vorgehend
Arbeitsgericht Rosenheim, 3 Ca 909/16, 15.12.2016

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

Auf die Beschwerde von Herrn Rechtsanwalt Dr. S. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 15.12.2016 - 3 Ca 909/16 dahingehend abgeändert, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für den Vergleich auf 175.938,59 Euro festgesetzt wird.

Gründe

I.

Die Klägerin hat in einem Rechtsstreit, vertreten durch den Beschwerdeführer, einen Kündigungsschutzprozess geführt, der, noch bevor ein Gütetermin stattfand, mit dem folgenden Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO endete:

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 21.06.2016 mit Ablauf des 31.01.2017.

2. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß ab und zahlt - soweit noch nicht geschehen - die sich ergebenden Nettobeträge an die Klägerin aus.

Die Beklagte zahlt an die Klägerin für die Monate September 2016, Oktober 2016, November 2016, Dezember 2016 sowie Januar 2017 ein monatliches ßruftogehalt in Höhe von jeweils Euro 4.900,00 sowie einen monatlichen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung der Klägerin.

Zusätzlich zahlt die Beklagte im November 2016 noch 50% des 13. Gehaltes für 2016 in Höhe von Euro 2.450,00 brutto sowie die Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung für das Jahr 2016 in Höhe von Euro 613,55 brutto (H. Direktversicherung, Jahresbeitrag fällig November 2016).

Zusätzlich bezahlt die Beklagte an die Klägerin als anteiliges 13. Gehalt für das Jahr 2017 mit dem Gehalt für Januar 2017 einen Betrag in Höhe von Euro 409,00 brutto.

Die Beklagte zahlt an die Klägerin zusätzlich die variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2015/2016 (von 01.09.2015 bis 31.08.2016) gemäß der am 27.01 ./28.01.2016 vereinbarten Ziele (Anlage 1) und gemäß den zum 31.08.2016 erreichten Vertriebszahlen und der dadurch erreichten Ziele mit dem Gehalt für November 2016.

Die Beklagte zahlt an die Klägerin zusätzlich die anteilige variable Vergütung für das Geschäftsjahr 2016/2017 (01.09.2016 bis 31.01.2017) in Höhe von Euro 6.666,67 brutto mit dem Gehalt für Januar 2017.

Die Klägerin ist berechtigt, den ihr überlassenen Dienstwagen (VW Golf) bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses privat zu nutzen.

3. Die Klägerin wird ab dem 16.09.2016 unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung bestehender Resturlaubsansprüche sowie etwaiger Freizeitguthaben von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Die Parteien sind sich einig, dass damit die der Klägerin zustehenden Urlaubsansprüche in natura vollständig eingebracht sind.

4. Die Beklagte zahlt an die Klägerin als sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung entsprechend §§ 9, 10 KSchG in Höhe von € 22.000,00 (i. W. zweiundzwanzigtausend) brutto.

Die Abfindung entsteht mit dieser Vereinbarung, ist vererblich und wird fällig zum 31.01.2017.

5. Die Klägerin ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis jederzeit vorzeitig durch schriftliche Mitteilung gegenüber der Beklagten unter Einhaltung einer Frist von 2 Wochen zu beenden.

Beendet die Klägerin das Arbeitsverhältnis vorzeitig, bezahlt die Beklagte zusätzlich zur Abfindung gemäß Ziffer IV. dieses Vergleichs eine Abfindung in Höhe desjenigen Bruttobetrages, der der durch die vorzeitige Beendigung ersparten Bruttovergütung gemäß Ziffer II. dieses Vergleichs entspricht.

Die zusätzliche Abfindung ist ebenfalls fällig zum 31.01.2017.

6. Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein sehr gutes, wohlwollendes, qualifiziertes Zwischenzeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Dauer, Art, Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt. Leistung und Verhalten werden mit der Gesamtbeurteilung „sehr gut“ („stets zur vollsten Zufriedenheit“ / „stets einwandfrei“) beurteilt werden und das Zeugnis eine Begründung enthalten, die diese Gesamtbeurteilung trägt.

Die Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein sehr gutes, wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Dauer, Art, Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt. Leistung und Verhalten werden mit der Gesamtbeurteilung „sehr gut“ („stets zur vollsten Zufriedenheit“ / „stets einwandfrei“) beurteilt werden und das Zeugnis eine Begründung enthalten, die diese Gesamtbeurteilung trägt. Das Zeugnis endet mit der üblichen Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel.

Die Klägerin ist berechtigt, jeweils einen Entwurf eines Zeugnisses zu erstellen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen darf.

7. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin unverfallbare Anwartschaften aus den beiden Versicherungen bei der H. AG (Versicherungsnummer ... B ...) und der L Versicherungsverein (Versicherungsnummer: ...) hat.

Die Beklagte überträgt der Klägerin die beiden Versicherungen bei der H. AG (Versicherungsnummer ... B ...) und der L. (Versicherungsnummer: ...). Die Beklagte verpflichtet sich diese Übertragung schriftlich gegenüber den beiden Versicherungen mitzuteilen.

Die Klägerin erklärt sich bereit etwaige hierfür notwendige Erklärungen abzugeben.

8. Die Beklagte verpflichtet sich, das bestehende Wertguthaben zum Verkaufsdatum, mindestens in Höhe von brutto € 78.334,00 laut Abfindungsvereinbarung zum 31.12.2006 aus dem bestehenden Lebensarbeitszeitkonto bei der E. GmbH (Depot ...) an die Klägerin - unter Beachtung der steuerlichen und beitragsrechtlichen Vorgaben - abzurechnen und netto auszubezahlen.

Alternativ wird das jetzige Wertpapierdepot zeitnah verkauft und das Guthaben bis zum 31.01.2017 in das neue Produkt (A. Lebensarbeitszeitkonto) überführt. Ab dem Austrittszeitpunkt 31.01.2017 hat die Klägerin 6 Monate Zeit um der Beklagten den übernehmenden Arbeitgeber mitzuteilen. Die Beklagte wird der Übernahme zustimmen. Nach Ablauf der Frist hat die Beklagte das Recht, das Lebensarbeitszeitkonto aufzulösen und unter Beachtung der steuerlichen und beitragsrechtlichen Abzüge das verbleibende Guthaben an die Klägerin netto auszubezahlen.

Die Parteien erklären sich bereit, etwaige hierfür notwendige Erklärungen abzugeben.

9. Die Klägerin gibt den ihr überlassenen Dienstwagen (VW Golf) zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in vertragsgemäßen Zustand an die Beklagte zurück.

10. Die Beklagte verpflichtet sich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 SGB III gemäß dieser Vereinbarung (betriebsbedingte Beendigung gemäß Ziffer I.) zu erstellen und zu Händen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu übersenden.

11. Die Beklagte verpflichtet sich der Klägerin zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sämtliche Arbeitspapiere, insbesondere die elektronische Lohnsteuerbescheinigung 2016 sowie 2017, als auch den Sozialversicherungsnachweis für das Jahr 2016 und 2017 zu übersenden.

12. Darüber hinaus bestehen aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung keine finanziellen Ansprüche mehr, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind oder auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen.

13. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

Mit Verfügung vom 23.09.2016 (Bl. 83 d. A.) hat das Arbeitsgericht mitgeteilt, dass es beabsichtigt, den Gegenstandswert für das Verfahren auf Euro 21.984,00 und für den Vergleich auf Euro 37.140,00 festzusetzen. Für den Mehrwert für den Vergleich hat es ein Bruttomonatsgehalt für die Freistellung gemäß Ziffer 3 des Vergleichs und ein Bruttomonatsgehalt für das Zeugnis gemäß Ziffer 6 des Vergleichs veranschlagt. Hinsichtlich der weiteren Regelungen für den Vergleich hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass nicht erkennbar sei, dass die zwischen den Parteien geregelten Ansprüche zwischen den Parteien streitig waren und vielmehr lediglich die reguläre Abwicklung des Arbeitsverhältnisses geregelt hätten und dass insoweit kein Vergleichsmehrwert festzustellen sei. Hierauf hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.10.2016 (Bl. 101-102 d. A.) darauf verwiesen, dass hinsichtlich der im Vergleich verhandelten Punkte zwischen den Parteien sehr umfangreich und intensiv streitig verhandelt worden sei und letztlich die folgende Einigung erzielt werden konnte:

- Beitragszahlung zur betrieblichen Altersversorgung in Höhe von € 613,55 brutto (Ziff. 2)

- 13. Gehalt für das Jahr 2017 in Höhe von € 409,00 brutto (Ziff. 2)

- private Nutzung des Dienstwagens bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses: € 329,25 mal 5 Monate = € 1.647,50

- Feststellung der unverfallbaren Anwartschaften der beiden Versicherungen bei der H. und der L.. Diese haben jeweils einen Wert (gemäß den Anlagen) in Höhe von mindestens € 16.907,90 sowie

€ 51.042,64, insgesamt € 67.950,54.

- Wertguthaben in Höhe von € 78.334,00 brutto

- Herausgabe des Dienstwagens zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses: mindestens € 5.000,00 Zusammenfassend hat er gemeint, dass der Mehrwert für den Vergleich 153.954,59 € betrage und dass bei Hinzurechnung des Gegenstandswertes für das Verfahren der Gegenstandswert für den Vergleich insgesamt € 175.938.59 betragen müsse.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.12.2016 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 21.984,00 € und für den Vergleich auf 44.215,67 € festgesetzt. Hinsichtlich des Mehrwertes für den Vergleich hat es die Festschreibung des 13. Gehaltes für das Jahr 2017 in Höhe von 409,00 € brutto und die Festschreibung der anteiligen variablen Vergütung für 2016/2017 in Höhe von 6.666,67 € berücksichtigt sowie die Freistellung und das Zeugnis jeweils mit einem Bruttomonatsgehalt ä 7.328,00 €. Es hat darauf verwiesen, dass hinsichtlich der übrigen Reglungen im Vergleich nicht erkennbar sei, dass insoweit zwischen den Parteien Ansprüche streitig waren und dass die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Regelung in einem gerichtlichen Vergleich nach allgemeiner Meinung die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis voraussetze. Zwar sei dem Gericht der Entwurf einer Abwicklungsvereinbarung vorgelegt worden, die keine Regelungen zur Übertragung der unverfallbaren Anwartschaften der Klägerin wie auch zur Ausbezahlung eines Wertguthabens im Lebensarbeitszeitkonto enthalten habe, doch genüge die Vorlage eines solchen Entwurfs nicht zu der Annahme, dass die Beklagte die in Ziff. 7 und 8 des gerichtlichen Vergleichs niedergelegten Verpflichtungen tatsächlich bestritten habe. Eine solche Annahme würde sich nur rechtfertigen, wenn die Klägerin entsprechende Forderungen erhoben hätte und diese daraufhin von der Beklagten bestritten worden seien. Anhaltspunkte hierfür seien nicht ersichtlich. Es erscheine vielmehr weiterhin möglich, dass bei Erstellung des Entwurfs der Abwicklungsvereinbarung die Thematik der unverfallbaren Anwartschaften sowie des Wertguthabens im Lebensarbeitszeitkonto schlicht übersehen worden seien und dann auf Verlangen der Klägerin in den Vergleich aufgenommen worden seien.

Mit einer am 23.12.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Beschwerde hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dagegen gewendet, dass der Gegenstandswertes für einen Vergleich auf Euro 44.215,67 anstatt auf Euro 175.938,59 festgesetzt wurde. Er hat darauf verwiesen, dass „sämtliche weitere und zusätzlichen Punkte streitig verhandelt worden seien“. Maßgeblich bei der Festsetzung des Gegenstandswertes sei, was Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit gewesen sei und es sei bereits offensichtlich, dass alle genannten zwischen den Parteien streitigen Punkte zwischen diesen verhandelt worden seien und auch letztlich in den Vergleich aufgenommen worden seien. Dabei seien aufgenommen worden, wie ursprünglich nicht enthalten, die Beitragszahlung, das 13. Gehalt, die private Nutzung des Dienstwagens, die Feststellung der unverfallbaren Anwartschaften, das Wertguthaben sowie die Herausgabe des Dienstwagens zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Allein auf Grund der Vorlage des Abwicklungsvertrages der Beklagten mit einer Abgeltungsklausel seien auf jeden Fall auch die aufgezählten weiteren Ansprüche in jedem Fall bereits ungewiss gewesen, denn eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis sei bereits dann gegeben, wenn die Parteien sich unsicher seien, wie die Rechtslage eigentlich sei. Dass die betroffenen Ansprüche umfangreich und intensiv streitig verhandelt worden seien, habe sich bereits aus den unterschiedlichen Versionen des Vergleichs ergeben.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. In seinem Nichtabhilfebeschluss hat es auf den Streitwertkatalog verwiesen, wonach ein Vergleichsmehrwert nur anfalle, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werde und dass der Wert des Vergleichs sich nicht unter dem Wert dessen erhöhe, was die Partei durch den Vergleich erlange oder wozu sie sich verpflichte und dass wenn ein Anspruch unstreitig und ungewiss sei, aber seine Durchsetzung ungewiss, das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs zu bewerten sei.

Zum weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers wird auf seine Ausführungen in dem Schriftsatz vom 27.02.2017 Bezug genommen.

II.

1. Die nach § 33 Abs. 1-3 RVG im eigenen Namen statthafte, form- und fristgerecht eingereichte Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rosenheim ist zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

a) Nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten, an deren Richtigkeit kein objektiver Grund für Zweifel besteht, waren sämtliche Punkte von den zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleich Gegenstand von Verhandlungen mit dem Ergebnis, dass durch ihre Regelung im Rahmen des Vergleichsabschlusses weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt wurde und zudem auch eine Ungewissheit über Rechtsverhältnisse beseitigt wurde. Dass über die Regelungsgegenstände nach der Darstellung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin intensiv verhandelt wurde, hat auch die Gegenseite nicht in Abrede gestellt. Zudem ist es offensichtlich, dass eine, wie die vorliegende umfangreiche „Abwicklungsvereinbarung“ intensiver vorheriger gegenseitiger Verhandlungen bedarf. Dem Beschwerdeführer ist auch zuzustimmen, dass bei einer ursprünglichen Vereinbarung mit einer Abgeltungsklausel gegebenenfalls weiterer Rechtsstreit vorprogrammiert gewesen wäre, wenn nicht eine entsprechende andere bzw. ergänzende Formulierung hinsichtlich verfallbarer Anwartschaften und eines Wertguthabens getroffen worden wäre. Insoweit fällt auch ein Vergleichsmehrwert, wie vom Beschwerdeführer beantragt, in Höhe von € 153.954,59 an.

b) Soweit der Streitwertkatalog darauf abstellt, dass wenn ein Anspruch unstreitig und gewiss sei, aber seine Durchsetzung ungewiss, das Titulierungsinteresse mit 20% des Wertes des Anspruchs zu bewerten sei, kommt es hierauf nicht an, denn wie bereits ausgeführt kann nicht festgestellt werden, dass die im Vergleich geregelten Ansprüche bereits unstreitig und gewiss waren. Im Übrigen erscheint es auch äußerst problematisch für Abschläge darauf abzustellen, ob ein Anspruch unstreitig oder gewiss ist, denn dann müssten in der Regel bei einem Anerkenntnis im streitigen Verfahren oder auch bei ganz offensichtlichen Ansprüchen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht erfüllt werden ebenfalls Abschläge erfolgen.

c) Schließlich liegt ein Mehrvergleich auch dann vor, wenn der Vergleich einen bislang nicht streitigen Anspruch unter Veränderung oder Gestaltung seines Inhalts einbezieht. Eine solche Regelung ist Teil der Gesamtlösung zur Beilegung des Rechtsstreits und damit Teil des gerichtlichen Vergleichs (vgl. BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11; Sächsisches LAG 23.06.2014 - 4Ta 95/14 (3); Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. Bearb. Müller-Rabe, VV 1000 Rn 218). Nicht zu folgen ist der Auffassung, wonach ein Vergleichsmehrwert nicht entstehen soll, wenn über den einbezogenen Anspruch zuvor kein Streit der Parteien bestand (so z.B. LAG Köln 09.06.2016 - 4 Ta 122/16; siehe auch die Empfehlung unter Ziff. I.22.1. des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07. 2014). Ein gerichtlicher Vergleich kann auch solche Teile umfassen, hinsichtlich derer es noch keine Auseinandersetzung der Parteien gab (vgl. BAG 16.02.2012 - 3 AZB 34/11). Maßgeblich für den Wert eines Vergleichs sind allein die Gegenstände, auf die sich seine Regelungen erstrecken. Wird über den Streitgegenstand des Verfahrens hinaus eine weitere Regelung zwischen den Parteien getroffen, so ist diese bei der Berechnung des Vergleichswertes zu berücksichtigen (OLG Hamm 27.04.2012 - 20 W 13/12; HYPERLINK „https://www.juris.de/jportal/portal/t/1dfd/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige& showdoccase=1& js_peid=Trefferliste& documentnumber=1& numberofresults=1& fromdoctodoc=yes& doc.id=KARE600036648& doc.part=K& doc.price=0.0%23focuspoint“ BAG 16.02. 2012 - 3 AZB 34/11), ohne dass es darauf ankommt, welche Motive die Parteien zu der entsprechenden Regelung bewegt haben. Keinen Mehrwert hat ein Vergleich insoweit, wie unstreitige Ansprüche einer Partei lediglich zur Klarstellung mit angeführt werden, was vorliegend, wie bereits ausgeführt, nicht der Fall ist (OLG Köln 17.08.1998 - 25 WF 143/98 - NJW-RR 1999, 1303; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. Bearb. Müller-Rabe, VV 1000 Rn 220). In Bezug auf solche Punkte wirkt der Vergleich nur deklaratorisch (siehe zum Ganzen LAG Hamburg, 14.09.2016 - 6 Ta 23/16).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 278 Gütliche Streitbeilegung, Güteverhandlung, Vergleich


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Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 312 Arbeitsbescheinigung


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(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Als Abfindung ist ein Betrag bis zu zwölf Monatsverdiensten festzusetzen.

(2) Hat der Arbeitnehmer das fünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens fünfzehn Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu fünfzehn Monatsverdiensten, hat der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden, so ist ein Betrag bis zu achtzehn Monatsverdiensten festzusetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer in dem Zeitpunkt, den das Gericht nach § 9 Abs. 2 für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses festsetzt, das in der Vorschrift des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch über die Regelaltersrente bezeichnete Lebensalter erreicht hat.

(3) Als Monatsverdienst gilt, was dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit in dem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis endet (§ 9 Abs. 2), an Geld und Sachbezügen zusteht.

(1) Der Arbeitgeber hat auf Verlangen der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers oder auf Verlangen der Bundesagentur alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Entscheidung über den Anspruch auf Arbeitslosengeld erheblich sein können (Arbeitsbescheinigung), insbesondere

1.
die Art der Tätigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers,
2.
Beginn, Ende, Unterbrechung und Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses und
3.
das Arbeitsentgelt und die sonstigen Geldleistungen, die die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer erhalten oder zu beanspruchen hat;
es gilt das Bescheinigungsverfahren nach § 313a Absatz 1. Für Zwischenmeisterinnen, Zwischenmeister und andere Auftraggeber von Heimarbeiterinnen und Heimarbeitern gilt Satz 1 entsprechend.

(2) Macht der Bescheinigungspflichtige nach Absatz 1 geltend, die Arbeitslosigkeit sei die Folge eines Arbeitskampfes, so hat er dies darzulegen, glaubhaft zu machen und eine Stellungnahme der Betriebsvertretung beizufügen. Der Bescheinigungspflichtige nach Absatz 1 hat der Betriebsvertretung die für die Stellungnahme erforderlichen Angaben zu machen.

(3) Sozialversicherungsträger haben auf Verlangen der Bundesagentur, die übrigen Leistungsträger, Unternehmen und sonstige Stellen auf Verlangen der betroffenen Person oder der Bundesagentur alle Tatsachen zu bescheinigen, die für die Feststellung der Versicherungspflicht nach § 26 erheblich sein können; es gilt das Bescheinigungsverfahren nach § 313a Absatz 2.

(4) (weggefallen)

(1) Berechnen sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert oder fehlt es an einem solchen Wert, setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf Antrag durch Beschluss selbstständig fest.

(2) Der Antrag ist erst zulässig, wenn die Vergütung fällig ist. Antragsberechtigt sind der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 die Staatskasse.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 1 können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung eingelegt wird.

(4) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht, in Zivilsachen der in § 119 Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Art jedoch das Oberlandesgericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(5) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Absatz 4 Satz 1 bis 3 gilt entsprechend.

(6) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 3, Absatz 4 Satz 1 und 4 und Absatz 5 gelten entsprechend.

(7) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(8) Das Gericht entscheidet über den Antrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(9) Das Verfahren über den Antrag ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet; dies gilt auch im Verfahren über die Beschwerde.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2011 in der Fassung des Beschlusses vom 24. Mai 2011 - 27 Ta 178/10 - und der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juni 2011 - 5 Ta 13/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Bevollmächtigten für den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs sowie der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG.

2

Der Antragsteller (im Folgenden: Kläger) erhob eine Klage, mit der er für Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit und an gesetzlichen Feiertagen Umsatzprovisionen und Sondervergütungen geltend machte sowie die Erteilung damit im Zusammenhang stehender Auskünfte, die Vorlage eines Buchauszuges sowie die Abgabe einer Versicherung an Eides statt über die Richtigkeit der erteilten Auskünfte. Für diese Klage bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger durch Beschluss vom 14. Januar 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten. Der Beschluss enthielt den Hinweis, für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert sei in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich.

3

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. April 2011 schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich. Dieser erfasst nicht nur die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ansprüche. Vielmehr vereinbarten die Parteien auch, dass das Arbeitsverhältnis „zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung“ mit dem 30. Juni 2011 endete und der Kläger unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt wurde, wobei sich die Parteien darüber einig waren, dass damit der zustehende Urlaub gewährt und genommen war. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger eine restliche Vergütung sowie eine Abfindung zu zahlen und ihm ein qualifiziertes, berufsförderndes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30. Juni 2011 zu erteilen. Beide Parteien verpflichteten sich, über den Inhalt des Vergleichs Stillschweigen zu bewahren, soweit keine gesetzlichen Auskunftspflichten bestehen. Außerdem enthält der Vergleich eine Erledigungsklausel.

4

Nach dem Vergleichstext heißt es im Protokoll:

        

        

„- Vorgelesen und genehmigt -

                 

Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes.

                 

Den Parteien wird aufgegeben, binnen 2 Wochen zur Höhe des Gegenstandswertes vorzutragen.

                 

Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Bewilligung von PKH zwecks Mehrwerts des abgeschlossenen Vergleiches.“

5

Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klage auf 11.997,32 Euro und den Vergleichsmehrwert auf 22.913,48 Euro fest.

6

Unter dem 26. April 2011 hatte der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts darauf hingewiesen, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss könne hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts nicht bewilligt werden, da der Antrag erst nach Abschluss des Vergleichs und damit auch nach Abschluss der Instanz gestellt worden sei. Daraufhin äußerte sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten ua. dahingehend, der Bevollmächtigte habe bereits während der Vergleichsverhandlungen beantragt, die Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erweitern. Der Vorsitzende habe geäußert, darauf sei nach Protokollierung des Vergleichs einzugehen. Im Übrigen habe das Gericht es unter Verstoß gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 ArbGG versäumt, den Kläger auf sein Antragsrecht auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hinzuweisen. Er stelle nunmehr einen entsprechenden Antrag auf seine Beiordnung.

7

Das Arbeitsgericht wies sowohl den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert als auch den Antrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten durch Beschluss vom 6. Mai 2011 zurück. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte des Klägers für den Vergleichsmehrwert erst nach Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt. Der Prozessvertreter des Klägers habe während der Vergleichsverhandlungen einen derartigen Antrag weder gestellt noch darauf hingewiesen, dass die Prozesskostenhilfegewährung auf den Vergleich zu erweitern sei.

8

Der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss half das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 24. Mai 2011 nicht ab. Das Landesarbeitsgericht wies sie mit Beschluss vom 8. Juni 2011 zurück. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen diesen Beschluss.

9

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit den Begründungen der Vorinstanzen durfte der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss und den Vergleichsmehrwert nicht zurückgewiesen werden.

10

Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht deshalb entbehrlich ist, weil dem Kläger bereits Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden Wertes des gerichtlichen Vergleichs bewilligt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist, weil er erst nach Abschluss des Rechtsstreits gestellt wurde. Das ist nicht der Fall. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der protokollierten Vereinbarung, soweit sie außerhalb des Rechtsstreits liegende Gegenstände regelt, nicht um einen gerichtlichen Vergleich handelt. Ebenso wenig kann die Prozesskostenhilfe deshalb versagt werden, weil die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände mutwillig erscheint. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird ggf. auch über den hilfsweise gestellten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.

11

1. Eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts erübrigt sich nicht deshalb, weil dem Kläger insoweit bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Der Beschluss vom 14. Januar 2010 betrifft nur die Prozesskostenhilfe für die zu diesem Zeitpunkt bereits in das Verfahren eingeführten Klageanträge. Der Hinweis darauf, es sei für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich, verdeutlicht, dass diese nicht von der Prozesskostenhilfebewilligung erfasst sein sollten.

12

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deshalb abzulehnen, weil der Kläger seinen Prozesskostenhilfeantrag verspätet angebracht hat. Die Antragstellung ist rechtzeitig erfolgt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers, sein Prozessbevollmächtigter habe bereits während der Verhandlungen über den Vergleich auf die Notwendigkeit, die Prozesskostenhilfe zu erweitern, hingewiesen, zutrifft. Deshalb kann es auch dahingestellt bleiben, inwieweit dem Protokoll insoweit nach § 165 ZPO Beweiskraft zukommt. Ebenso kann offenbleiben, ob - wogegen allerdings viel spricht - trotz der vom Arbeitsgericht durch Beschluss vom 14. Januar 2010 getroffenen Entscheidung über den ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag noch ein konkludenter Prozesskostenhilfeantrag im Raum stand, der sich auf mögliche Erweiterungen der Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Vergleichsmehrwerts bezog. Selbst wenn der Kläger seinen Antrag auf die Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung erst nach der Protokollierung des Vergleichs gestellt haben sollte, wäre dies rechtzeitig, da der Antrag noch vor der Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung war das Verfahren - jedenfalls im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nicht beendet.

13

Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat (BAG 8. November 2004 - 3 AZB 54/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGReport 2005, 379; BGH 8. Oktober 1991 - XI ZR 174/90 - zu 2 der Gründe, NJW 1992, 839). Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat (BGH 10. Oktober 1995 - VI ZR 396/94 - zu II 1 der Gründe, AGS 1997, 141). Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).

14

Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben jedoch die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten - etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG - deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).

15

Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in der der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen.

16

3. Der Prozesskostenhilfeantrag ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil hinsichtlich der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstände die Voraussetzungen für einen Vergleich nicht vorlagen.

17

a) Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert kann nur bewilligt werden, wenn die protokollierte Vereinbarung einen Vergleich darstellt. Nach § 779 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis oder die Unsicherheit über die Verwirklichung eines Anspruchs im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Keinen Vergleich stellt deshalb eine Vereinbarung dar, durch die Rechte und Pflichten erst begründet werden (BAG 13. Mai 1998 - 7 ABR 65/96 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42). Ebenso wenig handelt es sich um einen Vergleich, wenn nur zu dessen Protokollierung ein Rechtsstreit anhängig gemacht wird, obwohl zwischen den Parteien nichts streitig ist (vgl. BAG 26. April 2006 - 7 AZR 366/05 - Rn. 28, AP TzBfG § 14 Vergleich Nr. 1 = EzA TzBfG § 14 Nr. 29). Unerheblich ist es jedoch, ob sich das Nachgeben gerade auf den ursprünglichen Streitgegenstand oder auf andere Gegenstände bezieht, solange nur ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt (so schon: RG 12. Februar 1927 - V 435/26 - RGZ 116, 143, 145 f.).

18

Demnach kann auch ein gerichtlicher Vergleich nicht in solche Teile, hinsichtlich derer bereits ein Streit bestand, und andere Teile aufgespalten werden, solange und soweit die gefundene Gesamtlösung der Beilegung einer tatsächlich bestehenden Meinungsverschiedenheit dient.

19

b) Danach erfüllt die im vorliegenden Fall protokollierte Vereinbarung insgesamt die Anforderungen eines Vergleichs. Zwischen den Parteien bestand ein Streit über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, der durch eine Gesamtlösung beigelegt wurde. Dabei stellte auch die nicht streitgegenständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Nachgeben des Klägers dar.

20

4. Hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts waren auch die Voraussetzungen von § 114 Satz 1 ZPO erfüllt, die auch bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs gegeben sein müssen(BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 159, 263). Der Abschluss des Vergleichs diente der Rechtsverfolgung. Diese bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig.

21

Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (aA LAG Rheinland-Pfalz 5. Dezember 2008 - 7 Ta 214/08 - zu II der Gründe). Das war hier der Fall.

22

5. Die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung war auch nicht mutwillig iSv. § 114 ZPO.

23

a) Die Möglichkeit, zu Lasten der Staatskasse Gegenstände in den Vergleich aufzunehmen, besteht nicht unbegrenzt. Prozesskostenhilfe kann vielmehr auch insoweit nur gewährt werden, wenn die Rechtsverfolgung, also die Regelung zusätzlicher Gegenstände in dem Vergleich, nicht mutwillig ist.

24

Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine nicht bedürftige Partei in vergleichbarer Lage vernünftigerweise unter Berücksichtigung der Kostenfolgen von der Aufnahme der zusätzlichen Gegenstände in den Vergleich abgesehen hätte (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - Rn. 22 mwN, EzA ZPO 2002 § 121 Nr. 3). Das ist insbesondere der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht.

25

b) Anhaltspunkte dafür, dass Mutwilligkeit in diesem Sinne vorliegt, sind nicht ersichtlich.

26

6. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4, § 572 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird gegebenenfalls auch über den Hilfsantrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.

27

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Erstattungsfähige Kosten sind nicht entstanden. Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde sind nicht angefallen, da die Rechtsmittel erfolgreich waren (Nr. 8614 und 8623 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Sonstige Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 06.05.2016 – 19 Ca 1435/16 – wird zurückgewiesen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2011 in der Fassung des Beschlusses vom 24. Mai 2011 - 27 Ta 178/10 - und der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 8. Juni 2011 - 5 Ta 13/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Rechtsbeschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Bevollmächtigten für den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs sowie der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG.

2

Der Antragsteller (im Folgenden: Kläger) erhob eine Klage, mit der er für Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit und an gesetzlichen Feiertagen Umsatzprovisionen und Sondervergütungen geltend machte sowie die Erteilung damit im Zusammenhang stehender Auskünfte, die Vorlage eines Buchauszuges sowie die Abgabe einer Versicherung an Eides statt über die Richtigkeit der erteilten Auskünfte. Für diese Klage bewilligte das Arbeitsgericht dem Kläger durch Beschluss vom 14. Januar 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten. Der Beschluss enthielt den Hinweis, für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert sei in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich.

3

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. April 2011 schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich. Dieser erfasst nicht nur die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ansprüche. Vielmehr vereinbarten die Parteien auch, dass das Arbeitsverhältnis „zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung“ mit dem 30. Juni 2011 endete und der Kläger unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt wurde, wobei sich die Parteien darüber einig waren, dass damit der zustehende Urlaub gewährt und genommen war. Die Beklagte verpflichtete sich, an den Kläger eine restliche Vergütung sowie eine Abfindung zu zahlen und ihm ein qualifiziertes, berufsförderndes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30. Juni 2011 zu erteilen. Beide Parteien verpflichteten sich, über den Inhalt des Vergleichs Stillschweigen zu bewahren, soweit keine gesetzlichen Auskunftspflichten bestehen. Außerdem enthält der Vergleich eine Erledigungsklausel.

4

Nach dem Vergleichstext heißt es im Protokoll:

        

        

„- Vorgelesen und genehmigt -

                 

Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes.

                 

Den Parteien wird aufgegeben, binnen 2 Wochen zur Höhe des Gegenstandswertes vorzutragen.

                 

Der Klägervertreter stellt den Antrag auf Bewilligung von PKH zwecks Mehrwerts des abgeschlossenen Vergleiches.“

5

Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klage auf 11.997,32 Euro und den Vergleichsmehrwert auf 22.913,48 Euro fest.

6

Unter dem 26. April 2011 hatte der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts darauf hingewiesen, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss könne hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts nicht bewilligt werden, da der Antrag erst nach Abschluss des Vergleichs und damit auch nach Abschluss der Instanz gestellt worden sei. Daraufhin äußerte sich der Kläger über seinen Bevollmächtigten ua. dahingehend, der Bevollmächtigte habe bereits während der Vergleichsverhandlungen beantragt, die Prozesskostenhilfe auf den Vergleich zu erweitern. Der Vorsitzende habe geäußert, darauf sei nach Protokollierung des Vergleichs einzugehen. Im Übrigen habe das Gericht es unter Verstoß gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 ArbGG versäumt, den Kläger auf sein Antragsrecht auf Beiordnung eines Rechtsanwalts hinzuweisen. Er stelle nunmehr einen entsprechenden Antrag auf seine Beiordnung.

7

Das Arbeitsgericht wies sowohl den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert als auch den Antrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten durch Beschluss vom 6. Mai 2011 zurück. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte des Klägers für den Vergleichsmehrwert erst nach Abschluss des Vergleichs Prozesskostenhilfe beantragt. Der Prozessvertreter des Klägers habe während der Vergleichsverhandlungen einen derartigen Antrag weder gestellt noch darauf hingewiesen, dass die Prozesskostenhilfegewährung auf den Vergleich zu erweitern sei.

8

Der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss half das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 24. Mai 2011 nicht ab. Das Landesarbeitsgericht wies sie mit Beschluss vom 8. Juni 2011 zurück. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen diesen Beschluss.

9

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit den Begründungen der Vorinstanzen durfte der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss und den Vergleichsmehrwert nicht zurückgewiesen werden.

10

Das Landesarbeitsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht deshalb entbehrlich ist, weil dem Kläger bereits Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden Wertes des gerichtlichen Vergleichs bewilligt worden wäre. Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist, weil er erst nach Abschluss des Rechtsstreits gestellt wurde. Das ist nicht der Fall. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der protokollierten Vereinbarung, soweit sie außerhalb des Rechtsstreits liegende Gegenstände regelt, nicht um einen gerichtlichen Vergleich handelt. Ebenso wenig kann die Prozesskostenhilfe deshalb versagt werden, weil die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände mutwillig erscheint. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher zur neuen Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird ggf. auch über den hilfsweise gestellten Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.

11

1. Eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts erübrigt sich nicht deshalb, weil dem Kläger insoweit bereits Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Der Beschluss vom 14. Januar 2010 betrifft nur die Prozesskostenhilfe für die zu diesem Zeitpunkt bereits in das Verfahren eingeführten Klageanträge. Der Hinweis darauf, es sei für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfeantrag erforderlich, verdeutlicht, dass diese nicht von der Prozesskostenhilfebewilligung erfasst sein sollten.

12

2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht deshalb abzulehnen, weil der Kläger seinen Prozesskostenhilfeantrag verspätet angebracht hat. Die Antragstellung ist rechtzeitig erfolgt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Behauptung des Klägers, sein Prozessbevollmächtigter habe bereits während der Verhandlungen über den Vergleich auf die Notwendigkeit, die Prozesskostenhilfe zu erweitern, hingewiesen, zutrifft. Deshalb kann es auch dahingestellt bleiben, inwieweit dem Protokoll insoweit nach § 165 ZPO Beweiskraft zukommt. Ebenso kann offenbleiben, ob - wogegen allerdings viel spricht - trotz der vom Arbeitsgericht durch Beschluss vom 14. Januar 2010 getroffenen Entscheidung über den ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag noch ein konkludenter Prozesskostenhilfeantrag im Raum stand, der sich auf mögliche Erweiterungen der Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Vergleichsmehrwerts bezog. Selbst wenn der Kläger seinen Antrag auf die Erweiterung der Prozesskostenhilfebewilligung erst nach der Protokollierung des Vergleichs gestellt haben sollte, wäre dies rechtzeitig, da der Antrag noch vor der Beendigung der mündlichen Verhandlung gestellt wurde. Vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung war das Verfahren - jedenfalls im Hinblick auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe - nicht beendet.

13

Nach § 114 Satz 1 ZPO kann Prozesskostenhilfe lediglich für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung gewährt werden. Eine Rückwirkung der Bewilligung ist grundsätzlich ausgeschlossen. Jedoch kann die Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der Antragsteller durch einen formgerechten Bewilligungsantrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat (BAG 8. November 2004 - 3 AZB 54/03 - zu II 2 b der Gründe, BAGReport 2005, 379; BGH 8. Oktober 1991 - XI ZR 174/90 - zu 2 der Gründe, NJW 1992, 839). Soweit die Voraussetzungen einer rückwirkenden Bewilligung vorliegen, sind aus der Staatskasse Tätigkeiten des beigeordneten Rechtsanwalts zu vergüten, die dieser auf die Hauptsache bezogen bei oder nach dem Eingang des Prozesskostenhilfeantrags erbracht hat (BGH 10. Oktober 1995 - VI ZR 396/94 - zu II 1 der Gründe, AGS 1997, 141). Nach Abschluss der Instanz ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).

14

Diese Begrenzung der Rückwirkung folgt aus dem Zweck der Prozesskostenhilfe. Der mittellosen Partei sollen die Prozesshandlungen ermöglicht werden, die für sie mit Kosten verbunden sind. Haben jedoch die Partei bzw. deren Prozessbevollmächtigter die aus ihrer Sicht notwendigen Prozesshandlungen schon vor der ordnungsgemäßen Beantragung der Prozesskostenhilfe vorgenommen, so hängen diese Prozesshandlungen nicht mehr davon ab, dass die Partei zuvor die entsprechenden Kosten - etwa durch einen Vorschuss gem. § 9 RVG - deckt. Eine weiter rückwirkende Bewilligung diente nur noch dazu, einem Prozessbevollmächtigten durch die nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe einen Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Das ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe (BAG 3. Dezember 2003 - 2 AZB 19/03 - zu II 2 b der Gründe, MDR 2004, 415).

15

Abgeschlossen ist die Instanz hinsichtlich der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen Vergleich erst dann, wenn die mündliche Verhandlung, in der der Vergleich protokolliert wird, geschlossen ist. Zwar endet die Rechtshängigkeit in der Hauptsache mit dem Abschluss des Vergleichs. Vor dem Vergleichsschluss steht jedoch nicht endgültig fest, ob ein Vergleichsmehrwert anfällt, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hierfür erst nach dem Vergleichsschluss erfolgen kann. Deshalb genügt es, auch den Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen.

16

3. Der Prozesskostenhilfeantrag ist auch nicht deshalb abzulehnen, weil hinsichtlich der zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstände die Voraussetzungen für einen Vergleich nicht vorlagen.

17

a) Prozesskostenhilfe für einen Vergleichsmehrwert kann nur bewilligt werden, wenn die protokollierte Vereinbarung einen Vergleich darstellt. Nach § 779 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis oder die Unsicherheit über die Verwirklichung eines Anspruchs im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Keinen Vergleich stellt deshalb eine Vereinbarung dar, durch die Rechte und Pflichten erst begründet werden (BAG 13. Mai 1998 - 7 ABR 65/96 - zu B II 1 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42). Ebenso wenig handelt es sich um einen Vergleich, wenn nur zu dessen Protokollierung ein Rechtsstreit anhängig gemacht wird, obwohl zwischen den Parteien nichts streitig ist (vgl. BAG 26. April 2006 - 7 AZR 366/05 - Rn. 28, AP TzBfG § 14 Vergleich Nr. 1 = EzA TzBfG § 14 Nr. 29). Unerheblich ist es jedoch, ob sich das Nachgeben gerade auf den ursprünglichen Streitgegenstand oder auf andere Gegenstände bezieht, solange nur ein gegenseitiges Nachgeben vorliegt (so schon: RG 12. Februar 1927 - V 435/26 - RGZ 116, 143, 145 f.).

18

Demnach kann auch ein gerichtlicher Vergleich nicht in solche Teile, hinsichtlich derer bereits ein Streit bestand, und andere Teile aufgespalten werden, solange und soweit die gefundene Gesamtlösung der Beilegung einer tatsächlich bestehenden Meinungsverschiedenheit dient.

19

b) Danach erfüllt die im vorliegenden Fall protokollierte Vereinbarung insgesamt die Anforderungen eines Vergleichs. Zwischen den Parteien bestand ein Streit über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, der durch eine Gesamtlösung beigelegt wurde. Dabei stellte auch die nicht streitgegenständliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Nachgeben des Klägers dar.

20

4. Hinsichtlich des Vergleichsmehrwerts waren auch die Voraussetzungen von § 114 Satz 1 ZPO erfüllt, die auch bei einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs gegeben sein müssen(BGH 8. Juni 2004 - VI ZB 49/03 - zu II 2 d der Gründe, BGHZ 159, 263). Der Abschluss des Vergleichs diente der Rechtsverfolgung. Diese bot auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und war nicht mutwillig.

21

Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Prozesspartei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt (aA LAG Rheinland-Pfalz 5. Dezember 2008 - 7 Ta 214/08 - zu II der Gründe). Das war hier der Fall.

22

5. Die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung war auch nicht mutwillig iSv. § 114 ZPO.

23

a) Die Möglichkeit, zu Lasten der Staatskasse Gegenstände in den Vergleich aufzunehmen, besteht nicht unbegrenzt. Prozesskostenhilfe kann vielmehr auch insoweit nur gewährt werden, wenn die Rechtsverfolgung, also die Regelung zusätzlicher Gegenstände in dem Vergleich, nicht mutwillig ist.

24

Mutwilligkeit liegt vor, wenn eine nicht bedürftige Partei in vergleichbarer Lage vernünftigerweise unter Berücksichtigung der Kostenfolgen von der Aufnahme der zusätzlichen Gegenstände in den Vergleich abgesehen hätte (vgl. BAG 18. Mai 2010 - 3 AZB 9/10 - Rn. 22 mwN, EzA ZPO 2002 § 121 Nr. 3). Das ist insbesondere der Fall, wenn lediglich aus Anlass eines Rechtsstreits und seiner Beendigung Regelungen in den Vergleich aufgenommen werden, die überflüssig sind, weil sie unstreitig sind und hinsichtlich derer auch kein Titulierungsinteresse besteht.

25

b) Anhaltspunkte dafür, dass Mutwilligkeit in diesem Sinne vorliegt, sind nicht ersichtlich.

26

6. Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die sonstigen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4, § 572 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird gegebenenfalls auch über den Hilfsantrag auf Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten nach § 11a ArbGG zu entscheiden haben.

27

III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Erstattungsfähige Kosten sind nicht entstanden. Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde sind nicht angefallen, da die Rechtsmittel erfolgreich waren (Nr. 8614 und 8623 des Kostenverzeichnisses zum GKG). Sonstige Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 127 Abs. 4 ZPO).

        

    Gräfl    

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

Tenor

Der Gegenstandswert wird wie folgt festgesetzt:

für die Klage auf 76.028,74 €;

für den Vergleich auf einen Mehrwert i.H. v. 50.685,84 €.

Gründe

I.

1

Mit seiner am 4. August 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Streitwertbeschwerde strebt der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Beschwerdeführer die Festsetzung eines höheren Vergleichsmehrwerts an.

2

Im Ausgangsprozess hat der Kläger eine ordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. Dezember 2016 angegriffen. Das Kündigungsschreiben vom 3. Mai 2016 sah eine unwiderrufliche Freistellung des Klägers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der Rechtsstreit ist durch einen Vergleichsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 9. Juni 2016 erledigt worden (Bl. 27-29 d. A.).

3

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 18. Juli 2016, dem Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 22. Juni 2016, den Gegenstandswert der Klage und des verfahrensbeendenden Vergleichs vom 9. Juni 2016 festgesetzt. Hierbei hat es die Klage mit drei durchschnittlichen Bruttomonatsgehältern des Klägers (1/12 des Jahresgehalts) in Höhe von 25.342,92 €, also insgesamt mit 76.028,74 € bewertet. Für den verfahrensbeendenden Vergleich vom 9. Juni 2016 hat es einen Mehrwehrt von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers, also von 25.342,92 €, für die Zeugnisregelung (Ziffer 4 des Vergleichs) festgesetzt. Die weiteren Vergleichsregelungen, insbesondere die Regelung der unwiderruflichen Freistellung des Klägers bis zum Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses (31.12.2016) unter Ziffer 2 des Vergleichs, hat es nicht werterhöhend berücksichtigt.

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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat mit seiner Beschwerde vom 4. August 2016, am selben Tag beim Arbeitsgericht eingegangen, den Wertfestsetzungsbeschluss in Bezug auf die Festsetzung des Vergleichsmehrwerts angegriffen. Er ist der Auffassung, dass die Regelung der die Dauer von einem Monat übersteigende Freistellung des Klägers unter Ziff. 2 des Vergleichs gleichfalls einen Mehrvergleich darstelle, für den zusätzlich ein Vergleichsmehrwert in Höhe von 1/12 des Jahresgehalts des Klägers, also von 25.342,92 € anzusetzen sei.

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Das Arbeitsgericht hat der Streitwertbeschwerde mit Beschluss vom 3. Juni 2016 nicht abgeholfen und zur Begründung darauf hingewiesen, dass die mit der Kündigung erfolgte unwiderrufliche Freistellung zu keinem Zeitpunkt zwischen den Parteien streitig gewesen sei.

II.

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1. Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässig.

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Seine Antragsberechtigung folgt aus § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 €. Die Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG ist eingehalten.

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2. Die Beschwerde ist begründet.

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Das Arbeitsgericht hat den Mehrwert für den Vergleich zu niedrig festgesetzt. Neben der Zeugnisregelung, die das Arbeitsgericht zu Recht mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers bewertet hat, ist die Freistellungsregelung unter Ziffer 2 des Vergleichs werterhöhend zu berücksichtigen. In Bezug auf diese Regelung ist, wie vom Beschwerdeführer beantragt, gleichfalls ein Mehrwert von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers anzusetzen.

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a) Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts kommt (nur) für solche Regelungen eines Vergleichs infrage, die andere Punkte als den Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung betreffen. Ob die Einbeziehung von solchen zusätzlichen Punkte in einen gerichtlichen Vergleich einen Vergleichsmehrwert auslöst (hierzu BAG 16.02.2012 – 3 AZB 34/11 – NZA 2012, 1390 ff.; Sächsisches LAG 23.06.2014 – 4Ta 95/14 (3) – juris), hängt vom Inhalt der getroffenen Regelung ab.

11

Einen Mehrwert haben in jedem Fall solche Regelungen, durch die ein Streit der Parteien über den der Vergleichsregelung zugrundeliegenden Gegenstand beigelegt wird (LAG Köln 09.06.2016 – 4 Ta 122/16 – juris Rn 4; siehe auch Ziffer I.22.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07.2014).

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Ein Mehrvergleich liegt weiterhin vor, wenn die Vergleichsregelung die Durchsetzbarkeit einer unbestritten bestehenden Forderung dadurch sichert, dass ein Vollstreckungstitel geschaffen wird (Titulierungsinteresse, vgl. etwa BAG 16.02.2012 – 3 AZB 34/11 – juris Rn 24; OLG Köln 17.08.1998 – 25 WF 143/98 – NJW-RR 1999, 1303; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. Bearb. Müller-Rabe, VV 1000 Rn 212; siehe auch Ziffer I.22.2). In diesem Fall ist die Vergleichsregelung mit 20% des Wertes der titulierten Forderung zu bewerten (so auch die Empfehlung unter Ziffer I.22.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07.2014).

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Schließlich liegt ein Mehrvergleich auch dann vor, wenn der Vergleich einen bislang nicht streitigen Anspruch unter Veränderung oder Gestaltung seines Inhalts einbezieht. Eine solche Regelung ist Teil der Gesamtlösung zur Beilegung des Rechtsstreits und damit Teil des gerichtlichen Vergleichs (vgl. BAG 16.02.2012 – 3 AZB 34/11 – juris Rn 18 ff.; Sächsisches LAG 23.06.2014 – 4Ta 95/14 (3) – juris Rn 18; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. Bearb. Müller-Rabe, VV 1000 Rn 218). Nicht zu folgen ist der Auffassung, wonach ein Vergleichsmehrwert nicht entstehen soll, wenn über den einbezogenen Anspruch zuvor kein Streit der Parteien bestand (so z.B. LAG Köln 09.06.2016 – 4 Ta 122/16 – juris Rn 4; siehe auch die Empfehlung unter Ziff. I.22.1. des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07.2014). Ein gerichtlicher Vergleich kann auch solche Teile umfassen, hinsichtlich derer es noch keine Auseinandersetzung der Parteien gab (vgl. BAG 16.02.2012 – 3 AZB 34/11 – juris Rn 18). Maßgeblich für den Wert eines Vergleichs sind allein die Gegenstände, auf die sich seine Regelungen erstrecken. Wird über den Streitgegenstand des Verfahrens hinaus eine weitere Regelung zwischen den Parteien getroffen, so ist diese bei der Berechnung des Vergleichswertes zu berücksichtigen (OLG Hamm 27.04.2012 – 20 W 13/12 – juris Rn 15; BAG 16.02.2012 – 3 AZB 34/11 – juris Rn 21f.), ohne dass es darauf ankommt, welche Motive die Parteien zu der entsprechenden Regelung bewegt haben.

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Keinen Mehrwert hat ein Vergleich insoweit, wie unstreitige Ansprüche einer Partei lediglich zur Klarstellung mit angeführt werden (OLG Köln 17.08.1998 – 25 WF 143/98 – NJW-RR 1999, 1303; Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. Bearb. Müller-Rabe, VV 1000 Rn 220). In Bezug auf solche Punkte wirkt der Vergleich nur deklaratorisch.

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b) Nach diesen Grundsätzen ist eine Freistellungsregelung in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits grundsätzlich geeignet, einen Vergleichsmehrwert auszulösen, ohne dass es darauf ankommt, ob sich eine der Parteien zuvor eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat (anders Ziffer I.22.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 09.07.2014; LAG Köln 10.11.2015 – 11 Ta 336/15 – Rn 7). Denn mit der Freistellungsvereinbarung werden als Teil der durch den Vergleich erreichten Gesamtlösung die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung und die hiermit korrespondierende Verpflichtung des Arbeitgebers zur vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers abweichend geregelt; beide Seiten verzichten wechselseitig auf ihre Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag (LAG Hamburg 07.12.2011 – 7 Ta 31/11 – juris). Die Wertung des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG steht der Berücksichtigung eines Mehrwerts nicht entgegen. Die Freistellung betrifft die Beschäftigung des Arbeitnehmers während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und damit einen anderen Gegenstand als das „Bestehen, Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses“ i.S. des § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG (a. Auff. LAG Köln 10.11.2015 – 11 Ta 336/15 – juris Rn 7).

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Ein Mehrvergleich liegt in einer Freistellungsregelung allerdings dann nicht, wenn der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers zuvor Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung war, etwa weil der Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt hat (hierzu LAG Köln 10.11.2015 – 11 Ta 336/15 – juris Rn 7), oder wenn sich die Parteien vor Abschluss des Vergleichs bereits bindend über eine Freistellung verständigt hatten, sodass die Erwähnung der Freistellung im Vergleich nur deklaratorischen Charakter hat.

17

Da die Freistellung das „Gegenstück“ zum Beschäftigungsanspruch ist, ist ein Mehrvergleich über die Freistellung des Arbeitnehmers mit einem Bruttomonatsgehalt zu bewerten, wenn die Dauer der Freistellung einen Monat übersteigt, (LAG Hamburg 13.01.2010 – 7 Ta 27/09 – juris Rn 8).

18

c) Hier ist für die Freistellungsregelung in Ziffer 2 des Vergleichs ein Mehrwert in Höhe eines durchschnittlichen Bruttomonatsgehalts des Klägers festzusetzen. Es handelt sich um einen Mehrvergleich. Denn der Gegenstand der Freistellungsregelung war nicht Streitgegenstand des Klageverfahrens – der Kläger hat keinen Beschäftigungsantrag gestellt. Auch haben die Parteien keine verbindliche Verständigung über eine Freistellung erzielt.

19

Soweit die Beklagte den Kläger durch eine Erklärung im Kündigungsschreiben einseitig bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitspflicht freigestellt hat, ist dies einer Einigung der Parteien über die Freistellung nicht gleichzustellen. Dies gilt, obwohl der Kläger die Freistellung bis zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses nicht gerichtlich angegriffen hat. Dass keine rechtlichen Schritte gegen eine einseitige Arbeitgebermaßnahme eingeleitet werden, kann nicht als konkludente Zustimmung zu dieser Maßnahme ausgelegt werden.

20

Da die mehr als sechs Monaten umfassende Freistellung des Klägers erst durch Ziffer 2 des Vergleichs rechtsverbindlich geregelt worden ist, ist diese Vergleichsbestimmung mit einem Mehrwert von einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt des Klägers, mithin mit 25.342,92 €, zu bewerten.

III.

21

Für den Beschwerdeführer ist wegen des Erfolgs der Beschwerde keine Gebühr gemäß Nr. 8614 KV GKG angefallen.

IV.

22

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).