Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 08. Jan. 2016 - 10 Sa 730/15
Gericht
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil desArbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten um den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersfreizeit durch Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit der teilzeitbeschäftigten Klägerin.
3Die am 1958 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1998 als Sachbearbeiterin bei der Beklagten in deren Zentrale in A tätig. Die Klägerin ist derzeitig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Hierfür erhält sie ein monatliches Bruttoentgelt von 2.850,00 €. Die Klägerin übt das Amt der Vorsitzenden des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrates aus.
4Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der S -G G D GmbH, der S -G Se D GmbH & Co. KG und der S -G S N GmbH & Co. KG (MTV) Anwendung.
5In § 3 Ziffer 1 MTV ist die regelmäßige tarifliche Wochenarbeitszeit ausschließlich der Pausen mit 37,5 Stunden geregelt.
6§ 3 a MTV enthält besondere Regelungen für die Arbeitszeit für ältere Arbeitnehmer, die wie folgt lauten:
7„I. Arbeitnehmer, die das 56-igste Lebensjahr vollendet haben, erhalten eine Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
8Arbeitnehmer in vollkontinuierlicher Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre vollkontinuierliche Wechselschichtarbeit geleistet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer Stunde je Woche.
9Arbeitnehmer in dreischichtiger Arbeitsweise, die das 56-igste Lebensjahr vollendet und mindestens 15 Jahre in dreischichtiger Arbeitsweise gearbeitet haben, erhalten eine zusätzliche Altersfreizeit von einer halben Stunde je Woche.
10Diese Regelungen gelten nicht für Teilzeitbeschäftigte und Arbeitnehmer, die Kurzarbeit leisten.“
11Mit Schreiben vom 13.10.2014 machte die Klägerin die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV geltend.
12Dieses Begehren verfolgt die Klägerin mit ihrer Klage vom 04.11.2014, welche am selben Tag beim Arbeitsgericht in Aachen eingegangen ist, hinsichtlich der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 48 Minuten weiter.
13Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Ablehnung der Gewährung von anteiliger Altersfreizeit durch die Beklagte sei unberechtigt. Der Ausschluss des Altersfreizeitanspruchs für Teilzeitbeschäftigte in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich hierbei nicht nur auf die Bemessung der geschuldeten Arbeitszeit, sondern habe auch Auswirkung auf die Vergütung, da die den Vollzeitbeschäftigten gewährte Arbeitsreduzierung bei gleichbleibender Vergütung zu einer Erhöhung des Stundenlohns im Verhältnis zu den Teilzeitbeschäftigten führe. Ein substantiierter Vortrag der Beklagten zu den Gründen für eine Ungleichbehandlung liege nicht vor. Der pauschale Hinweis auf die geringere gesundheitliche Belastung von Teilzeitmitarbeitern genüge nicht der Darlegungslast der Arbeitgeberseite. Zudem sei eine Ungleichbehandlung lediglich dann gerechtfertigt, wenn die für den Sachgrund maßgebliche Belastung bei Teilzeitmitarbeitern auch nicht lediglich anteilig vorhanden sei. Davon könne vorliegend nicht ausgegangen werden. Die bloße diesbezügliche Einschätzung der Arbeitgeberseite reiche hierfür ebenso wenig aus wie die der Tarifparteien.
14Die Klägerin hat beantragt,
15die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleistete Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
16Die Beklagte hat beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Sie hat erstinstanzlich dem Anspruch der Klägerin entgegengehalten, die Gewährung von Altersfreizeit gemäß § 3 a MTV stelle eine tarifliche Gesundheitsschutzregelung zugunsten der Vollzeitbeschäftigten dar. Die Teilzeitbeschäftigten – wie die Klägerin mit z. B. 30 Wochenstunden – seien mit einer erheblich geringeren Arbeitsbelastung als Vollzeitmitarbeiter tätig, sodass bei ihnen auch lediglich ein geringeres Regenerationsbedürfnis entstehe. Die tarifliche Regelung in § 3 a MTV sei hinsichtlich der abweichenden Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten durch die Entscheidungsprärogative der Tarifparteien gerechtfertigt.
19Das Arbeitsgericht Aachen hat durch Urteil vom 23.04.2015– 7 Ca 4108/14 – die Lage für unbegründet gehalten, da ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Altersteilzeit nicht aus § 3 a MTV herzuleiten sei. Vielmehr sei von einem Sachgrund für die Differenzierung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten angesichts des geringeren Erholungsbedürfnisses von Teilzeitbeschäftigten auszugehen.
20Gegen das ihr am 17.06.2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Aachen hat die Klägerin am 10.07.2015 Berufung eingelegt und diese am 14.08.2015 begründet.
21Sie wendet gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ein, von einem hinreichenden Sachgrund zur Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen des § 3 a MTV sei nicht auszugehen. Unzutreffend sei, dass erst oberhalb eines bestimmten Stundensolls ein unabweisbares arbeitsmedizinisches Bedürfnis für die Regeneration der betroffenen Arbeitnehmer entstehe. So werde zum Beispiel in § 3 BUrlG hinsichtlich des Urlaubsanspruchs nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitnehmern unterschieden. Der vom Arbeitsgericht herangezogene Begründungszusammenhang mit § 4 ArbZG – bei der Gewährung von Ruhepausen – sei nicht überzeugend, da in dieser Vorschrift nicht die Wochenarbeitszeit, sondern die tägliche Arbeitszeit betroffen sei. Unzutreffend sei, dass die Belastung der betroffenen Arbeitnehmer mit zunehmender Arbeitszeit exponentiell ansteige; zumindest sei nicht ersichtlich, ab wann dies der Fall sei. Die Ungleichbehandlung erstrecke sich auch auf die im Verhältnis von Arbeitszeit und Vergütung zu errechnende Vergütungshöhe. Eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten sei hierbei nicht durch einen Sachgrund gerechtfertigt. Nicht plausibel sei, wenn gemäß § 3 a MTV die Ableistung von Wechselschicht bei Vollzeitmitarbeitern zu einer weiteren Verkürzung der Arbeitszeit im Rahmen der Altersfreizeit führe, während Teilzeitbeschäftigte mit Wechselschichttätigkeit gar keine Verkürzung erhalten würden.
22Die Klägerin beantragt,
23das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 23.04.2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin ab dem 05.08.2014 um 48 Minuten wöchentlich zu reduzieren und die bis zu einer Entscheidung geleisteten Arbeit von 48 Minuten wöchentlich dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
24Die Beklagte beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrags. Sie ist der Auffassung, wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten liege schon keine einheitliche Vergleichsgruppe vor. Die abweichende Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten bei Erreichen des 56. Lebensjahres und der in § 3 a MTV vorgesehenen langjährigen Beschäftigung sei durch den Beurteilungsspielraum der Tarifparteien gerechtfertigt.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend verwiesen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, weil sie statthaft und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden ist (vgl. §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).
30II. Die Berufung ist zudem unbegründet, da die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Altersfreizeit im Umfang von 48 Minuten wöchentlich gegenüber der Beklagten nicht aus § 3 a MTV herleiten kann.
31Diesem Anspruch steht die Regelung in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV entgegen, wonach ein Altersfreizeitanspruch für Teilzeitbeschäftigte wie die Klägerin nicht gegeben ist. Diese Vorschrift erweist sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als wirksam.
321. Eine unterschiedliche Behandlung der Teilzeitbeschäftigten liegt im Verhältnis zu den vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern im Rahmen des § 3 a MTV vor. Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit ist immer dann gegeben, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an welches die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 – zitiert nach juris, Randziffer 29 m. w. N.). Vorliegend knüpft der Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung von Altersfreizeit in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV an die Dauer der Arbeitszeit an. Eine unterschiedliche Behandlung ist auch im Bereich der Vergütung festzustellen. Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Entgelt, das dem Verhältnis seiner Arbeitsleistung zu derjenigen eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Bei den Vollzeitbeschäftigten wirkt sich die Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit unter Beibehaltung der bisherigen Monatsvergütung als Erhöhung ihres Entgelts pro Arbeitsstunde aus. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin, der eine solche Arbeitszeitermäßigung nicht gewährt wird, erhält bei gleichbleibender Vergütung damit eine geringere Vergütung pro geleisteter Arbeitsstunde (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98, zitiert nach juris, Randziffer 32).
332. Es ist jedoch von einem sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung der Teilzeitbeschäftigten Klägerin gegenüber den Vollzeitbeschäftigten rechtfertigt, auszugehen.
34a. Allerdings ist allein das unterschiedliche Arbeitspensum nicht die ausreichende Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften. Hinreichende Sachgründe können auf unterschiedliche Arbeitsbelastung, Qualifikation, Berufserfahrung oder unterschiedlichen Anforderungen am Arbeitsplatz beruhen (so die amtliche Begründung für den Regierungsentwurf zum Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 BT-Drucksache 10/2102, Seite 24). Eine Ungleichbehandlung kann auch aus Gründen des Arbeitsschutzes, insbesondere aus arbeitsmedizinischen Gründen gerechtfertigt sein. Wirkt sie sich im Bereich der Vergütung und damit unmittelbar auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus, kommt eine Ungleichbehandlung nur in Betracht, wenn etwa die besonderen Anforderungen oder Erschwernisse, um deren Ausgleich es geht, bei den vergleichbaren Teilzeitkräften selbst anteilig nicht gegeben sind. Der behauptete Differenzierungsgrund muss objektiv vorhanden sein. Die bloße Einschätzung des Arbeitgebers, bestimmte Belastungen träten nur bei vollbeschäftigten Arbeitnehmern ein, reicht nicht aus, auch dann nicht, wenn diese Einschätzung vertretbar erscheint.
35b. Die Darlegungs- und Beweislast für das objektive Vorliegen eines diesen Anforderungen genügenden Sachgrundes liegt beim Arbeitgeber (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.1998 – 5 AZR 18/98 -, zitiert nach juris, Randziffer 35). Angesichts der Schwierigkeiten, in diesem Bereich exakte Erkenntnisse zu gewinnen, dürfen die Beweisanforderungen aber nicht überspannt werden. Von einem Erfahrungssatz, dass die Belastung durch ungünstigere Schichtzeiten mit zunehmender Arbeitszeit nicht linear ansteige, sondern exponentiell, sodass von einem bestimmten Punkt an ein Qualitätssprung einsetzt, kann nicht ausgegangen werden (vgl. BAG, Urteil vom 29.01.1992 – 5 AZR 518/90 -, zitiert nach juris, Randziffer 57).
36c. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien grundsätzlich darin frei sind, in Ausübung ihrer durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Dieser ist der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder im Wege der Auslegung der Tarifnorm – anhand von Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen – zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.08.2009 – 10 AZR 634/08 -, zitiert nach juris, Randziffer 32).
37Die durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautomonmie gewährt ihnen einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist erst dann anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien es versäumt haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 736/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 14).
38bb. Im vorgenannten Sinne ist von einer Überschreitung des Gestaltungsspielraums der Tarifparteien durch den Ausschluss der Teilzeitbeschäftigten hinsichtlich des Altersfreizeitgewährungsanspruchs aus § 3 a MTV in § 3 a Abs. 1 Satz 4 MTV nicht auszugehen.
39Ausgehend davon, dass die Altersgrenze – Vollendung des 56. Lebensjahres – in § 3 a Ziffer 1 MTV dem Gesundheitsschutz älterer Arbeitnehmer dienen soll, die wegen ihrer Vollzeitbeschäftigung ein gesteigertes Erholungsbedürfnis aufweisen, ist eine Rechtfertigung für eine anteilige Leistungsgewährung an Teilzeitkräfte nicht gegeben. Der Grund für die vorgesehene Absenkung der Arbeitszeit – die Kompensation für das altersbedingte Absinken des Leistungsvermögens und des hierdurch gesteigerten Erholungsbedürfnisses – trifft auf die Teilzeitbeschäftigten nicht zu (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 30.01.2014 – 8 Sa 942/13 -, zitiert nach juris, Randziffer 15).
40Ob ein sachlich vertretbarer Grund für eine unterschiedliche Behandlung besteht, hängt vom Zweck der Leistung ab. Der Leistungszweck ist aus den jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregeln zu ermitteln. Bei tariflichen Leistungen sind die Leistungszwecke maßgeblich, die mit der Tarifregelung verfolgt werden. Dabei kommt es nicht auf die denkbaren Zwecke an, die mit der betreffenden Leistung verfolgt werden können, sondern auf diejenigen, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen, durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht. Dieser Wille ist durch Auslegung des Tarifvertrags zu ermitteln (vgl. BAG, Urteil vom 05.11.2003 – 5 AZR 8/03 -, zitiert nach juris, Randziffer 48).
41Leistungszweck hinsichtlich der Gewährung von Altersfreizeit ist ausweislich der Kombination der Bedingungen in § 3 a Abs. 1 MTV – das Vollenden des 56. Lebensjahres und die Leistung von Vollzeitarbeit – ein erhöhtes Erholungsbedürfnis älterer Mitarbeiter. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut unmittelbar, wird aber gestützt aus dem systematischen Zusammenhang und dem Kontext der Regelung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein weiterer Arbeitszeitverkürzungstatbestand für mehrjährig beschäftigte ältere Mitarbeiter in § 3 a Ziffer 1 Abs. 2 und 3 MTV jedenfalls abhängt von Aspekten der Arbeitsbelastung – nämlich der Leistung von vollkontinuierlicher Wechselschichtarbeit bzw. dreischichtiger Arbeitsweise.
42Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie einen Schwellenwert für die Teilhabe an der Gewährung von Altersfreizeit festgelegt (vgl. BAG, Beschluss vom 27.03.1996 – 5 AZR 647/94 -, zitiert nach juris, Randziffer 13). Die Anwendung eines solchen Schwellenwertes als typisierende Regelung ist grundsätzlich zulässig. Hierbei ist wiederum auf die den Tarifparteien zukommende Einschätzungsprärogative zu verweisen. Die Tarifvertragsparteien dürfen generalisieren und typisieren. Sie können bestimmte in wesentlichen Elementen gleichgeartete Lebenssachverhalte normativ zusammenfassen und typisieren. Besonderheiten, die ihnen bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Normgeber darf sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelung Rechnung zu tragen. Die von ihm vorgenommenen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Zudem müssen die Differenzierungsmerkmale im Normzweck angelegt sein und dürfen ihnen nicht widersprechen. Die bei einer Typisierung entstehenden unvermeidlichen Ungerechtigkeiten und Härten in einzelnen, besonders gelagerten Fällen, in denen die Interessenlage von der von den Tarifvertragsparteien als typisch angenommenen abweicht, sind hinzunehmen, wenn sie nicht besonders schwerwiegend und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BAG, Urteil vom 23.03.2011 – 10 AZR 701/09 -; zitiert nach juris, Randziffer 22 m. w. N.; Urteil vom 22.09.2009 – 1 AZR 316/08-, zitiert nach juris, Randziffer 12).
43Unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ist es daher im Sinne einer typisierenden Betrachtung – insbesondere in Ausübung des Gestaltuingsspielraums der Tarifparteien – auch gestattet, als Differenzierungskriterium ein gesteigertes Erholungsbedürfnis – wie etwa aufgrund des Lebensalters und des Umfangs der Arbeitszeit (Vollzeit in Abgrenzung zur Teilzeit) – heranzuziehen (vgl. Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers bei freiwilligen zusätzlichen Leistungen; BAG, Urteil vom 21.10.2014 – 9 AZR 956/12 -, zitiert nach juris, Randziffer 38).
44III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die unterlegene Klägerin nach § 97 ZPO.
45Die Kammer hat die Revision nach § 72 ArbGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits mit Rücksicht auf die Frage der gebotenen Gleichbehandlung von Vollzeit- und Teilzeitkräften bei der Gewährung von Altersfreizeit im Rahmen tariflicher Regelungen zugelassen.
46Rechtsmittelbelehrung
47Gegen dieses Urteil kann vonder klagenden Partei
48R E V I S I O N
49eingelegt werden.
50Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
51Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
52Bundesarbeitsgericht
53Hugo-Preuß-Platz 1
5499084 Erfurt
55Fax: 0361-2636 2000
56eingelegt werden.
57Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
58Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
59- 60
1. Rechtsanwälte,
- 61
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
- 62
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
64Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
65Bezüglich der Möglichkeit elektronischer Einlegung der Revision wird auf die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesarbeitsgericht vom 09.03.2006 (BGBl. I Seite 519) verwiesen.
66* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.
(2) Ein befristet beschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht schlechter behandelt werden, als ein vergleichbarer unbefristet beschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem befristet beschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, die für einen bestimmten Bemessungszeitraum gewährt wird, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Beschäftigungsdauer am Bemessungszeitraum entspricht. Sind bestimmte Beschäftigungsbedingungen von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen abhängig, so sind für befristet beschäftigte Arbeitnehmer dieselben Zeiten zu berücksichtigen wie für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer, es sei denn, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.