Die Parteien streiten um die Vergütung von Raucherpausen.
Der Kläger ist seit 01.01.1980 bei der Beklagten beschäftigt. Er ist als Lagerleiter TS tätig. Das monatliche Gehalt beträgt 2.983,00 € brutto. Der Kläger ist Raucher.
Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Unter dem 20.12.2006 erließ die Beklagte eine Betriebsanweisung „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Leergutabteilung“. Darin heißt es:
Im Sinne der Gesundheitsreform (Nichtraucherschutzgesetz) ist der Arbeitgeber verpflichtet, Nichtraucher vor Rauchern zu schützen.
Daher ist ab sofort das Rauchen in den Pausen und generell während der Arbeitszeit im Aufenthaltsraum sowie in den Toiletten und im gesamten Hallenbereich verboten!
Für die Raucher wurde eine Raucherinsel am Haupteingang in der Nähe der Stechuhr geschaffen. Nur an diesem Platz ist Rauchen erlaubt.
Am 25.07.2007 erließ die Beklagte eine weitere Betriebsanweisung. Dort ist u. a. ausgeführt:
Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass das Rauchen nur an den ausgewiesenen Raucherinseln erlaubt ist.
Es ist verboten
- auf den vorhandenen Rampen (diese gehören zum Lagerbereich),
- innerhalb des gesamten Lagerbereiches (speziell frühere Bananenreiferei)
- während der Arbeitszeiten in den Sozialräumen und Toiletten
zu rauchen.
Am 04.12.2012 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung über das Rauchen im Betrieb. In der Präambel heißt es:
Der Arbeitgeber hat gemäß § 5 ArbStättV die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.
Die folgende Regelung hat die Aufgabe, die gesundheitlichen Gefährdungen durch Tabakrauch am Arbeitsplatz zu vermeiden und zum anderen rauchenden Beschäftigten weiterhin die Möglichkeit zu geben, zu rauchen, wenn dadurch die Interessen der Nichtraucher nicht beeinträchtigt werden.
Zudem soll eine Gleichbehandlung aller Mitarbeiter durch die nachfolgenden Regelungen gewährleistet werden.
Ziffer 2. Absatz 2 der Betriebsvereinbarung lautet:
Rauchen ist nur in den speziell ausgewiesenen Raucherzonen, die in der Anlage vermerkt sind, erlaubt.
Ziffer 3. der Betriebsvereinbarung lautet:
„Rauchpausen“
Beim Entfernen vom Arbeitsplatz zum Rauchen sind die nächstgelegenen Zeiterfassungsgeräte gem. Anlage zum Ein- und Ausstempeln zu benutzen.
Rauchen ist während der normalen Pausen und ansonsten erlaubt, solange wie bisher betriebliche Belange nicht beeinträchtigt werden.
Die Betriebsvereinbarung trat zum 01.01.2013 in Kraft.
Die Beklagte zog dem Kläger für Januar 2013 111 Minuten für Raucherpausen ab und vergütete sie nicht. Für Februar 2013 erfolgte ein Abzug für 251 Minuten und für März 2013 für 253 Minuten.
Der Kläger erhob am 11.07.2014 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Würzburg, mit der er restliche Vergütung für die Monate Januar bis März 2013 verlangt.
Das Arbeitsgericht Würzburg wies die Klage mit Urteil vom 03.03.2015 ab, setzte den Streitwert auf 183,09 € fest und ließ die Berufung zu.
Das Urteil wurde dem Kläger am 09.03.2015 zugestellt.
Der Kläger legte gegen das Urteil am 09.04.2014 Berufung ein und begründete sie am 29.04.2015.
Der Kläger macht geltend, der Anspruch auf Vergütung der Raucherpausen ergebe sich unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Die Beklagte habe seit Anfang der 70er Jahre ein wiederholtes und gleichförmiges Verhalten gezeigt, aus dem die Arbeitnehmer und somit auch er, der, Kläger, hätten schließen können, ein entsprechendes rechtsbegründetes Verhalten der Beklagten werde auch in Zukunft stattfinden. Hinsichtlich der Art der Leistung habe es sich um die Bezahlung von innerhalb der Arbeitszeit genommenen Raucherpausen gehandelt. Die Dauer der Pausen sei mit vier bis zehn Minuten ausreichend konkret. Der Durchschnittswert eines rauchenden Arbeitnehmers betrage 60 bis 80 Minuten pro Tag. Der Beklagten sei über einen langen Zeitraum bekannt gewesen, dass die Arbeitnehmer während der Arbeitszeit Raucherpausen machten. Sie habe damit die Handhabung der Raucherpausen konkludent angeboten. Über Jahrzehnte hinweg sei es üblich gewesen, dass Raucherpausen hätten genommen werden können, ohne dass sie von der Arbeitszeit hätten abgezogen werden müssen. Das Verhalten der Beklagten habe bei der betroffenen Arbeitnehmergruppe das Vertrauen darauf begründet, dass auch in Zukunft entsprechend verfahren werde.
Der Kläger führt aus, die Regelung in der Betriebsvereinbarung, dass ausschließlich Raucher beim Antritt ihrer Pause ausstempeln müssten, stelle eine Diskriminierung der Raucher dar.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 10.12.2014, Az. 1 Ca 1003/14 wird abgeändert und
a) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 33,05 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2013 zu zahlen.
b) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 74,72 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit de 01.03.2013 zu zahlen.
c) die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 75,32 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, es bestehe keine Anspruchsgrundlage für die erhobene Forderung. Eine betriebliche Übung sei nicht begründet worden. Es liege bereits kein gleichförmiges Verhalten vor. Für sie, die Beklagte, sei weder überschaubar noch beeinflussbar gewesen, in welchem Umfang Raucherpausen genommen würden.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 a) ArbGG, sowie formgerecht eingelegt worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
Die Berufung ist unbegründet.
Wie das Erstgericht zu Recht entschieden hat, hat der Kläger keinen Anspruch auf die Vergütung der Raucherpausen in den Monaten Januar bis März 2013, §§ 611, 612, 614, 151 BGB.
Eine Anspruchsgrundlage hierfür ist nicht gegeben.
Da der Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen unstreitig nicht gearbeitet hat und kein gesetzlicher Tatbestand vorliegt, aufgrund dessen die Beklagte gleichwohl verpflichtet wäre, Vergütung zu zahlen, kann der geltend gemachte Anspruch nur bestehen, wenn sich die Beklagte hierzu vertraglich verpflichtet hat, insbesondere wenn aufgrund einer entsprechenden betrieblichen Übung ein vertraglicher Anspruch entstanden ist. Dies ist nicht der Fall.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der das erkennende Gericht folgt, ist unter einer betrieblichen Übung ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers zu verstehen, das geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung oder sonstige Vergünstigung zu begründen, wenn die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen dürfen, ihnen werde die Leistung oder Vergünstigung auch künftig gewährt. Dem Verhalten des Arbeitgebers wird eine konkludente Willenserklärung entnommen, die vom Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen werden kann. Dadurch wird ein vertragliches Schuldverhältnis geschaffen, aus dem bei Eintritt der vereinbarten Anspruchsvoraussetzungen ein einklagbarer Anspruch auf die üblich gewordene Vergünstigung erwächst. Ob eine für den Arbeitgeber bindende betriebliche Übung aufgrund der Gewährung von Vergünstigungen an seine Arbeitnehmer entstanden ist, muss danach beurteilt werden, inwieweit die Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte gemäß § 242 BGB und der Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 11.11.2014 - 3 AZR 849/11; juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen kommt das erkennende Gericht wie das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass eine betriebliche Übung nicht vorliegt.
Es ist bereits fraglich, ob eine gleichförmige Leistung im oben dargestellten Sinne vorliegt.
Das „Verhalten“ der Beklagten bestand zum einen darin, dass sie in der Vergangenheit darauf verzichtete, bei den Rauchern unter den Arbeitnehmern die Zeiten zu erfassen, in denen sie sich nicht am Arbeitsplatz befanden, sondern diesen verließen, um zu rauchen. Zum anderen führte die fehlende Zeiterfassung dazu, dass die selbst genommenen Pausen (weiterhin) vergütet wurden. Dies stellt im Ergebnis zwar eine Leistung an die betreffenden Arbeitnehmer dar. Unter „Leistung“ ist jedes Verhalten zu verstehen, das dazu führt, dass das Vermögen eines anderen vermehrt wird. Die Gleichförmigkeit einer Leistung setzt indes voraus, dass zumindest ein entsprechendes Bewusstsein beim Arbeitgeber über die Höhe der gewährten Zuwendungen vorhanden ist. Das Institut der betrieblichen Übung ersetzt lediglich den Rechtsbindungswillen des Arbeitgebers, nicht den Leistungswillen.
Vorliegend ist ein Wille, gerichtet auf eine bestimmte Leistung, nicht erkennbar. Da eine zeitliche Erfassung der Raucherpausen nicht erfolgte, war die Beklagte nicht in der Lage, festzustellen, wem sie wann welche Leistungen zukommen ließ.
Auch wenn ein entsprechender Leistungswille angenommen wird, kann von einer betrieblichen Übung nicht ausgegangen werden.
Der Kläger konnte gemäß § 242 BGB unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben nach den gesamten Umständen nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde es auch in Zukunft dabei belassen, die selbst genommenen Raucherpausen weiterhin nicht zu erfassen und zu bezahlen.
Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber lediglich verpflichtet ist, Lohn für geleistete Arbeit zu zahlen. Selbst verursachte Arbeitsunterbrechungen führen daher unbeschadet der Regelung des § 616 BGB dazu, dass Vergütungsansprüche nicht entstehen. Zahlt - wie im hier gegebenen Fall - der Arbeitgeber ein monatliches Gehalt, muss er, will er einen Lohnabzug vornehmen, im Streitfall die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben (§ 320 BGB). Hierzu muss er darlegen und unter Beweis stellen, dass der Arbeitnehmer zu bestimmten Zeiten nicht gearbeitet hat. Es war für den Kläger und seine ebenfalls rauchenden Kollegen ohne weiteres feststellbar, dass die Beklagte die Pausenzeiten nicht erfasste und daher ein Lohnabzug nicht durchführbar war. Daraus ergibt sich bei redlicher Betrachtungsweise gleichzeitig, dass die Raucher objektiv dadurch privilegiert waren, dass sie die Raucherpausenzeiten vergütet erhielten. Da selbst die gesetzlichen Ruhepausen grundsätzlich nicht zu vergüten sind und auch bei der Beklagten nicht bezahlt werden, war die Erkenntnis zwingend, dass die Raucher Leistungen, auf die sie keinen Anspruch hatten, nur deshalb erhielten, weil der Arbeitgeber wegen der fehlenden Zeiterfassung daran gehindert war, entsprechende Einwendungen zu erheben. Darauf, dass dies in Zukunft so bleiben würde, konnten die betroffenen Arbeitnehmer bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht vertrauen.
Ein Anspruch auf Bezahlung der Raucherpausen aufgrund betrieblicher Übung ist daher nicht entstanden.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung.
Dass die Raucherpausen nunmehr zeitlich erfasst werden, stellt insbesondere keine Diskriminierung der Raucher dar.
Der Kläger rügt insoweit, bei den anderen Arbeitnehmern finde eine entsprechende Zeiterfassung nicht statt. Es ist bereits nicht klar, was der Kläger mit „entsprechender“ Zeiterfassung meint. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten werden die Ruhepausen nicht erfasst, da die Arbeitnehmer die betriebsüblichen, mit dem Betriebsrat abgestimmten Pausen wahrnehmen. Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich nicht, welche unregelmäßigen und selbst genommenen Pausen die Nichtraucher unter den Arbeitnehmern in Anspruch nehmen, ohne dass sie zeitlich erfasst werden müssen.
Da der erhobene Anspruch nicht besteht, bleibt die Berufung des Klägers ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG.