Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 23. Okt. 2012 - 5 Sa 334/11

bei uns veröffentlicht am23.10.2012

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock abgeändert, soweit es die Klage abgewiesen hat.

2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die ordentliche Kündigung vom 18.07.2011 beendet wurde.

3. Das beklagte Amt wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

4. Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Amt.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch um die Wirksamkeit einer ehemals hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung, um Weiterbeschäftigung und um einen Auflösungsantrag, den das beklagte Amt erstmals im Berufungsrechtszug gestellt hat.

2

Die 1965 geborene verheiratete Klägerin, Mutter zweier Kinder, von denen sich eines noch in der Ausbildung befindet, ist seit 1987 bei dem beklagten Amt bzw. dessen Rechtsvorgängern als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Bis zum Jahre 1991 bestand das Arbeitsverhältnis zu der inzwischen amtsangehörigen Gemeinde S.. Die Klägerin wurde dann nach der Aufnahme der Gemeinde im Amt dort als Arbeitnehmerin übernommen. Die Klägerin hat bis 1999 in der Gemeinde gewohnt, inzwischen wohnt sie in A-Stadt. Die monatliche Bruttovergütung der Klägerin hat bei Eingruppierung in die Entgeltgruppe E 6 zum TVöD zum Kündigungszeitpunkt 2.682,14 Euro betragen.

3

Der Klägerin wird vorgeworfen, sei habe eine Beschlussvorlage für den nichtöffentlichen Teil der Sitzung der Gemeindevertretung S. unbefugt einem Bürger dieser Gemeinde zugespielt. In diesem Zusammenhang sind die folgenden Umstände unstreitig.

4

Ein Privatunternehmen hatte 2011 beim zuständigen Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt einen Antrag auf Errichtung und Betrieb einer Biogasanlage mit Verbrennungsmotor in der Gemeinde S. (Ortsteil F.) gestellt. In diesem Zusammenhang hat das Staatliche Amt für Landwirtschaft und Umwelt die Gemeinde mit Schreiben vom 11. April 2011 um die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens im Sinne von § 36 Baugesetzbuch (BauGB) gebeten. Das Vorhaben ist in der Gemeinde umstritten. Es hatte sich bereits eine Bürgerinitiative mit dem Ziel gebildet, die Errichtung der Anlage zu verhindern.

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Beim beklagten Amt war die Kollegin der Klägerin, Frau D., dafür zuständig, die Beschlussvorlage für die Gemeindevertretung vorzubereiten und computertechnisch herzustellen. Frau D. hat am Vormittag des 29. April 2011 (Freitag) die Beschlussvorlage bearbeitet, indem sie sich eine ältere Beschlussvorlage nahm und diese durch Einfügen von eigenem Text an die neue Situation anpasste. Die Arbeit wurde an diesem Tage nicht fertiggestellt, sondern mit dem erreichten Bearbeitungsstand gegen 12:00 Uhr mittags beendet. Dass es sich um einen unfertigen Text mit teilweise verwirrenden und unpassenden Textpassagen handelt, erkennt man insbesondere auf der zweiten Seite der Vorlage (Kopie hier Blatt 60 f), wo noch von einem Vorhaben aus dem Jahre 2007 die Rede ist. Aus der unfertigen Vorlage ging zu diesem Zeitpunkt allerdings schon hervor, dass die Beschlussvorlage auf Zustimmung, also auf die Erteilung des gemeindlichen Einverständnisses, lauten sollte.

6

Ausweislich eines Wochen später ausgewerteten Zugriffprotokolls der IT-Technik erfolgte noch am 29. April 2011 um 11:54 Uhr durch den Nutzer mit der Kennung „WS15“ ein Zugriff auf das von Frau D. erstellte Dokument. Diese Nutzerkennung gehört zur Klägerin. Aus dem Zugriffsprotokoll ergibt sich weiter, dass der Nutzer WS15 das Dokument auch ausgedruckt hat. Aus der Sichtung der Zugriffsprotokolle lässt sich – so jedenfalls das beklagte Amt – weiter schließen, dass die zuständige Sachbearbeiterin das Dokument erstmals am 2. Mai 2011 um 14:03 Uhr ausgedruckt habe.

7

Am 2. Mai 2011 wurde der leitende Verwaltungsbeamte des beklagten Amtes durch den stellvertretenden Bürgermeister der Gemeinde S. auf die Beschlussvorlage angesprochen und darüber informiert, dass Herr E., ein Einwohner der Gemeinde S., der als sachkundiger Einwohner Mitglied im Ausschuss für Finanzen, Bau und Dorferneuerung der Gemeinde S. ist, den Ausdruck der Beschlussvorlage noch im April 2011 in seinem Briefkasten vorgefunden habe. Dabei hat sich der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde abfällig über die ihm ebenfalls noch im April von Herrn E., einem Gegner der Biogasanlage, ausgehändigte Beschlussvorlage des Amtes geäußert (wegen des genauen Wortlauts der Äußerung wird auf Seite 5 der erstinstanzlichen Klageerwiderung – hier Blatt 30 – Bezug genommen). Der stellvertretende Bürgermeister hat dann das Herrn E. zugespielte Dokument dem leitenden Verwaltungsbeamten am 3. Mai 2011 zukommen lassen. Es ist das Dokument, das in Kopie im Rechtsstreit als Anlage B 12 eingereicht wurde (hier Blatt 60 f).

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Die Gemeinde hat dann im weiteren Verlauf im Juni 2011 das gemeindliche Einvernehmen wie geplant erteilt.

9

Im Juni 2011 hat das beklagte Amt dann auch die Protokolldateien in ihrem IT-System gesichtet und hat auf diese Weise den Verdacht geschöpft, dass das fragliche Dokument Herrn E. durch die Klägerin zugespielt worden sein könnte. Die Klägerin wurde daraufhin am 30. Juni 2011 zunächst zu den Verdachtsmomenten angehört und sodann vom Dienst suspendiert.

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Die Klägerin hat dann mit Schreiben vom 1. Juli 2011, eingegangen bei dem beklagten Amt am 4. Juli 2011, nochmals schriftlich zu den Vorwürfen Stellung genommen (Kopie als Anlage B 13 überreicht, hier Blatt 63 f). Sie habe sich – heißt es dort – mit der zuständigen Sachbearbeiterin über die Bauangelegenheit ausgetauscht. Dies habe sie veranlasst, die Beschlussvorlage auszudrucken, um dann nochmals im Bundesbaugesetz nachzulesen. Sie habe den Ausdruck dann, soweit sie sich erinnere, auf dem Boden abgelegt, da andere Ablagemöglichkeiten nicht vorhanden gewesen waren, und sie zunächst noch mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sei. Dort habe sie den Ausdruck dann wohl aus den Augen verloren. Nach außen getragen habe sie das Dokument jedenfalls nicht. Ob es sich bei der Beschlussvorlage, die nach außen gelangt sei, um den Entwurf der Vorlage handele, den sie ausgedruckt habe, könne sie nicht sagen.

11

Der Haupt- und Finanzausschuss des beklagten Amtes hat sodann in seiner Sitzung vom 7. Juli 2011 dafür gestimmt, das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Der Beschluss hat folgenden Wortlaut:

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„Der Haupt- und Finanzausschuss gibt dem Amtsvorsteher in seiner Sitzung am 07.07.2011 die Empfehlung [der Klägerin] eine außerordentliche Kündigung – hilfsweise eine ordentliche Kündigung – auszusprechen.
Gleichzeitig wird der Amtsvorsteher – Herr […] – bevollmächtigt einem gerichtlichen Vergleich (ordentliche Kündigung und Abfindung) zuzustimmen.“

13

Erst nach diesem Votum des Haupt- und Finanzausschusses hat das beklagte Amt den bei ihm gebildeten Personalrat wegen der Beteiligung an der beabsichtigten Kündigung eingeschaltet. Die Beteiligung wurde eingeleitet mit dem Schreiben vom 8. Juli 2011 (Kopie Blatt 71), dem diverse dort näher erwähnte Unterlagen beigefügt waren, die dann in Kopie auch zur Gerichtsakte gereicht wurden (hier Blatt 66 bis 70 – die klägerische Stellungnahme zu den Vorwürfen vom 1. Juli 2011 gehörte nicht zu diesen Unterlagen). Der Personalrat hat mit Schreiben vom 8. Juli 2011 zu dem Begehren Stellung genommen (Kopie als Anlage B 16 überreicht, hier Blatt 72). Zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung hat der Personalrat förmlich seine Zustimmung verweigert. Zu der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung hat der Personalrat wie folgt Stellung genommen:

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„Der Personalrat stimmt einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung nur zu, wenn mildere Mittel vorher geprüft werden und nicht in Betracht kommen bzw. darauf verzichtet werden kann. Ein anderes geeignetes milderes Mittel wäre u.a. eine Abmahnung. Auf diese kann verzichtet werden, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht zu erwarten ist oder eine schwere Pflichtverletzung vorliegt, deren Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist und deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist, (BAG, 12.01.2006 — 2 AZR 179/95). Als anderes milderes Mittel würde eine Umsetzung in Betracht kommen ...“

15

Mit Schreiben vom 13.Juli 2011 kündigte das beklagte Amt sodann das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich sowie mit weiterem Schreiben vom 18. Juli 2011 hilfsweise ordentlich zum 31. März 2012.

16

Mit der am 26. Juli 2011 beim Arbeitsgericht Rostock eingegangenen Klage wehrt sich die Klägerin gegen die beiden Kündigungen und verlangt ihre weitere Beschäftigung während des Laufs des Kündigungsrechtsstreits.

17

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage gegen die außerordentliche Kündigung vom 13. Juli 2011 mit Urteil vom 3. November 2011 (1 Ca 1110/11) stattgegeben und hat die Klage wegen der ordentlichen Kündigung und des Weiterbeschäftigungsantrags abgewiesen. Auf dieses Urteil wird wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

18

Dieses Urteil ist rechtskräftig, soweit das Gericht der Klage stattgegeben hat. Mit der rechtzeitig eingelegten und rechtzeitig begründeten Berufung verfolgt die Klägerin das Ziel weiter, auch die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung feststellen zu lassen; auch der Weiterbeschäftigungsantrag wird weiter verfolgt. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat das beklagte Amt sodann noch den Antrag gestellt, das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

19

Die Klägerin hält die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung für sozial nicht gerechtfertigt. Die Klägerin bestreitet nach wie vor, dass sie das fragliche Dokument Herrn E. zugespielt habe. Die Beweisführung des beklagten Amtes sei unschlüssig, jedenfalls seien die gegen sie bestehenden Verdachtsmomente so oberflächlich, dass sie eine Kündigung nicht rechtfertigen könnten. Demnach sei auch das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass es erwiesen sei, dass die Klägerin das Dokument weitergeleitet habe.

20

Außerdem bestreitet die Klägerin, dass der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt wurde. Jedenfalls habe der Personalrat der ordentlichen Kündigung widersprochen, so dass man vor Ausspruch der Kündigung die Einigungsstelle hätte anrufen müssen.

21

Die Klägerin beantragt,

22

das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 3. November 2011 zum Aktenzeichen 1 Ca 1110/11 insoweit abzuändern, als die Klage abgewiesen wurde und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 18.07.2011 aufgelöst ist;
2. das beklagte Amt zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Verwaltungsfachangestellte weiter zu beschäftigen;
3. den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zurückzuweisen.

23

Das beklagte Land beantragt,

24

1. die Berufung zurückzuweisen,
2. – hilfsweise – das Anstellungsverhältnis der Klägerin zum nächst zulässigen Zeitpunkt gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts gestellten Abfindung aufzulösen.

25

Das beklagte Amt verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Zu Recht habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass das bei Herrn E. aufgetauchte Dokument nur von der Klägerin stammen könne. Jedenfalls bestehe ein dringender Verdacht, dass die Klägerin das Dokument weitergeleitet habe. Der Ausdruck und die Weitergabe des Dokuments stelle eine schwere Pflichtverletzung dar, die eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin unmöglich mache. Die Klägerin habe sich außerdem wahrheitswidrig zur Sache eingelassen. Die zuständige Sachbearbeiterin Frau D. habe weder eine Unterstützung der Klägerin erbeten, noch sei es überhaupt zu einem Dialog der beiden Kolleginnen über diese Angelegenheit gekommen.

26

Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits vor dem Vorfall als belastet anzusehen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten, aus denen sich diese Belastung ergeben soll, wird auf die Seiten 2 und 3 der erstinstanzlichen Klageerwiderung Bezug genommen.

27

Sofern das Gericht die geschilderten Pflichtverletzungen als für eine Kündigung nicht ausreichend erachte, müsse das Arbeitsverhältnis jedenfalls nach §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, da eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit der Parteien unvorstellbar sei.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist begründet, auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung des beklagten Amtes vom 18. Juli 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Daher ist die Klägerin auch weiterzubeschäftigen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegen nicht vor.

I.

30

Die ordentliche Kündigung vom 18. Juli 2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Sie ist nach § 68 Absatz 7 Landespersonalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (LPersVG) unwirksam. Außerdem fehlt ihr die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG.

31

1. Die streitgegenständliche Kündigung vom 18. Juli 2011 ist nach § 68 Absatz 7 LPersVG unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht die nicht ordnungsgemäße Beteiligung der gänzlich unterbliebenen Beteiligung gleich. Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

a) In seiner Hauptbegründung geht das Gericht davon aus, dass der Personalrat nach § 82 Absatz 1 LPersVG durch Beteiligung und Rederecht in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses, in der die Kündigung beschlossen wurde, zu beteiligen gewesen wäre.

33

Nach § 82 Absatz 1 LPersVG ist die übliche Beteiligung nach §§ 62 ff LPersVG ausgeschlossen, wenn beteiligungspflichtige Maßnahmen (§§ 68 bis 70) der Entscheidung der Gemeindevertretung, des Amtsausschusses, des Kreistages, der Verbandsversammlung oder vergleichbarer Organe oder deren Ausschüsse unterliegen. Statt des regulären Beteiligungsverfahrens wird der Personalrat von der Dienststelle vor der Sitzung des Entscheidungsgremiums über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet und der Vorsitzende des Personalrats, bzw. das zuständige Gruppenmitglied des Vorstandes des Personalrats, hat dann in dem Entscheidungsgremium ein Teilnahme- und Rederecht (§ 82 Absatz 1 LPersVG).

34

Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Haupt- und Finanzausschuss hat mit dem Beschluss vom 7. Juli 2011 verbindlich beschlossen, das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Zu dieser Entscheidung war der Ausschuss befugt, da es sich um eine „wichtige Angelegenheit“ des Amtes im Sinne von § 134 Absatz 1 Satz 1 Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern (KV MV) gehandelt hat, und die Aufgabe auch nicht per Hauptsatzung auf den Amtsvorsteher übertragen war. Die Ausformulierung des Beschlusses als Empfehlung für den Amtsvorsteher ändert an den Umständen nichts. In der Sache hat der Ausschuss mit dem Beschluss dem Amtsvorsteher zulässigerweise eine Weisung erteilt, wie zu verfahren ist.

35

Da die nachträgliche Beteiligung des Personalrats nach einer solchen Entscheidung des Ausschusses nahezu sinnfrei wäre, hat der Gesetzgeber durch das besondere Beteiligungsverfahren nach § 82 LPersVG versucht, bei Entscheidungen der vorliegenden Art, den notwendigen und gewünschten Einfluss der Personalvertretung auf die Willensbildung durch das Teilnahme- und Rederecht des Personalratsvorsitzenden in dem Entscheidungsgremium abzusichern.

36

Im Rahmen der Erörterung dieses Aspekts in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat das beklagte Amt zwar mitgeteilt, man gehe davon aus, dass an der Ausschusssitzung sogar ein Mitglied des Personalrats teilgenommen habe. Dieser Aspekt brauchte jedoch nicht weiter aufgeklärt zu werden, denn dieser Umstand kann zu Gunsten des Amtes sogar als gegeben unterstellt werden. Denn unstreitig sind die Anforderungen aus § 82 Absatz 1 LPersVG allein schon dadurch verfehlt worden, dass die Personalvertretung nicht vor, sondern erst nach der Entscheidung des Ausschusses zu der beabsichtigten Kündigung unterrichtet wurde. Damit war das Mitglied der Personalvertretung, das an der Ausschusssitzung teilgenommen hat, gar nicht in der Lage, kompetent zu der beabsichtigen Kündigung Stellung zu nehmen.

37

b) Aber selbst dann, wenn man – entgegen der Überzeugung des Gerichts – die Kündigung der Klägerin als ein Geschäft der laufenden Verwaltung ansieht, für das der Amtsvorsteher nach § 138 Absatz 2 KV MV gesetzlich zuständig ist, bleibt die Beteiligung des Personalrats an der streitgegenständlichen Kündigung fehlerhaft.

38

aa) Geht man von einer Zuständigkeit des Amtsvorstehers für die Kündigungserklärung aus, ist der Personalrat – wie geschehen – nach Maßgabe der §§ 62 ff LPersVG vor Ausspruch der Kündigung zu beteiligen. Da die ordentliche Kündigung nach § 68 Absatz Nr. 2 LPersVG der Mitbestimmung unterliegt, kann sie nur ausgesprochen werden, wenn ihr der Personalrat zugestimmt hat. Die notwendige Zustimmung kann ausdrücklich erfolgen oder es kann die Zustimmungsfiktion durch Fristablauf eintreten (§ 62 Absatz 2 LPersVG). Letztlich kann die vom Personalrat verweigerte Zustimmung auch noch im Stufenverfahren oder durch die Einigungsstelle ersetzt werden. Der Streit, ob die ordentliche Kündigung nach dem Landespersonalvertretungsgesetz tatsächlich der Mitbestimmung unterliegt, eine angesichts der etwas überraschenden Regelungen in § 68 Absätze 4 bis 6 LPersVG durchaus berechtigte Frage, ist inzwischen entschieden. Nach mehreren etwas unklaren Aussagen dazu hat sich das Bundesarbeitsgericht nunmehr mit der Entscheidung vom 23. Juni 2009 (2 AZR 532/08 – AP Nr. 2 zu § 68 LPVG Mecklenb.-Vorpommern = NZA-RR 2009, 622 = PersR 2009, 447 = PersV 2010, 36) zu der Annahme durchgerungen, dass es sich um ein Mitbestimmungstatbestand handelt. Demnach konnte die Kündigung nur ausgesprochen werden, wenn der Personalrat auf die eine oder die andere Art zuvor seine Zustimmung zu der Maßnahme gegeben hat.

39

bb) Vorliegend hat das beklagte Amt die Kündigung jedoch ohne Vorliegen einer Zustimmung des Personalrats ausgesprochen.

40

Die Stellungnahme des Personalrats vom 8. Juli 2011 kann insoweit nicht als eine Zustimmungserklärung aufgefasst werden. Der gegenteilige Standpunkt des Arbeitsgerichts vermag nicht zu überzeugen. Die Aussage „der Personalrat stimmt … nur zu, wenn mildere Mittel … nicht in Betracht kommen“ kann nicht als eine Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung gewertet werden. Vielmehr wird lediglich eine Zustimmung für den Fall in Aussicht gestellt, dass das geforderte weitere Prüfprogramm keine milderen Mittel offenbaren wird. Das Arbeitsgericht hat gemeint, der Personalrat habe zugestimmt unter der Bedingung, dass die weiteren notwendigen Prüfschritte keine neuen Erkenntnisse bringen würden. Es mag sein, dass dies tatsächlich dem seinerzeitigen Willen der Mitglieder des Personalrats entsprochen hat, im rechtlichen Sinne kann dies aber nicht als eine Zustimmungserklärung gewertet werden, da sie unter Vorbehalt erklärt wurde.

41

Auch das beklagte Amt hatte offensichtlich Schwierigkeiten, den Aussagegehalt der Stellungnahme des Personalrats zweifelsfrei zu erfassen, denn der Amtsvorsteher hat mit Anschreiben vom 13. Juli 2011 beim Personalrat nochmals Nachfrage gehalten (Kopie Blatt 234, in der mündlichen Verhandlung überreicht). Allerdings hat er nur nachgefragt, ob die Stellungnahme eine abschließende sei und nicht weitergehend, ob der Personalrat nun zugestimmt habe oder nicht. Die Antwort des Personalrats vom selben Tage (Kopie Blatt 233, in der mündlichen Verhandlung überreicht) ist dementsprechend für die hier interessierende Frage wenig ergiebig, denn der Personalrat teilt nur mit, er habe sich abschließend geäußert („Die o.g. Stellungnahme ist abschließend zu betrachten und wird nicht geändert“). Durch diese Stellungnahme werden die Zweifel, ob der Personalrat jetzt der Kündigung zugestimmt hat, nicht ausgeräumt. Damit bleibt der Vorbehalt aus der Stellungnahme vom 8. Juli 2011 bestehen, so dass man rechtlich nicht von einer Zustimmung ausgehen kann.

42

Die erforderliche Zustimmung des Personalrats kann aber auch nicht nach § 62 Absatz 2 Satz 5 LPersVG als per Zustimmungsfiktion erteilt gelten. Denn die Zustimmungsfiktion tritt erst mit Ablauf der Frist für die Stellungnahme des Personalrats ein und es kann hier nicht festgestellt werden, dass die Frist zur Stellungnahme für den Personalrat bei Übergabe der Kündigung an die Klägerin am 19. Juli 2011 bereits abgelaufen war.

43

Die Frist für die Stellungnahme des Personalrats beträgt nach § 62 Absatz 2 Satz 3 LPersVG im Regelfall 10 Arbeitstage. Da das Beteiligungsverfahren mit dem Schreiben vom 8. Juli 2011 (Freitag) eingeleitet wurde, ist die reguläre Frist zur Stellungnahme erst am 22. Juli 2011 (Freitag) abgelaufen, wenn man davon ausgeht, dass in der Amtsverwaltung nur von Montag bis Freitag gearbeitet wird. Die Dienststelle hat zwar das Recht, die Frist für die Stellungnahme des Personalrats in dringenden Fällen auf fünf Arbeitstage abzukürzen (§ 62 Absatz 2 Satz 4 LPersVG). Es ist aber nicht davon auszugehen, dass das beklagte Amt die Frist für die Stellungnahme zu der hilfsweise beabsichtigten ordentlichen Kündigung überhaupt abgekürzt hat. Insofern hält das Gericht die Kritik der Klägerin an dem gegenteiligen Standpunkt des Kammervorsitzenden aus dem vorbereitenden Schriftsatz vom 28. September 2012 (hier Blatt 206 f) für berechtigt. Das Beteiligungsanschreiben an den Personalrat lautet bezüglich der Fristabkürzung wörtlich (vgl. hier Blatt 71):

44

„Ich bitte Sie Ihre Stellungnahme spätestens bis zu 13.07.2011 mir zu zuleiten. Spätestens am 14.07.2011 müsste dann [der Klägerin] die Kündigung übergeben werden.“

45

Damit wird die Fristabkürzung in Zusammenhang mit dem drohenden Ablauf der Frist aus § 626 Absatz 2 BGB für die außerordentlichen Kündigung gestellt, die – wenn man die Anhörung der Klägerin zu den Vorwürfen Ende Juni 2011 als Fristbeginn zu Grunde legt – tatsächlich am 14. Juli 2011 abzulaufen drohte. Wegen des engen thematischen Bezugs der Fristabkürzung mit diesem Datum kann nicht angenommen werden, dass das beklagte Amt auch die Frist für die Stellungnahme zu der ordentlichen Kündigung abkürzen wollte. Diese Sichtweise wird durch den Umstand bestätigt, dass für diese Kündigung gar kein Fall der Dringlichkeit vorlag, und daher das beklagte Amt gar nicht berechtigt gewesen wäre, die Frist insoweit wirksam abzukürzen. Auch dieser Umstand spricht dafür, dass das beklagte Amt die Frist gar nicht abkürzen wollte.

46

Das beklagte Amt war auch nicht berechtigt, die Kündigung ohne vorliegende Zustimmung auszusprechen, nur weil der Personalrat zu erkennen gegeben hat, dass er sich mit der Angelegenheit nicht nochmals beschäftigen will. In der Mitteilung des Personalratsvorsitzenden, der Personalrat werde sich zum Antrag auf Zustimmung zur Kündigung nicht weiter äußern, mit einer weiteren Stellungnahme sei nicht zu rechnen, liegt keine Zustimmung im Sinne des § 62 Absatz LPersVG. Eine solche Erklärung bewirkt auch keinen vorzeitigen Eintritt der Zustimmungsfiktion (BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 50/09 - AP Nr. 162 zu § 102 BetrVG = PersR 2010, 305 zum insoweit vergleichbaren niedersächsischen Landespersonalvertretungsgesetz). Die auch hier im Lande gelegentlich zu beobachtende Praxis, nach der sich die Dienststelle nach einer abschließenden Stellungnahme des Personalrats für berechtigt hält, die Kündigung auszusprechen, ist der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG entlehnt. Diese ist jedoch nicht auf die Beteiligungsform der Mitbestimmung übertragbar.

47

2. Unabhängig von den Problemen der Beteiligung des Personalrats hält das Landesarbeitsgericht die Kündigung aber auch für sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Absatz 2 KSchG.

48

In einem ganz allgemeinen Sinne ist eine Kündigung durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt (§ 1 Absatz 2 KSchG), wenn der Arbeitnehmer vorwerfbar eine seiner vertraglichen Pflichten verletzt hat und es dadurch zu Störungen im Vertragsverhältnis gekommen ist. Liegt ein solcher Fall vor, ist die Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn es zu ihr keine mildere Alternative gibt und wenn die notwendige Interessenabwägung nicht zu einem Überwiegen der Bestandsinteressen des Arbeitnehmers führt.

49

Gemessen an diesem Maßstab kann die vorliegende Kündigung nicht als sozial gerechtfertigt angesehen werden.

50

a) Das Landesarbeitsgericht neigt zu der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass das Auftauchen des streitigen Dokuments bei Herrn E. der Klägerin zuzurechnen ist. Die für diese Schlussfolgerung sprechenden Indizien sind überwältigend. Die Klägerin hat – was sie sogar einräumt – das Dokument, als es sich noch im Entwurfsstadium befunden hat, ausgedruckt. Nach Lage der Dinge muss dies am 29. April 2011 geschehen sein. Denn zu diesem Zeitpunkt ist ein von der Klägerin unter ihrem Nutzernamen erfolgter Ausdruck des Dokuments dokumentiert und die Klägerin hat weder behauptet, dass sie das Dokument mehrfach ausgedruckt habe, noch hat sie Hinweise darauf gegeben, zu welchem anderen Zeitpunkt sie das Dokument ausgedruckt haben will.

51

An dem Tag des Ausdrucks hatte sie vormittags einen Ortstermin in ihrem ehemaligen Wohnort S., in dem heute noch ihre Mutter und einige Geschwister wohnen, und hat dann kurz nach ihrer Rückkehr ins Amt den Ausdruck vorgenommen. Ihr Argument, dies sei geschehen, um ihrer Kollegin fachlich beistehen zu können, hat nur eine geringe Überzeugungskraft, denn es war Freitag kurz vor Feierabend und die Klägerin sagt selbst, sie hätte zum Zeitpunkt des Ausdrucks überhaupt keine Zeit gehabt, sich mit der Vorlage näher zu beschäftigen und habe sie sofort für später beiseitegelegt. Auch Frau D. war wohl mit anderen Dingen beschäftigt und hatte keine Zeit, sich mit der Klägerin über diese Angelegenheit zu unterhalten. – Wenn es also stimmen sollte, dass Frau D. die Klägerin um Unterstützung gebeten haben sollte – wobei nicht vorgetragen ist, wann diese Bitte erfolgt sein soll – hätte es eigentlich näher gelegen, sich dazu allenfalls eine Notiz zu machen und den Ausdruck möglichst zeitnah zu der Unterstützung vorzunehmen, denn wenn Frau D. tatsächlich auf die Klägerin zugegangen sein sollte, musste dieser auch klar sein, dass das Dokument noch nicht fertig ist und Frau D. weiter an ihm arbeiten würde. Durch einen vorzeitigen Ausdruck bestand nur die Gefahr, dass sich die Klägerin mit einem schon veralteten Dokument beschäftigen würde.

52

Auch der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ausdruck des Dokuments und seinem Auftauchen bei Herrn E. spricht gegen die Klägerin. Schließlich ist es nicht so recht nachvollziehbar, wenn die Klägerin vorträgt, sie habe das ausgedruckte Dokument dann sogar sozusagen vergessen und wisse nicht mehr, wo es geblieben ist. Denn wenn sie in der Angelegenheit im Dialog mit Frau D. gestanden hatte, hätte diese, da sie Anfang Mai 2011 unter Zeitdruck stand, die Klägerin sicherlich nochmals auf die Angelegenheit angesprochen.

53

b) Nicht ganz nachvollziehbar ist jedoch die Betonung des beklagten Amtes im Berufungsrechtszug, man habe ja eine Verdachtskündigung ausgesprochen, so dass man der Klägerin gar nicht nachzuweisen habe, dass sie tatsächlich für die Weitergabe des Dokuments verantwortlich sei, die gegebenen Verdachtsmomente würden jedenfalls ausreichen, um das Vertrauen zu zerstören.

54

Diese Aussage mag zwar in der Sache zutreffen, der Personalrat ist aber zu einer Tatkündigung und nicht zu einer Verdachtskündigung angehört worden. Das beklagte Amt hat zwar in der Anhörung weder das eine noch das andere Wort ausdrücklich verwendet. Der Kernsatz in dem Anhörungsschreiben (Kopie hier Blatt 71) lautet jedoch „Der Hauptausschuss ist … zu der Auffassung gelangt“ der Klägerin „eine außerordentliche Kündigung wegen einer schweren Dienstverletzung auszusprechen …“. Daraus kann nur gefolgert werden, dass das beklagte Amt der Überzeugung gewesen ist, man könne der Klägerin die Tat nachweisen. Da der Personalrat nur zu einer Tatkündigung angehört wurde, kann das beklagte Amt nicht vor Gericht umschwenken, und die Kündigung nunmehr mit dem gegen die Klägerin bestehenden Verdacht begründen. Denn gerichtlich verwertbar sind nur die Kündigungsgründe, die der Arbeitgeber dem Betriebs- oder Personalrat bei dessen Beteiligung als für die Kündigung maßgebend mitgeteilt hat.

55

c) Die Frage, ob man dem Arbeitsgericht in seiner Annahme folgen kann, die vorgetragenen Tatsachen reichten aus, um der Klägerin die Pflichtverletzung nachzuweisen, kann aber letztlich offen bleiben. Denn nach der Überzeugung des Berufungsgerichts könnte die soziale Rechtfertigung der streitgegenständlichen Kündigung selbst dann nicht festgestellt werden, wenn man zu Gunsten des beklagten Amtes unterstellt, der Beweis, dass die Klägerin das Dokument Herrn E. zugespielt hat, sei geführt.

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aa) Unterstellt man zu Gunsten der Beklagten, dass die Klägerin das Dokument Herrn E. zugespielt hat, handelt es sich um eine schwere Pflichtverletzung.

57

Die Klägerin ist verpflichtet, ihr bekannt gewordene dienstinterne Kenntnisse vertraulich zu behandeln. Das Amt als Arbeitgeberin muss sich darauf verlassen können, dass Dienstgeheimnisse der Verwaltung nicht unbefugt nach außen dringen. Dass Arbeitnehmer verpflichtet sind, Dienstgeheimnisse des Arbeitgebers zu respektieren und sie nicht zu brechen, ist für alle Arbeitsverhältnisse allgemein anerkannt. Die Pflicht, die Dienstgeheimnisse zu respektieren, gilt in besonderem Maße für Arbeitgeber, die – wie das beklagte Amt – durch ein demokratisch legitimiertes Organ geführt oder kontrolliert werden. Denn in einer solchen Situation kann man die Gefahr, dass die demokratisch legitimierten Vertreter versuchen, an der Verwaltungsspitze vorbei sich die notwendigen Informationen direkt von den dort Beschäftigten besorgen wollen, als ein durchaus strukturelles Problem ansehen.

58

Dieses Problem ist gerade in kleineren kommunalen Einheiten besonders groß, denn hier sind die Verbindungen zwischen den demokratisch legitimierten Vertretern der Bürgerschaft und den Beschäftigten in der Verwaltung durch Anknüpfungspunkte auf den verschiedensten Ebenen (Familie, Nachbarschaft, Schule, Vereine, Parteien o.ä.) häufig besonders eng. Trotz der im Einzelfall vielleicht durchaus verständlichen Begehrlichkeiten der Bürger oder ihrer Vertreter in der Führungs- oder Kontrollfunktion ist die Verwaltung darauf angewiesen, bestimmen zu können, zu welchem Zeitpunkt sie mit welchen Informationen an die Öffentlichkeit geht und zu welchem Zeitpunkt und in welcher Weise sie das demokratisch legitimierte Aufsichts- oder Führungsorgan in einzelnen Angelegenheiten unterrichtet. Anders lässt sich ein geordnetes Verwaltungshandeln nicht vorstellen.

59

bb) Die Klägerin hat gegen diese Pflicht zur Geheimhaltung der verwaltungsinternen Vorgänge vorsätzlich verstoßen. Der Klägerin war in doppelter Weise erkennbar, dass das streitige Objekt als verwaltungsinterner Vorgang noch der Geheimhaltung unterliegt. Denn zum einen handelte es sich um ein unfertiges Dokument, das beim Lesen wegen des Durcheinanders aktueller und veralteter Textelemente – wenn man nicht die Hintergründe kennt – den Eindruck einer unfähigen stümperhaft agierenden Verwaltung vermittelt. Zum anderen unterlag das Dokument der Geheimhaltung, weil es der Gemeindevertretung im Rahmen des nichtöffentlichen Teils einer Gemeindevertretersitzung vorgelegt werden sollte.

60

Das Gericht muss auch davon ausgehen, dass der Klägerin beide Gesichtspunkte bekannt waren. Wenn man im hiesigen Zusammenhang unterstellt, die Klägerin habe das Dokument Herrn E. zugespielt, muss man auch davon ausgehen, dass sie das Dokument auch gelesen hat. Der dort vorhandene Mix aus aktuellen und veralteten Textteilen tritt schon bei oberflächlichem Lesen so offen zu Tage, dass er auch der Klägerin aufgefallen sein muss. Außerdem war ihr aus ihrer langjährigen Zugehörigkeit zum beklagten Amt auch die Praxis bekannt, solche brisanten Angelegenheiten im nichtöffentlichen Teil der Gemeindevertretung zur Abstimmung zu stellen.

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cc) Die vorsätzliche Pflichtverletzung der Klägerin hatte auch beachtliche dienstliche Auswirkungen. Da ist zum einen der nur schwer wiederherzustellende Rufschaden, der dadurch eingetreten ist, dass ein unfertiges Dokument an die Öffentlichkeit gelangt ist, die geneigt sein könnte, daraus einen Schluss auf die Unfähigkeit der Verwaltung oder einzelner dort tätiger Mitarbeiter zu ziehen. Die deftige Äußerung, die der stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde gegenüber dem Leitenden Verwaltungsbeamten abgegeben hat (zitiert hier Blatt 30), mag zwar im Ton sehr grob sein, zeigt in der Sache jedoch zutreffend das dadurch aufgetretene Image-Problem der Verwaltung auf.

62

Zum anderen ist die Informationspolitik des beklagten Amtes durch das Bekanntwerden des Dokuments und damit durch Bekanntwerden des vorgeschlagenen Votums für das gemeindliche Einvernehmen kurz vor dem 1. Mai, zu dem traditionell viel mit Nachbarn und Freunden geredet wird, empfindlich gestört worden.

63

dd) Bei der Bewertung von Art und Ausmaß des Fehlverhaltens gibt es nur Weniges, was man zu Gunsten der Klägerin ins Feld führen kann.

64

Trotzdem verdient es hervorgehoben zu werden, dass die Informationspolitik des beklagten Amtes durch das Zuspielen des Dokuments nur für wenige Tage gestört wurde. Denn wenn alles nach Plan gelaufen wäre, wäre die – dann allerdings fertige – Beschlussvorlage noch in der ersten Mai-Woche sowieso an die Mitglieder des Ausschusses für Finanzen, Bau und Dorferneuerung, und damit auch an Herrn E. versandt worden.

65

Zum anderen muss festgehalten werden, dass das beklagte Amt auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung das Gericht nicht davon zu überzeugen vermochte, dass es gewichtige Gründe dafür gab, die eigentlich alle Bürger angehende Angelegenheit der Herstellung des gemeindlichen Einvernehmens wegen der geplanten Biogasanlage in einer nichtöffentlichen Sitzung abzuhandeln. Diese Frage war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und das Amt konnte außer dem Interesse an einer geräusch- und reibungslosen Behandlung der Angelegenheit keine Gesichtspunkte ins Feld führen, die eine Abstimmung im Rahmen des nichtöffentlichen Teils der Sitzung rechtfertigen könnten. Dies hat das Gericht nicht überzeugt.

66

d) Die vom beklagten Amt ins Feld geführte Vorbelastung des Arbeitsverhältnisses wegen früherer Probleme in der Zusammenarbeit, vermag die Bewertung des Vorgefallenen nur unwesentlich zu Gunsten des beklagten Amtes zu verändern.

67

aa) Bewertungsneutral ist insbesondere die ausführliche Schilderung der krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin in den Jahren 2007 bis 2009 (tabellarische Übersicht als Anlage B 5 überreicht, hier Blatt 50). Diese schwierige Lebensphase der Klägerin scheint überwunden zu sein. Die seinerzeitigen Belastungen durch die Ausfallzeiten haben keinen erkennbaren Bezug zu den derzeitigen Problemen mit der Klägerin.

68

bb) Die Vorfälle, die zu der Abmahnung vom 25. März 2008 geführt hatten (Kopie als Anlage B 4 überreicht, hier Blatt 47 ff), haben zum Teil gar keine und wenn ja nur sehr vage Bezüge zu den Problemen, die zu der Kündigung geführt haben.

69

Im Punkt 1 der Abmahnung wird der Klägerin vorgeworfen, sie hätte eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) für den Transport von Teilen einer Windkraftanlage in F. (Gemeinde S.) zögerlich bearbeitet. Für den am 7. November 2007 eingegangenen Antrag hätte die Klägerin erst am 12. November 2007 einen unterschriftsreifen Bescheid vorgelegt, obwohl dies auch ein oder zwei Tage schneller hätte gehen können.

70

Eine besondere Schwere dieses Pflichtverstoßes – wenn er sich den beweisen ließe – kann das Gericht nicht erkennen. Interessant für die vorliegende Entscheidung ist allein der Umstand, dass es mal wieder um eine Angelegenheit der Gemeinde S. ging, und die Klägerin – wenn man das mal im Ausdruck etwas überspitzt – versucht hat, durch Dienst nach Vorschrift die Angelegenheit zu verzögern.

71

Ebenfalls Bezüge zur Gemeinde S. haben Teile der Vorwürfe, die in der Abmahnung unter Punkt 3 zusammengefasst sind. Der Vorwurf lautet zwar auf das Führen von Privattelefonaten während der Arbeitszeit, interessant ist im hiesigen Zusammenhang aber allenfalls der Umstand, dass die Vorwürfe Hinweise darauf geben, dass die Klägerin im Einzelfall durchaus bereit ist, sich für Angelegenheiten der Einwohner der Gemeinde S. einzusetzen, unabhängig davon, ob diese zu ihrem dienstlichen Aufgabenkreis gehören.

72

Die Vorwürfe zu den Punkten 2 und 4 aus der Abmahnung können hier unerwähnt bleiben, da sie keinen Bezug zu den Vorfällen, die zur Kündigung geführt haben, aufweisen. Dies gilt ebenso für die Vorwürfe aus der Abmahnung vom 15. Mai 2009 (Kopie als Anlage B 7 überreicht, es wird Bezug genommen).

73

Aus den Vorfällen, die der Abmahnung zu Grunde liegen, lässt sich immerhin entnehmen, dass die Klägerin – sofern es um Angelegenheiten ihrer ehemaligen Wohngemeinde geht – gelegentlich geneigt ist, die Grenzen ihrer Rolle als einfache Verwaltungsmitarbeiterin zu überschreiten. Eine wesentliche Beeinflussung der Bewertung des Kündigungssachverhalts folgt daraus nicht. Denn in der Abmahnung ist ihr diese Schwäche so nicht vorgeworfen worden.

74

cc) Soweit das beklagte Amt zusätzlich auf die Belastungen verweist, die daraus herrühren, dass die Klägerin die ihr übertragenen Aufgaben nach Auffassung des beklagten Amtes nicht immer fehlerfrei erledigt hat, kann das Gericht daraus keine Verbindung mit dem Kündigungsanlass erkennen. Die vom beklagten Amt gesehenen Fehler in der Aufgabenerfüllung haben zwar zu einem auffällig häufigen Wechsel der Arbeitsaufgabe bei der Klägerin geführt. Es ist aber nicht erkennbar, dass daraus eine dauerhafte Belastung aufgrund einer nur eingeschränkten Einsetzbarkeit der Kollegin entstanden sein könnte.

75

e) Das aufgezeigte und bewertete Fehlverhalten rechtfertigt die streitige Kündigung nicht, denn das legitime Ziel des beklagten Amtes, die Eigenmächtigkeiten der Klägerin, die sich gelegentlich im Umgang mit Angelegenheiten, die die Gemeinde S. betreffen, zeigen, wirksam zu unterbinden, ließe sich nach Überzeugung des Gerichts auch durch eine präzise dieses Problem aufgreifende Abmahnung für die Zukunft unterbinden.

76

Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 323 Absatz 2 BGB seit 2002 sogar eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - BAGE 134, 349 = AP Nr. 229 zu § 626 BGB = DB 2010, 2395 = NJW 2011, 167; BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 10. Juni 2010 aaO; BAG Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 – AP Nr. 59 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; BAG 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - AP Nr. 20 zu § 174 BGB).

77

Auf die im Regelfall erforderliche Abmahnung kann vorliegend nicht verzichtet werden.

78

aa) Art und Ausmaß des Fehlverhaltens und die Erfahrungen in der bisherigen Zusammenarbeit lassen nicht mit der erforderlichen Sicherheit den Schluss zu, dass die Klägerin bereit wäre, auch nach einer gezielten Abmahnung ihre gelegentlichen Eigenmächtigkeiten beim Umgang mit Angelegenheiten der Gemeinde S. fortzusetzen. Aufgrund der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass der Klägerin bis heute nicht richtig klar geworden ist, worin eigentlich das Problem ihrer Amtsauffassung besteht und wie gefährlich nahe sie aufgrund ihrer fehlgeleiteten Amtsauffassung gelegentlich vor einer wirksamen Kündigung steht.

79

Um das auch für die Klägerin nochmals in aller Deutlichkeit zusammen zu fassen: Als Mitarbeiterin des öffentlichen Dienstes ist die Klägerin zur unbedingten Neutralität bei der Erledigung der ihr obliegenden Amtsgeschäfte verpflichtet. Persönliche Bindungen oder Sympathien dürfen weder im positiven noch im negativen Sinne Einfluss auf die Erledigung der ihr übertragenen Dienstgeschäfte haben. Die Öffentlichkeit vertraut darauf, dass die Angehörigen des öffentlichen Dienstes ihre Aufgaben ohne Ansehen der Person erledigen; sollte dieses Vertrauen durch negative Gegenbeispiele zerstört werden, wäre dies ein nicht wieder reparabler Schaden für unser Gemeinwesen. Das beklagte Amt hat daher alles Recht, in dieser Frage einen besonders strengen Maßstab anzulegen. In gleicher Weise ist es der Klägerin verboten zu versuchen, auf weitere Mitarbeiter der Amtsverwaltung aus persönlichen Motiven Einfluss auf deren Amtsausübung zu nehmen; die Klägerin hat die ihr übertragenen Aufgaben zu erledigen, nicht mehr und nicht weniger. Schließlich darf die Klägerin auch nicht den Informationsvorsprung, den sie in vielen Angelegenheiten durch ihre Zugehörigkeit zum beklagten Amt hat, zum Vorteil einzelner Gemeinden oder einzelner Mitglieder der Gemeinden nutzen. Sie muss anerkennen, dass es die Sache ihrer Dienstvorgesetzten ist, darüber zu entscheiden, wann wer in welchem Umfang über dienstliche Belange des Amtes unterrichtet wird. Und dies alles gilt in derselben Strenge auch dann, wenn die Klägerin feststellen müsste, dass sich rings um sie herum andere Bedienstete ähnlich verhalten, wie das die Klägerin bisher getan hat. Denn es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Das – hier als bewiesen unterstellte – Verhalten der Klägerin war grob pflichtwidrig und eine auf einen ähnlichen Vorfall gestützte zukünftige Kündigung könnte aufgrund der Warnfunktion, die vom vorliegenden Kündigungsschutzverfahren ausgeht, auch ohne vorausgehende förmliche Abmahnung sozial gerechtfertigt sein.

80

bb) Die Pflichtverletzung der Klägerin wiegt auch nicht so schwer, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für die Klägerin erkennbar - ausgeschlossen war.

81

Wie bereits oben aufgezeigt, hat die Klägerin keine Informationen verraten, die dauerhaft vor den Vertretern der Gemeinde S. geheim gehalten bleiben sollten. Vielmehr war das streitige Dokument sogar dafür gedacht, den Vertreter der Gemeinde S. als Entscheidungsgrundlage für das gemeindliche Einvernehmen mit der Biogasanlage vorgelegt zu werden. Durch das Verhalten der Klägerin ist die Kenntnisnahme lediglich verfrüht erfolgt. Damit sollen die damit entstandenen Probleme nicht klein geredet werden; bei dieser Problemlage kann man aber nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass ein überlegt und abwägend handelnder Arbeitgeber ein solches Fehlverhalten auf jeden Fall zum Anlass einer Kündigung nehmen würde. Dies gilt vorliegend schon deshalb, weil ein überlegt und abwägend handelnder Arbeitgeber bei seinen Überlegungen auch in Rechnung gestellt hätte, dass die Klägerin seit bald 25 Jahren der Dienststelle angehört und sie daher erwarten darf, dass in ihrem Falle die Lösung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung besonders sorgfältig erwogen wird.

II.

82

Der Auflösungsantrag des beklagten Amtes ist nicht begründet.

83

Nach §§ 9 Absatz 1 Satz 2, 10 KSchG kann das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Arbeitgebers vom Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.

84

Das Vorliegen dieser Voraussetzung kann hier nicht festgestellt werden. Aus den obigen Ausführungen zur Bewertung des Kündigungssachverhaltes ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis noch eine Zukunft hat, wenn die Klägerin in Auswertung der Urteile im vorliegenden Rechtsstreit begreift, worin eigentlich ihr Fehlverhalten besteht und sie ihr Verhalten zukünftig an ihre Rechtspflichten anpasst. Damit steht aber eben gerade noch nicht fest, dass es nicht zu einer weiteren gedeihlichen Zusammenarbeit der Parteien kommen könnte.

85

Im Übrigen ist die Kündigung wie aufgezeigt auch wegen § 68 Absatz 7 LPersVG unwirksam, was das Recht des Arbeitgebers ausschließt, einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG zu stellen. Dem Arbeitgeber steht das Recht, auf die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses anzutragen, nur zu, wenn die Kündigung ausschließlich wegen ihrer fehlenden sozialen Rechtfertigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Ist sie auch noch aus anderen Gründen unwirksam, kommt eine gerichtliche Auflösung nicht in Betracht (vgl. nur BAG 28. August 2008 – 2 AZR 63/07 – BAGE 127, 329 = AP Nr. 62 zu § 9 KSchG 1969 = DB 2009, 630).

III.

86

Da das Gericht der streitigen Kündigung die Wirksamkeit versagt hat, hat die Klägerin auch Anspruch darauf, während des weiteren Laufs des Kündigungsrechtsstreits weiter beim beklagten Amt beschäftigt zu werden. Dies entspricht dem Rechtsstandpunkt des Bundesarbeitsgerichts seit der Entscheidung des Großen Senats vom 27. Februar 1985 (GS 1/84 – BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht = NZA 1985, 702 = DB 1985, 2197).

IV.

87

Das beklagte Amt trägt die Kosten des Rechtsstreits, da es diesen verloren hat (§ 91 ZPO).

88

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision aus § 72 ArbGG sind nicht erfüllt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 23. Okt. 2012 - 5 Sa 334/11

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

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(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem ander

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(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältni

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(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen. (2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsver

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Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die

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(1) Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 wird im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden. Das Einvernehmen der Gemeinde ist auch erforderlich, wenn in einem anderen Verfahren über die Zulässigkeit nach den in Satz 1 bezeichneten Vorschriften entschieden wird; dies gilt nicht für Vorhaben der in § 29 Absatz 1 bezeichneten Art, die der Bergaufsicht unterliegen. Richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Absatz 1, stellen die Länder sicher, dass die Gemeinde rechtzeitig vor Ausführung des Vorhabens über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 entscheiden kann. In den Fällen des § 35 Absatz 2 und 4 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung allgemein oder für bestimmte Fälle festlegen, dass die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde erforderlich ist.

(2) Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde dürfen nur aus den sich aus den §§ 31, 33, 34 und 35 ergebenden Gründen versagt werden. Das Einvernehmen der Gemeinde und die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gelten als erteilt, wenn sie nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert werden; dem Ersuchen gegenüber der Gemeinde steht die Einreichung des Antrags bei der Gemeinde gleich, wenn sie nach Landesrecht vorgeschrieben ist. Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. November 2008 - 13 Sa 912/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 13. Februar 2008 - 6 Ca 82/07 - teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2007 nicht beendet worden ist.

3. Wegen der übrigen Klageanträge wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier betriebsbedingter Kündigungen.

2

Der 1971 geborene Kläger ist Maurer- und Betonbauermeister. Seit dem 1. Oktober 1996 ist er als Ausbildungsmeister bei der Beklagten beschäftigt. In den Jahren 2002/2003 absolvierte er einen Lehrgang und eine Meisterprüfung als Zimmerer. Mit Wirkung vom 18. April 2006 ist er einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

3

Die Beklagte betreibt überbetriebliche Ausbildung für das Maurer- und Zimmererhandwerk. Noch im Jahr 2000 beschäftigte sie unter insgesamt etwa 30 Arbeitnehmern vier Meister. Nachdem sich die Zahl der Auszubildenden bis 2007 im Maurerbereich von 137 auf 68 und im Zimmererbereich von 124 auf 67 reduziert hatte, beschloss sie, Ausbildungsangebote nur noch einzügig anzubieten und dafür lediglich zwei Ausbildungsmeister einzusetzen.

4

Mit Schreiben vom 23. Januar 2007 informierte die Beklagte den Personalrat über die beabsichtigte Kündigung des Klägers und bat um Mitteilung, welcher der drei im Jahr 2007 noch beschäftigten Ausbildungsmeister nach seiner - des Personalrats - Einschätzung am wenigsten sozial schutzwürdig sei. Mit Schreiben vom 30. Januar 2007 beantragte sie die Zustimmung zur fristgerechten Kündigung. Der Personalratsvorsitzende teilte dem Geschäftsführer daraufhin mit, dass der Personalrat der Kündigung weder zustimmen noch sie ablehnen werde und mit einer weiteren Stellungnahme des Gremiums nicht zu rechnen sei. Mit Schreiben vom 31. Januar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. Juni 2007. Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 kündigte sie ein weiteres Mal zum 31. Dezember 2007.

5

Mit seiner am 19. Februar 2007 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die rückläufigen Auszubildendenzahlen rechtfertigten eine betriebsbedingte Kündigung nicht. Auch sei die Sozialauswahl fehlerhaft. Im Übrigen habe der Personalrat der Kündigung vom 31. Januar 2007 entgegen § 68 des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes vom 22. Januar 2007 (NPersVG) nicht zugestimmt. Bei Zugang der Kündigung habe weder eine Zustimmungserklärung vorgelegen noch die Zustimmung als erteilt gegolten.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.   

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 31. Januar 2007 und 26. Juni 2007 nicht beendet worden ist;

        

2.   

die Beklagte für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Ausbildungsmeister auf der Grundlage seines bisherigen Arbeitsvertrags weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen seien wirksam. Der Personalrat habe schon der Kündigung vom 31. Januar 2007 zugestimmt. Durch Übergabe des Anhörungsschreibens an seinen Vorsitzenden sei das Mitbestimmungsverfahren tags zuvor eingeleitet worden. Da der Personalrat beschlossen habe, sich zur Kündigung nicht zu äußern, und der Vorsitzende dies ihrem Geschäftsführer noch am 30. Januar 2007 mündlich mitgeteilt und erklärt habe, mit einer weiteren Stellungnahme sei nicht zu rechnen, gelte die Zustimmung zu diesem Zeitpunkt als erteilt.

8

Das Arbeitsgericht hat - nach Beweisaufnahme - die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Die Kündigung vom 31. Januar 2007 ist unwirksam. Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat vermag über die Wirksamkeit der Kündigung vom 26. Juni 2007 nicht abschließend zu entscheiden.

10

A. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Januar 2007 nicht beendet worden. Die Kündigung ist nach § 65 Abs. 2 Nr. 9, § 68 Abs. 1 und 2 NPersVG iVm. § 108 Abs. 2 BPersVG unwirksam. Es mangelt ihr an der erforderlichen Zustimmung des Personalrats.

11

I. Nach § 108 Abs. 2 BPersVG ist eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht oder nicht ordnungsgemäß beteiligt worden ist (Senat 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 14, BAGE 123, 175; 2. Februar 2006 - 2 AZR 38/05 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 142 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 144). Diese bundesrechtliche Regelung gilt für die Länder unmittelbar. Danach ist eine Kündigung wegen mangelnder Beteiligung der Personalvertretung in allen Fällen unwirksam, in denen das Landesrecht eine Beteiligung des Personalrats vorschreibt. Die ordnungsgemäße Durchführung des jeweiligen vom Landesgesetzgeber vorgeschriebenen Beteiligungsverfahrens ist Wirksamkeitsvoraussetzung einer jeden Kündigung (BVerfG 27. März 1979 - 2 BvL 2/77 - zu B I 1 a der Gründe, BVerfGE 51, 43). Dies gilt auch, soweit das Landesrecht die Zustimmung des Personalrats zur Voraussetzung der Wirksamkeit macht.

12

II. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 31. Januar 2007 gekündigt, bevor das nach § 65 Abs. 2 Nr. 9, § 68 Abs. 1 und 2 NPersVG durchzuführende Mitbestimmungsverfahren abgeschlossen war.

13

1. Nach § 65 Abs. 2 Nr. 9 NPersVG bestimmt der Personalrat bei einer ordentlichen Kündigung mit. Soweit eine Maßnahme der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, bedarf sie nach § 68 Abs. 1 NPersVG seiner Zustimmung. Gemäß § 68 Abs. 2 NPersVG hat die Dienststelle den Personalrat von der beabsichtigten Maßnahme schriftlich zu unterrichten und seine Zustimmung zu beantragen. Der Beschluss des Personalrats ist der Dienststelle innerhalb von zwei Wochen nach Zugang des Antrags mitzuteilen. Die Zustimmung gilt als erteilt, wenn der Personalrat sie nicht innerhalb der Frist schriftlich unter Angabe von Gründen verweigert oder die aufgeführten Gründe offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach den §§ 64 bis 67 NPersVG liegen.

14

2. Im Streitfall ist die Kündigung der Beklagten ohne ausdrückliche Zustimmung des Personalrats und vor Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 68 Abs. 2 NPersVG erklärt worden.

15

a) Der Personalrat hat der Kündigung weder ausdrücklich noch konkludent zugestimmt. In der Mitteilung seines Vorsitzenden, der Personalrat werde sich zum Antrag auf Zustimmung zur Kündigung nicht schriftlich äußern und der Kündigung weder zustimmen noch sie ablehnen, mit einer weiteren Stellungnahme sei nicht zu rechnen, liegt keine Zustimmung iSd. § 68 Abs. 1 NPersVG. Aus diesem Grund kann dahingestellt bleiben, ob der Personalratsvorsitzende auf der Basis eines wirksamen Beschlusses handelte und die Beklagte ggf. auf die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses vertrauen durfte (vgl. dazu BVerwG 13. Oktober 1986 - 6 P 14.84 - BVerwGE 75, 62, 67; Weber in Richardi/Dörner/Weber BPersVG 3. Aufl. § 69 Rn. 53 mwN; Fischer/Goeres/Gronimus in Fürst GKöD V Stand Juli 2004 K § 69 Rn. 9g).

16

b) Die Zustimmung des Personalrats gilt auch nicht als erteilt.

17

aa) Gemäß § 68 Abs. 2 NPersVG wird die Zustimmung des Personalrats fingiert, wenn dieser sie nicht innerhalb der zweiwöchigen Äußerungsfrist - schriftlich unter Angabe von Gründen - verweigert hat. Diese Frist begann im Streitfall mit der Zuleitung des Antrags auf Zustimmung an den Personalratsvorsitzenden am 30. Januar 2007. Bei Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 31. Januar 2007 war sie noch nicht abgelaufen. Die gesetzliche Zustimmungsfiktion war folglich noch nicht eingetreten.

18

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Erklärung des Personalratsvorsitzenden vom 30. Januar 2007, der Personalrat werde zum Antrag auf Zustimmung zur Kündigung nicht Stellung nehmen, keinen vorzeitigen Eintritt der Fiktion bewirkt.

19

Nach dem Wortlaut des § 68 Abs. 2 NPersVG gilt die Zustimmung des Personalrats erst nach Ablauf der gesetzlichen Äußerungsfrist und nicht schon mit Zugang einer Erklärung von dessen Seite als erteilt, er werde der Kündigung weder zustimmen noch ihr widersprechen (vgl. auch BAG 19. November 2009 - 6 AZR 800/08 - Rn. 14, NZA 2010, 278; 23. November 2006 - 6 AZR 317/06 - Rn. 37, BAGE 120, 239; BVerwG 7. Dezember 1994 - 6 P 35.92 - zu II 2 d bb der Gründe, AP BAT § 2 SR 2y Nr. 13). Die Beklagte konnte die Kündigung deshalb selbst dann nicht wirksam vor Ablauf der Zweiwochenfrist aussprechen, wenn die Erklärung des Personalratsvorsitzenden, wie sie gemeint hat, tatsächlich als abschließende Äußerung der Personalvertretung anzusehen sein sollte.

20

Eine Abkürzung der Äußerungsfrist und einen darauf beruhenden vorzeitigen Eintritt der Zustimmungsfiktion lässt das Gesetz nicht zu. Die vom Landesarbeitsgericht herangezogene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, derzufolge der Arbeitgeber bereits vor Ablauf der Wochenfrist des § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG kündigen kann, wenn der Betriebsrat abschließend zur Kündigungsabsicht Stellung genommen hat (vgl. 12. März 1987 - 2 AZR 176/86 - zu B I 1 b und c der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 47 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 71; 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 3 der Gründe, BAGE 27, 209), kann wegen der Unterschiedlichkeit der Beteiligungsrechte auf das Mitbestimmungsverfahren bei einer ordentlichen Kündigung nach § 68 Abs. 2 NPersVG nicht übertragen werden. Sie verstieße gegen das im NPersVG normierte positive Konsensprinzip (zu § 79 PersVG Berlin: BAG 19. November 2009 - 6 AZR 800/08 - Rn. 14, NZA 2010, 278; vgl. auch Weber in Richardi/Dörner/Weber BPersVG 3. Aufl. § 69 Rn. 13). Der Personalrat besitzt bei der Kündigung eines Arbeitnehmers nicht nur ein Anhörungsrecht. Eine ordentliche Kündigung bedarf seiner vorherigen Zustimmung. Diese muss in jedem Fall vor Ausspruch der Kündigung vorliegen. Entweder sie wurde vom Personalrat selbst innerhalb zweier Wochen erteilt oder sie wurde nach form- und fristgerechter Verweigerung im Verfahren nach § 70 NPersVG erzielt, äußerstenfalls also durch eine Entscheidung der obersten Dienstbehörde ersetzt, oder sie wurde nach Ablauf von zwei Wochen gesetzlich fingiert. Einen „vierten Weg“ in Gestalt einer Zustimmungsfiktion vor Ablauf von zwei Wochen gibt es nicht. Selbst bei ausdrücklicher und fristgemäßer Zustimmungsverweigerung aus Gründen, die „offensichtlich außerhalb der Mitbestimmung nach §§ 64 bis 67 liegen“ (§ 68 Abs. 2 Satz 6 NPersVG), gilt die Zustimmung erst nach Ablauf der zweiwöchigen Äußerungsfrist und nicht bereits mit Eingang der unbeachtlichen abschließenden Verweigerung als erteilt (zu § 79 PersVG Berlin: BAG 19. November 2009 - 6 AZR 800/08 - Rn. 14 mwN, aaO). Für den Fall, dass der Personalrat - wie hier - innerhalb der Äußerungsfrist noch nicht einmal inhaltlich zur Kündigungsabsicht Stellung genommen und ihr widersprochen, sondern nur erklärt hat, er werde sich inhaltlich gerade nicht äußern, kann nichts anderes gelten. Auch in diesem Fall verkürzt sich die gesetzliche Frist bis zum Eintritt der Zustimmungsfiktion nicht. Eine solche Annahme liefe auf eine nicht gerechtfertigte Anwendung des Gesetzes jenseits seines Wortsinns hinaus.

21

B. Die Sache ist nicht in vollem Umfang entscheidungsreif. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Kündigung vom 26. Juni 2007 beendet worden ist, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beurteilen. Das Berufungsgericht hat sich - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - mit dieser Kündigung nicht befasst. Das wird es nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Eylert    

        

        

        

    Röder    

        

    Niebler    

        

        

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2008 - 2 Ca 3632/08 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung, noch durch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die 1958 geborene Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt.

3

Die Beklagte ist ein überregional vertretenes Einzelhandelsunternehmen. In einigen ihrer Filialen, so auch in der Beschäftigungsfiliale der Klägerin, besteht die Möglichkeit, Leergut an einem Automaten gegen Ausstellung eines Leergutbons zurückzugeben. Wird ein solcher Bon an der Kasse eingelöst, ist er von der Kassiererin/dem Kassierer abzuzeichnen. Mitarbeiter der Filiale sind angewiesen, mitgebrachtes Leergut beim Betreten des Markts dem Filialleiter vorzuzeigen und einen am Automaten erstellten Leergutbon durch den Leiter gesondert abzeichnen zu lassen, bevor sie den Bon an der Kasse einlösen. Dort wird er wie ein Kundenbon ein weiteres Mal abgezeichnet. Diese Regelungen, die Manipulationen beim Umgang mit Leergut ausschließen sollen, sind der Klägerin bekannt.

4

Im Herbst 2007 beteiligte sich die Klägerin mit weiteren sieben von insgesamt 36 Beschäftigten ihrer Filiale an einem gewerkschaftlich getragenen Streik. Während die Streikbereitschaft anderer Arbeitnehmer mit der Zeit nachließ, nahm die Klägerin bis zuletzt an den Maßnahmen teil. Im Januar 2008 lud der Filialleiter Beschäftigte, die sich nicht am Arbeitskampf beteiligt hatten, zu einer Feier außer Hause ein. Aus diesem Grund wurde er später von der Beklagten abgemahnt und in eine andere Filiale versetzt.

5

Am 12. Januar 2008 fand eine Mitarbeiterin im Kassenbereich einer separaten Backtheke zwei nicht abgezeichnete Leergutbons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro. Sie trugen das Datum des Tages und waren im Abstand von ca. einer Dreiviertelstunde am Automaten erstellt worden. Die Mitarbeiterin legte die Bons dem Filialleiter vor. Dieser reichte sie an die Klägerin mit der Maßgabe weiter, sie im Kassenbüro aufzubewahren für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden und Anspruch darauf erheben würde; andernfalls sollten sie als „Fehlbons“ verbucht werden. Die Klägerin legte die Bons auf eine - für alle Mitarbeiter zugängliche und einsehbare - Ablage im Kassenbüro.

6

Am 22. Januar 2008 kaufte die Klägerin in der Filiale außerhalb ihrer Arbeitszeit privat ein. An der Kasse überreichte sie ihrer Kollegin zwei nicht abgezeichnete Leergutbons. Laut Kassenjournal wurden diese mit Werten von 0,48 Euro und 0,82 Euro registriert. Beim Kassieren war auch die Kassenleiterin und Vorgesetzte der Klägerin anwesend.

7

Zur Klärung der Herkunft der eingereichten Bons führte die Beklagte mit der Klägerin ab dem 25. Januar 2008 insgesamt vier Gespräche, an denen - außer am ersten Gespräch - jeweils zwei Mitglieder des Betriebsrats teilnahmen. Sie hielt ihr vor, die eingelösten Bons seien nicht abgezeichnet gewesen und stimmten hinsichtlich Wert und Ausgabedatum mit den im Kassenbüro aufbewahrten Bons überein. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sie - die Klägerin - die dort abgelegten „Kundenbons“ an sich genommen und zu ihrem Vorteil verwendet habe. Die Klägerin bestritt dies und erklärte, selbst wenn die Bons übereinstimmten, bestehe die Möglichkeit, dass ihr entsprechende Bons durch eine ihrer Töchter oder durch Dritte zugesteckt worden seien. Beispielsweise habe sie am 21. oder 22. Januar 2008 einer Arbeitskollegin ihre Geldbörse ausgehändigt mit der Bitte, diese in ihren Spind zu legen. Die Beklagte legte der Klägerin nahe, zur Untermauerung ihrer Behauptung eine eidesstattliche Erklärung einer Tochter beizubringen. Außerdem befragte sie die benannte Kollegin, die die Angaben der Klägerin bestritt. Beim letzten, am 15. Februar 2008 geführten Gespräch überreichte die Klägerin eine schriftliche Erklärung, mit der eine ihrer Töchter bestätigte, bei der Beklagten hin und wieder für ihre Mutter einzukaufen, dabei auch Leergut einzulösen und „Umgang“ mit der Geldbörse ihrer Mutter „pflegen zu dürfen“.

8

Mit Schreiben vom 18. Februar 2008 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, gestützt auf den Verdacht der Einlösung der Bons, an. Der Betriebsrat äußerte Bedenken gegen die fristlose Kündigung, einer ordentlichen Kündigung widersprach er und verwies auf die Möglichkeit einer gegen die Klägerin gerichteten Intrige.

9

Mit Schreiben vom 22. Februar 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. September 2008.

10

Die Klägerin hat Kündigungsschutzklage erhoben. Sie hat behauptet, sie habe jedenfalls nicht bewusst Leergutbons eingelöst, die ihr nicht gehörten. Sollte es sich bei den registrierten Bons tatsächlich um die im Kassenbüro abgelegten Bons gehandelt haben, müsse auch die Möglichkeit eines Austauschs der Bons während des Kassiervorgangs in Betracht gezogen werden. Denkbares Motiv hierfür sei ihre Streikteilnahme, die ohnehin der wahre Grund für die Kündigung sei. Anders sei nicht zu erklären, weshalb ihre Kollegin und die Vorgesetzte sie - unstreitig - nicht bereits beim Kassieren oder unmittelbar anschließend auf die fehlende Abzeichnung der überreichten Leergutbons angesprochen hätten. Angesichts der streikbedingt aufgetretenen Spannungen unter den Filialmitarbeitern sei es lebensfremd anzunehmen, sie habe ausgerechnet bei einer Kollegin, mit der sie im Streit gestanden habe, und in Anwesenheit ihrer Vorgesetzten die im Kassenbüro verwahrten, nicht abgezeichneten Bons eingelöst. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, eine Verdachtskündigung sei wegen der in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung ohnehin unzulässig. Das gelte in besonderem Maße, wenn sich der Verdacht auf die Entwendung einer nur geringwertigen Sache beziehe. Selbst bei nachgewiesener Tat sei in einem solchen Fall ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben. Zumindest sei in ihrem Fall die Kündigung in Anbetracht der Einmaligkeit des Vorfalls und ihrer langen Betriebszugehörigkeit unangemessen, zumal der Beklagten kein Schaden entstanden sei.

11

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden ist;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, sie entsprechend den arbeitsvertraglichen Bedingungen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit zu beschäftigen.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin die im Kassenbüro hinterlegten Leergutbons für sich verwendet habe. Dafür sprächen die in der Anhörung angeführten Tatsachen sowie der Umstand, dass diese Bons bei einer unmittelbar nach dem Einkauf der Klägerin durchgeführten Suche nicht mehr auffindbar gewesen seien. Es sei auch das mehrfach geänderte Verteidigungsvorbringen der Klägerin zu berücksichtigen, das sich in keinem Punkt als haltbar erwiesen habe. Damit sei das Vertrauen in die redliche Ausführung der Arbeitsaufgaben durch die Klägerin unwiederbringlich zerstört. Das Arbeitsverhältnis sei auch nicht unbelastet verlaufen. Sie habe die Klägerin im Jahr 2005 wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber einem Arbeitskollegen abgemahnt. Außerdem habe die Klägerin, wie ihr erst nachträglich bekannt geworden sei, am 22. November 2007 bei einem privaten Einkauf einen Sondercoupon aus einem Bonussystem eingelöst, obwohl die Einkaufssumme den dafür erforderlichen Betrag nicht erreicht habe. Derselbe Coupon sei dreimal „über die Kasse gezogen“ worden. Dadurch seien der Klägerin zu Unrecht Punkte im Wert von 3,00 Euro gutgeschrieben worden. Deren Behauptung, ihre Vorgesetzte habe sie zu einer derartigen Manipulation - vergeblich - verleiten wollen, sei nicht plausibel; die Vorgesetzte habe an dem betreffenden Tag - wie zuletzt unstreitig - nicht gearbeitet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer durch das Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung vom 22. Februar 2008 aufgelöst worden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts war deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Einer Zurückverweisung bedurfte es nicht. Die Sache war nach dem festgestellten Sachverhältnis zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

15

A. Die außerordentliche Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

16

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gesetz kennt folglich keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Vielmehr ist jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (st. Rspr., Senat 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21 mwN, AP BGB § 626 Nr. 220; 27. April 2006 - 2 AZR 386/05 - Rn. 19, BAGE 118, 104).

17

II. Die Prüfung der Voraussetzungen des wichtigen Grundes ist in erster Linie Sache der Tatsacheninstanzen. Dennoch geht es um Rechtsanwendung, nicht um Tatsachenfeststellung. Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz darauf hin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (st. Rspr., Senat 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219; 6. September 2007 - 2 AZR 722/06 - Rn. 40, BAGE 124, 59).

18

III. Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die Würdigung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar liegt nach dem festgestellten Sachverhalt „an sich“ ein wichtiger Grund zur Kündigung vor. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei der vorzunehmenden Einzelfallprüfung und Interessenabwägung nicht alle wesentlichen Gesichtspunkte einbezogen und zutreffend abgewogen.

19

1. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil dieses seiner rechtlichen Würdigung die fragliche Pflichtverletzung im Sinne einer erwiesenen Tat und nicht nur - wie die Beklagte selbst - einen entsprechenden Verdacht zugrunde gelegt hat.

20

a) Das Landesarbeitsgericht ist vom Fund zweier Leergutbons am 12. Januar 2008 und deren Aushändigung an die Klägerin durch den Marktleiter ausgegangen. Nach Beweisaufnahme hat es zudem für wahr erachtet, dass die Klägerin die beiden zunächst im Kassenbüro abgelegten Bons im Wert von 0,48 Euro und 0,82 Euro zu einem unbestimmten Zeitpunkt an sich nahm und am 22. Januar 2008 bei einem Einkauf zu ihren Gunsten einlöste; dadurch ermäßigte sich die Kaufsumme für sie um 1,30 Euro. Darin hat es ein vorsätzliches, pflichtwidriges Verhalten der Klägerin erblickt.

21

b) An die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden. Die Klägerin hat - auch wenn sie vorsätzliches Fehlverhalten weiterhin in Abrede stellt - von Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ausdrücklich abgesehen.

22

c) Einer Würdigung des Geschehens unter der Annahme, die Klägerin habe sich nachweislich pflichtwidrig verhalten, steht nicht entgegen, dass die Beklagte sich zur Rechtfertigung der Kündigung nur auf einen entsprechenden Verdacht berufen und den Betriebsrat auch nur zu einer Verdachtskündigung angehört hat.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf diese Weise nicht etwa Vortrag berücksichtigt, den die Beklagte nicht gehalten hätte. Der Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens stellt zwar gegenüber dem Tatvorwurf einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (st. Rspr., Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 55 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Beide Gründe stehen jedoch nicht beziehungslos nebeneinander. Wird die Kündigung mit dem Verdacht pflichtwidrigen Verhaltens begründet, steht indessen zur Überzeugung des Gerichts die Pflichtwidrigkeit tatsächlich fest, lässt dies die materiell-rechtliche Wirksamkeit der Kündigung unberührt. Maßgebend ist allein der objektive Sachverhalt, wie er sich dem Gericht nach Parteivorbringen und ggf. Beweisaufnahme darstellt. Ergibt sich daraus nach tatrichterlicher Würdigung das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit, ist das Gericht nicht gehindert, dies seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber sich während des Prozesses darauf berufen hat, er stütze die Kündigung auch auf die erwiesene Tat (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - aaO mwN).

24

bb) Der Umstand, dass der Betriebsrat ausschließlich zu einer beabsichtigten Verdachtskündigung gehört wurde, steht dem nicht entgegen. Die gerichtliche Berücksichtigung des Geschehens als erwiesene Tat setzt voraus, dass dem Betriebsrat - ggf. im Rahmen zulässigen „Nachschiebens“ - diejenigen Umstände mitgeteilt worden sind, welche nicht nur den Tatverdacht, sondern zur Überzeugung des Gerichts auch den Tatvorwurf begründen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 474/07 - Rn. 59 mwN, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 47 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8). Bei dieser Sachlage ist dem Normzweck des § 102 Abs. 1 BetrVG auch durch eine Anhörung nur zur Verdachtskündigung genüge getan. Dem Betriebsrat wird dadurch nichts vorenthalten. Die Mitteilung des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer solle schon und allein wegen des Verdachts einer pflichtwidrigen Handlung gekündigt werden, gibt ihm sogar weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden als eine Anhörung wegen einer als erwiesen behaupteten Tat (Senat 3. April 1986 - 2 AZR 324/85 - zu II 1 c cc der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 18 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 63; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 217). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung ausschließlich solche - aus seiner Sicht bewiesene - Tatsachen zugrunde gelegt, die Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren.

25

2. Der vom Landesarbeitsgericht festgestellte Sachverhalt ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Zum Nachteil des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte, aber auch nicht strafbare, ähnlich schwerwiegende Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers kommen typischerweise - unabhängig vom Wert des Tatobjekts und der Höhe eines eingetretenen Schadens - als Grund für eine außerordentliche Kündigung in Betracht.

26

a) Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vorsätzliche - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Vermögen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Ein solches Verhalten kann auch dann einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darstellen, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen von nur geringem Wert betrifft oder zu einem nur geringfügigen, möglicherweise zu gar keinem Schaden geführt hat(Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 537/06 - Rn. 16, 17, AP BGB § 626 Nr. 210 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 20; 12. August 1999 - 2 AZR 923/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 184; 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90).

27

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die entgegenstehende Ansicht, die Pflichtverletzungen im Vermögensbereich bei Geringfügigkeit bereits aus dem Anwendungsbereich des § 626 Abs. 1 BGB herausnehmen will(so LAG Köln 30. September 1999 - 5 Sa 872/99 - zu 2 der Gründe, NZA-RR 2001, 83; LAG Hamburg 8. Juli 1998 - 4 Sa 38/97 - zu II 3 a aa der Gründe, NZA-RR 1999, 469; ArbG Reutlingen 4. Juni 1996 - 1 Ca 73/96 - RzK I 6 d Nr. 12; Däubler Das Arbeitsrecht 2 12. Aufl. Rn. 1128; eingeschränkt Gerhards BB 1996, 794, 796), überzeugt nicht. Ein Arbeitnehmer, der die Integrität von Eigentum und Vermögen seines Arbeitgebers vorsätzlich und rechtswidrig verletzt, zeigt ein Verhalten, das geeignet ist, die Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung in Frage zu stellen. Die durch ein solches Verhalten ausgelöste „Erschütterung“ der für die Vertragsbeziehung notwendigen Vertrauensgrundlage tritt unabhängig davon ein, welche konkreten wirtschaftlichen Schäden mit ihm verbunden sind. Aus diesem Grund ist die Festlegung einer nach dem Wert bestimmten Relevanzschwelle mit dem offen gestalteten Tatbestand des § 626 Abs. 1 BGB nicht zu vereinbaren. Sie würfe im Übrigen mannigfache Folgeprobleme auf - etwa das einer exakten Wertberechnung, das der Folgen mehrfacher, für sich betrachtet „irrelevanter“ Verstöße sowie das der Behandlung nur marginaler Grenzüberschreitungen - und vermöchte schon deshalb einem angemessenen Interessenausgleich schwerlich zu dienen.

28

c) Mit seiner Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der in § 248a StGB getroffenen Wertung. Nach dieser Bestimmung werden Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen nur auf Antrag oder bei besonderem öffentlichem Interesse verfolgt. Der Vorschrift liegt eine Einschätzung des Gesetzgebers darüber zugrunde, ab welcher Grenze staatliche Sanktionen für Rechtsverstöße in diesem Bereich zwingend geboten sind. Ein solcher Ansatz ist dem Schuldrecht fremd. Hier geht es um störungsfreien Leistungsaustausch. Die Berechtigung einer verhaltensbedingten Kündigung ist nicht daran zu messen, ob diese - vergleichbar einer staatlichen Maßnahme - als Sanktion für den fraglichen Vertragsverstoß angemessen ist. Statt des Sanktions- gilt das Prognoseprinzip. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist gerechtfertigt, wenn eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht, künftigen Pflichtverstößen demnach nur durch die Beendigung der Vertragsbeziehung begegnet werden kann (st. Rspr., Senat 26. November 2009 - 2 AZR 751/08 - Rn. 10, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 61 = EzA BGB 2002 § 611 Abmahnung Nr. 5; 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 32, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17).

29

d) Ebenso wenig besteht ein Wertungswiderspruch zwischen der Auffassung des Senats und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses erkennt zwar bei der disziplinarrechtlichen Beurteilung vergleichbarer Dienstvergehen eines Beamten die Geringwertigkeit der betroffenen Vermögensobjekte als Milderungsgrund an (BVerwG 13. Februar 2008 - 2 WD 9/07 - DÖV 2008, 1056; 24. November 1992 - 1 D 66/91 - zu 3 der Gründe, BVerwGE 93, 314; bei kassenverwaltender Tätigkeit: BVerwG 11. November 2003 - 1 D 5/03 - zu 4 b der Gründe). Dies geschieht jedoch vor dem Hintergrund einer abgestuften Reihe von disziplinarischen Reaktionsmöglichkeiten des Dienstherrn. Diese reichen von der Anordnung einer Geldbuße (§ 7 BDG) über die Kürzung von Dienstbezügen (§ 8 BDG) und die Zurückstufung (§ 9 BDG) bis zur Entfernung aus dem Dienst (§ 13 Abs. 2 BDG). Eine solche Reaktionsbreite kennt das Arbeitsrecht nicht. Der Arbeitgeber könnte auf die „Entfernung aus dem Dienst“ nicht zugunsten einer Kürzung der Vergütung verzichten. Wertungen, wie sie für das in der Regel auf Lebenszeit angelegte, durch besondere Treue- und Fürsorgepflichten geprägte Dienstverhältnis der Beamten und Soldaten getroffen werden, lassen sich deshalb auf eine privatrechtliche Leistungsbeziehung regelmäßig nicht übertragen (Keiser JR 2010, 55, 57 ff.; Reuter NZA 2009, 594, 595).

30

e) Das Landesarbeitsgericht hat das Verhalten der Klägerin als „Vermögensdelikt“ zulasten der Beklagten gewürdigt, hat aber offen gelassen, welchen straf- und/oder zivilrechtlichen Deliktstatbestand es als erfüllt ansieht. Das ist im Ergebnis unschädlich. Das Verhalten der Klägerin kommt auch dann als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht, wenn es - wie die Revision im Anschluss an Äußerungen in der Literatur (Hüpers Jura 2010, 52 ff.; Schlösser HRRS 2009, 509 ff.) meint - nicht strafbar sein sollte, jedenfalls nicht im Sinne eines Vermögensdelikts zum Nachteil der Beklagten. Für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 8; 2. März 2006 - 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 16; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 114, 264; Preis AuR 2010, 242 f.). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Das gilt insbesondere in Fällen, in denen die Pflichtverletzung mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen eine den unmittelbaren Vermögensinteressen des Arbeitgebers dienende Weisung einhergeht (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 459).

31

f) Danach liegt eine erhebliche, die Schwelle zum wichtigen Grund überschreitende Pflichtverletzung vor. Die Klägerin hat sich mit dem Einlösen der Leergutbons gegenüber der Beklagten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihr nicht zustand. Ihr Verhalten wiegt umso schwerer, als sie eine konkrete Anordnung des Marktleiters zum Umgang mit den Bons missachtet hat. Es kommt nicht darauf an, ob sie damit schon gegen ihre Hauptleistungspflichten als Kassiererin oder gegen ihre Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat. In jedem Fall gehört die Pflicht zur einschränkungslosen Wahrung der Vermögensinteressen der Beklagten zum Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Die Schwere der Pflichtverletzung hängt von einer exakten Zuordnung nicht ab. Die Vorgabe des Marktleiters, die Bons nach einer gewissen Zeit als „Fehlbons“ zu verbuchen, sollte sicherstellen, dass die Beklagte insoweit nicht mehr in Anspruch genommen würde. Ob damit den Interessen der Kunden ausreichend Rechnung getragen wurde, ist im Verhältnis der Parteien ohne Bedeutung. Die Klägerin jedenfalls durfte die Bons nicht zum eigenen Vorteil einlösen.

32

3. Die fristlose Kündigung ist bei Beachtung aller Umstände des vorliegenden Falls und nach Abwägung der widerstreitenden Interessen gleichwohl nicht gerechtfertigt. Als Reaktion der Beklagten auf das Fehlverhalten der Klägerin hätte eine Abmahnung ausgereicht. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

33

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu(Senat 11. Dezember 2003 - 2 AZR 36/03 - zu II 1 f der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 179 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 5). Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 36, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 61, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Ein solcher Fall liegt hier vor.

34

b) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung - etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (Senat 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26 mwN, DB 2010, 1709; 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 - Rn. 38 mwN, AP BGB § 626 Nr. 196 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 11). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (st. Rspr., Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 45, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7). Als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen - zu erreichen (KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 251 mwN).

35

c) Die Notwendigkeit der Prüfung, ob eine fristgerechte Kündigung als Reaktion ausgereicht hätte, folgt schon aus dem Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB. Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (die Kündigung als „ultima ratio“) und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 47 f., AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7; 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 55 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Das Erfordernis gilt auch bei Störungen im Vertrauensbereich. Es ist nicht stets und von vorneherein ausgeschlossen, verlorenes Vertrauen durch künftige Vertragstreue zurückzugewinnen (Senat 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 86, 95).

36

aa) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (Schlachter NZA 2005, 433, 436). Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 283/08 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Abmahnung Nr. 5 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 75; Staudinger/Preis <2002> § 626 BGB Rn. 109). Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (Senat 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82).

37

bb) Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB iVm. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren(Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 179/05 - Rn. 56 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 54 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (vgl. Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 19. April 2007 - 2 AZR 180/06 - Rn. 48 mwN, AP BGB § 174 Nr. 20 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 7).

38

cc) Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (Senat 23. Juni 2009 - 2 AZR 103/08 - Rn. 33, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 34 Abs. 2 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17; 27. April 2006 - 2 AZR 415/05 - Rn. 19, AP BGB § 626 Nr. 203 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 17). Auch in diesem Bereich gibt es keine „absoluten“ Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (vgl. auch Erman/Belling BGB 12. Aufl. § 626 Rn. 62; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 264; Preis AuR 2010, 242, 244; Reichel AuR 2004, 252; Schlachter NZA 2005, 433, 437).

39

d) Danach war eine Abmahnung hier nicht entbehrlich.

40

aa) Das Landesarbeitsgericht geht zunächst zutreffend davon aus, dass es einer Abmahnung nicht deshalb bedurfte, um bei der Klägerin die mögliche Annahme zu beseitigen, die Beklagte könnte mit der eigennützigen Verwendung der Bons einverstanden sein. Einer mutmaßlichen Einwilligung - die in anderen Fällen, etwa der Verwendung wertloser, als Abfall deklarierter Gegenstände zum Eigenverbrauch oder zur Weitergabe an Hilfsbedürftige oder dem Aufladen eines Mobiltelefons im Stromnetz des Arbeitgebers, naheliegend sein mag - stand im Streitfall die Weisung des Filialleiters entgegen, die keine Zweifel über den von der Beklagten gewünschten Umgang mit den Bons aufkommen ließ. Auf mögliche Unklarheiten in den allgemeinen Anweisungen der Beklagten zur Behandlung von Fundsachen und Fundgeld kommt es deshalb nicht an.

41

bb) Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht zudem angenommen, das Verhalten der Klägerin stelle eine objektiv schwerwiegende, das Vertrauensverhältnis der Parteien erheblich belastende Pflichtverletzung dar.

42

(1) Mit der eigennützigen Verwendung der Leergutbons hat sich die Klägerin bewusst gegen die Anordnung des Filialleiters gestellt. Schon dies ist geeignet, das Vertrauen der Beklagten in die zuverlässige Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben als Kassiererin zu erschüttern. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bons gerade ihr zur Verwahrung und ggf. Buchung als „Fehlbons“ übergeben worden waren. Das Fehlverhalten der Klägerin berührt damit den Kernbereich ihrer Arbeitsaufgaben. Sie war als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Als solche hat sie den weisungsgemäßen Umgang mit Leergutbons gleichermaßen sicher zu stellen wie den mit ihr anvertrautem Geld. Die Beklagte muss sich auf die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit einer mit Kassentätigkeiten betrauten Arbeitnehmerin in besonderem Maße verlassen dürfen. Sie muss davon ausgehen können, dass ihre Weisungen zum Umgang mit Sach- und Vermögenswerten unabhängig von deren Wert und den jeweiligen Eigentumsverhältnissen korrekt eingehalten werden. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Verstößt eine Arbeitnehmerin, deren originäre Aufgabe es ist, Einnahmen zu sichern und zu verbuchen, vorsätzlich und zur persönlichen Bereicherung gegen eine Pflicht, die gerade dem Schutz des Eigentums und Vermögens des Arbeitgebers oder eines Kunden dient, liegt darin regelmäßig ein erheblicher, das Vertrauen in ihre Redlichkeit beeinträchtigender Vertragsverstoß.

43

(2) Der Einwand der Klägerin, ein Vertrauen auf Seiten der Beklagten bestehe ohnehin nicht, wie die in den Märkten praktizierte Videoüberwachung zeige, geht fehl. Jeder Arbeitnehmer hat die Pflicht, sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedürfte. Erweist sich ein zunächst unspezifisches, nicht auf konkrete Personen bezogenes, generelles „Misstrauen“ des Arbeitgebers schließlich im Hinblick auf einen bestimmten Mitarbeiter als berechtigt, wird erst und nur dadurch das Vertrauen in dessen Redlichkeit tatsächlich erschüttert.

44

cc) Auch wenn deshalb das Verhalten der Klägerin das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erheblich belastet hat, so hat das Landesarbeitsgericht doch den für die Klägerin sprechenden Besonderheiten nicht hinreichend Rechnung getragen.

45

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe nicht damit rechnen können, die Beklagte werde ihr Verhalten auch nur einmalig hinnehmen, ohne eine Kündigung auszusprechen. Die Klägerin habe ihre Pflichten als Kassiererin „auf das Schwerste“ verletzt. Mit dieser Würdigung ist es den Besonderheiten des Streitfalls nicht ausreichend gerecht geworden. Die Klägerin hat an der Kasse in unmittelbarer Anwesenheit ihrer Vorgesetzten bei einer nicht befreundeten Kollegin unabgezeichnete Leergutbons eingelöst. Dass sie mangels Abzeichnung nach den betrieblichen Regelungen keinen Anspruch auf eine Gutschrift hatte, war für die Kassenmitarbeiterin und die Vorgesetzte offenkundig und nicht zu übersehen. Das wusste auch die Klägerin, die deshalb aus ihrer Sicht unweigerlich würde Aufmerksamkeit erregen und Nachfragen auslösen müssen. Das zeigt, dass sie ihr Verhalten - fälschlich - als notfalls tolerabel oder jedenfalls korrigierbar eingeschätzt haben mag und sich eines gravierenden Unrechts offenbar nicht bewusst war. Für den Grad des Verschuldens und die Möglichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens macht es objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, das insgesamt - wie etwa der vermeintlich unbeobachtete Griff in die Kasse - auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

46

(2) Das Landesarbeitsgericht hat die Einmaligkeit der Pflichtverletzung und die als beanstandungsfrei unterstellte Betriebszugehörigkeit der Klägerin von gut drei Jahrzehnten zwar erwähnt, ihnen aber kein ausreichendes Gewicht beigemessen.

47

(a) Für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung kann es von erheblicher Bedeutung sein, ob der Arbeitnehmer bereits geraume Zeit in einer Vertrauensstellung beschäftigt war, ohne vergleichbare Pflichtverletzungen begangen zu haben. Das gilt auch bei Pflichtverstößen im unmittelbaren Vermögensbereich (Senat 13. Dezember 1984 - 2 AZR 454/83 - zu III 3 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 81 = EzA BGB § 626 nF Nr. 94). Eine für lange Jahre ungestörte Vertrauensbeziehung zweier Vertragspartner wird nicht notwendig schon durch eine erstmalige Vertrauensenttäuschung vollständig und unwiederbringlich zerstört. Je länger eine Vertragsbeziehung ungestört bestanden hat, desto eher kann die Prognose berechtigt sein, dass der dadurch erarbeitete Vorrat an Vertrauen durch einen erstmaligen Vorfall nicht vollständig aufgezehrt wird. Dabei kommt es nicht auf die subjektive Befindlichkeit und Einschätzung des Arbeitgebers oder bestimmter für ihn handelnder Personen an. Entscheidend ist ein objektiver Maßstab. Maßgeblich ist nicht, ob der Arbeitgeber hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer tatsächlich noch hat. Maßgeblich ist, ob er es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müsste. Im Arbeitsverhältnis geht es nicht um ein umfassendes wechselseitiges Vertrauen in die moralischen Qualitäten der je anderen Vertragspartei. Es geht allein um die von einem objektiven Standpunkt aus zu beantwortende Frage, ob mit einer korrekten Erfüllung der Vertragspflichten zu rechnen ist.

48

(b) Die Klägerin hat durch eine beanstandungsfreie Tätigkeit als Verkäuferin und Kassiererin über dreißig Jahre hinweg Loyalität zur Beklagten gezeigt.

49

(aa) Der Senat hatte davon auszugehen, dass diese Zeit ohne rechtlich relevante Beanstandungen verlaufen ist. Gegenstand einer der Klägerin erteilten Abmahnung war eine vor Kunden abgegebene, abfällige Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen. Dieses Verhalten steht mit dem Kündigungsvorwurf in keinerlei Zusammenhang; im Übrigen wurde die Abmahnung ein Jahr später aus der Personalakte entfernt. Schon aus tatsächlichen Gründen unbeachtlich ist das Geschehen im Zusammenhang mit der Einlösung eines Sondercoupons im November 2007. Die Klägerin hat im Einzelnen und plausibel dargelegt, weshalb ihr dabei im Ergebnis keine Bonuspunkte zugeschrieben worden seien, die ihr nicht zugestanden hätten. Dem ist die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.

50

(bb) Das in dieser Beschäftigungszeit von der Klägerin erworbene Maß an Vertrauen in die Korrektheit ihrer Aufgabenerfüllung und in die Achtung der Vermögensinteressen der Beklagten schlägt hoch zu Buche. Angesichts des Umstands, dass nach zehn Tagen Wartezeit mit einer Nachfrage der in Wahrheit berechtigten Kunden nach dem Verbleib von Leergutbons über Cent-Beträge aller Erfahrung nach nicht mehr zu rechnen war, und der wirtschaftlichen Geringfügigkeit eines der Beklagten entstandenen Nachteils ist es höher zu bewerten als deren Wunsch, nur eine solche Mitarbeiterin weiterzubeschäftigen, die in jeder Hinsicht und ausnahmslos ohne Fehl und Tadel ist. Dieser als solcher berechtigte Wunsch macht der Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin trotz ihres Pflichtenverstoßes mit Blick auf die bisherige Zusammenarbeit nicht unzumutbar. Objektiv ist das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Klägerin nicht derart erschüttert, dass dessen vollständige Wiederherstellung und ein künftig erneut störungsfreies Miteinander der Parteien nicht in Frage käme.

51

(3) Das prozessuale Verteidigungsvorbringen der Klägerin steht dieser Würdigung nicht entgegen.

52

(a) Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. Dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen(Senat 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245).

53

(b) Nachträglich eingetretene Umstände können nach der Rechtsprechung des Senats für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (Senat 13. Oktober 1977 - 2 AZR 387/76 - zu III 3 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1 = EzA BetrVG 1972 § 74 Nr. 3; 28. Oktober 1971 - 2 AZR 15/71 - zu II 2 d der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 62 = EzA BGB § 626 nF Nr. 9; 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - zu III der Gründe, BAGE 2, 245). Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO; ErfK/Müller-Glöge 10. Aufl. § 626 Rn. 54; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 177; SPV/Preis 10. Aufl. Rn. 551; vgl. auch Walker NZA 2009, 921, 922). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (Senat 15. Dezember 1955 - 2 AZR 228/54 - aaO). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (vgl. Senatsentscheidungen vom 24. November 2005 - 2 AZR 39/05 - AP BGB § 626 Nr. 197 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 12 und 3. Juli 2003 - 2 AZR 437/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 38 = EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2)gilt nichts anderes.

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(c) Danach kommt dem Prozessverhalten der Klägerin keine ihre Pflichtverletzung verstärkende Bedeutung zu. Es ist nicht geeignet, den Kündigungssachverhalt als solchen zu erhellen. Der besteht darin, dass die Klägerin unberechtigterweise ihr nicht gehörende Leergutbons zweier Kunden zum eigenen Vorteil eingelöst hat.

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(aa) Dieser Vorgang erscheint insbesondere im Hinblick auf eine Wiederholungsgefahr nicht dadurch in einem anderen, für die Klägerin ungünstigeren Licht, dass diese zunächst die Identität der von ihr eingelösten und der im Kassenbüro aufbewahrten Bons bestritten hat. Das Gleiche gilt im Hinblick darauf, dass die Klägerin auch noch im Prozessverlauf die Möglichkeit bestimmter Geschehensabläufe ins Spiel gebracht hat, die erklären könnten, weshalb sie - wie sie stets behauptet hat - selbst bei Identität der Bons nicht wusste, dass sie ihr nicht gehörende Bons einlöste. Die von der Klägerin aufgezeigten Möglichkeiten einschließlich der einer gegen sie geführten Intrige mögen sich wegen der erforderlich gewordenen Befragungen der betroffenen Arbeitnehmer nachteilig auf den Betriebsfrieden ausgewirkt haben. Dies war aber nicht Kündigungsgrund. Unabhängig davon zielte das Verteidigungsvorbringen der Klägerin erkennbar nicht darauf, Dritte einer konkreten Pflichtverletzung zu bezichtigen. Der Kündigungsgrund wird auch nicht dadurch klarer, dass die Klägerin die Rechtsauffassung vertreten hat, erstmalige Vermögensdelikte zulasten des Arbeitgebers könnten bei geringem wirtschaftlichem Schaden eine außerordentliche Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung nicht rechtfertigen. Damit hat sie lediglich in einer rechtlich umstrittenen Frage einen für sie günstigen Standpunkt eingenommen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, sie werde sich künftig bei Gelegenheit in gleicher Weise vertragswidrig verhalten.

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(bb) Das Prozessverhalten der Klägerin mindert ebenso wenig das bei der Interessenabwägung zu berücksichtigende Maß des verbliebenen Vertrauens. Auch für dessen Ermittlung ist auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen. Aus dieser Perspektive und im Hinblick auf den bis dahin verwirklichten Kündigungssachverhalt ist zu fragen, ob mit der Wiederherstellung des Vertrauens in eine künftig korrekte Vertragserfüllung gerechnet werden kann. In dieser Hinsicht ist das Verteidigungsvorbringen der Klägerin ohne Aussagekraft. Ihr wechselnder Vortrag und beharrliches Leugnen einer vorsätzlichen Pflichtwidrigkeit lassen keine Rückschlüsse auf ihre künftige Zuverlässigkeit als Kassiererin zu. Das gilt gleichermaßen für mögliche, während des Prozesses aufgestellte Behauptungen der Klägerin über eine ihr angeblich von der Kassenleiterin angetragene Manipulation im Zusammenhang mit der Einlösung von Sondercoupons im November 2007 und mögliche Äußerungen gegenüber Pressevertretern.

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(cc) Anders als die Beklagte meint, wird dadurch nicht Verstößen gegen die prozessuale Wahrheitspflicht „Tür und Tor geöffnet“. Im Fall eines bewusst wahrheitswidrigen Vorbringens besteht die Möglichkeit, eine weitere Kündigung auszusprechen oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG anzubringen. Dabei kann nicht jeder unzutreffende Parteivortrag als „Lüge“ bezeichnet werden. Die Wahrnehmung eines Geschehens ist generell nicht unbeeinflusst vom äußeren und inneren Standpunkt des Wahrnehmenden. Gleiches gilt für Erinnerung und Wiedergabe, zumal in einem von starker Polarität geprägten Verhältnis, wie es zwischen Prozessparteien häufig besteht. Wenn sich das Gericht nach den Regeln des Prozessrechts in §§ 138, 286 ZPO die - rechtlich bindende, aber um deswillen nicht der Gefahr des Irrtums enthobene - Überzeugung bildet, ein bestimmter Sachverhalt habe sich so und nicht anders zugetragen, ist damit die frühere, möglicherweise abweichende Darstellung einer Partei nicht zugleich als gezielte Irreführung des Gerichts oder der Gegenpartei ausgewiesen. Es bedarf vielmehr besonderer Anhaltspunkte, um einen solchen - schweren - Vorwurf zu begründen.

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B. Die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung zum 30. September 2008 ist unwirksam. Auch dies vermag der Senat selbst zu entscheiden. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht durch Gründe im Verhalten der Klägerin iSv. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

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C. Der Antrag auf Beschäftigung, der sich ersichtlich auf die Dauer des Kündigungsrechtsstreits beschränkte, kommt wegen der Beendigung des Verfahrens nicht mehr zum Tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.