Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 26. Juni 2018 - 2 Sa 211/14

bei uns veröffentlicht am26.06.2018

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 01.07.2014 (1 Ca 868/13) wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Zahlung einer vertraglich vereinbarten Abfindung.

2

Der 1955 geborene Kläger hatte bei der Beklagten am 28.05.1990 eine Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen. Die Beklagte wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 28.05.1990 als Speditions-, Transport- und Lagereiunternehmen gegründet und am 27.09.1990 als J.A. E. GmbH im Handelsregister eingetragen. Geschäftsführer waren laut Handelsregister E. und der Kläger. Die Beklagte hatte ihren Geschäftssitz zunächst in B./R. in den Wohnräumen des Klägers und seiner Ehefrau E. A.. Im Jahr 1991 verlegte die Beklagte ihren Sitz innerhalb von B. und zog in die T. Straße. Im Dezember 1993 beschloss die Gesellschafterversammlung die Sitzverlegung nach A-Stadt. Die Beklagte hatte regelmäßig 17 Kraftfahrer beschäftigt. Der Alleingesellschafter der Beklagten, Herr E., betrieb und betreibt weitere Unternehmen in Deutschland und in Schweden. Mit Schreiben vom 29.05.2013 (Bl. 4 d.A.) hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus betriebsbedingten Gründen fristgemäß zum 31.12.2013 wegen Betriebsstilllegung gekündigt. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Kündigungsschutzklage vom 04.06.2013. Durch Gesellschafterbeschluss vom 15.08.2013 wurde der Kläger als Geschäftsführer abberufen. Tatsächlich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen. Er war ausschließlich als Kraftfahrer tätig.

3

Am 26.09.2013 beschloss die Gesellschafterversammlung, die Firma in "C." umzubenennen und den Geschäftsführer auszuwechseln. Durch Beschluss der Gesellschafter vom 23.07.2014 wurde der Sitz der Beklagten von A-Stadt nach C-Stadt verlegt und der im Rubrum benannte Geschäftsführer bestimmt. Eine Eintragung erfolgte zur Registernummer HRB 205195 des Amtsgerichts Walsrode. Am 08.05.2015 wurde der zuletzt tätige Geschäftsführer als Liquidator ins Handelsregister eingetragen (Bl. 522 d.A.). Am 06.09.2017 wurde die Beklagte aus dem Handelsregister gelöscht.

4

Der Kläger behauptet, mit der Beklagten auf einem maschinenschriftlich ausgefüllten Formular den folgenden Arbeitsvertrag (Bl. 122 d.A.) geschlossen zu haben [Anmerkung: maschinenschriftliche Ergänzungen sind abweichend vom Original kursiv dargestellt; die Streichungen wurden im Original mit Lineal und Stift vorgenommen]:

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5

Der Kläger behauptet, der Vertrag sei im Sommer 1995 geschlossen und auf den 03.10.1992 zurückdatiert worden, weil die Ehefrau des Klägers zu diesem Zeitpunkt nach einer längeren schweren Erkrankung das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wieder neu begründet habe. Herr E., der damalige Geschäftsführer, habe die Rückdatierung vorgegeben und Frau A. aufgefordert, den alten Firmenstempel zu verwenden. Die zugesagte Abfindung stelle, so behauptet der Kläger, eine Gegenleistung für das Engagement des Klägers in der Gründungszeit der Beklagten und das Bereitstellen der privaten Räumlichkeiten dar. In dieser Zeit habe der Alleingesellschafter der Beklagten, Herr E., den Kläger gebraucht, um überhaupt in den neuen Bundesländern wirtschaftlich tätig werden zu können und verkehrsgüterrechtliche Erlaubnisse zu erhalten. Deshalb sei der Kläger zum Geschäftsführer bestellt worden, ohne jedoch diese Aufgaben tatsächlich auszuüben. Das Vertragsformular habe seine Frau, E. A., nach den Anweisungen von Herrn E. ausgefüllt.

6

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 29.10.2013 die Kündigungsschutzklage zurückgenommen hatte, hatte er in der ersten Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn spätestens am 28.01.2014 als Abfindung einen Betrag in Höhe von € 102.258,38 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2014 zu zahlen.

7

Die Beklagte hatte beantragt, die Klage abzuweisen.

8

Sie hatte bestritten, was sie zunächst in der ersten Instanz noch unstreitig gestellt hatte, dass die auf dem Vertrag befindliche Unterschrift der Arbeitgeberin von dem damaligen Geschäftsführer E. stamme. Zwar hätte Herr E. mit dem Kläger auf dessen Bitte hin einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen, weil der Kläger diesen wohl zur Verwendung beim Vermieter oder zur Absicherung von Krediten benötigt hätte. Dieser Arbeitsvertrag sei aber nicht mit dem im Prozess vorgelegten Arbeitsvertrag identisch. Den streitgegenständlichen Vertrag habe er nicht unterzeichnet; es müsse sich um eine Fälschung handeln. Der Vertrag könne schon deshalb nicht am 03.10.1992 geschlossen worden sein, weil bei der Anschrift des Klägers bereits die erst später veröffentlichte fünfstellige Postleitzahl angegeben sei. Zudem sei dieser Tag schon damals ein Feiertag gewesen. Der Firmenstempel sei teilweise schwarz und teilweise blau. Die Worte "(Arbeitgeber)" und "(Arbeitnehmer)" in der letzten Zeile des Arbeitsvertrages seien mit einem anderen Stift durchgestrichen worden als die übrigen Streichungen.

9

Die Beklagte hatte weiter vorgetragen, es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagten dem Kläger unabhängig von der Beschäftigungszeit und unabhängig vom Grund des Ausscheidens eine derart hohe Abfindung habe zusagen sollen. Der Kläger habe keine Gegenleistung in dieser Größenordnung erbracht. Der frühere Geschäftsführer der Beklagten könne sich beim besten Willen nicht erinnern, eine solche Vereinbarung geschlossen oder darüber verhandelt zu haben. Jedenfalls habe sich die Abfindungsvereinbarung bei Unterzeichnung noch nicht auf dem Vertrag befunden. Eine solche Regelung hätte, so behauptet die Beklagte, ihr Geschäftsführer nicht unterschrieben. Lediglich die Festlegung der Urlaubstage sei tatsächlich vereinbart worden, da eine solche Regelung im Formular gefehlt habe. Merkwürdigerweise fehle die im Vertragsoriginal unter "§ 8 Vertragsstrafe bei Vertragsbruch" vorgenommene Streichung des Satzteils "oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst" in der als Anlage K1(Bl. 3 d.A.) vorgelegten Vertragskopie.

10

Das Arbeitsgericht hatte Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, dass der auf den 03.10.1992 datierte Arbeitsvertrag auf Seiten der Arbeitgeberin von dem damaligen Geschäftsführer E. handschriftlich unterzeichnet wurde, und über die Behauptung der Beklagten, die Abfindungsvereinbarung sei nachträglich eingefügt worden, und hat hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt. Zu letztgenannter Frage konnte das vom Arbeitsgericht eingeholte Schriftsachverständigengutachten keine eindeutigen Feststellungen treffen. Hierzu hat das Arbeitsgericht zudem den Zeugen E. und gegenbeweislich die Zeugin E. A. vernommen

11

Das Arbeitsgericht Rostock hat durch Urteil vom 01.07.2014 der Klage vollumfänglich stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger als Abfindung einen Betrag in Höhe von € 102.258,38 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.01.2014 zu zahlen. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:

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Der Kläger habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 102.258,38. Der Zinsanspruch folge aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beklagte sei aufgrund des auf den 03.10.1992 datierten schriftlichen Arbeitsvertrages verpflichtet, an den Kläger bei Verlust des Arbeitsplatzes bzw. bei Ausscheiden eine Abfindung von DM 200.000,- (umgerechnet € 102.258,38) zu zahlen. Die Kammer sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte, vertreten durch den damaligen Geschäftsführer E., den Arbeitsvertrag einschließlich der Abfindungsklausel unterzeichnet hat.

13

Die Echtheit der nicht anerkannten Privaturkunde im Sinne des § 440 ZPO habe der Kläger erbracht. Nach dem Schriftvergleichsgutachten vom 16.03.2014 (Bl. 167-212 d.A.) stamme die Unterschrift "E." mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem damaligen Geschäftsführer. Stehe die Echtheit der Namensunterschrift fest, so habe die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (§ 440 Abs. 2 ZPO). Privaturkunden begründeten, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind (§ 416 ZPO).

14

Nach Überzeugung des Arbeitsgerichts weise die Vertragsurkunde keine äußerlichen Mängel im Sinne des § 419 ZPO auf, die auf eine Einfügung der Abfindungsvereinbarung nach der Unterzeichnung hindeuten. Da es sich um einen Vordruck handele, seien hand- oder maschinenschriftliche Ergänzungen schon deshalb erforderlich, weil sich überhaupt nur dann ein sinnvoller Vertrag ergäbe. Da der Vordruck Linien vorgebe, sei es zudem notwendig, das Blatt in der Schreibmaschine nachzujustieren. Sowohl die - unstreitigen – mit Schreibmaschine geschriebenen Eintragungen zu den Vertragsparteien, dem Gehalt und dem Urlaubsanspruch als auch die - streitige - Abfindungsvereinbarung stammten augenscheinlich von derselben Schreibmaschine.

15

Des Weiteren sei der Abschnitt

16

"Abfindungszahlung

17

Bei Verlust des Arbeitsplatzes bzw. bei Ausscheiden wird dem Arbeitnehmer 1
S. A. eine Abfindung von 200.000,00 DM und Arbeitnehmer 2 E. A.
50.000,00 DM, so verpflichtet sich der Arbeitgeber, gezahlt.
Es besteht ein Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen."

18

ohne eine Nachjustierung des Blattes in der Schreibmaschine abgefasst worden. Das gelte hingegen nicht für den Satz:

19

"Zahlung spätestens
4 Wochen nach Austritt"

20

Für diesen Satz sei der Vordruck entweder nochmals in die Schreibmaschine eingespannt oder zumindest nachjustiert worden. Die nachträgliche Ergänzung dieses Satzes spreche dafür, dass die Parteien durchaus über die Abfindung verhandelt hätten und sich die Beklagte angesichts der beträchtlichen Summe einen gewissen Zeitraum für die Bereitstellung des Geldes ausgebeten habe. Aus Sicht des Klägers und seiner Ehefrau habe es keinen Anlass gegeben, die Fälligkeit gesondert zu regeln oder gar die Urkunde an dieser Stelle zu fälschen. Die Positionierung dieses Satzes am rechten Rand könne ihren Grund nur darin haben, dass der unter "§ 11 Besondere Abmachungen" vorgesehene Freiraum bereits ausgeschöpft war. Sowohl die Abfindungsvereinbarung als auch die Festlegung der Urlaubstage müssten sich bereits auf der Urkunde befunden haben.

21

Gegen eine Verfälschung der Urkunde und für die Echtheit der Abfindungsvereinbarung spreche deren räumliche Anordnung im Zusammenhang mit der Urlaubsregelung. Die Parteien hätten im Vertrag - unstreitig - einen Urlaubsanspruch an 20 Arbeitstagen festgelegt. Der Satz

22

"Es besteht ein Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen."

23

schließe sich unmittelbar an die vorstehende Abfindungsvereinbarung an. Die Zeilenabstände dieser Einfügungen sei einheitlich. Der Satz zum Urlaubsanspruch überschreite bereits den für besondere Abmachungen vorgesehenen Freiraum, da er sich unterhalb der letzten Linie des Vordrucks befinde. Ohne die Abfindungsregelung hätte es keinen Grund gegeben, die Vereinbarung zu den Urlaubstagen unter die letzte Linie des Formulars zu schreiben und gleichzeitig den für besondere Abmachungen vorgesehenen Platz freizulassen.

24

Soweit das Original der Vertragsurkunde von der Kopie Anlage K 1 abweiche, ziehe dies die Echtheit der Abfindungsvereinbarung nicht in Zweifel. Es könne dahinstehen, ob die Streichung des vorgedruckten Satzteils "oder wird der Arbeitgeber durch schuldhaft vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst" unter "§ 8 Vertragsstrafe bei Vertragsbruch" vor oder nach der Unterschriftsleistung erfolgte. Eine spätere Streichung im Vertrag ließe nicht darauf schließen, dass es auch zu späteren Ergänzungen gekommen sei. Nachträgliche Einfügungen fielen eher auf als Streichungen, da sich Einfügungen nur schwerlich dem bisherigen Schriftbild und dem vorhandenen Raum anpassen ließen.

25

Welchen Sinn und Zweck die Abfindungsvereinbarung habe, könne offen bleiben. Eine Abfindungszusage in dieser Höhe finde sich üblicherweise nicht in Arbeitsverträgen. Allerdings handele es sich auch nicht um ein gewöhnliches Arbeitsverhältnis, was schon die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer zeigt, obwohl er diese Funktion tatsächlich nicht ausgeübt hat. Zudem liege es gerade nicht nah, ungewöhnliche Regelungen zu fälschen, da die Gefahr bestehe, bei der Durchsetzung der Ansprüche keinen Glauben geschenkt zu bekommen und mit der Forderung zu scheitern. Auf das Motiv der Parteien für die Abfindungsvereinbarung komme es ebenso wenig an wie auf das Motiv für die Bestellung des Klägers zum pro-forma-Geschäftsführer. Soweit sich der damalige Geschäftsführer der Beklagten, der Zeuge E., nicht mehr daran erinnern könne, eine solche Vereinbarung unterzeichnet zu haben, mag das zutreffen. An dem seinerzeit geschlossenen Vertrag ändere das nichts.

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Gegen das am 01.07.2014 verkündete und der Beklagten am 01.08.2014 zugestellte Urteil hat diese form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese ebenfalls fristgerecht begründet.

27

Die Beklagte führt an, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vertragsurkunde keine einschlägigen Fälschungsanzeigen enthalte, die Unterschrift mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit echt sei und deshalb uneingeschränkt der darüberstehende Text als wahrer Parteiwillen gelte. Die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts sei fehlerhaft, da Motivationen und Rückschlüsse aus dem subjektiven Klägerhorizont nachvollzogen würden. Zudem würde der Anwendungsbereich des § 419 ZPO zu weit vom Arbeitsgericht eingeschränkt. Der Fälschungsverdacht ergäbe sich aus dem Abgleich mit weiteren Exemplaren respektive deren Kopien. Vorliegend entspreche die vom Kläger vorgelegte Anlage K1 zur Klageschrift nicht dem später vorgelegten Originalvertrag, da im Original eine auffällige Streichung im§ 8 zur Vertragsstrafe erfolgt sei. Der Kläger habe über zwei Originale der Vertragsvereinbarung verfügt, von denen er eines in Kopie und eines im Original zur Akte gereicht habe. Dies bringe den Verdacht der Fälschung mit sich. Zudem sei die Beweiswürdigung fehlerhaft, da es sich um einen arbeitsrechtlichen Formularvertrag handele, der um zwei völlig außergewöhnliche Abfindungsvereinbarungen in einer kleinen Spalte für Nebenabreden ergänzt worden sei. Es handele sich um eine Überraschungsklausel und eine „Einschaltung“ im Sinne des § 419 ZPO.

28

Die Beklagte führt weiter aus, dass die weiteren Erwägungen des Gerichts im Hinblick auf die Verwendung einer einheitlichen Schreibmaschine beruhe auf einer Mutmaßung. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Arbeitsgericht davon ausgehe, der Passus zum Urlaubsanspruch und sein unmittelbarer Anschluss an die Abfindungsregelung unterstreiche die Glaubhaftigkeit. Zwar habe der Text der Urlaubsregelung „irgendwo hingemusst“, es bestünde aber keine Abhängigkeit der Abfindungsregelung von der Urlaubsregelung und umgekehrt. Die Beklagte rügt weiter, dass sich das Gericht im Hinblick auf die Ungewöhnlichkeit der Abfindungsregelung keine hinreichende Grundlage für eine Beurteilungsbasis verschafft habe (Bl. 343 d.A.). Der Kläger habe nicht dargelegt, auf Basis welcher Leistungen oder Opfer ihm so viel Geld versprochen werden sollte. Diese Umstände habe das Arbeitsgericht nicht gewürdigt und habe insbesondere nicht beachtet, dass ein Motiv für die Vereinbarung einer Abfindung gerade nicht erkennbar sei. Der Kläger habe selbst ausgeführt, dass eine Gegenleistung dem Versprechen nicht zu Grunde lag (Bl. 344 d.A.).

29

Die Beklagte trägt in der Berufungsinstanz weiter vor, die Vertragsurkunde lasse Mängel im Sinne des § 419 ZPO erkennen, weshalb das Gericht in freier Beweiswürdigung deren Inhalt zu beurteilen habe. Die Regelung unter § 11 des Vertrages sei in vier Abschnitten getippt worden, was gegen eine Unversehrtheit der Urkunde spräche. Die Verkehrssitte, insbesondere die Begleitumstände des Geschäfts, sprächen gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Würdigung. Es habe nicht offen bleiben dürfen, welchen Sinn und Zweck die Abfindungsvereinbarung habe.

30

Weiterhin meint die Beklagte, die Klage sei nach Löschung der Beklagten aus dem Handelsregister unzulässig geworden, da die Beklagte nicht mehr existent sei (Bl. 520 d.A.).

31

Die Beklagte beantragt zuletzt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 01.07.2014, Aktenzeichen 1 Ca 868/13 abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Der Kläger beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Der Kläger hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Die Löschung der Beklagten sei nicht von Belang, da die Liquidation im laufenden Verfahren dann nicht zum Wegfall der Passivlegitimation der Beklagten führen würde. Bei der Beklagten sei verwertbares Vermögen – jedenfalls in Form von Regressansprüchen – vorhanden (Bl. 542 d.A.). Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Arbeitsvertrag einschließlich der Abfindungsklausel unterzeichnet. Die Echtheit der Namensunterschrift sei festgestellt worden. Der Kläger bestreitet, dass die Abfindungsregelung im Sinne einer „Einschaltung“ (§ 419 ZPO) nachträglich in das Vertragsformular eingefügt worden sei. Es sei zunächst die Abfindungsregelung, im Anschluss hieran die Urlaubsregelung und sodann die Fälligkeitsregelung geschrieben worden.

36

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, die maschinenschriftlichen Zusätze bei § 11 der Arbeitsvertragsurkunde der Parteien seien jüngeren Datums als die sonstigen maschinenschriftlichen Hinzufügungen auf der Vertragsurkunde bzw. als die handschriftlichen Unterschriften auf derselben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Sachverständigen für Forensische Schrift- und Urkundenuntersuchung. Zum Inhalt des Sachverständigengutachtens wird auf Bl. 469 bis 479 d.A. verwiesen.

37

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens sowie des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

38

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6, 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

39

Die Klage ist insbesondere nicht durch Löschung der Beklagten aus dem Handelsregister unzulässig geworden. Die Klage ist nach wie vor zulässig. Die Auflösung der beklagten GmbH nach deren Liquidation und die Löschung aus dem Handelsregister führt nicht zum Verlust der Rechts- und Parteifähigkeit (BAG, Urteil vom 22.03.1988, 3 AZR 350/86, Rn. 13 m.w.N., BAG Urteil vom 14.08.2002, 5 AZR 341/01, Rn. 11). Der Kläger hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass auf Seiten der Beklagten Vermögen – zumindest in Form etwaiger Regressansprüche gegen den Liquidator oder Ansprüche gegen die Gesellschafter – vorhanden ist (Bl. 542 d.A.). Insofern bestehen zumindest Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, weshalb die Gesellschaft trotz Löschung im Handelsregister partei- und prozessfähig bleibt (BGH, Urteil vom 05.07.2012, III ZR 116/11, Rn. 27 m.w.N.). Dieser Behauptung ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Als weitere Aktiva sind zudem etwaige, vom Erfolg der Berufung abhängige Kostenerstattungsansprüche, die als weitere Anhaltspunkte für vorhandenes Vermögen ausreichen, anzusehen (ebenso BAG, 5 AZR 341/01 a.a.O.).

40

Der Bestellung eines Prozesspflegers bedarf es nicht, da die Beklagte in der Berufungsinstanz wirksam anwaltlich vertreten ist und Anhaltspunkte für eine Mandatsbeendigung nicht ersichtlich sind.

II.

41

Die Berufung der Beklagten ist aber unbegründet. Sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht hat das Arbeitsgericht Rostock der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Abfindung nebst Zinsen verurteilt. Der Anspruch auf die Zahlung der Abfindung in Höhe von €102.258,38 = DM 200.000,00 ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung, welche auf den 03.10.1992 datiert. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

42

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern folgt dem Arbeitsgericht Rostock, sieht von einer nur wiederholenden Begründung gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ab und weist nur wegen des weiteren Vortrags in der Berufungsbegründung, der Einholung des ergänzenden Sachverständigengutachtens zur seitens der Beklagten fortgeführten Einwendung, die Abfindungsvereinbarung sei zeitlich nach der Unterschrift und nach den Einfügungen im Vertragstext eingefügt worden sowie wegen der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung auf Folgendes hin:

43

1. Gemäß § 419 ZPO entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern. Die sowohl für öffentliche wie für Privaturkunden geltende Vorschrift betrifft, wie die in ihr genannten Beispiele zeigen, in erster Linie Fälle, in denen das äußere Erscheinungsbild der Urkunde den Verdacht einer Manipulation nahe legt (vgl. etwa BGH Urteil vom 15. November 1979 - III ZR 93/78 Rn. 13).

44

a. § 419 ZPO ist, hierin ist der Beklagten zuzustimmen, nach ihrem Sinn und Zweck aber auch dann anwendbar, wenn zwar eine Manipulation der Urkunde nicht erkennbar ist, sich aber aus der Urkunde selbst Zweifel an ihrer Richtigkeit ergeben. Der Regelungszweck der Bestimmung geht erkennbar dahin, das Gericht von der Formenstrenge der §§ 415 ff. ZPO zu entbinden, wenn sich bereits aus dem äußeren Anschein der Urkunde Bedenken gegen die Richtigkeit der darin beurkundeten Tatsachen aufdrängen. In diesen Fällen soll das Gericht die Möglichkeit haben, ohne Bindung an strenge Beweisregeln - ebenso wie auch sonst nach § 286 ZPO - nach freier Überzeugung über die Wahrheit einer Tatsache zu befinden. Wie sich aus § 419 ZPO ohne weiteres ergibt, entfällt im Falle eines äußeren Mangels die Beweiskraft der Urkunde auch nicht etwa ersatzlos. Vielmehr wird lediglich dem Gericht die Verantwortung der durch die §§ 415 ff. ZPO aufgehobenen freien Überzeugungsbildung zurückgegeben (BAG, Beschluss vom 29.04.2004, 1 ABR 30/02 Rn. 82). In diesem Sinne nehmen die in § 419 ZPO bezeichneten Mängel der Urkunde nicht schlechthin die Beweiskraft, sondern schließen nur die Beweisregeln der §§ 415 bis 418 ZPO aus und stellen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) wieder her. (BGH, Urteil vom 25.03.1987, IV AZR 224/85, Rn. 24).

45

b. Im vorliegenden Fall ist die freie Beweiswürdigung, wie sie das Arbeitsgericht Rostock im Urteil vorgenommen hat, keinen rechtlich erheblichen Einwendungen ausgesetzt. Rechtsfolge des § 419 ZPO ist in diesem Sinne nicht die Unwirksamkeit oder Unbeachtlichkeit der Urkunde, sondern eine Minderung deren Beweiskraft. Diese Minderung der Beweiskraft bringt es mit sich, dass – wie das Arbeitsgericht Rostock zutreffend angenommen hat – der Gegenbeweis für den Inhalt und die Richtigkeit der Urkunde zulässig und ggf. auch zu erheben ist.

46

Vorliegend hat die Beklagte jedenfalls in der ersten Instanz den Gegenbeweis nicht geführt, so dass die Vermutungswirkung des § 440 ZPO greift. Wie das Arbeitsrecht zutreffend angenommen hat, ist die Behauptung, die Regelung zum Jahresurlaub sei vor der Unterzeichnung auf der Arbeitsvertragsurkunde vorhanden gewesen, unstreitig geblieben. Die Beklagte hat ausdrücklich vorgetragen: „...Dass dieser Satzteil „... vier Wochen nach Austritt“ aber seitlich nur an den rechten Rand gequetscht wurde, spricht eben dafür, dass nachträglich diese Abfindungsvereinbarung eingefügt wurde. Tatsächlich vereinbart war nämlich lediglich nur die Anzahl der Urlaubstage. Dies ist auch folgerichtig, da sich ansonsten in den übrigen vorformulierten Arbeitsbedingungen zum gewährten Urlaub keine Regelung findet.“ (Bl. 101 d.A.). Dieser tatsächliche – unstreitige -Vortrag ist Gegenstand der insoweit verbindlichen tatbestandlichen Feststellungen des Arbeitsgerichts und ist von den Parteien auch in der Berufungsinstanz nicht angegriffen worden. Unstreitig war damit zum Zeitpunkt der Unterzeichnung die in der vierten Zeile des maschinenschriftlichen Zusatzes zu § 11 des Arbeitsvertrages enthaltene Urlaubsregelung bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vorhanden. Die Anknüpfungstatsachen, die das Arbeitsgericht bei dieser Würdigung heranzog, nämlich der Umstand, dass die Aufführung der Urlaubsvereinbarung in der vierten Zeile dafür spräche, dass die – nach den eigenen Feststellungen des Arbeitsgerichts in einem einheitliche Zeilenabstand, also in einem Zug geschriebenen – vorangehenden Zeilen der Abfindungsregelung dann bei der Unterzeichnung aller Wahrscheinlichkeit nach vorhanden war, ist nicht zu beanstanden.

47

c. Der Beklagten ist es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, den Gegenbeweis, nämlich den Beweis, dass die Abfindungsregelung zeitlich nachfolgend eingefügt wurde, zu führen. Das vom Landesarbeitsgericht insoweit zur Beantwortung der von der Beklagten aufgeworfenen Beweisfrage eingeholte Sachverständigengutachten kommt zum Ergebnis, dass „weder nachzuweisen noch auszuschließen ist, dass die maschinenschriftlichen Zusätze bei § 11 der Arbeitsvertragsurkunde der Parteien jüngeren Datums sind als die sonstigen maschinenschriftlichen Hinzufügungen auf der Vertragsurkunde bzw. als die handschriftlichen Unterschriften“ (Bl. 479 d.A.). Das Gutachten stützt sich auf eine detaillierte, wissenschaftlich fundierte, physikalische und zerstörungsfreie Analyse der Urkunde. Die Methodik des Gutachters ist ebenso wie das Ergebnis in jeder Hinsicht nachvollziehbar.

48

Bereits nach allgemeinen Beweisregeln ist damit der Beklagtenseite nicht gelungen, den Gegenbeweis, nämlich den Beweis der nachträglichen Einfügung der Textpassage zur Abfindungszahlung, zu erbringen, so dass jedenfalls nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme die seitens des Arbeitsgerichts angenommene Schlussfolgerung zutrifft.

49

d. Selbst wenn man insoweit annehmen würde, dass in dem Fall des „non liquet“ nicht die allgemeinen Beweislastregeln greifen würden, führt dies nach der Überzeugung des Landesarbeitsgerichts zu keinem anderen Ergebnis, denn das Sachverständigengutachten ergibt – in Verbindung mit dem unstreitigen Parteivortrag zu der in der vierten Zeile der Einfügung aufgenommenen Urlaubsregelung – den Beweis des Gegenteils der Behauptung der Beklagten.

50

Nach den Feststellungen des Sachverständigen lassen sich nämlich zur streitgegenständlichen Passage „folgende Abschnitte in voneinander separate Schreibvorgänge bzw. voneinander abweichende Schreibleistungen einordnen“ (Bl. 475, 476 d.A.):

51

Abschnitt 1

52

Abfindungszahlung

53

Bei Verlust des Arbeitsplatzes bzw. bei Ausscheiden wird dem Arbeitnehmer 1 A. eine Abfindung von 200.000,00 DM und Arbeitnehmer 2 E. A. 50.000,00 DM, so verpflichtet sich der Arbeitgeber, gezahlt .

54

Es besteht ein Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen.

55

A-Stadt

56

Abschnitt 2

57

Zahlung spätestens
4 Wochen nach Austritt

58

Abschnitt 3

03.10.1992

59

Abschnitt4

60

Arbeitnehmer                           Arbeitgeber“

61

Der Sachverständige führt weiter aus (Bl. 477, 478 d.A.):

62

„Durch die Untersuchungsbefunde wurde eindeutig belegt, dass sich zumindest die beiden maschinenschriftlichen Bezeichnungen „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer auf der Urkunde befanden, als die Unterschriftsleistung „E. A.“ erfolgte. Diese Bereiche weichen allerdings lediglich in der senkrechten Spaltenjustierung von dem Hauptabschnitt „Abfindungszahlung... A-Stadt“ ab. (...). Der Abstand der beiden Bezeichnungen „Arbeitgeber / Arbeitnehmer“ zum unteren Papierrand ist jedoch derart gering, dass die Andruckrollen des Papierfeststellers in dieser Schreibposition den Papierbogen nicht mehr unverrückbar an der Schreibwalze fixieren konnten. Das Dokument wurde daher nur noch von der Papierhaltestange im oberen Walzenbereich gehalten, so dass die nachweisbare geringe Verschiebung der Zeilenparallelität sachverständigerseits nicht zwingend als separate Schreibleistung interpretiert werden kann und bei dieser Bewertung Zurückhaltung geboten ist. Während der Herstellungszeitpunkt der maschinengeschriebenen Bezeichnungen „Arbeitgeber / Arbeitnehmer“ eindeutig vor der Unterschriftsleistung erfolgte, kann diese Schlussfolgerung für die strittige maschinenschriftliche Textpassage „Abfindungszahlung... A-Stadt“ nicht vorbehaltlos übernommen werden, da der Fertigungszeitpunkt dieses Abschnittes nicht eindeutig zu verifizieren ist“

63

Das Landesarbeitsgericht nimmt auf diese letztgenannten tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen Bezug und sieht hierin die bereits vom Arbeitsgericht getroffene Feststellung, dass das – arbeitsgerichtlich durch Inaugenscheinnahme in Bezug genommene – Druckbild für einen in einem Zug erfolgten Schreibvorgang spricht – bestätigt.

64

Allein hierauf kommt es zur Überzeugungsbildung der Kammer des Landesarbeitsgerichts aber nicht an, da die Feststellungen des Sachverständigen zur Kontinuität des Schreibvorganges in Verbindung mit dem unstreitigen Parteivortrag, wonach die Textpassage zum Urlaub zum Zeitpunkt der Unterzeichnung jedenfalls vorhanden war, sogar das Gegenteil der Behauptung der Beklagten beweist.

65

Wie der Sachverständige nämlich feststellte, wurde der Abschnitt zur Abfindungszahlung in einem Schreibvorgang, das heißt nicht im Rahmen einer abweichenden Schreibleistung, wie die Vereinbarung zum Urlaubsanspruch erstellt. Im selben Schreibvorgang wurde sodann auch der Ort der Unterzeichnung („A-Stadt“) in einem einheitlichen Vorgang geschrieben.

66

Auf diese Feststellungen nimmt das Landesarbeitsgericht ausdrücklich Bezug. Die Methodik des Sachverständigen, zur Feststellung der Kontinuität des Schreibvorgangs die räumliche Anordnung der maschinellen Schriftzeichen zu untersuchen mit einem Messraster zu unterlegen, leuchtet ein und ist ohne weiteres nachvollziehbar. Dass sich beim Lösen des Papierfeststellers hierbei Abweichungen ergeben, die für unterschiedliche Schreibvorgänge sprechen, ist ebenfalls nachvollziehbar. Die weiteren Feststellungen, welche Passagen in einem einheitlichen Vorgang – das heißt ohne Lösen des Feststellers oder Neueinlegen des Blattes – geschrieben wurden, ergeben sich dann in weiterer, hierauf aufbauender Konsequenz.

67

Soweit, was unstreitig ist, die Textzeile „Es besteht ein Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen“ bei der Unterzeichnung vorhanden war, ist dies im Hinblick auf die streitgegenständliche Textpassage „Abfindungszahlung...“ ebenfalls durch das Sachverständigengutachten nach Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Beide Regelungen wurden nämlich nach den Feststellungen des Sachverständigen in einem einheitlichen Schreibvorgang erstellt.

68

2. Nach § 416 ZPO begründet eine vom Aussteller unterschriebene Privaturkunde, die nicht mit Mängeln im Sinne des § 419 ZPO behaftet ist, den vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben sind. Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat nach § 440 Abs. 2 ZPO die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (ebenso lag Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2003, 16 Sa 337/03, Rn 18 m.w.N.). Kein Mangel im Sinne von § 419 ZPO liegt dann vor, wenn in der Urkunde Ergänzungen vorgenommen wurden, die hand- oder maschinenschriftlich in dafür vorgesehene Lücken des Textes eingefüllt wurden bzw. die nach dem fortlaufenden Text unmittelbar über den Unterschriften stehen, denn in diesem Fall spricht die Zurechnungsvermutung für die Echtheit und damit die Beweiskraft (BGH Urteil vom 22.02.1956, V ZR 114/54; Urteil vom 15.04.1994, V ZR 175/92 Rn. 6). Nicht jeder Schönheitsfehler einer Urkunde ist bereits ein äußerer Mangel.

69

a. Vor dem Hintergrund dieser Grundsätze ist die vom Arbeitsgericht getroffene Würdigung, dass im Falle der (nachgewiesenen) Echtheit Unterschrift unter der Urkunde die in ihr enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben sind und es daher nicht auf die „Motivation“ oder den hinter der Erklärung stehenden „Sinn und Zweck“ ankommt, nicht zu beanstanden. Wie das Arbeitsgericht zutreffend feststellte, erfordert das von den Parteien verwendete Formular eine nachträgliche Einfügung von Textpassagen, um hinsichtlich der „essentialia negotii“ eine wirksame und sinnvolle und vollständige Regelung zu ergeben. Das Formular erfordert daher eine nachträgliche Einfügung von Textpassagen, weshalb weder die maschinenschriftlichen, noch die handschriftlichen Ergänzungen als Indiz für eine nach Unterschrift erfolgte Abänderung herangezogen werden können. Ergänzungen sind vielmehr beim Ausfüllen eines Formulars, welches Lücken enthält, systemimmanent und sind daher nicht einmal als „Schönheitsfehler“ anzusehen.

70

b. Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten die Echtheit der Unterschrift unter der Vertragsurkunde zunächst nicht in Frage stellte, sondern zunächst ausschließlich bestritt, dass die Abfindungsvereinbarung bei der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages vorhanden war (Bl. 38 d.A.), bestritt die Beklagte nachfolgend, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Arbeitsvertrag überhaupt um den von ihr unterzeichneten Vertrag gehandelt hat und es sich um eine Fälschung des Arbeitsvertrages insgesamt handele (Bl. 98 d.A.). Die Echtheit der Unterschrift wurde sodann durch Sachverständigengutachten „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nachgewiesen. Zugleich hatte der in der ersten Instanz als Zeuge vernommene ehemalige Geschäftsführer der Beklagten, welcher den Arbeitsvertrag unterzeichnete, stets darauf Bezug genommen, eine Abfindungsregelung ohne entsprechende Gegenleistung nicht unterzeichnet zu haben, beziehungsweise sich der Abfindungsvereinbarung bei Unterzeichnung des Arbeitsvertrages nicht bewusst gewesen zu sein (Bl. 80 d.A.). Erst mit Nachweis der Echtheit der Unterschrift mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zog sich die Beklagte darauf zurück, dass die Abfindungsregelung nach der Unterzeichnung – räumlich oberhalb der Urlaubsregelung – eingefügt worden sei. Die erkennende Kammer ist jedoch auch aufgrund des prozessualen Verhaltens der Beklagten davon überzeugt, dass eine nachträgliche Veränderung in Form der Einfügung der Abfindungsregelung ausgeschlossen ist. Die Kammer stützt die Überzeugung auch auf den bereits in der ersten Instanz wechselnden Vortrag der Beklagten, insbesondere im Hinblick auf die Echtheit der Arbeitsvertragsurkunde und würdigt hierbei insbesondere auch die von der Beklagtenseite abgegebenen Erklärungen in den mündlichen Verhandlungen der ersten und zweiten Instanz (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 08.05.1996, 5 AZR 315/15, Rn. 75). Die Beklagtenseite, die sich im Termin zur mündlichen Verhandlung allein durch ihren Anwalt vertreten ließ, ohne – etwa durch den (ehemaligen) Geschäftsführer - vertreten zu sein, hat die Gelegenheit, diesem Eindruck entgegenzuwirken, nicht genutzt. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen ist auch das Landesarbeitsgericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit hinreichender Sicherheit davon überzeugt, dass eine nachträgliche Abänderung der Vertragsurkunde in der Form der nachträglichen Einfügung der Abfindungsklausel nicht vorliegt.

71

c. Auf die von der Beklagtenseite gerügten Unterschiede, die sich zwischen der als Anlage K1 zur Klageschrift vorgelegten Kopie des zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsvertrages und dem Original, welches der Kläger nachfolgend zur Akte gelangte und welches Gegenstand der Untersuchungen durch den Sachverständigen war, kommt es entscheidungserheblich nicht an. Zunächst einmal dient die Vorlage einer Kopie nicht der Beweisführung, sondern der Beweis ist – wie geschehen – durch Vorlage des Originalvertrages zu führen. Weiterhin entspricht die Kopie bereits dem Druckbild nach nicht dem Originaldokument, welches Einfügungen, Streichungen und Unterschriften zum Teil mit blauer Farbe darstellt und welches – im Hinblick auf die Rückseite – „über Kopf“ gedruckt ist. Zudem ist völlig offen und kann letztlich dahingestellt werden, inwieweit und wann es zur Erstellung der Kopie oder einer etwaigen Veränderung des Originaldokumentes gekommen ist, da jedenfalls die Echtheit des sachverständigerseits untersuchten Dokuments im Hinblick auf die streitgegenständliche Abfindungsklausel erwiesen ist. Die Ausführungen des Arbeitsgerichts hierzu lassen aus Sicht der Kammer keine Fehler erkennen, die auf die Beweiswürdigung Einfluss hätten.

III.

72

Die Berufung der Beklagten war daher gemäß § 97 Abs. 1 ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.

IV.

73

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Die Kammer hat die Rechtsgrundsätze der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere auch des Bundesarbeitsgerichtes, aber auch des Bundesgerichtshofs auf den Einzelfall angewendet. Ein Abweichen von der Rechtsprechung anderer Landesarbeitsgerichte ist nicht ersichtlich.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 415 Beweiskraft öffentlicher Urkunden über Erklärungen


(1) Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind (öffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 416 Beweiskraft von Privaturkunden


Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 440 Beweis der Echtheit von Privaturkunden


(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen. (2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Ha

Zivilprozessordnung - ZPO | § 419 Beweiskraft mangelbehafteter Urkunden


Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

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Tenor 1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. April 2015 - 6 Sa 1511/14 - wird zurückgewiesen.

Referenzen

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

27
Die - vorliegend im Laufe des (Nichtzulassungs-)Beschwerdeverfahrens erfolgte - Löschung einer GmbH hat im Allgemeinen zur Folge, dass die Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert und damit nach § 50 Abs. 1 ZPO auch ihre Fähigkeit, Partei eines Rechtsstreits zu sein; die Gesellschaft ist materiellrechtlich nicht mehr existent. Bestehen dagegen Anhaltspunkte dafür, dass noch verwertbares Vermögen vorhanden ist, bleibt die Gesellschaft trotz der Löschung rechts- und parteifähig. Dafür reicht bei einem Aktivprozess schon die bloße Tatsache, dass die Gesellschaft einen Vermögensanspruch geltend macht. Bei einem (wie hier) Passivprozess ist die gelöschte Gesellschaft jedenfalls dann parteifähig, wenn die Klagepartei (substantiiert) behauptet, es sei bei der Gesellschaft noch Vermögen vorhanden (vgl. zu alldem BGH, Urteile vom 6. Februar 1991 - VIII ZR 26/90, NJW-RR 1991, 660 mwN [zur Löschung einer GmbH nach Beendigung der Liquidation] und vom 25. Oktober 2010 - II ZR 115/09, NJW-RR 2011, 115, 116 Rn. 22 mwN [zur Löschung einer vermögenslosen GmbH]).

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(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.

(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.

Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde ganz oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. April 2015 - 6 Sa 1511/14 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Entgelterhöhung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung, betrieblicher Übung oder Gleichbehandlung.

2

Die zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat geschlossene „Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem vom 8. April 2010“ (im Folgenden GBV) lautet auszugsweise:

        

„Präambel

        

Arbeitgeberin und Gesamtbetriebsrat stimmen darin überein, die bisherige Vergütungspraxis zu systematisieren.

        

Ziele dieser Gesamtbetriebsvereinbarung sind insbesondere, die Schaffung einer eindeutigen Beziehung zwischen Aufgaben und Anforderungen sowie dem Gehalt und die Definition von Entgeltdifferenzierungen durch Vergütungsgruppen, die als motivierend und leistungssteigernd empfunden werden.

        

Das insoweit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zugrunde liegende Entgeltsystem basiert unter anderem auf Funktionsbewertungen, einer Vergütungsstruktur in Form von Gehaltsbändern und einem Stationsbonus.

        

…       

        

2       

Funktionsbewertungssystem

        

2.1     

Ausgangspunkt für die Definition der individuellen Grundvergütung der Mitarbeiter ist eine Funktionsbewertung aller bei der Arbeitgeberin vorkommenden Funktionen.

                 

Die Funktionen wurden nach den acht Bewertungskriterien

                 

- Fachwissen

                 

- Unternehmenskenntnis

                 

- Soziale Kompetenz und Führungsqualität

                 

- Denkrahmen

                 

- Schwierigkeitsgrad

                 

- Entscheidungsfreiraum

                 

- Einflussgröße

                 

- Einfluss auf Zielerreichung

                 

bewertet.

                 

Jedem Kriterium ist eine Punkteskala zugeordnet, auf der im Bewertungsprozess das jeweilige Anforderungsniveau mit einem Punktwert festgelegt wird (Bewertungstabelle, Anlage 1).

                 

Die Addition der Punktwerte der acht Bewertungskriterien führt zu einer Gesamtpunktsumme. Auf dieser Basis erfolgt eine Zuordnung der Funktionen zu einer der Vergütungsgruppen und den damit verbundenen Gehaltsbändern (Vergütungsgruppen, Anlage 2).

        

…       

        
        

3       

Vergütungsstruktur

        

3.1     

Ausgehend von den Grundsätzen der Funktionsbewertung (vgl. oben 2) erfolgt die individuelle Grundgehaltsermittlung für den einzelnen Mitarbeiter auf der Basis eines Gehaltsbandsystems. Dabei wird unter Grundgehalt das Monatsentgelt oder der Stundenlohn (Stundenlohn multipliziert mit dem durchschnittlichen monatlichen Stundensatz) ohne Zuschläge verstanden.

        

3.2     

Es werden sechs Vergütungsgruppen gebildet. Den Vergütungsgruppen 1 bis 5 sind eine Bandunterlinie und eine Bandoberlinie zugeordnet; der Vergütungsgruppe 6 eine Bandunterlinie.

        

3.3     

Die Bandober- und -unterlinien werden jährlich angepasst. Sie werden um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres angepasst.

        

4       

Ermittlung und Festlegung des individuellen Grundgehalts

        

4.1     

Alle Mitarbeiter werden grundsätzlich in die Vergütungsgruppe eingestuft, die für die von ihnen ausgeübte Funktion ermittelt wurde. Mitarbeiter, die die Funktion, die sie besetzen, noch nicht vollständig ausfüllen, werden zunächst im unteren Bereich der Vergütungsgruppe eingestuft und werden schrittweise in Abhängigkeit von ihrer Leistung gehaltlich in der Vergütungsgruppe entwickelt (Funktionseinsteiger).

        

4.2     

Durch die Bandunterlinie und die Bandoberlinie ist jeweils der Entgeltkorridor vorgegeben, innerhalb dessen das individuelle Grundgehalt liegen kann. Die tatsächliche Festlegung des Grundgehalts erfolgt durch den Vorgesetzten.

        

4.3     

Das Grundgehalt wird jährlich am dritten Donnerstag im Oktober überprüft. Der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz wird zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abgestimmt. Für die Bestimmung werden die Entwicklung der Lebenshaltungskosten (Verbraucherpreisindex gemäß statistischem Bundesamt in den letzten 12 Monaten) und die wirtschaftliche Lage des Unternehmens herangezogen.

        

…       

        
        

9       

Besitzstandsregelung und Einmalzahlungen

        

…       

        
        

9.2     

Mitarbeiter, deren Grundgehaltserhöhung nach 4.3 zum Überschreiten der Bandoberlinie führen würde, erhalten eine Erhöhung bis zur Bandoberlinie. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird, multipliziert mit 12, als Einmalzahlung gewährt.

        

9.3     

Lag das Grundgehalt bereits vor der Erhöhung über der Gehaltsoberlinie wird anstelle einer Grundgehaltserhöhung eine Einmalzahlung gewährt. Deren Höhe bemisst sich nach dem berechnetem Erhöhungsbetrag nach 4.3, multipliziert mit 12.

        

…“    

        
3

Der Kläger ist seit Jahren bei der Beklagten angestellt. Er ist als Standard Warehouse Agent der Vergütungsgruppe 2 zugeordnet. Die Beklagte erhöhte sein Gehalt im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 2,5 % und im Jahr 2013 um 2,0 %. Im Jahr 2014 erhielt weder der Kläger noch ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten eine Gehaltserhöhung.

4

Die Bandunter- und Bandoberlinien wurden im Jahr 2011 um 1,5 %, im Jahr 2012 um 1,5 %, im Jahr 2013 um zumindest 2,0 % - nach dem Behaupten der Beklagten um 2,5 % - und im Jahr 2014 um 2 % erhöht.

5

Mit der vorliegenden, mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die Erhöhung seines Grundgehalts ab 1. Januar 2014 entsprechend der im Jahr 2014 vorgenommenen Erhöhung der Bandlinien verlangt. Des Weiteren begehrt er die Feststellung, die Beklagte sei verpflichtet, künftig Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Bandlinienerhöhung vorzunehmen. Er hat geltend gemacht, nach den Regelungen der GBV habe einer Bandlinienerhöhung zwingend eine Anhebung der Grundgehälter in gleicher Höhe zu folgen. Bei einem anderen Verständnis verstießen die Regelungen der GBV gegen § 2 KSchG und § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil sich die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien verschlechtere. Dies stelle einen Eingriff in das arbeitsvertragliche Synallagma dar. Zudem führe eine andere Sichtweise zur Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft würden. Solche Mitarbeiter würden besser behandelt, weil ihr Gehalt entsprechend der Bandlinienerhöhung anzupassen sei, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden. Der Anspruch auf Gehaltserhöhung folge zudem aus betrieblicher Übung. Die Beklagte habe durch die wiederholte Anhebung des Grundgehalts entsprechend der Erhöhung der Bandlinien einen Vertrauenstatbestand gesetzt, künftig in gleicher Weise zu verfahren.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 572,26 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers ab dem Monat Februar 2015 um 44,02 Euro brutto zu erhöhen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, das Grundgehalt des Klägers zukünftig jeweils in der Höhe zu erhöhen, in welcher die Beklagte die Bandlinien erhöht.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die GBV sehe lediglich eine jährliche Überprüfung der Grundgehälter vor. Aus einer Erhöhung des Grundgehalts folge zwar die Verpflichtung, die Bandlinien zu erhöhen, aus einer Bandlinienerhöhung ergäben sich aber keine Konsequenzen für die Entwicklung der Gehälter.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen und die Klage, wie zwar nicht ausdrücklich tenoriert, aber den Entscheidungsgründen zu entnehmen, im Übrigen insgesamt abgewiesen.

10

I. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf eine Erhöhung seiner Vergütung ab 1. Januar 2014 um 2 % und auf künftige Gehaltserhöhungen im Umfang der jeweiligen Erhöhung der Bandlinien. Er kann deshalb weder weitere Zahlungen für den Zeitraum Januar 2014 bis Januar 2015 noch die beantragten Feststellungen verlangen.

11

1. Die Gesamtbetriebsvereinbarung Vergütungssystem begründet keine Verpflichtung der Beklagten, das Gehalt des Klägers entsprechend der Bandlinienerhöhung anzuheben. Ein Anspruch folgt weder aus 3.3 GBV noch aus 4.3 GBV. Dies ergibt die Auslegung der GBV (zu den Auslegungsregeln vgl. st. Rspr.: BAG 5. Mai 2015 - 1 AZR 435/13 - Rn. 26; 13. Oktober 2015 - 1 AZR 853/13 - Rn. 22).

12

a) Nach 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV sind die Bandober- und Bandunterlinien jährlich um den Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres anzupassen. Damit steht der Wortlaut der Regelung der vom Kläger vertretenen Auslegung entgegen, Gehaltserhöhungen seien im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen. Das Gegenteil ist der Fall. 3.3 Satz 2 GBV regelt ausdrücklich die Erhöhung der Bandlinien in Abhängigkeit von der Erhöhung der Grundgehälter. Bandlinienerhöhungen sind als Folge von Gehaltserhöhungen zu vollziehen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen. Dem entspricht die Formulierung in 3.3 Satz 1 GBV, Bandober- und Bandunterlinien sind jährlich anzupassen. Bezugsgröße der Bandlinienanpassung ist nach 3.3 Satz 2 GBV stets der Erhöhungsprozentsatz der Gehaltsanpassungen des Vorjahres. Unterbleibt eine Gehaltserhöhung, ist eine „Anpassung“ der Bandlinien hinfällig. Ein anderes Verständnis führte nicht zu einem sachgerechten und praktisch brauchbaren Ergebnis. Die vom Kläger vertretene Auslegung setzte bei einmaliger Erhöhung der Grundgehälter einen Kreislauf in Gang, indem die Bandlinien entsprechend der Erhöhung der Grundgehälter und die Grundgehälter entsprechend den Bandlinien zu erhöhen wären. Hierfür bietet die GBV keinen Anhaltspunkt.

13

b) Aus 4.3 Satz 1 GBV ließe sich allenfalls ein Anspruch auf Überprüfung der Gehaltssituation herleiten, nicht aber auf Erhöhung der Grundgehälter (vgl. BAG 16. September 1998 - 5 AZR 598/97 - zu I 1 b der Gründe). Ebenso wenig folgt ein Anspruch aus 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV.

14

aa) Der - wie die Beklagte - nicht tarifgebundene Arbeitgeber bestimmt autonom das Volumen der zur Vergütung aller Mitarbeiter bereitgestellten Mittel und entscheidet über zukünftige Aufstockungen dieses Volumens. Mangels Tarifgebundenheit leistet er sämtliche Vergütungsbestandteile „freiwillig“, dh. ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein (vgl. BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21, BAGE 127, 297). Lediglich für die Ausgestaltung, also den Verteilungs- und Leistungsplan nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, bedarf es der Mitbestimmung des Betriebsrats. Daher ist die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, mitbestimmungsfrei. Allerdings kann der Arbeitgeber freiwillig gegenüber dem Betriebsrat eine Verpflichtung zur Gehaltserhöhung eingehen oder insoweit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründen. Dies kann in einer eigenen freiwilligen Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG oder im Rahmen einer ansonsten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmten Betriebsvereinbarung geschehen. Die Übernahme einer derartigen, gesetzlich nicht gebotenen und in der Praxis ungewöhnlichen Verpflichtung muss aber gerade im letztgenannten Fall deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b aa der Gründe; 18. Oktober 2011 - 1 AZR 376/10 - Rn. 13).

15

bb) Ein Wille der Beklagten, sich bei der Gehaltshöhe ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu begeben, kommt in der GBV nicht mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck. 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV bestimmen lediglich, dass der Grundgehaltsanpassungsprozentsatz zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat abzustimmen sei. Die Regelung lässt sich nahtlos in die betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben einfügen, indem angenommen wird, die Abstimmung nach 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV sei nur im Fall einer von der Beklagten zuvor getroffenen Erhöhungsentscheidung vorzunehmen und diene lediglich ihrer Umsetzung. Hierfür spricht auch die Unbestimmtheit des nach 4.3 Satz 3 GBV bei der Abstimmung ua. heranzuziehenden Kriteriums „wirtschaftliche Lage des Unternehmens“ (vgl. BAG 21. Januar 2003 - 1 ABR 5/02 - zu B II 2 b bb der Gründe). Wie diese Lage zu bestimmen ist und bei welcher Lage eine Gehaltserhöhung vorzunehmen wäre, regelt die GBV nicht.

16

cc) Erst Recht ergibt sich aus 4.3 GBV kein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Bandlinien und der Erhöhung der Grundgehälter. Die Erhöhung der Bandlinien ist in 4.3 Satz 2 und Satz 3 GBV nicht als Kriterium genannt.

17

c) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfordert keine Erhöhung der Grundgehälter als Folge einer Bandlinienanpassung. Diese Bestimmung schützt den einzelnen Arbeitnehmer nicht davor, dass sich bei gleichbleibender Vergütungshöhe die Lage seines Grundgehalts innerhalb der Bandlinien ändert.

18

aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen, insbesondere bei der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Sie sind damit die allgemeinen Vorgaben, aus denen sich die Vergütung der Arbeitnehmer des Betriebs in abstrakter Weise ergibt (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13).

19

bb) Die GBV regelt Entlohnungsgrundsätze. Sie stellt in 3.3 GBV und 4.3 GBV mit der Zuordnung bestimmter Funktionen zu Gehaltsbändern abstrakt-generelle Grundsätze zur Lohnfindung auf (vgl. BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, 23 mwN, BAGE 135, 13). Die Entgeltordnung selbst ordnet die Anpassung des Gehaltsbands als Folge der Entgelterhöhung des Vorjahres an. Damit steht die Position des Grundgehalts des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb der Bandlinie unter dem Vorbehalt der Anpassung der Bandlinien an Gehaltserhöhungen. Die Entscheidung, ob Gehälter erhöht werden sollen, unterliegt, wie bereits ausgeführt, nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats. Deshalb kann sich eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht aus dem Fehlen einer die Beklagte verpflichtenden Regelung ergeben.

20

d) Die Regelungen der GBV sind mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 Abs. 1 BetrVG) vereinbar.

21

aa) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichstellung von Personen in vergleichbarer Lage sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblicher Sachgrund für eine Gruppenbildung ist vor allem der mit der jeweiligen Regelung verfolgte Zweck (BAG 18. Mai 2010 - 1 AZR 187/09 - Rn. 15; 9. Dezember 2014 - 1 AZR 406/13 - Rn. 24). Dabei ist bei einer personenbezogenen Ungleichbehandlung der Gleichheitssatz bereits dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 43/12 - Rn. 18; 8. Dezember 2015 - 1 AZR 595/14 - Rn. 20).

22

bb) Eine Gruppenbildung, die zwischen neu eingestellten und länger beschäftigten Arbeitnehmern differenziert, nimmt die GBV nicht vor. Sonderregelungen enthält die GBV lediglich in 4.1 Satz 2 für „Funktionseinsteiger“ und 9.1 bis 9.3 für Überschreiter. Unterstellte man zugunsten des Klägers, die GBV sähe bei nach einer Gehaltserhöhung auf der Bandunterlinie eingestuften Mitarbeitern, wenn diese als Folge der Bandlinienanpassung nach 3.3 GBV aus der Bandlinie „herausfielen“, eine Gehaltserhöhung vor, gölte dies gleichermaßen für alle hiervon betroffenen Arbeitnehmer. Mitarbeiter deren Gehalt, wie das des Klägers, auch nach der Bandlinienanpassung im Rahmen des Entgeltkorridors liegt, befänden sich mit diesen Mitarbeitern nicht in einer vergleichbaren Lage. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz kommt deshalb nicht in Betracht.

23

e) Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Bandlinien ohne entsprechende Erhöhung der Grundgehälter verstößt weder gegen § 2 KSchG noch führt sie zu dessen Umgehung.

24

aa) 3.3 GBV und 4.3 GBV haben keine Änderung der Arbeitsbedingungen des Klägers zur Folge. Eine Änderung von „Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 KSchG tritt allein bei einer Veränderung der Vertragsbedingungen ein. § 2 Satz 1 KSchG greift nur ein, wenn die Änderung auf Basis der bestehenden vertraglichen Regelungen nicht zu erreichen ist. Unter „geänderten Arbeitsbedingungen“ iSv. § 2 Satz 1 KSchG sind folglich andere Arbeitsvertragsbedingungen zu verstehen(BAG 26. Januar 2012 - 2 AZR 102/11 - Rn. 14, BAGE 140, 328). Eine bestimmte Position der Vergütung des Klägers innerhalb der Bandlinien haben die Parteien nicht vereinbart. Sie ergibt sich lediglich als Reflex der GBV und hat nicht den Status einer Vertragsbedingung.

25

bb) § 2 KSchG wird durch 3.3 GBV und 4.3 GBV nicht umgangen. Diese Regelungen greifen nicht in das arbeitsvertragliche Synallagma ein. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wird durch das Verhältnis von geschuldeter Arbeitsleistung und Vergütung bestimmt. Die nach den Bestimmungen der GBV unter dem Vorbehalt künftiger Anpassungen stehende Position des Klägers innerhalb der Bandlinien berührt das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht.

26

2. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.

27

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden (BAG 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

28

b) Die Voraussetzungen der Entstehung einer betrieblichen Übung sind danach nicht erfüllt.

29

aa) Es sind keine Umstände gegeben, aus denen geschlossen werden könnte, die Beklagte habe in der Vergangenheit Gehaltserhöhungen als Folge von und gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen. Allein die Übereinstimmung der Erhöhungssätze in einzelnen Jahren lässt einen solchen Schluss nicht zu. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte musste der Kläger Bandlinienerhöhungen als Umsetzung der Regelungen in 3.3 Satz 1 und Satz 2 GBV verstehen, dh. als Folge von Gehaltserhöhungen, nicht aber umgekehrt, Erhöhungen der Grundgehälter als Folge von Bandlinienerhöhungen.

30

bb) Die vom Kläger vertretene Auslegung der GBV, nach 3.3 GBV, 4.3 GBV seien Gehaltserhöhungen im jeweiligen Umfang der Erhöhung der Bandlinien vorzunehmen, führte zu keinem anderen Ergebnis. Hätte die Beklagte, wie vom Kläger behauptet, Gehaltserhöhungen gekoppelt an Bandlinienerhöhungen vorgenommen, stellte dies lediglich einen vermeintlichen Normenvollzug dar, der nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung führte (vgl. BAG 17. September 2013 - 3 AZR 300/11 - Rn. 60; 19. März 2014 - 5 AZR 954/12 - Rn. 43).

31

cc) Mit den Gehaltserhöhungen der Jahre 2011 bis 2013 für sich genommen, hat die Beklagte ebenfalls keine betriebliche Übung begründet.

32

(1) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter, kann eine betriebliche Übung selbst bei über Jahre gleichbleibender Gehaltserhöhungspraxis nur entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, er wolle die Erhöhungen auch ohne Bestehen einer Verpflichtung künftig, dh. auf Dauer vornehmen (vgl. zur Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen: BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 21). Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Mit den freiwilligen Entgeltsteigerungen entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung des erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Erhöhungen künftig überhaupt oder nach einem bestimmten Schema vorzunehmen (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 24. Februar 2016 - 4 AZR 990/13 - Rn. 22).

33

(2) Danach hat die Beklagte durch die freiwilligen Gehaltserhöhungen in der Vergangenheit, selbst wenn man unterstellt, sie habe diese parallel zu den Bandlinienerhöhungen vorgenommen, keine betriebliche Übung begründet, auf die der Kläger die geltend gemachten Ansprüche stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Erhöhungspraxis der vergangenen Jahre hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für den Kläger erkennbar der Wille ergäbe, sich unter Aufgabe ihrer Entscheidungsfreiheit auf Dauer zu Erhöhungen zu verpflichten. Gegen einen Verpflichtungswillen der Beklagten spricht zudem 4.3 GBV. Aufgrund der Regelung konnte der Kläger nicht annehmen, sein Gehalt würde fortlaufend jährlich erhöht. Er musste vielmehr davon ausgehen, die Beklagte habe sich von Jahr zu Jahr nach einer Überprüfung zu Erhöhungen entschlossen.

34

3. Ein Anspruch auf Gehaltserhöhung folgt nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

35

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes setzt eine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers voraus. Im Bereich der Vergütung findet der Grundsatz Anwendung, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, BAGE 149, 78; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 19, BAGE 149, 69). Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers (BAG 25. Januar 2012 - 4 AZR 147/10 - Rn. 57, BAGE 140, 291). Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 3. September 2014 - 5 AZR 109/13 - Rn. 22, aaO; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, aaO).

36

b) Danach ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet.

37

aa) Die Beklagte hat im Jahr 2014 ihren Arbeitnehmern, auch den neu eingestellten, keine Gehaltserhöhungen gewährt. Eine Ungleichbehandlung, die einen Anspruch des Klägers begründen könnte, scheidet deshalb aus.

38

bb) Selbst wenn man unterstellt, nach den Regelungen der GBV sei das Gehalt von Mitarbeitern, die nach einer Gehaltserhöhung neu eingestellt und auf der Bandunterlinie eingestuft wurden, anzupassen, um ein Herausfallen aus der Bandlinie zu vermeiden und die Beklagte habe entsprechende Erhöhungen vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht eröffnet. Der bloße - ggf. vermeintliche - Normvollzug enthält keine verteilende Entscheidung des Arbeitgebers. Eine solche trifft der Arbeitgeber erst dann, wenn er freiwillig, dh. ohne rechtliche Verpflichtung über die Vertragserfüllung hinaus Leistungen gewährt (BAG 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 20, BAGE 148, 139; 3. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 21, BAGE 149, 69).

39

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Busch     

        

    Mandrossa     

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)