Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Sept. 2015 - 12 Sa 682/15

ECLI:ECLI:DE:LAGK:2015:0908.12SA682.15.00
bei uns veröffentlicht am08.09.2015

Tenor

1.              Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15. Dezember 2014 - 1 Ca 3079/14 - wird zurückgewiesen.

2.              Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3.              Die Revision wird nicht zugelassen.


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Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Sept. 2015 - 12 Sa 682/15 zitiert 12 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund


(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unte

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständ

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 84 Hilfsmittel


(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 6 Verlängerte Anrufungsfrist


Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ers

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 68 Zurückverweisung


Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

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Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 16. September 2009 - 2 Sa 116/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts ist die Zurückverweisung unzulässig.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Hat ein Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege geltend gemacht, dass eine rechtswirksame Kündigung nicht vorliege, so kann er sich in diesem Verfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf innerhalb der Klagefrist nicht geltend gemachte Gründe berufen. Das Arbeitsgericht soll ihn hierauf hinweisen.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarland vom 16. September 2009 - 2 Sa 116/08 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung.

2

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1979 bei dem beklagten Landkreis beschäftigt, seit November 1983 als Schwimmmeister. Er wurde während der Badesaison in dem von dem beklagten Landkreis betriebenen Freizeitzentrum „B“ eingesetzt. Während des restlichen Jahres war er bei gleicher Vergütung auf dem Bauhof des Freizeitzentrums tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger wurde gemäß der Anlage 1a VKA nach dem Tarifvertrag für Schwimmmeister und Schwimmmeistergehilfen vergütet.

3

Nachdem der BAT durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) abgelöst worden war, erhielt der Kläger eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 TVöD, die sich zuletzt auf 2.549,87 Euro brutto monatlich belief.

4

Der Betriebsarzt hatte mehrfach empfohlen, den Kläger nicht mehr als Schwimmmeister einzusetzen. Am 23. März 2007 stellte der amtsärztliche Dienst des beklagten Landkreises fest, dass der Kläger an chronischen Erkrankungen des Herz- und Kreislauf- sowie des Stoffwechselsystems leide und eine ausgeprägte Adipositas vorliege. Es seien umfangreiche medikamentöse Therapien erforderlich. Unter Berücksichtigung der Tätigkeit in einer Rettungswache und der bestehenden Risikofaktoren sei aus betriebsärztlicher Sicht „die gesundheitliche Eignung zum Retten Ertrinkender auf Dauer nicht mehr gegeben“.

5

Nach Beteiligung des Personalrats kündigte der beklagte Landkreis das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 zum 30. Juni 2008 und bot ihm eine ganzjährige Beschäftigung auf dem Bauhof des Freizeitzentrums bei einer - reduzierten - Vergütung nach Entgeltgruppe 3 TVöD.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat die Änderungskündigung für unwirksam gehalten. Er hat geltend gemacht, er sei weiterhin gesundheitlich zur Rettung Ertrinkender geeignet. Er habe 2006 und 2007 den Rettungsschwimmertest bestanden und das deutsche Rettungsschwimmerabzeichen in Silber erworben. Im Übrigen habe ihn der beklagte Landkreis selbst bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach § 34 Abs. 2 TVöD auf einem anderen - angemessenen - Arbeitsplatz bei gleichbleibender Bezahlung weiterbeschäftigen müssen. Einer Vergütung nach Entgeltgruppe 3 stehe § 55 BAT entgegen, der lediglich die Herabgruppierung um eine Vergütungsgruppe zulasse. Die Regelung in § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT gelte nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD fort.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß dem Schreiben vom 20. Dezember 2007 rechtsunwirksam ist.

8

Der beklagte Landkreis hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die ausgesprochene Änderungskündigung für rechtswirksam gehalten. Der Kläger habe das geänderte Vertragsangebot schon nicht rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen. § 34 Abs. 2 TVöD verbiete die außerordentliche Kündigung nicht. Der Kläger könne seine bisherige Tätigkeit als Schwimmmeister nicht mehr ausüben, er sei zur Rettung von Ertrinkenden gesundheitlich auf Dauer nicht mehr in der Lage. Eine Rückstufung des Klägers in die Entgeltgruppe 3 TVöD sei gerechtfertigt, da er im Bauhof nur noch Hilfsarbeitertätigkeiten ausübe.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund der den Senat bindenden Feststellungen (§ 559 Abs. 2 ZPO) die Änderungskündigung zu Recht für wirksam erachtet.

11

I. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass es sich bei dem vorliegenden Rechtsstreit um eine Änderungskündigungsschutzklage entsprechend §§ 2, 4 Satz 2 KSchG handelt.

12

1. Der entsprechenden Anwendung der §§ 2, 4 Satz 2 KSchG auf außerordentliche Änderungskündigungen steht nicht entgegen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG keine Verweisung auf § 2 KSchG enthält(Senat 19. Juni 1986 - 2 AZR 565/85 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 16 = EzA KSchG § 2 Nr. 7). Zwar ist in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG eine Verweisung auf §§ 2, 4 Satz 2 KSchG erneut nicht erfolgt. Der Zweck des § 2 KSchG verlangt aber danach, dass der Arbeitnehmer die Wirksamkeit auch einer außerordentlichen Änderungskündigung gerichtlich überprüfen lassen kann, ohne zugleich den Verlust des Arbeitsplatzes insgesamt riskieren zu müssen(KR- Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 32).

13

2. Die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Schreibens des Beklagten vom 20. Dezember 2007 ergibt, dass darin eine Änderungskündigung iSv. § 2 Satz 1 KSchG ausgesprochen wurde. Es wurde die Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt verbunden mit einem Angebot zu dessen Fortsetzung zu geänderten Bedingungen. Im ersten und drittletzten Absatz des Schreibens ist ausdrücklich von einer „Änderungskündigung“ die Rede. Aus dem Zusammenhang des Schreibens wird zudem erkennbar, dass der beklagte Landkreis das auf Seite 2 wiedergegebene, dem Kläger bereits zuvor in einem Gespräch unterbreitete Änderungsangebot aufrechterhielt.

14

3. Es kann dahinstehen, ob der Kläger das Änderungsangebot rechtzeitig unter Vorbehalt gemäß § 2 Satz 1 KSchG angenommen hat. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Annahme bei einer außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist unverzüglich erklärt werden muss, oder, wie bei einer ordentlichen Kündigung, lediglich innerhalb der Frist gemäß § 2 Satz 2 KSchG. Der Beklagte hat sich jedenfalls nachträglich auf eine möglicherweise verspätete Erklärung eingelassen.

15

a) Erklärt der Arbeitnehmer die Annahme unter Vorbehalt nicht fristgerecht, ist die verspätete Erklärung nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrags unter Vorbehalt zu verstehen. Dieses kann der Arbeitgeber seinerseits annehmen. Der Arbeitgeber kann sich folglich auch nachträglich auf eine verspätete Annahme unter Vorbehalt einlassen (Senat 17. Juni 1998 - 2 AZR 336/97 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 89, 149).

16

b) Dies ist hier geschehen. Spätestens aufgrund ihrer übereinstimmenden Erklärung während der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 16. September 2009 bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, dass das Arbeitsverhältnis, falls der Kläger mit seiner Klage keinen Erfolg haben sollte, über den 30. Juni 2008 hinaus zu den Bedingungen fortbestünde, die sich aus dem Änderungsangebot vom 20. Dezember 2007 und dem - ebenfalls unter Vorbehalt geschlossenen - Arbeitsvertrag vom 18. September 2008 ergäben.

17

II. Die Änderungskündigung ist nicht mangels hinreichender Bestimmtheit des Änderungsangebots rechtsunwirksam. Auch die Schriftform gemäß § 623 BGB ist gewahrt.

18

1. Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne weiteres annehmen kann. Dies muss bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der Fall sein. Eine spätere Klarstellung durch den Arbeitgeber reicht nicht aus (Senat 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16, 20, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141). Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB erstreckt sich auch auf das Änderungsangebot. Dieses ist Bestandteil der Kündigung. Der Inhalt des Änderungsangebots muss im Kündigungsschreiben zumindest hinreichenden Anklang finden (sog. Andeutungstheorie). Dabei sind ggf. auch außerhalb des Schreibens liegende Umstände zur Auslegung der Erklärung heranzuziehen und zu berücksichtigen (Senat 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58).

19

2. Dem Schreiben des Beklagten vom 20. Dezember 2007 ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass das Änderungsangebot eine ganzjährige Tätigkeit des Klägers auf dem Bauhof zum Gegenstand hatte, wo der Kläger außerhalb der Badesaison schon in der Vergangenheit tätig war. Die Vergütung sollte sich nach Entgeltgruppe 3 TVöD richten, da es sich um Hilfsarbeitertätigkeiten handele, welche ohne erlernten handwerklichen Beruf ausgeübt werden könnten. Damit sind der Inhalt der Tätigkeit und die Höhe der Vergütung hinreichend bestimmt, die übrigen Arbeitsbedingungen ergaben sich aus den schon bisher auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbaren Tarifregelungen.

20

III. Die Änderungskündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD iVm. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT unwirksam.

21

1. Nach § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT konnte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers unter bestimmten Voraussetzungen zum Zwecke der Herabgruppierung um lediglich eine Vergütungsgruppe kündigen, wenn der Angestellte dauerhaft außerstande war, diejenigen Arbeitsleistungen zu erfüllen, für die er eingestellt wurde.

22

2. Diese Regelung fand zum Kündigungszeitpunkt keine Anwendung mehr.

23

a) § 55 BAT wurde mit Wirkung zum 1. Oktober 2005 durch § 34 TVöD abgelöst. § 34 TVöD sieht eine mit § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT vergleichbare Regelung nicht mehr vor.

24

b) § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist auch nicht wegen § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD weiter anwendbar. Nach dieser Bestimmung „verbleibt es dabei, soweit Beschäftigte nach den bis zum 30. September 2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren“.

25

aa) Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD „verbleibt“ es insoweit nur bei der „tariflichen Unkündbarkeit“ als solcher, nicht auch bei deren einzelnen Modalitäten. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut von § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD als auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang. Die tarifliche Verschlechterung des Sonderkündigungsschutzes begegnet unter Vertrauensschutzerwägungen keinen Bedenken (zur Begründung im Einzelnen vgl. Senat 27. November 2008 - 2 AZR 757/07 - Rn. 13 - 22, BAGE 128, 308).

26

Damit ist auch § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nicht mehr anzuwenden (ebenso wohl Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2010 § 34 TVöD Rn. 33; Bröhl ZTR 2006, 174, 179; Eylert PersR 2007, 92, 99; Fritz ZTR 2006, 2, 10; Görg/Guth/Hamer/Pieper-Guth TVöD § 34 Rn. 80; Guth PersR 2008, 313, 316; aA, ebenso wie für § 55 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT: Hock, ZTR 2005, 558, 561). Die Bestimmung hat ebenfalls lediglich eine weitere Modalität tariflicher Unkündbarkeit zum Gegenstand.

27

bb) Aus Satz 4 der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt (Besitzstandsregelungen) des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts vom 13. September 2005 (TVÜ-VKA) ergibt sich nichts anderes. Darin ist bestimmt, dass ua. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT in seinem „bisherigen Geltungsbereich“ unberührt bleibt. § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT ist nicht aufgeführt. Dies zeigt, dass die Modalitäten der Unkündbarkeit nicht bereits nach § 34 Abs. 2 Satz 2 TVöD weitergelten. Anderenfalls hätte es der ausdrücklichen Anordnung der Weitergeltung von § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT nicht bedurft (Görg/Guth/Hamer/Pieper-Guth TVöD § 34 Rn. 80).

28

Nach dem weiter anzuwendenden § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn die Leistungsminderung Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit iSv. §§ 8, 9 SGB VII ist oder auf einer durch die langjährige Beschäftigung verursachten Abnahme der körperlichen oder geistigen Kräfte und Fähigkeiten beruht. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

29

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich für eine Fortgeltung von § 55 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT nichts aus dem ersten und dem letzten Satz der Protokollerklärung zum 3. Abschnitt des TVÜ-VKA ableiten. Der darin enthaltene Hinweis auf noch nicht abgeschlossene Verhandlungen zur Überleitung der Entgeltsicherung bei Leistungsminderung betrifft nicht die Regelungen zur Unkündbarkeit in § 55 BAT, sondern die bei Arbeitsunfall und Berufskrankheit nach § 56 BAT zu zahlende Ausgleichszulage.

30

IV. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Änderungskündigung vom 20. Dezember 2007 sei durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gerechtfertigt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

31

1. Gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD konnte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers, der im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihm beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD gilt auch für eine Änderungskündigung(Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr-Eylert TVöD Stand Juni 2010 § 34 TVöD-AT Rn. 23). Mit dem Begriff des „wichtigen Grundes“ knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an(vgl. Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, AP BGB § 626 Nr. 225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 der Gründe mwN, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 626 Krankheit Nr. 1). Bei einer derartigen Bezugnahme gilt zugleich § 626 Abs. 2 BGB, wonach die außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Wochen erklärt werden kann(Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 12, aaO; 5. Februar 1998 - 2 AZR 227/97 - zu II 4 der Gründe, BAGE 88, 10).

32

a) Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind (Senat 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 80, 185). Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, AP BGB § 626 Nr. 225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16). Ein wichtiger Grund kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 24, aaO; 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22), wenn eine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, mit einer außerordentlichen Änderungskündigung. Ist die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen, kann eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigt sein (Senat 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 b der Gründe mwN, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 11 = EzA BGB 2002 § 626 Krankheit Nr. 1; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

33

b) Im Fall eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers kommt der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung - wenn möglich - durch andere Maßnahmen abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu. Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren (Senat 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 35, AP BGB § 626 Nr. 225 = EzA BGB 2002 § 626 Unkündbarkeit Nr. 16; 23. März 1972 - 2 AZR 216/71 - zu 2 der Gründe, BAGE 24, 222). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, um eine Kündigung zu vermeiden (vgl. für eine außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 25, AP BAT § 55 Nr. 5 = EzA KSchG § 2 Nr. 60; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 29, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58). Ist der Arbeitnehmer ordentlich unkündbar, kann der Arbeitgeber im Einzelfall verpflichtet sein, zur Vermeidung einer außerordentlichen Änderungskündigung einen gleichwertigen Arbeitsplatz freizukündigen (vgl. Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 28, aaO). Hingegen muss auch der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich nicht versuchen, zur Vermeidung einer Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu erreichen (vgl. Senat 18. Mai 2006 - 2 AZR 207/05 - Rn. 34, aaO).

34

c) Ob der Arbeitnehmer in eine ihm angesonnene Änderung billigerweise einwilligen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 143 = EzA KSchG § 2 Nr. 75; 29. März 2007 - 2 AZR 31/06 - Rn. 30, EzA KSchG § 2 Nr. 66). Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle angebotenen Änderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich von deren Inhalt nicht weiter entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 235/08 - Rn. 18, aaO; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58). Zumutbar ist eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen dem Arbeitnehmer insbesondere dann, wenn dies die einzige Möglichkeit darstellt, ihn überhaupt weiterzubeschäftigen (vgl. Senat 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - Rn. 34, aaO; 27. September 2001 - 2 AZR 487/00 - zu II 2 d der Gründe, EzA KSchG § 15 nF Nr. 54).

35

d) Wenn neben der Tätigkeit auch die Vergütung des Arbeitnehmers geändert werden soll, sind beide Elemente des Änderungsangebots am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen.

36

aa) Eine gesonderte Rechtfertigung des Vergütungsangebots ist nur dann entbehrlich, wenn dieses sich aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (Senat 27. November 2008 - 2 AZR 757/07 - Rn. 31, BAGE 128, 308; 29. November 2007 - 2 AZR 388/06 - Rn. 41, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 136 = EzA KSchG § 2 Nr. 69). In einem solchen Fall ist eine Aufspaltung des Änderungsangebots in die Veränderung der Tätigkeit einerseits und deren Vergütung andererseits aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Die neue Tätigkeit ist einer bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, so dass sich ihre Vergütung „automatisch“ ergibt. Ist die Veränderung der Tätigkeit als solche unabweisbar und daher geeignet, eine darauf gerichtete außerordentliche Änderungskündigung zu rechtfertigen, so gilt dies auch hinsichtlich der Änderung der Eingruppierung (Senat 21. Juni 1995 - 2 ABR 28/94 - zu B II 2 a bb der Gründe, BAGE 80, 185). Dem Arbeitgeber ist es in diesen Fällen regelmäßig nicht zumutbar, lediglich die Tätigkeit des Arbeitnehmers den neuen Gegebenheiten anzupassen und es bei der bisherigen - nunmehr übertariflichen - Bezahlung zu belassen (Senat 17. März 2005 - 2 ABR 2/04 - zu B II 4 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59).

37

bb) Maßgeblich ist, ob die geänderte Tätigkeit tatsächlich entsprechend einer Tarifautomatik vergütet wird oder nicht. Hat der Arbeitgeber zwar die bisherige Tätigkeit übertariflich entlohnt, vergütet er die geänderte Tätigkeit aber generell nur tariflich, gebietet es der Änderungskündigungsschutz nicht, dem von der Änderungskündigung betroffenen Arbeitnehmer auch für die geänderte Tätigkeit eine - wie auch immer bemessene - übertarifliche Vergütung zu zahlen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn sich die geänderte Vergütung nicht aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt (vgl. Löwisch SAE 2007, 49, 50).

38

2. Gemessen daran war die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung des Beklagten vom 20. Dezember 2007 unabweisbar notwendig und sind die geänderten Bedingungen dem Kläger zumutbar.

39

a) Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, dass der Kläger auf Dauer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr als Schwimmmeister hat eingesetzt werden können.

40

aa) Damit lag eine in der Sphäre des Klägers liegende schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses vor. Diese machte es dem Beklagten auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar, den Kläger auf Dauer als Schwimmmeister weiterzubeschäftigen. Dem Beklagten war es nicht zumutbar, eine Umverteilung der Aufgaben der Rettungsschwimmer in der Weise vorzunehmen, dass künftig nur die beiden Kollegen des Klägers für die Rettung Ertrinkender zuständig wären. Eine Aufgabentrennung in die reine Aufsicht einerseits und die Rettung Ertrinkender andererseits war weder sachlich sinnvoll noch personell umsetzbar. Insbesondere war eine Dienstplangestaltung, die neben dem Kläger immer mindestens einen weiteren Mitarbeiter des Rettungsdienstes vorsähe, nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht möglich. Eine Möglichkeit, den Kläger an anderer Stelle gleichwertig zu beschäftigen, bestand ebenfalls nicht.

41

bb) Dem Umstand, dass es für den Kläger im Jahr 2008 während der gesamten Badesaison wegen bestimmter Baumaßnahmen ohnehin keine Einsatzmöglichkeit als Schwimmmeister gegeben hätte, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Am dauerhaften Fehlen einer Eignung zum Einsatz als Schwimmmeister ändert es nichts, dass ein solcher Einsatz des Klägers vorübergehend noch aus einem weiteren Grund nicht möglich war.

42

cc) Es bedarf keiner Entscheidung, ob auch eine fristlose Änderungskündigung gerechtfertigt gewesen wäre. Der Beklagte hat die Kündigung nicht fristlos, sondern unter Gewährung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist ausgesprochen.

43

b) Der Beklagte hat dem Kläger nur solche Vertragsänderungen angeboten, die dieser billigerweise akzeptieren muss.

44

aa) Die Änderung der Tätigkeit verstößt nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei der angebotenen Hilfsarbeiterstelle auf dem Bauhof um die einzige noch verbliebene Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen. Andere Alternativen kamen nicht in Betracht. Das Änderungsangebot war damit die einzige Möglichkeit, eine sonst erforderliche Beendigungskündigung zu vermeiden.

45

bb) Die - wenn auch beträchtliche - Änderung der Vergütung ist vom Kläger hinzunehmen. Sie stellt sich nicht etwa als Lohnkürzung bei unveränderten Arbeitsaufgaben dar. Sie knüpft an die neue Tätigkeit an und entspricht dem für diese maßgeblichen Vergütungssystem.

46

(1) Die Eingruppierung im Bereich der Kommunen richtet sich gemäß § 17 Abs. 1 TVÜ-VKA weiterhin nach §§ 22, 23 BAT, solange eine Entgeltordnung zum TVöD nicht vereinbart ist. Die vorläufige Zuordnung der bisherigen Vergütungsgruppen zu den neuen Entgeltgruppen ergibt sich aus Anlage 3 TVÜ-VKA.

47

(2) Der Entgeltgruppe 3 TVöD sind nach Anlage 3 TVÜ-VKA ua. die bisher in Lohngruppe 2 mit Aufstieg nach Lohngruppe 3 oder 3a und die in Lohngruppe 3 mit Aufstieg nach Lohngruppe 3a eingereihten gewerblichen Tätigkeiten zugeordnet. Der Entgeltgruppe 4 TVöD entsprechen die bisher in Lohngruppe 4 mit Aufstieg nach Lohngruppe 4a und die in Lohngruppe 3 mit Aufstieg nach Lohngruppe 4 oder 4a eingereihten Tätigkeiten.

48

(3) Die vom Kläger als Hilfsarbeiter im Bauhof auszuübenden Tätigkeiten unterfallen allenfalls der Lohngruppe 3 Fallgruppe 2 des maßgeblichen Lohngruppenverzeichnisses des Bezirkstarifvertrags Nr. 6 zum BMT-G II ohne Möglichkeit des Aufstiegs nach Lohngruppe 4 oder 4a. Eine Eingruppierung in Lohngruppe 4 oder in Lohngruppe 3 mit möglichem Aufstieg nach Lohngruppe 4 oder 4a setzt zumindest eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf und die Beschäftigung in diesem oder einem verwandten Beruf voraus. Dass diese Voraussetzungen vorlägen, ist vom Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch von dem Kläger geltend gemacht.

49

(4) Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Kläger mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 8 TVöD bislang tarifgerecht oder übertariflich entlohnt wurde. Selbst wenn die bisherige Vergütung übertariflich gewesen sein sollte, hätte der Beklagte dem Kläger nicht auch für die geänderte Tätigkeit eine übertarifliche Vergütung anbieten müssen. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die Vergütung für diese Tätigkeit aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt. Es ist weder festgestellt, noch macht der Kläger geltend, der Beklagte vergüte Hilfsarbeitertätigkeiten auf dem Bauhof übertariflich.

50

(5) Der Beklagte war auch im Hinblick auf die beträchtliche Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Vergütung des Klägers nicht verpflichtet, diesem eine weniger einschneidende Änderung oder eine Übergangsregelung anzubieten. Die Existenz eines kollektiven Vergütungssystems lässt für den Arbeitgeber - zumal im öffentlichen Dienst - eine andere als die sich aus diesem ergebende Vergütung grundsätzlich nicht zu. Der Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit ist zudem nicht aufgrund bestimmter unternehmerischer Entscheidungen eingetreten, sondern beruht allein auf Gründen in der Person des Klägers.

51

3. Der Beklagte hat die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Bei dem für die Änderungskündigung maßgeblichen Mangel der Eignung des Klägers für die bisherige Tätigkeit handelt es sich um einen sog. Dauertatbestand. Für die Einhaltung der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist es ausreichend, dass dieser Tatbestand auch noch in den letzten beiden Wochen vor Ausspruch der Kündigung vorgelegen hat(vgl. Senat 21. März 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 8 = EzA BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 10).

52

V. Als unterlegene Partei hat der Kläger gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Oktober 2010 - 17 Sa 540/10 - teilweise aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 8. März 2010 - 1 Ca 2434/09 v - wird zurückgewiesen.

3. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist.

b) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 3.281,68 Euro seit dem 1. Juli 2009 und dem 1. August 2009, aus 2.971,92 Euro seit dem 1. September 2009 und aus je 2.436,88 Euro seit dem 1. Oktober 2009, dem 1. November 2009, dem 1. Dezember 2009 und dem 29. Januar 2010 zu zahlen.

4. Die weitergehende Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.

5. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens haben zu 1/6 der Kläger, zu 5/6 der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Beklagten und Vergütungsansprüche des Klägers.

2

Der 1948 geborene Kläger war seit Juli 1997 bei dem beklagten Verein als Ergotherapeut beschäftigt. Der Beklagte betreibt eine Fachklinik für Suchterkrankungen. In ihr werden insbesondere alkohol-, medikamenten- und drogenabhängige Patienten behandelt. Der Kläger war im Bereich der sog. Arbeits- und Kreativtherapie tätig. In deren Rahmen sollen die Patienten von Suchtmitteln entwöhnt werden. Der Kläger ist selbst „Alkoholiker“. Dies war dem Beklagten bei der Einstellung bekannt. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass der Kläger „trocken“ sei.

3

Im Herbst 2006 kam es beim Kläger zu einem Rückfall. Am 20. Dezember 2006 wurde während des Dienstes bei ihm Alkoholgeruch festgestellt. Der Kläger gab an, alkoholhaltige Hustentropfen eingenommen zu haben. Ein mit seinem Einverständnis durchgeführter Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,76 Promille. Aufgrund dieses Umstands erteilte ihm der Beklagte am 10. Januar 2007 eine Abmahnung. Am 5. Februar 2007 wurde beim Kläger während der Arbeitszeit erneut Alkoholgeruch festgestellt. Am 13. Februar 2007 erteilte ihm der Beklagte eine weitere Abmahnung. Vom 14. März bis 24. April 2007 unterzog sich der Kläger einer stationären Entwöhnungsbehandlung. Anschließend nahm er seinen Dienst wieder auf.

4

Am 16. August 2007 wurde beim Kläger bei einer Teamsitzung abermals Alkoholgeruch festgestellt. Ein Test ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,3 Promille. Mit Schreiben vom 17. August 2007 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Im Gütetermin am 22. Februar 2008 verständigten sich die Parteien auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und die Entfernung der Abmahnungen von Januar und Februar 2007 aus der Personalakte. Der Kläger erklärte sich bereit, sich bei Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Alkoholkontrolle zu unterziehen. Entsprechende Tests im März und im September 2008 blieben ohne Befund.

5

Am Vormittag des 22. Mai 2009 - zwischen 10:00 und 12:00 Uhr - stellte eine Mitarbeiterin des Beklagten wiederum Alkoholgeruch beim Kläger fest. Tests ergaben eine Atemalkoholkonzentration von 0,39 Promille und einen Blutalkoholwert von 0,42 Promille. Der Kläger gab an, morgens ab 6:00 Uhr wegen starker Halsschmerzen mehrfach 10 bis 12 Tropfen „Meditonsin“ eingenommen zu haben.

6

Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 hörte der Beklagte die im Betrieb gebildete Mitarbeitervertretung zu seiner Absicht an, das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009 zu kündigen. Die Mitarbeitervertretung stimmte der fristgerechten Kündigung zu. Mit Schreiben vom 28. Mai 2009 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31. Dezember 2009.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, der Vorfall vom 22. Mai 2009 vermöge die Kündigungen nicht zu rechtfertigen. Es liege weder ein auf Krankheit beruhender Grund in seiner Person noch ein Grund in seinem Verhalten vor, der die Kündigung bedinge. Er habe nicht Alkohol, sondern Medizin zu sich genommen. Im Übrigen sei er selbst dann, wenn er in privatem Umfeld Alkohol konsumiert habe, als Therapeut von Suchtkranken nicht ungeeignet. Die Mitarbeitervertretung sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Sie sei über die näheren Umstände des gerichtlichen Verfahrens aus dem Jahr 2007 und über seine Bemühungen zur Verlängerung der Entwöhnungstherapie nicht ausreichend unterrichtet worden. Außerdem habe der Beklagte vor Ausspruch der Kündigung eine Eingliederungsmaßnahme versuchen müssen. Überdies sei die zum Umgang mit suchtkranken Beschäftigten abgeschlossene Dienstvereinbarung nicht beachtet worden. Der Kläger hat ferner Vergütung für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und darüber hinaus bis einschließlich Oktober 2010 geltend gemacht. Erhaltenes Arbeitslosengeld lässt er sich anrechnen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 unwirksam ist;

        

2.    

für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 28. Mai 2009 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 22.971,69 Euro brutto abzüglich 3.688,96 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus gestaffelten Beträgen ab unterschiedlichen Zeitpunkten sowie weitere 31.567,60 Euro brutto abzüglich 8.448,00 Euro netto zu zahlen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, schon die fristlose Kündigung sei wegen schwerwiegender Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen gerechtfertigt. Aufgrund des Rückfalls sei es ihm unmöglich, den Kläger weiter als Therapeuten von Suchtpatienten einzusetzen. Diese könnten auf untrügliche Art feststellen, dass er rückfällig geworden sei. Dieser Umstand gefährde die Therapie. Einer Maßnahme nach § 84 Abs. 2 SGB IX habe es nicht bedurft. Der Kläger weise keine dort vorausgesetzten längeren Fehlzeiten auf. Die Vorgaben der - zwischenzeitlich gekündigten - Dienstvereinbarung seien eingehalten worden. Die Mitarbeitervertretung habe er ordnungsgemäß unterrichtet. Ihr seien die Umstände des früheren Verfahrens bekannt gewesen.

10

Das Arbeitsgericht hat auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung erkannt und den Beklagten zur Gehaltszahlung bis zum 31. Dezember 2009 verurteilt. Soweit sie sich gegen die ordentliche Kündigung richtet, hat es die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat es die Unwirksamkeit auch der ordentlichen Kündigung festgestellt und dem weitergehenden Zahlungsantrag des Klägers stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht der Berufung des Klägers stattgegeben hat. Im Übrigen ist sie weitgehend unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung als unwirksam erachtet (I.). Die ordentliche Kündigung ist dagegen wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 aufgelöst (II.). Bis dahin kann der Kläger Vergütungszahlung verlangen; allerdings hat schon das Arbeitsgericht ihm zuviel Zinsen zugesprochen. Weitergehende Vergütungsansprüche stehen dem Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu (III.).

12

I. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Landesarbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten hat. Die fristlose Kündigung des Beklagten vom 28. Mai 2009 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB.

13

1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dafür ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, dh. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angesichts der konkreten Umstände des Falls und bei Abwägung der Interessen beider Vertragsteile - jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist - zumutbar ist oder nicht ( BAG 19. April 2012 - 2 AZR 258/11 - Rn. 13, NZA-RR 2012, 567; 9. Juni 2011 - 2 AZR 323/10 - Rn. 14, AP BGB § 626 Nr. 236 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 36 ).

14

2. An eine Kündigung, die auf ein Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das im Zusammenhang mit einer Alkoholsucht steht, sind grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie an krankheitsbedingte Kündigungen zu stellen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 18 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 18). Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit; verstößt ein Arbeitnehmer infolge seiner Abhängigkeit gegen arbeitsvertragliche Pflichten, ist ihm zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung kein Schuldvorwurf zu machen (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B II 2 der Gründe, aaO). Krankheit ist zwar nicht generell ungeeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Schon an eine ordentliche Kündigung wegen Erkrankung des Arbeitnehmers ist jedoch ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa bei einem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 a der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 159 = EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 2; 9. Juli 1998 - 2 AZR 201/98 - zu II 1 c der Gründe, EzA BGB § 626 Krankheit Nr. 1).

15

3. Danach ist die fristlose Kündigung hier weder aus Gründen im Verhalten noch aus Gründen in der Person des Klägers gerechtfertigt.

16

a) Ein vorwerfbarer Pflichtverstoß liegt nicht vor. Zwar verletzt der Kläger, wenn er unter Alkoholeinfluss seine Tätigkeit ausübt, seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Die therapeutische Arbeit in der Entwöhnungsbehandlung von Suchterkrankten erlaubt es nicht, dass der Therapeut selbst unter Alkoholeinfluss steht. Die Vermittlung eines Bewusstseins dafür, die Sucht beherrschen zu können, würde erheblich erschwert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Zustand einer - merklichen - Alkoholisierung durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke oder die Einnahme alkoholhaltiger Medikamente herbeigeführt wurde. Dem Vorliegen einer Pflichtverletzung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte den Kläger in Kenntnis von dessen Alkoholabhängigkeit eingestellt hat. Die Einstellung erfolgte in der Annahme, dass er „trocken“, also in der Lage sei, stabil abstinent zu leben. Aufgrund seiner Alkoholabhängigkeit kann dem Kläger aber kein Schuldvorwurf gemacht werden.

17

b) Die fristlose Kündigung ist auch als krankheitsbedingte Kündigung nicht wirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB. Es sind keine Tatsachen festgestellt, aufgrund derer es dem Beklagten unzumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 fortzusetzen.

18

aa) Die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für den Beklagten nicht ausgeschlossen, eine fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses also grundsätzlich möglich.

19

bb) Die Kündigungsfrist betrug gemäß § 2 des Arbeitsvertrags der Parteien iVm. § 33 Abs. 1 BAT-KF sieben Monate zum Monatsende. Sie war damit zwar nicht unbeträchtlich. Angesichts der Umstände des Streitfalls war dem Beklagten aber die Weiterbeschäftigung des Klägers bis zu ihrem Ablauf zumutbar. Zum einen war dem Beklagten von Beginn an bekannt, dass der Kläger Alkoholiker ist und damit das Risiko eines Rückfalls bestand. Zum anderen war der Kläger bereits Ende des Jahres 2006 rückfällig geworden, ohne dass dies seiner Weiterbeschäftigung ab sofort entgegengestanden hätte. Der Beklagte beließ es vielmehr zunächst bei Abmahnungen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Alkoholauffälligkeiten des Klägers auch nach seinem Rückfall vereinzelt geblieben sind. Der Kläger war überdies nach der Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 zunächst für etwa vier Monate, zuletzt für anderthalb Jahre unauffällig. Damit war es dem Beklagten zuzumuten, den Kläger für die begrenzte Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen und solange ggf. etwas häufigere Kontrollen durchzuführen.

20

II. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht auch die fristgerechte Kündigung für unwirksam gehalten hat.

21

1. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

22

a) Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (vgl. zu den Anforderungen an krankheitsbedingte Kündigungen BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55).

23

b) Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund seiner Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Ergotherapeut in der Suchtklinik des Beklagten auf Dauer ordnungsgemäß erbringen zu können.

24

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Therapeut von Suchtkranken nicht einsetzbar. Als Ergotherapeut arbeitet er eng mit den Patienten zusammen. Es besteht die Gefahr, dass diese in ihrem eigenen Kampf gegen die Sucht erheblich beeinträchtigt werden, wenn sie bemerken, dass ihr Therapeut unter Alkoholeinfluss steht.

25

bb) Aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit war im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, beim Kläger sei auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit zu rechnen.

26

(1) Eine Alkoholisierung war beim Kläger erstmals am 20. Dezember 2006 und am 5. Februar 2007 festgestellt geworden. Obwohl er sich im Zeitraum vom 14. März bis 24. April 2007 einer stationären Entwöhnungsbehandlung unterzogen hatte, wurde er am 16. August 2007 erneut alkoholauffällig. Zwar hat der Beklagte die wegen der ersten beiden Auffälligkeiten erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der auf den Vorfall vom August 2007 gestützten Kündigung nicht festgehalten. Die zugrunde liegenden Tatsachen bleiben aber berücksichtigungsfähig. Am 22. Mai 2009 versah der Kläger abermals unter Alkoholeinfluss seinen Dienst.

27

(2) Dies rechtfertigte die Prognose, der Kläger habe seine Alkoholkrankheit auch nach der Entwöhnungsbehandlung nicht verlässlich unter Kontrolle. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass zwischen den beiden nach der Behandlung festgestellten Alkoholisierungen ein Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren lag. Er zeigt gerade, dass trotz der längeren „trockenen“ Periode eine günstige Prognose nicht gestellt werden konnte.

28

(3) Nach dem Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, warum für die Zukunft gleichwohl mit weiteren Beeinträchtigungen durch seine Alkoholabhängigkeit nicht zu rechnen gewesen sei. Er hat nicht etwa behauptet, dass er vor Ausspruch der Kündigung eine neuerliche, nunmehr möglicherweise erfolgreichere Entwöhnungsbehandlung durchgeführt habe. Unerheblich ist, ob die festgestellten Alkoholisierungen Folge der Einnahme alkoholhaltiger Medikamente oder alkoholhaltiger Getränke waren. Die Tätigkeit eines Therapeuten von Suchtkranken wird durch Alkoholauffälligkeiten während des Dienstes unabhängig davon beeinträchtigt, in welcher Form er den Alkohol zu sich genommen hat.

29

c) Aus dem Umstand, dass eine auf Dauer ordnungsgemäße Leistung des Klägers nicht zu erwarten war, folgt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

30

aa) Der Beklagte musste befürchten, dass bei auch zukünftig zu erwartenden Alkoholauffälligkeiten des Klägers die sachgerechte Behandlung der Patienten beeinträchtigt und ein Therapieerfolg gefährdet würde. Schon eine solche Gefährdung ist für den Beklagten nicht hinnehmbar. Er hat gegenüber Patienten und Leistungsträgern die Pflicht, schädliche Einflüsse auf den Behandlungserfolg möglichst auszuschließen.

31

bb) Eine andere Möglichkeit, den Kläger zu beschäftigen, bestand nach dem Vorbringen des Beklagten nicht. Auch der Kläger hat sich auf eine solche Möglichkeit - etwa eines Einsatzes bei anderen als suchtkranken Patienten oder mit anderen als therapeutischen Tätigkeiten - nicht berufen. Den Beklagten trifft insoweit nicht deshalb eine erhöhte Darlegungslast, weil er vor der Kündigung kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt hat. Diese Verpflichtung, deren Missachtung zu einer Erweiterung der Darlegungslast des Arbeitgebers hinsichtlich des Fehlens anderer Einsatzmöglichkeiten führen kann (vgl. dazu BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234), betrifft nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nur Beschäftigte, die innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Diese Voraussetzung lag im Streitfall nicht vor.

32

d) Die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Belange des Beklagten überwiegen. Die mit der nicht beherrschten Alkoholabhängigkeit des Klägers einhergehenden Belastungen muss der Beklagte auf Dauer nicht hinnehmen.

33

aa) Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht entscheidend darauf an, dass mit erheblichen Ausfallzeiten des Klägers nicht zu rechnen war. Die Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt nicht aus der Dauer der zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Sie folgt daraus, dass wegen der beim Kläger auch künftig nicht auszuschließenden Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht gewährleistet war. Selbst wenn der Kläger in einem anderen Umfeld auch unter Alkoholeinfluss ergotherapeutische Maßnahmen fachgerecht mag anleiten können, steht seiner weiteren Beschäftigung als Therapeut suchtkranker Patienten die von ihm nicht beherrschte Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit entgegen.

34

bb) Das betriebliche Interesse des Beklagten, die ihm anvertrauten Suchtkranken nicht in die Behandlung eines Therapeuten zu geben, bei dem die Gefahr besteht, dass er während seiner Arbeit unter Alkoholeinfluss steht, wiegt schwer. Die Beschäftigung persönlich geeigneter Therapeuten liegt nicht nur im unmittelbaren unternehmerischen Interesse des Beklagten. Vielmehr verlangt auch die Verantwortung für die sachgerechte Behandlung der Patienten danach, mit dieser keine persönlich ungeeigneten Therapeuten zu betrauen.

35

cc) Es war dem Beklagten nicht zumutbar, der Gefahr einer Alkoholisierung des Klägers dauerhaft durch verstärkte Kontrollen zu begegnen. Eine effektive Kontrolle hätte stattzufinden, bevor es zu einem Kontakt mit den Patienten kommt. Sie vorzunehmen ist auf Dauer kaum möglich, dem Beklagten jedenfalls nicht zumutbar. Der Kläger war rückfälliger Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

36

dd) Die Belange der Beklagten werden durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit von zwölf Jahren und das Alter des Klägers von über 60 Jahren nicht aufgewogen. Der Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten im Dienst mehrfach die Chance einer Bewährung gegeben. Er hat die stationäre Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 abgewartet (vgl. zu diesem für die Interessenabwägung relevanten Gesichtspunkt BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96) und auch nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2007 an einer Kündigung nicht festgehalten. Er hat damit alles ihm Zumutbare für einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Jedenfalls nach dem erneuten Vorfall im Mai 2009 überwogen seine Interessen an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

37

ee) Ein anderes Ergebnis wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn - wie der Kläger geltend gemacht hat - die Entwöhnungsbehandlung im Jahr 2007 medizinisch nicht ausreichend gewesen wäre, der Versicherungsträger aber eine Verlängerung abgelehnt hätte. Das Scheitern der Behandlung wäre jedenfalls nicht dem Beklagten zuzurechnen. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, dieser habe ihn zu einer unzureichenden oder zu kurzen Therapie gedrängt oder ihm eine längere Therapie verweigert.

38

2. Die Kündigung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte gegen die „Dienstvereinbarung gemäß § 36 MVG zum Umgang mit Sucht“ vom 1. Januar 2004 verstoßen hätte.

39

a) Die Dienstvereinbarung sieht unter den Ziff. 3.1 bis 3.5 ein näher bestimmtes Verfahren für den Umgang mit Beschäftigten mit Suchtproblemen vor. § 36 Abs. 3 des Kirchengesetzes über Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland(MVG-EKD) bestimmt, dass Dienstvereinbarungen unmittelbar gelten und im Einzelfall nicht abbedungen werden können.

40

b) Feststellungen zur Anwendbarkeit kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Einer Aufklärung bedarf es nicht. Selbst wenn unterstellt wird, dass § 36 Abs. 3 MVG-EKD Anwendung findet und danach die Einhaltung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Alkoholabhängigkeit eines Mitarbeiters ist, ist die Kündigung nicht unwirksam. Das Verfahren nach der Dienstvereinbarung wurde eingehalten.

41

aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es genüge nicht, dass die in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen - Gespräche und Abmahnungen - vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 ergriffen worden seien, wenn es danach - wie im Streitfall - zu einer längeren beanstandungsfreien Tätigkeit gekommen sei.

42

bb) Diese Auffassung überzeugt nicht. Die Auslegung der Dienstvereinbarung führt - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht dazu, dass der Beklagte nach der zwischenzeitlich beanstandungsfreien Ausübung der Tätigkeit des Klägers die einzelnen Reaktionsschritte erneut hätte durchführen müssen.

43

(1) Hat die Dienstvereinbarung, wie der Kläger meint, normativen Charakter, ist sie - ebenso wie Betriebsvereinbarungen - wie ein Gesetz auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 10. Februar 2009 - 1 AZR 767/07 - Rn. 27, BAGE 129, 302; 26. August 2008 - 1 AZR 346/07 - Rn. 21, EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 28).

44

(2) Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Regelungen der Dienstvereinbarung ergeben, dass das dem Ausspruch einer Kündigung vorgeschaltete gestufte Interventionsverfahren jedenfalls nicht schon nach weniger als zwei Jahren Abstinenz erneut Anwendung finden muss. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Das unter Ziff. 3 der Dienstvereinbarung geregelte Verfahren abgestufter Reaktionen auf jede weitere Suchtauffälligkeit eines Arbeitnehmers ist ersichtlich auf einen Erhalt des Arbeitsverhältnisses gerichtet. Es nimmt dafür einen längeren Interventionszeitraum in Kauf, sieht jedoch als letzte Maßnahme auch eine Kündigung und damit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor. Nicht vorgesehen ist, dass das Verfahren bei einem längeren Abstand zwischen zwei suchtbedingten Auffälligkeiten erneut und von vorne zu beginnen hätte. Unter Ziff. 5 der Dienstvereinbarung ist zwar bestimmt, dass abstinent lebende Suchtkranke nach zwei Jahren Anspruch darauf haben, Hinweise auf die Abhängigkeit aus der Personalakte zu entfernen. Dies lässt aber erkennen, dass eine Zeit der Abstinenz von weniger als zwei Jahren nach dem Willen der Regelungsgeber noch keine erhebliche Zäsur darstellt.

45

(3) Danach bedurfte es vor Ausspruch der Kündigung im Mai 2009 keiner neuerlichen Durchführung des in der Dienstvereinbarung vorgesehenen Verfahrens bei suchtauffälligen Arbeitnehmern. Seine Einhaltung vor Ausspruch der Kündigung im Jahr 2007 war ausreichend. Bei der Alkoholabhängigkeit des Klägers, die sowohl zur Kündigung im Jahr 2007 als auch zur hier streitgegenständlichen Kündigung führte, handelte es sich um eine im Sinne der Dienstvereinbarung einheitliche Suchtproblematik. Zwischen der Arbeitstätigkeit des Klägers unter Alkoholeinfluss am 16. August 2007 und der Alkoholauffälligkeit am 22. Mai 2009 lag ein Zeitraum von weniger als zwei Jahren. Beanstandungsfrei tätig war der Kläger von der Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 3. März 2008 bis zum Vorfall am 22. Mai 2009 sogar nur knapp 15 Monate.

46

(4) Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte die zuvor erteilten Abmahnungen aus der Personalakte entfernt und an der ersten Kündigung nicht festgehalten hat, folgt nicht, dass das Verfahren nach der Dienstvereinbarung in den Stand vor Ausspruch der Abmahnungen zurückversetzt worden wäre. Der Beklagte war nicht gehalten, wegen der erneuten Alkoholauffälligkeit des Klägers wiederum zunächst nur eine Abmahnung auszusprechen. Die freiwillige Entfernung der schon erteilten Abmahnungen aus der Personalakte änderte nichts daran, dass diese im Sinne der Dienstvereinbarung wegen Suchtauffälligkeiten ausgesprochen worden waren. Dass auch die Parteien trotz ihrer Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht davon ausgingen, Belastungen durch die Suchtauffälligkeiten des Klägers seien überwunden, zeigt sich daran, dass sich der Kläger bereit erklärte, sich bei einem Verdacht auf Alkoholkonsum während der Arbeitszeit einer Kontrolle zu unterziehen.

47

3. Die ordentliche Kündigung vom 28. Mai 2009 ist - unterstellt, auch das „Kirchengesetz über die Bildung von Mitarbeitervertretungen in kirchlichen Dienststellen in der Evangelischen Kirche im Rheinland (MVG-EKiR)“ komme zur Anwendung - nicht wegen fehlerhafter Anhörung der Mitarbeitervertretung unwirksam.

48

a) Gemäß § 42 Buchst. b MVG-EKiR hat die Mitarbeitervertretung bei einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht nach §§ 41, 38 MVG-EKiR. Die Ausübung des Mitbestimmungsrechts setzt voraus, dass die Vertretung zuvor von der Dienststellenleitung über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte informiert worden ist. Auch wenn sich die Unwirksamkeitssanktion nach § 38 Abs. 1 Satz 2 MVG-EKiR ausdrücklich nur auf Kündigungen ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung bezieht, ist sie im Interesse der Möglichkeit einer effektiven Ausübung des Mitbestimmungsrechts - vergleichbar der Situation nach § 102 Abs. 1 BetrVG - auf den Fall der unzureichenden Unterrichtung zu erstrecken(so auch Andelewski in Berliner Kommentar zum Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland § 38 Rn. 74; vgl. ferner Fey/Rehren Kirchengesetz der Mitarbeitervertretungen in der Evangelischen Kirche in Deutschland Stand August 2012 § 38 Rn. 42 f.).

49

b) Der Beklagte hat die Mitarbeitervertretung mit Schreiben vom 26. Mai 2009 ausreichend über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung unterrichtet. In dem Schreiben wurde auch auf die bereits 2007 ausgesprochene Kündigung und das im Zusammenhang mit ihr durchgeführte arbeitsgerichtliche Verfahren verwiesen. Damit hat der Beklagte die eine Kündigung aus seiner Sicht bedingenden Umstände hinreichend mitgeteilt. Ergänzender Hinweise auf die Umstände, unter denen das damalige Kündigungsschutzverfahren beendet wurde, bedurfte es nicht. Hierauf kam es aus Sicht des Beklagten für seinen Kündigungsentschluss nicht an. Die Anhörung ist auch nicht deshalb unvollständig, weil der Beklagte der Mitarbeitervertretung nicht den Schriftwechsel über den Versuch des Klägers vorgelegt hat, bei der Deutschen Rentenversicherung eine Verlängerung seiner sechswöchigen Entwöhnungsbehandlung zu erlangen. Für den Kündigungsentschluss des Beklagten war dieser vergeblich gebliebene Versuch ohne Belang. Es handelte sich auch nicht um einen der Mitarbeitervertretung mitzuteilenden entlastenden Umstand. Bei einer personenbedingten Kündigung kommt es nicht darauf an, ob und ggf. in welchem Maße die Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer vorwerfbar sind. Es kommt damit auch nicht darauf an, ob und ggf. welche „entlastenden“ Umstände es gibt. Maßgeblich ist, ob und in welchem Ausmaß auch künftig mit Störungen des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist, welche Beeinträchtigungen für den Arbeitgeber daraus folgen und ob diese ggf. so erheblich sind, dass sie die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

50

III. Die Revision ist begründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von Vergütung für Zeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist am 31. Dezember 2009 und von Zinsen auf die vollen Bruttobeträge der Vergütungen bis zu diesem Zeitpunkt verurteilt hat. Der Kläger hat dagegen Anspruch auf die vertraglich vereinbarte Vergütung - abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes - für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2009 aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG und § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG.

51

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 31. Dezember 2009 fort. Soweit der Kläger arbeitsunfähig krank war - nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vom 22. Mai bis zum 4. Juni 2009 - folgt der Vergütungsanspruch aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Im Übrigen ergibt er sich aus § 615 Satz 1 BGB, § 11 Nr. 3 KSchG. Der Beklagte befand sich nach Ausspruch der unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 22. Mai 2009 im Annahmeverzug iSd. §§ 293 ff. BGB. Der Anspruch des Klägers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil er über die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit hinaus leistungsunfähig gewesen wäre (§ 297 BGB). Ein Arbeitnehmer ist leistungsunfähig iSv. § 297 BGB, wenn er aus Gründen in seiner Person die vertraglich vereinbarten Tätigkeiten selbst teilweise nicht mehr verrichten kann(BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 13, BAGE 130, 29).Dies war auch nach dem Vorbringen des Beklagten beim Kläger nicht der Fall. Die bloße Gefahr neuerlicher Alkoholauffälligkeiten während der Arbeitszeit ließ sein Leistungsvermögen nicht generell entfallen. Der Beklagte hat nicht behauptet, es habe insoweit etwa ein - eindeutiges (vgl. dazu BAG 18. März 2009 - 5 AZR 192/08 - Rn. 15, aaO) - Beschäftigungsverbot bestanden.

52

2. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 291 BGB. Er besteht allerdings nicht in der vom Kläger geltend gemachten und ihm von den Vorinstanzen zugesprochenen, auf die vollen Bruttobeträge abstellenden Höhe. Der Kläger kann im Umfang des von ihm ab August 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes keine Zinsen verlangen (vgl. BAG 13. Juni 2002 - 2 AZR 391/01 - zu B II 2 c der Gründe, BAGE 101, 328).

53

IV. Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens waren im Verhältnis von jeweiligem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu teilen (§ 97 Abs. 1 iVm. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei einem Streitwert von 30.768,60 Euro in der Berufungs- und 29.127,77 Euro in der Revisionsinstanz - wegen § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG war der mit einem uneigentlichen Hilfsantrag verfolgte Zahlungsanspruch für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 nicht anzusetzen - ist der Kläger mit seinem gegen die ordentliche Kündigung gerichteten Antrag, dh. im Umfang eines Streitwerts von 4.922,52 Euro unterlegen.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 16. April 2013 - 2 Sa 107/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist.

2

Die im Jahr 1959 geborene Klägerin ist seit dem Jahr 1981 bei der Beklagten beschäftigt. Sie ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen ordentlich unkündbar. Seit dem Jahr 2000 war sie überwiegend als Hilfsgärtnerin tätig. Ihre Arbeitsverpflichtung erstreckt sich auf die Tage Montag bis Donnerstag bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 31,59 Stunden. Ihre durchschnittliche Bruttomonatsvergütung beträgt 2.075,00 Euro.

3

Die Beklagte betreibt Friedhöfe. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Personalrat gebildet.

4

Seit dem Jahr 2000 war die Klägerin wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Sie stellte sich mehrfach beim Personalärztlichen Dienst der Stadt vor. Dieser attestierte ihr jeweils eine positive Prognose. Die Parteien führten zudem zahlreiche Krankengespräche. Am 6. Oktober 2011 führte die Beklagte mit der Klägerin unter Beteiligung des Vorsitzenden des Personalrats ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch. Zuletzt war die Klägerin in der Zeit vom 16. November bis zum 19. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt. Die Krankheitsursache ist zwischen den Parteien streitig.

5

Mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nunmehr abschließend entschieden habe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen; der Personalratsvorsitzende sei bereits vorab informiert worden. Gleichzeitig unterbreitete sie ihr ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Dieses halte sie bis zum 6. Januar 2012 aufrecht. Die Klägerin nahm das Angebot nicht an.

6

Am 16. Januar 2012 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist. Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 19. Januar 2012 mit, dass er seine Zustimmung verweigert habe. Mit Schreiben vom 2. Februar 2012 rief die Beklagte die Einigungsstelle an. Diese ersetzte die Zustimmung am 27. März 2012. Ausfertigungen ihres Beschlusses gingen dem Personalrat und der Beklagten am 28. März 2012 zu.

7

Mit Schreiben vom selben Tage kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2012, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Dagegen hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie hat gemeint, die Kündigung sei unwirksam. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt. Auch sei ein wichtiger Grund nicht gegeben. Die Erkrankungen ihres Bewegungsapparats seien nach Durchführung von Operationen ausgeheilt. Es bestehe keine Gefahr, dass eine der verschiedenen Infektionskrankheiten künftig wieder auftrete. Im Übrigen könne sie als Friedhofsbetreuerin leidensgerecht beschäftigt werden.

8

Die Klägerin hat beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28. März 2012 nicht beendet worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Hilfsgärtnerin weiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist für wirksam gehalten. Die Klägerin habe - was mit Ausnahme von zwölf einzelnen Tagen unstreitig ist - in den Jahren von 2000 bis 2011 jeweils zwischen 19 und 163, im Durchschnitt an 75,25 Arbeitstagen krankheitsbedingt gefehlt. In den Jahren 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 34.432,82 Euro geleistet. Sie habe von einer negativen Prognose ausgehen dürfen, die auch weiterhin außerordentlich hohe wirtschaftliche Belastungen und massive Betriebsablaufstörungen erwarten lasse. Zu ihren Gunsten sei zu berücksichtigen, dass sie durch Krankengespräche und Umsetzungen der Klägerin versucht habe, deren Fehlzeiten zu reduzieren. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB habe sie gewahrt. Kündigungsgrund sei die Gesamtheit der Krankheiten der vergangenen mehr als zehn Jahre und die sich daraus ergebende - fortbestehende - Anfälligkeit für Kurzerkrankungen. Dabei handele es sich um einen Dauertatbestand.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage zwar nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben. Seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

12

I. Das Feststellungsbegehren ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. März 2012 nicht aufgelöst worden.

13

1. Allerdings hat die Beklagte, anders als das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt.

14

a) Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist einzuhalten. Sie beginnt regelmäßig, sobald der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen will oder nicht (BAG 26. September 2013 - 2 AZR 741/12 - Rn. 22). Uneingeschränkt gilt dies bei in der Vergangenheit liegenden, vollständig abgeschlossenen Kündigungssachverhalten, mögen diese auch - etwa als Vertrauensverlust - noch fortwirken. Bei Dauertatbeständen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sich der Kündigungssachverhalt und seine betrieblichen Auswirkungen fortwährend neu verwirklichen, lässt sich der Fristbeginn nach § 626 Abs. 2 BGB nicht eindeutig fixieren. Liegt ein solcher Tatbestand vor, reicht es zur Fristwahrung aus, dass die Umstände, auf die der Arbeitgeber die Kündigung stützt, auch noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben waren (BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 15, BAGE 132, 299; 25. März 2004 - 2 AZR 399/03 - zu C II 2 der Gründe).

15

b) Im Fall einer lang andauernden - durchgehenden - Arbeitsunfähigkeit liegt ein solcher Dauertatbestand vor (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu II 1 der Gründe; 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe). Der Kündigungsgrund entsteht fortlaufend neu. Der Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB ist deshalb nicht eindeutig zu fixieren. Selbst wenn die zum Kündigungsgrund zählende negative Prognose zeitlich näher bestimmbar sein sollte, gilt dies jedenfalls nicht für die weiter erforderliche erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (BAG 21. Mai 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

16

c) Auch häufige Kurzerkrankungen können einen Dauertatbestand darstellen (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 1 b der Gründe; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65).

17

aa) Kündigungsgrund ist dabei - wie im Fall einer lang andauernden Erkrankung - nicht die Erkrankung als solche, sondern die negative Gesundheitsprognose und eine daraus resultierende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen. Sie kann sowohl auf einer einheitlichen Krankheitsursache als auch auf unterschiedlichen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Die verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24 f.). Der Dauertatbestand beginnt in dem Zeitpunkt, zu welchem die bis dahin aufgetretenen Kurzerkrankungen einen solchen Schluss zum ersten Mal zulassen. Er endet in dem Zeitpunkt, zu welchem die zurückliegenden Kurzerkrankungen zum ersten Mal eine entsprechende negative Prognose nicht mehr stützen, die Vergangenheit also nicht mehr als Prognosegrundlage taugt - etwa weil die letzte Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit so lange zurückliegt, dass von dauerhafter, durchgehender Krankheitsanfälligkeit nicht mehr die Rede sein kann. Das Ende des Dauertatbestands tritt folglich nicht schon - gleichsam retrospektiv - mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit ein, an die sich ein entsprechend langer Zeitraum ohne Ausfälle anschließt. Es tritt erst mit dem Erreichen einer ausreichenden Länge eben dieses Zeitraums ein, weil erst dieser die Prognosetauglichkeit der Vergangenheit beendet.

18

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt damit die Annahme eines Dauertatbestands auch dann in Betracht, wenn die Fehlzeiten nicht auf ein und dasselbe Grundleiden zurückzuführen sind. Aus der Entscheidung des Senats vom 18. Oktober 2000 (- 2 AZR 627/99 - zu III der Gründe, BAGE 96, 65) ergibt sich nichts anderes. Dort heißt es, bei einer „noch dazu auf demselben Grundleiden beruhenden, dauernden Krankheitsanfälligkeit“ liege ein Dauertatbestand vor. Das bedeutet nicht, dass ein einheitliches Grundleiden zwingende Voraussetzung für die Annahme eines solchen Tatbestands wäre. Ebenso wenig besteht ein Widerspruch zur Senatsentscheidung vom 9. September 1992 (- 2 AZR 190/92 - dort zu II 4 der Gründe). Zwar war dort die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Vorlage einer bis dahin letzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erklärt worden und wurde die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit dieser Begründung als gewahrt angesehen. Ob davon nicht zudem aufgrund des Vorliegens eines Dauertatbestands hätte ausgegangen werden können, wurde aber nicht erörtert. Die Entscheidung handelt dementsprechend von einer hinreichenden, nicht von einer notwendigen Bedingung.

19

d) Da der Arbeitnehmer in den Fällen häufiger Kurzerkrankungen typischerweise über einen längeren Zeitraum hinweg teilweise gesund, teilweise arbeitsunfähig erkrankt ist, kommt es für die Wahrung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung - zufällig - arbeitsunfähig war. Maßgebend ist vielmehr allein, ob der Kündigungsgrund, dh. die auf der fortbestehenden Krankheitsanfälligkeit beruhende negative Prognose sowie die sich daraus ergebende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung fortbestanden hat. Eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit steht dem nicht zwangsläufig entgegen. Der Dauertatbestand endet erst, wenn der Kündigungsgrund als solcher entfällt.

20

e) Liegt ein Dauertatbestand vor, beginnt die Ausschlussfrist nicht einmalig, sobald der Arbeitgeber - erstmals - Kenntnis von der für den Kündigungsentschluss relevanten negativen Prognose und den daraus resultierenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen hat. Die Frist beginnt vielmehr fortlaufend neu.

21

aa) Zu den für den Kündigungsentschluss maßgebenden Tatsachen, auf deren Kenntnis § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB für den Fristbeginn abstellt, gehören nicht nur die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die aus ihnen folgenden erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen, sondern auch deren - zunehmende - Dauer(KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327; aA APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 138; KDZ/Däubler 8. Aufl. § 626 BGB Rn. 215). Andernfalls würde der Arbeitgeber zur möglichst frühzeitigen Erklärung der Kündigung angehalten. Dies liefe den Interessen des Arbeitnehmers zuwider. Es würde den Bestandsschutz des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers schmälern und nicht - wie durch den Ausschluss der ordentlichen Kündigung bezweckt - verbessern (vgl. BAG 21. März 1996 - 2 AZR 455/95 - zu II 1 b bb der Gründe).

22

bb) Sinn und Zweck von § 626 Abs. 2 BGB stehen dem nicht entgegen. Die Vorschrift ist ein gesetzlich konkretisierter Verwirkungstatbestand. Ihr Ziel ist es, dem Arbeitnehmer rasch Klarheit darüber zu verschaffen, ob der Kündigungsberechtigte einen bestimmten Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 171/09 - Rn. 15; 26. Juni 2008 - 2 AZR 190/07 - Rn. 23). In Fällen krankheitsbedingter Fehlzeiten besteht ein solches Interesse an schneller Klärung nicht. Im Gegenteil dient es den Belangen des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die weitere Entwicklung beobachtet und mit einer möglichen Kündigung noch zuwartet, um die Chance einer Prognoseänderung offen zu halten (vgl. KR/Fischermeier 10. Aufl. § 626 BGB Rn. 327). Der Arbeitnehmer hat in einer solchen Situation keinen berechtigten Anlass zu der Annahme, der Arbeitgeber werde aus der andauernden negativen Prognose und den fortbestehenden betrieblichen Beeinträchtigungen auch künftig keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen herleiten.

23

cc) Im Streitfall gilt nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte der Klägerin am 9. Dezember 2011 mitgeteilt hat, sie „habe nunmehr abschließend entschieden“, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Die Erklärung ändert nichts daran, dass sich auch dann der Kündigungsgrund, sollte er bestehen, fortlaufend neu verwirklicht. Im Übrigen gibt das Schreiben inhaltlich keinen Anlass zu der Annahme, die Beklagte werde nach Ablauf weiterer zwei Wochen aus den krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen mehr ziehen. Aus dem gleichzeitig unterbreiteten und bis zum 6. Januar 2012 aufrecht erhaltenen Auflösungsangebot konnte die Klägerin ersehen, dass die Beklagte vor diesem Zeitpunkt eine Kündigung nicht erklären würde. Dem Hinweis darauf, der Vorsitzende des Personalrats sei vorab informiert worden, ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte das förmliche Mitbestimmungsverfahren bereits eingeleitet hätte. Da die Beklagte den Personalrat bereits am 16. Januar 2012 um Zustimmung zur nunmehr beabsichtigten Kündigung ersucht hat, durfte die Klägerin auch nach dem Ablauf der Frist zur Annahme des Angebots am 6. Januar nicht darauf vertrauen, die Beklagte werde von einer Kündigung Abstand nehmen.

24

f) Ob im Streitfall der Kündigungsgrund - eine berechtigte negative Prognose - noch bis zwei Wochen vor Zugang der Kündigung vorgelegen hat, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat dazu - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.

25

2. Die Revision ist gleichwohl zurückzuweisen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Kündigung ist unwirksam, da es selbst auf der Grundlage des als wahr unterstellten Vortrags der Beklagten an einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

26

a) Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Grundsätzlich ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 14; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

27

b) Die Wirksamkeit einer auf häufige Kurzerkrankungen gestützten ordentlichen Kündigung setzt zunächst eine negative Gesundheitsprognose voraus. Im Kündigungszeitpunkt müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung sprechen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer solchen Beeinträchtigung führen - zweite Stufe. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen - dritte Stufe (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 18).

28

c) Bei einer außerordentlichen Kündigung ist dieser Prüfungsmaßstab auf allen drei Stufen erheblich strenger. Er muss den hohen Anforderungen Rechnung tragen, die an eine außerordentliche Kündigung zu stellen sind (BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 b der Gründe). Die prognostizierten Fehlzeiten und die sich aus ihnen ergebende Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen müssen deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen vermöchte. Es bedarf eines gravierenden Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung. Ein solches ist gegeben, wenn zu erwarten steht, dass der Arbeitgeber bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses - ggf. über Jahre hinweg - erhebliche Entgeltzahlungen zu erbringen hätte, ohne dass dem eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenüberstände (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Auch können Häufigkeit und Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks faktisch nicht mehr beiträgt (vgl. BAG 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c bb der Gründe). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen „sinnentleerten“ Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe).

29

d) Danach ist der Beklagten auch auf der Basis ihres eigenen Vorbringens die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

30

aa) Die Beklagte hat vorgetragen, aufgrund der - im Einzelnen bezeichneten - erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten in den vergangenen mehr als zehn Jahren sei auch in Zukunft damit zu rechnen, dass die Klägerin in erheblichem Maße krankheitsbedingt fehlen werde. Die den Fehlzeiten in der Vergangenheit zugrunde liegenden Erkrankungen seien nicht ausgeheilt. Jedenfalls bestehe eine „generelle Anfälligkeit“ der Klägerin für bestimmte Erkrankungen. In den Jahren von 2006 bis 2011 habe sie - die Beklagte - insgesamt mehr als 34.000,00 Euro an Entgeltfortzahlung geleistet. Die Fehlzeiten der Klägerin hätten überdies zu Betriebsablaufstörungen geführt. Aufgrund der Ungewissheit, ob und wie lange die Klägerin krankheitsbedingt ausfallen würde, habe sie keine Vertretungskräfte einstellen können. Die Vertretung habe von den übrigen Kollegen übernommen werden müssen. Diese seien dadurch einer auf Dauer nicht zu bewältigenden Arbeitsbelastung ausgesetzt gewesen. Das habe zu einer Verzögerung der Grabpflegearbeiten und in der Folge zu Kundenbeschwerden geführt.

31

bb) Die dargelegten Umstände genügen den Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht.

32

(1) Der von der Beklagten vorgetragene Verlauf der krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigt nicht die Prognose, die Klägerin werde künftig im gleichen Maße fehlen wie in den vergangenen mehr als zehn Jahren. In dem - als Grundlage für eine Prognose geeigneten - Zeitraum von drei Jahren vor Zugang der Kündigung sind deren Ausfallzeiten deutlich zurückgegangen (zur Relevanz steigender, gleichbleibender oder fallender Fehlzeiten vgl. BAG 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B II 2 a der Gründe). Sie betrugen 19, 67 und 55 Arbeitstage. Dies entspricht bei einer Vier-Tage-Woche einer durchschnittlichen jährlichen Fehlzeit von 11,75 Wochen. Anhaltspunkte dafür, dass die Ausfallzeiten künftig wieder ansteigen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Tatsächlich war die Klägerin nach dem 19. Dezember 2011 bis zum Zugang der Kündigung am 28. März 2012 nicht mehr arbeitsunfähig krank. Die fallende Tendenz der krankheitsbedingten Fehlzeiten wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin nach Zugang der Kündigung noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgehend arbeitsfähig war. Dies ist zwar nicht entscheidend. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung kommt es auf den Zeitpunkt ihres Zugangs an. Es ist aber - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - nicht unzulässig, die spätere Entwicklung in den Blick zu nehmen, soweit sie - wie hier - die Prognose bestätigt (BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe; vgl. für den Fall der betriebsbedingten Kündigung BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

33

(2) Die künftig zu erwartenden Fehlzeiten der Klägerin führen auch dann nicht zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten, wenn diese für sämtliche Krankheitszeiten das Entgelt fortzahlen müsste. Der Jahreslohnsumme auf Seiten der Beklagten steht nach wie vor eine nennenswerte Arbeitsleistung auf Seiten der Klägerin gegenüber. Das gilt nicht nur mit Blick auf mögliche Fehlzeiten von 11,75 Wochen pro Jahr. Das Arbeitsverhältnis wäre auch dann noch nicht „sinnentleert“, wenn künftig Fehlzeiten in dem von der Beklagten prognostizierten Umfang von jährlich 18,81 Wochen einträten. Auch in diesem Fall wäre die Klägerin noch zu fast zwei Dritteln ihrer Jahresarbeitszeit arbeitsfähig. Der Vortrag der Beklagten lässt zudem nicht erkennen, dass die prognostizierten Fehlzeiten zu nicht mehr hinnehmbaren Betriebsablaufstörungen führen werden. Die Klägerin kann den weitaus größeren Teil des Jahres sinnvoll eingesetzt werden. Der Umstand, dass die möglichen Ausfallzeiten zu Vertretungsbedarf und ggf. zu Verzögerungen im Betriebsablauf führen, ist nicht außergewöhnlich. Dies liegt in der Natur der Sache und macht als solches der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar.

34

(3) Im Übrigen müsste auch eine Interessenabwägung zugunsten der Klägerin ausfallen. Zwar wäre auf Seiten der Beklagten zu berücksichtigen, dass diese über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin hingenommen hat, ohne eine Kündigung in Erwägung zu ziehen. Sie hat zudem durch zahlreiche Krankengespräche und die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes versucht, zu einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin beizutragen. Gleichwohl überwiegen die Belange der Klägerin. Ihrer Betriebszugehörigkeit von mehr als drei Jahrzehnten, ihrem Alter von seinerzeit 52 Jahren und den mit beidem verbundenen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt käme erhebliches Gewicht zu. Wenn ferner berücksichtigt würde, dass die Fehlzeiten der Klägerin in den letzten drei Jahren vor Zugang der Kündigung deutlich zurückgegangen sind, vermöchten die Belange der Beklagten das Interesse der Klägerin am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht zu überwiegen.

35

3. Ob die Kündigung nicht nur mangels wichtigen Grundes, sondern auch aufgrund von Mängeln in der Beteiligung des Personalrats unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung.

36

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Er ist als Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur Erledigung des Rechtsstreits zu verstehen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

37

III. Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Kreft    

        

        

        

    Beckerle    

        

    B. Schipp    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 14. November 2012 - 2 Sa 9/12 - im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, wie es das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 22. November 2011 - 4 Ca 4214/10 - teilweise abgeändert und festgestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2010 nicht zum 30. September 2010 aufgelöst worden ist.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Stahlindustrie. Der 1959 geborene Kläger war seit Ende Juni 1989 bei ihr tätig. Im Juli 2008 wurde er als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Im Arbeitsvertrag ist vereinbart, dass der Kläger in der Kaltwalzwerk-Adjustage als Packer, ggf. auch in anderen Betrieben/Abteilungen und mit anderen zumutbaren Arbeiten beschäftigt wird, die seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen.

3

Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Dillenburg, Niederschelden und Wissen vom 15. März 1989 (MTV) idF vom 20. Juni 2000 Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

        

„§ 17 

        

Einstellung, Kündigung

        

…       

        

6.2     

Einem Arbeitnehmer, der das 50. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens 15 Jahre angehört, kann nur noch aus in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegendem wichtigen Grund oder bei Vorliegen eines Sozialplans oder bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien gekündigt werden.

        

…       

        
        

8.    

Im übrigen gelten für ordentliche Kündigungen die gesetzlichen Bestimmungen. Die gesetzlichen Bestimmungen über fristlose Kündigungen bleiben unberührt.“

4

Der Kläger arbeitete bis Ende Oktober 1993 als Packer und Vorbereiter bei der Verpackung von Feinblech als Coils. Nach Vorlage eines ärztlichen Attests, dem zufolge er die Tätigkeit nicht mehr ausüben dürfe, wurde er bis 2003 als sog. Haspelgrubenmann beschäftigt. Bei dieser Tätigkeit traten zunehmend krankheitsbedingte Fehlzeiten auf. Werksärztliche Überprüfungen ergaben, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers stetig verschlechterte - bedingt durch psychische und physische Belastungen. Sie mündeten in die Empfehlung, der Kläger solle keine Teile von mehr als zehn Kilo Gewicht heben und keine Hitzearbeit leisten.

5

Eine Einarbeitung des Klägers zum sog. Flämmereimann wurde auf seinen Wunsch hin im Mai 2004 abgebrochen. Im Juni 2004 wurde er in den Dienstleistungsbereich VDD1 - Industrieservice - versetzt, dem er bis zuletzt zugeordnet war. Dort beschäftigte, überwiegend in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkte Arbeitnehmer rotieren in leicht erlernbaren Aufgabenstellungen: Baustelleneinrichtung, Transporte/Umräumarbeiten/Fahrdienst, Gebäudereinigung/-renovierung, Sicherheitspersonal, Helfer, Kran- und Tankreinigung, Bodenversiegelung/-reinigung, Maurerarbeiten (leichte)/Stemmarbeiten und industrielle Reinigung.

6

Ein im Jahr 2004 unternommener Versuch der Beklagten, den Kläger zum Fahrer eines Flurförderfahrzeugs zu qualifizieren, schlug fehl, da er die Prüfung nicht bestand. Ab dem Jahr 2006 wurde ihm trotz diverser gesundheitlicher Einschränkungen eine Tätigkeit innerhalb der Gebäudereinigung zugewiesen, die er zunächst im Rahmen einer gestuften Wiedereingliederung ausführte. Der Kläger empfand die Arbeit als zu schwer. Der Einsatz wurde von seinem Vorgesetzten als „nicht erfolgreich“ bewertet.

7

In der Folgezeit unternahm die Beklagte zwei weitere Male - nach einer Reha-Maßnahme und im Anschluss an eine teilstationäre Therapie - erfolglos den Versuch, den Kläger wiedereinzugliedern, ua. mit dem Ziel, ihn erneut in der Coilverpackung einzusetzen. Aus einer weiteren Reha-Maßnahme, die er vom 25. August 2009 bis zum 6. Oktober 2009 durchführte, wurde der Kläger mit der Empfehlung eines Einsatzes in der „Eingliederungswerkstatt“ entlassen. Im ärztlichen Bericht vom 14. Oktober 2009 heißt es, der Kläger könne die ihm übertragene Tätigkeit als Industriereiniger nicht mehr ausüben, da ansonsten mit einer psychischen Dekompensation zu rechnen sei. Mittelschwere bis teilweise schwere Arbeiten seien vollschichtig mit folgenden Einschränkungen möglich: „Keine Tätigkeit mit besonderen Anforderungen an Konzentrations- und Reaktionsvermögen, vor allem keine Personenbeförderung, keine Tätigkeiten mit erhöhter psychischer und Stressbelastung. Keine Nachtschichten. Keine Arbeiten mit besonderem Zeit- und Leistungsdruck (Akkord oder Fließband). Keine häufigen wechselnden Arbeitszeiten.“

8

Im Rahmen der nachfolgenden Wiedereingliederungsmaßnahme übertrug die Beklagte dem Kläger Reinigungsarbeiten. Mit der Begründung, die Tätigkeit tue ihm gesundheitlich nicht gut, bat dieser um Zuweisung einer anderen Aufgabe. Das lehnte die Beklagte - nach Einschaltung des Werksarztes - ebenso ab wie den Wunsch des Klägers nach einer erneuten gestuften Wiedereingliederung. Nach einer sich anschließenden, bis zum 6. Januar 2010 währenden Arbeitsunfähigkeit setzte sie den Kläger nicht mehr ein und leistete auch keine Vergütung mehr.

9

Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien - mit Zustimmung des Integrationsamts sowie nach Anhörung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung - außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. September 2010.

10

Der Kläger hat mit seiner fristgerecht erhobenen Klage geltend gemacht, die Kündigung sei mangels wichtigen Grundes unwirksam. Er sei im Kündigungszeitpunkt arbeitsfähig gewesen. Im Übrigen sei eine außerordentliche Kündigung - auch eine solche mit Auslauffrist - wegen der im MTV vorgesehenen Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien unverhältnismäßig.

11

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. Februar 2010 nicht aufgelöst worden ist.

12

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Den Regelungen in § 17 Nr. 6.2 MTV sei nicht zu entnehmen, dass eine ordentliche Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist vorrangig sei. Ein wichtiger Grund liege vor. Der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Eine Möglichkeit, ihn anderweitig zu beschäftigen, habe nicht bestanden. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement habe sie mehrfach durchgeführt. Bemühungen zur Wiedereingliederung des Klägers, um ihn leidensgerecht in der Gebäudereinigung zu beschäftigen, seien erfolglos geblieben. Andere geeignete Arbeitsplätze seien nicht vorhanden gewesen. Für die Jahre 2004 bis 2009 habe sie Entgeltfortzahlung in Höhe von knapp 27.000,00 Euro zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge geleistet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage - nach Einholung eines Sachverständigengutachtens - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte dieses der Klage nicht stattgeben.

15

I. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts verletzt § 626 BGB, § 17 Nr. 6.2 MTV. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 10. Februar 2010 aufgelöst worden ist, steht noch nicht fest.

16

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dem entspricht die Regelung in § 17 Nr. 6.2 MTV, soweit ihr zufolge Arbeitnehmern „nur noch aus in der Person oder im Verhalten … liegendem wichtigen Grund“ gekündigt werden darf. Verwendet ein Tarifvertrag den Ausdruck „wichtiger Grund“, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien ihn iSd. § 626 BGB verstanden wissen wollen(BAG 26. März 2009 - 2 AZR 879/07 - Rn. 29; 27. November 2003 - 2 AZR 601/02 - zu B I 5 a der Gründe). Der Umstand, dass gemäß § 17 Nr. 8 MTV das Recht zur fristlosen Kündigung „unberührt“ bleibt, steht dieser Bewertung nicht entgegen.

17

2. Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit kann ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein. Regelmäßig ist dem Arbeitgeber aber die Einhaltung der Kündigungsfrist zuzumuten, und schon an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt daher nur in eng begrenzten Fällen in Betracht, etwa wenn die ordentliche Kündigung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen ausgeschlossen ist (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 26; 18. Oktober 2000 - 2 AZR 627/99 - zu II 3 der Gründe, BAGE 96, 65).

18

3. Das Arbeitsverhältnis ist ein auf stetigen Leistungsaustausch gerichtetes Rechtsverhältnis (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - BAGE 136, 213). Ist der Leistungsaustausch auf Dauer umfassend gestört, weil der Arbeitnehmer aufgrund seiner Erkrankung auf unabsehbare Zeit keine Arbeitsleistung mehr erbringen wird, kann eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein. Deren Unwirksamkeit kann sich dann in der Regel nur noch aus der Abwägung der wechselseitigen Interessen ergeben (vgl. BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 c der Gründe, BAGE 101, 39).

19

4. Danach hält die angefochtene Entscheidung einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist sei schon deshalb unwirksam, weil der Beklagten als „milderes Mittel“ die ordentliche Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien zur Verfügung gestanden habe.

20

a) Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht schon deshalb fehl, weil § 17 Nr. 6.2 MTV bei Vorliegen seiner Voraussetzungen eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers ausnahmslos ausschließt. Die Bestimmung lässt darauf gestützte Kündigungen nur aus „wichtigem Grund“ zu. Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ besteht nur, wenn dringende betriebliche Erfordernisse den Kündigungsgrund bilden. Das ergibt die Auslegung. Wegen des normativen Charakters von Tarifregelungen folgt diese den für Regelungen von Gesetzen geltenden Grundsätzen (BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 40, BAGE 124, 240; 30. Mai 2006 - 1 ABR 21/05 - Rn. 29 mwN).

21

aa) Bereits der Wortlaut und der Gesamtzusammenhang der Bestimmung sprechen dafür, dass die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien nur bei betrieblichen Gründen - in spezifischen Fällen - eröffnet bleibt.

22

(1) Die Tarifvertragsparteien schränken in § 17 Nr. 6.2 MTV das Kündigungsrecht des Arbeitgebers ein. Sie benennen im Rahmen dreier Tatbestände die Voraussetzungen, unter denen die Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmern im Alter von mindestens 50 Jahren und mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens 15 Jahren gekündigt werden können. Zulässig sind Kündigungen „aus in der Person oder im Verhalten … liegendem wichtigen Grund“. Um dieser Anforderung zu genügen, muss der zugrunde liegende Sachverhalt dem Erheblichkeitsgrad des § 626 Abs. 1 BGB genügen. Die beiden nachfolgend aufgeführten Tatbestände „bei Vorliegen eines Sozialplans“ und „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ stellen keine besonderen Anforderungen an das Gewicht des Kündigungsgrundes. In beiden Fällen soll die ordentliche Kündigung (weiterhin) möglich sein. „Unberührt“ von diesen Regelungen bleibt, wie sich aus § 17 Nr. 8 MTV ergibt, das Recht zur fristlosen Kündigung.

23

(2) Dadurch kommt zweierlei zum Ausdruck. Zum einen wird - durch die Worte „nur noch“ - das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung ausgeschlossen, soweit es nicht ausdrücklich für bestimmte Sachverhalte eröffnet ist. Zum anderen sind Kündigungen aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers insoweit einem besonderen Regime unterworfen, als das Arbeitsverhältnis in diesen Fällen nur „aus wichtigem Grund“ gekündigt werden kann. Dies legt sprachlich-syntaktisch die Annahme nahe, dass sich die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung auf betriebliche Gründe beschränkt. Das wird systematisch insoweit unterstützt, als die Kündigung „bei Vorliegen eines Sozialplans“ einen betrieblichen Anlass voraussetzt. Ein Sozialplan dient nach § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die Arbeitnehmern infolge einer geplantenBetriebsänderung entstehen.

24

bb) Zwar nimmt die in der Bestimmung vorgesehene Möglichkeit der ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ nicht in gleicher Weise auf betriebliche Gründe Bezug. Es ist deshalb sprachlich nicht völlig ausgeschlossen, sie in diesem Fall auch auf Gründe in der Person und im Verhalten des Arbeitnehmers zu beziehen. Sinn und Zweck der Tarifregelung sprechen aber gegen ein solches Verständnis.

25

(1) Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ wurde im Jahr 1995 vor dem Hintergrund sozialversicherungsrechtlicher Regelungen zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Entlassungsentschädigung (jetzt § 158 SGB III, vormals § 143a SGB III aF und davor § 117 AFG)in den Tarifvertrag eingefügt. Nach den einschlägigen Vorschriften des SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn der Arbeitnehmer ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet und ihm wegen der Beendigung eine Abfindung gezahlt wird, bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der Kündigungsfrist geendet hätte. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine (fiktive) verlängerte Kündigungsfrist von 18 Monaten. In Fällen, in denen dem Arbeitnehmer - etwa aufgrund eines Tarifvertrags - ausschließlich bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden kann, ruht der Anspruch bis zum Ablauf einer (fiktiven) Kündigungsfrist von einem Jahr (§ 158 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB III, § 143a Abs. 1 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB III aF und davor § 117 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 Nr. 1, Satz 4 AFG). Dies gilt auch für den Fall, dass aus Anlass einer Betriebsänderung eine Abfindung aus einem Sozialplan gezahlt wird (bspw. BSG 24. Mai 2006 - B 11a AL 21/05 R - Rn. 14; zum Ganzen auch ErfK/Rolfs 14. Aufl. § 158 SGB III Rn. 24 ff.). Die fiktive Kündigungsfrist greift nur dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber - die ordentliche (tarifliche) Kündigungsmöglichkeit bei Entlassungsentschädigung hinweggedacht - zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist berechtigt gewesen wäre, weil mangels anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeit eine Lohnfortzahlung über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitgebers geworden wäre. In solchen Fällen ist entsprechend § 158 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III(§ 143a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB III aF und davor § 117 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 AFG)die Kündigungsfrist zugrunde zu legen, die gegolten hätte, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen gewesen wäre (BSG 29. Januar 2001 - B 7 AL 62/99 R - BSGE 87, 250).

26

(2) Diesen sozialrechtlichen Folgen trägt die „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ eröffnete Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung Rechnung. Sie ist dem erkennbaren Bemühen der Tarifvertragsparteien geschuldet, ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Gewährung einer Entlassungsentschädigung zu vermeiden (zu einer ähnlichen Tarifregelung vgl. Weiss Kommentar zum EMTV 5. Aufl. § 20 Anm. 13). Bis zu ihrer Einführung ließ § 17 Nr. 6.2 MTV die Kündigung lediglich „aus einem in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Grund“ oder „bei Vorliegen eines Sozialplans“ zu. Die zusätzlich eröffnete Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung zielt ersichtlich darauf, den sich aus § 158 Abs. 1 Satz 4 SGB III bzw. den entsprechenden Vorläuferregelungen ergebenden Folgen bei Entlassungsentschädigungen auf der Grundlage eines Sozialplans auszuschließen. Dagegen fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten „bei ihrer Zustimmung“ nunmehr eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auch als ordentliche zulassen wollen. Es erschiene einigermaßen sachfremd, die Antwort auf die Frage, ob der Arbeitgeber im Einzelfall trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 17 Nr. 6.2 MTV mit Blick auf Gründe in der Person oder im Verhalten des betreffenden Arbeitnehmers eine ordentliche - und nicht mehr nur aus wichtigem Grund eine außerordentliche - Kündigung soll aussprechen können, den Tarifvertragsparteien zu übertragen. In deren originäre Kompetenz fällt die Beurteilung wirtschaftlicher Parameter und der ökonomischen Lage einer bestimmten Branche oder auch eines einzelnen Arbeitgebers. Dagegen ist ihre Kompetenz zur Beurteilung der Eignung eines bestimmten einzelnen Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung auch künftig zu erbringen, oder zur Beurteilung der Schwere der Pflichtwidrigkeit eines bestimmten individuellen Verhaltens und seiner Zumutbarkeit für den Arbeitgeber nicht ausgewiesen. Es wäre angesichts dessen gänzlich ungewöhnlich, dass Tarifvertragsparteien eine Regelung hätten beschließen wollen, der zufolge ab einem bestimmten Lebensalter und einer bestimmten Betriebszugehörigkeit eine Kündigung aus Gründen in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers zu dessen Schutz „eigentlich“ nur noch außerordentlich aus wichtigem Grund, bei ihrer beider Zustimmung aber im Einzelfall weiterhin auch als ordentliche möglich sein soll. Wird ferner berücksichtigt, dass auch die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund jedenfalls bei Gründen in der Person des Arbeitnehmers regelmäßig nur mit einer Auslauffrist erklärt werden kann, ergäbe sich daraus für keine Partei des Arbeitsvertrags ein Vorteil. Sinn und Zweck der Möglichkeit ordentlicher Kündigungen „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ verbieten deshalb die Annahme, mit eben dieser Zustimmung sei auch eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung eines langbeschäftigten älteren Arbeitnehmers weiterhin als ordentliche möglich.

27

b) Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, der Tarifvertrag lasse die Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ auch aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers zu. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, eine solche Kündigung sei gegenüber der außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus wichtigem Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB vorrangig.

28

aa) Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist kommt in Betracht, wenn der wichtige Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB darin liegt, dass der Arbeitgeber wegen des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung andernfalls gezwungen wäre, für Jahre an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis festzuhalten(vgl. zuletzt BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 28; 20. Juni 2013 - 2 AZR 379/12 - Rn. 16). Ist das Arbeitsverhältnis noch ordentlich kündbar, scheidet eine außerordentliche Kündigung - auch eine solche mit Auslauffrist - von vornherein aus.

29

bb) Eine ordentliche Kündbarkeit in diesem Sinne ist nicht schon dann gegeben, wenn eine tarifvertragliche Regelung, die - wie § 17 Nr. 6.2 MTV - das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung grundsätzlich ausschließt, im Einzelfall die Möglichkeit vorsieht, das Arbeitsverhältnis „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ ausnahmsweise doch ordentlich zu kündigen. Die hypothetische Möglichkeit einer solchen Zustimmung hebt den Sonderkündigungsschutz nicht auf. Es verbleibt, solange die Zustimmung nicht vorliegt, beim Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Tarifregelung selbst einen solchen Vorrang nicht begründet. Davon ist hier auszugehen.

30

(1) Die dem Arbeitgeber gemäß § 17 Nr. 6.2 MTV verbliebenen Kündigungsmöglichkeiten stehen eigenständig nebeneinander. Das bringt ihre Verknüpfung durch die Konjunktion „oder“ zum Ausdruck. Die Tarifregelung bietet ihrem Wortlaut nach keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ Vorrang vor einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist zukommen soll.

31

(2) Ein solches Rangverhältnis lässt sich ebenso wenig dem Zweck der zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit entnehmen. Dieser besteht nicht darin, praktisch vorrangige ordentliche Kündigungen gegenüber den besonders geschützten älteren Arbeitnehmern zu ermöglichen. Die Regelung verfolgt - wie dargelegt - das Ziel, im Rahmen des rechtlich Zulässigen durch eine vorherige Aufhebung des Sonderkündigungsschutzes Nachteile zu vermeiden, die bei (fort-)bestehendem Schutz etwa dann entstehen können, wenn für den Arbeitnehmer aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Entlassungsentschädigung begründet wird. Solche Nachteile stehen nicht zu erwarten, wenn die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist aus Gründen in der Person oder dem Verhalten vorliegen.

32

cc) Der Arbeitgeber, der bei Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB das Arbeitsverhältnis außerordentlich - mit oder ohne Auslauffrist - kündigen will, muss auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zuvor erfolglos versucht haben, die Zustimmung der Tarifvertragsparteien einzuholen und damit eine (Wieder-)Eröffnung der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung zu erreichen. Zwar ist auch eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist iSv. § 626 Abs. 1 BGB nur wirksam, wenn dem Arbeitgeber sämtliche „milderen“ Reaktionsmöglichkeiten verschlossen oder unzumutbar sind(BAG 27. September 2012 - 2 AZR 646/11 - Rn. 41). Die ordentliche Kündigung „bei Zustimmung der Tarifvertragsparteien“ ist aber in ihrer Ausgestaltung durch § 17 Nr. 6.2 MTV kein gleich wirksames Gestaltungsmittel wie die außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist. Die Tarifbestimmung legt für die Zustimmung keine abstrakten Maßstäbe fest. Sie sieht auch keinen zeitlichen Rahmen vor, innerhalb dessen die Tarifvertragsparteien über ein an sie herangetragenes Gesuch zu befinden hätten. Schon deshalb kann dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, trotz Vorliegen eines wichtigen Grundes von seinem Kündigungsrecht bis zu einer Bescheidung durch die Tarifvertragsparteien keinen Gebrauch zu machen.

33

II. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Senat kann nicht selbst beurteilen, ob die Kündigung vom 10. Februar 2010 in Anbetracht des tariflichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung auf einem wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB, § 17 Nr. 6.2 MTV beruht. Auf einen anderen Unwirksamkeitsgrund iSv. § 13 Abs. 3 KSchG hat sich der Kläger nicht berufen.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob im Kündigungszeitpunkt von einer dauernden Unfähigkeit des Klägers auszugehen war, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Ebenso wenig hat es geprüft, ob die Möglichkeit eines Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz gegeben war. Es hat hierzu keine, zumindest keine eindeutigen Feststellungen getroffen, und es hat die erstinstanzlich erhobenen Beweise nicht umfassend gewürdigt. Das wird es im Rahmen der neuen Verhandlung nachzuholen haben.

35

a) Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger nach § 615 BGB Vergütung aus Annahmeverzug für Zeiten während der durch die Kündigung vom 10. Februar 2010 bestimmten Kündigungsfrist zuerkannt. Das Berufungsurteil ist insoweit rechtskräftig geworden. Soweit das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang konkrete Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit des Klägers getroffen hat, beziehen diese sich auf den 7. Januar 2010. Im Übrigen hat es angenommen, die Beklagte habe hinsichtlich einer den Verzugslohnanspruch beendenden Arbeitsunfähigkeit keinen hinreichenden Vortrag gehalten.

36

b) Diese Würdigung bietet dem Senat keine ausreichende Beurteilungsgrundlage. Sie bezieht sich nicht auf die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Darauf aber kommt es für die Entscheidung über den Feststellungsantrag an. Das betreffende Vorbringen der Beklagten ist auch nicht offensichtlich unschlüssig.

37

aa) Der Kläger war spätestens seit dem Jahr 2006 aufgrund verschiedener Krankheitsursachen in seiner Leistungsfähigkeit deutlich eingeschränkt. Insbesondere psychische Erkrankungen waren - bis zuletzt - nicht ausgeheilt. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit angenommen, der Kläger befinde sich „in einem Grenzbereich zwischen Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsfähigkeit“. Die Vielzahl der Reha-Maßnahmen, ambulanten wie auch stationären Behandlungen und Wiedereingliederungen deuten zudem an, dass der Kläger vor Zugang der Kündigung nicht in der Lage war, eine vollwertige Arbeitsleistung zu erbringen, und sei es auch in der sog. Eingliederungswerkstatt.

38

bb) Das erstinstanzlich eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten kommt zu dem Ergebnis, der Kläger sei im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung dauerhaft nicht in der Lage gewesen, seine vertraglich geschuldeten Pflichten zu erbringen. Es bestätigt insoweit den Befund im ärztlichen Entlassungsbericht vom 14. Oktober 2009. Ein im Anschluss an die betreffende Reha-Maßnahme unternommener Arbeitsversuch wurde vom Kläger nach kurzer Zeit abgebrochen. Unter diesen Umständen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass im Kündigungszeitpunkt - trotz eines vorhandenen „Restleistungsvermögens“ - von einer dauerhaften krankheitsbedingten Unfähigkeit des Klägers auszugehen war, die vertraglich geschuldete oder eine infrage kommende andere Tätigkeit sachgerecht auszuführen. Dabei kann auch die Entwicklung nach Zugang der Kündigung - nach Behauptung der Beklagten eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit und die Durchführung weiterer Reha-Maßnahmen - in den Blick zu nehmen sein, soweit sich darin die Prognose der Beklagten bestätigt haben sollte (BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32; 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - zu III der Gründe).

39

cc) Sollte es dem Landesarbeitsgericht auf das Sachverständigengutachten ankommen, wird es dieses in seinen Grundlagen (Befund- und Zusatztatsachen) und in seinen Schlussfolgerungen in einer für die Verfahrensbeteiligten nachvollziehbaren Weise auf seine Richtigkeit zu überprüfen haben. Soweit es - wie bei seiner Entscheidung über den Zahlungsantrag - zu dem Ergebnis gelangen sollte, die Sachverständige habe Befunde, die der werksärztliche Dienst gestellt habe, keiner „hinreichend kritischen Analyse“ unterzogen, wird es erwägen müssen, ob Anlass besteht, auf ein Ergänzungsgutachten hinzuwirken oder das Erscheinen der Sachverständigen zum Verhandlungstermin zwecks Erläuterung des Gutachtens anzuordnen (vgl. Musielak ZPO/Huber 11. Aufl. § 411 Rn. 7 mwN).

40

2. Das Landesarbeitsgericht wird außerdem zu berücksichtigen haben, dass nicht nur die dauerhafte Leistungsunfähigkeit ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Auch häufige kürzere Erkrankungen können dazu führen, dass ein Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll und verlässlich geplant werden kann und dieser damit zur Förderung des Betriebszwecks praktisch nichts mehr beiträgt. Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen sinnentleerten Arbeitsverhältnisses kann dem Arbeitgeber auch im Falle eines ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmers unzumutbar sein (vgl. BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 28; 12. Januar 2006 - 2 AZR 242/05 - Rn. 27; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 4 c cc der Gründe). Es erscheint zumindest nicht ausgeschlossen, dass es der Beklagten aufgrund der zuletzt deutlich angewachsenen Fehlzeiten des Klägers in Verbindung mit einer stetigen Verschlechterung seines Gesundheitszustands, der Vielzahl ergebnislos verlaufener Wiedereingliederungsversuche und weiterer vom Kläger abgelehnter Tätigkeiten nach einem strengen Prüfungsmaßstab unzumutbar war, an dem Arbeitsverhältnis festzuhalten. Soweit sich die Beklagte selbst (nur) auf den Kündigungsgrund einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit berufen hat, ist diese Einschätzung für die gerichtliche Bewertung unbeachtlich.

41

3. Die Beklagte hat in der Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen, den Kläger mit unterschiedlichen Aufgaben zu beschäftigen. Sie hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mehrfach ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt, ohne dass der Kläger diesbezüglich Rügen erhoben hätte. Allerdings ist es im Rahmen der außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, von vornherein darzulegen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um den Arbeitnehmer im Arbeitsprozess zu halten. Er muss dies nicht erst dann tun, wenn der Arbeitnehmer geeignete Beschäftigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat (vgl. BAG 26. November 2009 - 2 AZR 272/08 - Rn. 46, BAGE 132, 299). Soweit es noch darauf ankommen sollte, wird das Landesarbeitsgericht diese Prüfung, ebenso wie eine abschließende Interessenabwägung, nachzuholen haben.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Perreng    

        

    Wolf    

                 

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.