Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Jan. 2016 - 10 Sa 730/15
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil desArbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersfreizeit durch Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Klägerin.
3Die am 1958 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1998 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten in deren Zentrale in A tätig. Die Klägerin ist derzeitig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Hierfür erhält sie ein monatliches Bruttoentgelt von 2.850,00 €. Die Klägerin übt das Amt der Vorsitzenden des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus.
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der S -G G D GmbH, der S -G Se D GmbH & Co. KG und der S -G S N GmbH & Co. KG (MTV) Anwendung.
5In § 3 Ziffer 1 MTV ist die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit ausschließlich der Pausen mit 37,5 Stunden geregelt.
6§ 3 a MTV enthält besondere Regelungen für die Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer, die wie folgt lauten:
7„I. Arbeitnehmer, die das 56-igste Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
8Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre vollkontinuierliche Wechselschichtarbeit geleistet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
9Arbeitnehmer in dreischichtiger Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre in dreischichtiger Arbeitsweise gearbeitet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer halben Stunde je Woche.
10Diese Regelungen gelten nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit leisten.“
11Mit Schreiben vom 13.10.2014 machte die Klägerin die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV geltend.
12Dieses Begehren verfolgt die Klägerin mit ihrer Klage vom 04.11.2014, welche am selben Tag beim Arbeitsgericht in Aachen eingegangen ist, hinsichtlich der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 48 Minuten weiter.
13Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Ablehnung der Gewährung von anteiliger Altersfreizeit durch die Beklagte sei unberechtigt. Der Ausschluss des Altersfreizeitanspruchs für Teilzeitbeschäftigte in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich hierbei nicht nur auf die Bemessung der geschuldeten Arbeitszeit, sondern habe auch Auswirkung auf die Vergütung, da die den Vollzeitbeschäftigten gewährte Arbeitsreduzierung bei gleichbleibender Vergütung zu einer Erhöhung des Stundenlohns im Verhältnis zu den Teilzeitbeschäftigten führe. Ein substantiierter Vortrag der Beklagten zu den Gründen für eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Der pauschale Hinweis auf die geringere gesundheitliche Belastung von Teilzeitmitarbeitern genüge nicht der Darlegungslast der Arbeitgeberseite. Zudem sei eine Ungleichbehandlung lediglich dann gerechtfertigt, wenn die für den Sachgrund maßgebliche Belastung bei Teilzeitmitarbeitern auch nicht lediglich anteilig vorhanden sei. Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Die bloße diesbezügliche Einschätzung der Arbeitgeberseite reiche hierfür ebenso wenig aus wie die der Tarifparteien.
14Die Klägerin hat beantragt,
15die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleistete Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat erstinstanzlich dem Anspruch der Klägerin entgegengehalten, die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV stelle eine tarifliche Gesundheitsschutzregelung zugunsten der Vollzeitbeschäftigten dar. Die Teilzeitbeschäftigten – wie die Klägerin mit z. B. 30 Wochenstunden – seien mit einer erheblich geringeren Arbeitsbelastung als Vollzeitmitarbeiter tätig, sodass bei ihnen auch lediglich ein geringeres Regenerationsbedürfnis entstehe. Die tarifliche Regelung in § 3 a MTV sei hinsichtlich der abweichenden Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten durch die Entscheidungsprärogative der Tarifparteien gerechtfertigt.
19Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – die Lage für unbegründet gehalten, da ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersteilzeit nicht aus § 3 a MTV herzuleiten sei. Vielmehr sei von einem Sachgrund für die Differenzierung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten angesichts des geringeren Erholungsbedürfnisses von Teilzeitbeschäftigten auszugehen.
20Gegen das ihr am 17.06.2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Aachen hat die Klägerin am 10.07.2015 Berufung eingelegt und diese am 14.08.2015 begründet.
21Sie wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, von einem hinreichenden Sachgrund zur Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen des § 3 a MTV sei nicht auszugehen. Unzutreffend sei, dass erst oberhalb eines bestimmten Stundensolls ein unabweisbares arbeitsmedizinisches Bedürfnis für die Regeneration der betroffenen Arbeitnehmer entstehe. So werde zum Beispiel in § 3 BUrlG hinsichtlich des Urlaubsanspruchs nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmern unterschieden. Der vom Arbeitsgericht herangezogene Begründungszusammenhang mit § 4 ArbZG – bei der Gewährung von Ruhepausen – sei nicht überzeugend, da in dieser Vorschrift nicht die Wochenarbeitszeit, sondern die tägliche Arbeitszeit betroffen sei. Unzutreffend sei, dass die Belastung der betroffenen Arbeitnehmer mit zunehmender Arbeitszeit exponentiell ansteige; zumindest sei nicht ersichtlich, ab wann dies der Fall sei. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich auch auf die im Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung zu errechnende Vergütungshöhe. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sei hierbei nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Nicht plausibel sei, wenn gemäß § 3 a MTV die Ableistung von Wechselschicht bei Vollzeitmitarbeitern zu einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit im Rahmen der Altersfreizeit führe, während Teilzeitbeschäftigte mit Wechselschichttätigkeit gar keine Verkürzung erhalten würden.
22Die Klägerin beantragt,
23das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleisteten Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Sie ist der Auffassung, wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten liege schon keine einheitliche Vergleichsgruppe vor. Die abweichende Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten bei Erreichen des 56. Lebensjahres und der in § 3 a MTV vorgesehenen langjährigen Beschäftigung sei durch den Beurteilungsspielraum der Tarifparteien gerechtfertigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist (vgl. §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
30II. Die Berufung ist zudem unbegründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Altersfreizeit im Umfang von 48 Minuten wöchentlich gegenüber der Beklagten nicht aus § 3 a MTV herleiten kann.
31Diesem Anspruch steht die Regelung in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV entgegen, wonach ein Altersfreizeitanspruch für Teilzeitbeschäftigte wie die Klägerin nicht gegeben ist. Diese Vorschrift erweist sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als wirksam.
321. Eine unterschiedliche Behandlung der Teilzeitbeschäftigten liegt im Verhältnis zu den vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern im Rahmen des § 3 a MTV vor. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit ist immer dann gegeben, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 – zitiert nach juris, Randziffer 29 m. w. N.). Vorliegend knüpft der Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von Altersfreizeit in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV an die Dauer der Arbeitszeit an. Eine unterschiedliche Behandlung ist auch im Bereich der Vergütung festzustellen. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Bei den Vollzeitbeschäftigten wirkt sich die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Monatsvergütung als Erhöhung ihres Entgelts pro Arbeitsstunde aus. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin, der eine solche Arbeitszeitermäßigung nicht gewährt wird, erhält bei gleichbleibender Vergütung damit eine geringere Vergütung pro geleisteter Arbeitsstunde (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98, zitiert nach juris, Randziffer 32).
332. Es ist jedoch von einem sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten Klägerin gegenüber den Vollzeitbeschäftigten rechtfertigt, auszugehen.
34a. Allerdings ist allein das unterschiedliche Arbeitspensum nicht die ausreichende Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften. Hinreichende Sachgründe können auf unterschiedliche Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (so die amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 BT-Drucksache 10/2102, Seite 24). Eine Ungleichbehandlung kann auch aus Gründen des Arbeitsschutzes, insbesondere aus arbeitsmedizinischen Gründen gerechtfertigt sein. Wirkt sie sich im Bereich der Vergütung und damit unmittelbar auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus, kommt eine Ungleichbehandlung nur in Betracht, wenn etwa die besonderen Anforderungen oder Erschwernisse, um deren Ausgleich es geht, bei den vergleichbaren Teilzeitkräften selbst anteilig nicht gegeben sind. Der behauptete Differenzierungsgrund muss objektiv vorhanden sein. Die bloße Einschätzung des Arbeitgebers, bestimmte Belastungen träten nur bei vollbeschäftigten Arbeitnehmern ein, reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn diese Einschätzung vertretbar erscheint.
35b. Die Darlegungs- und Beweislast für das objektive Vorliegen eines diesen Anforderungen genügenden Sachgrundes liegt beim Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 -, zitiert nach juris, Randziffer 35). Angesichts der Schwierigkeiten, in diesem Bereich exakte Erkenntnisse zu gewinnen, dürfen die Beweisanforderungen aber nicht überspannt werden. Von einem Erfahrungssatz, dass die Belastung durch ungünstigere Schichtzeiten mit zunehmender Arbeitszeit nicht linear ansteige, sondern exponentiell, sodass von einem bestimmten Punkt an ein Qualitätssprung einsetzt, kann nicht ausgegangen werden (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 518/90 -, zitiert nach juris, Randziffer 57).
36c. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich darin frei sind, in Ausübung ihrer durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Dieser ist der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder im Wege der Auslegung der Tarifnorm – anhand von Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen – zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.2009 – 10 AZR 634/08 -, zitiert nach juris, Randziffer 32).
37Die durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautomonmie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 736/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 14).
38bb. Im vorgenannten Sinne ist von einer Überschreitung des Gestaltungsspielraums der Tarifparteien durch den Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Altersfreizeitgewährungsanspruchs aus § 3 a MTV in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV nicht auszugehen.
39Ausgehend davon, dass die Altersgrenze – Vollendung des 56. Lebensjahres – in § 3 a Ziffer 1 MTV dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienen soll, die wegen ihrer Vollzeitbeschäftigung ein gesteigertes Erholungsbedürfnis aufweisen, ist eine Rechtfertigung für eine anteilige Leistungsgewährung an Teilzeitkräfte nicht gegeben. Der Grund für die vorgesehene Absenkung der Arbeitszeit – die Kompensation für das altersbedingte Absinken des Leistungsvermögens und des hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnisses – trifft auf die Teilzeitbeschäftigten nicht zu (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 30.01.2014 – 8 Sa 942/13 -, zitiert nach juris, Randziffer 15).
40Ob ein sachlich vertretbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung besteht, hängt vom Zweck der Leistung ab. Der Leistungszweck ist aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregeln zu ermitteln. Bei tariflichen Leistungen sind die Leistungszwecke maßgeblich, die mit der Tarifregelung verfolgt werden. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren Zwecke an, die mit der betreffenden Leistung verfolgt werden können, sondern auf diejenigen, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen, durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 – 5 AZR 8/03 -, zitiert nach juris, Randziffer 48).
41Leistungszweck hinsichtlich der Gewährung von Altersfreizeit ist ausweislich der Kombination der Bedingungen in § 3 a Abs. 1 MTV – das Vollenden des 56. Lebensjahres und die Leistung von Vollzeitarbeit – ein erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Mitarbeiter. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut unmittelbar, wird aber gestützt aus dem systematischen Zusammenhang und dem Kontext der Regelung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein weiterer Arbeitszeitverkürzungstatbestand für mehrjährig beschäftigte ältere Mitarbeiter in § 3 a Ziffer 1 Abs. 2 und 3 MTV jedenfalls abhängt von Aspekten der Arbeitsbelastung – nämlich der Leistung von vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit bzw. dreischichtiger Arbeitsweise.
42Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie einen Schwellenwert für die Teilhabe an der Gewährung von Altersfreizeit festgelegt (vgl. BAG, Beschluss vom 27.03.1996 – 5 AZR 647/94 -, zitiert nach juris, Randziffer 13). Die Anwendung eines solchen Schwellenwertes als typisierende Regelung ist grundsätzlich zulässig. Hierbei ist wiederum auf die den Tarifparteien zukommende Einschätzungsprärogative zu verweisen. Die Tarifvertragsparteien dürfen generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und typisieren. Besonderheiten, die ihnen bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Normgeber darf sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelung Rechnung zu tragen. Die von ihm vorgenommenen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Zudem müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihnen nicht widersprechen. Die bei einer Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.2011 – 10 AZR 701/09 -; zitiert nach juris, Randziffer 22 m. w. N.; Urteil vom 22.09.2009 – 1 AZR 316/08-, zitiert nach juris, Randziffer 12).
43Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist es daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung – insbesondere in Ausübung des Gestaltuingsspielraums der Tarifparteien – auch gestattet, als Differenzierungskriterium ein gesteigertes Erholungsbedürfnis – wie etwa aufgrund des Lebensalters und des Umfangs der Arbeitszeit (Vollzeit in Abgrenzung zur Teilzeit) – heranzuziehen (vgl. Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen; BAG, Urteil vom 21.10.2014 – 9 AZR 956/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 38).
44III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die unterlegene Klägerin nach § 97 ZPO.
45Die Kammer hat die Revision nach § 72 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits mit Rücksicht auf die Frage der gebotenen Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen tariflicher Regelungen zugelassen.
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
48R E V I S I O N
49eingelegt werden.
50Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
52Bundesarbeitsgericht
53Hugo-Preuß-Platz 1
5499084 Erfurt
55Fax: 0361-2636 2000
56eingelegt werden.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
58Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
59- 60
1. Rechtsanwälte,
- 61
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 62
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
64Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
65Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
66* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Urteil einreichenLandesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Jan. 2016 - 10 Sa 730/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.
Tenor
-
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2012 - 16 Sa 297/12 - wird zurückgewiesen.
-
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
- 1
-
Die Parteien streiten über die Höhe des tariflichen Nachtzuschlags für die Zeiträume November 2009 bis Februar 2010 und November 2010 bis Oktober 2011.
- 2
-
Der Kläger war zunächst seit dem 1. September 2001 bei der T Dienstleistungsgesellschaft mbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. Januar 2008 auf die Beklagte über. Die Beklagte erbringt logistische Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Versorgung von Einzelhandelsfilialen mit Waren. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme finden die Tarifverträge für den Berliner Einzelhandel Anwendung.
- 3
-
§ 8 des Manteltarifvertrags für den Berliner Einzelhandel vom 6. Juli 1994 (MTV) idF der 7. Änderungsvereinbarung vom 4. September 2008, gültig ab 1. Januar 2007, und idF des Ergänzungstarifvertrags vom 20. Juli 2011, in Kraft ab 1. Juli 2011, lautet wie folgt:
-
„Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Spätöffnungsarbeit
-
1. Nachtarbeit ist die in der Nachtzeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit. Für das Zuendebedienen und andere Tagesabschlussarbeiten aus Anlass der Spätöffnung beginnt die Nachtarbeit montags bis samstags ab 20:10 Uhr. *)
-
2. Sonntagsarbeit ...
-
3. Feiertagsarbeit ...
-
4. Spätöffnungsarbeit (siehe § 6 Ziff. 3b und Ziffer 5) ist die Arbeit, die von Montag bis Freitag in der Zeit von 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr und an Samstagen in der Zeit ab 15:00 Uhr an geleistet wird (Fassung gültig bis 30.06.2008).
-
Fassung gültig ab 01.07.2008: Spätöffnungsarbeit (siehe § 6 Ziff. 3b und 5) ist die Arbeit, die von Montag bis Samstag in der Zeit von 18:30 Uhr bis 20:00 Uhr geleistet wird.
-
5. Für Arbeit nach Ziff. 1 - 4 sind zum Entgelt folgende Zuschläge zu gewähren:
-
a)
Nachtarbeit
50 %
jedoch im Rahmen
von Schichtarbeit
20 %
b)
Sonntagsarbeit
120 %
c)
Feiertagsarbeit
150 %
d)
Spätöffnung
20 %
Zeitgutschrift (Ziffer 6 ist zu beachten)
-
6. Beschäftigte, die während der Spätöffnung eingesetzt werden, erhalten für diese Zeit eine Zeitgutschrift in Höhe von 20 %, die grundsätzlich in Form von Freizeit zu gewähren ist. Bestehende Zeitguthaben können in Ausnahmefällen einvernehmlich in Geld abgegolten werden.
-
Ausgenommen von Zeitgutschriften gem. Ziff. 5d) sind die vier Samstage vor Weihnachten.
-
7. Für berufsübliche Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (z. B. Nachtwächter/innen, Pförtner/innen, Monteure/innen in Notdienstbetrieben) ist kein Zuschlag zu zahlen.
-
Diese Arbeitnehmer/innen erhalten in jeder Woche (7 Tage) in der Regel zwei freie Tage. Die Verteilung der freien Tage hat so zu erfolgen, dass mindestens zwei freie Tage im Monat auf einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen.
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8. Auf Wunsch oder mit Zustimmung des/der Arbeitnehmers/in soll eine Abgeltung der geleisteten Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, einschließlich der Zuschläge, durch Freizeit innerhalb der auf die Mehrarbeitsleistung folgenden zwei Wochen gewährt werden. Im Monat Dezember erfolgte Mehrarbeitsleistungen können bis Ende Januar abgegolten werden.
-
9. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird nur der jeweils höhere Zuschlag gewährt.
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10. Arbeitszeit- und Zuschlagsregelungen jeder Art im Arbeitsgesetzbuch und in den Tarifverträgen, die vor dem 30. Juni 1990 abgeschlossen wurden, werden durch die vorstehenden Regelungen der §§ 6 bis 8 ersetzt und finden keine Anwendung mehr.
-
_______
-
*) § 6 Ziff. 3b ist zu beachten“
- 4
-
Der Kläger wurde im Logistikzentrum Pankow im wöchentlichen Wechsel in der Früh- und Spätschicht eingesetzt. Grundsätzlich begann die Frühschicht um 06:00 Uhr und endete um 14:45 Uhr. Die Spätschicht begann grundsätzlich um 14:45 Uhr und endete um 23:30 Uhr. Bisweilen gab es gegenüber dem Schichtsystem einen abweichenden früheren Beginn bzw. ein späteres Ende der Arbeitszeit. Soweit der Kläger während der Schichten Nachtarbeit iSd. MTV leistete, zahlte ihm die Beklagte einen Zuschlag in Höhe von 20 % gemäß § 8 Ziff. 5 Buchst. a Alt. 2 MTV.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, auch die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit sei mit einem tariflichen Zuschlag von 50 % zu vergüten. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung sei es unverständlich, bei der Doppelbelastung durch Nacht- und Schichtarbeit einen geringeren Zuschlag zu gewähren. Es liege ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor. Fielen zwei Erschwernisse zusammen, könne dies nicht dazu führen, dass sich der Zuschlag, der zumindest für eine Erschwernis gezahlt werde, vermindere. Dies sei mit dem Gerechtigkeitsgedanken schlechthin nicht zu vereinbaren. Vielmehr liege darin eine deutliche Benachteiligung derjenigen Arbeitnehmer, die neben der Erschwernis der regelmäßigen oder auch nur gelegentlichen Nachtarbeit zusätzlich der Erschwernis der Wechselschichtarbeit ausgesetzt seien. Ein sachlicher Grund hierfür bestehe nicht. Die von der tariflichen Regelung in unzulässiger Weise ausgeklammerten Personen hätten deshalb einen Anspruch auf die Vergünstigung, die bestehen würde, wenn der Normgeber dem Gleichheitssatz Rechnung getragen hätte.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.218,35 Euro brutto nebst Zinsen in gestaffelter Höhe zu zahlen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, es bestehe kein Anspruch auf einen Nachtzuschlag von 50 %. Der Kläger leiste Nachtarbeit in Schichtarbeit, wofür § 8 MTV nur einen Zuschlag von 20 % vorsehe. Gegen den Gleichheitssatz werde nicht verstoßen, die Differenzierung halte sich in dem durch die Tarifautonomie eingeräumten Wertungs- und Gestaltungsspielraum. Die Tarifvertragsparteien hätten im Sinne einer typisierenden Betrachtung annehmen dürfen, dass die übergroße Mehrheit der Einzelhandelsbeschäftigten, die in Schichten arbeiten, keine reine Nachtarbeit abzuleisten haben und die im Einzelhandel vorherrschenden Früh- und Spätschichten für den einzelnen Mitarbeiter in medizinischer Hinsicht weniger belastend seien und zu erheblich weniger sozialen Einschränkungen führten als bei reiner Nachtarbeit. Im Übrigen werde die Schichtarbeit überwiegend tagsüber geleistet und reiche nur teilweise in die Nachtzeit im tariflichen Sinne hinein.
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Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag in dem vollen Umfang weiter.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Revision ist unbegründet. Dem Kläger stehen für die streitgegenständlichen Zeiträume keine weiter gehenden Nachtzuschläge zu. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.
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1. Der Kläger macht keinen Anspruch aus § 6 Abs. 5 ArbZG geltend(vgl. dazu zB BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 192/11 -; 18. Mai 2011 - 10 AZR 369/10 -). Der Kläger ist auch kein Nachtarbeitnehmer iSd. Arbeitszeitgesetzes (§ 2 Abs. 5 ArbZG). Nachtzeit ist nach § 2 Abs. 3 ArbZG die Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr; Nachtarbeit liegt nur vor, wenn die Arbeit mehr als zwei Stunden der Nachtzeit umfasst (§ 2 Abs. 4 ArbZG). Dies war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in den vom Kläger abgeleisteten Schichten nicht der Fall. Dies gilt selbst dann, wenn er gelegentlich einen früheren Arbeitsbeginn oder ein späteres Arbeitsende hatte, da er weder normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht noch an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr leistet (§ 2 Abs. 5 ArbZG).
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2. Nach § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV steht ihm für die geleisteten Nachtarbeitsstunden ein Zuschlag von (nur) 20 % zu. Diesen Zuschlag hat die Beklagte geleistet.
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Der Kläger hat zwar in den Zeiten ab 20:00 Uhr bzw. vor 06:00 Uhr Nachtarbeit im tariflichen Sinn geleistet, aber dies ist im Rahmen von Schichtarbeit erfolgt (vgl. zum Begriff der Schichtarbeit: zuletzt BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 354/11 - Rn. 10). Der Kläger war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in Wechselschicht tätig, wobei sich Früh- und Spätschicht wochenweise abgewechselt haben. In diesem Fall steht ihm für geleistete Nachtarbeitsstunden gemäß § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV nur ein Zuschlag von 20 %, nicht aber von 50 % zu. Der Kläger hat auch nicht mehr an der in den Vorinstanzen vertretenen Auffassung festgehalten, § 8 Ziff. 5 Buchst. a MTV sei so auszulegen, dass im Fall von Nachtarbeit während einer Schicht immer mindestens ein Zuschlag von 50 % gezahlt werden müsse. Eine solche Auslegung wäre auch weder mit dem Wortlaut noch mit der Systematik der Tarifregelung vereinbar.
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3. In der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Differenzierung zwischen Nachtarbeit im Allgemeinen und Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit, die zu einem geringeren Zuschlag führt, liegt unter den branchentypischen Bedingungen im Geltungsbereich der Tarifverträge des Einzelhandels kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
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a) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Aufgrund der Schutzpflichten der Grundrechte haben sie aber den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu beachten(BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 14, BAGE 128, 219; zuletzt zB 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21). Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1038/08 - Rn. 21). Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, aaO; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, BAGE 124, 284). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 23. März 2011 - 10 AZR 701/09 - Rn. 21 mwN).
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Bei der Überprüfung von Tarifverträgen anhand des allgemeinen Gleichheitssatzes ist dabei nicht auf die Einzelfallgerechtigkeit abzustellen, sondern auf die generellen Auswirkungen der Regelung (BAG 19. Juli 2011 - 3 AZR 398/09 - Rn. 25 mwN, BAGE 138, 332).
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b) Ausgehend von diesen Grundsätzen überschreitet die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung deren Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die branchentypischen Bedingungen nicht.
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aa) Nach § 8 Ziff. 1 MTV ist Nachtarbeit im Tarifsinn die in der Zeit zwischen 20:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Arbeit; bei Zuendebedienen und ähnlichen Tagesabschlussarbeiten beginnt die Nachtzeit ab 20:10 Uhr. Nach der tariflichen Regelung beginnt damit die Nachtzeit drei Stunden früher als nach den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des ArbZG. Gleichzeitig gewährt § 8 Ziff. 5 MTV bereits ab der ersten Stunde der Nachtarbeit grundsätzlich einen Ausgleich in Form eines 50%igen Zuschlags zum Entgelt, wobei nach § 8 Ziff. 8 MTV die - unter Arbeitsschutzgesichtspunkten vorzugswürdige - Möglichkeit des Freizeitausgleichs besteht. Wird die Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit geleistet, beträgt der Zuschlag hingegen lediglich 20 %. Insoweit behandeln die Tarifvertragsparteien Arbeitnehmer, die Nachtarbeit im tariflichen und/oder gesetzlichen Sinne leisten, differenziert danach, in welchem Kontext die Nachtarbeit geleistet wird. Während Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit lediglich mit 20 % zusätzlich vergütet wird, besteht sowohl bei gelegentlich anfallender Nachtarbeit, ohne dass dies in einem bestimmten Schichtplan vorgesehen ist, als auch im Fall dauerhafter Nachtarbeit außerhalb von Schichtsystemen ein Zuschlagsanspruch in Höhe von 50 %. Keinen Zuschlag erhalten nach § 8 Ziff. 7 MTV Arbeitnehmer/innen, bei denen die Nachtarbeit berufsüblich ist. Nicht unterschieden wird nach dem Tarifvertrag zwischen den Stunden, die lediglich tariflich als Nachtarbeit gelten und den Nachtarbeitsstunden iSd. ArbZG. Ebenso wenig setzt der Anspruch auf die entsprechenden Nachtzuschläge voraus, dass es sich beim Arbeitnehmer um einen Nachtarbeitnehmer iSd. § 2 Abs. 5 ArbZG handelt.
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bb) Die Annahme der Tarifvertragsparteien, dass für die Differenzierung zwischen Nachtarbeit innerhalb und außerhalb von Schichtarbeit im Geltungsbereich der Tarifverträge des Einzelhandels ein sachlicher Grund besteht, überschreitet deren Spielraum nicht. Insbesondere haben sie dabei keine gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit (§ 6 Abs. 1 ArbZG; vgl. zum Begriff ErfK/Wank 14. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 4) verkannt.
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(1) Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich und hat negative gesundheitliche Auswirkungen (vgl. dazu BVerfG 28. Januar 1992 - 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 1 BvL 10/91 - zu C I 2 der Gründe, BVerfGE 85, 191; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 4). Die Belastung und Beanspruchung der Beschäftigten steigt nach bisherigem Kenntnisstand in der Arbeitsmedizin durch die Anzahl der Nächte pro Monat und die Anzahl der Nächte hintereinander, in denen Nachtarbeit geleistet wird, wie sich ua. aus einer Expertise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vom 24. Februar 2012 ergibt. Insgesamt ist anerkannt, dass Nachtarbeit umso schädlicher ist, in umso größerem Umfang sie geleistet wird. Entsprechende Gestaltungsempfehlungen für Arbeitszeitmodelle setzen hier an (vgl. dazu zB Schliemann ArbZG 2. Aufl. § 6 Rn. 14). Dies gilt unabhängig davon, dass typabhängig die Anpassung an Nachtarbeit von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut erfolgt (P. Knauth in Triebig/Kentner/Schiele Arbeitsmedizin 3. Aufl. S. 554 ff.; vgl. insgesamt dazu Habich Sicherheits- und Gesundheitsschutz durch die Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit und die Rolle des Betriebsrates, Diss. 2004 S. 3 ff., Gestaltungsempfehlungen S. 184 ff.).
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Für Schichtarbeit gilt das nicht gleichermaßen; insbesondere bringen normale Schichtwechsel zwischen Früh- und Spätschicht nicht dieselben Gefahren mit sich wie der Wechsel zu und von Nachtarbeit (Neumann/Biebl ArbZG § 6 Rn. 5; kritisch Habich aaO S. 16 mwN auch zur gegenteiligen Auffassung). Davon geht auch das ArbZG aus, das die Nachtzeit erst ab 23:00 Uhr und damit nach dem üblichen Ende der Arbeit in 2-Schicht-Systemen beginnen lässt.
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(2) Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten leistet die übergroße Mehrheit der im Einzelhandel Beschäftigten (einschließlich des Logistikbereichs) keine reinen Nachtschichten, auch wenn sie im Schichtdienst arbeiten. Dies erklärt sich im Verkauf schon aus den typischen Ladenöffnungszeiten, die weit überwiegend nicht in der Nachtzeit liegen. Auch für die anderen Bereiche, die unter die Geltung der Tarifverträge des Einzelhandels fallen, ist weder erkennbar noch vom Kläger dargelegt, dass typischerweise Nachtarbeiten in größerem Umfang oder gar ausschließlich geleistet werden. Dies ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Unternehmen der Beklagten ebenso nicht der Fall.
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Vor diesem Hintergrund durften die Tarifvertragsparteien berücksichtigen, dass sich Arbeitnehmer, die nach einem Schichtplan tätig sind, auf diesen einstellen können. Damit werden die sozialen Folgen („soziale Desynchronisation“, vgl. die genannte Expertise der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin), die mit jeder Arbeit außerhalb der üblichen Arbeitszeiten der Mehrheit der Arbeitnehmer und damit außerhalb des üblichen Tagesablaufs verbunden sind, gemindert (kritisch hierzu Wolfhard Kothe FS Buschmann S. 76 ff.). Gleichzeitig reduziert und begrenzt der Einsatz in Wechselschichtsystemen die Anzahl ggf. anfallender Nachtschichten oder Arbeitsstunden in der tariflichen oder gesetzlichen Nachtzeit.
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Deshalb überschreitet die Annahme, dass derjenige Arbeitnehmer, der keiner solchen Regelmäßigkeit unterliegt, durch die Heranziehung zur Nachtarbeit höher belastet wird, den Spielraum der Tarifvertragsparteien nicht. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass eine unregelmäßige und ungeplante Heranziehung in sehr viel höherem Maße in das Familienleben und Freizeitverhalten des Betroffenen eingreift.
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(3) Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 22. Oktober 2003 (- 10 AZR 3/03 - zu II 1 b der Gründe) nicht tragend eine Regelung des ab 1. Januar 2000 geltenden Manteltarifvertrags des bayerischen Einzelhandels (MTV Bayern) unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG als problematisch angesehen hatte, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Besonderheit der dortigen Tarifregelung lag darin, dass sich der Zuschlag nach dem Verständnis des Senats auch beim Zusammentreffen von Wechselschichtarbeit und gelegentlicher Nachtarbeit vermindert hätte und im Übrigen dieser Zuschlag noch geringer war als ein „spätöffnungsbedingter“ Zuschlag für die Zeit ab 18:30 Uhr bzw. samstags ab 14:00 Uhr. Der Senat hat deshalb angenommen, § 8 Ziff. 6 MTV Bayern regle Fälle, „in denen die Erschwernisse der Wechselschicht mit Nachtarbeit gerade wegen der Erschwernis der Wechselschicht mit einem Zuschlag ausgeglichen werden sollen, nicht dagegen die bloße Erschwernis der Nachtarbeit“. Er hat daraus die Schlussfolgerung gezogen, die Zuschläge für Nacht- und Wechselschichtarbeit stünden grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und eine automatische Verdrängung finde nicht statt. Die Ausgangssituation unterscheidet sich damit deutlich von der vorliegenden Tariflage.
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II. Der Kläger hat die Kosten der Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
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Mikosch
W. Reinfelder
Mestwerdt
Frese
Großmann
Tenor
Die Berufungen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 18.06.2013 – 1 Ca 1445/13 – werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor nach Neufassung des Klageantrages hinsichtlich des Feststellungsbegehrens wie folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Arbeitsvergütung zu zahlen in Höhe von der den Vollzeitbeschäftigten gewährten Vergütung.
Von den Kosten des 2. Rechtszuges trägt die Klägerin 1/6, die Beklagte 5/6.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Mit ihrer Klage macht die 1964 geborene Klägerin, welche seit dem Jahre 1990 bei der beklagten Gewerkschaft bzw. deren Rechtsvorgängerin als Verwaltungsangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von derzeit 28,5 Stunden beschäftigt ist, einen Anspruch auf Schadensersatz wegen unzulässiger Altersdiskriminierung geltend.
3Diesen Anspruch stützt die Klägerin auf den Standpunkt, die in § 9 der allgemeinen Arbeitsbedingungen (AAB) getroffene Regelung, nach welcher die wöchentliche Arbeitszeit der älteren Beschäftigten stufenweise ab dem 40. Lebensjahr und erneut ab dem 50. Lebensjahr um je 1,5 Std. abgesenkt werde, verstoße gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG, da in unzulässiger Weise an das Merkmal des Alters angeknüpft werde. Entgegen der Auffassung der Beklagten liege keine zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters im Sinne des § 10 AGG vor. Insbesondere könne die Altersstaffelung nicht damit gerechtfertigt werden, dass hiermit dem altersbedingten Nachlassen der körperlichen und geistigen Kräfte und einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Zum einen sei nicht ersichtlich, dass bereits mit dem Lebensalter von 40 Jahren die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers nachlasse und aus diesem Grunde eine Kompensation durch Arbeitszeitverkürzung geboten sei. Zum anderen stehe es mit dem angeblichen Ziel des Gesundheitsschutzes in Widerspruch, dass die Regelung auch auf Teilzeitkräfte Anwendung finde, welchen zusätzlich das Wahlrecht zugebilligt werde, anstelle einer anteiligen Arbeitszeitverkürzung eine entsprechende Vergütungserhöhung zu erhalten, wie dies anlässlich der Vollendung ihres 40. Lebensjahres auch bei der Klägerin selbst gehandhabt worden sei. Da im Falle der Unwirksamkeit einer Altersstaffelung allein eine Anpassung „nach oben“ in Betracht komme, müsse sie – die Klägerin - so gestellt werden, als habe sie bereits das 50. Lebensjahr vollendet und die Voraussetzungen einer entsprechenden anteiligen Arbeitszeitverkürzung erreicht. Da ihr die zu beanspruchende Arbeitszeitverkürzung in der Vergangenheit nicht gewährt worden sei, stehe ihr hierfür ein Ausgleich in Geld, und zwar in rechnerisch unstreitiger Höhe von 104,-- € brutto/Monat nebst Zinsen zu. Für den weiteren Zeitraum bis zum Erreichen des 50. Lebensjahres begehrt die Klägerin eine Klärung der Rechtslage in Form eines Feststellungsbegehrens. Demgegenüber hat die Beklagte im Wesentlichen vorgetragen, die in § 9 AAB vorgesehene Altersstaffelung diene dem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer und stelle danach eine nach § 10 Satz 1 AAG zulässige unterschiedliche Behandlung wegen Alters dar. Dass die Regelung auch auf Teilzeitkräfte Anwendung finde, rechtfertige sich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten und könne danach nicht beanstandet werden.
4Durch Urteil vom 18.06.2013 (Bl. 82 ff. d. A.), auf welches wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der Fassung der Anträge – gerichtet auf Zahlung von je 104,-- Euro brutto nebst Zinsen für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Mai 2013 sowie auf Feststellung der maßgeblichen Berechnungsgrundlagen für das Gehalt der Klägerin – verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Zahlungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum Oktober 2011 bis einschließlich Januar 2012 wegen Versäumung der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG abgewiesen und im Übrigen den Zahlungsanträgen sowie dem verfolgten Feststellungsantrag auf der Grundlage des Klägervorbringens entsprochen. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung begehrt die Beklagte die Abänderung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung, wohingegen die Klägerin mit ihrer – vom Arbeitsgericht zugelassenen – Berufung geltend macht, die in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehene Zweimonatsfrist sei durch die Sechsmonatsfrist des § 26 ABB abgeändert worden. Zwar lasse § 15 Abs. 4 AGG eine Änderung der Zweimonatsfrist an sich nur durch eine tarifliche Regelung zu. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Gewerkschaften die Arbeitsbedingungen ihrer Beschäftigten nicht durch Tarifvertrag, sondern zulässigerweise durch Betriebsvereinbarung regelten, sei eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift auch auf die hier vorliegende Regelung der Arbeitsbedingungen durch Gesamtbetriebsvereinbarung geboten, um eine Schlechterstellung der Gewerkschaftsbeschäftigten zu vermeiden.
5Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
6Entscheidungsgründe
7Die beiderseits eingelegten Berufungen bleiben ohne Erfolg.
8B. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
9I. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen gegen die Zulässigkeit der Klageanträge keine Bedenken.
101. Mit der sprachlichen Neufassung des Feststellungsantrages ist dem Erfordernis Rechnung getragen, dass als Gegenstand der Feststellungsklage allein ein Rechtsverhältnis bzw. eine hieraus folgende Berechtigung oder Verpflichtung in Betracht kommt (§ 256 Abs. 1 ZPO).
112. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht auch nicht der Umstand entgegen, dass im Laufe des Verfahrens weitere als die beziffert eingeklagten Monatsbeträge fällig geworden und bezifferbar geworden sind. Zu einer laufenden Aktualisierung und Klageerweiterung in Form eines bezifferten Antrages besteht jedenfalls dann keine Notwendigkeit, wenn der Streit der Parteien allein den Grund des Anspruchs betrifft und deshalb zu erwarten steht, dass auf die gerichtliche Feststellung hin nicht allein die beziffert eingeklagten Rückstände, sondern auch die bis zum Urteilserlass aufgelaufenen weiteren Differenzbeträge ausgezahlt werden.
123. Das Interesse an alsbaldiger Feststellung folgt ohne Weiteres daraus, dass die Beklagte eine entsprechende Zahlungsverpflichtung leugnet und das Bestehen dieser Verpflichtung vom Gericht nicht allein als Vorfrage der geltend gemachten Zahlungsanträge geprüft, sondern – wie in § 256 Abs. 2 ZPO vorgesehen - an der Rechtskraft der Entscheidung teilhaben soll.
134. Schließlich begründet auch der Umstand, dass die Klägerin zwischenzeitlich am 04.01.2014 das 50. Lebensjahr vollendet hat und zu erwarten steht, dass die Beklagte ab dem Monat Januar 2014 ihr die fragliche Ermäßigung der Arbeitszeit gem. § 9 AAB gewähren wird, keine Notwendigkeit, das Feststellungsbegehren ausdrücklich zeitlich zu begrenzen. Der Streit der Parteien betrifft nicht einen auf § 9 ABB gerichteten Erfüllungsanspruch für die Zeit ab Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze von 50 Jahren, vielmehr verlangt die Klägerin Schadensersatz in Geld unter dem Gesichtspunkt der Altersdiskriminierung für einen Zeitraum, in welchem sie noch nicht das 50. Lebensjahr erreicht hat, jedoch so gestellt werden will, als hätte sie das betreffende Lebensalter bereits erreicht. Auf dieser Grundlage versteht es sich von selbst, dass das Feststellungsbegehren der Klägerin nicht zeitlich unbeschränkt, sondern auf den Zeitraum der angeblichen Altersdiskriminierung bezogen ist. Dieses Verständnis ist auch aus Sicht der Beklagten nicht zweifelhaft, nachdem die Klägerin – wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben - für die Zeit ab Vollendung des 50. Lebensjahres keine anteilige Entgelterhöhung bei gleichbleibender Arbeitszeit, sondern eine tatsächliche Herabsetzung der zu leistenden Arbeitsstunden beantragt hat.
14II. In der Sache erweisen sich Feststellungs- und Leistungsantrag der Klägerin als begründet. Die Kammer tritt der arbeitsgerichtlichen Entscheidung in der Begründung bei, dass die in § 9 AAB getroffene Regelung über die Ermäßigung der Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer in ihrer konkreten Ausprägung gegen das Verbot der Altersdiskriminierung in § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG verstößt mit der Folge, dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 AGG Schadensersatz – und zwar in Geld – zu leisten hat.
151. Auch wenn man – abweichend vom Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils -davon ausgeht, dass die in § 9 Abs. 1 AAB vorgesehene Verkürzung der Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer insgesamt - oder jedenfalls, soweit sie in der zweiten Stufe an das 50. Lebensjahr anknüpft - das zulässige Ziel verfolgt, dem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung zu tragen, dieses Ziel eine unterschiedliche Behandlung wegen Alters im Sinne des § 10 Satz 1 AGG rechtfertigt und in der getroffenen Regelung hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, folgt aus der Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in die vorgesehene Arbeitszeitverkürzung sowie aus der diesem Personenkreis eingeräumten Wahlmöglichkeit, anstelle einer Arbeitszeitverkürzung einen Ausgleich in Geld im Wege der Aufstockung der Arbeitsvergütung zu erlangen, dass die Regelung in dieser Ausgestaltung nicht als sachlich gerechtfertigte Besserstellung älterer Arbeitnehmer angesehen werden kann. Der Gesichtspunkt des Gesundheitsschutzes trägt jedenfalls in Bezug auf die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten die vorgenommene Differenzierung nicht.
16Während in Bezug auf die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten der Gedanke des Gesundheitsschutzes durch Arbeitszeitermäßigung für ältere Arbeitnehmer als nachvollziehbar erscheint und die gewählte Ausgestaltung der Regelung mit einer Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 36,5 Stunden bereits ab dem 40. Lebensjahr noch von der Einschätzungsprärogative der Betriebsparteien gedeckt anzusehen sein mag, trifft der Gesichtspunkt des Überforderungsschutzes und des gesteigerten Erholungsbedürfnisses auf die Gruppe der Teilzeitkräfte ersichtlich nicht in vergleichbarer Weise zu. Wenn zur Kompensation der nachlassenden Arbeitskraft eines Vollzeitbeschäftigten diesem eine Arbeitszeitermäßigung gegenüber einem jungen Arbeitnehmer im Umfang von maximal drei Stunden gewährt wird und dementsprechend davon ausgegangen wird, dass bei einer verbleibenden Arbeitszeit von 35 Stunden/Woche eine Überforderung des älteren Arbeitnehmers vermieden wird, so ist nicht einsichtig, warum ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der nur 20 oder 30 Stunden/Woche arbeitet und aus diesem Grunde mit seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit von den angenommenen Grenzen der Leistungsfähigkeit weit entfernt bleibt, gleichwohl eine an das Lebensalter anknüpfende Arbeitszeitverkürzung erhalten soll, obwohl auf ihn der Gesichtspunkt eines gesteigerten Bedürfnisses, sich von der Arbeit zu erholen, ersichtlich nicht zutrifft. Auch wenn nicht verkannt wird, dass auch ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer infolge der Belastung durch Kinderziehung, Pflege naher Angehöriger o. ä. nicht weniger als ein Vollzeitbeschäftigter an seine Belastungsgrenzen gelangen kann und aus diesem Grunde ebenfalls die Verkürzung der Arbeitszeit der Kompensation altersbedingt nachlassender Leistungsfähigkeit dienen könnte, trifft dies jedenfalls nicht auf die gesamte Gruppe der Teilzeitbeschäftigten zu. Wie die Vorschrift des § 8 TzBfG zeigt, fordert ein Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers keinerlei sachliche Begründung auf Seiten des Arbeitnehmers, vielmehr können auch individuelle Wünsche der Lebensführung dazu führen, dass ein Arbeitnehmer eine Teilzeitbeschäftigung wählt, um so mehr Freiraum für die private Lebensgestaltung zu erhalten und entweder aus wirtschaftlichen Gründen auf eine Vollzeitbeschäftigung nicht angewiesen oder zu einem gewissen Konsumverzicht bereit ist. Letztere Gruppe mag zwar eine Minderheit unter den Teilzeitbeschäftigten darstellen; demgegenüber kann aber jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass typischerweise jeder Teilzeitbeschäftigte seine Leistungsfähigkeit im selben Maße wie ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ausschöpft und wie dieser aus Gründen des gesteigerten Erholungsbedürfnisses auf eine Ermäßigung der wöchentlichen Arbeitszeit angewiesen ist. Erst recht zeigt der Umstand, dass den älteren Teilzeitbeschäftigten die Möglichkeit eingeräumt wird, anstelle einer proportionalen Arbeitszeitverkürzung eine entsprechende Vergütungserhöhung zu beanspruchen, dass das Ziel, dem altersbedingten Nachlassen der Arbeitskraft und einem hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen, in Bezug auf die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten vollkommen zurücktritt. Aus Sicht der Teilzeitkraft, welche bei Erreichen des 40. und 50. Lebensjahres anstelle einer Arbeitszeitverkürzung jeweils eine Vergütungserhöhung erfährt, stellt sich die Regelung des § 9 AAB als eine am Lebensalter ausgerichtete Staffelung der Arbeitsvergütung dar, welche den Maßstäben des § 10 AGG nicht genügt.
172. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich die Einbeziehung der Teilzeitkräfte in das System des § 9 AAB auch nicht mit der Notwendigkeit begründen, Teilzeit- und Vollzeitkräfte gleich zu behandeln. Ausgehend davon, dass die Altersstaffelung in § 9 AAB dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienen soll, die wegen ihrer Vollzeitbeschäftigung ein gesteigertes Erholungsbedürfnis aufweisen, liegt auf der Hand, dass für eine anteilige Leistungsgewährung an Teilzeitkräfte kein Raum ist. Der Grund für die vorgesehene Absenkung der Arbeitszeit - nämlich die Kompensation für das altersbedingte Absinken des Leistungsvermögens und des hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnisses – trifft auf die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten nicht, und zwar auch nicht proportional im Verhältnis von Teilzeit zu Vollzeit, zu. Umgekehrt folgt aus der Tatsache, dass die Regelung des § 9 AAB nicht zwischen Vollzeit und Teilzeitbeschäftigten unterscheidet, dass die Regelung in dieser Ausgestaltung nicht als durch gesundheitspolitische Ziele gerechtfertigt angesehen werden kann.
183. Die Beklagte trägt auch nicht etwa vor, die Anwendung des § 9 AAB auf Teilzeitkräfte sei – abweichend vom wahren Regelungsgehalt – irrtümlich erfolgt, bei zutreffender Auslegung regele § 9 AAB in rechtlich unbedenklicher Weise allein Ansprüche der Vollzeitbeschäftigten. Wie sich vielmehr aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, soll die Einbeziehung der Teilzeitbeschäftigten in die betreffende Regelung nach dem Willen der Betriebsparteien dem Ziel dienen, Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte gleich zu behandeln. Auf dieser Grundlage liegt aber nicht etwa eine fehlerhafte Anwendung des § 9 AAB vor, vielmehr enthält die Regelung des § 9 AAB selbst einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung.
194. Erweist sich damit die in § 9 AAB vorgesehene Altersstaffelung als unwirksam, so ergibt sich als Rechtsfolge der unzulässigen Anknüpfung der Leistungsvoraussetzungen an das Lebensalter ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Schadensersatz gemäß § 15 Abs. 1 AGG. Dementsprechend ist die Klägerin so zu stellen, als wenn sie bereits das 50. Lebensjahr vollendet und damit eine Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 35 Stunden/Woche erreicht hätte. Zutreffend hat das Arbeitsgericht hierzu ausgeführt, dass die Beseitigung der Diskriminierung in einem derartigen Fall nur durch eine Anpassung „nach oben“ erfolgen kann.
205. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt als Form des Schadensersatzes allein ein Ausgleich in Geld in Betracht. Anders als etwa beim Schadensersatz für zu Unrecht nicht gewährten Urlaub in Form der Naturalrestitution durch Nachgewährung von „Ersatzurlaub“ scheitert eine nachträgliche Verkürzung der Arbeitszeit schon deshalb aus, weil die Verpflichtung zur Arbeitsleistung strikt zeitgebunden ist. Infolge der unterbliebenen Arbeitszeitverkürzung hat die Klägerin zusätzliche Arbeitsleistung erbracht, welche entsprechend zu vergüten ist.
216. Gegen die Berechnung der Klageforderung sind keine Bedenken zu erkennen.
227. Aus den vorstehenden Gründen erweist sich auch der - sprachlich lediglich neu gefasste – Feststellungsantrag als begründet. Danach hat die Beklagte die Klägerin bei der Berechnung der Arbeitsvergütung so zu stellen, als ob sie bereits das 50. Lebensjahr vollendet hätte. Diese an ein fiktives Lebensalter anknüpfende Verpflichtung beschränkt sich der Natur der Sache nach auf den Zeitraum vor tatsächlicher Vollendung des 50. Lebensjahres, ohne dass es einer ausdrücklichen zeitlichen Begrenzung im Urteilstenor bedarf.
23B. Auch die – vom Arbeitsgericht zugelassene – Berufung der Klägerin, betreffend die Abweisung der eingeklagten monatlichen Differenzbeträge für die Monate Oktober 2011 bis einschließlich Januar 2012, ist unbegründet.
24I. Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die von der Klägerin verfolgten Schadensersatzansprüche der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG unterliegen. Mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 02.04.2012 hat die Klägerin danach allein Ansprüche ab dem Monat Februar 2012 rechtzeitig geltend gemacht.
25II. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehene Zweimonatsfrist nicht durch die Regelung der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 26 AAB verdrängt.
261. Zwar sieht die Vorschrift des § 15 Abs. 4 eine Öffnungsklausel vor. Zum einen erscheint jedoch zweifelhaft, ob eine allgemeine Ausschlussfrist, die – wie § 26 AAB - alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfasst, zur Abänderung der besonderen Frist des § 15 Abs. 4 AGG geeignet ist, wie dies im Schrifttum angenommen wird (vgl. z. B. Deinert in Däubler/Bertzbach, AGG 2. Aufl., § 15 Rn 103; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 3. Aufl., § 15 Rn 61). Gegen ein solches Verständnis spricht immerhin der Umstand, dass die besonders kurz bemessene gesetzliche Zweimonatsfrist dem Ziel dient, eine zeitnahe Klärung der Anspruchsvoraussetzungen zu erreichen. Wenn das Gesetz speziell für derartige Ansprüche ein gesteigertes Bedürfnis nach Rechtssicherheit berücksichtigt wissen will und diesem Anliegen durch eine enge Fristenregelung Rechnung trägt, mit einer Öffnungsklausel allerdings Raum dafür lässt, dass die Tarifparteien aufgrund der ihnen zustehenden Verantwortung und unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten der vom tariflichen Geltungsbereich erfassten Branchen und Betriebe abweichende Regelungen vereinbaren können, so erscheint nicht unzweifelhaft, ob in der Vereinbarung allgemeiner tarifliche Ausschlussfristen eine Abbedingung der speziellen Fristenregelung des § 15 Abs. 4 AGG gesehen werden kann. Diese Bedenken gelten erst recht für Fall, dass die tarifliche Regelung zu einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des AGG vereinbart worden ist und damit der Wille, von der gesetzlichen Öffnungsklausel Gebrauch zu machen, zwangläufig fehlt.
272. Zum anderen gewährt § 15 Abs. 4 AGG die Möglichkeit zu einer abweichenden Fristenregelung allein den Tarifparteien. Die in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehene Ausschlussfrist des § 26 AAB steht einer tariflichen Regelung nicht gleich. Allein der Umstand, dass die Arbeitsbedingungen der Gewerkschaftsbeschäftigten nicht durch Tarifverträge, sondern – zulässigerweise – durch Betriebsvereinbarung geregelt werden, rechtfertigt keine Gleichsetzung der Betriebsvereinbarungen mit der in § 15 Abs. 4 AGG geforderten tariflichen Regelung. Für die Annahme einer planwidrigen Gesetzeslücke sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der Umstand, dass für den Bereich der Gewerkschaftsbeschäftigten eine tarifliche Regelung fehlt, beruht nicht etwa auf einem gesetzlich begründeten Regelungshindernis, sondern auf dem Willensentschluss, keine Tarifverträge abzuschließen. Insoweit besteht kein Unterschied zu den in kirchlichen Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmern, für welche die Arbeitsbedingungen ganz überwiegend auf dem sog. dritten Weg vereinbart werden. Auch ansonsten kann ein tarifunwilliger Arbeitgeber zum Abschluss eines Tarifvertrages nur veranlasst werden, wenn sich genügend Arbeitnehmer zu einer Gewerkschaft zusammenschließen und aufgrund entsprechender „Mächtigkeit“ rechtlich und tatsächlich in der Lage sind, einen Tarifabschluss zu erzwingen. Das Fehlen einer tariflichen Regelung stellt damit keine rechtlich vorgegebene Besonderheit dar, welche etwa vom Gesetzgeber übersehen worden wäre. Vielmehr trifft es für sämtliche Arbeitnehmer, deren Arbeitsbedingungen nicht tariflich geregelt sind, zu, dass sie die von § 15 AGG erfassten Ansprüche innerhalb der regulären Zweimonatsfrist geltend machen müssen.
28Auch aus der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.02.2001 (1 AZR 322/00) folgt nichts anderes. Nach dem Inhalt der genannten Entscheidung verstößt es zwar nicht gegen die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG, wenn die Arbeitsbedingungen der Gewerkschaftsbeschäftigten durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dies beruht indessen nicht auf einer Sonderstellung der Gewerkschaften und Gewerkschaftsbeschäftigten, sondern darauf, dass die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 tariflich geregelte oder üblicherweise tariflich geregelte Arbeitsbedingungen betrifft. Wenn die Gewerkschaft keine Tarifverträge abschließt, fehlt es am Merkmal der Tarifüblichkeit. Allein der Umstand, dass in derartigen Fällen die Sperrwirkung des Tarifvertrages zurücktritt, bedeutet nicht, dass die solchermaßen zulässigen Betriebsvereinbarungen tarifvertragsvertretenen Charakter beanspruch können und bei der Anwendung gesetzlicher Tariföffnungsklausel tariflichen Regeln gleichzustellen sind. Die Rechtsmacht, von der gesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 4 AGG abzuweichen, hat der Gesetzgeber – sicher nicht ohne Grund, sondern mit Rücksicht auf deren verfassungsrechtlich geschützte Kompetenz zur Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen - allein den Tarifvertragsparteien, nicht hingegen den Betriebsparteien eingeräumt. Hieran sind die Gerichte gebunden.
29Dementsprechend muss es damit sein Bewenden haben, dass die Ansprüche der Klägerin bis einschließlich Januar 2012 mangels rechtzeitiger Geltendmachung erloschen sind.
30C. Hinsichtlich der Kostenverteilung verbleibt es bei der arbeitsgerichtlichen Entscheidung.
31D. Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.
Tenor
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1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 19. August 2009 - 4 Sa 912/08 - wird zurückgewiesen.
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2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung einer persönlichen Besitzstandszulage und einen monatlichen Mindestsicherungsbetrag nach den Überleitungsregelungen des Tarifvertrags für die Nahverkehrsbetriebe in Bayern.
- 2
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Der Kläger war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin seit dem 1. September 1985 beschäftigt und auf der Basis des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 1988 als Kfz-Mechaniker in der Werkstatt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, insbesondere der Tarifvertrag für die Nahverkehrsbetriebe in Bayern vom 18. August 2006 idF des 1. Änderungstarifvertrags vom 9. Februar 2007 (TV-N Bayern) Anwendung.
- 3
-
Im Zeitraum Mai 2004 bis September 2005 wurde der Kläger auch stundenweise im Fahrdienst eingesetzt. Hierfür erhielt er einen zeitanteiligen Einmannfahrerzuschlag nach § 2 des „Bezirkstarifvertrags Nr. 8 zum BMT-G II vom 29. Januar 1981 über die Zahlung besonderer Zuschläge für Arbeiter im Fahrdienst bei Nahverkehrsbetrieben“ idF vom 30. Oktober 2001 und dem „Bezirkstarifvertrag Nr. 8 o zum BMT-G vom 29. Januar 1981 über die Zahlung des Einmannzuschlages bei den Stadtwerken Schweinfurt“ sowie einen zeitanteiligen Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 3 des „Bezirkstarifvertrags Nr. 4 zum BMT-G II“ vom 8. November 1962. In den Monaten Oktober und November 2005 arbeitete er im Wasserwerk. Während dieser Zeit fielen keine Fahrdienststunden an.
- 4
-
Der Kläger wechselte ab dem 1. Dezember 2005 in den ständigen Fahrdienst und erhielt eine Vergütung nach der Lohngruppe F 4. Mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 teilte ihm die Beklagte vor dem Hintergrund der zum 30. Juni 2004 gekündigten Bezirkstarifverträge Nr. 4 und Nr. 8 zum BMT-G II und einer noch fehlenden tarifvertraglichen Neuregelung mit, für sein Arbeitsverhältnis als Busfahrer würden vorerst die bisherigen Bezirkstarifverträge Nr. 4 und Nr. 8 zusätzlich gelten und die sich daraus ergebenden Zuschläge unter Vorbehalt gezahlt werden. Der Kläger erklärte hierzu sein Einverständnis. Dementsprechend erhielt er einen Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 4 in Höhe von monatlich 437,65 Euro brutto und einen Einmannfahrerzuschlag nach § 2 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 8 in Höhe von 224,02 Euro brutto.
-
Am 18. August 2006 schlossen die Tarifvertragsparteien den TV-N Bayern ab. Dieser trat zum 1. Januar 2007 in Kraft und ersetzte den BMT-G II sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge der VKA (§ 22 Abs. 1 TV-N Bayern). Mit dem Inkrafttreten des TV-N Bayern traten die Bezirkstarifverträge Nr. 4 und Nr. 8 sowie die besonderen Tarifverträge für die einzelnen Nahverkehrsbetriebe außer Kraft (§ 22 Abs. 2 TV-N Bayern), der Fahrdienst- und der Einmannfahrerzuschlag entfielen. Für die entfallenden Zuschläge sieht § 23 TV-N Bayern Übergangsregelungen vor, die ua. folgenden Wortlaut haben:
-
„(Abs. 1): Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht und die am 01.01.2007 unter den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, werden am 01.07.2007 (Stichtag) nach folgenden Regelungen übergeleitet. ...
(Abs. 11): Arbeitnehmer, denen im Juni 2004 nach den Vorschriften des BTV Nr. 8 zum BMT-G vom 29.01.1981 in Verbindung mit der für den einzelnen Nahverkehrsbetrieb abgeschlossenen bezirkstarifvertraglichen Regelung ein Einmannfahrer oder U-Bahnfahrerzuschlag zugestanden hat und denen dieser Zuschlag bis zum Stichtag der Überleitung in den TV-N ununterbrochen zustand, erhalten den gezahlten Betrag ab dem Stichtag der Überleitung für die Dauer der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit als persönliche Besitzstandszulage.
Unschädlich sind Unterbrechungen des Bezuges des Einmannfahrer- oder U-Bahnfahrerzuschlages während des nach Satz 1 maßgebenden Zeitraumes wegen
a)
Ableistung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes,
b)
Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 BMT-G bis zu insgesamt 26 Wochen,
c)
Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,
d)
Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz,
e)
sonstiger Anlässe, sofern diese zusammenhängend die Dauer von 30 Kalendertagen nicht überschreiten.
(Abs. 12): Arbeitnehmer, denen im Juni 2004 nach § 12 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 4 zum BMT-G vom 08.11.1962 sowie nach dem Bezirkstarifvertrag Nr. 17 oder Bezirkstarifvertrag Nr. 20 ein Fahrdienstzuschlag zugestanden hat, erhalten einen monatlichen Mindestsicherungsbetrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften:
1.
Die Zahlung eines Mindestsicherungsbetrages setzt voraus, dass der Anspruch auf den Fahrdienstzuschlag im Juni 2004 bestanden hat und dem Arbeitnehmer der Fahrdienstzuschlag ununterbrochen bis zum 30. Juni 2007 gezahlt worden ist.
Unschädlich sind Unterbrechungen wegen
a)
Ableistung des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes,
b)
Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 BMT-G bis zu insgesamt 26 Wochen,
c)
Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz,
d)
Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz,
e)
sonstiger Anlässe, sofern diese zusammenhängend die Dauer von 30 Kalendertagen nicht überschreiten.
2.
Der Mindestsicherungsbetrag wird nur für die Dauer einer Beschäftigung im Fahrdienst gezahlt, die nach § 12 Abs. 2 BTV Nr. 4 zum BMT-G einen Anspruch auf den Fahrdienstzuschlag begründet hätte. Der Anspruch entfällt mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die anspruchsbegründende Tätigkeit im Fahrdienst endet.
3.
Bemessungsgrundlage für den monatlichen Mindestsicherungsbetrag ist der Fahrdienstzuschlag in der nach § 12 Abs. 2 BTV Nr. 4 zum BMT-G bzw. BTV Nr. 17 und 20 im Dezember 2006 zustehenden Höhe, höchstens 23 v.H. des Monatstabellenlohnes der Stufe 1 der jeweiligen Lohngruppe.
4.
Der Mindestsicherungsbetrag wird in Höhe des monatlichen Unterschiedsbetrages zwischen dem Fahrdienstzuschlag und der Summe der für die regelmäßige dienstplanmäßige Arbeitszeit zustehenden Zeitzuschläge nach § 10 Abs. 1 und der Schichtzulage nach § 10 Abs. 6 gezahlt.
5.
Ab dem 01.01.2008 verringert sich der Mindestsicherungsbetrag in jährlichen Schritten von 40 Euro monatlich. Am Stichtag (Absatz 1 Satz 1) bestehende Altersteilzeitverträge sind von dieser Abschmelzregelung ausgenommen.
6.
Bei höheren Fahrdienstzuschlägen als nach Ziff. 3 sind entsprechende Regelungen durch örtlichen Tarifvertrag zu treffen.“
- 6
-
Die Beklagte zahlte aufgrund einer Betriebsvereinbarung vom 21. August 2007 die bisherigen Einmannfahrer- und (anteiligen) Fahrdienstzuschläge bis zum 31. Dezember 2007 weiter. Im Jahr 2008 stellte sie die Zahlungen ein. Der Kläger hat die Weitergewährung des Einmannfahrerzuschlags als persönliche Besitzstandszulage und des (anteiligen) Fahrdienstzuschlags als Mindestsicherungsbetrag geltend gemacht und die Auffassung vertreten, dass diese ihm aufgrund der tarifvertraglichen Überleitungsregelungen und einer individuellen Vereinbarung weiter zustünden. § 23 Abs. 11 TV-N Bayern setze für eine Gewährung der persönlichen Besitzstandszulage keinen ständigen Einsatz im Fahrdienst vor dem 30. Juni 2004 voraus, ausreichend sei ein vorübergehender Einsatz. Das gelte auch für den Mindestsicherungsbetrag nach § 23 Abs. 12 TV-N Bayern. Die Übergangsbestimmungen differenzierten nicht zwischen einem ständigen und einem nur gelegentlichen Einsatz im Fahrdienst. Sein kurzfristiger Einsatz im Wasserwerk stehe dem Anspruch nicht entgegen. Er habe in der Besprechung vom 25. November 2005 seiner Versetzung in den ständigen Fahrdienst nur unter der Voraussetzung zugestimmt, keine finanziellen Einbußen zu erleiden. Unter Vorlage von zwei Testabrechnungen sei ihm versichert worden, durch Aufnahme der Fahrdiensttätigkeit werde es zu keinen Einkommenseinbußen kommen. Im Übrigen behandele ihn die Beklagte im Vergleich mit Herrn R ungleich.
-
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.927,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen,
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Betrag des Einmannfahrerzuschlags als persönliche Besitzstandszulage gemäß § 23 Abs. 11 TV-N Bayern vom 18. August 2006 in Form des Änderungstarifvertrags vom 9. Februar 2007 zu zahlen,
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm einen Mindestsicherungsbetrag gemäß § 23 Abs. 12 TV-N Bayern vom 18. August 2006 in Form des Änderungstarifvertrags vom 9. Februar 2007 zu zahlen.
- 8
-
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags im Wesentlichen vorgetragen: Nach den Überleitungsvorschriften des § 23 Abs. 11 und Abs. 12 TV-N Bayern habe der Kläger keinen Anspruch auf die persönliche Besitzstandszulage und den Mindestsicherungsbetrag. Er habe erst ab Dezember 2005 ständig im Fahrdienst gearbeitet. Die Tarifnormen setzten aber einen ununterbrochenen Einsatz im Fahrdienst in dem ab Juni 2004 beginnenden Referenzzeitraum bis zum Überleitungszeitpunkt in den TV-N Bayern am 1. Juli 2007 voraus. Die tariflichen Besitzstandsregelungen verstießen nicht gegen höherrangiges Recht und hielten sich in der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien. Mit dem Kläger sei kein über die tarifvertragliche Vergütung hinausgehendes Arbeitsentgelt vereinbart worden. Das Schreiben vom 8. Dezember 2005 bilde nur die Rechtslage ab. Die im Rahmen des Personalgesprächs am 25. November 2005 vorgelegten Testabrechnungen hätten nur den damals geltenden tariflichen Ist-Zustand wiedergegeben. Es liege auch keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung mit dem Mitarbeiter R vor.
-
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
- 10
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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder einen tariflichen noch einen einzelvertraglichen Anspruch.
- 11
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I. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Zahlung einer persönlichen Besitzstandszulage nach § 23 Abs. 11 TV-N Bayern noch auf Zahlung eines Mindestsicherungsbetrags nach § 23 Abs. 12 TV-N Bayern.
- 12
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1. Dem Kläger steht der begehrte Mindestsicherungsbetrag nach § 23 Abs. 12 TV-N Bayern nicht zu.
- 13
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a) § 23 Abs. 12 Nr. 1 TV-N Bayern setzt voraus, dass ein Anspruch auf den Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 4 im Juni 2004 bestanden hat und dem Arbeitnehmer der Fahrdienstzuschlag ununterbrochen bis zum 30. Juni 2007 gezahlt worden ist.
- 14
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b) Der Kläger ist vor dem 1. Dezember 2005 nicht ständig im Fahrdienst eingesetzt worden. Er hatte deshalb ab Juni 2004 noch keinen Anspruch auf einen Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 4(siehe auch BAG 27. November 2008 - 6 AZR 765/07 - Rn. 37, ZTR 2009, 198). Für seinen stundenweisen, vorübergehenden Einsatz im Fahrdienst stand ihm lediglich ein Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 3 Bezirkstarifvertrag Nr. 4 zu.
- 15
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c) Entgegen der Auffassung der Revision enthält aufgrund des klaren Wortlauts der Tarifnorm, auf den es bei der Auslegung von Tarifregelungen vorrangig ankommt (st. Rspr., vgl. BAG 19. November 2008 - 10 AZR 658/07 - Rn. 17, AP BMT-G II § 67 Nr. 4; 27. Oktober 2010 - 10 AZR 361/09 - Rn. 12; zuletzt 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 15, NZA-RR 2011, 322), § 23 Abs. 12 TV-N Bayern keine Rechtsgrundverweisung auf die Regelung des § 23 Abs. 11 TV-N Bayern. Die Tarifnorm regelt die Voraussetzungen und Folgen des auf dem Fahrdienstzuschlag nach § 12 Abs. 2 Bezirkstarifvertrag Nr. 4 aufbauenden Mindestsicherungsbetrags autonom und abschließend. Sie verweist nicht auf Absatz 11.
- 16
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2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die persönliche Besitzstandszulage nach § 23 Abs. 11 Satz 1 TV-N Bayern. Ihm stand in dem ab Juni 2004 beginnenden und bis zum Stichtag der Überleitung in den TV-N Bayern am 1. Juli 2007 bestehenden Referenzzeitraum ein Einmannfahrerzuschlag nach den Vorschriften des Bezirkstarifvertrags Nr. 8 zum BMT-G vom 29. Januar 1981 nicht ununterbrochen zu.
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a) Der Kläger wurde erst ab 1. Dezember 2005 ständig im Fahrdienst eingesetzt. Insbesondere in den Monaten Oktober und November 2005 war der Kläger überhaupt nicht im Fahrdienst, sondern im Wasserwerk tätig. Dabei ist es unbeachtlich, auf wessen Veranlassung und Wunsch hin dieser Einsatz erfolgte. Jedenfalls liegt im Tarifsinne schon kein ununterbrochener Einsatz im Fahrdienst und damit kein ununterbrochener Anspruch auf den Einmannfahrerzuschlag vor.
- 18
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b) Die Systematik des § 23 Abs. 11 Satz 2 TV-N Bayern verdeutlicht, dass nur bestimmte Unterbrechungen als unschädlich anzusehen sind. Von den genannten Unterbrechungen ist jedoch keine einschlägig. Insbesondere dauerte die Tätigkeit im Wasserwerk und damit die Unterbrechung der Fahrdiensttätigkeit länger als 30 Kalendertage (§ 23 Abs. 11 Satz 2 Buchst. e TV-N Bayern).
- 19
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c) Daraus folgt, dass die Tarifvertragsparteien bei der Ausgestaltung der Überleitungsregelungen die Unterbrechungstatbestände erkannt und geregelt haben. Ihrer Anschauung nach sind lediglich kurzzeitige oder auf bestimmten Gründen beruhende Unterbrechungen für die Gewährung der begehrten persönlichen Besitzstandszulage unschädlich. Anderen Unterbrechungen kommt hingegen für den Ausschluss der Gewährung der Zulage Bedeutung zu.
- 20
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3. Entgegen der Auffassung der Revision sind die tariflichen Überleitungsregelungen wirksam und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
- 21
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a) Es kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber bei der tariflichen Normsetzung unmittelbar grundrechtsgebunden sind. Aufgrund der Schutzpflichten der Grundrechte haben sie aber den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie die Diskriminierungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu beachten(BAG 27. Mai 2004 - 6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 14, BAGE 128, 219; zuletzt 16. Dezember 2010 - 6 AZR 437/09 - Rn. 18, NZA-RR 2011, 322). Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1038/08 - Rn. 21, AP GG Art. 3 Nr. 320). Die Tarifvertragsparteien können deshalb auch Tarifnormen zu Lasten von Arbeitnehmern ändern und Zulagen abschaffen (vgl. zuletzt BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 17, ZTR 2011, 172). Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22, aaO; 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 15, aaO; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, BAGE 124, 284). Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (BAG 27. Oktober 2010 - 10 AZR 410/09 - Rn. 22 mwN, aaO; 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 27, ZTR 2011, 304; 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, aaO).
-
b) Die Übergangsregelungen des TV-N Bayern differenzieren in § 23 Abs. 11 und Abs. 12 danach, ob Mitarbeiter im Fahrdienst im Referenzzeitraum bestimmte Zuschläge ununterbrochen erhalten haben oder nicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind solche Stichtags- und Referenzzeitraumregelungen mit ihrer notwendigen Pauschalierung aus Gründen der Praktikabilität grundsätzlich - ungeachtet der damit verbundenen Härten - zur Abgrenzung von begünstigten Personenkreisen gerechtfertigt, wenn sich die Wahl des Stichtags und Referenzzeitraums am gegebenen Sachverhalt orientiert und vertretbar erscheint (BAG 30. Oktober 2008 - 6 AZR 712/07 - Rn. 17, BAGE 128, 219; 11. Dezember 2003 - 6 AZR 64/03 - BAGE 109, 110; 16. Dezember 2004 - 6 AZR 652/03 - zu 3 b der Gründe; 25. Juni 2003 - 4 AZR 405/02 - BAGE 106, 374; 25. Oktober 2001 - 6 AZR 560/00 - EzBAT § 40 BAT Nr. 20; 18. Oktober 2000 - 10 AZR 643/99 - AP BAT-O § 11 Nr. 24). Die Tarifvertragsparteien dürfen generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und typisieren. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Normgeber darf sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die von ihm vorgenommenen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Zudem müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihm nicht widersprechen. Die bei einer Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwer wiegen und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfG 9. Dezember 2008 - 2 BvL 1/07 ua. - Rn. 60, BVerfGE 122, 210; 23. Juni 2004 - 1 BvL 3/98 ua. - BVerfGE 111, 115; BAG 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 31 mwN, ZTR 2011, 304).
- 23
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c) Für die vorliegende differenzierende Referenzzeitraum- und Stichtagsregelung bestehen sachliche Gründe. Die Differenzierung orientiert sich am gegebenen Sachverhalt. Sie knüpft an den Kündigungstermin der Bezirkstarifverträge Nr. 4 und Nr. 8 an und schafft vor dem Hintergrund der tariflichen Neugestaltung der Vergütung und Zulagen eine begrenzte Überleitungsregelung. Sie rechtfertigt sich weiter aus dem Ziel, einen pauschalierten und abschmelzbaren Ausgleich für den beim Übergang in das neue Vergütungssystem des TV-N Bayern durch den Wegfall von Zuschlägen entstehenden Verlust für die dauerhaft nach dem alten Vergütungssystem beschäftigten und auf die bisherige Vergütung und Vergütungsstruktur vertrauenden Arbeitnehmer zu schaffen. Die Wahrung sozialer Besitzstände ist grundsätzlich als sachlicher Rechtfertigungsgrund einer unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern anerkannt (BAG 2. August 2006 - 10 AZR 572/05 - Rn. 30, EzA BetrVG 2001 § 75 Nr. 3). Mit den Überleitungsregelungen zur persönlichen Besitzstandszulage und zum Mindestsicherungsbetrag sollen frühere Zuschlagsregelungen für einen bestimmten Zeitraum - angepasst - für die Beschäftigten aufrechterhalten werden, die diese Zuschläge schon unter der normativen Geltung des Tarifvertrags und nach dessen Ablauf im Nachwirkungszeitraum regelmäßig und durchgängig erhalten haben. Haben Beschäftigte die Zuschläge im Referenzzeitraum nicht ständig und durchgehend erhalten, liegt ein anderer Sachverhalt vor, den die Tarifvertragsparteien pauschalierend anders bewerten durften. Ein Vertrauen auf eine dauerhafte Gewährung der entsprechenden Zulagen konnte sich nicht bilden. Dies rechtfertigt die vorgenommene Differenzierung. Zwar wären auch andere Gestaltungsmöglichkeiten denkbar gewesen (beispielsweise eine anteilige persönliche Besitzstandszulage oder ein anteiliger Mindestsicherungsbetrag). Entschließen sich die Tarifvertragsparteien aber, nur den Arbeitnehmern, die über einen längeren Zeitraum durchgängig die früheren Zuschläge erhalten haben, sie als abschmelzbare Besitzstandszulage weiter zu gewähren, so liegt eine im Rahmen der Tarifautonomie zulässige Differenzierung und keine willkürliche Gruppenbildung vor (im Ausgangspunkt auch BAG 21. September 2010 - 9 AZR 442/09 - Rn. 32, ZTR 2011, 304). Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, jede Art von Abweichungen zu berücksichtigen und ein noch weitergehendes, differenzierteres System zu entwickeln. Hierdurch würde die Einfachheit und Praktikabilität einer solchen überleitenden Besitzstandsregelung erheblich in Frage gestellt.
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II. Dem Kläger stehen die begehrten Ansprüche auch nicht aus einer vertraglichen Vereinbarung der Parteien zu. Eine Vereinbarung ist weder anlässlich des Personalgesprächs vom 25. November 2005 zustande gekommen noch ergibt sie sich aus dem Schreiben der Beklagten vom 8. Dezember 2005.
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1. Bei dem vom Kläger behaupteten Inhalt des Personalgesprächs vom 25. November 2005 und dem Schreiben vom 8. Dezember 2005 handelt es sich um nichttypische Erklärungen. Deren Auslegung durch das Tatsachengericht ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob die Auslegung gegen gesetzliche Regelungen, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (st. Rspr., BAG 12. März 2008 - 10 AZR 256/07 - Rn. 18; 3. Mai 2006 - 10 AZR 310/05 - EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 18; 16. November 2005 - 10 AZR 108/05 - ZTR 2006, 313; 15. November 2000 - 5 AZR 296/99 - BAGE 96, 237, 241).
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2. Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hält diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab ohne Weiteres stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder gegen Auslegungsgrundsätze und -regeln verstoßen noch wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen. Seine Auslegung, dass sich weder aus dem Inhalt des Personalgesprächs noch aus dem Schreiben vom 8. Dezember 2005 die Zusage ergebe, dem Kläger im Falle einer Neuregelung des tariflichen Zulagensystems das Niveau der Bezirkstarifverträge Nr. 4 und Nr. 8 zu garantieren, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat dem Kläger auch nicht zugesagt, künftige tarifliche Überleitungsregelungen unabhängig von deren Voraussetzungen anzuwenden.
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a) Dem Schreiben vom 8. Dezember 2005 lässt sich nicht entnehmen, die Beklagte habe dem Kläger die Zuschläge „ohne Wenn und Aber“ dauerhaft gewähren wollen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit zu Recht festgestellt, dass die Zuschläge nicht unabhängig von der Geltung der Bezirkstarifverträge gezahlt wurden und weiter gezahlt werden sollten. Das Schreiben verweist ausdrücklich („vorerst zusätzlich“, „vorerst unter Vorbehalt“) auf die Vorläufigkeit der Zuschlagszahlung. Für den Empfänger der Erklärung war ohne Weiteres erkennbar, dass diese Zuschläge lediglich bis zum Zeitpunkt der endgültigen Regelung durch den neuen Tarifvertrag gezahlt werden sollten.
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b) Auch die „Musterberechnung“ der im Fahrdienst zu erzielenden Vergütung kann nicht als eine Zusicherung des Verdienstes auf Dauer verstanden werden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berechnung und die mit ihr im Zusammenhang stehenden Äußerungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend verstanden, die Beklagte habe den Kläger während des Personalgesprächs lediglich über die Arbeits- und Vergütungsbedingungen, die in diesem Zeitpunkt galten, informieren wollen, was für den Kläger ausreichend erkennbar gewesen sei. Mit der Vorlage einer Musterberechnung gibt der Arbeitgeber grundsätzlich keine rechtsgeschäftlich verbindliche Erklärung zur Vergütungshöhe und zum dauerhaften Bezug einer Vergütung ab (vgl. insoweit BAG 12. März 2008 - 10 AZR 256/07 - Rn. 20; 11. Oktober 1995 - 5 AZR 802/94 - AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33). Einen weitergehenden Willen der Beklagten, die „berechnete“ Vergütung ungeachtet der zu erwartenden tariflichen Neuregelung auch in Zukunft zu zahlen, durfte der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts deshalb nicht annehmen.
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III. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Zwar hat die Beklagte dem Mitarbeiter R für zwei Monate die vom Kläger begehrten Zulagen weitergewährt, obwohl auch bei ihm die tariflichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht hierin aber keine sachfremde Gruppenbildung und willkürliche Schlechterstellung des Klägers gesehen (zu den Voraussetzungen eines Anspruchs wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, vgl. bspw. BAG 29. September 2010 - 10 AZR 630/09 - Rn. 31; 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 14, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 22). Die Beklagte hatte nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die der Kläger nicht mit revisionsrechtlich erheblichen Rügen angegriffen hat, dem Mitarbeiter R die Zulage aus „Vereinfachungsgründen“ gewährt, um seine vorübergehende Arbeit als Verkehrsmeister, die mit einer Vertretungszulage auszugleichen gewesen wäre, zu honorieren. Darin liegt eine individuelle Besserstellung in einem Einzelfall und ein hinreichender sachlicher Differenzierungsgrund.
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IV. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
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Mikosch
W. Reinfelder
Eylert
Beck
Alex
Tenor
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1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 - wird zurückgewiesen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Höhe des jährlichen Urlaubsanspruchs.
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Die Beklagte stellt Schuhe her. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 1. Juli 1994 als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 13. November 2000 ist ua. vereinbart, dass der jährliche Urlaubsanspruch 34 Arbeitstage beträgt. Die Beklagte gewährt allen Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, 36 Arbeitstage Jahresurlaub, ohne dass individuelle Vereinbarungen über einen höheren Jahresurlaub vorliegen. Die übrigen Beschäftigten erhalten jährlich 34 Urlaubstage.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Behauptung, ältere Mitarbeiter benötigten im Produktionsbetrieb längere Erholungsphasen, sei durch die darlegungsbelastete Beklagte nicht dargetan. Das Bundesurlaubsgesetz stelle bezüglich der Dauer des Urlaubs weder auf die physische Belastung noch auf das Alter der Arbeitnehmer ab. Die Beklagte habe keinen Grund genannt, warum ein gesteigertes Erholungsbedürfnis ausgerechnet mit 58 Jahren eintrete. Zudem könne mit lediglich zwei zusätzlichen Urlaubstagen ein etwaiger höherer Erholungsbedarf nicht ausgeglichen werden. Bei einem stetig steigenden Erholungsbedarf müsste jedenfalls auch die Urlaubsdauer gestaffelt werden. Bei anderen Arbeitnehmergruppen sei ein erhöhter Erholungsbedarf nachvollziehbar. Diese würden jedoch nicht begünstigt. So seien jüngere Arbeitnehmer durch Familie und Beruf oftmals stärker beansprucht als ältere. Die Beklagte habe ihr zur Beseitigung der Diskriminierung jährlich zwei weitere Urlaubstage zu gewähren.
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Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 36 Arbeitstage Erholungsurlaub zu gewähren.
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Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, ihre Urlaubsregelung beinhalte keine Diskriminierung. Nach der Lebenserfahrung benötigten ältere Arbeitnehmer, die körperlich ermüdende und schwere Arbeiten verrichten, längere Erholungszeiten als jüngere. Zwei zusätzliche Urlaubstage seien angemessen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, der Klägerin auch schon vor der Vollendung der 58. Lebensjahres insgesamt 36 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Jahr zu gewähren.
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I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig, insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
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1. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer den Umfang des ihm zustehenden Urlaubs gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 9, BAGE 141, 73; 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 13 ff., BAGE 137, 328).
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2. Die am 10. April 1960 geborene Klägerin hat ein rechtlich anerkennenswertes Interesse daran, alsbald zu erfahren, ob ihr bereits vor der Vollendung ihres 58. Lebensjahres zwei weitere Urlaubstage pro Jahr zustehen. Ihr Antrag bezieht sich dem Wortlaut nach zwar auf den gesamten Jahresurlaub. Er kann jedoch so ausgelegt werden, dass er sich nur auf zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr bezieht. Zwischen den Parteien besteht kein Streit, dass der Klägerin die vertraglich vereinbarten 34 Urlaubstage pro Jahr zustehen. Die Klägerin hat im Laufe des Verfahrens deutlich gemacht, dass der Antrag auf die Feststellung des Bestehens zweier zusätzlicher Urlaubstage gerichtet ist. Darüber hinaus hat das Landesarbeitsgericht den Klageantrag zutreffend so verstanden, dass er vergangene Urlaubsjahre nicht erfasst. Es handelt sich um einen gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag, für dessen Entscheidung grundsätzlich auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht abzustellen ist (vgl. BAG 15. Mai 2013 - 7 AZR 494/11 - Rn. 15 ff.).
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II. Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen vor Vollendung ihres 58. Lebensjahres nicht gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 AGG zwei weitere Urlaubstage zu. Die Urlaubsregelung ist nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam und führt somit bezüglich der Dauer des Urlaubs der Klägerin nicht zu einer „Anpassung nach oben“(siehe dazu BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 27 ff., BAGE 141, 73; vgl. aber auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 25, BAGE 145, 113).
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1. Es liegt zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor. Diese ist jedoch gemäß § 10 Satz 1, 2 und Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt.
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a) Nach § 7 Abs. 1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Unter Alter iSd. § 1 AGG ist das Lebensalter zu verstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes und aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/1780 S. 31; BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 14, BAGE 141, 73; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 36, BAGE 129, 181). Eine unmittelbare Benachteiligung ist nach § 3 Abs. 1 AGG gegeben, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Der für eine unmittelbare Benachteiligung erforderliche Kausalzusammenhang ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpft oder dadurch motiviert ist(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - aaO mwN).
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b) Daran gemessen liegt eine unmittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Die Urlaubsregelung knüpft die Gewährung von zwei weiteren Urlaubstagen an die Vollendung des 58. Lebensjahres und damit unmittelbar an das Lebensalter der Beschäftigten. Arbeitnehmer, die diese Altersgrenze nicht erreicht haben, werden wegen ihres Alters ungünstiger behandelt.
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c) Die Ungleichbehandlung ist jedoch gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG gerechtfertigt. Die Regelung bezweckt bei Berücksichtigung eines Gestaltungs- und Ermessensspielraums der Beklagten den in dieser Bestimmung genannten Schutz älterer Beschäftigter und ist geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG.
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aa) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Satz 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG konkretisiert ua. das legitime Ziel der Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter, wobei dieser Schutz auch die Festlegung besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließen kann (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73).
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bb) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303 vom 2. Dezember 2000 S. 16) in das nationale Recht (BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21). Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung den Text der Richtlinie nahezu wörtlich in das nationale Recht übernommen. Dessen Regelungen sind unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen (vgl. BAG 14. März 2012 - 7 AZR 480/08 - Rn. 30).
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cc) Dem Arbeitgeber steht bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen - wozu auch die Gewährung von übergesetzlichem Mehrurlaub gehört - ein von den Gerichten zu respektierender Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu (vgl. zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung: BAG 12. November 2013 - 3 AZR 356/12 - Rn. 28; 12. Februar 2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 31 mwN, BAGE 144, 231). Auch in der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (EuGH 16. Oktober 2007 - C-411/05 - [Palacios de la Villa] Rn. 68, Slg. 2007, I-8531). Diese Erwägungen gelten nach dem EuGH auch für Ziele, die der Arbeitgeber mit einer vertraglichen Regelung verfolgt (vgl. EuGH 26. September 2013 - C-476/11 - [HK Danmark] Rn. 61).
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dd) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Arbeitnehmer der Beklagten, die das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, gerechtfertigt.
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(1) Die Beklagte gewährt den Arbeitnehmern in ihrem Produktionsbetrieb nach der Vollendung des 58. Lebensjahres aufgrund ihres gesteigerten Erholungsbedürfnisses zwei weitere Urlaubstage im Kalenderjahr und bezweckt damit die Sicherstellung des Schutzes älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG. Da dieser Schutz die Festlegung besonderer Arbeitsbedingungen einschließt (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73), unterfallen ihm auch zusätzliche Urlaubstage.
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(a) Das AGG definiert in § 10 Satz 3 Nr. 1 - ebenso wie Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - nicht, wann ein Beschäftigter „älter“ im Sinne der Norm ist (vgl. zum herkömmlichen Verständnis: BAG 18. September 2014 - 6 AZR 636/13 - Rn. 44). Nach dem Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbots reicht es ohne das Vorliegen anderer Differenzierungsgründe nicht aus, dass das Alter der begünstigten Arbeitnehmer höher ist als das Alter der nicht begünstigten. Dementsprechend hat der Senat angenommen, ein Arbeitnehmer sei nach der Vollendung seines 31. Lebensjahres offensichtlich noch kein älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 55, BAGE 132, 210). Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 10 Satz 1 AGG und aus dem Regelungszweck folgt, dass die begünstigten Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters der Förderung bei der beruflichen Eingliederung oder des Schutzes bedürfen müssen.
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(aa) Der Senat ist in seiner Entscheidung vom 20. März 2012 nicht davon ausgegangen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steige. Er hat allerdings ab einem bestimmten Alter - konkret: bei über 50- oder über 60-jährigen Beschäftigten - ein altersbedingt gesteigertes Erholungsbedürfnis für „eher nachvollziehbar“ gehalten (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 f., BAGE 141, 73).
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(bb) Das Landesarbeitsgericht hat in Übereinstimmung mit der überwiegenden Auffassung im Schrifttum als Erfahrungssatz angenommen, dass mit zunehmenden Alter das Erholungsbedürfnis von Arbeitnehmern steigt (so auch Tempelmann/Stenslik DStR 2011, 1183, 1185 f.; Lingemann/Gotham NZA 2007, 663, 666; Kamanabrou NZA Beilage 3/2006, 138, 143 f.; Waltermann NZA 2005, 1265, 1269; Over Das Verbot der Altersdiskriminierung im Arbeitsrecht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz S. 231; Küttner/Kania Personalbuch 2014 Diskriminierung Rn. 90; vgl. auch Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. So wird auf die Individualität der Alterungsprozesse und den fehlenden Nachweis von Altersklassen mit spezifischem Erholungsbedarf hingewiesen (Löwisch/Rieble TVG 3. Aufl. § 1 Rn. 822). Die Aufstellung eines generellen Erfahrungssatzes soll dem traditionellen Bild vom „alten Arbeitnehmer“ entsprechen (Däubler/Bertzbach/Brors 3. Aufl. § 10 Rn. 43). Auch wird hervorgehoben, dass der Gesetzgeber in § 3 BUrlG bezüglich der Dauer des Urlaubs nicht nach dem Lebensalter der Arbeitnehmer unterscheide und demnach nicht von einem unterschiedlichen Erholungsbedürfnis ausgehe(Bertelsmann in Rust/Falke AGG § 10 Rn. 93). Auch auf europäischer Ebene sehe Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG vier Wochen Urlaub einheitlich für alle Berufsgruppen altersunabhängig vor(v. Roetteken AGG Stand September 2014 § 10 Rn. 262). Verlangt wird zumindest die Darlegung eines empirischen Befunds zum steigenden Erholungsbedarf unter Beachtung der Tätigkeit bevorzugter Arbeitnehmer (Däubler/Bertzbach/Brors aaO; aA Kasprzyk Altersdiskriminierung im deutschen Arbeitsrecht S. 185).
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(b) Erfahrungssätze sind Hilfsmittel. Die Feststellung von allgemein anerkannten Erfahrungssätzen ist als Tatfrage den Tatsachengerichten vorbehalten. Dabei ist es diesen nicht verwehrt, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Erfahrungssatzes zu beurteilen, wenn sie dazu über ausreichende Sachkunde und Lebenserfahrung verfügen. Andernfalls haben sie sich der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen. Die Zuziehung eines Sachverständigen zur Unterstützung des Gerichts ist gemäß § 144 Abs. 1 ZPO durch die Tatsachengerichte stets nach pflichtgemäßen Ermessen zu prüfen(BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 65 mwN, BAGE 132, 210; vgl. allg. zu Erfahrungssätzen: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Einf. § 284 Rn. 22).
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(c) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht von der Zuziehung eines Sachverständigen abgesehen hat. Dieses durfte aufgrund der von ihm festgestellten körperlich anstrengenden Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten auch ohne Sachverständigengutachten annehmen, dass das Erholungsbedürfnis der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit zunehmenden Alter steigt. Ob es einen tätigkeitsunabhängigen generellen Zusammenhang zwischen dem Erholungsbedarf und dem Alter gibt (so etwa Kamanabrou aaO), kann dahinstehen.
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(aa) Die Annahme eines Erfahrungssatzes dahin gehend, dass bei körperlich belastenden Berufen das Erholungsbedürfnis im höheren Alter steigt, begegnet keinen Bedenken. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt (etwa BAG 13. Oktober 2009 - 9 AZR 722/08 - Rn. 67 mwN, BAGE 132, 210; Bayerischer VGH 24. Oktober 2011 - 3 ZB 08.721 - zu II 1 b der Gründe). Dieser Erfahrungssatz betrifft auch den Wirkungszusammenhang von erreichtem Lebensalter und Krankheitsanfälligkeit (Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 - zu II 2 b cc (3) (a) der Gründe mwN). Alle bekannten privaten und öffentlichen Systeme der Kranken-, Renten- und Lebensversicherung beruhen auf dieser Erwartung (BAG 6. November 2008 - 2 AZR 523/07 - Rn. 54, BAGE 128, 238). Entgegen der Ansicht der Klägerin kommen auch nicht lediglich Studien älteren Datums - wie etwa die ILO-Empfehlung Nr. 162 vom 23. Juni 1980 oder der WHO Technical Report Series 835 „Aging and Working Capacity” (dt. Übersetzung: „Altern und Arbeit“ 1994) - zu diesem Ergebnis. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden bestätigt zB durch den „Fortschrittsreport ‚Altersgerechte Arbeitswelt“, Ausgabe 3 des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Stand September 2013). Nach diesem hat sich zwar die körperliche Konstitution besonders für die Altersgruppe der 45- bis 64-Jährigen verbessert (Ziff. 3.1). Dennoch zeigt die Studie weiterhin ein Ansteigen der Anzahl der krankheitsbedingten Fehltage sowie eine Verschlechterung des Gesundheitszustands mit fortschreitendem Lebensalter (Ziff. 4.2, Tabelle 2). Insbesondere bei belastenden Berufen nimmt die Anzahl krankheitsbedingter Fehltage im Alter überproportional zu und der Gesundheitszustand verschlechtert sich überproportional (vgl. Ziff. 4.2). Auch bei einfachen Dienstleistungen und einfachen manuellen Berufen verschlechtert sich der „selbstberichtete Gesundheitszustand in der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre im Vergleich zum Durchschnitt“ immer noch deutlich (Ziff. 3.4). Zumindest hinsichtlich dieser Berufe erscheint die Annahme eines größeren Erholungsbedarfs im erhöhten Alter als nicht fehlerhaft (ebenso Reinhard ArbRB 2012, 342, 343). Auch Gegner eines allgemeinen Erfahrungssatzes gestehen zu, dass bei gesundheitlich besonders belastenden Tätigkeiten ein gesteigerter Erholungsbedarf mit zunehmendem Alter angenommen werden kann (v. Roetteken aaO; Däubler/Bertzbach/Brors aaO; Löwisch/Rieble § 1 Rn. 823).
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Soweit das Landesarbeitsgericht auf die teilweise geforderte Darlegung spezifischer empirischer Untersuchungen bezogen auf die Tätigkeiten im Produktionsbetrieb der Beklagten verzichtet hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Durchführung derartiger Untersuchungen wäre praktisch aufwändig und schwierig (weiter gehend Kasprzyk aaO: „unmöglich“). Eine übersteigerte Darlegungslast würde die Einführung freiwilliger Leistungen unzumutbar erschweren. Die Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht, dass die Beschäftigten der Beklagten bei der Schuhfertigung körperlich ermüdende und teils schwere Arbeiten leisten, verstärkt durch einen besonderen, prämienbezogenen Zeit- und Qualitätsdruck im Sinne eines Teamakkords, genügt danach als Tatsachenbasis für die Bejahung des dargestellten Erfahrungssatzes.
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(bb) Der Hinweis auf die fehlende Altersstaffelung in § 3 BUrlG und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG hilft der Klägerin für die Frage der Legitimität des Zwecks nicht weiter. Die Vorschriften regeln nur die Dauer des Mindesturlaubs und damit das unterste Maß dessen, was nach deutschem und europäischem Urlaubsrecht unabhängig von individuellen Besonderheiten zur Erholung erforderlich ist. Spezifische Charakteristika - wie das Alter oder der physische oder psychische Gesundheitszustand - bleiben bei der Setzung eines einheitlichen Minimalstandards naturgemäß außer Betracht. Auf nationaler Ebene kommt hinzu, dass der Gesetzgeber durchaus gesehen hat, dass es altersabhängig einen unterschiedlichen Erholungsbedarf geben kann, wie etwa § 57 Abs. 2 SeeArbG und § 19 Abs. 2 JArbSchG zeigen(siehe dazu v. Roetteken § 10 Rn. 263).
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(d) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Sicherstellung des Schutzes ihrer Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres als Zweck der zwei weiteren Urlaubstage vorgeschoben hat.
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(aa) Allerdings ist dieser Zweck nicht unmittelbar der - nicht schriftlich fixierten - Regelung zu entnehmen. Nennt eine Regelung oder Maßnahme kein Ziel, müssen zumindest aus dem Kontext abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter der Regelung oder der Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, um die Legitimität des Ziels sowie die Angemessenheit und die Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüfen zu können (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 19 mwN, BAGE 141, 73; vgl. zur Richtlinie 2000/78/EG: EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 39 mwN, Slg. 2011, I-6919).
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(bb) Wenn eine Tarifregelung die Urlaubsdauer nach dem Lebensalter staffelt, liegt die Annahme nahe, die Tarifvertragsparteien hätten einem mit zunehmendem Alter gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter Rechnung tragen wollen (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 23, BAGE 141, 73). Diese Annahme darf freilich nicht durch die konkrete Wahl der Altersgrenze(n) widerlegt werden, wie dies bei § 26 TVöD aF, der zusätzliche Urlaubstage bereits ab dem 30. Lebensjahr vorsah, der Fall war (BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 24 ff., aaO).
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(cc) Es ist kein Grund ersichtlich, bei einer individualrechtlichen Regelung nicht ebenfalls grundsätzlich davon auszugehen, dass mit einer Altersgrenze für die Gewährung zusätzlichen Urlaubs einem gesteigerten Erholungsbedürfnis älterer Arbeitnehmer Rechnung getragen werden soll. Diese Annahme erscheint umso mehr gerechtfertigt, wenn sie wie hier mit der Anerkennung eines Erfahrungssatzes bezüglich des gesteigerten Erholungsbedarfs bei körperlich belastenden Berufen korreliert. Hinzu kommt, dass die ständige Übung der Beklagten inhaltlich einer einschlägigen tarifvertraglichen Regelung entspricht. So sah der persönlich, fachlich und räumlich einschlägige Manteltarifvertrag vom 23. April 1997, abgeschlossen zwischen dem Hauptverband der Deutschen Schuhindustrie e. V. und der Gewerkschaft Leder sowie der IG BCE, für gewerbliche Arbeitnehmer in § 17 Ziff. 4 Buchst. a ab dem 58. Lebensjahr ebenfalls zwei zusätzliche Urlaubstage vor. Diese Regelung war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht nicht durch eine neue Bestimmung abgeändert.
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(dd) Schließlich widerlegt die Altersgrenze von 58 Lebensjahren nicht den Zweck, mit zwei weiteren Urlaubstagen im Kalenderjahr dem gesteigerten Erholungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Dabei kann dahinstehen, ab welchem Alter die Annahme, der zusätzliche Urlaub diene dem höheren Erholungsbedürfnis älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG, nicht mehr ohne Weiteres aufrechterhalten bzw. als widerlegt erachtet werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 20. März 2012 gemäß dem Rechtsgedanken aus § 417 Abs. 1 SGB III eine Altersgrenze von 50 Lebensjahren für die Einordnung als älterer Beschäftigter iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG in Betracht gezogen(BAG 20. März 2012 - 9 AZR 529/10 - Rn. 20, BAGE 141, 73; vgl. zu einer solchen Altersgrenze für die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage: Hessisches LAG 17. Januar 2014 - 14 Sa 646/13 -). Das Landesarbeitsgericht hat ergänzend darauf verwiesen, dass Leitlinie 17 der Entscheidung des Rates vom 12. Juli 2005 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (2005/600/EG) Arbeitskräfte ab Vollendung des 55. Lebensjahres als ältere Arbeitnehmer erachtet und die WHO-Studiengruppe „Altern und Arbeit“ aus arbeitsmedizinischer Sicht wegen auftretender Schwierigkeiten in Arbeit und Beruf eine Grenze ab dem 45. Lebensjahr angenommen hat (zu A II 15 b bb (3) (b) der Gründe). Das Berufungsgericht hat damit nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgeht, dass die Urlaubsregelung einem legitimen Zweck iSv. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG dient und es diesen Zweck nicht lediglich als von der Beklagten vorgeschoben erachtet.
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(2) Die Regelung ist geeignet, den in § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG beschriebenen Zweck zu fördern. Insbesondere kann die Klägerin nicht mit dem Argument gehört werden, dass die Gewährung von lediglich zwei Urlaubstagen ungeeignet sei, einen altersbedingt erhöhten Erholungsbedarf auszugleichen. Die Geeignetheit ist nicht deshalb zu verneinen, weil ein gestiegener Erholungsbedarf unter Umständen nicht vollständig, sondern nur partiell ausgeglichen wird. Gerade angesichts des vom Arbeitgeber bei einer freiwilligen Leistung selbst gesetzten Dotierungsrahmens wäre die Beschränkung auf einen Teilausgleich nachvollziehbar und zulässig. Zudem haben auch die Tarifvertragsparteien angesichts der Tätigkeit eines Produktionsmitarbeiters in der Schuhbranche zwei Tage Urlaub für geeignet und ausreichend erachtet. Dass die Beklagte sich die von den Sozialpartnern ausgehandelte Regelung zu eigen macht und im Rahmen ihres Ermessensspielraums eine entsprechende Regelung trifft, ist unter dem Aspekt der Geeignetheit der Regelung nicht zu beanstanden.
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(3) Die Regelung ist auch erforderlich und angemessen (§ 10 Satz 2 AGG). Mildere Mittel, die in gleicher Weise den Schutz älterer Arbeitnehmer verwirklichen könnten, sind nicht ersichtlich.
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(a) Die Wahl einer anderen, niedrigeren Altersgrenze stellte kein gleich wirksames, milderes Mittel mit geringerem altersspezifischen Effekt dar. Es handelte sich vielmehr um eine andere Maßnahme mit einem erhöhtem Dotierungsrahmen.
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(b) Eine niedrigere Altersgrenze verbunden mit nur einem weiteren Urlaubstag im Kalenderjahr müsste zwar nicht zwingend zu einer Erhöhung des Dotierungsrahmens führen. Allerdings hätten dann Arbeitnehmer nach Vollendung des 58. Lebensjahres nicht mehr Anspruch auf den zweiten weiteren Urlaubstag, den die Beklagte im Einklang mit dem einschlägigen Tarifvertrag angesichts des gesteigerten Erholungsbedarfs im höheren Alter in der Schuhproduktion für notwendig erachtet. Der Gestaltungs- und Ermessensspielraum der Beklagten lässt auch im Rahmen der Erforderlichkeit und Angemessenheit die von ihr angewandte Regelung zu. Die Interessen der Beteiligten werden hinreichend berücksichtigt. Es werden lediglich in Übereinstimmung mit dem Abwägungsergebnis der Tarifvertragsparteien die Interessen der über 58-Jährigen an einem zusätzlichen Urlaubstag höher gewichtet als die Interessen der übrigen Beschäftigten, schon im jüngeren Alter einen zusätzlichen Urlaubstag zu erhalten.
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(c) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Beklagte nicht verpflichtet, zusätzliche Urlaubstage nur nach dem individuell ermittelten Erholungsbedarf unter Einbeziehung altersunabhängiger Belastungsfaktoren, wie der Pflege und Betreuung von Kindern, sowie unter Berücksichtigung des individuellen Alterungsprozesses zu gewähren. Zwar mag es zutreffen, dass es weitere Belastungsfaktoren gibt, die zu einem gesteigerten Erholungsbedarf führen können. Jedoch wäre eine solche individuelle Regelung in vielerlei Hinsicht praktisch nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten handhabbar. Dies gilt nicht nur bezüglich der Gewichtung der einzelnen (persönlichen) Belastungsfaktoren untereinander, sondern vor allem auch für deren Ermittlung durch die Beklagte. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union hat anerkannt, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Regelung im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung zu beachten ist, dass die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse, und deshalb nicht generell verlangt werden könne, dass immer jeder Einzelfall individuell geprüft werde (EuGH 19. Juni 2014 - C-501/12 ua. - [Specht ua.] Rn. 78). Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten darf der Arbeitgeber daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung in Ausübung seines Gestaltungsspielraums auch einen Grund für ein gesteigertes Erholungsbedürfnis - wie etwa das Alter in belastenden Berufen - als Differenzierungskriterium heranziehen. § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG enthält kein Gebot, die dort genannten typischerweise besonders schutzbedürftigen Personengruppen (Jugendliche, ältere Beschäftigte und Personen mit Fürsorgepflichten) hinsichtlich besonderer Arbeitsbedingungen gleich zu behandeln.
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2. Aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz folgt ebenfalls kein Anspruch der Klägerin auf die begehrten zwei zusätzlichen Urlaubstage. Ist - wie hier - die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmergruppen aus einem in § 1 AGG genannten Grund unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig, ist auch der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt(ebenso bezüglich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes: BAG 17. September 2013 - 3 AZR 686/11 - Rn. 25 mwN). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung kommt angesichts der Rechtfertigung gemäß § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG nicht in Betracht.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
M. Lücke
Kranzusch
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
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eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.