparteien diesen Zeitpunkt nicht ausdrücklich festgelegt haben (BAG, 18.03.2003, NZA 2003, 1359 LS). Insoweit ist z.B. ein Anspruch auf Vergütung aus einem Arbeitszeitkonto frühestens zum Ablauf des Verteilungszeitraums fällig, so dass auch erst zu diesem Zeitpunkt eine Ausschlussfrist zu laufen beginnt (LAG Nds. 29.04.2005, NZA-RR 2005, 589). Die an die Eingruppierung anknüpfende Ausschlussfrist läuft insoweit nicht an, wenn der Arbeitgeber gar keine Tarifgruppe wählt, sondern einen Stundenlohn zugrunde legt, der keiner Tarifgruppe und keiner Tarifstufe entspricht (BAG 11.02.2009 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 194; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rn. 4719 ff.).

77

Die Fälligkeit i.S. einer tarifvertraglichen Ausschlussfrist kann von einer Abrechnung durch den Anspruchsgegner abhängen. Das ist dann der Fall, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne diese Abrechnung nicht erkennen kann (BAG 27.02.2002 EzA § 138 BGB Nr. 30). Fälligkeit einer tariflichen Leistung (z.B. einer Abfindung) tritt erst dann ein, wenn der maßgebende Tarifvertrag wirksam geworden, also unterzeichnet worden ist (§§ 1 Abs. 2 TVG, 126 Abs. 2 BGB). Denn eine Leistung ist erst fällig, wenn der Gläubiger sie verlangen kann (BAG 20.03.1997 NZA 1997, 896).

78

Eine Geltendmachung kann aber auch vor Fälligkeit erfolgen (BAG 20.06.2002 EzA § 611 BGB Arbeitgeberhaftung Nr. 11); sie ist andererseits aber grds. erst dann möglich, wenn der Anspruch bereits entstanden ist (BAG 10.07.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 168; 11.12.2003 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170; 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014S. 15 LS). Abgesehen von dem Sonderfall der fristwahrenden Geltendmachung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist (z.B. im Rahmen des § 18 Abs. 4 TV-DRK für die Geltendmachung von Überstundenvergütung) eine die tarifliche Ausschlussfrist wahrende Geltendmachung vor dem Entstehen des Anspruchs grds. nicht möglich (BAG 22.01.2009 - 6 AZR 5/08, NZA-RR 2010, 54 LS; 09.03.2005 EzA § 4 TVG Rotes Kreuz Nr. 5). Ein Anspruch auf Abfindung nach § 113 Abs. 2 BetrVG wird auch dann mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig, wenn über die Kündigung, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, noch ein Kündigungsschutzprozess anhängig ist und später rechtskräftig die Wirksamkeit der Kündigung festgestellt wird (BAG 03.08.1982 EzA § 113 BetrVG 1972 Nr. 10).

79

Eine tarifliche Ausschlussfrist kann allerdings ausnahmsweise durch Geltendmachung des Anspruchs auch vor dessen Entstehung gewahrt werden, wenn der Zweck der tariflichen Ausschlussfrist auch dann erreicht wird (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS; LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3), wenn der Arbeitgeber also unzweifelhaft erkennen kann, welche Ansprüche der Arbeitnehmer geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen diese abhängen (LAG Hmb. 08.07.2014 LAGE Art. 9 GG Koalitionsfreiheit Nr. 3). Das kommt z. B. dann in Betracht, wenn die Erfüllung von konkreten gegenwärtigen und künftigen Ansprüchen auf einer bestimmten Berechnungsgrundlage verlangt wird und nur diese zwischen den Parteien streitig ist. Besteht z.B. Streit ausschließlich über die Berechnungsgrundlage von tariflichen Zeitzuschlägen und werden Anzahl und Art der zuschlagpflichtigen Stunden durch Aufnahme in eine Lohnabrechnung streitlos gestellt, kann die einmalige Geltendmachung einer anderen Berechnung der Zeitzuschläge ausreichen, um den Verfall auch von künftigen Ansprüchen durch eine tarifliche Ausschlussfrist zu verhindern (BAG, 16.01.2013 - 10 AZR 863/11, EzA-SD 8/2013 S. 11 = NZA 2013, 976). Streiten die Parteien eines Arbeitsvertrages über die Höhe des monatlichen Entgelts und liegt diesem Streit lediglich und ausschließlich die Frage der - immer gleichbleibenden - Berechnungsweise zugrunde, kann die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung des Arbeitnehmers zutreffenden Berechnungsgrundlage auch für später entstehende Zahlungsansprüche ausreichen. In einem solchen Fall besteht für den Schuldner kein Zweifel darüber, was der Gläubiger von ihm verlangt (BAG 03.07.2013 - 4 AZR 476/12, EzA-SD 5/2014 S. 15 LS).

80

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Die Beklagte konnte unzweifelhaft erkennen, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht und von welchen tatsächlichen und rechtlichen Umständen sie abhängen. Die Erfüllung aller streitgegenständlichen gegenwärtigen und künftigen Ansprüche wurde auf einer der Beklagten ohne Weiteres und voll inhaltlich bekannten Rechnungsgrundlage verlangt und nur diese ist zwischen den Parteien streitig. Folglich genügte die einmalige Geltendmachung der nach Auffassung der Klägerin zutreffenden Auslegung des Formular-Arbeitsvertrages auf für später entstehende Zahlungsansprüche. Denn vorliegend bestand für die Beklagte ersichtlich keinerlei Zweifel darüber, was die Klägerin von ihr verlangte. Insoweit hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz im Urteil vom 22.01.2014 - 4 Sa 325/13 - für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung zutreffend ausgeführt:

81

" Zur Geltendmachung im Sinne tariflicher Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt daher voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein (BAG v. 22.04.2004 - 8 AZR 652/02 - AP Nr. 28 zu §§ 22, 23 BAT-O). Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht (BAG v. 22.06.2005 - 10 AZR 459/04 - AP Nr. 183 zu § 4 TVG Ausschlussfrist).

82

Die Klägerin hat mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.03.2009 die Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Grundlage der tariflichen Bestimmungen ab dem 01.04.2009 geltend gemacht. Diese Geltendmachung ist nicht auf eine bestimmte zukünftige Zeitspanne beschränkt, sondern schließt die Abrechnung künftiger Ansprüche auf dieser Grundlage erkennbar ein. Eine Bezifferung war entbehrlich, da die Höhe der Ansprüche auch über das Jahr 2009 hinaus für die Beklagte bzw. deren Sohn bei Einsichtnahme in die jeweiligen tariflichen Bestimmungen ohne weiteres errechenbar war.

83

Unerheblich ist, dass die Ansprüche im Zeitpunkt der Geltendmachung zum Teil noch nicht fällig waren. Das Ziel der zügigen Klärung wechselseitiger Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis erfordert nicht, einen Anspruch erst nach Eintritt der Fälligkeit geltend zu machen. Behauptet der Anspruchssteller vor Fälligkeit, dass der von einer Norm zur Entstehung des Anspruchs vorausgesetzte Tatbestand verwirklicht ist, kann sich der Anspruchsgegner auf die erhobene Forderung einstellen und Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruchs verschaffen. Die rasche Klärung des Anspruchs wird bei einer Geltendmachung vor Fälligkeit in der Regel noch schneller erreicht (BAG v. 11.12.2003 - 6 AZR 539/02 - EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 170).

84

Der wirksamen Geltendmachung steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Ansprüche bei Geltendmachung zumindest zum Teil noch nicht entstanden waren. Zwar widerspricht eine Geltendmachung vor Entstehung des Anspruchs regel-mäßig dem Sinn und Zweck von Ausschlussfristen. Eine Besonderheit liegt jedoch vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Denn tarifliche Ausschlussfristen unterliegen einer einschränkenden Auslegung, wenn der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, durch einmalige Geltendmachung erreicht wird. Die einschränkende Auslegung ist insbesondere dann geboten, wenn lediglich über die stets gleiche Berechnungsgrundlage von Ansprüchen gestritten wird (BAG v. 16.01.2013 - 10 AZR 863/11 - NZA 2013, 975).

85

Ansprüche aus ständig gleichem Grundtatbestand sind auch solche auf dauer-hafte Zahlung der tariflichen Vergütung und auf Zahlung tariflicher Sonderleistungen. Steht allein ein bestimmtes Element einer bestimmten Art von Ansprüchen (hier: Geltung der einschlägigen tariflichen Vorschriften) im Streit, so erfüllt die Aufforderung, dieses zukünftig in konkreter Art und Weise zu beachten, die Funktion einer Inanspruchnahme. Für den Schuldner kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Gläubiger darf ohne weiteres davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung genüge getan hat (BAG v. 16.01.2003, a. a. O.).

86

Vorliegend stritten die Parteien - soweit ersichtlich - bereits im Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens vom 21.03.2009 im Hinblick auf die Frage, ob der Klägerin Ansprüche auf tarifliches Urlaubsgeld und tarifliche Sonderzahlung zustehen, ausschließlich über die Anwendbarkeit der maßgeblichen Tarifverträge. Zur Erreichung des mit der Ausschlussfrist verfolgten Zwecks war deshalb die einmalige Geltendmachung der - auch künftigen - Ansprüche ausreichend. Das Schreiben vom 21.03.2009 wahrt daher auch die künftigen Ansprüche der Klägerin auf Zahlung der betreffenden tariflichen Sonderleistungen. Die Beklagte musste ohne ständig wiederholte Geltendmachung damit rechnen, auf Gewährung dieser Leistungen verklagt zu werden. Sie konnte sich auf die Forderung einstellen und vorsorglich Rücklagen bilden; eine wiederholte Geltendmachung hätte der Beklagten keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn gebracht und wäre lediglich eine überflüssige Förmelei gewesen. Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, die Klägerin habe zwischenzeitlich von ihrer Forderung Abstand genommen."

87

Dem ist - zustimmend - nichts hinzuzufügen.

88

Folglich erweist sich die Klage der Klägerin als voll umfänglich begründet. Deshalb war die angefochtene Entscheidung auf die Berufung der Klägerin teilweise aufzuheben und der Klage insgesamt stattzugeben.

89

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

90

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.