Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 12. Jan. 2015 - 5 Sa 873/14

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2015:0112.5SA873.14.00
bei uns veröffentlicht am12.01.2015

Tenor

  • 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24. Juli 2014 – 1 Ca 688/14 – wird zurückgewiesen.

  • 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • 3. Die Revision wird nicht zugelassen.


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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 12. Jan. 2015 - 5 Sa 873/14 zitiert 15 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 308 Bindung an die Parteianträge


(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen. (2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch oh

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung


#BJNR001950896BJNE031602377 (1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 261 Rechtshängigkeit


(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. (2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung ge

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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Oktober 2009 - 11 Sa 511/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 5. Februar 2009 - 1 Ca 1247/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Möbeleinzelhandels mit mehreren hundert Arbeitnehmern. Die Belegschaft hat einen Betriebsrat gewählt.

3

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1976, zuletzt als Einkäufer und Produktmanager bei der Beklagten beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen betrug 6.558,10 Euro.

4

Am 18. Oktober 2007 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung. Sie warf ihm vor, eine Mitarbeiterin mit einem Schlag auf das Gesäß belästigt zu haben.

5

Am 25. und 26. Juni 2008 war der Kläger in einem Betrieb der Beklagten in K eingesetzt. Gegenüber einer 26-jährigen Einkaufsassistentin der Beklagten machte er an diesen Tagen bei vier Gelegenheiten Bemerkungen sexuellen Inhalts. Die Mitarbeiterin meldete die Vorfälle der Beklagten. Diese hörte den Kläger am 4. Juli 2008 zu den Vorwürfen an.

6

Mit Schreiben vom 7. Juli 2008 leitete die Beklagte das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats ein. Der Betriebsrat stimmte der beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung mit Schreiben vom 10. Juli 2008 zu.

7

Mit Schreiben vom 11. Juli 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 28. Februar 2009.

8

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Er habe die Mitarbeiterin nicht sexuell belästigt, sondern lediglich „geneckt“. Die Beklagte habe allenfalls mit einer Abmahnung reagieren dürfen. Die ihm zuvor erteilte Abmahnung sei nicht einschlägig. Im Übrigen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte habe den Betriebsrat tendenziös informiert. Insbesondere mit einem Hinweis auf frühere Abmahnungen habe sie in unzulässiger Weise ein negatives Bild von ihm gezeichnet, auch wenn sie zugleich mitgeteilt habe, dass diese früheren Abmahnungen - unstreitig - schon wieder aus seiner Personalakte entfernt worden seien.

9

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose noch durch die fristgerechte Kündigung vom 11. Juli 2008 beendet worden ist.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, das Verhalten des Klägers stelle eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG dar. Darauf habe sie mit Blick auf die zuvor erteilte einschlägige Abmahnung von Oktober 2007 mit einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses reagieren dürfen.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO)und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, es fehle an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (I.). Die Entscheidung stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Dies kann der Senat selbst entscheiden, da die maßgeblichen Tatsachen feststehen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Beklagte hat die außerordentliche Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB erklärt(II.). Die Kündigung ist nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats unwirksam (III.). Die Klage gegen die nur hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bleibt damit ebenfalls ohne Erfolg (IV.).

13

I. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 beruht auf einem wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB.

14

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 26. März 2009 - 2 AZR 953/07 - Rn. 21, AP BGB § 626 Nr. 220).

15

2. Das Verhalten des Klägers rechtfertigt „an sich“ eine außerordentliche Kündigung. Er hat eine Mitarbeiterin sexuell belästigt.

16

a) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB geeignet(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B I 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6). Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, ua. von ihrem Umfang und ihrer Intensität (vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - aaO mwN).

17

b) Der Kläger hat mit den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Äußerungen am 25. und 26. Juni 2008 eine Mitarbeiterin der Beklagten an ihrem Arbeitsplatz wiederholt sexuell belästigt. Gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keine beachtlichen Verfahrensrügen erhoben. Sie sind damit für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO). Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, bei den Bemerkungen des Klägers habe es sich um sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehandelt, lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

18

aa) Eine sexuelle Belästigung iSv. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Im Unterschied zu § 3 Abs. 3 AGG können danach auch einmalige sexuell bestimmte Verhaltensweisen den Tatbestand einer sexuellen Belästigung erfüllen(Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 60; Kamanabrou RdA 2006, 321, 326; Kock MDR 2006, 1088, 1089; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 375; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77).

19

Das jeweilige Verhalten muss bewirken oder bezwecken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht (Nollert-Borasio/Perreng AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 39). Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle (v. Roetteken AGG § 3 Rn. 352, 383). Auf vorsätzliches Verhalten kommt es nicht an (ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 3 AGG Rn. 14). Im Vergleich zu § 2 Abs. 2 des mit Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 außer Kraft getretenen Beschäftigtenschutzgesetzes (BSchG) ist der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG in Umsetzung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976 (ABl. EG L 39 vom 14. Februar 1976 S. 40) idF der Richtlinie 2002/73/EG vom 23. September 2002 (ABl. EG L 269 vom 5. Oktober 2002 S. 15) weiter gefasst (vgl. Entwurfsbegründung BR-Drucks. 329/06 S. 34; BT-Drucks. 16/1780 S. 33; Nollert-Borasio/Perreng aaO Rn. 36; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 76; v. Roetteken aaO Rn. 375). Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit erfordert - anders als noch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BSchG(vgl. BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) - nicht mehr, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht haben (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO Rn. 12; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 157; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert aaO Rn. 77a). Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war (v. Roetteken aaO Rn. 360; ErfK/Schlachter aaO; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 41).

20

bb) Danach lässt die Bewertung der Bemerkungen des Klägers als sexuelle Belästigungen durch das Landesarbeitsgericht keinen Rechtsfehler erkennen.

21

(1) Alle vier Bemerkungen hatten einen sexuellen Inhalt. Mit der ersten Bemerkung gab der Kläger in anzüglicher Weise der Erwartung Ausdruck, die Mitarbeiterin würde für ihn ihre körperlichen Reize zur Schau stellen. In Bezug auf den Zollstock stellte er einen anzüglichen Vergleich an. Beim Mittagessen sprach er die Mitarbeiterin auf ihr Sexualleben an. Schließlich machte er ihr explizit ein anzügliches Angebot.

22

(2) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Unerwünschtheit dieser Bemerkungen objektiv und im Übrigen auch für den Kläger erkennbar gewesen sei. Das hat dieser nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffen.

23

(3) Mit den wiederholten Bemerkungen sexuellen Inhalts hat der Kläger iSv. § 3 Abs. 4 AGG die Würde der Mitarbeiterin verletzt. Er hat diese an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.

24

(4) Der Kläger hat die sexuelle Belästigung der Mitarbeiterin iSv. § 3 Abs. 4 AGG „bewirkt“. Unmaßgeblich ist, wie er selbst sein Verhalten eingeschätzt und empfunden hat oder verstanden wissen wollte.

25

3. Die außerordentliche Kündigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt.

26

a) Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32).

27

aa) Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 28. Januar 2010 - 2 AZR 1008/08 - Rn. 26, AP BGB § 626 Nr. 227 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 30). Auch Unterhaltspflichten und der Familienstand können - je nach Lage des Falls - Bedeutung gewinnen. Sie sind jedenfalls bei der Interessenabwägung nicht generell ausgeschlossen und können berücksichtigt werden (BAG 16. Dezember 2004 - 2 ABR 7/04 - zu B II 3 b aa der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 191 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 7). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - aaO).

28

bb) Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG(vgl. BAG 25. Oktober 2007 - 8 AZR 593/06 - Rn. 68, BAGE 124, 295; noch zu § 4 Abs. 1 BSchG: BAG 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - zu B II 2 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 189 = BGB 2002 § 626 Nr. 6). Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen auch sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Welche Maßnahmen er als verhältnismäßig ansehen darf, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. § 12 Abs. 3 AGG schränkt das Auswahlermessen jedoch insoweit ein, als der Arbeitgeber die Benachteiligung zu „unterbinden“ hat. Geeignet im Sinne der Verhältnismäßigkeit sind daher nur solche Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, dh. eine Wiederholung ausschließen (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 12 Rn. 32; ErfK/Schlachter 11. Aufl. § 12 AGG Rn. 3).

29

b) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 33, AP BGB § 626 Nr. 229 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 25, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 87 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 73). Die Würdigung des Berufungsgerichts wird in der Revisionsinstanz daraufhin überprüft, ob es den anzuwendenden Rechtsbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei berücksichtigt hat (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 17, aaO; 27. November 2008 - 2 AZR 193/07 - Rn. 22, AP BGB § 626 Nr. 219).

30

c) Auch unter Beachtung eines in diesem Sinne eingeschränkten Maßstabs hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene einzelfallbezogene Interessenabwägung einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, trotz der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 rechtfertige das Fehlverhalten des Klägers keine negative Prognose, ist rechtsfehlerhaft.

31

aa) Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen ( BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 38, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 64 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 82). Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt (vgl. BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 40, aaO). Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen (BAG 13. Dezember 2007 - 2 AZR 818/06 - Rn. 41, aaO; 16. Januar 1992 - 2 AZR 412/91 - zu B I 2 b bb der Gründe, EzA BGB § 123 Nr. 36). Entscheidend ist letztlich, ob der Arbeitnehmer aufgrund der Abmahnung erkennen konnte, der Arbeitgeber werde weiteres Fehlverhalten nicht hinnehmen, sondern ggf. mit einer Kündigung reagieren (HaKo-Fiebig 3. Aufl. § 1 Rn. 233; KR/Fischermeier 9. Aufl. § 626 BGB Rn. 281).

32

bb) Nach diesen Grundsätzen bestand zwischen der der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 zugrunde liegenden Pflichtverletzung und den zur Kündigung führenden Pflichtverstößen ein ausreichender innerer Zusammenhang.

33

(1) Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 18. Oktober 2007 wegen der Belästigung einer Mitarbeiterin durch einen Schlag auf das Gesäß abgemahnt worden. Die Bewertung dieses Verhaltens als sexuelle Belästigung iSd. § 3 Abs. 4 AGG durch das Landesarbeitsgericht ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei einem Schlag auf das Gesäß handelt es sich um einen Eingriff in die körperliche Intimsphäre, der objektiv als sexuell bestimmt iSv. § 3 Abs. 4 AGG anzusehen ist(vgl. Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 3 Rn. 55; v. Roetteken AGG § 3 Rn. 378; AGG/Schleusener 3. Aufl. § 3 Rn. 153; Däubler/Bertzbach-Schrader/Schubert AGG 2. Aufl. § 3 Rn. 77a; Wendeling-Schröder in Wendeling-Schröder/Stein AGG § 3 Rn. 45). Auf die Motivation des Klägers kam es nicht an.

34

(2) Mit den zur Kündigung führenden verbalen sexuellen Belästigungen trat eine der körperlichen Belästigung gleichartige Unzuverlässigkeit und Grenzüberschreitung des Klägers zu Tage. Es geht in beiden Fällen um ein die Integrität der Betroffenen missachtendes, erniedrigendes Verhalten. Unerheblich ist, in welcher Form sich die Belästigungen äußerten.

35

(3) Die Warnfunktion der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 war nicht etwa auf körperlich belästigendes Verhalten beschränkt. Die Beklagte hatte zum Ausdruck gebracht, dass sie bei einer erneuten Pflichtverletzung die Kündigung erklären werde. Der Kläger konnte ohne Weiteres erkennen, dass die Beklagte die abermalige Belästigung einer Mitarbeiterin - unabhängig davon, ob diese verbal oder durch körperliche Berührung stattfände - nicht hinnehmen und zum Anlass für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nehmen würde.

36

d) Im Hinblick darauf war der Beklagten bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Weiterbeschäftigung des Klägers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar. Eine solche Abwägung durch den Senat selbst ist möglich, weil die des Berufungsgerichts rechtsfehlerhaft ist und alle relevanten Tatsachen feststehen.

37

aa) Die Pflichtverletzung des Klägers wiegt schwer. Er hat eine Mitarbeiterin an zwei Arbeitstagen hintereinander mehrmals sexuell belästigt. Verbale Belästigungen bewegen sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht generell in einem „weniger gravierenden Bereich“ des durch § 3 Abs. 4 AGG aufgezeigten Spektrums. Auch die Intensität verbaler Belästigungen kann vielmehr erheblich sein. So liegt es im Streitfall. Der Kläger hat der Mitarbeiterin mit immer neuen Varianten verbaler Anzüglichkeiten zugesetzt. Die Äußerungen fielen bei unterschiedlichsten Gelegenheiten. Es handelte sich nicht etwa um eine einmalige „Entgleisung“. Die Belästigungen erfolgten fortgesetzt und hartnäckig. Der auf eigene körperliche Merkmale anspielende anzügliche Vergleich hatte zudem, ebenso wie das an die Mitarbeiterin gerichtete anzügliche Angebot, bedrängenden Charakter.

38

bb) Der Kläger kann sich nicht auf einen Irrtum über die Unerwünschtheit seiner Verhaltensweise berufen. Sexuelle Belästigungen iSv. § 3 Abs. 4 AGG erfordern tatbestandlich kein vorsätzliches Verhalten. Zwar wird es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn er sich nachvollziehbar in einem solchen Irrtum befand. Der Kläger setzte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Belästigungen trotz einer für ihn erkennbar ablehnenden Haltung der Mitarbeiterin fort.

39

cc) Der nochmalige Ausspruch nur einer Abmahnung war kein der Beklagten zumutbares milderes Mittel. Nachdem sich der Kläger die vorhergegangene Abmahnung nicht zur Warnung hatte gereichen lassen, war davon auszugehen, dass dieses Mittel zukünftige Pflichtverletzungen nicht würde verhindern können. Schon aufgrund der Abmahnung vom 18. Oktober 2007 musste der Kläger für den Fall der erneuten sexuellen Belästigung mit einer Kündigung rechnen. Auch seine langjährige Betriebszugehörigkeit war angesichts dessen nicht mehr geeignet, Erwartungen in seine künftige Zuverlässigkeit zu begründen. Der Umstand, dass sich der Kläger noch vor Ausspruch der Kündigung bei der betroffenen Mitarbeiterin entschuldigt hatte, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Kläger hatte sich dazu erst nach dem Personalgespräch am 4. Juli 2008 und damit unter dem Eindruck einer bereits drohenden Kündigung entschlossen.

40

dd) Der Beklagten war auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zuzumuten. Die Beklagte hatte gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AGG die Pflicht, ihr weibliches Personal effektiv vor weiteren sexuellen Belästigungen durch den Kläger zu schützen. Dies konnte sie durch den Ausspruch einer nur ordentlichen Kündigung nicht gewährleisten. Für den Lauf der Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Ende eines Kalendermonats hätte vielmehr die Gefahr einer Belästigung durch den Kläger - möglicherweise gerade verstärkt durch das absehbare Ende des Arbeitsverhältnisses - fortbestanden. Dessen erst nach dem Personalgespräch erfolgter Entschuldigung kommt auch insoweit kein besonderes Gewicht zu. Trotz seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit und des relativ hohen Alters des Klägers überwog damit das Interesse der Beklagten an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dessen Interesse an einer Fortsetzung zumindest für die Dauer der Kündigungsfrist.

41

II. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist nicht nach § 626 Abs. 2 BGB unwirksam.

42

1. Nach § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt nach § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist dann der Fall, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15, AP BGB § 626 Nr. 231 = EzA BPersVG § 108 Nr. 5; 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 - Rn. 18, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 44 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 7).

43

2. Danach hat die Beklagte die Frist gem. § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Frist begann am 4. Juli 2008 zu laufen. Nach ihrem vom Kläger nicht bestrittenen Vorbringen hatte die Beklagte an diesem Tag erstmals Kenntnis von den Vorwürfen erlangt. Die Kündigung vom 11. Juli 2008 ist dem Kläger nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten noch an diesem Tag zugegangen.

44

III. Die außerordentliche Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats unwirksam.

45

1. Eine Kündigung ist gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG nicht nur unwirksam, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt zu beteiligen, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, vor allem seiner Unterrichtungspflicht nach Satz 2 der Vorschrift nicht ausreichend nachgekommen ist. An die Mitteilungspflicht im Anhörungsverfahren sind dabei nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungen des Arbeitgebers im Prozess. Es gilt der Grundsatz der „subjektiven Determinierung“. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände und Gründe für die Kündigung unterbreitet hat (BAG 22. April 2010 - 2 AZR 991/08 - Rn. 13, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 163 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 26; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 16). Dagegen führt eine bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - aaO).

46

2. Danach hat die Beklagte den Betriebsrat mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2008 ausreichend informiert. Sie hat ihm mit der Schilderung des belästigenden Verhaltens des Klägers am 25. und 26. Juni 2008 die aus ihrer Sicht tragenden Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterbreitet. Darüberhinaus hat sie den Betriebsrat an „die einschlägige Abmahnung vom 18. Oktober 2007 und an die anderen einschlägigen Hinweise und Abmahnungen aus den letzten Jahren (…) erinnert“. Aus ihrer Sicht enthielt dies auch angesichts des Umstands, dass die früheren Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers bereits entfernt waren, keine unrichtige Information.

47

3. Die Beklagte brauchte nicht den Ablauf der Frist von drei Tagen abzuwarten, die dem Betriebsrat gem. § 102 Abs. 2 Satz 3 BetrVG zur Stellungnahme eingeräumt ist. Der Arbeitgeber kann eine Kündigung auch schon vor Fristablauf aussprechen, wenn der Betriebsrat erkennbar abschließend zu der Kündigungsabsicht Stellung genommen hat. Das Anhörungsverfahren ist dann beendet (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 461/03 - zu B II 2 b bb der Gründe, AP BGB § 620 Kündigungserklärung Nr. 22 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 9; 15. November 1995 - 2 AZR 974/94 - zu II 2 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 89). So liegt der Fall hier. Der Betriebsrat hatte mit Schreiben vom 10. Juli 2008, unterzeichnet vom Betriebsratsvorsitzenden, der Kündigung ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

48

IV. Da die außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis mit ihrem Zugang am 11. Juli 2008 beendet hat, bleibt die Klage gegen die ordentliche Kündigung zum 28. Februar 2009 schon deshalb ohne Erfolg.

49

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gem. § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten von Berufung und Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Koch    

        

    Rachor    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Dr. Roeckl    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

*

(1) Erbringt bei einem gegenseitigen Vertrag der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß, so kann der Gläubiger, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat, vom Vertrag zurücktreten.

(2) Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn

1.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
2.
der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin- oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist, oder
3.
im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.

(3) Kommt nach der Art der Pflichtverletzung eine Fristsetzung nicht in Betracht, so tritt an deren Stelle eine Abmahnung.

(4) Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.

(5) Hat der Schuldner eine Teilleistung bewirkt, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

(6) Der Rücktritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder wenn der vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 - 3 Sa 474/09 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dreier fristloser, hilfsweise fristgerechter Kündigungen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit 2005 als Chefarzt der Abteilung Allgemein- und Viszeralchirurgie beschäftigt.

3

In § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags vom 18. April 2005 heißt es:

        

„Dem Arzt obliegt die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich …“

4

Gem. § 20 Abs. 3 des Vertrags kann dieser „nach Ablauf der Probezeit … fristlos gemäß § 626 BGB aus wichtigem Grund gekündigt werden“.

5

Wenn der Kläger Operationen durchführte, nahm er den schnurlosen Handapparat seines Diensttelefons und sein privates Mobiltelefon mit in den Operationssaal und legte dort beide Geräte auf den Ablagetisch. Das private Mobiltelefon war in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet und dort mit einer Kurzwahlnummer hinterlegt.

6

Mit Schreiben vom 26. September 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise zum nächstzulässigen ordentlichen Kündigungstermin“. Sie warf dem Kläger vor, er habe im Operationssaal häufiger Telefonanrufe angenommen oder während laufender Operationen von einem Mitglied des Operationsteams annehmen lassen. Mit Schreiben vom 14. und vom 22. Oktober 2008 kündigte die Beklagte erneut fristlos, hilfsweise fristgemäß.

7

Der Kläger hat gegen die Kündigungen rechtzeitig Klage erhoben. Er hat behauptet, im Krankenhaus der Beklagten sei die Nutzung von privaten Mobiltelefonen auch im Operationssaal allgemein üblich gewesen. Fast alle Anrufe während einer Operation seien als hausinterne auf dem Diensttelefon eingegangen und die übrigen nur deshalb auf seinem privaten Mobiltelefon, weil dieses in der internen Telefonliste des Krankenhauses aufgeführt sei. Die während einer Operation geführten Telefonate hätten sich erst in den Monaten Juli bis September 2008 gehäuft, weil seine Sekretärin erkrankt gewesen sei und ihm nur zu sehr eingeschränkten Zeiten eine Ersatzkraft zur Verfügung gestanden habe. Er habe für niedergelassene Ärzte jederzeit erreichbar sein müssen. Diesen habe er neben der Telefonnummer seines Sekretariats auch die seines privaten Mobiltelefons überlassen. Zu keiner Zeit sei ein Patient von ihm unsteril berührt worden. Zu einer zeitlichen Verzögerung von Operationen sei es nicht gekommen. Bei laufender Operation habe ihm ein anderes Mitglied des Operationsteams das Telefon an das Ohr gehalten. Im Übrigen führe selbst eine Verlängerung der Operation um wenige Minuten nicht zu einer Erhöhung der Komplikationsrate.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision noch von Belang - beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 26. September, 14. Oktober und 22. Oktober 2008 weder fristlos noch zum jeweils nächst zulässigen Termin aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon die Kündigung vom 26. September 2008 sei als fristlose wirksam. Sie hat behauptet, der Kläger habe in zahlreichen Fällen Operationen zum Führen privater Telefonate unterbrochen. Insbesondere in den Monaten Juli, August und September 2008 habe er täglich mindestens ein Telefonat von bis zu fünf Minuten Länge geführt. Teilweise habe er den Operationssaal für die Dauer von deutlich mehr als fünf Minuten verlassen und dabei den noch nicht operierten Patienten zurückgelassen. Jede Verlängerung der Narkose bedeute für den Patienten eine erhebliche Belastung, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken einhergehe.

10

Die Kündigung vom 14. Oktober 2008 beruhe darauf, dass der Kläger die Patienten auch in seiner Sprechstunde wegen privater Telefonate habe warten lassen. Im Jahr 2008 hätten zudem ca. 20 bis 25 Operationsberichte gefehlt. Ferner habe der Kläger bei der Landesärztekammer eine Weiterbildungsermächtigung unter Angabe falscher Daten beantragt. Die Kündigung vom 22. Oktober 2008 habe sie ausgesprochen, weil der Kläger die vorhergehende mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen habe.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist unbegründet.

13

A. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 26. September 2008 aufgelöst worden.

14

I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36).

15

1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 14, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 26, AP BGB § 626 Rn. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO). Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (vgl. BAG 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 27, aaO; 16. Dezember 2010 - 2 AZR 485/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 232 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 33). Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (vgl. BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 34, BAGE 134, 349).

16

2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, NJW 2013, 104; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 37). Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 186/11 - Rn. 22, aaO; 9. Juni 2011 - 2 AZR 284/10 - Rn. 35, aaO).

17

II. Danach ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das dem Kläger vorgeworfene Verhalten rechtfertige keine außerordentliche Kündigung, im Ergebnis nicht zu beanstanden.

18

1. Der Kläger hat allerdings seine Vertragspflichten in erheblicher Weise verletzt, indem er sein privates Mobiltelefon im Operationssaal auch zu privat veranlassten Telefonaten genutzt hat. Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass die Beklagte Telefonate im Operationssaal keineswegs gänzlich und kategorisch untersagt hatte.

19

a) Nach § 4 Abs. 1 des Dienstvertrags obliegt dem Kläger die Führung und fachliche Leitung seiner Abteilung und die fachliche Aufsicht über die Operationsabteilung. Er ist für die medizinische Versorgung der Patienten, den geordneten Dienstbetrieb und die allgemeine Hygiene verantwortlich. Sowohl im Hinblick auf seine leitende Position als auch auf die gesteigerte Verantwortung für Leben und Gesundheit der Patienten während einer Operation trifft ihn danach die Verpflichtung, bei Ausführung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit Störungen, die die Konzentration aller Mitglieder des Operationsteams beeinträchtigen könnten und nicht durch Notfälle bedingt oder aus medizinischen Gründen erforderlich sind, zu vermeiden.

20

b) Diese Vertragspflicht hat der Kläger verletzt.

21

aa) Das Landesarbeitsgericht hat nach der Vernehmung von Zeugen für wahr erachtet, dass Mitglieder des Operationsteams auf Geheiß des Klägers während laufender Operationen Anrufe auch auf seinem privaten Mobiltelefon entgegengenommen und an ihn weitergeleitet haben. Der Kläger habe auf diesem etwa zwei bis drei Telefonate pro Vormittag für eine Dauer von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten geführt, teilweise bei offenem Operationsfeld. Insgesamt ein- oder zweimal sei seine Ehefrau am Apparat gewesen; den Umständen sei zu entnehmen gewesen, dass diese Telefonate rein privaten Charakter gehabt hätten.

22

bb) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts lässt keine Rechtsfehler erkennen. Sie hat den gesamten Inhalt der Verhandlung gewürdigt, ist in sich widerspruchsfrei sowie frei von Verstößen gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze.

23

(1) Das Gericht hätte entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen haben müssen, weil diese über Wartezeiten vor und Telefonate während laufender Operationen berichtet haben, ohne zu erwähnen, dass dies auch bei anderen Operateuren vorgekommen sei. Die Zeugen wurden zum Verhalten des Klägers und nicht zu den Üblichkeiten im Krankenhaus befragt.

24

(2) Das Ergebnis der Beweiswürdigung widerspricht - anders als der Kläger meint - nicht deshalb der Lebenserfahrung, weil dieser gar nicht befugt gewesen sei, die Entgegennahme privater Telefonate durch Mitglieder des Operationsteams anzuordnen. Es gibt keinen Erfahrungssatz dahin, dass ein Arbeitnehmer nur Aufgaben übernimmt, zu deren Übertragung der Anweisende berechtigt ist. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter eines Krankenhauses Anweisungen des Chefarztes aufgrund seiner hierarchischen Stellung weitgehend beugen.

25

(3) Das Landesarbeitsgericht hat keine wesentlichen Inhalte der Zeugenaussagen unberücksichtigt gelassen.

26

(a) Zwar hat die Beweisaufnahme ergeben, dass auch andere Operateure am Operationstisch telefonierten. Nach Aussage des betreffenden Zeugen erfolgte dies jedoch auf dem dienstlichen Handapparat. Das Landesarbeitsgericht musste hieraus nicht den Schluss ziehen, das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen sei üblich.

27

(b) Der Umstand, dass ein Zeuge nach eigener Aussage ebenfalls sein privates Mobiltelefon in den Operationssaal mitgenommen hat, vermag den Kläger nicht zu entlasten. Der Aussage sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beklagte dieses Verhalten geduldet hat.

28

cc) Das Vorbringen des Klägers, er habe während der Zeit der Krankheit seiner Sekretärin dienstliche Telefonate vermehrt selbst annehmen müssen, ist ohne Belang. Das Führen privat veranlasster Telefonate während laufender Operationen wird dadurch nicht gerechtfertigt.

29

dd) Soweit der Kläger geltend macht, die Nutzung von Mobiltelefonen bei Operationen sei gang und gäbe und habe sich im Sinne der Patientenversorgung sogar als vorteilhaft erwiesen, ist nicht ersichtlich, weshalb dies - die Richtigkeit des Vorliegens unterstellt - auch für private Telefonate gelten sollte.

30

2. Gleichwohl ist es der Beklagten zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen. Angesichts der Umstände des Streitfalls hätte eine Abmahnung als Reaktion von ihrer Seite ausgereicht. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.

31

a) Dem Berufungsgericht kommt bei der im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Interessenabwägung zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Eine eigene Beurteilung der Fallumstände und Abwägung der Interessen durch das Revisionsgericht ist aber möglich, wenn die des Berufungsgerichts fehlerhaft oder unvollständig ist und sämtliche relevanten Tatsachen feststehen (vgl. BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 16, DB 2012, 2404; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 29, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36). Ein solcher Fall liegt hier vor.

32

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar habe es einer Abmahnung des Klägers nicht bedurft, im Rahmen der abschließenden Interessenabwägung überwiege jedoch das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist. Dem folgt der Senat nur im Ergebnis. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie berücksichtigt nicht ausreichend die Umstände des Streitfalls. Angesichts ihrer ist eine Abmahnung als Reaktion der Beklagten ausreichend.

33

aa) Bei der Beklagten besteht nicht etwa ein generelles Verbot, während einer Operation zu telefonieren. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass dienstliche Telefonate während laufender Operationen von der Beklagten zumindest geduldet wurden. Dementsprechend hat sie die Mitnahme des Diensttelefons in den Operationssaal und dessen Benutzung durch den Kläger nicht beanstandet. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, sie habe Vorgaben für das Telefonieren während einer Operation dahingehend gemacht, dass dies nur in Not- oder Ausnahmefällen gestattet sei. Sie hat damit jedenfalls für Fälle dienstlich veranlasster Telefonate billigend in Kauf genommen, dass die Konzentration der Mitglieder eines Operationsteams durch Telefonate beeinträchtigt würde, auch ohne dass ein Not- oder Ausnahmefall vorläge. Der Kläger durfte zwar nicht annehmen, die Beklagte dulde in gleicher Weise auch das Führen privater Telefonate während laufender Operationen. Sein vertragswidriges Verhalten erscheint unter diesen Umständen aber in einem deutlich milderen Licht. Mit privaten Telefonaten ist keine andere Beeinträchtigung der ärztlichen Konzentration und Gefahr für die Sterilität der Umgebung verbunden als mit dienstlich veranlassten. Sie erhöhen die fraglichen Risiken nur in quantitativer, nicht in qualitativer Hinsicht. Zahlenmäßig wiederum waren die privat veranlassten Gespräche eher unbedeutend. So hat das Landesarbeitsgericht zwar für wahr erachtet, dass pro Vormittag im Operationssaal zwei bis drei Anrufe in einer Länge von teils wenigen Sekunden bis zu teils zwei Minuten auf dem privaten Mobiltelefon des Klägers zusätzlich zu denen auf dem Arzttelefon eingingen. Es steht aber nicht einmal fest, dass es sich dabei ausnahmslos - und nicht nur in den wenigen ausdrücklich erwähnten Einzelfällen - um private Anrufe handelte. Da die Rufnummer des Mobiltelefons in der internen Telefonliste des Krankenhauses verzeichnet war, kann dies auch nicht ohne Weiteres vermutet werden. Zudem ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die seitens der Beklagten vorgetragene - längere - Dauer der Telefonate von bis zu fünf Minuten noch ihre Behauptung erwiesen, der Kläger habe Operationen wegen privat - und gerade nicht dienstlich - veranlasster Telefongespräche unterbrochen.

34

bb) Unter diesen Umständen war vor Ausspruch einer auf die erhobenen Vorwürfe gestützten Kündigung eine Abmahnung des Klägers nicht entbehrlich. Weder gibt es Anhaltspunkte für die Annahme, eine Abmahnung hätte eine Änderung im Verhalten des Klägers in der Zukunft nicht bewirken können, noch wiegt dessen Pflichtverletzung - nicht nur dienstlich veranlasste, sondern auch einige private Telefongespräche aus dem Operationssaal geführt zu haben - so schwer, dass selbst ihre einmalige Hinnahme der Beklagten objektiv unzumutbar wäre. Etwas anderes folgt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht daraus, dass der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 29. Mai 2008 verspätet zur Operation erschienen ist. Dies blieb ein vereinzelter Vorfall.

35

cc) Der Umstand, dass das Landesarbeitsgericht auf die mit dem Beweisbeschluss vom 2. Februar 2010 vorgesehene Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Verhaltensanforderungen des medizinischen Personals bei Operationen, zum Einfluss des Bereithaltens von Mobiltelefonen auf medizinisch-technische Geräte und zu den Gefahren einer Insterilität des Telefons verzichtet hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

36

(1) Das Landesarbeitsgericht war nicht deshalb zur Beweiserhebung verpflichtet, weil es den entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hat. Ein förmlicher Beweisbeschluss ist eine bloß prozessleitende Anordnung. Er ist für das Gericht nicht bindend (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 359 Rn. 1; Musielak/Stadler ZPO 9. Aufl. § 360 Rn. 2). Es kann vielmehr ganz oder teilweise von der Erledigung des Beschlusses absehen. Dessen formeller Aufhebung bedarf es dazu nicht. Es genügt, dass dies - wie hier geschehen - im Urteil begründet wird (Zöller/Greger ZPO 29. Aufl. § 360 Rn. 1; Musielak/Stadler aaO).

37

(2) Die Rüge der Beklagten, das Landesarbeitsgericht habe jedenfalls aus materiellrechtlichen Gründen nicht von einer Einholung des Gutachtens absehen dürfen, ist bereits unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Es fehlt an der Darlegung, welches Ergebnis das Gutachten voraussichtlich erbracht hätte und weshalb dieses Ergebnis zu einer anderen Entscheidung des Berufungsgerichts hätte führen können. Die Rüge ist überdies unbegründet. Auf die zunächst als erheblich angesehenen Beweisfragen kommt es für die Entscheidung nicht an. Die Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung hängt nicht davon ab, ob und ggf. welche medizinisch relevanten Risiken mit der Benutzung von (Mobil-)Telefonen im Operationssaal und während laufender Operationen objektiv verbunden sind. Die Gerichte für Arbeitssachen haben im vorliegenden Zusammenhang nicht über die Einhaltung der Regeln der ärztlichen Kunst und der Hygiene im Hause der Beklagten zu urteilen. Zu entscheiden ist darüber, ob es der Beklagten unzumutbar ist, mit dem Kläger weiterhin zusammenzuarbeiten, weil dieser nicht nur dienstlich veranlasste Telefonate aus dem Operationssaal mit Arzt- und Mobiltelefon führte - was sie wusste und duldete -, sondern auch einige Privatgespräche. Dafür sind die im ursprünglichen Beweisbeschluss formulierten Fragen ohne Bedeutung.

38

B. Die Kündigung vom 26. September 2008 hat auch als ordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung im Streitfall nicht ohnehin vertraglich ausgeschlossen war. Die Kündigung ist nicht iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Klägers bedingt. Sie ist auf denselben Lebenssachverhalt gestützt wie die außerordentliche Kündigung. Der Beklagten war es aus den dargelegten Gründen zuzumuten, den Kläger weiterzubeschäftigen und auf das mildere Mittel der Abmahnung zurückzugreifen.

39

C. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die Kündigungen vom 14. und 22. Oktober 2008 beendet worden. Die Vorinstanzen haben angenommen, das ihrer Begründung dienende Vorbringen der Beklagten sei unsubstantiiert und stütze den Kündigungsvorwurf nicht. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Verfahrensrügen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht erhoben.

40

D. Die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    F. Löllgen    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten zu 1. und 2. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2009 - 5 Sa 425/09, 5 Sa 434/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1. und 2. nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. vom 10. Juli 2008 beendet worden ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 geändert worden ist.

2. Die Beklagte zu 1. trägt 2/3, die Beklagte zu 2. trägt 1/3 der Kosten der Revision.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abberufung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz und über die Wirksamkeit einer Teilkündigung.

2

Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin als Mitarbeiterin Fluggastabfertigung beschäftigt. Sie wurde mit Schreiben vom 24. Februar 1992 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. und von der Beklagten zu 2. jeweils zur Beauftragten für den Datenschutz bestellt. Insoweit war sie der Geschäftsleitung Administration der Beklagten zu 1. und zu 2. unmittelbar unterstellt und für die Betreuung von ca. 1.600 Beschäftigten zuständig. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Datenschutzbeauftragte wandte sie ca. 30 % ihrer Arbeitszeit auf. Im Übrigen arbeitete sie weiter in der Fluggastabfertigung.

3

Die Beklagte zu 2. ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. Für eine weitere Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1., die G GmbH, war ein externer Datenschutzbeauftragter bestellt.

4

Die Klägerin ist seit 1994 Mitglied des Betriebsrats der Beklagten zu 1. und Mitglied dessen EDV-Ausschusses.

5

Die Geschäftsleitung der Beklagten zu 1. beschloss in ihrer Sitzung vom 12. Februar 2008, den Datenschutz für ihr Unternehmen und die Tochtergesellschaften von einem externen Dritten ab 1. August 2008 konzernweit einheitlich wahrnehmen zu lassen. Mit Beschluss vom gleichen Tage entschied auch die Geschäftsführung der Beklagten zu 2., den Datenschutz ab dem 1. August 2008 durch den Dritten ausführen zu lassen. Seit dem 1. August 2008 fungiert Herr S als externer Datenschutzbeauftragter bei den Beklagten und den übrigen Tochtergesellschaften der Beklagten zu 1.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2008 widerriefen die Beklagten zu 1. und 2. die Bestellung der Klägerin zur Beauftragten für den Datenschutz zum 31. Juli 2008. Die Beklagte zu 1. sprach ferner eine Teilkündigung zum 31. Juli 2008 aus. Mit Schreiben vom 16. März 2009 erklärte sie eine weitere vorsorgliche Teilkündigung, gegen die die Klägerin ebenfalls Klage beim Arbeitsgericht erhoben hat.

7

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen den Widerruf ihrer Bestellung zur Beauftragen für den Datenschutz der beiden Beklagten und gegen die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 gewandt und im Wesentlichen ausgeführt: Es liege weder ein wichtiger Grund für ihre Abberufung als betriebliche Datenschutzbeauftragte noch für die ausgesprochene Teilkündigung vor. Sie habe weder ihre Pflichten als Datenschutzbeauftragte noch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Die Neubestellung eines externen Datenschutzbeauftragten sei ebenso wenig ein wichtiger Grund wie der Wunsch der Beklagten nach einer konzernweiten, einheitlichen Fremdvergabe des Datenschutzes. Ansonsten könne der besondere Abberufungsschutz leicht umgangen werden. Auch rechtfertige ihr Amt als Betriebsrätin den Widerruf nicht.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1. und 2. nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. vom 10. Juli 2008 beendet worden ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 geändert worden ist.

9

Die Beklagten zu 1. und 2. haben zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags im Wesentlichen ausgeführt: Sie hätten die unternehmerische Entscheidung getroffen, den betrieblichen Datenschutz konzernweit einheitlich betreuen zu lassen. Ein solcher betriebsbedingter Grund sei ein wichtiger Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG. Es obliege ihrer freien Organisationsentscheidung, ob sie die Position eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten intern oder extern besetzen wollten. Die Beauftragung eines externen Datenschutzbeauftragten sei nicht nur wirtschaftlicher, sondern aufgrund der Vielzahl datenschutzrelevanter Aufgaben auch konzerneinheitlich dringend geboten. Im Übrigen sei das Amt der Datenschutzbeauftragten mit dem Betriebsratsamt inkompatibel. Die Stellung der Klägerin als Betriebsratsmitglied stelle ihre unbedingte Zuverlässigkeit als betriebliche Datenschutzbeauftragte wegen möglicher Interessenkonflikte in Frage.

10

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Klägerin teilweise entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 1. zurückgewiesen, das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Widerruf der Beklagten zu 2. und der Widerruf und die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 rechtsunwirksam sind. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1. und 2. ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten zu 1. und 2. hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sowohl der Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. als auch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 rechtsunwirksam sind. Die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz ist hierdurch nicht beendet und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht geändert worden.

12

I. Der Widerruf der Bestellung der Klägerin zur Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 1. ist unwirksam. Die Klägerin ist nicht mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 wirksam als betriebliche Datenschutzbeauftragte abberufen worden. Der Widerruf genügt nicht den Anforderungen des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG.

13

1. Nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG kann die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz in entsprechender Anwendung von § 626 BGB, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, widerrufen werden.

14

a) Die gesetzliche Regelung gewährt einen besonderen Abberufungsschutz für die Beauftragten für den Datenschutz und stärkt durch den Verweis auf § 626 BGB deren Unabhängigkeit(Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 41). Um die Wirksamkeit des Datenschutzes in den Betrieben zu erhöhen und zu sichern, reduziert die Norm das Recht der nicht-öffentlichen Stelle zur Abberufung auf zwei gesetzliche Tatbestände (Simitis in Simitis BDSG 6. Aufl. § 4f Rn. 182). Die unabhängige Stellung des Datenschutzbeauftragten, sein Amt weisungsfrei ausüben zu können und wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht beeinträchtigt zu werden, soll so abgesichert werden. Der Datenschutzbeauftragte soll seiner Tätigkeit im Interesse des Datenschutzes ohne Furcht vor einer Abberufung nachgehen können. Eine Abberufung soll nur möglich sein, wenn objektive und schwerwiegende Gründe sie rechtfertigen (Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 41). Eine weitere Tätigkeit als Beauftragter für den Datenschutz muss der nicht-öffentlichen Stelle unzumutbar sein (Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 3. Aufl. § 4f Rn. 67).

15

b) Aufgrund der Verweisung in § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG muss für die Abberufung ein wichtiger Grund vorliegen, der es der Beklagten zu 1. aufgrund von Tatsachen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar macht, die Klägerin als betriebliche Datenschutzbeauftragte auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterhin einzusetzen. Als wichtige Gründe kommen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden (vgl. Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 42; Simitis in Simitis § 4f Rn. 183; Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert § 4f Rn. 67; DFL/Scholz 3. Aufl. § 4f BDSG Rn. 4; Bongers ArbR 2010, 139, 141), beispielsweise ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter (zu weiteren Beispielen vgl. Bongers ArbR 2010, 139, 141; Rudolf NZA 1996, 296, 301; Schlemann Recht des betrieblichen Datenschutzbeauftragten S. 241). Auch die wirksame Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses kann ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines internen Beauftragen für den Datenschutz sein (Bongers ArbR 2010, 139, 141; Gehlhaar NZA 2010, 373, 376 f.; Dzida/Kröpelin BB 2010, 1026, 1029).

16

2. Die Beklagte zu 1. hat keinen wichtigen Grund für die Abberufung der Klägerin als betriebliche Datenschutzbeauftragte dargetan.

17

a) Konkrete Pflichtverstöße der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz hat die Beklagte zu 1. nicht geltend gemacht.

18

b) Die von der Beklagten zu 1. als Grund genannte organisatorische Änderung, nach der der betriebliche Datenschutz zukünftig durch einen externen statt durch einen internen Datenschutzbeauftragten gewährleistet werden soll, rechtfertigt den Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund nicht.

19

aa) Bei der erstmaligen Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz hat die nicht-öffentliche Stelle eine Entscheidungsfreiheit, ob sie einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten bestellen will (vgl. bspw. Simitis in Simitis § 4f Rn. 40). Das freie Bestellungs- und Auswahlrecht rechtfertigt es aber nicht, einen bereits bestellten Beauftragten für den Datenschutz ohne Weiteres aufgrund einer erneuten Organisationsentscheidung wieder abzuberufen. Die Zulassung einer jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit aufgrund einer organisatorischen Änderung und die generelle Anerkennung einer freien Strukturentscheidung als wichtiger Grund würden dazu führen, den besonderen Abberufungsschutz, der insbesondere der Sicherung der unabhängigen Stellung des Datenschutzbeauftragten dient, zur Disposition der nicht-öffentlichen Stelle zu stellen (vgl. Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 4f Rn. 40; Simitis in Simitis § 4f Rn. 185).

20

bb) Will deshalb eine verantwortliche Stelle aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Überlegungen den bisherigen Beauftragten für den Datenschutz durch einen externen Datenschutzbeauftragten ersetzen, liegt darin regelmäßig noch kein wichtiger Grund zum Widerruf und zur Abberufung eines Beauftragten für den Datenschutz (vgl. Ehmann Anm. CR 1994, 485; HWK/Lembke 4. Aufl. §§ 4f, 4g BDSG Rn. 18). Es bedarf vielmehr zwingender Gründe, die die Maßnahme unabweislich machen. Dies kann etwa bei einem dauerhaften Wegfall der Aufgaben eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Fall sein.

21

Dies gilt umso mehr, als auch dringende betriebliche Erfordernisse regelmäßig nur eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 1 KSchG, nicht jedoch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ist nur ausnahmeweise aus wichtigem Grund zulässig. Es zählt zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko, zumindest die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber in diesem Sinne unzumutbar sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum das Gehalt weiter zahlen müsste, obwohl er zB wegen einer Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft überhaupt keine Verwendung mehr hätte (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - BAGE 48, 220; 12. Juli 1995 - 2 AZR 762/94 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 7 = EzA BGB § 626 nF Nr. 156; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 140). Dementsprechend erkennt die Rechtsprechung einen betriebsbedingten Grund zur außerordentlichen Kündigung ausnahmsweise an, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung den Betrieb geschlossen oder die Einrichtung aufgelöst hat und ein Einsatz des Arbeitnehmers unter keinem Gesichtspunkt - auch nicht zu geänderten Arbeitsbedingungen - mehr möglich erscheint oder wenn durch die geplante und durchgeführte Organisationsänderung eine Kostenersparnis erzielt werden kann, die zur Abwendung einer betrieblichen Notsituation dringend erforderlich ist (vgl. bspw. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 147/07 - Rn. 22, AP BAT § 55 Nr. 8). Spiegelt man diese Wertungsgesichtspunkte auf die Widerrufsgründe des § 4f Abs. 3 BDSG iVm. § 626 BGB, kann ein wichtiger Grund bei einer Stilllegung des Betriebs oder zur Abwendung einer betrieblichen Notsituation in Betracht kommen(Dzida/Kröpelin BB 2010, 1026, 1028).

22

cc) Eine solche Situation hat die Beklagte zu 1. nicht dargelegt. Ihrer Organisationsentscheidung, zukünftig einen externen, konzernweit agierenden Beauftragten für den Datenschutz einzusetzen, liegt kein wichtiger Grund zugrunde. Dass eine entsprechende Umorganisation aus sonstigen Gründen zwingend geboten war, hat sie nicht dargetan. Hierfür reichen allein Kostenersparnisgründe und die Schaffung einer „einheitlichen Organisation“ im Konzern nicht aus.

23

3. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein wichtiger Grund für einen Widerruf der Bestellung vor, weil die Klägerin Mitglied des Betriebsrats ist.

24

a) Ein Widerruf der Bestellung kann aus wichtigem Grund begründet sein, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die zur Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG nicht(mehr) besitzt (HWK/Lembke §§ 4f, 4g BDSG Rn. 18). Die Zuverlässigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz kann in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Eine Überschneidung von Interessensphären kann die vom BDSG geforderte Zuverlässigkeit beeinträchtigen (vgl. bspw. BAG 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B IV der Gründe, BAGE 76, 184; ErfK/Wank 11. Aufl. § 4f BDSG Rn. 3).

25

b) Die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat und dessen EDV-Ausschuss macht die Klägerin für das Amt der Beauftragten für den Datenschutz nicht unzuverlässig. Es besteht keine grundsätzliche Inkompatibilität zwischen diesen beiden Ämtern (vgl. bspw. Gola/Schomerus § 4f Rn. 28; Breinlinger RDV 1993, 53, 55; aA Simitis in Simitis § 4f Rn. 108; Bergmann/Möhrle/Herb Datenschutzrecht Stand Januar 2011 § 4f BDSG Rn. 105; Beder CR 1990, 475, 476). Dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte Kontroll- und Überwachungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitgeber hat, macht ein Betriebsratsmitglied nicht generell für diesen Aufgabenbereich ungeeignet. Die Rechtsstellung des Arbeitgebers wird nicht dadurch unzulässig beeinträchtigt, dass er einem Datenschutzbeauftragten gegenübersteht, der zugleich die Rechte des Betriebsrats aus dem BetrVG wahrnimmt. Eine Interessenkollision zwischen beiden Ämtern ist nicht ersichtlich. Ob dem Datenschutzbeauftragten im Einzelfall mögliche Beaufsichtigungs- und Kontrollbefugnisse gegenüber dem Betriebsrat zukommen (ablehnend: BAG 11. November 1997 - 1 ABR 21/97 - zu B III 2 c und c bb der Gründe, BAGE 87, 64), kann dahingestellt bleiben. Auch als Mitglied des Betriebsrats kann ein Datenschutzbeauftragter diese Rechte ordnungsgemäß wahrnehmen, ebenso wie er sie als Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber wahrzunehmen hat. Eine generelle Unvereinbarkeit ist nicht anzunehmen (BAG 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B IV der Gründe, BAGE 76, 184). Ein Widerruf der Bestellung kommt erst bei einer unzureichenden Aufgabenwahrnehmung in Betracht. Konkrete Verstöße gegen Kontrollpflichten durch die Klägerin hat die Beklagte zu 1. aber nicht benannt und sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden.

26

II. Die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 ist unwirksam. Sie ist unverhältnismäßig, weil es ihrer nicht bedurfte.

27

1. Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar (hM vgl. bspw. BAG 25. Februar 1988 - 2 AZR 346/87 - zu A III 3 c aa der Gründe, BAGE 57, 344; 23. August 1989 - 5 AZR 569/88 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 565e Nr. 3 = EzA BGB § 565b - e Nr. 3; 14. November 1990 - 5 AZR 509/89 - zu II 1 der Gründe, BAGE 66, 214; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 377; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 51). Nur ausnahmsweise können Teilkündigungen zulässig sein, wenn dem einen Vertragspartner das Recht hierzu eingeräumt wurde und kein zwingender Kündigungsschutz umgangen wird (vgl. BAG 14. November 1990 - 2 AZR 509/89 - aaO; 6. November 2007 - 1 AZR 826/06 - Rn. 25 ff., BAGE 124, 314; 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 30, BAGE 121, 369).

28

2. Es liegt kein Tatbestand vor, nach dem eine Teilkündigung ausnahmsweise als zulässig anzusehen wäre.

29

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 10 ff., EzA BDSG § 4f Nr. 2) tritt mit der Bestellung zum internen Beauftragten für den Datenschutz die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer des Amtes zur (bisher) vertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers hinzu. Das BDSG regelt nicht, welches Rechtsverhältnis mit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten begründet werden soll. § 4f Abs. 1 BDSG regelt nur die einseitige Bestellung. Davon ist die vertragliche Grundlage zu trennen, nach der sich der Beauftragte für den Datenschutz schuldrechtlich verpflichtet, diese Aufgabe zu übernehmen (siehe auch BAG 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 21, BAGE 121, 369; Gehlhaar NZA 2010, 373, 375). Die Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Aufgaben ist gegenüber dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht durch Ausübung des Direktionsrechts möglich. Es bedarf vielmehr einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, dass die Wahrnehmung des Amtes und der damit verbundenen Tätigkeit Teil der vertraglich geschuldeten Leistung werden soll. Diese Vereinbarung kann konkludent geschlossen werden, indem der Arbeitnehmer das angetragene Amt annimmt. Damit erweitern sich seine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten um die Tätigkeit eines betrieblichen Datenschutzschutzbeauftragten.

30

b) Mit welchem konkreten Inhalt der Arbeitsvertrag geändert und angepasst wird, ist durch Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Regelmäßig wird bei einer Bestellung einzelner Arbeitnehmer zu Datenschutzbeauftragten im bestehenden Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag nach Maßgabe der Bestimmung um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben erweitert. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot durch Übernahme der Tätigkeit an und dokumentiert er damit sein Einverständnis mit der Bestellung, wird der Arbeitsvertrag für die Zeitspanne der Amtsübertragung entsprechend geändert und angepasst. Wird die Bestellung nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG wirksam widerrufen, ist die Tätigkeit des Beauftragten für den Datenschutz nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Es bedarf dann keiner Teilkündigung mehr (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 15 f., EzA BDSG § 4f Nr. 2; im Ergebnis auch: Gehlhaar NZA 2010, 373, 375). Eine Teilkündigung kann andererseits nicht arbeitsvertraglich vorbehalten werden, da der Widerruf gerade an einen wichtigen Grund gebunden ist.

31

c) Die als Mitarbeiterin in der Fluggastabfertigung beschäftigte Klägerin wurde mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom 24. Februar 1992 zur Beauftragten für den Datenschutz nach den Bestimmungen des BDSG bestellt. Aus diesem Schreiben ergibt sich weder ein Angebot auf eine dauerhafte Übertragung der Aufgaben einer betrieblichen Datenschutzbeauftragten noch eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags. Die Bestellung sollte, wie sich aus der vertraglichen Formulierung (wir bestellen Sie ... zur Datenschutzbeauftragten ... gemäß § 36 BDSG“ und „Ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte ergeben sich aus dem BDSG“) ergibt, zu einer Erweiterung der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen führen. Dieses Angebot hat die Klägerin mit ihrem Einverständnis zur Bestellung als betriebliche Datenschutzbeauftragte angenommen. Der Arbeitsvertrag ist demnach für die Dauer der Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Tätigkeit - auflösend bedingt - erweitert worden. Einer Teilkündigung bedurfte es deshalb nicht, wenn die Klägerin nach der Bestellung in das Amt der Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG wirksam von diesem abberufen worden wäre. Sie ist überflüssig, damit unverhältnismäßig und unwirksam.

32

III. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter erkannt, dass der Widerruf der Bestellung zur Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 2. mit Schreiben vom 10. Juli 2008 unwirksam ist. Diesem Widerruf liegt kein wichtiger Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG iVm. § 626 BGB zugrunde.

33

Die Klägerin ist zur externen Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 2. bestellt worden. Dieser Bestellung liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde. Auch eine solche Bestellung ist nur nach Maßgabe des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG iVm. § 626 BGB widerrufbar. Deren Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt an einem wichtigen Grund. Dieser liegt nicht darin, die als externe Beauftragte für den Datenschutz tätige Klägerin durch einen anderen (externen) Beauftragten für den Datenschutz aus Vereinheitlichungsgründen zu ersetzen, ohne dass Pflichtverletzungen der Klägerin vorliegen.

34

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 1 und 2 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

    Beck    

        

    Alex    

                 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 19. Juni 2009 - 2 Sa 567/08 - wird zurückgewiesen, soweit der Kläger Beschäftigung als Datenschutzbeauftragter verlangt.

2. Hinsichtlich des Hilfsantrags wird das bezeichnete Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Beauftragten für den Datenschutz zu beschäftigen. Hilfsweise begehrt der Kläger die Feststellung, dass die ihm übertragene Tätigkeit nicht amtsangemessen ist.

2

Der Kläger ist Dienstordnungsangestellter (DO-Angestellter) der Beklagten zu 1. Er wurde 1991 von der AOK Dresden angestellt. Die Besoldung richtete sich zunächst nach der Besoldungsgruppe A 13, mittlerweile bezieht der Kläger eine Vergütung aus der Besoldungsgruppe A 16. Das Dienstverhältnis untersteht der geltenden Dienstordnung für die Angestellten.

3

1997 fusionierte die AOK Dresden mit der AOK Chemnitz und der AOK Leipzig zur AOK Sachsen - Die Gesundheitskasse (AOK Sachsen). Der Kläger wurde zum Beauftragten für den Datenschutz dieser Krankenkasse bestellt. Zum 1. Januar 2008 fusionierte die AOK Sachsen mit der AOK Thüringen - Die Gesundheitskasse in Thüringen (AOK Thüringen) zur Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 2. ist die gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 SGB XI dort eingerichtete Pflegekasse. Die Beklagte zu 1. bestellte einen anderen Mitarbeiter zum Beauftragten für den Datenschutz und wies dem Kläger eine Tätigkeit als „Projektleiter Leistungen im Projekt oscare für den Roll-out 2.1 (Sachleistungswesen)“ zu. Ziel des Projekts ist die stufenweise Einführung einer neuen Software. Das Projekt leitet ein Mitarbeiter, der eine Vergütung aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe als der Kläger bezieht.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf weitere Beschäftigung als Datenschutzbeauftragter, weil die Beklagte zu 1. gemäß § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V in die Rechte und Pflichten der AOK Sachsen eingetreten sei. Da die Beklagte zu 1. zugleich die Aufgaben der bei ihr eingerichteten Pflegekasse übernehmen müsse, richte sich der Anspruch auch gegen die Beklagte zu 2. Die Mitarbeit im Projekt „oscare“ sei jedenfalls nicht amtsangemessen.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagten zu verpflichten, ihn als ihren gesetzlichen und bestellten Datenschutzbeauftragten entsprechend den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und des Bundesdatenschutzgesetzes zu beschäftigen,

        

hilfsweise,

        

festzustellen, dass seine Arbeitspflicht nicht die Mitarbeit in dem Projekt „oscare“ umfasst.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, das Amt des Beauftragten für den Datenschutz bei der AOK Sachsen habe mit der Fusion geendet.

7

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet, soweit der Kläger Beschäftigung als Beauftragter für den Datenschutz begehrt (I). Im Übrigen war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf weiterer Feststellungen, ob der Kläger amtsangemessen beschäftigt wird (III).

9

I. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 1. aus seinem Anstellungsvertrag iVm. § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V, § 4f Abs. 1 Satz 1 BDSG auf Beschäftigung als Beauftragter für den Datenschutz.

10

1. Der Kläger wurde durch die AOK Sachsen zum Beauftragten für den Datenschutz bestellt. Mit der Bestellung trat die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer des Amtes seiner vertraglich geschuldeten Leistung hinzu.

11

a) Gemäß § 4f Abs. 1 Satz 1 BDSG haben öffentliche und nicht öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisch erheben, verarbeiten oder nutzen, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Das BDSG regelt nicht, welches Rechtsverhältnis mit der Bestellung begründet werden soll. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG schreibt lediglich vor, dass nur bestellt werden darf, wer die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit besitzt. § 4f Abs. 1 Satz 1 BDSG regelt die einseitige Bestellung; davon ist die vertragliche Grundlage zu trennen, nach der sich der Beauftragte schuldrechtlich verpflichtet, diese Aufgaben zu übernehmen (BAG 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 22, BAGE 121, 369; vgl. 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B II 2 a, b der Gründe, BAGE 76, 184; vgl. Simitis BDSG 6. Aufl. § 4f Rn. 60).

12

b) Die Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Aufgaben ist gegenüber einem Arbeitnehmer regelmäßig nicht durch Ausübung des Direktionsrechts möglich. Es bedarf der Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, dass die Wahrnehmung des Amtes und die damit verbundene Tätigkeit Teil der vertraglich geschuldeten Leistung sein sollen. Diese Vereinbarung kann konkludent erfolgen, indem der Arbeitnehmer das angetragene Amt annimmt. Damit erweitern sich die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers um die Tätigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 22, BAGE 121, 369; 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 76, 184).

13

c) Mit welchem konkreten Inhalt der Arbeitsvertrag geändert wird, ist durch Auslegung der Vereinbarung am Maßstab von §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Dabei sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (Senat 2. Juli 2008 - 10 AZR 378/07 - Rn. 26; 13. Dezember 2006 - 10 AZR 787/05  - Rn. 19, AP ZPO § 278 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 3).

14

aa) Die Auslegung kann ergeben, dass die Aufgaben eines Beauftragten für den Datenschutz nur befristet geschuldet werden. Sie kann ergeben, dass die Wahrnehmung der Aufgaben auf Dauer Inhalt der vertraglich geschuldeten Leistung wird, etwa wenn ein Mitarbeiter (nur) zur Wahrnehmung des Amtes eingestellt wird.

15

bb) Soll ein Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis zum Beauftragten für den Datenschutz bestellt werden, liegt darin regelmäßig das Angebot des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit dem Amt verbundenen Aufgaben zu erweitern. Der Arbeitgeber will der Verpflichtung aus § 4f Abs. 1 BDSG genügen und die dafür erforderlichen vertraglichen Vereinbarungen treffen, aber keine weitergehenden Verpflichtungen eingehen. Der Arbeitnehmer strebt regelmäßig keine - für ihn nachteilige - vertragliche Einschränkung auf die Tätigkeiten des Amtes an. Notwendig ist die Änderung des Arbeitsvertrags für die Zeitspanne, für die der Arbeitnehmer das Amt nach den gesetzlichen Bestimmungen ausübt. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot durch sein Einverständnis mit der Bestellung an, wird der Arbeitsvertrag für die Zeitspanne der Übertragung des Amtes geändert. Wird die Bestellung nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG widerrufen oder entfällt das Funktionsamt auf andere Weise, ist die Tätigkeit nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Damit entfällt insoweit der arbeitsvertragliche Beschäftigungsanspruch.

16

cc) Ist eine Vereinbarung über die Wahrnehmung des Amtes so auszulegen, bedarf es weder einer Änderungskündigung noch einer arbeitsvertraglichen Teilkündigung. Ob bei einer anderen Vertragslage eine Teilkündigung erforderlich sein kann (vgl. BAG 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 29, BAGE 121, 369), bedarf keiner Entscheidung.

17

d) Eine Ergänzung des Anstellungsvertrags ist ebenso notwendig, wenn ein DO-Angestellter zum Beauftragten für den Datenschutz bestellt wird. DO-Angestellte sind nicht Beamte und haben keinen öffentlich-rechtlichen Status, sondern werden aufgrund eines privatrechtlichen Arbeitsvertrags beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wird allerdings normativ bestimmt durch die Dienstordnung (BAG 22. Juli 2010 - 6 AZR 82/09 - Rn. 19), die autonomes Satzungsrecht des Dienstgebers ist (Senat 20. Februar 2008 - 10 AZR 440/07 - Rn. 15, ZTR 2008, 323; BAG 30. August 2005 - 3 AZR 391/04 - zu B II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Dienstordnungs-Angestellte Nr. 77). Aus diesem ergibt sich aber nicht das Recht, die in Rede stehenden Aufgaben einseitig zuzuweisen.

18

e) Das Landesarbeitsgericht hat die zwischen dem Kläger und der AOK Sachsen im Zusammenhang mit der Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz getroffene Vereinbarung nicht ausgelegt. Der Senat kann die unterbliebene Vertragsauslegung selbst vornehmen. Die maßgeblichen Tatsachen sind vom Landesarbeitsgericht festgestellt. Eine ergänzende Tatsachenfeststellung ist nicht zu erwarten. Sowohl der Anstellungsvertrag vom 18. Juni 1991 als auch das die Bestellung des Klägers zum Beauftragten für den Datenschutz regelnde Schreiben der AOK Sachsen vom 18. Juli 1997 enthalten typische Willenserklärungen, deren Erklärungswert durch den Senat vollumfänglich bestimmt werden kann (st. Rspr., Senat 20. September 2006 - 10 AZR 770/05 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41; vgl. BAG 28. Februar 1991 - 8 AZR 89/90 - zu 2 b bb der Gründe, AP ZPO § 550 Nr. 21 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 11).

19

aa) Nach dem Anstellungsvertrag vom 18. Juni 1991 wurde der Kläger der Dienstordnung für die Angestellten seiner damaligen Dienstgeberin unterstellt und in ein Dienstverhältnis auf Lebenszeit angestellt. Ihm wurde die Stelle eines Verwaltungsrats übertragen. Der Kläger wurde nicht für eine konkrete Tätigkeit, sondern für einen allgemein beschriebenen Tätigkeitsbereich eingestellt. Das Schreiben vom 18. Juli 1997 beinhaltet die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz der AOK Sachsen nach Maßgabe des BDSG. Es enthält weder ein Angebot auf dauerhafte Übertragung der entsprechenden Aufgaben noch ein Angebot auf sonstige dauerhafte Änderungen des Anstellungsvertrags. Die Bestellung sollte danach nur nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu einer Erweiterung der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten führen.

20

bb) Dieses Angebot hat der Kläger angenommen, indem er sich mit der Bestellung einverstanden erklärt hat. Der Arbeitsvertrag wurde für die Dauer der Übertragung des Amtes um die damit verbundenen Tätigkeiten erweitert.

21

2. Das Amt des Beauftragten für den Datenschutz für die AOK Sachsen ist mit der Schließung dieser Krankenkasse erloschen.

22

a) Die AOK Sachsen und die AOK Thüringen haben sich mit Wirkung zum 1. Januar 2008 vereinigt. Nach § 144 Abs. 4 Satz 1 SGB V sind sie mit dem Zeitpunkt der Vereinigung geschlossen und verlieren ihre Rechtsfähigkeit(Hänlein in LPK-SGB V § 144 Rn. 9). Ihre Organe fallen im Vereinigungszeitpunkt weg (BVerwG 25. Juni 2003 - 6 P 1.03 - zu II 3 b cc der Gründe, AP BPersVG § 75 Nr. 84; Krauskopf/Baier SozKV Stand Juni 2010 § 144 SGB V Rn. 28; Koch in Schlegel/Voelzke SGB V § 144 Rn. 25). Für die neue Krankenkasse müssen die Aufsichtsbehörden deshalb nach § 144 Abs. 3 SGB V neue Organmitglieder berufen.

23

b) Gesetzliche Krankenkassen sind nach § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB X, § 35 SGB I, § 4f BDSG als öffentliche Stellen verpflichtet, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen(Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 4f Rn. 6; André RDV 1994, 234, 239). Wird die Krankenkasse geschlossen, existiert diese öffentliche Stelle nicht mehr und das Amt des Beauftragten für den Datenschutz erlischt. Der Beauftragte verliert mit der Fusion sein Amt ( Schaffland/Wiltfang BDSG Stand Juni 2010 § 4f Rn. 65i; Simitis § 4f Rn. 200; sinngemäß Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 3. Aufl. § 4f Rn. 79). Die aus der Fusion hervorgegangene Krankenkasse ist als „neue“ öffentliche Stelle verpflichtet, mit Beginn ihrer Existenz einen Beauftragten für den Datenschutz schriftlich zu bestellen. Allein sie trägt die Verantwortung dafür, eine für die Erfüllung der Aufgaben der neuen Krankenkasse geeignete Person (§ 4f Abs. 2 BDSG) zu bestellen.

24

c) Die Beklagte zu 1. ist nicht nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V verpflichtet, den Kläger weiter als Beauftragten für den Datenschutz zu beschäftigen.

25

aa) Nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V tritt zwar die neue Krankenkasse in die Rechte und Pflichten der bisherigen Krankenkassen ein. Darin liegt eine gesetzlich angeordnete Gesamtrechtsnachfolge; die neue Krankenkasse hat alle Pflichten der geschlossenen Krankenkassen gegenüber Dritten zu erfüllen (Krauskopf/Baier § 144 SGB V Rn. 29; Koch in Schlegel/Voelzke § 144 Rn. 25). Sie tritt damit auch in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen ein.

26

bb) Die neue Krankenkasse übernimmt aber nicht alle Funktionsämter der geschlossenen Krankenkassen. Wird eine Krankenkasse geschlossen, endet die gesetzliche Pflicht, einen Beauftragten für den Datenschutz für diese öffentliche Stelle zu bestellen. An ihre Stelle tritt die neue öffentliche Stelle, die ihrerseits nach § 4f Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BDSG verpflichtet ist, einen eigenen nach ihrem Umfang und Schutzbedarf fachkundigen und zuverlässigen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Ein Übergang dieses Funktionsamtes findet nicht statt, da das Amt unmittelbar beim Rechtsträger besteht.

27

cc) Es widerspräche dem Sinn und Zweck des BDSG, wenn bei einer Fusion mehrerer öffentlicher Stellen die aus der Fusion hervorgegangene (neue) öffentliche Stelle nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V alle - nach § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG weisungsfreien - Beauftragten für den Datenschutz als solche weiterbeschäftigen müsste und erst nachfolgend geklärt werden könnte, wem gegenüber ein wichtiger Grund nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG für den Widerruf der Bestellung vorliegt. Bei einem gesetzlichen Übergang wäre die Funktionsfähigkeit des Datenschutzes nicht gewährleistet und der neue Rechtsträger könnte seinen gesetzlichen Pflichten nicht in vollem Umfang gerecht werden. Das BDSG regelt deshalb, dass für jede öffentliche Stelle unmittelbar mit Aufnahme ihrer Tätigkeit ein Beauftragter für den Datenschutz zu bestellen ist. Es bedarf deshalb keines Widerrufs nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG und damit keiner Prüfung, ob die Fusion den Widerruf gegenüberallen beteiligten Beauftragen für den Datenschutz rechtfertigen würde.

28

II. Gegenüber der Beklagten zu 2. besteht schon aus den vorstehenden Gründen ebenfalls kein Anspruch auf Beschäftigung als Beauftragter für den Datenschutz.

29

III. Die Revision ist begründet, soweit der Kläger mit dem Hilfsantrag die Feststellung begehrt, dass seine Arbeitspflicht nicht die Mitarbeit in dem Projekt „oscare“ umfasst.

30

1. Die Rechte und Pflichten des Klägers aus seinem Anstellungsverhältnis als Dienstordnungsangestellter ergeben sich aus der Dienstordnung der AOK Sachsen, die nach § 144 Abs. 4 Satz 2 SGB V auch zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1. zur Anwendung kommt. Nach § 10 Abs. 1 der Dienstordnung kann dem Angestellten bei Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses auf unbestimmte Zeit an einem anderen Dienstort ein anderes Dienstgeschäft übertragen werden; nach § 10 Abs. 4 der Dienstordnung gelten im Übrigen die jeweiligen Vorschriften für die Beamten des Freistaates Sachsen. Nach beamtenrechtlichen Grundsätzen kann der Dienstherr aus jedem sachlichen Grund den Aufgabenbereich eines Beamten verändern, solange diesem ein amtsangemessener Aufgabenbereich verbleibt (BVerwG 26. November 2004 - 2 B 72.04 - zu 1 a der Gründe, Buchholz 235 § 9 BDO Nr. 41). Der Beamte muss Änderungen seines dienstlichen Aufgabenbereichs durch Umsetzung oder andere organisatorische Maßnahmen hinnehmen, jedoch nur nach Maßgabe seines Amtes im statusrechtlichen Sinn. Ihm darf deshalb ohne sein Einverständnis - von eng begrenzten Ausnahmen wie Not- oder Katastrophenfällen abgesehen - grundsätzlich keine Tätigkeit zugewiesen werden, die gemessen an seinem statusrechtlichen Amt, seiner Laufbahn und seinem Ausbildungsstand, dh. dem abstrakten Aufgabenbereich seines statusrechtlichen Amtes, „unterwertig“ ist (BVerwG 27. Februar 1992 - 2 C 45.89 - ZBR 1992, 242; vgl. 28. November 1991 - 2 C 41.89 - BVerwGE 89, 199).

31

2. Der Kläger wird nach der Besoldungsgruppe A 16 vergütet. Ihm können deshalb alle mit einem Amt dieser Besoldungsgruppe im statusrechtlichen Sinn (leitender Verwaltungsdirektor) verbundenen Tätigkeiten zugewiesen werden. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht entschieden werden, ob die zugewiesene Tätigkeit eines „Projektleiters Leistungen im Projekt oscare“ amtsangemessen ist. Das Landesarbeitsgericht hat dies ohne Begründung bejaht. Das hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil der Begriff der Amtsangemessenheit nicht geklärt worden ist und keine Subsumtion stattgefunden hat. Zudem rügt die Revision zutreffend nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO, das Landesarbeitsgericht habe den Sachvortrag des Klägers zur fehlenden Amtsangemessenheit der übertragenen Tätigkeiten übergangen. Danach ist der Kläger einem Projektleiter unterstellt, der eine Vergütung aus einer zwei Stufen niedrigeren Vergütungsgruppe erhält. Dies kann dafür sprechen, dass die zugewiesene Tätigkeit nicht amtsangemessen ist. Der Senat kann nicht selbst abschließend entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird im erneuten Berufungsverfahren weitere Feststellungen zur konkret übertragenen Tätigkeit zu treffen haben, um eine abschließende Beurteilung vornehmen zu können.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Beck    

        

    Zielke    

                 

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet.

(2) Die Rechtshängigkeit eines erst im Laufe des Prozesses erhobenen Anspruchs tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem der Anspruch in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht oder ein den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 entsprechender Schriftsatz zugestellt wird.

(3) Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen:

1.
während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden;
2.
die Zuständigkeit des Prozessgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten zu 1. und 2. gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Mai 2009 - 5 Sa 425/09, 5 Sa 434/09 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1. und 2. nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. vom 10. Juli 2008 beendet worden ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 geändert worden ist.

2. Die Beklagte zu 1. trägt 2/3, die Beklagte zu 2. trägt 1/3 der Kosten der Revision.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Abberufung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz und über die Wirksamkeit einer Teilkündigung.

2

Die Klägerin ist seit 1981 bei der Beklagten zu 1. bzw. deren Rechtsvorgängerin als Mitarbeiterin Fluggastabfertigung beschäftigt. Sie wurde mit Schreiben vom 24. Februar 1992 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. und von der Beklagten zu 2. jeweils zur Beauftragten für den Datenschutz bestellt. Insoweit war sie der Geschäftsleitung Administration der Beklagten zu 1. und zu 2. unmittelbar unterstellt und für die Betreuung von ca. 1.600 Beschäftigten zuständig. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben als Datenschutzbeauftragte wandte sie ca. 30 % ihrer Arbeitszeit auf. Im Übrigen arbeitete sie weiter in der Fluggastabfertigung.

3

Die Beklagte zu 2. ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1. Für eine weitere Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1., die G GmbH, war ein externer Datenschutzbeauftragter bestellt.

4

Die Klägerin ist seit 1994 Mitglied des Betriebsrats der Beklagten zu 1. und Mitglied dessen EDV-Ausschusses.

5

Die Geschäftsleitung der Beklagten zu 1. beschloss in ihrer Sitzung vom 12. Februar 2008, den Datenschutz für ihr Unternehmen und die Tochtergesellschaften von einem externen Dritten ab 1. August 2008 konzernweit einheitlich wahrnehmen zu lassen. Mit Beschluss vom gleichen Tage entschied auch die Geschäftsführung der Beklagten zu 2., den Datenschutz ab dem 1. August 2008 durch den Dritten ausführen zu lassen. Seit dem 1. August 2008 fungiert Herr S als externer Datenschutzbeauftragter bei den Beklagten und den übrigen Tochtergesellschaften der Beklagten zu 1.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2008 widerriefen die Beklagten zu 1. und 2. die Bestellung der Klägerin zur Beauftragten für den Datenschutz zum 31. Juli 2008. Die Beklagte zu 1. sprach ferner eine Teilkündigung zum 31. Juli 2008 aus. Mit Schreiben vom 16. März 2009 erklärte sie eine weitere vorsorgliche Teilkündigung, gegen die die Klägerin ebenfalls Klage beim Arbeitsgericht erhoben hat.

7

Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen den Widerruf ihrer Bestellung zur Beauftragen für den Datenschutz der beiden Beklagten und gegen die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 gewandt und im Wesentlichen ausgeführt: Es liege weder ein wichtiger Grund für ihre Abberufung als betriebliche Datenschutzbeauftragte noch für die ausgesprochene Teilkündigung vor. Sie habe weder ihre Pflichten als Datenschutzbeauftragte noch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Die Neubestellung eines externen Datenschutzbeauftragten sei ebenso wenig ein wichtiger Grund wie der Wunsch der Beklagten nach einer konzernweiten, einheitlichen Fremdvergabe des Datenschutzes. Ansonsten könne der besondere Abberufungsschutz leicht umgangen werden. Auch rechtfertige ihr Amt als Betriebsrätin den Widerruf nicht.

8

Die Klägerin hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1. und 2. nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. vom 10. Juli 2008 beendet worden ist und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 geändert worden ist.

9

Die Beklagten zu 1. und 2. haben zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags im Wesentlichen ausgeführt: Sie hätten die unternehmerische Entscheidung getroffen, den betrieblichen Datenschutz konzernweit einheitlich betreuen zu lassen. Ein solcher betriebsbedingter Grund sei ein wichtiger Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG. Es obliege ihrer freien Organisationsentscheidung, ob sie die Position eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten intern oder extern besetzen wollten. Die Beauftragung eines externen Datenschutzbeauftragten sei nicht nur wirtschaftlicher, sondern aufgrund der Vielzahl datenschutzrelevanter Aufgaben auch konzerneinheitlich dringend geboten. Im Übrigen sei das Amt der Datenschutzbeauftragten mit dem Betriebsratsamt inkompatibel. Die Stellung der Klägerin als Betriebsratsmitglied stelle ihre unbedingte Zuverlässigkeit als betriebliche Datenschutzbeauftragte wegen möglicher Interessenkonflikte in Frage.

10

Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Klägerin teilweise entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 1. zurückgewiesen, das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Widerruf der Beklagten zu 2. und der Widerruf und die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 rechtsunwirksam sind. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten zu 1. und 2. ihre Klageabweisungsanträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten zu 1. und 2. hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sowohl der Widerruf der Beklagten zu 1. und 2. als auch die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 rechtsunwirksam sind. Die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz ist hierdurch nicht beendet und das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht geändert worden.

12

I. Der Widerruf der Bestellung der Klägerin zur Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 1. ist unwirksam. Die Klägerin ist nicht mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 wirksam als betriebliche Datenschutzbeauftragte abberufen worden. Der Widerruf genügt nicht den Anforderungen des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG.

13

1. Nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG kann die Bestellung zum Beauftragten für den Datenschutz in entsprechender Anwendung von § 626 BGB, bei nicht-öffentlichen Stellen auch auf Verlangen der Aufsichtsbehörde, widerrufen werden.

14

a) Die gesetzliche Regelung gewährt einen besonderen Abberufungsschutz für die Beauftragten für den Datenschutz und stärkt durch den Verweis auf § 626 BGB deren Unabhängigkeit(Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 41). Um die Wirksamkeit des Datenschutzes in den Betrieben zu erhöhen und zu sichern, reduziert die Norm das Recht der nicht-öffentlichen Stelle zur Abberufung auf zwei gesetzliche Tatbestände (Simitis in Simitis BDSG 6. Aufl. § 4f Rn. 182). Die unabhängige Stellung des Datenschutzbeauftragten, sein Amt weisungsfrei ausüben zu können und wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht beeinträchtigt zu werden, soll so abgesichert werden. Der Datenschutzbeauftragte soll seiner Tätigkeit im Interesse des Datenschutzes ohne Furcht vor einer Abberufung nachgehen können. Eine Abberufung soll nur möglich sein, wenn objektive und schwerwiegende Gründe sie rechtfertigen (Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 41). Eine weitere Tätigkeit als Beauftragter für den Datenschutz muss der nicht-öffentlichen Stelle unzumutbar sein (Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 3. Aufl. § 4f Rn. 67).

15

b) Aufgrund der Verweisung in § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG muss für die Abberufung ein wichtiger Grund vorliegen, der es der Beklagten zu 1. aufgrund von Tatsachen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar macht, die Klägerin als betriebliche Datenschutzbeauftragte auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiterhin einzusetzen. Als wichtige Gründe kommen insbesondere solche in Betracht, die mit der Funktion und Tätigkeit des Datenschutzbeauftragten zusammenhängen und eine weitere Ausübung dieser Tätigkeit unmöglich machen oder sie zumindest erheblich gefährden (vgl. Taeger/Gabel/Scheja § 4f BDSG Rn. 42; Simitis in Simitis § 4f Rn. 183; Däubler in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert § 4f Rn. 67; DFL/Scholz 3. Aufl. § 4f BDSG Rn. 4; Bongers ArbR 2010, 139, 141), beispielsweise ein Geheimnisverrat oder eine dauerhafte Verletzung der Kontrollpflichten als Datenschutzbeauftragter (zu weiteren Beispielen vgl. Bongers ArbR 2010, 139, 141; Rudolf NZA 1996, 296, 301; Schlemann Recht des betrieblichen Datenschutzbeauftragten S. 241). Auch die wirksame Beendigung des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses kann ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines internen Beauftragen für den Datenschutz sein (Bongers ArbR 2010, 139, 141; Gehlhaar NZA 2010, 373, 376 f.; Dzida/Kröpelin BB 2010, 1026, 1029).

16

2. Die Beklagte zu 1. hat keinen wichtigen Grund für die Abberufung der Klägerin als betriebliche Datenschutzbeauftragte dargetan.

17

a) Konkrete Pflichtverstöße der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz hat die Beklagte zu 1. nicht geltend gemacht.

18

b) Die von der Beklagten zu 1. als Grund genannte organisatorische Änderung, nach der der betriebliche Datenschutz zukünftig durch einen externen statt durch einen internen Datenschutzbeauftragten gewährleistet werden soll, rechtfertigt den Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund nicht.

19

aa) Bei der erstmaligen Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz hat die nicht-öffentliche Stelle eine Entscheidungsfreiheit, ob sie einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten bestellen will (vgl. bspw. Simitis in Simitis § 4f Rn. 40). Das freie Bestellungs- und Auswahlrecht rechtfertigt es aber nicht, einen bereits bestellten Beauftragten für den Datenschutz ohne Weiteres aufgrund einer erneuten Organisationsentscheidung wieder abzuberufen. Die Zulassung einer jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit aufgrund einer organisatorischen Änderung und die generelle Anerkennung einer freien Strukturentscheidung als wichtiger Grund würden dazu führen, den besonderen Abberufungsschutz, der insbesondere der Sicherung der unabhängigen Stellung des Datenschutzbeauftragten dient, zur Disposition der nicht-öffentlichen Stelle zu stellen (vgl. Gola/Schomerus BDSG 10. Aufl. § 4f Rn. 40; Simitis in Simitis § 4f Rn. 185).

20

bb) Will deshalb eine verantwortliche Stelle aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Überlegungen den bisherigen Beauftragten für den Datenschutz durch einen externen Datenschutzbeauftragten ersetzen, liegt darin regelmäßig noch kein wichtiger Grund zum Widerruf und zur Abberufung eines Beauftragten für den Datenschutz (vgl. Ehmann Anm. CR 1994, 485; HWK/Lembke 4. Aufl. §§ 4f, 4g BDSG Rn. 18). Es bedarf vielmehr zwingender Gründe, die die Maßnahme unabweislich machen. Dies kann etwa bei einem dauerhaften Wegfall der Aufgaben eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Fall sein.

21

Dies gilt umso mehr, als auch dringende betriebliche Erfordernisse regelmäßig nur eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 1 KSchG, nicht jedoch eine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB rechtfertigen können. Eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung ist nur ausnahmeweise aus wichtigem Grund zulässig. Es zählt zu dem vom Arbeitgeber zu tragenden Unternehmerrisiko, zumindest die ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers kann dem Arbeitgeber in diesem Sinne unzumutbar sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum das Gehalt weiter zahlen müsste, obwohl er zB wegen einer Betriebsstilllegung für dessen Arbeitskraft überhaupt keine Verwendung mehr hätte (BAG 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - BAGE 48, 220; 12. Juli 1995 - 2 AZR 762/94 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 7 = EzA BGB § 626 nF Nr. 156; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 3 b der Gründe, BAGE 88, 10; 8. April 2003 - 2 AZR 355/02 - zu II 3 b bb der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 181 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist S. 140). Dementsprechend erkennt die Rechtsprechung einen betriebsbedingten Grund zur außerordentlichen Kündigung ausnahmsweise an, wenn der Arbeitgeber aufgrund einer unternehmerischen Organisationsentscheidung den Betrieb geschlossen oder die Einrichtung aufgelöst hat und ein Einsatz des Arbeitnehmers unter keinem Gesichtspunkt - auch nicht zu geänderten Arbeitsbedingungen - mehr möglich erscheint oder wenn durch die geplante und durchgeführte Organisationsänderung eine Kostenersparnis erzielt werden kann, die zur Abwendung einer betrieblichen Notsituation dringend erforderlich ist (vgl. bspw. BAG 26. Juni 2008 - 2 AZR 147/07 - Rn. 22, AP BAT § 55 Nr. 8). Spiegelt man diese Wertungsgesichtspunkte auf die Widerrufsgründe des § 4f Abs. 3 BDSG iVm. § 626 BGB, kann ein wichtiger Grund bei einer Stilllegung des Betriebs oder zur Abwendung einer betrieblichen Notsituation in Betracht kommen(Dzida/Kröpelin BB 2010, 1026, 1028).

22

cc) Eine solche Situation hat die Beklagte zu 1. nicht dargelegt. Ihrer Organisationsentscheidung, zukünftig einen externen, konzernweit agierenden Beauftragten für den Datenschutz einzusetzen, liegt kein wichtiger Grund zugrunde. Dass eine entsprechende Umorganisation aus sonstigen Gründen zwingend geboten war, hat sie nicht dargetan. Hierfür reichen allein Kostenersparnisgründe und die Schaffung einer „einheitlichen Organisation“ im Konzern nicht aus.

23

3. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein wichtiger Grund für einen Widerruf der Bestellung vor, weil die Klägerin Mitglied des Betriebsrats ist.

24

a) Ein Widerruf der Bestellung kann aus wichtigem Grund begründet sein, wenn der zum Beauftragten für den Datenschutz bestellte Arbeitnehmer die zur Aufgabenerfüllung erforderliche Fachkunde oder Zuverlässigkeit iSv. § 4f Abs. 2 Satz 1 BDSG nicht(mehr) besitzt (HWK/Lembke §§ 4f, 4g BDSG Rn. 18). Die Zuverlässigkeit eines Beauftragten für den Datenschutz kann in Frage stehen, wenn Interessenkonflikte drohen. Eine Überschneidung von Interessensphären kann die vom BDSG geforderte Zuverlässigkeit beeinträchtigen (vgl. bspw. BAG 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B IV der Gründe, BAGE 76, 184; ErfK/Wank 11. Aufl. § 4f BDSG Rn. 3).

25

b) Die bloße Mitgliedschaft im Betriebsrat und dessen EDV-Ausschuss macht die Klägerin für das Amt der Beauftragten für den Datenschutz nicht unzuverlässig. Es besteht keine grundsätzliche Inkompatibilität zwischen diesen beiden Ämtern (vgl. bspw. Gola/Schomerus § 4f Rn. 28; Breinlinger RDV 1993, 53, 55; aA Simitis in Simitis § 4f Rn. 108; Bergmann/Möhrle/Herb Datenschutzrecht Stand Januar 2011 § 4f BDSG Rn. 105; Beder CR 1990, 475, 476). Dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte Kontroll- und Überwachungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitgeber hat, macht ein Betriebsratsmitglied nicht generell für diesen Aufgabenbereich ungeeignet. Die Rechtsstellung des Arbeitgebers wird nicht dadurch unzulässig beeinträchtigt, dass er einem Datenschutzbeauftragten gegenübersteht, der zugleich die Rechte des Betriebsrats aus dem BetrVG wahrnimmt. Eine Interessenkollision zwischen beiden Ämtern ist nicht ersichtlich. Ob dem Datenschutzbeauftragten im Einzelfall mögliche Beaufsichtigungs- und Kontrollbefugnisse gegenüber dem Betriebsrat zukommen (ablehnend: BAG 11. November 1997 - 1 ABR 21/97 - zu B III 2 c und c bb der Gründe, BAGE 87, 64), kann dahingestellt bleiben. Auch als Mitglied des Betriebsrats kann ein Datenschutzbeauftragter diese Rechte ordnungsgemäß wahrnehmen, ebenso wie er sie als Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber wahrzunehmen hat. Eine generelle Unvereinbarkeit ist nicht anzunehmen (BAG 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B IV der Gründe, BAGE 76, 184). Ein Widerruf der Bestellung kommt erst bei einer unzureichenden Aufgabenwahrnehmung in Betracht. Konkrete Verstöße gegen Kontrollpflichten durch die Klägerin hat die Beklagte zu 1. aber nicht benannt und sind vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden.

26

II. Die Teilkündigung der Beklagten zu 1. vom 10. Juli 2008 ist unwirksam. Sie ist unverhältnismäßig, weil es ihrer nicht bedurfte.

27

1. Teilkündigungen, mit denen der Kündigende einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der anderen Vertragspartei einseitig ändern will, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das ausgehandelte Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Vertrags dar (hM vgl. bspw. BAG 25. Februar 1988 - 2 AZR 346/87 - zu A III 3 c aa der Gründe, BAGE 57, 344; 23. August 1989 - 5 AZR 569/88 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 565e Nr. 3 = EzA BGB § 565b - e Nr. 3; 14. November 1990 - 5 AZR 509/89 - zu II 1 der Gründe, BAGE 66, 214; ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 377; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 51). Nur ausnahmsweise können Teilkündigungen zulässig sein, wenn dem einen Vertragspartner das Recht hierzu eingeräumt wurde und kein zwingender Kündigungsschutz umgangen wird (vgl. BAG 14. November 1990 - 2 AZR 509/89 - aaO; 6. November 2007 - 1 AZR 826/06 - Rn. 25 ff., BAGE 124, 314; 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 30, BAGE 121, 369).

28

2. Es liegt kein Tatbestand vor, nach dem eine Teilkündigung ausnahmsweise als zulässig anzusehen wäre.

29

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 10 ff., EzA BDSG § 4f Nr. 2) tritt mit der Bestellung zum internen Beauftragten für den Datenschutz die damit verbundene Tätigkeit für die Dauer des Amtes zur (bisher) vertraglich geschuldeten Leistung des Arbeitnehmers hinzu. Das BDSG regelt nicht, welches Rechtsverhältnis mit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten begründet werden soll. § 4f Abs. 1 BDSG regelt nur die einseitige Bestellung. Davon ist die vertragliche Grundlage zu trennen, nach der sich der Beauftragte für den Datenschutz schuldrechtlich verpflichtet, diese Aufgabe zu übernehmen (siehe auch BAG 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 21, BAGE 121, 369; Gehlhaar NZA 2010, 373, 375). Die Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Aufgaben ist gegenüber dem Arbeitnehmer regelmäßig nicht durch Ausübung des Direktionsrechts möglich. Es bedarf vielmehr einer Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien, dass die Wahrnehmung des Amtes und der damit verbundenen Tätigkeit Teil der vertraglich geschuldeten Leistung werden soll. Diese Vereinbarung kann konkludent geschlossen werden, indem der Arbeitnehmer das angetragene Amt annimmt. Damit erweitern sich seine arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten um die Tätigkeit eines betrieblichen Datenschutzschutzbeauftragten.

30

b) Mit welchem konkreten Inhalt der Arbeitsvertrag geändert und angepasst wird, ist durch Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Regelmäßig wird bei einer Bestellung einzelner Arbeitnehmer zu Datenschutzbeauftragten im bestehenden Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag nach Maßgabe der Bestimmung um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben erweitert. Nimmt der Arbeitnehmer dieses Angebot durch Übernahme der Tätigkeit an und dokumentiert er damit sein Einverständnis mit der Bestellung, wird der Arbeitsvertrag für die Zeitspanne der Amtsübertragung entsprechend geändert und angepasst. Wird die Bestellung nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG wirksam widerrufen, ist die Tätigkeit des Beauftragten für den Datenschutz nicht mehr Bestandteil der vertraglich geschuldeten Leistung. Es bedarf dann keiner Teilkündigung mehr (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 15 f., EzA BDSG § 4f Nr. 2; im Ergebnis auch: Gehlhaar NZA 2010, 373, 375). Eine Teilkündigung kann andererseits nicht arbeitsvertraglich vorbehalten werden, da der Widerruf gerade an einen wichtigen Grund gebunden ist.

31

c) Die als Mitarbeiterin in der Fluggastabfertigung beschäftigte Klägerin wurde mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom 24. Februar 1992 zur Beauftragten für den Datenschutz nach den Bestimmungen des BDSG bestellt. Aus diesem Schreiben ergibt sich weder ein Angebot auf eine dauerhafte Übertragung der Aufgaben einer betrieblichen Datenschutzbeauftragten noch eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags. Die Bestellung sollte, wie sich aus der vertraglichen Formulierung (wir bestellen Sie ... zur Datenschutzbeauftragten ... gemäß § 36 BDSG“ und „Ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte ergeben sich aus dem BDSG“) ergibt, zu einer Erweiterung der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen führen. Dieses Angebot hat die Klägerin mit ihrem Einverständnis zur Bestellung als betriebliche Datenschutzbeauftragte angenommen. Der Arbeitsvertrag ist demnach für die Dauer der Übertragung des Amtes und der damit verbundenen Tätigkeit - auflösend bedingt - erweitert worden. Einer Teilkündigung bedurfte es deshalb nicht, wenn die Klägerin nach der Bestellung in das Amt der Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG wirksam von diesem abberufen worden wäre. Sie ist überflüssig, damit unverhältnismäßig und unwirksam.

32

III. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter erkannt, dass der Widerruf der Bestellung zur Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 2. mit Schreiben vom 10. Juli 2008 unwirksam ist. Diesem Widerruf liegt kein wichtiger Grund iSv. § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG iVm. § 626 BGB zugrunde.

33

Die Klägerin ist zur externen Beauftragten für den Datenschutz bei der Beklagten zu 2. bestellt worden. Dieser Bestellung liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag zugrunde. Auch eine solche Bestellung ist nur nach Maßgabe des § 4f Abs. 3 Satz 4 BDSG iVm. § 626 BGB widerrufbar. Deren Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt an einem wichtigen Grund. Dieser liegt nicht darin, die als externe Beauftragte für den Datenschutz tätige Klägerin durch einen anderen (externen) Beauftragten für den Datenschutz aus Vereinheitlichungsgründen zu ersetzen, ohne dass Pflichtverletzungen der Klägerin vorliegen.

34

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 1 und 2 ZPO.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

    Beck    

        

    Alex    

                 

(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Dies gilt insbesondere von Früchten, Zinsen und anderen Nebenforderungen.

(2) Über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen, hat das Gericht auch ohne Antrag zu erkennen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.