Landesarbeitsgericht Köln Beschluss, 30. Okt. 2018 - 9 Ta 192/18
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 02.08.2018- 6 Ca 3860/18 - abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch.
4Die beklagte technische Hochschule ist eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts. Der am 1961 geborene, schwerbehinderte Kläger (GdB 70) bewarb sich mit Schreiben vom 19.10.2017 auf eine von der Beklagten ausgeschriebene W2-Professur für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Unternehmensführung. In dem Bewerbungsschreiben verwies er auf seinen Schwerbehindertenausweis. Ohne den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu haben, teilte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 25.04.2018 mit, dass das Auswahlverfahren in der Fakultät abgeschlossen und er leider nicht in die dem Präsidium zur Beschlussfassung vorliegende Vorschlagsliste aufgenommen worden sei.
5Mit seiner am 07.06.2018 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten und der Beklagten am 16.06.2018 zugestellten Klage begehrt der Kläger eine Entschädigung iHv. drei Bruttomonatsgehältern (18.294,21 EUR). Er vertritt die Auffassung, dass die Beklagte die ihr auferlegten Regeln für den Ablauf eines Bewerbungsverfahrens mit schwerbehinderten Bewerbern in vorwerfbarer Weise verletzt habe und deshalb zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sei.
6Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 02.08.2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die W2-Professur, auf die sich der Kläger beworben habe, nicht zivilrechtlich durch Begründung eines Arbeitsverhältnisses übertragen werde, sondern durch Ernennung nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben des Hochschulrechts in Nordrhein-Westfalen. Für Ansprüche wegen einer Benachteiligung aus Anlass der Bewerbung auf eine ausgeschriebene Beamtenstelle ergebe sich eine Rechtswegzuweisung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz.
7Der Beschluss ist dem Kläger am 07.08.2018 zugestellt worden. Mit seinem als „Sofortige Beschwerde innerhalb einer Notfrist von 2 Wochen“ bezeichneten Schriftsatz vom 10.08.2018, der am selben Tag per Telefax bei dem Arbeitsgericht einging, vertritt der Kläger die Auffassung, dass das Arbeitsgericht Köln zuständig sei. Er erklärt, die angesprochene Problematik der Zuständigkeit nicht abschließend beurteilen zu können. In der Ausschreibung sei nicht darauf hingewiesen worden, dass ein Beamtenverhältnis begründet werden solle. Professoren könnten auch im öffentlich-rechtlichen Angestelltenverhältnis beschäftigt werden.
8II.
9Die sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Denn es handelt sich vorliegend um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer und einem Arbeitgeber aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst c) ArbGG, für die die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig sind. Hingegen handelt es sich nicht um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis, für die gemäß § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz der Verwaltungsrechtsweg gegeben wäre.
101.) Für die Bestimmung des einschlägigen Rechtswegs und die Abgrenzung zwischen § 2 Abs. 1 ArbGG und § 54 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz kommt es maßgeblich auf den geltend gemachten Anspruch und den dadurch bestimmten Streitgegenstand an (Schütz/Maiwald/Eck, § 54 BeamtenstatusG, Rn. 20). Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachten Rechtsfolgen sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (BVerwG, Urteil vom 31. August 2011 – 8 C 15/10 –, BVerwGE 140, 290-300, Rn. 20; BVerwG, Beschluss vom 14. November 2007 – 8 B 81/07 –, Rn. 5, juris).
112.) Um eine Klage aus dem Beamtenverhältnis handelt es sich daher stets dann, wenn der geltend gemachte Anspruch auf einer dem Beamtenrecht zugeordneten Anspruchsgrundlage beruht (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1996 – 2 C 12/94 –, BVerwGE 100, 280-287, Rn. 21; VG München, Beschluss vom 10. September 2018 – M 5 E 18.1131 –, Rn. 8, juris). Das ist hier aber nicht der Fall. Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG geltend. § 15 AGG ist keine Vorschrift des Beamtenrechts. Die Norm gilt unmittelbar für Arbeitnehmer und gemäß § 24 Nr. 1 AGG nur entsprechend für Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Norm hilft daher bei der Abgrenzung der gesetzlichen Rechtswegzuweisungen in § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst c) ArbGG und § 54Abs. 1 Beamtenstatusgesetz allein nicht weiter.
123.) Zur Abgrenzung wird in einem solchen Fall, der sich vor Begründung eines Arbeits- oder Beamtenverhältnisses abspielt, maßgeblich darauf abgestellt, ob der Bewerber die Einstellung in ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis oder die Anstellung als Beamter begehrt hatte (VG München, Beschluss vom 10. September 2018– M 5 E 18.1131 –, Rn. 8, juris). Sachlicher Anknüpfungspunkt ist dafür zunächst das Stellenbesetzungsverfahren (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juni 2007 – 2 F 10596/07 –, Rn. 3 - 4, juris; VG Ansbach, Urteil vom17. Januar 2017 – AN 1 K 16.00995 –, Rn. 25, juris).
13a) Das Stellenbesetzungsverfahren gibt hier aber keine weiteren Aufschlüsse. Die Berufung von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern erfolgt gemäß §§ 37,38 Hochschulgesetz NRW unabhängig davon, ob damit die Ernennung zum Beamten oder der Abschluss eines Arbeitsvertrages erfolgen soll.
14b) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lässt sich der Stellenausschreibung nicht entnehmen, dass es ausschließlich um die Besetzung einer Beamtenstelle ging. Der Begriff „W2-Professur“ gibt das allein nicht her. Zwar regelt die Besoldungsordnung W die Amtsbezüge der Hochschullehrer. „W2“ bedeutet im Rahmen der vorliegenden Stellenausschreibung allerdings nicht, dass ausschließlich eine Beamtenstelle ausgeschrieben war. Mit „W2“ soll vielmehr nur die Höhe der Bezüge angegeben werden. Die Beklagte selbst stellt auf ihrer Homepage klar, dass auch die Einstellung in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis (Angestelltenverhältnis) erfolgen kann und die Vergütung dann analog W2 gezahlt wird (www.th-koeln.de/hochschule/w-besoldung_8662.php).
154.) Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst – wie hier – offen für ein Beamtenverhältnis und für ein Arbeitsverhältnis ausgeschrieben, ist daher maßgeblich, worauf sich das Klagebegehren bezieht (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 02. Januar 2018 – 3 Ta 51/17 –, juris). Entscheidend ist, ob der Bewerbung eine Präferenz für ein bestimmtes Rechtsverhältnis entnommen werden kann (Tiedemann, jurisPR-ArbR 16/2018Anm. 4 zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom02. Januar 2018 – 3 Ta 51/17 –).
16a) Weder das Bewerbungsschreiben des Klägers, noch seine Klage und auch nicht seine sofortige Beschwerde enthalten aber eine eindeutige Aussage dazu, ob der Kläger die Ernennung zum Beamten oder die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses anstrebte. Denn er hatte sich schlicht um eine Professur unabhängig von dem zu Grunde liegenden Anstellungsverhältnis beworben.
17b) Gleichwohl muss davon ausgegangen werden, dass es dem Kläger nur um die Begründung eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses gehen konnte und dass darauf seine Präferenz lag. Denn die Ernennung des Klägers zum Beamten wäre rechtlich gar nicht zulässig gewesen. Nach § 39a Abs. 1 Hochschulgesetz NRW darf als Hochschullehrer in ein Beamtenverhältnis grds. nur eingestellt oder übernommen werden, wer das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Schwerbehinderte Menschen wie der Kläger dürfen gemäß § 39a Abs. 3 Hochschulgesetz NRW auch dann eingestellt oder übernommen werden, wenn sie das 53. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Kläger hatte jedoch im Zeitpunkt seiner Bewerbung schon das 56. Lebensjahr vollendet. Mit ihm wäre daher nur die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zulässig gewesen. Das war auch der Beklagten völlig klar, die auf ihrer Homepage selbst darauf hinweist, dass Verbeamtungen nach Vollendung des 50. Lebensjahres in der Regel nicht möglich sind und dass die Einstellung dann zwingend in einem Angestelltenverhältnis erfolgen muss(www.th-koeln.de/hochschule/w-besoldung_8662.php). Angesichts dessen konnte die Präferenz des Klägers bei lebensnaher Betrachtung trotz des offen formulierten Bewerbungsschreibens nur auf der einzig zulässigen Möglichkeit zur Erlangung der Professur, nämlich der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, liegen.
18c) Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fallgestaltungen, in denen sich ein Bewerber, der aufgrund seines Alters nicht in ein Beamtenverhältnis übernommen werden kann, gleichwohl – etwa aus Unkenntnis des Ernennungshindernisses – ausdrücklich um eine Beamtenstelle bewirbt. In diesen Fällen wird man von einer Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgehen müssen, weil die Präferenz des Bewerbers – anders als im vorliegenden Fall – eindeutig nicht auf die Begründung eines Arbeitsverhältnisses gerichtet ist und der Umstand, nicht zum Beamten ernannt werden zu können, nur die Erfolgsaussichten der Bewerbung, nicht aber die Frage des zulässigen Rechtswegs betrifft (dazu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. April 2011– 4 S 1078/11 –, Rn. 4, juris; ; Tiedemann, jurisPR-ArbR 16/2018 Anm. 4 zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 02. Januar 2018– 3 Ta 51/17 –).
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(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind ausschließlich zuständig für
- 1.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen diesen und Dritten aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen; - 2.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt; - 3.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern - a)
aus dem Arbeitsverhältnis; - b)
über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses; - c)
aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und aus dessen Nachwirkungen; - d)
aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen; - e)
über Arbeitspapiere;
- 4.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und - a)
Arbeitgebern über Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen; - b)
gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien oder Sozialeinrichtungen des privaten Rechts oder Versorgungseinrichtungen, soweit Letztere reine Beitragszusagen nach § 1 Absatz 2 Nummer 2a des Betriebsrentengesetzes durchführen, über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang stehen,
soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist; - 5.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen und dem Träger der Insolvenzsicherung über Ansprüche auf Leistungen der Insolvenzsicherung nach dem Vierten Abschnitt des Ersten Teils des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung; - 6.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Einrichtungen nach Nummer 4 Buchstabe b und Nummer 5 sowie zwischen diesen Einrichtungen, soweit nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist; - 7.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Entwicklungshelfern und Trägern des Entwicklungsdienstes nach dem Entwicklungshelfergesetz; - 8.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen den Trägern des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres oder den Einsatzstellen und Freiwilligen nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz; - 8a.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Bund oder den Einsatzstellen des Bundesfreiwilligendienstes oder deren Trägern und Freiwilligen nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz; - 9.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern aus gemeinsamer Arbeit und aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen; - 10.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen behinderten Menschen im Arbeitsbereich von Werkstätten für behinderte Menschen und den Trägern der Werkstätten aus den in § 221 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch geregelten arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnissen.
(2) Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern,
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die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung oder für einen technischen Verbesserungsvorschlag nach § 20 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen zum Gegenstand haben; - b)
die als Urheberrechtsstreitsachen aus Arbeitsverhältnissen ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer vereinbarten Vergütung zum Gegenstand haben.
(3) Vor die Gerichte für Arbeitssachen können auch nicht unter die Absätze 1 und 2 fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist.
(4) Auf Grund einer Vereinbarung können auch bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des Privatrechts und Personen, die kraft Gesetzes allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans der juristischen Person zu deren Vertretung berufen sind, vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden.
(5) In Rechtsstreitigkeiten nach diesen Vorschriften findet das Urteilsverfahren statt.
(1) Die mündliche Verhandlung beginnt mit einer Verhandlung vor dem Vorsitzenden zum Zwecke der gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). Der Vorsitzende hat zu diesem Zweck das gesamte Streitverhältnis mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann er alle Handlungen vornehmen, die sofort erfolgen können. Eidliche Vernehmungen sind jedoch ausgeschlossen. Der Vorsitzende kann die Güteverhandlung mit Zustimmung der Parteien in einem weiteren Termin, der alsbald stattzufinden hat, fortsetzen.
(2) Die Klage kann bis zum Stellen der Anträge ohne Einwilligung des Beklagten zurückgenommen werden. In der Güteverhandlung erklärte gerichtliche Geständnisse nach § 288 der Zivilprozeßordnung haben nur dann bindende Wirkung, wenn sie zu Protokoll erklärt worden sind. § 39 Satz 1 und § 282 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung sind nicht anzuwenden.
(3) Das Ergebnis der Güteverhandlung, insbesondere der Abschluß eines Vergleichs, ist in das Protokoll aufzunehmen.
(4) Erscheint eine Partei in der Güteverhandlung nicht oder ist die Güteverhandlung erfolglos, schließt sich die weitere Verhandlung unmittelbar an oder es ist, falls der weiteren Verhandlung Hinderungsgründe entgegenstehen, Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen; diese hat alsbald stattzufinden.
(5) Erscheinen oder verhandeln beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Auf Antrag einer Partei ist Termin zur streitigen Verhandlung zu bestimmen. Dieser Antrag kann nur innerhalb von sechs Monaten nach der Güteverhandlung gestellt werden. Nach Ablauf der Frist ist § 269 Abs. 3 bis 5 der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.
(6) Der Vorsitzende kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie deren Fortsetzung vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. - im Folgenden: Hauptgenossenschaft - die Verpflichtung des Beklagten festzustellen, dass die Insolvenzschuldnerin Berechtigte im Sinne des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen ist.
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Mit Schreiben vom 24. April und 22. Oktober 1991 machte die Liquidatorin der Hauptgenossenschaft für diese vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Mit Bescheid vom 10. Oktober 2000 stellte der Beklagte in Ziffer 1 fest, dass die Hauptgenossenschaft nicht Berechtigte hinsichtlich des früheren Unternehmens der L. - im Folgenden: Hauptgenossenschaft (alt) - ist. Ferner lehnte er in Ziffer 2 des Bescheides die Rückübertragung bzw. Entschädigung der drei im Grundbuch von E. Blatt ..., Flur ..., verzeichneten Grundstücken T.straße ... (Flurstück ..., ehemals ... und ...), T.straße ... (Flurstück ...) und R.straße ... (Flurstück ...) ab.
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Auf die gegen Ziffer 2 des Bescheides erhobene Klage der Hauptgenossenschaft hob das Verwaltungsgericht Weimar mit Urteil vom 24. Juni 2003 Ziffer 2 des Bescheides auf und verpflichtete den Beklagten zur Zurückübertragung des Eigentums an den darin aufgeführten Grundstücken. Das Urteil wurde rechtskräftig. Der Beklagte übertrug daraufhin mit Bescheid vom 1. September 2003 das Eigentum an diesen Grundstücken auf die Hauptgenossenschaft. In der Begründung des Bescheides wird ergänzend ausgeführt, der Beklagte komme im Übrigen der Anregung der Antragstellerin, den Bescheid vom 10. Oktober 2000 insgesamt aufzuheben, nicht nach. Eine Berechtigung für das Unternehmen könne nicht festgestellt werden.
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Auf die gegen Ziffer 1 des Bescheides vom 10. Oktober 2000 erhobene Klage der Hauptgenossenschaft, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Erfurt vom 6. Juli 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat das Verwaltungsgericht Gera mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß den Bescheid vom 10. Oktober 2000 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet festzustellen, dass die Hauptgenossenschaft Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der vermögensrechtliche Antrag sei im Jahre 1991 fristgerecht und auch im Übrigen ordnungsgemäß gestellt worden. Insbesondere sei die Hauptgenossenschaft antragsbefugt. Die Erfüllung des Quorums nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG sei hierfür nicht erforderlich gewesen; denn jedenfalls seien die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG erfüllt. Der Vermögensverlust der Hauptgenossenschaft im Beitrittsgebiet liege auf der Hand. Außerhalb dieses Gebiets belegenes Vermögen des Unternehmens sei vorhanden gewesen und bis heute vorhanden. Das Restunternehmen sei im damaligen Bundesgebiet auch werbend tätig gewesen. Mit der Bestellung des D. e.V. in Bonn zum Pfleger durch das Amtsgericht Bonn im Jahr 1954 sei es in ausreichendem Maße handlungsfähig gewesen. Das frühere Unternehmen der Hauptgenossenschaft (alt) sei auch einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG ausgesetzt gewesen. Dies habe das Verwaltungsgericht Weimar in seinem Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig festgestellt; daran seien die Beteiligten gebunden.
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Mit ihrer Revision macht die Beigeladene zu 2 im Wesentlichen geltend: § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG sei vorliegend nicht anwendbar. Es fehle an einer werbenden Tätigkeit der Restgesellschaft im Bundesgebiet, so dass das Quorum nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG für eine wirksame Anmeldung erfüllt sein müsse, woran es hier aber fehle. Eine Bindungswirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom 24. Juni 2003 bestehe schon deshalb nicht, weil sie an jenem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei.
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Die Beigeladene zu 2 beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 1. Dezember 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil.
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Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die L. - die Hauptgenossenschaft - Berechtigte im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG ist, weil das Unternehmen der L. - der Hauptgenossenschaft (alt) - einer Schädigung im Sinne von § 1 VermG ausgesetzt gewesen sei. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Gera gestellten Antrag, der sich allein auf die in Ziffer 1 des Bescheides des Beklagten vom 10. Oktober 2008 getroffene Regelung bezieht. Darin hatte der Beklagte entschieden, dass die Hauptgenossenschaft nicht Berechtigte wegen einer Schädigung des Unternehmens sei, weil die Auflösung dieses Unternehmens im Jahre 1950 nicht auf eine unlautere Machenschaft deutscher Stellen zurückzuführen sei. Dementsprechend hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil auch allein über den Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Restitutionsberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG entschieden. Dagegen war die in Ziffer 2 dieses Bescheides getroffene Regelung bereits Gegenstand des vor dem Verwaltungsgericht Weimar geführten Rechtsstreits, der mit rechtskräftigem Urteil vom 24. Juni 2003 beendet wurde. Diese Regelung betraf die vom Kläger beantragte Rückübertragung bzw. Entschädigung der im Grundbuch von E., Blatt ..., Flur ..., verzeichneten drei Grundstücke T.straße ..., T.straße ... und R.straße ...; der Beklagte hatte entschieden, dass die Überführung dieser Grundstücke in Volkseigentum, die erst einige Jahre nach der Liquidation der Hauptgenossenschaft (alt), nämlich erst 1953 erfolgt war, ebenfalls nicht auf einer unlauteren Machenschaft beruhte.
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Im vorliegenden Verfahren ist damit über den vom Kläger als Insolvenzverwalter geltend gemachten Anspruch auf Unternehmensrestitution nach § 6 VermG zu entscheiden, nicht aber über einen Anspruch auf Singularrestitution nach § 3 VermG.
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2. Die Revision ist zulässig. Die Beigeladene zu 2 ist aufgrund der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Beiladung gemäß § 63 Nr. 3 VwGO Beteiligte am Verfahren; sie kann Sachanträge stellen und Rechtsmittel einlegen (§§ 135, 132 Abs. 1 VwGO, § 37 Abs. 2 VermG). Sie ist auch beschwert, weil sie durch das angegriffene Urteil in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt wird (vgl. dazu Urteil vom 17. Mai 1995 - BVerwG 6 C 8.94 - BVerwGE 98, 210 <213 f.> = NVwZ-RR 1996, 32). Würde das angefochtene Urteil und damit die Verpflichtung des Beklagten rechtskräftig, die Hauptgenossenschaft als Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung des ehemaligen Unternehmens der Hauptgenossenschaft (alt) festzustellen, könnte dies nachteilige rechtliche Wirkungen auch für die Beigeladene zu 2 haben. Die Beigeladene hat dargelegt, dass ihre Rechtsvorgängerin, die Treuhandanstalt, Verfügungsberechtigte hinsichtlich wenigstens eines Grundstücks war, das zu den zu Zeiten der DDR in Volkseigentum überführten und später in die Verfügungsgewalt der Treuhandanstalt übergegangenen Vermögenswerten der Hauptgenossenschaft (alt) gehörte, die durch vermögensrechtliche Ansprüche des Klägers belastet seien. Dieses Grundstück sei zwischenzeitlich verkauft worden, so dass die Beigeladene im Falle der Berechtigung des Klägers Ansprüche auf Erlösauskehr zu gewärtigen habe. Der Kläger hat diese Darlegung zwar mit Nichtwissen bestritten, der Vertreter des Beklagten hat sie jedoch bestätigt. Der Senat sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Bestätigung zu zweifeln. Der Vertreter des Beklagten hat zu den in seinem Amt geführten Grundstücksverzeichnissen Zugang und ist mit ihnen dienstlich befasst. Er hat seine Angaben mit einschlägigen schriftlichen Unterlagen belegt. Das genügt für die Beschwer der Beigeladenen. Einer abschließenden Prüfung der Eigentumsverhältnisse an dem in Rede stehenden Grundstück bedarf es hierfür nicht. Sie kann und muss dem dafür vorgesehenen Verfahren nach dem Vermögensgesetz vorbehalten bleiben. Bereits der Umstand, dass die Beigeladene im Falle der Rechtskraft des angefochtenen Urteils ihrerseits Ansprüchen des Klägers auf Auskehr des von der Treuhandanstalt oder ihrer Rechtsnachfolgerin durch den Verkauf des in Rede stehenden Grundstücks erzielten Erlöses ausgesetzt sein kann, begründet die Annahme, dass sie durch das angefochtene Urteil in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt ist.
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3. Das angefochtene Urteil verstößt gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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a) Zu Recht rügt die Beigeladene zu 2, dass das Verwaltungsgericht § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG verletzt hat. Denn es geht im angefochtenen Urteil zu Unrecht davon aus, die Hauptgenossenschaft (alt) sei nach ihrer Liquidation im Jahre 1950 und dem nachfolgenden Verlust ihres gesamten im Beitrittsgebiet befindlichen Vermögens in Ansehung ihres im damaligen Bundesgebiet belegenen Restvermögens weiterhin im Bundesgebiet als Restgesellschaft werbend tätig gewesen. Das Verwaltungsgericht hat den Begriff der werbenden Tätigkeit im Sinne der Vorschrift verkannt.
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§ 6 Abs. 1a Satz 4 VermG bezieht sich nach seinem Wortlaut auf Gesellschaften, die ihr im Beitrittsgebiet belegenes Vermögen verloren haben und hinsichtlich ihres außerhalb des Beitrittsgebiets belegenen Vermögens als Gesellschaft oder Stiftung "werbend tätig" sind. Er erfasst damit im Falle der Vollenteignung des Unternehmensträgers in der DDR Restgesellschaften oder im Fall der Enteignung von Mitgliedschaftsrechten Spaltgesellschaften (vgl. dazu Urteil vom 11. Dezember 1997 - BVerwG 7 C 69.96 - BVerwGE 106, 51 <54 f.> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 31; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1960 - VII ZR 136/59 - BGHZ 33, 195 <198 f.> m.w.N.), sofern diese jeweils im Bundesgebiet weiterhin werbend tätig sind. Ruhende Rest- oder Spaltgesellschaften können die Regelung dagegen nicht für sich in Anspruch nehmen (Beschluss vom 13. September 1993 - BVerwG 7 B 46.93 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 2 m.w.N.; Messerschmidt, in: Fieberg u.a., Kommentar zum VermG, § 6 Rn. 175). Ein Unternehmen übt nur dann eine werbende Tätigkeit im Sinne der Vorschrift aus, wenn es wirtschaftliche Aktivitäten in Verfolgung seiner Unternehmenszwecke entfaltet. Denn nur dann wirbt es darauf gerichtete Geschäftsaufträge ein und fördert den Unternehmenserfolg. Die bloße Verwaltung von (Rest-)Vermögen des früher im Beitrittsgebiet tätigen Unternehmens reicht, wenn sie nicht selbst Gesellschaftszweck ist, dafür nicht aus. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um relativ geringfügige Werte handelt (vgl. Drobnig, in: Huber/Jayme
, Festschrift für Rolf Serick zum 70. Geburtstag, 1992, S. 37 <52>).
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So liegt der Fall hier. Die Hauptgenossenschaft (alt) war nach ihrem Statut von 1948, den Feststellungen des angefochtenen Urteils zufolge, auf den "Bezug und Absatz landwirtschaftlicher Bedarfsartikel und Erzeugnisse, die Organisation der Be- und Verarbeitung derselben sowie die Erziehung der Mitglieder der ihr angeschlossenen Genossenschaften im demokratischen Geist und Hebung ihres allgemeinen Bildungsstandes" gerichtet. Diesen Gesellschaftszweck konnte sie nach ihrer Liquidation im Jahre 1950 nicht mehr verfolgen. Dementsprechend richtete sich auch die Tätigkeit des vom Amtsgericht Bonn mit Beschluss vom 22. Oktober 1954 als Abwesenheitspfleger bestellten D. e.V. nur noch auf die Verwaltung des im Bundesgebiet und West-Berlin vorhandenen Vermögens. Darin kann keine werbende Tätigkeit der Restgesellschaft im Sinne von § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG gesehen werden. Deshalb war für die Anmeldung und Geltendmachung eines auf eine Schädigung des Unternehmens der früheren Hauptgenossenschaft (alt) bezogenen Restitutionsanspruches deren "Wiederbelebung" erforderlich, die die Erfüllung des Quorums nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG voraussetzte.
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b) Das angefochtene Urteil verletzt auch § 121 VwGO. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 VermG unter Verkennung der Rechtskraftwirkung des Urteils des Verwaltungsgerichts Weimar vom 24. Juni 2003 bejaht. Es ist davon ausgegangen, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Weimar zur schädigenden Maßnahme im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG würden gemäß § 121 VwGO von der Rechtskraft jenes Urteils erfasst und seien deshalb seinem Urteil als bindend zugrunde zu legen. Damit sei ohne weitere Feststellungen davon auszugehen, das frühere Unternehmen der Hauptgenossenschaft (alt) sei - entgegen der Auffassung des Beklagten - einer schädigenden Maßnahme im Sinne des § 1 VermG ausgesetzt gewesen.
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Damit hat das Verwaltungsgericht die Bindungswirkung des § 121 VwGO verkannt. Nach dieser Vorschrift binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, namentlich die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Das Verwaltungsgericht hat schon übersehen, dass die Beigeladene zu 2 im Vorprozess vor dem Verwaltungsgericht Weimar nicht beteiligt war und schon deshalb von der Rechtskraftwirkung des dort ergangenen Urteils nicht erfasst werden konnte. Vor allem aber hat das Verwaltungsgericht die objektive Reichweite der Rechtskraft dieses Urteils verkannt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar bindet im vorliegenden Rechtsstreit auch die anderen Beteiligten nicht.
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Rechtskräftige Urteile binden nur insoweit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, der durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck gebrachte Rechtsfolge sowie durch den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist (Urteil vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68; Beschluss vom 14. November 2007 - BVerwG 8 B 81.07 - ZOV 2008, 53; jeweils m.w.N.). Die gerichtliche Entscheidung ist demgemäß die im Entscheidungssatz des Urteils sich verkörpernde Rechtsfolge als Ergebnis der Subsumtion des Sachverhalts unter das Gesetz (Urteil vom 10. Mai 1994 a.a.O. <26>; BGH, Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 20. Mai 1954 - GSZ 6/53 - BGHZ 13, 265 <279>; Urteil vom 17. Februar 1983 - III ZR 184/81 - BGH NJW 1983, 2032 = juris Rn. 13), also der konkrete Rechtsschluss vom Klagegrund auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen der begehrten Rechtsfolge anhand des die Entscheidung unmittelbar tragenden Rechtssatzes. Auf diesen unmittelbaren Gegenstand des Urteils ist die Rechtskraft beschränkt. § 121 VwGO verhindert damit, dass eine derartige gerichtliche Entscheidung in einem weiteren Verfahren zwischen denselben Beteiligten einer erneuten Sachprüfung zugeführt werden kann. Hingegen erstreckt sich die Rechtskraft nicht auf die einzelnen Urteilselemente, also nicht auf die tatsächlichen Feststellungen, die Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale und sonstige Vorfragen oder Schlussfolgerungen, auch wenn diese für die Entscheidung tragend gewesen sind (Urteil vom 10. Mai 1994 a.a.O. <26>; BGH, Beschluss vom 20. Mai 1954 a.a.O. <279>; Urteile vom 17. März 1964 - Ia ZR 193/63 - BGHZ 42, 340 <350>, vom 25. September 1972 - VIII ZR 81/71 - BGH NJW 1972, 2268 <2269> und vom 3. Oktober 1980 - V ZR 125/79 - BGH NJW 1981, 1045).
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Hiernach liegt eine Identität desjenigen prozessualen Anspruchs, über den das Verwaltungsgericht Weimar mit dem Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig entschieden hat, mit dem hier in Rede stehenden Anspruch nicht vor. Jener war auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, die im Tenor des Urteils näher bezeichneten drei Grundstücke an die Hauptgenossenschaft zurück zu übertragen, während dieser auf die Verpflichtung des Beklagten abzielt, festzustellen, dass die Hauptgenossenschaft Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung des Unternehmens der Hauptgenossenschaft (alt) ist. Der im Urteil vom 24. Juni 2003 rechtskräftig bejahte Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Rückübertragung der drei Grundstücke bildet zu dem im vorliegenden Rechtsstreit behaupteten Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Berechtigung am Unternehmen auch keine vorgreifliche Vorfrage (vgl. hierzu Urteile vom 29. August 1966 - BVerwG 8 C 353.63 - BVerwGE 25, 7 <10> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 22; vom 10. Mai 1994 a.a.O. <26> m.w.N. und vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <33> = Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 3), weshalb jenem Urteil für den vorliegenden Rechtsstreit keine präjudizielle Wirkung zukommen kann. Das hat das Verwaltungsgericht auch nicht angenommen. Es hat vielmehr umgekehrt gemeint, dass das Verwaltungsgericht Weimar einen Anspruch auf Rückübertragung der drei Grundstücke nur bejahen konnte, wenn es - seinerseits als Vorfrage - die Berechtigtenstellung der Hauptgenossenschaft am Unternehmen selbst bejahte. Das verkennt die Reichweite der Rechtskraft in mehrfacher Hinsicht.
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Die Entscheidung einer Vorfrage nimmt an der Rechtskraft nicht teil, sofern sie nicht Gegenstand einer besonderen Zwischenfeststellung ist (vgl. § 322 Abs. 1, § 256 Abs. 2 ZPO; Beschluss vom 15. Dezember 1977 - BVerwG 3 B 91.76 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 40; Urteil vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 4.01 - BVerwGE 115, 111 <116 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 82; Rennert, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 121 VwGO
). Das gilt auch im Vermögensrecht. Zwar ermächtigt das Vermögensgesetz die Behörden zum Erlass von Teilentscheidungen über den Rückübertragungsanspruch. Gegenstand einer solchen Teilentscheidung kann namentlich die Feststellung sein, dass der Anspruchsteller Berechtigter im Sinne des Vermögensgesetzes in Ansehung einer bestimmten Vermögensschädigung ist. Eine derartige Berechtigtenfeststellung bindet die Verfahrensbeteiligten auch in weiteren Verfahren. Voraussetzung ist aber stets, dass eine Teilentscheidung im Sinne einer abschichtenden Teilregelung getroffen wurde, die - wenn sie unangefochten blieb - der Bestandskraft, bei gerichtlicher Überprüfung der Rechtskraft fähig ist (vgl. Urteile vom 29. September 1993 - BVerwG 7 C 39.92 - BVerwGE 94, 195 <199> = Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 3; vom 16. April 1998 - BVerwG 7 C 32.97 - BVerwGE 106, 310 <312 f.> = Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 9; vom 13. April 2000 - BVerwG 7 C 84.99 - BVerwGE 111, 129 = Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 26 und vom 24. Februar 2010 - BVerwG 8 C 14.08 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 94). Der Beklagte hatte in seinem Bescheid vom 10. Oktober 2000 unter Ziffer 1 ausdrücklich eine derartige gesonderte - wenn auch negative - Berechtigtenfeststellung getroffen. Diese war als solche aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht Weimar, sondern ist - allein - Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, den der Kläger gemäß der ihm vom Beklagten erteilten - gespaltenen - Rechtsmittelbelehrung beim Verwaltungsgericht Gera anhängig gemacht hat.
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Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht Weimar auch der Sache nach nicht über den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits entschieden hat. Wie eingangs (oben 1.) erwähnt, ist Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits der behauptete Anspruch der Hauptgenossenschaft auf Feststellung ihrer Berechtigung an dem Unternehmen, das die Hauptgenossenschaft (alt) vor und nach dem Krieg in Erfurt werbend betrieben hatte und das im Juli 1950 liquidiert und in der Folge abgewickelt wurde. Klagegrund ist ihre Behauptung, die Liquidation und nachfolgende Abwicklung des Unternehmens sei von den damaligen deutschen Stellen durch unlautere Machenschaften im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG erzwungen worden. Damit stellt sie sich gegen die tatsächlichen Feststellungen zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides, demzufolge die Liquidation von der Hauptgenossenschaft (alt) freiwillig und allenfalls als Folge einer Auszehrung des wirtschaftlichen Betätigungsfeldes des Unternehmens beschlossen worden sei, die auf Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht zurückzuführen sei. Zu diesem Klagegrund verhält sich das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar nicht. Es hat nicht die Ereignisse vor und bis Juli 1950 im Blick, sondern die Ereignisse von 1953. Zwar leitet es die Gründe seiner Entscheidung, dass der Hauptgenossenschaft die drei 1953 in Volkseigentum überführten Grundstücke zurückzugeben seien, mit der Bemerkung ein, es handele sich um eine Unternehmensresterestitution im Sinne des § 6 Abs. 6a Satz 1 VermG; doch liegt dieser Bemerkung nicht die Feststellung zugrunde, dass der Hauptgenossenschaft ein lebendes Unternehmen entzogen worden sei, zu dessen Vermögen die drei Grundstücke gehört hätten. Stattdessen leitet es den Restitutionsanspruch aus einem ganz anderen Schädigungstatbestand, nämlich daraus her, dass die Behörden der DDR die Überführung der Grundstücke in Volkseigentum im Jahre 1953 zum Ausgleich einer in Wahrheit nicht bestehenden Geldforderung gegen das - bereits in Liquidation befindliche - Unternehmen erzwungen hätten. Diese Feststellung trägt seine Entscheidung. Sie erfüllt den Tatbestand der Singularrestitution, dessen Berechtigter auch der Träger eines bereits in Abwicklung befindlichen Unternehmens sein kann; sie setzt eine zusätzliche Unternehmensschädigung nicht voraus (vgl. Beschluss vom 27. Juli 1993 - BVerwG 7 B 15.93 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 1; Urteil vom 28. März 2001 - BVerwG 8 C 6.00 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 42).
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c) Das angefochtene Urteil beruht auf der fehlerhaften Anwendung von § 6 Abs. 1a Satz 4 VermG und von § 121 VwGO. Daran ändert auch nichts, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil (UA S. 23 f.) eine eigene Würdigung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 VermG nachgeschoben hat. Denn das Verwaltungsgericht hat insoweit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, es stütze seine Entscheidung nicht auf diese ergänzenden Ausführungen.
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3. Das angefochtene Urteil ist auch nicht gemäß § 144 Abs. 4 VwGO aus anderen Gründen richtig. Das käme ohnehin nur in Betracht, wenn auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sowohl die Antragsberechtigung der Hauptgenossenschaft nach § 6 Abs. 1a VermG als auch deren Berechtigung in Ansehung des Unternehmens nach § 1 Abs. 3 VermG feststünde. Davon kann keine Rede sein. Es lässt sich schon nicht erkennen, dass die für einen ordnungsgemäßen Antrag auf Unternehmensrestitution erforderlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG erfüllt sind.
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Dazu bedarf es zunächst der Bestimmung des Schädigungszeitpunktes. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, worin das Verwaltungsgericht die gegen das (lebende) Unternehmen in der damaligen DDR gerichtete(n) Schädigungsmaßnahme(n) im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gesehen hat. Insbesondere ist im Unklaren geblieben, ob das Verwaltungsgericht die Schädigung in der Herbeiführung des Liquidationsbeschlusses vom 11. Juli 1950 mit unlauteren Mitteln gesehen hat oder ob es von einer bis zur Vollbeendigung des Unternehmens im Jahre 1953/54 gestreckten Unternehmensschädigung ausgegangen ist. Auch wenn die Vorschriften der Unternehmensrestitution nach § 6 VermG nicht nur bei der Rückgabe eines lebenden Unternehmens oder Betriebsteils eines solchen, sondern auch dann eingreifen, wenn sich der Rückgabeanspruch auf die nach der Stilllegung eines geschädigten Unternehmens verbliebenen Vermögensgegenstände richtet (§ 6 Abs. 6a Satz 1 VermG), setzen sie die Schädigung eines lebenden Unternehmens voraus. Dies erfordert zwar nicht notwendig einen einheitlichen Entzugsakt. So können etwa auch Fälle von einem Schädigungstatbestand nach § 1 VermG erfasst sein, in denen das wesentliche Betriebsvermögen eines Unternehmens durch einzelne, unter Umständen auch zeitlich gestreckte Veräußerungsvorgänge an Dritte übertragen wurde. In jedem Falle muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise von einem durch Veräußerung, Enteignung oder durch eine vergleichbare Maßnahme bewirkten Entzug eines lebenden Unternehmens gesprochen werden können (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 27. Juli 1993 a.a.O. = juris Rn. 6). Die Unternehmensrestitution nach § 6 VermG hat nur Vorrang (§ 3 Abs. 1 Satz 3 VermG) vor der Singularrestitution gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VermG, wenn die Schädigungsmaßnahme im Sinne von § 1 VermG eine lebensfähige werbende Organisationseinheit getroffen hatte (Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 11.94 - BVerwGE 98, 154 <158 f.> = Buchholz 111 Art. 22 EV Nr. 10 und vom 28. März 2001 a.a.O. = juris Rn. 25). Die Vorschriften über die Unternehmensrestitution finden deshalb keine Anwendung, wenn der Geschäftsbetrieb des Unternehmens bereits vor der Durchführung schädigender Maßnahmen endgültig eingestellt und mit seiner Wiederaufnahme nicht zu rechnen war (vgl. Urteile vom 28. März 2001 a.a.O. S. 35 m.w.N. und vom 11. März 2004 - BVerwG 7 C 61.02 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 60 Rn. 11). Dazu fehlt es im Urteil des Verwaltungsgerichts an näheren Feststellungen.
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Bezogen auf den Schädigungszeitpunkt müssen die vor der Schädigung vorhandenen Mitglieder der Hauptgenossenschaft (alt) ermittelt werden. Dabei muss vermieden werden, auch diejenigen als Mitglieder anzusehen, die erst infolge der Schädigung in die Genossenschaft eingetreten sind. Auch wenn viel dafür spricht, ist bislang nicht abschließend geklärt, ob das bei den Verwaltungsvorgängen (BA 4 Bl. 76) befindliche "Verzeichnis der persönlichen Genossen der Thüringer Hauptgenossenschaft, Erfurt" vom 30. Juni 1948 den zum Schädigungszeitpunkt maßgeblichen Mitgliederbestand wiedergibt. Ebenso steht nicht fest, ob die dort aufgeführten Mitglieder, unter denen sich sowohl drei natürliche Personen mit 12 Anteilen als auch 35 juristische Personen (Genossenschaften, Vereine) mit 217 Anteilen befanden, oder ihre - ordnungsgemäß bestimmten - Rechtsnachfolger ausnahmslos namentlich bekannt sind und ob sie mit dem in § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG vorgesehenen Quorum von mehr als 50 vom Hundert der Anteile oder Mitgliedschaftsrechte des geschädigten Unternehmens den Anspruch auf Rückübertragung an das Unternehmen oder von Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten fristgerecht angemeldet haben.
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Der Anwendung des § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG steht nicht entgegen, dass das dort vorgeschriebene Quorum erst durch das Gesetz zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen (Investitionshemmnisse-Beseitigungsgesetz) vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766) mit Wirkung vom 29. März 1991 eingeführt worden ist. Denn die durch dieses Gesetz bewirkten Änderungen des Vermögensgesetzes finden entgegen der Auffassung des Klägers auch auf solche Restitutionsverfahren Anwendung, die bei dessen Inkrafttreten bereits anhängig waren (Urteil vom 24. Februar 1994 - BVerwG 7 C 20.93 - BVerwGE 95, 155 <157 f.> = Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 5). Die sofortige Geltung von Rechtsänderungen auch für die bei ihrem Inkrafttreten bereits anhängigen Verwaltungsverfahren ergibt sich schon aus dem allgemeinen Geltungsanspruch des jeweiligen Änderungsgesetzes, sofern dieser Anspruch nicht ausdrücklich auf später beginnende Verfahren beschränkt ist (vgl. - für Änderungen des Prozessrechts - BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1992 - BVerfGE 87, 48 <64> m.w.N.). Eine solche Beschränkung enthält das vorgenannte Gesetz vom 22. März 1991 nicht. Unabhängig davon ist das Restitutionsverfahren ohnehin erst durch den Antrag vom 24. April 1991 eingeleitet worden. Dass die Liquidatorin, die den Antrag für die Hauptgenossenschaft gestellt hat, bereits in der Generalversammlung vom 19. Dezember 1990 bestellt und mit der Antragstellung beauftragt worden war, ändert daran nichts.
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Die Streitsache wird an das zuständige Arbeitsgericht … verwiesen.
Gründe
I.
II.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Absatzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung vertraglicher Pflichten.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für
- 1.
Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder, - 3.
Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen ist.
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Die Streitsache wird an das zuständige Arbeitsgericht … verwiesen.
Gründe
I.
II.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 19.10.2017 – Aktenzeichen 5 Ca 1320/17 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Der im Sinne des Gesetzes schwerbehinderte Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Entschädigung wegen Nichteinladung zu einem Bewerbungsgespräch. In diesem Zusammenhang streiten die Parteien vorab um die Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten für Arbeitssachen.
- 2
Der Kläger ist seit 2008 als Professor im Beamtenverhältnis an der J.-Hochschule E. im Fachbereich Seefahrt und Logistik beschäftigt.
- 3
Im Juni 2016 schrieb die Beklagte eine W2 Professur „Navigation“ aus, die auszugsweise wie folgt lautet: „die Professur wird in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, auf Zeit oder im Angestelltenverhältnis besetzt“. Eine Einladung zu einem Bewerbungsgespräch erhielt der Kläger nicht.
- 4
Mit Beschluss vom 19.10.2017 hat das Arbeitsgericht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht eröffnet ist und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schwerin verwiesen. Gegen diese am 24.10.2017 zugegangen Entscheidung richtet sich die am 6.11.2017 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers. Mit Beschluss vom 16.11.2017 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
- 5
Der Kläger hält auch im Beschwerdeverfahren an seiner Rechtsauffassung fest, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet. Die Professorenstelle sei offen auch für ein Angestelltenverhältnis ausgeschrieben worden. Wegen seiner Schwerbehinderung sei es denkbar, dass ihm die persönlichen beamtenrechtlichen Ernennungsvoraussetzungen aberkannt worden wären.
- 6
Die Beklagte ist der Ansicht, ausweislich der Stellenbeschreibung sei in erster Linie eine Beamtenstelle ausgeschrieben worden. Der Hinweis auf eine Beschäftigungsmöglichkeit im Angestelltenverhältnis ändere nichts an dem verwaltungsrechtlichen Schwerpunkt des Verfahrens.
II.
- 7
Das Arbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorliegend gemäß § 54 Abs.1 Beamtenstatusgesetz nicht eröffnet ist.
- 8
Danach ist für alle Klagen der Beamtinnen, Beamten, Ruhestandbeamtinnen, Ruhestandsbeamten, früheren Beamtinnen, früheren Beamten und der Hinterbliebenen aus dem Beamtenverhältnis sowie für Klagen des Dienstherrn der Verwaltungsrechtsweg gegeben.
- 9
In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die vorgenannte Rechtswegzuweisung umfassend gilt und auch „vorbeamtenrechtliche“ Schadensersatzansprüche bzw. Entschädigungsansprüche nach dem AGG erfasst (OVG Rheinland-Pfalz v.22.6.2007-2F 10596/07- juris Rdnr 2).
- 10
Wird eine Stelle im öffentlichen Dienst – wie hier – offen für ein Beamtenverhältnis und für ein Arbeitsverhältnis ausgeschrieben, so ist maßgeblich, wo der Schwerpunkt des Verfahrens liegt. Wird in der Hauptsache die Eingehung eines Beamtenverhältnisses – wie vorliegend gegeben – angestrebt, so ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Klagebegehren und dem zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt (VGH Baden-Württemberg v.28.4.2011 -4 S 1078/11- juris Rdnr 2; VG Wiesbaden v.29.11.2016 -3 L 1540/15.WI- juris Rdnr 47).
- 11
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Voraussetzungen ist vorliegend von der ausschließlichen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte gemäß § 54 Beamtenstatusgesetz auszugehen. Dafür spricht, dass sich der Kläger nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien derzeit in einem Beamtenverhältnis befindet (vgl. auch VG Wiesbaden aaO). Zudem ist zu bedenken, dass nach den gesetzlichen Vorgaben im Land Mecklenburg-Vorpommern Professorenstellen gemäß § 61 Abs. 1 LHG M-V grundsätzlich im Beamtenverhältnis geführt und vollzogen werden (jedenfalls dann, wenn die entsprechende Person die beamtenrechtlichen Voraussetzungen erfüllt). Außerdem begehrte der Kläger ebenfalls offensichtlich vorrangig die Beschäftigung im Beamtenverhältnis. Dies wird nicht zuletzt auch daran deutlich, dass der Kläger den geltend gemachten Zahlungsantrag zu Ziffer 2 seiner Klage auf der Grundlage eines fiktiven Beamtenverhältnisses begründet und berechnet.
- 12
Der Vortrag des Klägers, es sei wahrscheinlich, dass ihm aufgrund der Behinderung die persönlichen beamtenrechtlichen Ernennungsvoraussetzungen aufgrund gesundheitlicher Eignung aberkannt worden wären, so das ohnehin nur eine Begründung eines Anstellungsverhältnisses in Betracht gekommen wäre, vermag ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Zum einen ist auf der Grundlage des lediglich pauschalen Vorbringens nicht ersichtlich, weshalb im Falle einer erfolgreichen Bewerbung eine Versetzung nach § 15 Beamtenstatusgesetz mit einer entsprechenden Fortsetzung des Beamtenverhältnisses bei dem neuen Dienstherrn nicht hätte möglich sein sollen. Zum anderen trägt der Kläger selbst nicht vor, bei der Beklagten vorrangig eine Professur im Angestelltenverhältnis angestrebt zu haben. Soweit schließlich im Fall einer erfolgreichen Bewerbung aufgrund der einzelfallbezogenen Besonderheiten in der Person des Klägers tatsächlich ein Arbeitsverhältnis begründet worden wäre, so betrifft dies die Erfolgsaussichten in der Sache und nicht die Frage des zulässigen Rechtsweges (vgl. auch VGH Baden-Württemberg aaO).
- 13
Nach alledem ist wie erkannt zu entscheiden.
- 14
Diese Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein.
- 15
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.