Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13.04.2016 (27 Ca 486/15) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.2014 im Rahmen eines Pilotprojekts als Referent Risikomanagement auf Grundlage eines Arbeitsvertrages beschäftigt.

3

Zum 01.11.2012 berief die Beklagte eine Mitarbeiterin als Datenschutzbeauftragte. Nachdem diese längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt war, berief die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 01.08.2014 mit dessen Zustimmung ab dem 01.08.2014 befristet bis zum 01.02.2015 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Der Kläger führte in dieser Funktion u.a. folgende Aufgaben aus: Verfahrensbesprechung zur Prüfung der Auftragsdatenverarbeitung durch den Dienstleister, Erörterung der Veröffentlichung einer Arbeitsunfähigkeitsstatistik sowie die Führung von Mitarbeitergesprächen mit dem Vorstand u.a. mit Sachstandsmeldung zum Datenschutz (bzgl. der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 211 – 218 d.A. verwiesen). Die ursprünglich als Datenschutzbeauftragte berufene Mitarbeiterin war ab dem 01.03.2015 wieder arbeitsfähig. Am 18.08.2015 entschied sich die Beklagte, die Aufgaben des Referenten Risikomanagements von dem Vorstand der Beklagten ausüben zu lassen und erklärte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 01.10.2015 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2015.

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Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben, die der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden ist.

5

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Kündigung sei gemäß § 4f III BDSG unwirksam, weil der Kläger als ehemaliger Datenschutzbeauftragter nachwirkenden Kündigungsschutz genieße, die Kündigung also aus wichtigem Grund möglich gewesen wäre, dessen Vorliegen auch die Beklagte nicht behaupte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 120 – 125 d.A.) Bezug genommen.

6

Gegen das am 13.04.2016 verkündete und den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 22.04.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 23.05.2016, Berufung eingelegt und diese am 10.06.2016 begründet.

7

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen des nachwirkenden Sonderkündigungsschutzes nach § 4f III 6 BDSG nicht erfüllt seien. § 4f III 6 BDSG setze zunächst eine Abberufung des Datenschutzbeauftragen voraus. Eine Abberufung i.S.v. § 4f III 6 BDSG liege nicht vor, da das Amt des Klägers als stellvertretender Datenschutzbeauftragter unstreitig mit Befristungsablauf endete und der Befristungsauslauf mit der Abberufung nicht gleichzusetzen sei. Denn der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG solle den Arbeitnehmer nur davor bewahren, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund eines Konflikts gekündigt werde, dessen Ursache in der Ausübung der Funktion als Datenschutzbeauftragter liege. An einer solchen Konfliktsituation fehle es bei der Beendigung der Bestellung durch Befristungsauslauf. Ferner ist die Beklagte der Auffassung, dass es an einer für § 4f III 6 BDSG notwendigen gesetzlichen Verpflichtung zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten fehle. Das Gesetz habe eine lückenlose Verfügbarkeit des Datenschutzbeauftragten nicht sicherstellen wollen. Dies ergebe sich aus § 4f I 4 BDSG, wonach in Kleinbetrieben nichtöffentlicher Stellen keine Verpflichtung zur Bestellung von Datenschutzbeauftragten bestehe. Allein die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit reiche für die Nachwirkung des Sonderkündigungsschutzes nicht aus. Schließlich ist die Beklagte der Auffassung, dass sich der Sonderkündigungsschutz des § 4f III 5 BDSG nicht auf den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erstrecke. Dies ergebe sich zum einen aus der inneren Systematik des § 4f BDSG. Dem § 4f III BDSG sei im Verhältnis zwischen § 4f III 1-4 BDSG einerseits und § 4f III 5 BDSG und § 4f III 6 BDSG andererseits ein abgestufter Schutzmechanismus zu entnehmen. Vom Sonderkündigungsschutz seien nicht alle Formen der Bestellung von Datenschutzbeauftragten umfasst. Zum anderen liefe die Zubilligung des Sonderkündigungsschutzes für den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten dem in § 4f BDSG bezweckten Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuwider. Weiter ergebe sich der fehlende Sonderkündigungsschutz des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten aus einem Umkehrschluss aus § 96 III 2 SGB IX, wonach das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung der Vertrauensperson ausdrücklich rechtlich gleichgestellt wird. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Sonderkündigungsschutz für Ersatzbetriebsratsmitglieder gemäß § 15 I KSchG. Es fehle an der Vergleichbarkeit zwischen dem Ersatzbetriebsratsmitglied und dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Denn das Ersatzmitglied des Betriebsrats gehöre einem Gremium an, der Datenschutzbeauftragte agiere hingegen allein. Für eine analoge Anwendung des § 4f III BDSG sei kein Raum, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13.04.2016, Aktenzeichen 27 Ca 486/15, abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

12

Er ist der Ansicht, dass der Auslauf der Befristung einer Abberufung im Sinne des § 4f III 6 BDSG gleichstehe, da der Arbeitgeber ansonsten die Möglichkeit hätte, den Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG durch Befristung des Amtes des Datenschutzbeauftragten zu umgehen. Zudem sei im Zeitpunkt der Bestellung des Klägers nicht erkennbar gewesen, ob die Datenschutzbeauftragte ihre Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Ferner führe die Arbeitsunfähigkeit der Datenschutzbeauftragten zur gesetzlichen Verpflichtung der Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Denn es entspreche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, eine „kontrollfreie Situation“ zu vermeiden. Der Kläger ist schließlich der Ansicht, dass der Sonderkündigungsschutz nach § 4f III 6 BDSG auch den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erfasse. Diesen treffe ebenfalls das Risiko, nach Beendigung seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter den Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein und dass sein Arbeitsverhältnis aufgrund seiner ausgeführten Tätigkeit gekündigt wird. Da der Kläger die Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter ausgeübt habe, sei dies für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4f III 6 BDSG ausreichend.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

15

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015 nicht beendet worden. Die Kündigung ist gemäß §§ 4f III 5 und 6 i.V.m. § 134 BGB unwirksam.

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1. Nach § 4f III 5 BDSG ist die Kündigung eines Datenschutzbeauftragten, der nach § 4f I BDSG zu bestellen ist, unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen. Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz wirkt dieser besondere Kündigungsschutz gemäß § 4f III 6 BDSG innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung nach.

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2. Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Bestellung des Klägers zum (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten beruhte auf einer gesetzlichen Pflicht der Beklagten (ad a). Stellvertretende Datenschutzbeauftragte genießen jedenfalls dann den Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 BDSG, wenn sie während der Verhinderung des (Haupt-) Datenschutzbeauftragten dessen Tätigkeit tatsächlich wahrgenommen haben (ad b). Die streitgegenständliche Kündigung ist auch innerhalb eines Jahres nach der Abberufung des Klägers erfolgt (ab c).

18

a) Die Bestellung des Klägers zum (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten beruhte auf einer gesetzlichen Pflicht der Beklagten.

19

aa) Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 4f III 5 BDSG genießen betriebliche Datenschutzbeauftragte nur dann Sonderkündigungsschutz, wenn ihre Bestellung auf einer gesetzlichen Pflicht beruht (BT-Drs. 16/12011, S.30; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. (2015), § 4f Tz 45a; Däubler in: Däubler/Klebe/Wedde/ Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5.Aufl. (2016), § 4f Tz 74a; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 188; Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 63; Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 49; Moss in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 4f Tz 90; Bergmann/Möhre/Herb, Datenschutzrecht, 40. EL 11/2009, § 4f Tz 153f; Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz – Kommentar, Lfg. 6/15 XII/15, § 4f Tz 65e; Deeg, ArbRAktuell 2010, 365, 366; Franck/Reif ZD 2015, 405, 407). Eine Verpflichtung zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz haben nach § 4f I 1 BDSG öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten automatisiert verarbeiten.

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bb) Ob bei längerer Abwesenheit des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Stellvertreter zu bestellen ist, ist umstritten.

21

Die überwiegende Meinung im Schrifttum lehnt eine gesetzliche Pflicht zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten selbst bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten ab und stützt sich allein auf den Gesetzeswortlaut, den sie für eindeutig hält. Anders als in vielen landesrechtlichen Datenschutzgesetzen fehle im BDSG eine Regelung über die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten (Raum in: Auernhammer, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 49; Schaffland/Wiltfang, BDSG, Lfg. 4/15 IX/15, § 4f Tz 44; Gola/Schomerus, BDSG, 12. Aufl. (2015), § 4f Tz 22; Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, 7. Aufl. (2016), § 4f/4g Tz 3; Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 145; Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht Band 1, EL. Nov. 2009, § 4f Tz 173).

22

Nach anderer Ansicht sei zur Vermeidung einer „kontrollfreien Situation“ durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildung ein ständiger Vertreter des Datenschutzbeauftragten zu bestellen (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 25a).

23

Von der Rechtsprechung ist die Frage soweit ersichtlich bisher nicht entscheiden worden.

24

cc) Nach Ansicht der Kammer ist der Arbeitgeber zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten verpflichtet, wenn Aufgaben in diesem Bereich anstehen und der (Haupt-) Datenschutzbeauftragte diese aufgrund einer längerfristigen Verhinderung nicht wahrnehmen kann.

25

(1) Danach ist zunächst vom Wortlaut der Norm auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften (BAG v. 13.01.2016 – 10 AZR 42/15 – Tz 15). Die Grenze der Auslegung ist erreicht, wenn der eindeutige Wortsinn entgegensteht (BVerfG v. 14.02.1973 – 1 BvR 112/65 – Tz 38). Soweit der Wortlaut der Norm nicht eindeutig ist, ist zunächst auf den systematischen Zusammenhang abzustellen. Danach sind die weiteren Auslegungsquellen wie die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung heranzuziehen.

26

(2) Der Wortlaut der Norm schließt eine Verpflichtung, ggf. auch einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu bestellen, jedenfalls nicht aus. Das Gesetz sieht die Bestellung eines „Beauftragten für den Datenschutz“ vor. Es fehlt damit an einer ausdrücklichen Regelung über die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Der Datenschutzbeauftragte ist eine bei einer Behörde, einem Betrieb, einem Land oder beim Bund bestellte natürliche Person, welche in einer besonderen Rechts- und Pflichtenstellung die Belange des Datenschutzes wahrnimmt (Alpmann Brockhaus, Studienlexikon Recht, 4. Aufl., 2014). Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte ist vom Wortsinn erfasst, weil dieser im Fall der Verhinderung mit vollen Rechten und Pflichten in die Position des Datenschutzbeauftragten eintritt und damit, wenn auch nur vorübergehend, als Datenschutzbeauftragter handelt. Ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter unterscheidet sich in der Wahrnehmung seiner Funktion nicht vom (ursprünglichen) Datenschutzbeauftragten. Ebenso könnte von einem Ersatz- oder von einem weiteren Datenschutzbeauftragten die Rede sein. Die Bezeichnung als stellvertretender Datenschutzbeauftragter bringt letztlich nur zum Ausdruck, dass der ursprünglich bestellte Beauftragte seine Funktion später wieder ausüben soll.

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(3) Der systematische gesetzliche Gesamtzusammenhang des § 4f I BDSG spricht für eine gesetzliche Verpflichtung der verantwortlichen Stelle zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bei länger dauernder Verhinderung des originären Datenschutzbeauftragten.

28

Das Bundesdatenschutzgesetz trifft insgesamt Regelungen, die der Effektivität der Kontrolle über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Normen dienen. § 4f I BDSG ist Unterpunkt der in § 4 BDSG enthaltenen Regelungen über die Zulässigkeit der Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Hieraus wird deutlich, dass es sich bei dem Datenschutzbeauftragten um ein organisatorisches Element zur Einhaltung und Kontrolle notwendiger Datenschutzmaßnahmen handelt (Gierschmann/Saeugling, Systematischer Kommentar zum Datenschutzrecht (2014), § 4f Tz 3). Gemäß § 4f III 1 BDSG ist der Datenschutzbeauftragte zur Sicherung seiner Funktionserfüllung unmittelbar dem Leiter der öffentlichen bzw. nichtöffentlichen Stelle zu unterstellen. Damit wird gewährleistet, dass er direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern hat, um beispielsweise aus Gründen des Datenschutzes erforderliche Maßnahmen unmittelbar veranlassen zu können (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f, Tz 43). Ferner ist der Datenschutzbeauftragte gemäß § 4f III 2 BDSG bei der Ausübung seiner Tätigkeit auf dem Gebiet des Datenschutzes keinen Weisungen unterworfen. Dadurch gewährleistet § 4f III 2 BDSG, dass der Datenschutzbeauftragte in der Aufgabenerfüllung frei ist, dessen Funktionserfüllung mithin nicht beeinträchtigt wird (Moos in: Wolff/ Brink, Datenschutzrecht in Bund und Ländern (2013), § 4f Tz 65). Vor diesem Hintergrund entspricht es dem gesamtsystematischen Zusammenhang des § 4f BDSG, im Falle der Verhinderung des Datenschutzbeauftragten einen Stellvertreter zu bestellen, weil nur dadurch eine effektive Funktionserfüllung des Amtes des Datenschutzbeauftragten durchgehend gewährleisten werden kann.

29

Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass § 4f I BDSG in Kleinbetrieben keine Anwendung findet. Zwar besteht auch in Kleinbetrieben grundsätzlich die Gefahr der Beeinträchtigung der informationellen Selbstbestimmung des Beschäftigten durch den Umgang mit seinen persönlichen Daten im Betrieb. Jedoch erhöht sich die Gefahr für einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten, je mehr Mitarbeiter mit den personenbezogenen Daten in Kontakt kommen (Gerhold RdV 2006, 6, 7). Es obliegt daher insoweit der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers, in Kleinbetrieben von einer Verpflichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten abzusehen. Die Billigung einer nur lückenhaften Kontrolle durch den Beauftragten für Datenschutz kann daraus im Hinblick auf die gesetzlichen Wertungen des § 4f BDSG nicht gefolgert werden.

30

Auch aus dem europarechtlichen Gesamtzusammenhang folgt nichts anderes. Zwar sieht die EG-Datenschutzrichtlinie (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr) eine Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nicht vor. Gleichwohl ist § 4f BDSG auch unter Zuhilfenahme der EG-Datenschutzrichtlinie auszulegen, da der nationale Gesetzgeber die den Datenschutzbeauftragten betreffenden Regelungen an die Vorgaben der Richtlinien anzupassen hat (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 2). Nach der EG-Datenschutzrichtlinie soll der Datenschutzbeauftragte die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten bei der Datenverarbeitung vor Beeinträchtigungen schützen. Art. 18 II der EG-Datenschutzrichtlinie, welcher zwar nicht die Pflicht, aber die Möglichkeit der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten vorsieht, bestimmt dessen Obliegenheiten wie folgt:

31

„der für die Verarbeitung Verantwortliche bestellt entsprechend dem einzelstaatlichen Recht, dem er unterliegt, einen Datenschutzbeauftragten, dem insbesondere folgendes obliegt:

32

— die unabhängige Überwachung der Anwendung der zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Bestimmungen,
— die Führung eines Verzeichnisses mit den in Artikel 21II vorgesehenen Informationen über die durch den für die Verarbeitung Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen durch die Verarbeitung nicht beeinträchtigt werden.“

33

Bei längerer Abwesenheit kann der Datenschutzbeauftragte den Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen nicht mehr sicherstellen. Daher muss in seine Position ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter treten, der diese Funktion ausübt.

34

Dass einige Landesdatenschutzgesetze die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten ausdrücklich vorsehen, spricht nicht gegen die hier vertretene Auslegung. Bundes- und Landesgesetzgeber sind voneinander unabhängig. Von einer einheitlichen Regelungssystematik kann deshalb nicht ausgegangen werden.

35

(4) Auch die Entstehungsgeschichte des § 4f I BDSG spricht dafür, dass die verantwortliche Stelle gemäß § 4f I BDSG verpflichtet ist, einen stellvertretenden Datenschutzbeauftragten in Fällen wie dem vorliegenden zu bestellen.

36

Der Gesetzgeber hat unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Berufsausübung und im wirtschaftlichen Verkehr von der Einführung einer institutionalisierten Fremdkontrolle abgesehen und es für ausreichend erachtet, im Bereich des Datenschutzes auf Grundlage des Prinzips der Selbstverantwortlichkeit ein System abgestufter Selbstkontrolle einzuführen und damit einen Datenschutzbeauftragten als Kontrollinstanz vorgesehen (BT-Drs 7/1027, S. 29 zu § 22; BT-Drs. 7/1027 – Tz 3.8). Der Datenschutzbeauftragte soll die Durchführung des Bundesdatenschutzgesetzes sowie anderer Vorschriften über den Datenschutz in seinem Geschäftsbereich sicherstellen (BT-Drs 7/1027, S. 29 zu § 22). Er ergänzt insoweit die staatliche Aufsicht über die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen und überwacht und kontrolliert die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Unternehmen (Schaffland/ Wiltfang, BDSG Lfg. 4/15 IX/15, § 4f Tz 44). Ohne die Pflicht zur Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten würde der Datenschutzbeauftragte in Fällen wie dem vorliegenden zu einer „Alibi-Kontrollinstanz“ werden, die den Datenschutz hinter Unternehmensinteressen zurückstehen ließe (vgl. v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 2). Dies widerspräche der gesetzgeberischen Intention, weil eine Selbstkontrolle insofern gerade nicht stattfinden würde.

37

(5) Auch Sinn und Zweck von § 4f BDSG sprechen für eine Verpflichtung des Arbeitgebers, bei längerer Verhinderung eines Datenschutzbeauftragten einen Stellvertreter bestellen zu müssen. § 4f verfolgt den Zweck, unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der öffentlichen bzw. nicht-öffentlichen Stellen die Beschäftigten effektiv vor Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu schützen.

38

Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten dient dem Schutz der personenbezogenen Daten der Beschäftigten (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 7; Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 1; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2013), § 4f Tz 1). Der Schutz der personenbezogenen Daten in § 4f I BDSG wird allerdings nicht uneingeschränkt gewährleistet. Die Regelung in § 4f I BDSG ist vielmehr das Ergebnis einer Abwägung zwischen den betrieblichen Interessen der verantwortlichen Stelle einerseits und dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen andererseits (vgl. Gola/Klug NJW 2007, 118). Die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten ist von der Überschreitung der in § 4f I BDSG genannten Schwellenwerte abhängig. Der Schwellenwert dient ausweislich der Gesetzesbegründung dem sachgerechten Ausgleich im Spannungsverhältnis zwischen dem Ziel, kleinere Unternehmen zu entlasten, und dem Erfordernis, personenbezogene Daten zu schützen (BT-Drs 16/1853, S.12). Denn Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen, wickeln in der Regel entweder ein im Hinblick auf den Datenschutz eher weniger belastendes Massengeschäft ab oder bedienen einen überschaubaren Kundenkreis (BT-Drs 16/1853, S.12).

39

Vor diesem Hintergrund widerspricht die Nichtanwendung des § 4f I BDSG bei längerer Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten der ratio legis, weil die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten in diesen Fällen notwendig ist und die verantwortliche Stelle nicht unverhältnismäßig belastet. Bei Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten fehlt es an der gesetzlich vorgesehenen Kontrollinstanz, welche die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Regelungen überwacht und die Umsetzung in der Praxis kontrolliert. Für den Schutz des Rechts auf informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen reicht es zwar grundsätzlich aus, wenn die verantwortliche Stelle einen Datenschutzbeauftragten gemäß § 4f I BDSG bestellt und dieser tatsächlich tätig wird. Der vom Datenschutzbeauftragten geschaffene und erforderliche Schutz der personenbezogenen Daten sinkt jedoch, je länger die Abwesenheit dauert. Führt die Abwesenheit des Datenschutzbeauftragten dazu, dass letztlich nur noch die formale Bestellung des Datenschutzbeauftragten übrig bleibt, die Funktion aber nicht ausgefüllt wird, so kommt dies einer fehlenden Bestellung eines Datenschutzbeauftragten gleich. In diesem Fall lebt die Pflicht zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wieder auf. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in diesen Fällen die Bestellung eines stellvertretenden Datenschutzbeauftragten. Dieser tritt für die Dauer der Verhinderung vollumfänglich in die Rechte und Pflichten des Datenschutzbeauftragten ein. Zwar besteht bei der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter grundsätzlich die Gefahr, dass die gesetzlich garantierten Kompetenzen und Gewährleistungen unterlaufen werden (Franck/Reif ZD 2015, 405, 06). Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn allein der stellvertretende Datenschutzbeauftragte agiert. Denn der originär zuständige Datenschutzbeauftragte füllt seine Funktion im Verhinderungsfall nicht aus, so dass gerade nicht mehrere Datenschutzbeauftragte tätig werden.

40

dd) Dass die von der Beklagten ursprünglich bestellte Datenschutzbeauftragte für einen erheblichen Zeitraum verhindert war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Zwar ist das genaue Datum des Beginns der Arbeitsunfähigkeit nicht vorgetragen, diese bestand jedoch mindestens vom 01.08.2014 bis zum 28.02.2015, also für mehr als 7 Monate. Dass die Bestellung eines (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten während dieses Zeitraums auch sachlich geboten war, ergibt sich daraus, dass der Kläger unstreitig als Datenschutzbeauftragter zahlreiche Aktivitäten entfaltet hat.

41

b) Zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG auch den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten erfasst. Voraussetzung hierfür ist neben der Bestellung auch die tatsächliche Ausübung des Amtes als stellvertretender Datenschutzbeauftragter.

42

aa) Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen der stellvertretende Datenschutzbeauftragte den besonderen Schutz der § 4f III 5 u 6 BDSG genießt, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt und in der Literatur umstritten.

43

Die Literatur ist überwiegend der Auffassung, dass der stellvertretende Datenschutzbeauftragte (nachwirkenden) Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 u. 6 BDSG genießt (Deeg, ArbRAktuell 2010, 365; Franck/Reif, ZD 2016, 405; Range-Ditz, ArbR 2016, 231 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; Wahlers, jurisPR-ITR 12/2016 Anm.5 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016 - 27 Ca 486/15; wohl auch Lembke, Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), §§ 4f,4g Tz 24). Nach anderer Ansicht gilt der Kündigungsschutz hingegen nicht für den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten (Schaffland/Wiltfang, Bundesdatenschutzgesetz – Kommentar, Lfg. 6/15 XII/15, § 4f Tz 65e).

44

bb) Nach Auffassung der Kammer ist der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers bestellt worden ist, vom Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 5 u. 6 BDSG erfasst. Dies ergibt eine Auslegung des § 4f III 5 u. 6 BDSG.

45

(1) Der Wortlaut der Norm steht einer entsprechenden Auslegung nicht entgegen. Aus § 4f III 5 BDSG ergibt sich als einzige weitere Voraussetzung dafür, dass ein Datenschutzbeauftragter Sonderkündigungsschutz genießt, dass der Arbeitgeber zu seiner Bestellung verpflichtet war. Insoweit kann auf die Ausführungen zu a) Bezug genommen werden.

46

Dass der nachwirkende Sonderkündigungsschutz gemäß § 4f III 6 BDSG mit der Abberufung als „Beauftragter für den Datenschutz“ beginnt, schließt etwaige Stellvertreter ebenfalls nicht aus. Dem Begriff des „Beauftragten für den Datenschutz“ kommt in § 4f III 6 BDSG keine andere Bedeutung zu als in § 4f I BDSG. Ebenso wie dort widerspricht die Auslegung im Rahmen des § 4f III 6 BDSG zur Erfassung des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten nicht dem Wortsinn des „Beauftragten für den Datenschutz“ als Grenze der Auslegung.

47

(2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem systematischen Zusammenhang des § 4f III 6 BDSG. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 4f III BDSG ein abgestufter Schutzmechanismus nicht zu entnehmen. Vielmehr ergänzen § 4f III 5 BDSG und § 4f III 6 BDSG die Privilegien in § 4f III 1-4 BDSG, um die Position des Datenschutzbeauftragten umfassend zu schützen (vgl. Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 73).

48

Dass § 4f III 6 BDSG keine § 96 III 2 SGB IX entsprechende ausdrückliche Regelung getroffen hat, steht der Annahme eines besonderen Kündigungsschutzes des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten nicht entgegen. Das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung vertritt die Vertrauensperson im Falle der Verhinderung gemäß § 94 I 1 SGB IX. Es genießt durch die ausdrückliche rechtliche Gleichstellung mit der Vertrauensperson gemäß § 96 III 2 SGB IX den besonderen nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 96 III 1 SGB IX. Anders als bei dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten liegt indes gemäß § 94 I 1 SGB IX ein Fall der Verhinderung nicht nur bei Abwesenheit, sondern auch bei Wahrnehmung anderer Aufgaben der Vertrauensperson vor. Das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung kann daher auch parallel zur Vertrauensperson tätig werden (Düwell in: Daue/ Düwell/Joussen, Sozialgesetzbuch IX, 4. Aufl. (2014), § 94 Tz 7). Es erfüllt insoweit einen eigenen, von dem der Vertrauensperson abgrenzbaren Aufgabenkreis. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte wird hingegen nur tätig, wenn der originär zuständige Datenschutzbeauftragte an der Erfüllung seiner Funktion wegen Abwesenheit gehindert ist.

49

Auch aus dem europarechtlichen Zusammenhang des § 4f III 6 BDSG ergibt sich nichts anderes. Zwar weist die EG-Datenschutzrichtlinie keine mit den § 4f BDSG vergleichbare Regelung auf (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 1). Gleichwohl ist § 4f BDSG auch an dieser Stelle unter Zuhilfenahme der EG-Datenschutzrichtlinie auszulegen. Die Regelung in § 4f III 6 BDSG ist angepasst an die in der EG-Datenschutzrichtlinie verankerte Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten. § 4f III 6 BDSG dient mithin dazu, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten zu bewahren (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Nach Art. 28 II der EG-Datenschutzrichtlinie haben die Stellen, welche die zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen einzelstaatlichen Vorschriften in ihrem Hoheitsgebiet überwachen, die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrzunehmen. Weiter heißt es in dem Erwägungsgrund 49 Satz 3 der EG-Datenschutzrichtlinie, der im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Bestellung eines Datenschutzbeauftragten nach Art. 18 II der Richtlinie steht:

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„Ein solcher Beauftragter, ob Angestellter des für die Verarbeitung Verantwortlichen oder externer Beauftragter, muss seine Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können.“

51

Die zwingend zu gewährende Unabhängigkeit im Rahmen der Überwachungstätigkeit des Datenschutzbeauftragten ist damit ein wichtiger Bestandteil der Konzeption dieses Instituts (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 2). Um auch die Unabhängigkeit des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten zu wahren, der vorübergehend die Funktion des Datenschutzbeauftragten ausübt, muss auch diesem der nachwirkenden Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG zukommen.

52

(3) Der Sinn und Zweck der Norm entspricht ebenfalls dem Verständnis, den stellvertretenden Datenschutzbeauftragten vom nachwirkenden Sonderkündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG zu erfassen.

53

§ 4f III 6 BDSG soll den Datenschutzbeauftragten davor schützen, während seiner Amtszeit Repressalien des Arbeitgebers ausgesetzt zu sein (Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2012), § 4f Tz 58). Das Gesetz geht davon aus, dass nach einem Jahr eine eventuell bestehende Verärgerung des Arbeitgebers über den Datenschutzbeauftragten abgeklungen sein wird (Lembke in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), § 4f Tz 24; v.d. Bussche in: Plath, BDSG (2012), § 4f Tz 58). Die mit dem Arbeitsverhältnis zwangsläufig verbundene Abhängigkeit des Beauftragten von der verantwortlichen Stelle soll sich möglichst nicht auf seine Tätigkeit auswirken (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Die Abberufung darf sich vor allem nicht als höchst willkommener Zeitpunkt erweisen, den Datenschutzbeauftragten unverzüglich mit Nachteilen und Maßnahmen zu konfrontieren, die während seiner Amtszeit unterbleiben mussten (Simitis in: Simitis, Bundesdatenschutzgesetz, 8. Aufl. (2014), § 4f Tz 185). Der Arbeitnehmer, der gleichzeitig als Datenschutzbeauftragter bestellt ist, befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen der Einhaltung und Verbesserung des Datenschutzes und den Interessen des Arbeitgebers, weshalb der nachwirkende Sonderkündigungsschutz eine unbelastete Aufgabenwahrnehmung gewährleisten soll (Deeg, ArbRAktuell 2010, 365).

54

Nach dieser ratio legis führt die Nichtanwendung des § 4f III 6 BDSG auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte zu Wertungswidersprüchen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der bei Ausübung dieser Funktion im Verhinderungsfall vollumfänglich in die Rechte und Pflichten des Datenschutzbeauftragten eintritt, ist etwaigen Sanktionen des Arbeitgebers ebenso ausgeliefert wie der primäre bestellte Datenschutzbeauftragte (Frank/Reif ZD 2016, 340).

55

(4) Zudem findet sich der nachwirkende Kündigungsschutz des § 4f III 6 BDSG in ähnlicher Weise bei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats und anderen Betriebsbeauftragten (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 73a). Zwar ist die Rechtsstellung des stellvertretenden Datenschutzbeauftragten mit den zahlreichen anderen „Beauftragten“ nicht einheitlich ausgestaltet. Dies schließt jedoch nicht aus, dass Erkenntnisse, die in einem Bereich gewonnen wurden, auf einen anderen übertragen werden können (Däubler in: Däubler/Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016), § 4f Tz 3). Daher spricht vieles dafür, die zum Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds des Betriebsrats entwickelten Rechtsgrundsätze auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte entsprechend anzuwenden (vgl. ebenso Deeg, ArbRAktuell 2010, 365, 366; Range-Ditz, ArbR 2016, 231; Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 39).

56

(α) Das Ersatzmitglied des Betriebsrats ist, trotz fehlender ausdrücklicher Regelung, vom nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz des § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG erfasst (st. Rspr. BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 16, BAG v. 17.01.1979 – 5 AZR 891/77 – Tz 14, BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 15). Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz wird mit dem Ende der Tätigkeit als Ersatzmitglied ausgelöst (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 26), wobei auch die Beendigung der befristeten Mitgliedschaft des Ersatzmitglieds den Tatbestand der „Beendigung des Amtszeit“ im Sinne des § 15 I 2 KSchG erfüllt (BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 27).

57

Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds des Betriebsrats tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Der nachwirkende Sonderkündigungsschutz soll die unabhängige pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamtes dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Die Regelung in § 15 KSchG setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41). Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied des Betriebsrats während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es kann dann dem Arbeitgeber keinen Anlass für negative Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben haben und bedarf deshalb keines besonderen Kündigungsschutzes (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 41; BAG v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 – Tz 40; BAG v. 05.11.2009 – 2 AZR 487/08 – Tz 16). Damit löst das bloße Nachrücken in den Betriebsrat, welches bei Verhinderung des Ersatzmitglieds „automatisch“ erfolgt (BAG v. 08.09.2011 – 2 AZR 388/10 – Tz 33f), den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 I 2 KSchG nicht aus (BAG v. 19.04.2012 – 2 AZR 233/11 – Tz 44).

58

(b) Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum nachwirkenden Kündigungsschutz von Ersatzmitgliedern des Betriebsrats sind auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte jedenfalls dann zu übertragen, wenn diese als solche tatsächlich tätig geworden sind. Ebenso wie das Ersatzmitglied des Betriebsrats tritt der stellvertretende Datenschutzbeauftragte durch die Wahrnehmung dieser Funktion in alle Rechte und Pflichten des originären Datenschutzbeauftragten ein. Er ist damit dem gleichen Risiko ausgesetzt, mit dem Arbeitgeber in Konflikt zu geraten. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, warum der Stellvertreter trotz nur vorübergehender Wahrnehmung der Funktion eines Datenschutzbeauftragten weniger schutzbedürftig sein sollte. Dass das Ersatzmitglied des Betriebsrats einem Gremium angehört, während der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein agiert, spricht eher für eine höhere Schutzbedürftigkeit des Datenschutzbeauftragten. Anders als bei Konflikten des Arbeitgebers mit dem Betriebsrat kann es bei Konflikten mit dem stellvertretenden Datenschutzbeauftragten niemals Zweifel an der Verantwortlichkeit der Person geben. Der nachwirkende Kündigungsschutz ist deshalb in beiden Fällen erforderlich, um die Ämter unabhängig, ohne Sorge um den Arbeitsplatz ausüben zu können (im Ergebnis wohl ebenso: Deeg, ArbRAktuell 2010, 365; Franck/Reif, ZD 2016, 405; Range-Ditz, ArbR 2016, 231 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; Wahlers, jurisPR-ITR 12/2016 Anm.5 – Anmerkung zu ArbG Hamburg v. 13.04.2016, 27 Ca 486/15; wohl auch Lembke, Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), §§ 4f/4g Tz 24).

59

(c) Auch die Begründung des Gesetzgebers für die Einführung des § 4f III 6 BDSG spricht dafür, den nachwirkenden Sonderkündigungsschutz auf stellvertretende Datenschutzbeauftragte zu erstrecken.

60

§ 4f III 6 BDSG ist ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/12011, S.30) an den Kündigungsschutz vergleichbarer Funktionsträger angelehnt, wie z.B. den Gewässerschutzbeauftragten (§ 21 f II.1, 2 WHG), des Immissionsschutzbeauftragten (§ 58 II 1, 2 BImSchG), des Störfallbeauftragten (§ 58 d i.V.m. § 58 II 1, 2 BImSchG), des Abfallbeauftragten (§ 55 III des KrWAbfG i.V.m. § 58 II 1, 2 des BImSchG) oder der Betriebsratsmitglieder (§ 15 I 1, 2 des KSchG). Der Gesetzgeber stellt für die Begründung des Sonderkündigungsschutzes des Datenschutzbeauftragten maßgeblich auf die Vergleichbarkeit der Art und des Umfangs der auszuführenden Tätigkeit zu den anderen geschützten Funktionsträgern ab (Scheja in: Taeger/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010); Raum in: Auernhammer, BDSG, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 117; Däubler in: Däubler /Klebe/Wedder/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl. (2016) § 4f Tz 73b). Wenn der Gesetzgeber den Datenschutzbeauftragten mit den anderen vergleichbaren Funktionsträgern im Betrieb gleichstellen wollte, gilt dies auch für die Erstreckung des Kündigungsschutzes auf den Zeitraum von einem Jahr nach der Beendigung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter (Raum in Auernhammer, BDSG, 4. Aufl. (2014), § 4f Tz 117). Dass der stellvertretende Datenschutzbeauftragte, der als solcher tatsächlich tätig geworden ist, der gleichen Gefahr von Konflikten mit dem Arbeitgeber ausgesetzt ist wie der primäre Datenschutzbeauftragte, spricht dafür den Kündigungsschutz in vollem Umfang, also auch in seiner nachwirkenden Form auf den Stellvertreter zu erstrecken (vgl. Scheja in: Taegel/Gabel, Kommentar zum BDSG (2010), § 4f Tz 39).

61

c) Die streitgegenständliche Kündigung ist auch innerhalb eines Jahres nach der Abberufung des Klägers vom Amt des (stellvertretenden) Datenschutzbeauftragten erfolgt.

62

Abberufung i.S.v. § 4f III 6 BDSG bedeutet lediglich das Ende der Tätigkeit als (stellvertretender) Datenschutzbeauftragter und den Beginn der „Abkühlungsphase“, nach deren Ende regelmäßig nicht mehr damit zu rechnen ist, dass der Arbeitgeber als Sanktion für die Wahrnehmung einer Interessenvertretung den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stellt. Soweit die Beklagte meint, eine Abberufung komme nicht in Betracht, weil die Tätigkeit als stellvertretender Datenschutzbeauftragter von Anfang an befristet gewesen sei, verkennt sie, dass sich der Kläger nicht gegen die Beendigung seiner Tätigkeit als stellvertretender Datenschutzbeauftragter wehrt, sondern gegen die Beendigung seines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Dem entspricht, dass nach der Rechtsprechung des BAG auch eine befristete Mitgliedschaft eines Ersatzmitglieds im Betriebsrat den nachwirkenden Kündigungsschutz nach Beendigung der Amtszeit auslöst (BAG v. 06.09.1979 – 2 AZR 548/77 – Tz 27). Die gegenteilige Auffassung der Berufung würde dem Arbeitgeber die Möglichkeit geben, nachwirkenden Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte und deren Stellvertreter generell auszuschließen, indem er die Bestellungen jeweils befristet.

II.

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 97 ZPO.

III.

64

Die Revision ist gemäß § 72 II Nr.1 ArbGG zuzulassen. Voraussetzungen und Reichweite des Kündigungsschutzes von stellvertretenden Datenschutzbeauftragten sind bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

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Arbeitsgericht Hamburg Urteil, 13. Apr. 2016 - 27 Ca 486/15

bei uns veröffentlicht am 13.04.2016

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015 beendet ist. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Jan. 2016 - 10 AZR 42/15

bei uns veröffentlicht am 13.01.2016

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2014 - 6 Sa 17/14 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 19. Apr. 2012 - 2 AZR 233/11

bei uns veröffentlicht am 19.04.2012

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 08. Sept. 2011 - 2 AZR 388/10

bei uns veröffentlicht am 08.09.2011

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. April 2010 - 16 Sa 59/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Referenzen

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015 beendet ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 20.656,00 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.2014 als Referent Risikomanagement bei der Beklagten beschäftigt. Es wird Bezug genommen auf den Anstellungsvertrag vom 11.02.2014 (Anlage K1, Bl. 4 ff. d.A.). Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt € 5.164,00. Der Kläger ist ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter mit Schwerpunkt Allgemeine Krankenversicherung. Er ist fortgebildeter Krankenkassenbetriebswirt, wobei er seinen Abschluss an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie B. gemacht hat (Anlage B 7, Bl. 91 d.A.). Er hat an Seminaren zur Innenrevision teilgenommen (Anlagenkonvolut K4, Bl. 62 ff. d.A.). Die Stelle des Klägers als Referent Risikomanagement wurde im Rahmen eines Pilotprojektes neu geschaffen. Inhalt seiner Tätigkeit war u.a. der Auf- und Ausbau von Risikosteuerungsprozessen. Die Aufgaben des Risikomanagements wurden zwischenzeitlich auf den Vorstand übertragen, der im Bedarfsfalle von einem externen Dienstleister unterstützt wird.

3

Die Beklagte bestellte eine Mitarbeiterin zur Beauftragten für den Datenschutz. Da diese für längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen war, wandte sich der Vorstand der Beklagten im Juli 2014 an den Kläger und fragte bei diesem an, ob er bereit sei, aufgrund des langfristigen Ausfalls der Datenschutzbeauftragten diese Position auszufüllen. Mit Schreiben vom 01.08.2014 wurde der Kläger mit seiner Zustimmung zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten für einen Zeitraum von sechs Monaten vom 01.08.2014 bis 01.02.2015 bestellt (Anlage K3, Bl. 7 d.A.). Während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beauftragten für den Datenschutz nahm der Kläger ihre Aufgaben war.

4

Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 21.08.2015 (Anlage B3, Bl. 43 ff. d.A.) und vom 14.09.2015 (Anlage B4, Bl. 45 ff.) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Personalrat widersprach der Kündigung (Anlage K8, Bl. 68 d.A.). Der Kläger forderte mit Schreiben vom 21.10.2015 die Beklagte zur Weiterbeschäftigung auf (Anlage K7, Bl. 67 d.A.).

5

Mit Schreiben vom 01.10.2015 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Klage ist der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden.

6

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei. Insbesondere sei der Beschäftigungsbedarf für ihn nicht entfallen. Der Kläger könne aufgrund seiner fachlichen Qualifikation und seiner Erfahrungen die Stelle eines Innenrevisors übertragen bekommen. Er erfülle jedenfalls das Anforderungsprofil, mit dem die Beklagte über ein Personalberatungsunternehmen die Stelle ausgeschrieben habe (Anlage K5, Bl. 65). An diesem „externen“ Profil müsse sich die Beklagte festhalten lassen, auch wenn eine interne Stellenausschreibung (Anlage B2, Bl. 42 d.A.) höhere Anforderungen stelle. Schließlich sei die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen. Die Beklagte habe diese trotz der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel fehlerhaft beschränkt. Nach dem Widerspruch des Personalrats stehe ihm ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG zu.

7

Der Kläger genieße auch besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Nachdem er sogar über das Befristungsende hinaus bis zur Übernahme durch den externen Datenschutzbeauftragten ab dem 11.04.2015 Aufgaben der erkrankten Datenschutzbeauftragten wahrgenommen habe, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt sei, gelte für ihn der nachwirkende Kündigungsschutz. Seine Bestellung sei im Übrigen auch nicht freiwillig gewesen, da die Beklagte ihre Pflicht nach dem BDSG habe erfüllen müssen. Einer analogen Anwendung des § 4f Abs. 3 BDSG bedürfe es insofern nicht.

8

Nach der Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt,

9

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015, beendet ist,

10

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.10.2015 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 27 Ca 486/15 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte trägt vor, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Der Vorstand habe am 18.08.2015 einen Beschluss gefasst, die Aufgaben des Referenten Risikomanagement auf den Vorstand zu übertragen und im Bedarfsfall einen externen Dienstleister zur Unterstützung heranzuziehen (Anlage B1, Bl. 41 d.A.). Eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe für den Kläger nicht mehr. Der Kläger könne nicht die Stelle des Innenrevisors ausfüllen, da es ihm u.a. an dem erforderlichen BWL-Studium fehle. Maßgeblich sei insofern das Anforderungsprofil der internen Stellenausschreibung, nicht dasjenige der externen. Der Kläger verfüge nur über ein Studium an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA), was nicht mit einem Hochschulstudium gleichzusetzen sei. Es handele sich nicht um einen staatlich anerkannten Bildungsabschluss. Außerdem habe der Kläger keine Erfahrung als Innenrevisor. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen gewesen, da die Stelle des Klägers singulär sei und es an einer Vergleichbarkeit mit anderen Stellen fehle. Im Übrigen habe der Kläger nicht die Qualifikation für die Stellen der Vorstandsreferentinnen, sodass diese auch nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG bestehe nicht, da der Personalrat in seinem Widerspruch andere Mitarbeiter nicht konkret benannt und auch nichts zu ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit gesagt habe.

14

Der Kläger habe keinen besonderen Kündigungsschutz als stellvertretender Datenschutzbeauftragter. Das BDSG sehe in § 4f Abs. 3 lediglich für den verpflichtend zu bestellenden Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG einen Sonderkündigungsschutz vor. Anders als im SGB IX sei jedoch kein Kündigungsschutz für einen Stellvertreter vorgesehen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte sei lediglich freiwillig zu bestellen, sodass § 4f Abs. 3 BDSG nicht einschlägig sei. Eine Analogie verbiete sich im Hinblick darauf, dass die Problematik dem Gesetzgeber durch § 96 Abs. 3 SGB IX bewusst gewesen sei, er jedoch auf eine entsprechende Regelung im BDSG verzichtet habe.

15

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist nur teilweise zulässig und insoweit begründet.

17

Die Entscheidung beruht auf den nachfolgend kurz zusammengefassten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 3 ZPO):

I.

18

1. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig und im Übrigen unzulässig.

19

Das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt schon aus der Fiktion der Kündigungen als sozial gerechtfertigt nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 4 S. 1, § 7 KSchG, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, unabhängig davon, ob die nach § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG maßgebliche Beschäftigtenzahl erreicht ist.

20

Der Antrag zu Ziffer 2. ist hingegen bereits unzulässig. Dieser Antrag ist zu unbestimmt. Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“. Ein solcher Antrag hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

21

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG v. 17.12.2015 - 8 AZR 54/14 -, Rn. 14, juris). Ein Leistungsantrag ist nur dann hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antrag und in der Folge ein stattgebendes Urteil die Leistung so genau bezeichnet, dass der Schuldner ohne weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Urteilsspruch nachkommen kann und das Urteil vollstreckungsfähig ist (BAG v. 18.09.2014 - 8 AZR 757/13 -, Rn. 17, juris). Um vollstreckungsfähig zu sein, muss ein Vollstreckungstitel zur Weiterbeschäftigung verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, um den Schuldner vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Hierzu ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG v. 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 -, Rn. 20, juris, mwN; LAG Baden-Württemberg v. 09.11.2015 - 17 Ta 23/15 -, Rn. 32, juris).

22

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung enthält keine konkrete Bezeichnung der begehrten Tätigkeit. Er ist allein auf die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ gerichtet, ohne zu konkretisieren, was hierunter zu verstehen ist. Insofern fehlt es an einer inhaltlichen Bestimmtheit. Diese ergibt sich aber auch nicht durch Auslegung. Nach seinem Arbeitsvertrag wurde der Kläger als „Referent Risikomanagement“ eingestellt. Allerdings wurde vom Kläger nicht bestritten, dass die Aufgaben umverteilt bzw. an einen externen Dienstleister vergeben wurden, sodass diese bisher ausgeübte Tätigkeit entfallen ist. Insofern hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er auf der ausgeschriebenen Stelle des Innenrevisors beschäftigt werden könnte. Hinsichtlich der Sozialauswahl hat der Kläger auf die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel abgestellt, sodass aus seiner Sicht auch die Beschäftigung als Vorstandsreferent vertragsgemäß sein könnte. Insofern lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, zu welcher Leistung die Beklagte verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ begehrt. Auch dieser Zusatz steht der Bestimmtheit entgegen, da unklar bleibt, was unter dieser Einschränkung zu verstehen ist (vgl. BAG v. 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 -, Rn. 46, juris).

23

2. Die Klage ist - soweit zulässig - auch begründet.

24

Der Kläger genießt als ehemaliger Datenschutzbeauftragter besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Da der Kläger die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht auf die Frage an, in welchem Umfang der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein aufgrund seiner Bestellung Kündigungsschutz hat.

25

Nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG kann ein Beauftragter für den Datenschutz, der nach § 4f Abs. 1 BDSG zu bestellen ist, nur dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit ist das Recht zur ordentlichen Kündigung vorübergehend ausgeschlossen (vgl. Greiner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, BDSG, § 4f Rn. 16). Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist (§ 4f Abs. 3 S. 6 BDSG). Damit hat der Gesetzgeber den Kündigungsschutz für den Beauftragten für Datenschutz u.a. an den der Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 1 S. 1, 2 KSchG angelehnt (BT-Drucks. 16/12011, S. 30). Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut des § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG nur für solche Datenschutzbeauftragte, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/12011, S. 30).

26

a. Unstreitig ist die Beklagte nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtet, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie eine Mitarbeiterin zur Datenschutzbeauftragten bestellt hat. Die verpflichtete Stelle kann auch einen Vertreter bestellen. Die Bestellung eines Stellvertreters wird im BDSG nicht ausgeschlossen. Auch wenn es im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gibt, besteht gleichwohl ein Bedürfnis, eine kontrollfreie Situation zu vermeiden, wenn der Beauftragte für den Datenschutz an einer Amtsausübung gehindert ist (Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; ebenso Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145; Gola/Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013, Rn. 1478; Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 3). Insofern ist die Bestellung eines Stellvertreters zur Sicherstellung geeignet, dass die Aufgaben nach dem BDSG durchgehend wahrgenommen werden, auch wenn der Beauftragte für den Datenschutz vorübergehend verhindert ist. Hierdurch entsteht kein Kompetenzkonflikt, da nicht zeitgleich zwei Beauftragte für den Datenschutz tätig werden (vgl. zur Problematik der Kompetenzabgrenzung bei mehreren Datenschutzbeauftragten Franck/Reif, ZD 2015, 405, 406). Der Stellvertreter rückt nur für die Dauer des Vertretungsfalls nach und ersetzt den eigentlichen Datenschutzbeauftragten vollumfänglich (Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407). Insofern handelt es sich für den Vertreter, der den Beauftragten auch bei einer kurzfristigen Verhinderung ersetzt, nicht um eine Verlagerung gesetzlich gewährleisteter Kompetenzen des Beauftragten (vgl. Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145). Damit ist die Bestellung eines Stellvertreters nicht vergleichbar mit der Problematik der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter.

27

Ob und in welchen Fällen eine Stellvertretung nach dem BDSG geboten ist, kann vorliegend offen bleiben. Auf die Pflicht zur Bestellung eines Stellvertreters kommt es nicht an. Wird jedenfalls ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt und nimmt dieser im Verhinderungsfall die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten iSd § 4f Abs. 1 BDSG wahr, bedeutet dies, dass ebenfalls die Schutzvorschriften nach § 4f Abs. 3 BDSG einschlägig sind (vgl. Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407; so wohl im Ergebnis auch Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 24). Ist die Stelle nach § 4f Abs. 1 BDSG zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz verpflichtet, ist die Rechtsstellung auch auf den Stellvertreter zu übertragen, soweit der Vertretungsfall eingetreten ist. Auch wenn der Stellvertreter freiwillig bestellt wurde und grundsätzlich kein Kündigungsschutz besteht, gilt dies für den Vertretungsfall nicht. Der Vertreter, der vollumfänglich die Aufgaben des Vertretenen wahrnimmt, ist kein Datenschutzbeauftragter „2. Klasse“. Vielmehr bedarf er im Vertretungsfall des Schutzes vor etwaigen Nachteilen aufgrund seiner Amtsführung.

28

Der Anwendung des Kündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 BDSG auf den stellvertretenden Beauftragten für den Datenschutz steht nicht entgegen, dass das SGB IX in § 96 Abs. 3 SGB IX einen besonderen Kündigungsschutz für das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung regelt, der Gesetzgeber bei der Einführung des BDSG hierauf jedoch verzichtet hat. Die Aufgaben des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung sind gesondert ausgestaltet. Insbesondere können die Vertrauensperson und der Stellvertreter nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX nach Absprache parallel tätig werden, mithin gleichzeitig ihre Aufgaben wahrnehmen. Insofern lässt sich aus dem Schweigen des BDSG zu einer Stellvertretung - die Gesetzesbegründung enthält hierzu keinen Hinweis - nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche ausschließen wollte. Im Übrigen enthält auch § 15 Abs. 1 KSchG keinen eigenen Kündigungsschutz zugunsten der Ersatzmitglieder des Betriebsrats. Gleichwohl genießen Ersatzmitglieder im Vertretungsfall den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder. Weder in § 15 Abs. 1 KSchG noch in § 4f Abs. 3 BDSG geht es um einen originären Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder bzw. Stellvertreter, sondern lediglich um den Schutz während und nach Eintritt des Vertretungsfalls. Aus diesem Grund bedarf es keiner analogen Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften, sodass auch die Voraussetzungen der Analogie - insbesondere das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke - nicht gegeben sein müssen.

29

Da der Kündigungsschutz des Beauftragten für Datenschutz an denjenigen des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG angelehnt ist, sind auch die Rechtsgrundsätze zu übertragen (vgl. BT-Drucks. 16/12011, S. 30; Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 73b; ErfK-Franzen, 16. Aufl. 2016, § 4f BDSG Rn. 9). Während der Dauer des Vertretungsfalls gilt der Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG (Deeg/Müller, ArbRAktuell 2010, 365, 366). Ein nachwirkender Kündigungsschutz greift hingegen nur dann ein, wenn auch tatsächlich die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wurden. Bei einem Ersatzmitglied des Betriebsrats reicht es nicht aus, dass ein Vertretungsfall eingetreten ist, um einen nachwirkenden Kündigungsschutz zu erlangen. Vielmehr muss das Ersatzmitglied auch konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen haben (BAG v. 19.04.2012 - 2 AZR 233/11 -, Rn. 41, juris; KR-Etzel/Kreft, 11. Aufl. 2016, § 15 KSchG Rn. 90). Entsprechendes gilt auch für den Beauftragten für Datenschutz. Auch für diesen ist im Gesetz nach Ende der Amtszeit eine „Abkühlungsphase“ vorgesehen, während derer sich eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsführung legen soll. Dies rechtfertigt es, eine solche „Abkühlungsphase“ nur dann anzunehmen, wenn eine Amtstätigkeit erfolgt ist, aufgrund derer überhaupt eine negative Reaktion des Arbeitgebers in Betracht kommen kann.

30

b. Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze konnte die Beklagte den Kläger nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01.10.2015 nur außerordentlich kündigen, jedoch nicht ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr Beauftragter für den Datenschutz, da sowohl seine befristete Bestellung abgelaufen als auch der Vertretungsfall mit der Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten abgelaufen war. Jedoch kann sich der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter auf den nachwirkenden Kündigungsschutz berufen.

31

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 01.08.2014 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bestellt, da die Datenschutzbeauftragte aus krankheitsbedingten Gründen absehbar für einen längeren Zeitraum verhindert war. Auf dieser Grundlage ist der Kläger tätig geworden. Der Kläger hat damit das Amt des Beauftragten für Datenschutz wahrgenommen, sodass es nicht maßgeblich ist, ob die Bestellung eines Stellvertreters freiwillig erfolgt ist. Aus diesem Grund war die Kündigungsmöglichkeit innerhalb eines Jahres gem. § 4f abs.3 S. 6 BDSG eingeschränkt. Da die Beklagte innerhalb eines Jahres nach Amtsbeendigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat und diese nicht auf einen wichtigen Grund zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist stützen kann, ist diese nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG i.V.m. § 134 BGB nichtig.

II.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. § 92 ZPO.

33

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 2 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes des Kündigungsschutzantrages war mit dem dreifachen Bruttomonatsgehalt zu bemessen, der Antrag auf Weiterbeschäftigung mit einem Bruttomonatsgehalt.

34

Einer gesonderten Zulassung der Berufung bedurfte es nicht. Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG bzw. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. November 2014 - 6 Sa 17/14 - aufgehoben.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg - vom 17. Januar 2014 - 6 Ca 222/13 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 4. Dezember 2012 zu zahlen sind.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung und der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2012 und in diesem Zusammenhang über die Einbeziehung tariflicher Ausgleichszahlungen zur Verdienstsicherung älterer Arbeitnehmer.

2

Der 1952 geborene Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall (IGM) und seit 1973 bei der Beklagten beschäftigt, die ihrerseits Mitglied des Verbands der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e. V. ist. Der Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden MTV) gewährt Arbeitnehmern, die das 54. Lebensjahr vollendet haben, in § 6 einen Anspruch auf Verdienstsicherung. Die Vorschrift lautet auszugsweise wie folgt:

        

§ 6 Alterssicherung

        

6.1     

Beschäftigte, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb oder Unternehmen mindestens ein Jahr angehören, haben Anspruch auf Verdienstsicherung.

                 

Die tarifliche Verdienstsicherung bezieht sich nicht auf das Tarifentgelt, sondern auf das Effektiventgelt und wird wie folgt verwirklicht:

        

6.1.1 

Der Alterssicherungsbetrag … wird als Mindestverdienst garantiert.

        

6.1.2 

Der laufende Verdienst innerhalb des nach § 6.9 zu regelnden Vergleichszeitraums wird mit dem Alterssicherungsbetrag verglichen.

        

6.1.3 

Ist der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag, so ist ein Ausgleich bis zur Höhe des Alterssicherungsbetrages zu bezahlen.

        

…       

        
        

6.3     

Zusammensetzung und Errechnung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der Alterssicherungsbetrag errechnet sich wie folgt:

        

6.3.1 

aus dem Monatsgrundentgelt der Entgeltgruppe zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.2 

aus den in den letzten 12 Monaten vor Beginn der Verdienstsicherung durchschnittlich erzielten leistungsabhängigen variablen Bestandteilen

        

6.3.3 

der Belastungszulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.4 

aus der übertariflichen Zulage zu Beginn der Verdienstsicherung

        

6.3.5 

aus den in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Verdienstsicherung erzielten (tariflichen und/oder übertariflichen) durchschnittlichen Zuschlägen für Sonn-, Feiertags-, Spät-, Nacht-(Schicht-), Montagearbeit sowie Erschwerniszulagen gemäß § 8 BMTV, …

        

…       

        
        

6.5     

Nicht in den Alterssicherungsbetrag einzubeziehen sind:

                 

Zuschläge für Mehrarbeit und sonstige unregelmäßige Bezüge, vermögenswirksame Leistungen, Auslösungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsvergütung und andere einmalige Zuwendungen.

        

6.6     

Alterssicherungsbetrag

                 

Durch die Berechnung gemäß §§ 6.3 und 6.4.2 ergibt sich der Alterssicherungsbetrag als durchschnittlicher Monatsverdienst, bezogen auf die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit … zu Beginn der Alterssicherung.

        

…       

        
        

6.7     

Festschreibung des Alterssicherungsbetrages

                 

Der sich aus der Berechnung nach §§ 6.3 und 6.4.2 ergebende Alterssicherungsbetrag ist mit den dort genannten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festzuschreiben. Die Mindestverdienstgarantie (§ 6.1.1) bezieht sich auch auf diese Entgeltbestandteile.

        

…       

        
        

6.9     

Durchführung der Verdienstsicherung

                 

Der Verdienstausgleich gemäß § 6.1 ist monatlich (Vergleichsmonat) vorzunehmen.

                 

…       

                 

Der Vergleichszeitraum ist mit dem Betriebsrat festzulegen. Er darf einschließlich des Vergleichsmonats drei Monate nicht übersteigen. …

                 

Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung sind in den laufenden Verdienst des Vergleichszeitraums einzubeziehen.“

3

Nach § 2.1 iVm. § 2.2 des Tarifvertrags über die tarifliche Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (im Folgenden TV SoZa) haben Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes je Kalenderjahr. Zur Berechnung bestimmt § 2.4 TV SoZa:

        

„2.4   

Für die Berechnung eines Monatsverdienstes sind zugrunde zu legen:

                 

-       

die festen und leistungsabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts und

                 

-       

die zeitabhängigen variablen Bestandteile des Monatsentgelts der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung einschließlich aller Zulagen und Zuschläge in dem betreffenden Zeitraum, soweit diese nicht in den festen Bestandteilen des Monatsentgelts enthalten sind, jedoch ohne Mehrarbeitsgrundvergütung und Mehrarbeitszuschläge, Auslösungen und ähnliche Zahlungen (Reisespesen, Trennungsentschädigungen), Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Krankengeldzuschüsse, Urlaubsvergütung, die vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers sowie einmalige Zuwendungen, geteilt durch die Anzahl der in diesem Zeitraum bezahlten Tage ohne Krankheits- und Urlaubstage. Der sich hieraus ergebende Betrag ist mit dem Faktor 21,75 zu multiplizieren.

                                   
                 

Protokollnotiz zu § 2.4:

                 

Für die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 sind die Grundsätze, wie sie für die Berechnung der Urlaubsvergütung gelten, maßgebend.“

4

Beschäftigte der Beklagten mit mindestens 15-jähriger Firmenzugehörigkeit hatten nach Maßgabe der „MITTEILUNG PERS 2002 - NR. 22“ vom 16. Oktober 2012 darüber hinaus Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation iHv. 40 % des Monatsentgelts. Zur Berechnung heißt es in der Mitteilung, es seien „grundsätzlich die unmittelbar anwendbaren oder in Bezug genommenen tariflichen Vorschriften entsprechend anzuwenden. Danach sind … die festen und leistungsabhängigen Bestandteile des laufenden Monatsentgelts sowie die zeitabhängigen variablen Bestandteile der letzten drei abgerechneten Monate … (August, September, Oktober) zugrunde zu legen. Eine etwaige Mehrarbeitsvergütung ... ist … nicht in den durchschnittlichen Arbeitsverdienst einzubeziehen.“

5

Mit der Vergütung für November 2012 zahlte die Beklagte an den Kläger 2.442,18 Euro brutto als betriebliche Sonderzahlung und weitere 1.632,82 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation aus. Bei der Berechnung dieser Zahlungen berücksichtigte die Beklagte nicht die Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung, die der Kläger in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erhalten hatte. Die Einbeziehung dieser Ausgleichszahlungen hätte zu einer Erhöhung der Sonderzahlung um 87,74 Euro brutto und der Weihnachtsgratifikation um 53,80 Euro brutto geführt. Diese Differenzbeträge hat der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 2013 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

6

Der Kläger hat gemeint, die Ausgleichszahlungen seien in die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.1 TV SoZa und dementsprechend auch in die Berechnung der Weihnachtsgratifikation einzubeziehen. Der Alterssicherungsbetrag sei nach § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantiert und werde gemäß § 6.7 MTV mit den dort näher bezeichneten Entgeltbestandteilen aufgegliedert festgeschrieben, auf die sich die Mindestverdienstgarantie ebenfalls beziehe. Damit sei der Alterssicherungsbetrag Bestandteil des „Monatsverdienstes“ iSv. § 2.4 TV SoZa.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 141,54 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2012 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und gemeint, die Ausgleichszahlungen seien keine Bestandteile des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa. Es handele sich auch nicht um eine Zulage oder einen Zuschlag, sondern vielmehr um eine Vergütungskomponente sui generis, die bei der Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2.4 TV SoZa nicht zu berücksichtigen sei.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung der Beklagten gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zu Unrecht entsprochen. Der Kläger hat Anspruch auf die von ihm begehrte Zahlung.

11

I. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa Anspruch auf die der Höhe nach unstreitige restliche betriebliche Sonderzahlung von 87,74 Euro brutto für das Kalenderjahr 2012.

12

1. Der TV SoZa fand im Kalenderjahr 2012 aufgrund beiderseitiger Tarifbindung auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).

13

2. Nach § 2.1 Satz 1 iVm. § 2.2 TV SoZa haben Beschäftigte, die am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach einer Betriebszugehörigkeit von 36 Monaten Anspruch auf eine Sonderzahlung in Höhe von 60 % eines Monatsverdienstes. Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt der Kläger.

14

3. Der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa schließt die in den letzten drei abgerechneten Monaten vor Auszahlung der betrieblichen Sonderzahlung erbrachten Ausgleichszahlungen zum Zwecke der Verdienstsicherung ein. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Tarifvorschriften.

15

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28. August 2013 - 10 AZR 701/12 - Rn. 13 mwN). Die Auslegung eines Tarifvertrags durch das Berufungsgericht ist in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachzuprüfen (BAG 11. November 2015 - 10 AZR 719/14 - Rn. 17).

16

b) Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in den fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen (BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 672/08 - Rn. 23 mwN). Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel weiter davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (vgl. BAG 22. Dezember 2009 - 3 AZR 936/07 - Rn. 15, BAGE 133, 62).

17

c) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Sie ergibt vielmehr, dass der in § 2.2 TV SoZa verwendete Begriff „Monatsverdienst“ in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist (so bereits BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 18 f.) und damit dem nach § 6.1.1 MTV als „Mindestverdienst“ garantierten Alterssicherungsbetrag entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist.

18

aa) § 2.2 TV SoZa stellt für die Berechnung der Höhe der betrieblichen Sonderzahlung auf die Betriebszugehörigkeit und den „Monatsverdienst“ ab. Dabei haben die Tarifvertragsparteien den Begriff „Monatsverdienst“ im TV SoZa nicht selbst bestimmt, so dass davon auszugehen ist, dass sie diesen Tarifbegriff in seiner allgemeinen Bedeutung verstanden wissen wollen. Danach ist der Verdienst das durch Arbeit erworbene Geld, das dadurch erzielte Einkommen oder auch das Entgelt für eine Tätigkeit, der Lohn, das Gehalt oder eine sonstige Vergütung (BAG 28. März 2007 - 10 AZR 66/06 - Rn. 20 mwN). Auf diesem weiten Verständnis beruhen ersichtlich auch die Regelungen in § 11.3 MTV. Bereits dies spricht dafür, den in § 6.1.1 MTV als Mindestverdienst garantierten Alterssicherungsbetrag als Monatsverdienst iSd. § 2.2 TV SoZa anzusehen.

19

bb) Die mit § 2.2 TV SoZa systematisch zusammenhängende Regelung in § 2.4 TV SoZa, nach der alle in § 11.3.1 und § 11.3.2 MTV genannten Vergütungsbestandteile mit Ausnahme der „sonstigen variablen Bestandteile“ für die Berechnung eines Monatsverdienstes zu berücksichtigen sind, bestätigt dieses dem Wortlaut entnommene Auslegungsergebnis. Der Alterssicherungsbetrag ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein „fester Bestandteil“ des Monatsentgelts iSv. § 2.4 TV SoZa und kein „sonstiger variabler Bestandteil“ des Monatsentgelts. Er wird nach § 6.6 und § 6.7 MTV als durchschnittlicher Monatsverdienst festgeschrieben. Auch die Regelung in § 6.10 Abs. 5 MTV, nach der zur Fortschreibung des Alterssicherungsbetrags von dessen Festschreibung nach § 6.7 MTV auszugehen ist, bestätigt dessen Charakter als festen Bestandteil des Monatsverdienstes. Dass die von der Höhe des laufenden Verdienstes abhängige Ausgleichszahlung (§ 6.1.3 MTV) variieren kann, ändert daran nichts. Entscheidend ist vielmehr, dass der Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV als fester Mindestverdienst garantiert ist. Die tarifliche Alterssicherung beinhaltet mithin nach der Tarifsystematik eine Verdienstsicherung (§ 6.1 Abs. 2 MTV) bzw. einen Verdienstausgleich (§ 6.9 Abs. 1 MTV) für die Vergütungsbestandteile, die ein nicht altersgesicherter Arbeitnehmer allein durch Verwertung seiner Arbeitskraft erwirtschaften kann und für die er durch die betriebliche Sonderzahlung nach § 2 TV SoZa honoriert werden soll. Die Nichtberücksichtigung dieser Verdienstsicherung bei der Berechnung des für die betriebliche Sonderzahlung maßgeblichen Monatsverdienstes würde zu einer mit der tariflichen Systematik nicht zu vereinbarenden Reduzierung der Sonderzahlung bei altersgesicherten Beschäftigten führen.

20

cc) Die tarifsystematische Bestätigung der mit dem Wortlaut übereinstimmenden Auslegung des Begriffs „Monatsverdienst“ in § 2.2 TV SoZa wird durch die in § 6.5 und § 6.9 MTV enthaltenen Regelungen nicht infrage gestellt. Soweit § 6.5 MTV Sonderzahlungen bei der Berechnung der Alterssicherung ausnimmt, belegt dies lediglich, dass diese hierbei nicht zu berücksichtigen sind. Daraus ergibt sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, eine durch die Alterssicherung bedingte Ausgleichszahlung ihrerseits bei der Berechnung der Sonderzahlung nicht zu berücksichtigen. § 6.9 Abs. 5 MTV verlangt ebenfalls keine andere Auslegung. Es handelt sich dabei lediglich um eine abrechnungstechnische Durchführungsvorschrift zur Berechnung des Verdienstes im Vergleichszeitraum.

21

dd) Für das hier zugrunde gelegte Normverständnis spricht schließlich der Sinn und Zweck der in § 6 MTV geregelten Alterssicherung. Sie ist erkennbar darauf ausgerichtet, Beschäftigte vor einem durch das altersbedingte Nachlassen ihrer körperlichen Kräfte bedingten Einkommensverlust zu bewahren. Die Nichtberücksichtigung der Alterssicherungsbeträge bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung würde dieses System konterkarieren, weil sie zu dem mit diesem Alterssicherungsgedanken nicht zu vereinbarenden Ergebnis führte, dass altersgesicherte Beschäftigte finanzielle Einbußen erleiden, vor denen sie durch das detaillierte Regelungswerk in § 6 MTV explizit bewahrt werden sollen.

22

4. Da die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der betrieblichen Sonderzahlung für das Kalenderjahr 2012 zu Unrecht außer Acht gelassen hat, kann der Kläger die Zahlung der rechnerisch unumstrittenen Differenz in Höhe von 87,74 Euro brutto von der Beklagten verlangen.

23

II. Der Kläger hat aus Ziff. 1.1 iVm. Ziff. 1.2 der „Mitteilung Nr. 22“ einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer 53,80 Euro brutto als Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012.

24

1. Die „Mitteilung Nr. 22“ ist eine Gesamtzusage, aus der dem Kläger dem Grunde nach ein vertraglicher Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Kalenderjahr 2012 gegen die Beklagte zusteht (zum Charakter von Gesamtzusagen als Allgemeine Geschäftsbedingungen iSd. §§ 305 ff. BGB und zu ihrer Auslegung vgl. BAG 7. Juli 2015 - 10 AZR 260/14 - Rn. 18 f. mwN).

25

2. Der Kläger erfüllte im Kalenderjahr 2012 die in der „Mitteilung Nr. 22“ beschriebenen Anspruchsvoraussetzungen für eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 40 % des Monatsentgelts. Er stand am Auszahlungstag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten und war zu diesem Zeitpunkt mehr als 15 Jahre bei ihr beschäftigt. Da der Monatsverdienst iSv. § 2.2 TV SoZa dem Alterssicherungsbetrag gemäß § 6.1.1 MTV entspricht, wenn und soweit der laufende Verdienst der letzten abgerechneten drei Monate vor Auszahlung der Sonderzahlung niedriger als der Alterssicherungsbetrag ist, gilt dies aufgrund der Bezugnahme in der „Mitteilung Nr. 22“ auch für das Monatsentgelt, auf dessen Grundlage die Weihnachtsgratifikation berechnet wird. Nachdem die Beklagte den Alterssicherungsbetrag bei der Berechnung der Weihnachtsgratifikation zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung des rechnerisch unumstrittenen Differenzbetrags in Höhe von 53,80 Euro brutto verlangen.

26

3. Der Zinsausspruch beruht auf § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

27

a) Dem Kläger stehen nach § 187 Abs. 1 BGB Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu(vgl. BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 27 mwN). Soweit dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag fällt, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag(BAG 19. November 2014 - 5 AZR 121/13 - Rn. 32).

28

b) Nach § 3.2 TV SoZa ist Auszahlungsstichtag für die betriebliche Sonderzahlung der 1. Dezember des jeweiligen Jahres. Einen davon abweichenden Fälligkeitstag hat der Kläger nicht behauptet. Nach Ziff. 1.3 Abs. 2 der „Mitteilung Nr. 22“ gilt dieser Stichtag auch für die Weihnachtsgratifikation. Der 1. Dezember 2012 war ein Samstag. Die betriebliche Sonderzahlung und die Weihnachtsgratifikation waren daher am Montag, den 3. Dezember 2012, fällig. Zinsen schuldet die Beklagte mithin erst ab Dienstag, den 4. Dezember 2012.

29

III. Die Kostentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Kläger Zinsen bereits ab dem 1. Dezember 2012 begehrt hat, handelt es sich um eine geringfügige Zuvielforderung iSv. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

        

    Linck    

        

    W. Reinfelder    

        

    Brune    

        

        

        

    D. Kiel    

        

    Züfle    

                 

(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie

1.
zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2.
zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3.
zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Bei der Videoüberwachung von
1.
öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder
2.
Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs
gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.

(2) Der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sind durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen.

(3) Die Speicherung oder Verwendung von nach Absatz 1 erhobenen Daten ist zulässig, wenn sie zum Erreichen des verfolgten Zwecks erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen überwiegen. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Für einen anderen Zweck dürfen sie nur weiterverarbeitet werden, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit sowie zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.

(4) Werden durch Videoüberwachung erhobene Daten einer bestimmten Person zugeordnet, so besteht die Pflicht zur Information der betroffenen Person über die Verarbeitung gemäß den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EU) 2016/679. § 32 gilt entsprechend.

(5) Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen einer weiteren Speicherung entgegenstehen.

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015 beendet ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 20.656,00 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.2014 als Referent Risikomanagement bei der Beklagten beschäftigt. Es wird Bezug genommen auf den Anstellungsvertrag vom 11.02.2014 (Anlage K1, Bl. 4 ff. d.A.). Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt € 5.164,00. Der Kläger ist ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter mit Schwerpunkt Allgemeine Krankenversicherung. Er ist fortgebildeter Krankenkassenbetriebswirt, wobei er seinen Abschluss an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie B. gemacht hat (Anlage B 7, Bl. 91 d.A.). Er hat an Seminaren zur Innenrevision teilgenommen (Anlagenkonvolut K4, Bl. 62 ff. d.A.). Die Stelle des Klägers als Referent Risikomanagement wurde im Rahmen eines Pilotprojektes neu geschaffen. Inhalt seiner Tätigkeit war u.a. der Auf- und Ausbau von Risikosteuerungsprozessen. Die Aufgaben des Risikomanagements wurden zwischenzeitlich auf den Vorstand übertragen, der im Bedarfsfalle von einem externen Dienstleister unterstützt wird.

3

Die Beklagte bestellte eine Mitarbeiterin zur Beauftragten für den Datenschutz. Da diese für längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen war, wandte sich der Vorstand der Beklagten im Juli 2014 an den Kläger und fragte bei diesem an, ob er bereit sei, aufgrund des langfristigen Ausfalls der Datenschutzbeauftragten diese Position auszufüllen. Mit Schreiben vom 01.08.2014 wurde der Kläger mit seiner Zustimmung zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten für einen Zeitraum von sechs Monaten vom 01.08.2014 bis 01.02.2015 bestellt (Anlage K3, Bl. 7 d.A.). Während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beauftragten für den Datenschutz nahm der Kläger ihre Aufgaben war.

4

Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 21.08.2015 (Anlage B3, Bl. 43 ff. d.A.) und vom 14.09.2015 (Anlage B4, Bl. 45 ff.) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Personalrat widersprach der Kündigung (Anlage K8, Bl. 68 d.A.). Der Kläger forderte mit Schreiben vom 21.10.2015 die Beklagte zur Weiterbeschäftigung auf (Anlage K7, Bl. 67 d.A.).

5

Mit Schreiben vom 01.10.2015 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Klage ist der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden.

6

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei. Insbesondere sei der Beschäftigungsbedarf für ihn nicht entfallen. Der Kläger könne aufgrund seiner fachlichen Qualifikation und seiner Erfahrungen die Stelle eines Innenrevisors übertragen bekommen. Er erfülle jedenfalls das Anforderungsprofil, mit dem die Beklagte über ein Personalberatungsunternehmen die Stelle ausgeschrieben habe (Anlage K5, Bl. 65). An diesem „externen“ Profil müsse sich die Beklagte festhalten lassen, auch wenn eine interne Stellenausschreibung (Anlage B2, Bl. 42 d.A.) höhere Anforderungen stelle. Schließlich sei die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen. Die Beklagte habe diese trotz der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel fehlerhaft beschränkt. Nach dem Widerspruch des Personalrats stehe ihm ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG zu.

7

Der Kläger genieße auch besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Nachdem er sogar über das Befristungsende hinaus bis zur Übernahme durch den externen Datenschutzbeauftragten ab dem 11.04.2015 Aufgaben der erkrankten Datenschutzbeauftragten wahrgenommen habe, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt sei, gelte für ihn der nachwirkende Kündigungsschutz. Seine Bestellung sei im Übrigen auch nicht freiwillig gewesen, da die Beklagte ihre Pflicht nach dem BDSG habe erfüllen müssen. Einer analogen Anwendung des § 4f Abs. 3 BDSG bedürfe es insofern nicht.

8

Nach der Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt,

9

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015, beendet ist,

10

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.10.2015 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 27 Ca 486/15 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte trägt vor, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Der Vorstand habe am 18.08.2015 einen Beschluss gefasst, die Aufgaben des Referenten Risikomanagement auf den Vorstand zu übertragen und im Bedarfsfall einen externen Dienstleister zur Unterstützung heranzuziehen (Anlage B1, Bl. 41 d.A.). Eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe für den Kläger nicht mehr. Der Kläger könne nicht die Stelle des Innenrevisors ausfüllen, da es ihm u.a. an dem erforderlichen BWL-Studium fehle. Maßgeblich sei insofern das Anforderungsprofil der internen Stellenausschreibung, nicht dasjenige der externen. Der Kläger verfüge nur über ein Studium an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA), was nicht mit einem Hochschulstudium gleichzusetzen sei. Es handele sich nicht um einen staatlich anerkannten Bildungsabschluss. Außerdem habe der Kläger keine Erfahrung als Innenrevisor. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen gewesen, da die Stelle des Klägers singulär sei und es an einer Vergleichbarkeit mit anderen Stellen fehle. Im Übrigen habe der Kläger nicht die Qualifikation für die Stellen der Vorstandsreferentinnen, sodass diese auch nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG bestehe nicht, da der Personalrat in seinem Widerspruch andere Mitarbeiter nicht konkret benannt und auch nichts zu ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit gesagt habe.

14

Der Kläger habe keinen besonderen Kündigungsschutz als stellvertretender Datenschutzbeauftragter. Das BDSG sehe in § 4f Abs. 3 lediglich für den verpflichtend zu bestellenden Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG einen Sonderkündigungsschutz vor. Anders als im SGB IX sei jedoch kein Kündigungsschutz für einen Stellvertreter vorgesehen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte sei lediglich freiwillig zu bestellen, sodass § 4f Abs. 3 BDSG nicht einschlägig sei. Eine Analogie verbiete sich im Hinblick darauf, dass die Problematik dem Gesetzgeber durch § 96 Abs. 3 SGB IX bewusst gewesen sei, er jedoch auf eine entsprechende Regelung im BDSG verzichtet habe.

15

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist nur teilweise zulässig und insoweit begründet.

17

Die Entscheidung beruht auf den nachfolgend kurz zusammengefassten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 3 ZPO):

I.

18

1. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig und im Übrigen unzulässig.

19

Das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt schon aus der Fiktion der Kündigungen als sozial gerechtfertigt nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 4 S. 1, § 7 KSchG, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, unabhängig davon, ob die nach § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG maßgebliche Beschäftigtenzahl erreicht ist.

20

Der Antrag zu Ziffer 2. ist hingegen bereits unzulässig. Dieser Antrag ist zu unbestimmt. Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“. Ein solcher Antrag hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

21

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG v. 17.12.2015 - 8 AZR 54/14 -, Rn. 14, juris). Ein Leistungsantrag ist nur dann hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antrag und in der Folge ein stattgebendes Urteil die Leistung so genau bezeichnet, dass der Schuldner ohne weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Urteilsspruch nachkommen kann und das Urteil vollstreckungsfähig ist (BAG v. 18.09.2014 - 8 AZR 757/13 -, Rn. 17, juris). Um vollstreckungsfähig zu sein, muss ein Vollstreckungstitel zur Weiterbeschäftigung verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, um den Schuldner vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Hierzu ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG v. 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 -, Rn. 20, juris, mwN; LAG Baden-Württemberg v. 09.11.2015 - 17 Ta 23/15 -, Rn. 32, juris).

22

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung enthält keine konkrete Bezeichnung der begehrten Tätigkeit. Er ist allein auf die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ gerichtet, ohne zu konkretisieren, was hierunter zu verstehen ist. Insofern fehlt es an einer inhaltlichen Bestimmtheit. Diese ergibt sich aber auch nicht durch Auslegung. Nach seinem Arbeitsvertrag wurde der Kläger als „Referent Risikomanagement“ eingestellt. Allerdings wurde vom Kläger nicht bestritten, dass die Aufgaben umverteilt bzw. an einen externen Dienstleister vergeben wurden, sodass diese bisher ausgeübte Tätigkeit entfallen ist. Insofern hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er auf der ausgeschriebenen Stelle des Innenrevisors beschäftigt werden könnte. Hinsichtlich der Sozialauswahl hat der Kläger auf die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel abgestellt, sodass aus seiner Sicht auch die Beschäftigung als Vorstandsreferent vertragsgemäß sein könnte. Insofern lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, zu welcher Leistung die Beklagte verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ begehrt. Auch dieser Zusatz steht der Bestimmtheit entgegen, da unklar bleibt, was unter dieser Einschränkung zu verstehen ist (vgl. BAG v. 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 -, Rn. 46, juris).

23

2. Die Klage ist - soweit zulässig - auch begründet.

24

Der Kläger genießt als ehemaliger Datenschutzbeauftragter besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Da der Kläger die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht auf die Frage an, in welchem Umfang der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein aufgrund seiner Bestellung Kündigungsschutz hat.

25

Nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG kann ein Beauftragter für den Datenschutz, der nach § 4f Abs. 1 BDSG zu bestellen ist, nur dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit ist das Recht zur ordentlichen Kündigung vorübergehend ausgeschlossen (vgl. Greiner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, BDSG, § 4f Rn. 16). Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist (§ 4f Abs. 3 S. 6 BDSG). Damit hat der Gesetzgeber den Kündigungsschutz für den Beauftragten für Datenschutz u.a. an den der Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 1 S. 1, 2 KSchG angelehnt (BT-Drucks. 16/12011, S. 30). Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut des § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG nur für solche Datenschutzbeauftragte, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/12011, S. 30).

26

a. Unstreitig ist die Beklagte nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtet, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie eine Mitarbeiterin zur Datenschutzbeauftragten bestellt hat. Die verpflichtete Stelle kann auch einen Vertreter bestellen. Die Bestellung eines Stellvertreters wird im BDSG nicht ausgeschlossen. Auch wenn es im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gibt, besteht gleichwohl ein Bedürfnis, eine kontrollfreie Situation zu vermeiden, wenn der Beauftragte für den Datenschutz an einer Amtsausübung gehindert ist (Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; ebenso Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145; Gola/Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013, Rn. 1478; Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 3). Insofern ist die Bestellung eines Stellvertreters zur Sicherstellung geeignet, dass die Aufgaben nach dem BDSG durchgehend wahrgenommen werden, auch wenn der Beauftragte für den Datenschutz vorübergehend verhindert ist. Hierdurch entsteht kein Kompetenzkonflikt, da nicht zeitgleich zwei Beauftragte für den Datenschutz tätig werden (vgl. zur Problematik der Kompetenzabgrenzung bei mehreren Datenschutzbeauftragten Franck/Reif, ZD 2015, 405, 406). Der Stellvertreter rückt nur für die Dauer des Vertretungsfalls nach und ersetzt den eigentlichen Datenschutzbeauftragten vollumfänglich (Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407). Insofern handelt es sich für den Vertreter, der den Beauftragten auch bei einer kurzfristigen Verhinderung ersetzt, nicht um eine Verlagerung gesetzlich gewährleisteter Kompetenzen des Beauftragten (vgl. Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145). Damit ist die Bestellung eines Stellvertreters nicht vergleichbar mit der Problematik der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter.

27

Ob und in welchen Fällen eine Stellvertretung nach dem BDSG geboten ist, kann vorliegend offen bleiben. Auf die Pflicht zur Bestellung eines Stellvertreters kommt es nicht an. Wird jedenfalls ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt und nimmt dieser im Verhinderungsfall die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten iSd § 4f Abs. 1 BDSG wahr, bedeutet dies, dass ebenfalls die Schutzvorschriften nach § 4f Abs. 3 BDSG einschlägig sind (vgl. Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407; so wohl im Ergebnis auch Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 24). Ist die Stelle nach § 4f Abs. 1 BDSG zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz verpflichtet, ist die Rechtsstellung auch auf den Stellvertreter zu übertragen, soweit der Vertretungsfall eingetreten ist. Auch wenn der Stellvertreter freiwillig bestellt wurde und grundsätzlich kein Kündigungsschutz besteht, gilt dies für den Vertretungsfall nicht. Der Vertreter, der vollumfänglich die Aufgaben des Vertretenen wahrnimmt, ist kein Datenschutzbeauftragter „2. Klasse“. Vielmehr bedarf er im Vertretungsfall des Schutzes vor etwaigen Nachteilen aufgrund seiner Amtsführung.

28

Der Anwendung des Kündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 BDSG auf den stellvertretenden Beauftragten für den Datenschutz steht nicht entgegen, dass das SGB IX in § 96 Abs. 3 SGB IX einen besonderen Kündigungsschutz für das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung regelt, der Gesetzgeber bei der Einführung des BDSG hierauf jedoch verzichtet hat. Die Aufgaben des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung sind gesondert ausgestaltet. Insbesondere können die Vertrauensperson und der Stellvertreter nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX nach Absprache parallel tätig werden, mithin gleichzeitig ihre Aufgaben wahrnehmen. Insofern lässt sich aus dem Schweigen des BDSG zu einer Stellvertretung - die Gesetzesbegründung enthält hierzu keinen Hinweis - nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche ausschließen wollte. Im Übrigen enthält auch § 15 Abs. 1 KSchG keinen eigenen Kündigungsschutz zugunsten der Ersatzmitglieder des Betriebsrats. Gleichwohl genießen Ersatzmitglieder im Vertretungsfall den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder. Weder in § 15 Abs. 1 KSchG noch in § 4f Abs. 3 BDSG geht es um einen originären Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder bzw. Stellvertreter, sondern lediglich um den Schutz während und nach Eintritt des Vertretungsfalls. Aus diesem Grund bedarf es keiner analogen Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften, sodass auch die Voraussetzungen der Analogie - insbesondere das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke - nicht gegeben sein müssen.

29

Da der Kündigungsschutz des Beauftragten für Datenschutz an denjenigen des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG angelehnt ist, sind auch die Rechtsgrundsätze zu übertragen (vgl. BT-Drucks. 16/12011, S. 30; Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 73b; ErfK-Franzen, 16. Aufl. 2016, § 4f BDSG Rn. 9). Während der Dauer des Vertretungsfalls gilt der Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG (Deeg/Müller, ArbRAktuell 2010, 365, 366). Ein nachwirkender Kündigungsschutz greift hingegen nur dann ein, wenn auch tatsächlich die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wurden. Bei einem Ersatzmitglied des Betriebsrats reicht es nicht aus, dass ein Vertretungsfall eingetreten ist, um einen nachwirkenden Kündigungsschutz zu erlangen. Vielmehr muss das Ersatzmitglied auch konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen haben (BAG v. 19.04.2012 - 2 AZR 233/11 -, Rn. 41, juris; KR-Etzel/Kreft, 11. Aufl. 2016, § 15 KSchG Rn. 90). Entsprechendes gilt auch für den Beauftragten für Datenschutz. Auch für diesen ist im Gesetz nach Ende der Amtszeit eine „Abkühlungsphase“ vorgesehen, während derer sich eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsführung legen soll. Dies rechtfertigt es, eine solche „Abkühlungsphase“ nur dann anzunehmen, wenn eine Amtstätigkeit erfolgt ist, aufgrund derer überhaupt eine negative Reaktion des Arbeitgebers in Betracht kommen kann.

30

b. Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze konnte die Beklagte den Kläger nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01.10.2015 nur außerordentlich kündigen, jedoch nicht ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr Beauftragter für den Datenschutz, da sowohl seine befristete Bestellung abgelaufen als auch der Vertretungsfall mit der Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten abgelaufen war. Jedoch kann sich der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter auf den nachwirkenden Kündigungsschutz berufen.

31

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 01.08.2014 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bestellt, da die Datenschutzbeauftragte aus krankheitsbedingten Gründen absehbar für einen längeren Zeitraum verhindert war. Auf dieser Grundlage ist der Kläger tätig geworden. Der Kläger hat damit das Amt des Beauftragten für Datenschutz wahrgenommen, sodass es nicht maßgeblich ist, ob die Bestellung eines Stellvertreters freiwillig erfolgt ist. Aus diesem Grund war die Kündigungsmöglichkeit innerhalb eines Jahres gem. § 4f abs.3 S. 6 BDSG eingeschränkt. Da die Beklagte innerhalb eines Jahres nach Amtsbeendigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat und diese nicht auf einen wichtigen Grund zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist stützen kann, ist diese nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG i.V.m. § 134 BGB nichtig.

II.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. § 92 ZPO.

33

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 2 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes des Kündigungsschutzantrages war mit dem dreifachen Bruttomonatsgehalt zu bemessen, der Antrag auf Weiterbeschäftigung mit einem Bruttomonatsgehalt.

34

Einer gesonderten Zulassung der Berufung bedurfte es nicht. Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG bzw. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

(1) Die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern des Betriebsrats, der Jugend- und Auszubildendenvertretung, der Bordvertretung und des Seebetriebsrats, des Wahlvorstands sowie von Wahlbewerbern bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

(2) Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, so kann das Arbeitsgericht sie auf Antrag des Arbeitgebers ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. In dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht ist der betroffene Arbeitnehmer Beteiligter.

(2a) Absatz 2 gilt entsprechend, wenn im Betrieb kein Betriebsrat besteht.

(3) Die Versetzung der in Absatz 1 genannten Personen, die zu einem Verlust des Amtes oder der Wählbarkeit führen würde, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats; dies gilt nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist. Absatz 2 gilt entsprechend mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht die Zustimmung zu der Versetzung ersetzen kann, wenn diese auch unter Berücksichtigung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des betroffenen Arbeitnehmers aus dringenden betrieblichen Gründen notwendig ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Programms besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine Bewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte ua. die „Programmierung von Anwendersoftware“ und die „Beratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im B-Projekt PPC eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer Projektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des Projekts war er weiter für den Kunden B im Projekt „Produkt Qualitätsmanagement“ bis zu dessen Ende im Herbst 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „TA Applications Consulting und Development“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im Bereich Programmierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale P scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im Projekt „B-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im Programmierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines Betriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten, in der er ua. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Januar 2008 mahnte die Beklagte den Kläger mit der Begründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die Beklagte - in allen Belangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Februar 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Februar 2008 rügte die Beklagte die fehlende Bereitschaft des Klägers, seine Programmiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein IT-Sachverständiger nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Qualifikations- und Kenntnisstand im Bereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

10

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als Bewerber zur Betriebsratswahl hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des Personalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008.

11

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der Beklagten beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Januar 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die Beklagte einen Juristen neu ein.

12

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des Betriebs stattfindenden Sitzung des Betriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die Polizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die Beklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren Beweis als Ihr Schreiben, dass der m Betriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

13

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht unabhängig. Die Beklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den Betriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

14

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Beklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Januar 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der Personalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Januar 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der Personalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

15

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

16

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner Zeit die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das Programmieren nicht lernen. Die Beklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne Programmiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der Probezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

17

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. Bei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den Betriebsratssitzungen am 28. oder 29. Februar, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche Betriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

18

Die Abmahnungen vom 31. Januar, 5. Februar, 26. Februar und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

19

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Februar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Januar 2008, 5. Februar 2008, 26. Februar 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

20

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von Projekten sei nicht möglich. Sämtliche Projekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als Programmierer. Für eine Tätigkeit im Bereich Business fehle dem Kläger die notwendige Qualifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer Beförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die Position habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Januar 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Februar 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der Betriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. Bei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten Betriebsratswahl erheblich diskreditiert.

22

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 17. April 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet.

25

I. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist aus Gründen in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

26

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

27

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das Landesarbeitsgericht mangels Revision der Beklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

28

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB verneint.

29

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem Vertrag von den Parteien ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen.

30

bb) Der Beklagten war bei der Einstellung des Klägers bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

31

cc) Auf die Frage, ob die Beklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

32

2. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

33

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Gutachten des IT-Sachverständigen zum Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

34

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren Zeitraum nicht zu behebenden Mangels an Programmierkenntnissen des Klägers lag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B der Gründe, BAGE 61, 131; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die Beklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

35

c) Die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers nicht allein im Programmieren, sondern auch in der Beratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des Klägers rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die Beklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im Bereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese Beweiswürdigung nicht gewandt.

37

bb) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe für die Beklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen B und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

38

d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

39

II. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die ausführliche Unterrichtung des Betriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

40

III. Die Kündigung vom 17. April 2008 verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

41

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied(vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

42

2. Hiernach stand dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 KSchG nicht zu.

43

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger war bei Kündigungsausspruch am 17. April 2008 nicht in den Betriebsrat nachgerückt.

44

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den Betriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den Betriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der Betriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei Betriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten Betriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der Betriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

45

Etwas anderes käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den Fehler in der Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. BAG 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 6 der Gründe, BAGE 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

46

IV. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

47

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, EzA BEEG § 18 Nr. 1).

48

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. Bereits ab dem Jahr 2005, also längere Zeit vor der Initiierung der Betriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere Zeit nach der Betriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der IT-Sachverständige das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer Betriebsversammlung und Betriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

49

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

50

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

51

VII. Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

52

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

(1) Die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, einer Bordvertretung oder eines Seebetriebsrats ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit ist die Kündigung eines Mitglieds eines Betriebsrats, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder eines Seebetriebsrats innerhalb eines Jahres, die Kündigung eines Mitglieds einer Bordvertretung innerhalb von sechs Monaten, jeweils vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(2) Die Kündigung eines Mitglieds einer Personalvertretung, einer Jugend- und Auszubildendenvertretung oder einer Jugendvertretung ist unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Nach Beendigung der Amtszeit der in Satz 1 genannten Personen ist ihre Kündigung innerhalb eines Jahres, vom Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit an gerechnet, unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht, wenn die Beendigung der Mitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht.

(3) Die Kündigung eines Mitglieds eines Wahlvorstands ist vom Zeitpunkt seiner Bestellung an, die Kündigung eines Wahlbewerbers vom Zeitpunkt der Aufstellung des Wahlvorschlags an, jeweils bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und daß die nach § 103 des Betriebsverfassungsgesetzes oder nach dem Personalvertretungsrecht erforderliche Zustimmung vorliegt oder durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt ist. Innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist die Kündigung unzulässig, es sei denn, daß Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; dies gilt nicht für Mitglieder des Wahlvorstands, wenn dieser durch gerichtliche Entscheidung durch einen anderen Wahlvorstand ersetzt worden ist.

(3a) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Abs. 3, § 17a Nr. 3 Satz 2, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes einlädt oder die Bestellung eines Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 Satz 1, § 17 Abs. 4, § 17a Nr. 4, § 63 Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 oder § 116 Abs. 2 Nr. 7 Satz 5 des Betriebsverfassungsgesetzes beantragt, ist vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen; der Kündigungsschutz gilt für die ersten sechs in der Einladung oder die ersten drei in der Antragstellung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat, eine Jugend- und Auszubildendenvertretung, eine Bordvertretung oder ein Seebetriebsrat nicht gewählt, besteht der Kündigungsschutz nach Satz 1 vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung an drei Monate.

(3b) Die Kündigung eines Arbeitnehmers, der Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternimmt und eine öffentlich beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt abgegeben hat, dass er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten, ist unzulässig, soweit sie aus Gründen erfolgt, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Der Kündigungsschutz gilt von der Abgabe der Erklärung nach Satz 1 bis zum Zeitpunkt der Einladung zu einer Betriebs-, Wahl- oder Bordversammlung nach § 17 Absatz 3, § 17a Nummer 3 Satz 2, § 115 Absatz 2 Nummer 8 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes, längstens jedoch für drei Monate.

(4) Wird der Betrieb stillgelegt, so ist die Kündigung der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen frühestens zum Zeitpunkt der Stillegung zulässig, es sei denn, daß ihre Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

(5) Wird eine der in den Absätzen 1 bis 3a genannten Personen in einer Betriebsabteilung beschäftigt, die stillgelegt wird, so ist sie in eine andere Betriebsabteilung zu übernehmen. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, so findet auf ihre Kündigung die Vorschrift des Absatzes 4 über die Kündigung bei Stillegung des Betriebs sinngemäß Anwendung.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Programms besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine Bewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte ua. die „Programmierung von Anwendersoftware“ und die „Beratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im B-Projekt PPC eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer Projektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des Projekts war er weiter für den Kunden B im Projekt „Produkt Qualitätsmanagement“ bis zu dessen Ende im Herbst 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „TA Applications Consulting und Development“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im Bereich Programmierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale P scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im Projekt „B-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im Programmierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines Betriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten, in der er ua. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Januar 2008 mahnte die Beklagte den Kläger mit der Begründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die Beklagte - in allen Belangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Februar 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Februar 2008 rügte die Beklagte die fehlende Bereitschaft des Klägers, seine Programmiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein IT-Sachverständiger nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Qualifikations- und Kenntnisstand im Bereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

10

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als Bewerber zur Betriebsratswahl hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des Personalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008.

11

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der Beklagten beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Januar 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die Beklagte einen Juristen neu ein.

12

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des Betriebs stattfindenden Sitzung des Betriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die Polizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die Beklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren Beweis als Ihr Schreiben, dass der m Betriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

13

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht unabhängig. Die Beklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den Betriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

14

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Beklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Januar 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der Personalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Januar 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der Personalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

15

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

16

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner Zeit die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das Programmieren nicht lernen. Die Beklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne Programmiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der Probezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

17

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. Bei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den Betriebsratssitzungen am 28. oder 29. Februar, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche Betriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

18

Die Abmahnungen vom 31. Januar, 5. Februar, 26. Februar und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

19

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Februar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Januar 2008, 5. Februar 2008, 26. Februar 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

20

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von Projekten sei nicht möglich. Sämtliche Projekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als Programmierer. Für eine Tätigkeit im Bereich Business fehle dem Kläger die notwendige Qualifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer Beförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die Position habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Januar 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Februar 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der Betriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. Bei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten Betriebsratswahl erheblich diskreditiert.

22

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 17. April 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet.

25

I. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist aus Gründen in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

26

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

27

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das Landesarbeitsgericht mangels Revision der Beklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

28

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB verneint.

29

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem Vertrag von den Parteien ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen.

30

bb) Der Beklagten war bei der Einstellung des Klägers bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

31

cc) Auf die Frage, ob die Beklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

32

2. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

33

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Gutachten des IT-Sachverständigen zum Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

34

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren Zeitraum nicht zu behebenden Mangels an Programmierkenntnissen des Klägers lag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B der Gründe, BAGE 61, 131; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die Beklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

35

c) Die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers nicht allein im Programmieren, sondern auch in der Beratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des Klägers rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die Beklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im Bereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese Beweiswürdigung nicht gewandt.

37

bb) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe für die Beklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen B und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

38

d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

39

II. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die ausführliche Unterrichtung des Betriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

40

III. Die Kündigung vom 17. April 2008 verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

41

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied(vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

42

2. Hiernach stand dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 KSchG nicht zu.

43

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger war bei Kündigungsausspruch am 17. April 2008 nicht in den Betriebsrat nachgerückt.

44

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den Betriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den Betriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der Betriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei Betriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten Betriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der Betriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

45

Etwas anderes käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den Fehler in der Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. BAG 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 6 der Gründe, BAGE 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

46

IV. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

47

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, EzA BEEG § 18 Nr. 1).

48

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. Bereits ab dem Jahr 2005, also längere Zeit vor der Initiierung der Betriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere Zeit nach der Betriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der IT-Sachverständige das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer Betriebsversammlung und Betriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

49

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

50

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

51

VII. Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

52

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. April 2010 - 16 Sa 59/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt in W die Verwaltung, den Neubau, die Sanierung und den Verkauf von Immobilien. Sie beschäftigt etwa 100 Arbeitnehmer. Der 1958 geborene Kläger war bei ihr seit dem 1. Juli 1997 als sog. Kleininstandhalter und Außendiensttechniker tätig.

3

Bei der Beklagten ist ein fünfköpfiger Betriebsrat gewählt. Der Kläger war zuletzt erstes Ersatzmitglied. Am 10. März 2009 wurde er zu einer Betriebsratssitzung herangezogen.

4

Zu den Arbeitsaufgaben des Klägers gehörte es, Immobilien im Stadtgebiet aufzusuchen, um dort ggf. Abnahmen durchzuführen, Gespräche mit Handwerkern zu führen und sonstige Arbeiten zu erledigen. Die erforderlichen Fahrten führte er mit seinem privaten Pkw durch. Zum Nachweis hatte er ein Fahrtenbuch zu führen. Die Beklagte erstattete ihm für jeden dienstlich gefahrenen Kilometer 0,30 Euro.

5

Die betriebliche Arbeitszeitregelung sieht eine Kernarbeitszeit von 9:00 Uhr bis 15:00 Uhr vor. Ab 6:00 Uhr können Arbeitszeiten erfasst werden.

6

Am 3. Februar 2009 beauftragte die Beklagte wegen - aus ihrer Sicht - auffallend hoher Kilometerabrechnungen eine Detektei mit der Beobachtung der Außendiensttätigkeit des Klägers. Die Detektei nahm an vier Tagen Ende Februar 2009 und in der Zeit vom 15. bis 20. März 2009 Observationen vor. Hierfür stellte sie der Beklagten einen Betrag von rund 26.000,00 Euro in Rechnung. Das Fahrtenbuch für März 2009 legte der Kläger am 3. April 2009 vor. Am 6. April 2009 glich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die dortigen Eintragungen mit den Feststellungen der Detektei ab. Daraus ging hervor, dass der Kläger für zwei Tage im Februar und drei Tage im März 2009 Fahrtziele eingetragen hatte, die er nicht angefahren hatte. Außerdem ergab sich, dass er an manchen Tagen während der Arbeitszeit private Angelegenheiten verrichtet hatte, im Einzelfall bis zu 20 Minuten.

7

Am 7. April 2009 wurde die Beklagte in Person ihres Geschäftsführers über das Ergebnis der Beobachtung und des Abgleichs unterrichtet. Mit Schreiben vom selben Tag hörte sie den Betriebsrat zu einer beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers an. Am 14. April 2009 beschloss der Betriebsrat durch seine ordentlichen Mitglieder, „die Zustimmung“ zur Kündigung zu verweigern. Er war - anders als die Beklagte - der Auffassung, dem Kläger stehe aufgrund früheren Nachrückens in das Gremium der Sonderkündigungsschutz nach § 103 BetrVG zu.

8

Ebenfalls am 7. April 2009 hörte die Beklagte den Kläger zum Ergebnis ihrer Ermittlungen an. Zugleich stellte sie ihn von der Arbeitsleistung frei und erteilte ihm Hausverbot. Mit Schreiben vom 14. April 2009 räumte der Kläger ein, an zwei Tagen kurzzeitig während der Arbeitszeit private Dinge erledigt zu haben. Einen vorsätzlichen Spesenbetrug bestritt er.

9

Am 14. April 2009 bewilligte die Beklagte einem ordentlichen Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub für den 15. und den 20. April 2009.

10

Mit Schreiben vom 15. April 2009, das dem Kläger um 10:00 Uhr desselben Tags durch Boten zugestellt wurde, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien unter dem Gesichtspunkt einer Tatkündigung außerordentlich fristlos. Um 16:00 Uhr des Tags nahm das beurlaubte Betriebsratsmitglied - nach telefonischer Abstimmung mit der Betriebsratsvorsitzenden - trotz Urlaubs an einem Beratungsgespräch in einer Rechtsanwaltskanzlei teil. Das Gespräch diente der Abstimmung des weiteren Vorgehens im Fall des Klägers.

11

Mit Schreiben vom 21. und 22. April 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut jeweils fristlos, diesmal unter dem Gesichtspunkt des Verdachts. Daneben beantragte sie vorsorglich beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer noch auszusprechenden fristlosen Kündigung. Hierüber werden getrennte Verfahren geführt, die derzeit ausgesetzt sind.

12

Der Kläger hat gegen die Kündigung vom 15. April 2009 rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, er habe seine Arbeitspflichten jedenfalls nicht schwerwiegend verletzt. Im Übrigen sei die Kündigung schon deshalb unwirksam, weil sie ohne die nach § 103 Abs. 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erfolgt sei. Ihm habe bei Zugang der Kündigung Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zugestanden. Er sei am Morgen des 15. April 2009 für das urlaubsbedingt verhinderte ordentliche Mitglied in den Betriebsrat nachgerückt. Der Annahme eines Verhinderungsfalls stehe nicht entgegen, dass dieses Mitglied am Nachmittag des Tages einen auswärtigen Beratungstermin wahrgenommen habe. Für eine Verhinderung des ordentlichen Mitglieds jedenfalls bis zum Beginn des Beratungstermins spreche auch die - unstreitige - Hinzuziehung eines anderen Ersatzmitglieds zu einer um die Mittagszeit des 15. April 2009 durchgeführten Betriebsratssitzung, an der teilzunehmen er selbst wegen eigener Betroffenheit verhindert gewesen sei.

13

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 15. April 2009 nicht aufgelöst worden ist.

14

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, widerklagend,

        

den Kläger zu verurteilen, an sie 26.032,38 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Mai 2009 zu zahlen.

15

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein wichtiger Grund iSv. § 626 BGB liege vor. Der Kläger habe einen vorsätzlichen Arbeitszeit- und Spesenbetrug begangen. Damit sei die Kündigung auch unter Berücksichtigung eines ihm aufgrund der Betriebsratstätigkeit vom 10. März 2009 zustehenden nachwirkenden Kündigungsschutzes gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG wirksam. Besonderen Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG könne der Kläger dagegen nicht beanspruchen. Im Kündigungszeitpunkt habe mangels Verhinderung des ordentlichen Betriebsratsmitglieds kein Fall der Stellvertretung vorgelegen. Das ordentliche Betriebsratsmitglied habe sich während seines Urlaubs am Ort des Betriebssitzes aufgehalten. Das indiziere die Bereitschaft, Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen. Zudem habe das Mitglied der Betriebsratsvorsitzenden am Vortag zugesagt, trotz seines Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Unabhängig davon habe ein Kündigungsschutz für den Kläger frühestens mit Beginn der Kernarbeitszeit eingesetzt; das Kündigungsschreiben habe aber bereits um 8:30 Uhr ihren Machtbereich verlassen. Der Kläger habe überdies Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen. Auch sei er durch die Freistellung und das Hausverbot selbst an der Ausübung des Betriebsratsamts verhindert gewesen. Im Übrigen sei es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen. Er habe sich diesen im kollusiven Zusammenwirken mit dem ordentlichen Betriebsratsmitglied verschafft. Was die mit der Widerklage geltend gemachten Detektivkosten angehe, so sei die Beauftragung einer Detektei zur Aufklärung des Verdachts auf erhebliche Pflichtverletzungen seitens des Klägers erforderlich gewesen.

16

Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.

17

Das Arbeitsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme durch Teilurteil stattgegeben. Über die Widerklage hat es nicht entschieden. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 15. April 2009 nicht aufgelöst worden. Die Kündigung ist, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 Abs. 1 BetrVG unwirksam, da sie ohne die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats erklärt worden ist.

19

I. Das Zustimmungserfordernis ergibt sich nicht schon aus der Betriebsratstätigkeit des Klägers vom 10. März 2009. Der Verhinderungsfall, der dieser Tätigkeit zugrunde lag, bestand im Kündigungszeitpunkt unstreitig nicht mehr. Der Kläger konnte sich wegen seiner früheren Betriebsratstätigkeit demzufolge nur auf den nachwirkenden Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen, ohne dass es zudem einer Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte(vgl. BAG 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 22 mwN, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5; 12. Februar 2004 - 2 AZR 163/03 - Rn. 14 mwN, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56).

20

II. Die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung war deshalb notwendig, weil der Kläger am 15. April 2009 mit Beginn dieses Arbeitstags für das urlaubsbedingt verhinderte Betriebsratsmitglied erneut in den Betriebsrat nachgerückt war. Ihm stand damit im Kündigungszeitpunkt der besondere Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG zu.

21

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen, und dass die nach § 103 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt ist.

22

2. Dieser besondere Kündigungsschutz gilt auch für Ersatzmitglieder, soweit und solange sie ein verhindertes ordentliches Ersatzmitglied im Betriebsrat vertreten.

23

a) Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, sofern ein ordentliches Mitglied aus diesem ausscheidet. Das gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechend für die Dauer der Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten ordentlichen Mitglieds.

24

b) Eine zeitweilige Verhinderung in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben (BAG 23. August 1984 - 2 AZR 391/83 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 46, 258). Diese Voraussetzung ist während des Erholungsurlaubs eines Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt, wenn es nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt hat, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen.

25

aa) Die Frage, ob die Gewährung von Erholungsurlaub stets zu einer Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG führt, wird unterschiedlich beantwortet.

26

(1) Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit der Problematik vornehmlich aus der Sicht des beurlaubten Betriebsratsmitglieds befasst. Zur urlaubsrechtlichen Behandlung freigestellter Betriebsratsmitglieder hat es ausgeführt, die Gewährung von Erholungsurlaub bewirke, dass das Betriebsratsmitglied von seiner betriebsverfassungsrechtlichen Amtstätigkeit suspendiert werde. Daraus folge, dass Urlaub ein Verhinderungsgrund für die Teilnahme an Betriebsratssitzungen iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sei(BAG 20. August 2002 - 9 AZR 261/01 - zu I 1 der Gründe, BAGE 102, 251). In einer älteren Entscheidung (BAG 24. Juni 1969 - 1 ABR 6/69 - zu D der Gründe, AP BetrVG § 39 Nr. 8 = EzA BetrVG § 39 Nr. 3)ging es um die Frage, ob einem ordentlichen Betriebsratsmitglied Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten für die Anreise zu einer Betriebsratssitzung zustand, an der es während seines Urlaubs teilgenommen hatte. In diesem Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, das Betriebsratsmitglied sei zwar wegen seiner urlaubsbedingten Verhinderung nicht verpflichtet gewesen, an der Betriebsratssitzung teilzunehmen, sei dazu aber berechtigt gewesen.

27

(2) Im Schrifttum wird teilweise die Auffassung vertreten, die Gewährung von Erholungsurlaub begründe nicht in jedem Fall eine Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(DKK/Buschmann BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 17; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 25 Rn. 21; Stege/Weinspach/Schiefer BetrVG 9. Aufl. § 25 Rn. 4; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 179; Uhmann NZA 2000, 576, 579). Insbesondere dann, wenn sich das Betriebsratsmitglied während des Urlaubs in der Nähe des Betriebssitzes aufhalte, müsse im Rahmen einer Einzelfallbewertung geklärt werden, ob die mit der Urlaubsgewährung verbundene Freistellung von der Arbeitspflicht eine zeitweilige Verhinderung bewirke. Von einer tatsächlichen Verhinderung sei auszugehen, wenn die Amtsausübung dem Betriebsratsmitglied persönlich unzumutbar sei (AnwK/Kloppenburg 2. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 8; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 25 Rn. 21; ähnlich wohl Eylert in: Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 15 Rn. 27).

28

(3) Ein anderer Teil der Lehre (GK-BetrVG/Oetker 9. Aufl. § 25 Rn. 17) und mit ihm einige Instanzgerichte (LAG Rheinland-Pfalz 9. April 2001 - 7 Sa 54/01 -; ArbG Emden 13. Dezember 1978 - 1 Ca 420/78 - ARST 1979, 132; für das Personalvertretungsrecht: VG Münster 28. August 1986 - 2 PVB 3/86 - ZBR 87, 55) gehen davon aus, Erholungsurlaub begründe stets eine objektive rechtliche Verhinderung an der Wahrnehmung der Betriebsratstätigkeit. Dem ist das Landesarbeitsgericht im angefochtenen Berufungsurteil mit der Einschränkung gefolgt, eine Verhinderung bestehe jedenfalls so lange, bis das beurlaubte Betriebsratsmitglied seine Bereitschaft zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben positiv anzeige.

29

bb) Der Senat schließt sich im Ergebnis den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts an. Wird einem Betriebsratsmitglied Erholungsurlaub bewilligt, führt dies nicht nur zum Ruhen seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung, sondern zugleich zur Suspendierung seiner Amtspflichten. Dem Betriebsratsmitglied wird zwar aufgrund des Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner Amtspflichten nicht ohne Weiteres objektiv unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar. Das beurlaubte Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt.

30

(1) Zwar handelt es sich bei der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben um die Wahrnehmung eines Ehrenamts (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und nicht um eine dem Urlaubszweck entgegenstehende Erwerbstätigkeit iSv. § 8 BUrlG. Es widerspräche aber dem auf Erholung ausgerichteten Sinn der Befreiung von der Arbeitspflicht, nicht zugleich von der Betriebsratstätigkeit befreit zu sein. Die Wahrnehmung des Betriebsratsamts während des Urlaubs ist dem Betriebsratsmitglied deshalb, auch wenn sie objektiv möglich sein sollte, typischerweise unzumutbar. Die Rechtslage ist der bei der Elternzeit, für die das Bundesarbeitsgericht angenommen hat, sie führe nicht zwingend zu einer Verhinderung iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG(vgl. BAG 25. Mai 2005 - 7 ABR 45/04 - Rn. 17, AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 13 = EzA BetrVG 2001 § 40 Nr. 9), schon deshalb nicht vergleichbar, weil der Arbeitnehmer während der Elternzeit sogar die Möglichkeit hat, einer gewerblichen Tätigkeit - in Teilzeit - nachzugehen.

31

Auch bei der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit kann es Fälle geben, in denen die Erkrankung den Arbeitnehmer zwar außerstande setzt, seine Arbeitspflichten zu erfüllen, nicht aber sein Betriebsratsamt wahrzunehmen (BAG 15. November 1984 - 2 AZR 341/83 - zu B IV 1 der Gründe, BAGE 47, 201).

32

(2) Zudem sprechen Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit dafür, dass mit der Urlaubsgewährung regelmäßig eine Suspendierung der Pflicht zur Wahrnehmung des Betriebsratsamts einhergeht. Hinge die Beurteilung, ob einem Betriebsratsmitglied während des Urlaubs eine Betriebsratstätigkeit persönlich zumutbar ist oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren. Dies wiederum würde zum einen die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Zum anderen wären Betriebsratsbeschlüsse, die in Abwesenheit eines beurlaubten Betriebsratsmitglieds gefasst werden, mit einem nicht unerheblichen Risiko der Unwirksamkeit behaftet. Eine Einzelfallbetrachtung liefe zudem darauf hinaus, Umstände zu erforschen, die der privaten Urlaubsgestaltung und damit dem engsten persönlichen Lebensbereich des Betriebsratsmitglieds zuzuordnen sind (vgl. HaKo-BetrVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 15; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 10). Es bedarf deshalb einfacher, klarer Kriterien für die Feststellung einer zeitweiligen Verhinderung. Diesem Verlangen der Rechtssicherheit ist am ehesten Genüge getan, wenn die Urlaubsgewährung grundsätzlich zur Verhinderung des Betriebsratsmitglieds führt, es sei denn, dieses hätte seine Bereitschaft zur Betriebsratstätigkeit positiv, ggf. konkludent angezeigt. Solange eine solche - positive - Anzeige nicht vorliegt, ist das beurlaubte Betriebsratsmitglied iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als verhindert anzusehen(im Ergebnis ebenso HaKo-BetrVG/Düwell 3. Aufl. § 25 Rn. 9).

33

c) Das Ersatzmitglied erwirbt den Sonderkündigungsschutzschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für die Dauer der Verhinderung des Betriebsratsmitglieds. Der Schutz hängt nicht davon ab, dass das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit tatsächlich Betriebsratsaufgaben erledigt. Er setzt im Urlaubsfall regelmäßig mit dem üblichen Arbeitsbeginn am ersten Urlaubstag des verhinderten Betriebsratsmitglieds ein.

34

aa) Ersatzmitglieder vertreten ordentliche Mitglieder des Betriebsrats nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften, wie etwa in der Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Sie rücken vielmehr gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG für die Dauer der Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds in den Betriebsrat nach(vgl. BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BAGE 53, 23; 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 2 a der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Der Eintritt des Ersatzmitglieds vollzieht sich automatisch mit Beginn des Verhinderungsfalls. Er hängt nicht davon ab, dass die Verhinderung des ordentlichen Mitglieds dem Ersatzmitglied bekannt ist (BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - aaO).

35

(1) Die zeitweilige Verhinderung des ordentlichen Mitglieds erfasst die Wahrnehmung des Betriebsratsamts als solches. Der während dieser Zeit gewährleistete - volle - Sonderkündigungsschutz des Ersatzmitglieds ist dementsprechend nicht auf Zeiten beschränkt, in denen es konkrete Betriebsratstätigkeit entfaltet. Der besondere Schutz steht ihm selbst dann zu, wenn während der Vertretungszeit keine Betriebsratstätigkeit anfällt (BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BAGE 53, 23; 17. Januar 1979 - 5 AZR 891/77 - zu 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 5 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 21). Es genügt die Möglichkeit, dass dem Ersatzmitglied Betriebsratsaufgaben zufallen könnten (so auch ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 8; Fitting BetrVG 25. Aufl. § 25 Rn. 9; HaKo-KSchR/Fiebig 3. Aufl. § 15 Rn. 38; KR/Etzel 9. Aufl. § 103 BetrVG Rn. 48; MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 15 KSchG Rn. 32; WPK/Wlotzke BetrVG 4. Aufl. § 25 Rn. 23; Uhmann NZA 2000, 576, 578).

36

(2) Die gegenteilige Auffassung, die den besonderen Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder auch während einer Vertretung davon abhängig macht, dass das Ersatzmitglied in irgendeiner Form Betriebsratsaufgaben wahrgenommen hat (so Bader/Bram/Dörner § 15 KSchG Rn. 20; Eylert in Schwarze/Eylert/ Schrader KSchG § 15 Rn. 28; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 15 Rn. 31; vermittelnd Schulin Anm. EzA KSchG § 15 nF Nr. 36: kein Kündigungsschutz bei Vertretungszeiten ohne Amtstätigkeit bis zu drei Tagen), wird dem Zweck der Vertretungsregelung und dem durch sie vermittelten besonderen Kündigungsschutz nicht hinreichend gerecht.

37

(a) Das Nachrücken des Ersatzmitglieds während der zeitweiligen Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds soll im Interesse einer möglichst wirksamen Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse eine stets vollzählige und dem Wählerwillen entsprechende Besetzung des Betriebsrats sicherstellen. Es soll nicht nur die Möglichkeit einer wirksamen Beschlussfassung nach § 33 Abs. 2 BetrVG gewährleisten. Vielmehr sollen selbst kurze Unterbesetzungen vermieden werden (BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23; ErfK/Koch 11. Aufl. § 25 BetrVG Rn. 4).

38

(b) Die außerordentliche Kündigung eines Ersatzmitglieds während eines andauernden Vertretungsfalls berührt damit kollektive Interessen des Betriebsrats und der Belegschaft. Ihnen trägt das Zustimmungserfordernis in § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG iVm. § 103 Abs. 1 BetrVG Rechnung. Sie verlangen nach einem nahtlosen Eintritt des Sonderkündigungsschutzes für das zeitweise nachgerückte Ersatzmitglied. Setzte der volle Sonderkündigungsschutz erst bei Verrichtung konkreter Betriebsratstätigkeit ein, bestünde die Gefahr, dass die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn außer dem nachgerückten kein weiteres Ersatzmitglied zur Verfügung steht (ähnlich BAG 9. November 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 13).

39

(c) Der Gefahr eines Rechtsmissbrauchs auf Seiten des Ersatzmitglieds kann mit Hilfe von § 242 BGB sachgerecht begegnet werden. Danach kann die Berufung auf den besonderen Kündigungsschutz im Einzelfall ausgeschlossen sein. Davon ist etwa auszugehen, wenn ein Verhinderungsfall kollusiv zu dem Zweck herbeigeführt wurde, dem Ersatzmitglied den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen (vgl. BAG 12. Februar 2004 - 2 AZR 163/03 - zu B I 2 der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56).

40

bb) Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 12. Februar 2004 (- 2 AZR 163/03 - AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 1 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 56) ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die Entscheidung betrifft den nachwirkenden Kündigungsschutz eines Ersatzmitglieds, dh. den Bestandsschutz nach Beendigung des konkreten Verhinderungsfalls. Die Auffassung des Senats, der Kündigungsschutz aus § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG stehe dem Ersatzmitglied nur zu, wenn es während der Zeit der Stellvertretung tatsächlich Betriebsratstätigkeit entfaltet hat, beruht auf dem anderen Schutzzweck dieser Regelung. Ihr Zweck besteht darin, eine „Abkühlungsphase“ in der Beziehung von ehemaligem Betriebsratsmitglied und Arbeitgeber zu gewährleisten und erst danach die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung wieder zu eröffnen. Hat das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es in den Betriebsrat nachgerückt war, keine konkreten Betriebsratsaufgaben wahrgenommen, fehlt es an einer Situation, in der Konflikte mit dem Arbeitgeber hätten entstehen können; einer durch den nachwirkenden Kündigungsschutz herbeizuführenden „Abkühlung“ bedarf es dann nicht (vgl. auch BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23; ErfK/Kiel 11. Aufl. § 15 Rn. 13; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 25 Rn. 31).

41

d) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im Streitfall die Voraussetzungen des besonderen Kündigungsschutzes aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für den Kläger vor. Dieser war bei Zugang der Kündigung Mitglied des Betriebsrats iSv. § 15 Abs. 1 KSchG, § 103 Abs. 1 BetrVG, § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG.

42

aa) Der Kläger war für den 15. April 2009 nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in den Betriebsrat nachgerückt. Die Beklagte hatte einem ordentlichen Betriebsratsmitglied am 14. April 2009 für den 15. und den 20. April 2009 Erholungsurlaub bewilligt. Damit war das ordentliche Mitglied an der Wahrnehmung seines Betriebsratsamts am 15. April 2009 verhindert. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, das Mitglied habe der Betriebsratsvorsitzenden am 14. April 2009 nicht etwa eine Zusage gegeben, am nächsten Tag für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Es habe auch nicht erklärt, sich für telefonische Rückfragen in Betriebsratsangelegenheiten bereit zu halten. Mit dem Ziel der Abstimmung eines Anwaltstermins habe sodann der Betriebsrat am 15. April 2009 frühestens um 10:55 Uhr Kontakt mit dem beurlaubten Mitglied aufgenommen. An diese Feststellungen, die von der Revision nicht angegriffen werden, ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO).

43

bb) Der Sonderkündigungsschutz des Klägers begann am Morgen des 15. April 2009 spätestens um 6:00 Uhr. Dies ist der Zeitpunkt, zu dem das verhinderte Betriebsratsmitglied nach den im Betrieb geltenden Arbeitszeitregelungen seine Arbeit aufnehmen konnte (für die Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts vgl. BAG 5. September 1986 - 7 AZR 175/85 - zu I der Gründe, BAGE 53, 23; 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 e der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Bei Zugang der Kündigung gegen 10:00 Uhr hat demnach der Sonderkündigungsschutz für den Kläger schon bestanden. Selbst wenn man mit der Beklagten den Beginn der Kernarbeitszeit um 9:00 Uhr für maßgebend hielte, führte dies zu keinem anderen Ergebnis. Für die Beurteilung, ob dem Ersatzmitglied besonderer Kündigungsschutz zusteht, kommt es auf die Verhältnisse bei Zugang und nicht bei Abgabe der Kündigungserklärung an (statt vieler: Eylert in Schwarze/Eylert/Schrader KSchG § 15 Rn. 34).

44

cc) Dem Kündigungsschutz steht nicht entgegen, dass sich das beurlaubte Betriebsratsmitglied noch am 15. April 2009 bereit erklärt hat, einen Termin bei dem den Betriebsrat beratenden Rechtsanwalt wahrzunehmen. Es ist schon fraglich, ob damit seine Verhinderung entfiel. Selbst wenn dies anzunehmen sein sollte, wäre damit für den Kläger nicht der nachträgliche Wegfall des zuvor erworbenen Kündigungsschutzes verbunden gewesen. Der besondere Schutz aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG steht dem Ersatzmitglied unabhängig von der Dauer des Verhinderungsfalls und damit auch bei nur kurzzeitiger Verhinderung zu. Dass sich die Kündigungsbeschränkung in solchen Fällen, zumal wenn es nicht zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben durch das Ersatzmitglied gekommen ist, selten auswirken mag, steht dem nicht entgegen (BAG 9. November 1977 - 5 AZR 175/76 - zu 1 d der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 3 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 13; Brill BlStSozArbR 1983, 177, 178; Uhmann NZA 2000, 576, 578). Ob freilich überhaupt eine Verhinderung vorliegt, wenn der Ausfall eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds von vornherein allenfalls für wenige Stunden zu erwarten steht - etwa wegen eines kurzzeitigen Arztbesuchs - und der Betriebsrat sich darauf einstellen kann, braucht nicht entschieden zu werden. Im Fall des - und sei es wie hier nur eintägigen - Erholungsurlaubs ist eine Verhinderung gegeben, soweit sich das ordentliche Betriebsratsmitglied nicht von vornherein zur Erledigung von Betriebsratstätigkeit bereit erklärt hat.

45

e) Der Sonderkündigungsschutz scheitert nicht daran, dass der Kläger wegen seiner Freistellung und der Erteilung eines Hausverbots im maßgebenden Zeitpunkt selbst iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an einer Mitwirkung im Betriebsrat gehindert gewesen wäre.

46

aa) Bei der Freistellung des Klägers handelte es sich um eine einseitige Maßnahme der Beklagten, die die betriebsverfassungsrechtliche Position des Klägers unberührt ließ. Anders als beim Erholungsurlaub, der auf einen Freistellungswunsch des Arbeitnehmers zurückgeht, ist bei einseitiger Suspendierung der Arbeitspflicht durch den Arbeitgeber nicht zugleich von persönlicher Unzumutbarkeit der Wahrnehmung des Betriebsratsamts auszugehen. Der Umstand, dass im Streitfall der Kläger gegen die Freistellung keine rechtlichen Schritte unternommen hat, ändert hieran nichts.

47

bb) Ein vom Arbeitgeber ausgesprochenes Hausverbot lässt die Befugnis des Arbeitnehmers, das Betriebsratsbüro zum Zwecke der Betriebsratstätigkeit aufzusuchen, im Regelfall unberührt. Da der Arbeitgeber Personen, die eine Funktion in der Betriebsverfassung wahrnehmen, zu denen auch Ersatzmitglieder zählen, nach § 78 Satz 1 BetrVG bei ihrer Amtsausübung nicht behindern darf(vgl. Fitting BetrVG 25. Aufl. § 78 Rn. 2; Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 78 Rn. 7), wäre das Verbot andernfalls grundsätzlich unwirksam. Im Einzelfall sind zwar Ausnahmen denkbar. Hier hat die Beklagte jedoch kein besonderes schutzwürdiges Interesse daran dargetan, dem Kläger den Zutritt zum Betrieb selbst zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben verweigern zu können.

48

cc) Der Sonderkündigungsschutz wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass am 15. April 2009 im Betriebsrat Beschlüsse gefasst oder Gespräche in Bezug auf einen Gegenstand geführt wurden, von dem der Kläger möglicherweise selbst betroffen war. Dies erfolgte in jedem Fall nach Zugang der Kündigung. Zwar steht einem Ersatzmitglied bei einer eigenen zeitweiligen Verhinderung der besondere Kündigungsschutz nur zu, wenn die Dauer dieser Verhinderung im Vergleich zur Gesamtdauer der Vertretungszeit verhältnismäßig gering ist (BAG 6. September 1979 - 2 AZR 548/77 - zu II 2 b bb der Gründe, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 7 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 23). Dies gilt aber nicht für die Verhinderung eines Ersatzmitglieds, die auf eigener Betroffenheit beruht. In diesem Fall verbleibt stets die Möglichkeit, dass weitere Betriebsratsaufgaben anfallen, an deren Erledigung das Ersatzmitglied nicht gehindert wäre.

49

III. Die Beklagte hat die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung des Klägers nicht eingeholt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Kündigung. Dem Kläger ist es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten für einen Rechtsmissbrauch, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

50

1. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Einschränkungen sich daraus für die Ausübung einer erworbenen Rechtsposition ergeben, hängt von einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände ab. Diese Bewertung vorzunehmen ist zunächst Sache des Tatrichters und in der Revisionsinstanz nur auf mögliche Rechtsfehler hin zu überprüfen (BGH 8. Mai 2003 - VII ZR 216/02 - zu III 2 der Gründe, NJW 2003, 2448).

51

2. Solche Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht hat geprüft, ob das ordentliche Betriebsratsmitglied den Urlaub für den 15. und 20. April 2009 zu dem Zweck beantragt haben könnte, dem Kläger den besonderen Kündigungsschutz zu verschaffen. Es hat dies auf der Grundlage des Ergebnisses der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme verneint. Dabei hat es durchaus die Kurzfristigkeit des erst am 14. April 2009 förmlich gestellten Urlaubsantrags in den Blick genommen. Es hat dieser deshalb kein entscheidendes Gewicht beigemessen, weil das ordentliche Mitglied seinen Urlaubswunsch für die beiden Tage, an deren Vorabenden Fußballländerspiele übertragen wurden, schon längere Zeit zuvor mündlich angebracht habe. Die Revision macht nicht geltend, das Landesarbeitsgericht habe sonstige Gesichtspunkte, die für eine kollusive Herbeiführung des Kündigungsschutzes sprechen könnten, übersehen.

52

IV. Die Revision ist nicht deshalb begründet, weil das Arbeitsgericht über die Wirksamkeit der Kündigung nicht durch Teilurteil nach § 301 Abs. 1 ZPO hätte entscheiden dürfen.

53

1. Soweit die Vorinstanzen aus tatsächlichen Erwägungen von einer mangelnden Entscheidungsreife des Streits über die Widerklageforderung ausgegangen sind, ist dies revisionsrechtlich nicht zu überprüfen.

54

2. § 301 Abs. 1 ZPO setzt neben der Teilbarkeit des Streitgegenstands voraus, dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist; das Schlussurteil darf dem Teilurteil in keinem Fall widersprechen können (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - zu I der Gründe mwN, BAGE 114, 194). Widersprüchlichkeit bestünde nicht erst im Fall eines Rechtskraftkonflikts, sondern schon bei unterschiedlicher Beurteilung von Urteilselementen, auch wenn diese weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden(vgl. BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - aaO; BGH 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10 - Rn. 13, NJW 2011, 2736; 19. November 2008 - VIII ZR 47/07 - Rn. 15, NJW-RR 2009, 494; 5. Dezember 2000 - VI ZR 275/99 - zu II der Gründe, NJW 2001, 760; 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91 - zu I 2 der Gründe mwN, NJW-RR 1992, 1053; Musielak ZPO 8. Aufl. § 301 Rn. 11). Ein Teilurteil kommt schon dann nicht in Betracht, wenn es eine Vorfrage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren noch einmal stellt. Das gilt grundsätzlich auch im Verhältnis von Klage und Widerklage (vgl. BGH 26. September 1996 - X ZR 48/95 - NJW 1997, 453; 12. Januar 1994 - XII ZR 167/92 - zu 4 der Gründe, NJW-RR 1994, 379).

55

3. Nach der Begründung, auf die das Arbeitsgericht seine Entscheidung im Teilurteil gestützt und der sich das Landesarbeitsgericht im Ergebnis angeschlossen hat, ist die Gefahr einer Widersprüchlichkeit nicht zu erkennen. Beide Vorinstanzen haben die Kündigung vom 15. April 2009 bereits aus den formellen Gründen des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG für unwirksam erachtet. Aus ihrer Sicht kam es auf das Vorbringen der Beklagten zur materiell-rechtlichen Rechtfertigung der Kündigung, das teilweise zugleich ihre Widerklageforderung stützt, nicht an (zur möglichen Widersprüchlichkeit in einem solchen Fall vgl. Reichold in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. § 301 Rn. 3). Zwar kann sich die Gefahr einer Widersprüchlichkeit auch aus der bloßen Möglichkeit abweichender Beurteilung im Rechtsmittelverfahren ergeben (BAG 23. März 2005 - 4 AZR 243/04 - zu I der Gründe, BAGE 114, 194; BGH 4. November 2002 - II ZR 287/01 - BGHReport 2003, 284; aA wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 69. Aufl. § 301 Rn. 6). Ob im Streitfall von einer solchen Gefahr auszugehen war, kann offenbleiben. Wie aufgezeigt, sind die Ausführungen der Vorinstanzen zur Unwirksamkeit der Kündigung vom 15. April 2009 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das schließt die Gefahr einer abweichenden Beurteilung für die Zukunft aus. Ein etwaiger Mangel des Teilurteils wäre damit jedenfalls geheilt.

56

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Niebler    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. August 2010 - 2 Sa 634/09 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses sowie über die Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte des Klägers.

2

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland. Der Kläger ist Jurist. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Programms besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei dieser zu bewerben. Auf seine Bewerbung hin wurde der Kläger zum 1. Dezember 2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Zu seinen vertraglichen Aufgaben gehörte ua. die „Programmierung von Anwendersoftware“ und die „Beratung in Organisations- und Systemfragen“.

3

Der Kläger wurde zunächst im B-Projekt PPC eingesetzt und mit der Konzepterstellung, einer Projektassistenz sowie dem Erstellen eines Handbuchs beauftragt. Nach Abschluss des Projekts war er weiter für den Kunden B im Projekt „Produkt Qualitätsmanagement“ bis zu dessen Ende im Herbst 2004 tätig. Zwischenzeitlich wurde die Abteilung „TA Applications Consulting und Development“, in der der Kläger beschäftigt war, aufgelöst. Deshalb sollte er ab Mai 2005 im Bereich Programmierung eingesetzt werden. Zu diesem Zweck wurde ihm zunächst ein Skript zum Selbststudium überlassen. Eine beabsichtigte zweimonatige Schulung in der Filiale P scheiterte. Danach sollte der Kläger sich in ein bestimmtes Securitysystem einarbeiten. Hierzu nahm er an mindestens zwei Schulungen teil. Im August 2006 wurde er im Projekt „B-Atlas“ eingesetzt. Im März 2007 sollte er im Programmierbereich tätig werden, löste aber die ihm gestellte Aufgabe nicht.

4

Im Mai 2007 initiierte der Kläger zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur (erstmaligen) Wahl eines Betriebsrats.

5

Am 20. Juni 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung.

6

Am 10. Oktober 2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten, in der er ua. ausführte:

        

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.“

Wegen dieser E-Mail kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 23. Oktober 2007 erneut außerordentlich. Das Arbeitsgericht stellte die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20. Juni und 23. Oktober 2007 rechtskräftig fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiterzubeschäftigen.

7

Am 31. Januar 2008 mahnte die Beklagte den Kläger mit der Begründung ab, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse sie - die Beklagte - in allen Belangen „hart anfassen“. Mit einer Abmahnung vom 5. Februar 2008 wurde ihm vorgeworfen, er habe sich nicht acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet. Mit einer weiteren Abmahnung vom 19. Februar 2008 rügte die Beklagte die fehlende Bereitschaft des Klägers, seine Programmiererfähigkeiten gutachterlich untersuchen zu lassen.

8

Am 4. März 2008 erstellte ein IT-Sachverständiger nach zwei Gesprächen mit dem Kläger ein Gutachten über dessen Qualifikations- und Kenntnisstand im Bereich der Softwareentwicklung. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation verfüge, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

9

Die Beklagte hörte den bei ihr bestehenden Betriebsrat am 6. März 2008 zu einer außerordentlichen fristlosen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist an. Der Personalausschuss des Betriebsrats stimmte den beabsichtigten Kündigungen zu. Mit Schreiben vom 10. März 2008 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30. Juni 2008. Zugleich erteilte sie dem Kläger Hausverbot.

10

Nach Auslaufen des nachwirkenden Kündigungsschutzes als Bewerber zur Betriebsratswahl hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16. April 2008 zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers aus personen- und verhaltensbedingten Gründen an. Der Vorsitzende des Personalausschusses teilte am 17. April 2008 die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung mit. Am gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. September 2008.

11

Zum 30. April 2008 schied einer der beiden bei der Beklagten beschäftigten Juristen aufgrund einer Eigenkündigung vom Januar 2008 aus. Spätestens zum 1. Oktober 2008 stellte die Beklagte einen Juristen neu ein.

12

Am 13. Oktober 2008 wollte der Kläger als Ersatzmitglied an einer außerhalb des Betriebs stattfindenden Sitzung des Betriebsrats teilnehmen. Der Vorsitzende verweigerte ihm dies. Da der Kläger nicht freiwillig gehen wollte, rief er die Polizei zu Hilfe. Hierzu nahm der Kläger am 7. November 2008 nach Aufforderung durch die Beklagte wie folgt Stellung:

        

„Da Sie zweifellos nicht das Hausrecht über die Gaststätte ... ausüben, besteht kein Anlass, zu Ihrem Schreiben näher Stellung zu nehmen.

        

Einen besseren Beweis als Ihr Schreiben, dass der m Betriebsrat unternehmensgesteuert, unternehmensdominiert und unternehmensbestimmt ist und dass Sie ihn lediglich als Hilfsorgan ansehen, hätten Sie gar nicht liefern können.“

13

In einem Schreiben vom 27. November 2008 wiederholte der Kläger den Vorwurf, der Betriebsrat sei von der Beklagten nicht unabhängig. Die Beklagte forderte ihn am 3. Dezember 2008 auf, diese Äußerung zurückzunehmen und den Betriebsfrieden zukünftig nicht mehr zu stören.

14

Mit einem als „Abmahnung und Aufforderung zum Widerruf“ überschriebenen Schreiben vom 23. Dezember 2008 rügte die Beklagte den Kläger wegen seiner Äußerung in der E-Mail vom 10. Oktober 2007 und forderte ihn auf, gegenüber den Empfängern dieser Mail bis 9. Januar 2009 seine Äußerung zu widerrufen, andernfalls behalte sie sich arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zum Ausspruch einer Kündigung vor. Nachdem die Beklagte den Betriebsrat zu einer weiteren außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung angehört und der Personalausschuss mitgeteilt hatte, dass dagegen keine Einwände bestünden, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 21. Januar 2009 außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 kündigte sie das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, nachdem der Personalausschuss auch dagegen keine Einwände erhoben hatte.

15

Mit Schreiben vom 7. April 2009 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses, weil der Kläger nicht programmieren könne und ihm diese Fähigkeit bereits bei Abschluss des Vertrags gefehlt habe.

16

Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage geltend gemacht, sämtliche Kündigungen seien unwirksam. Er habe zu keiner Zeit die Arbeit verweigert. Die ihm gestellten Aufgaben seien jedoch zu schwierig und die angebotenen Schulungen für ihn als Anfänger nicht geeignet gewesen. Ein Fachfremder könne in einer einjährigen Schulung das Programmieren nicht lernen. Die Beklagte habe bei seiner Einstellung gewusst, dass er lediglich eine Qualifizierungsmaßnahme von einem Jahr absolviert habe. Trotz seiner unzureichenden Kenntnisse habe sie ihn eingestellt und fünf Jahre lang ohne Programmiertätigkeiten beschäftigt. Nach Ablauf der Probezeit könne sie sich deshalb nicht mehr auf unzulängliche Kenntnisse berufen. Er könne weiterhin in einem der Tätigkeitsbereiche eingesetzt werden, in dem er jahrelang gearbeitet habe. Auch sei während der Kündigungsfrist die Stelle eines Juristen zur Nachbesetzung frei gewesen, die ihm habe übertragen werden können.

17

Im Übrigen sei er ordentlich unkündbar gewesen. Bei Ausspruch der Kündigung vom 17. April 2008 habe ihm der nachwirkende Kündigungsschutz als Ersatzmitglied zugestanden. In den Betriebsratssitzungen am 28. oder 29. Februar, 29. März und 28. April 2008 seien ordentliche Betriebsratsmitglieder verhindert gewesen. Gleichwohl sei er nicht geladen worden.

18

Die Abmahnungen vom 31. Januar, 5. Februar, 26. Februar und 23. Dezember 2008 seien unwirksam und deshalb zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

19

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 nicht beendet worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 17. April 2008 nicht zum 30. September 2008 beendet worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 21. Januar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

4.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11. Februar 2009 noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung von diesem Tage zum 30. Juni 2009 beendet worden ist;

        

5.    

die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;

        

6.    

die Beklagte zu verurteilen, die ihm mit Schreiben vom 31. Januar 2008, 5. Februar 2008, 26. Februar 2008 und 23. Dezember 2008 erteilten Abmahnungen zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

20

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise

        

für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen vom 10. März und 17. April 2008 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2, § 10 Abs. 1 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, die jedoch 8.042,28 Euro brutto nicht übersteigen sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

21

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 17. April 2008 sei aus verhaltensbedingten und personenbedingten Gründen gerechtfertigt. Entweder habe der Kläger trotz Abmahnungen die Arbeit verweigert oder er sei nicht in der Lage, zu programmieren. Seine ursprüngliche Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben, seine Abteilung sei bereits 2005 aufgelöst worden. Eine Weiterbeschäftigung im Rahmen von Projekten sei nicht möglich. Sämtliche Projekte seien abgeschlossen, es gebe nur noch freie Stellen als Programmierer. Für eine Tätigkeit im Bereich Business fehle dem Kläger die notwendige Qualifikation. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf der frei gewordenen Juristenstelle, einer Beförderungsstelle, weiterzubeschäftigen. Die Position habe zunächst nicht nachbesetzt werden sollen. Erst Anfang Juli 2008 habe sie entschieden, wieder einen Juristen einzustellen. Die Kündigung vom 21. Januar 2009 sei begründet, weil der Kläger trotz Abmahnung und Aufforderung mit Fristsetzung die beleidigenden Äußerungen in seiner E-Mail vom 10. Oktober 2007 nicht widerrufen habe. Die Kündigung vom 11. Februar 2009 beruhe auf dem Vorwurf, der Betriebsrat sei unternehmensgesteuert. Die Anfechtung sei wirksam. Bei der Fähigkeit zu programmieren handele es sich um eine verkehrswesentliche Eigenschaft. In jedem Fall sei das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen. Es sei zerrüttet. Der Kläger habe sie anlässlich der letzten Betriebsratswahl erheblich diskreditiert.

22

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen.

23

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 10. März 2008 weder fristlos noch mit einer sozialen Auslauffrist aufgelöst worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine noch rechtshängigen Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

24

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 17. April 2008 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 30. September 2008 aus personenbedingten Gründen iSd. § 1 Abs. 2 KSchG rechtswirksam beendet.

25

I. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist aus Gründen in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.

26

1. Zum Zeitpunkt der Kündigung vom 17. April 2008 bestand zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis.

27

a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist, wie das Landesarbeitsgericht mangels Revision der Beklagten rechtskräftig festgestellt hat, durch die Kündigung vom 10. März 2008 nicht aufgelöst worden.

28

b) Das Arbeitsverhältnis ist von der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 7. April 2009 nicht wirksam - und dann rückwirkend zum März 2008 - angefochten worden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft nach § 119 Abs. 2 BGB verneint.

29

aa) Fehlt einem Vertragspartner die fachliche Qualifikation, die dem Vertrag von den Parteien ersichtlich zugrunde gelegt worden ist, kann dies zu einer Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB berechtigen.

30

bb) Der Beklagten war bei der Einstellung des Klägers bekannt, dass dieser nur für ein Jahr an dem Qualifizierungsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server“ teilgenommen hatte. Es fehlt deshalb an einem schlüssigen Vortrag dahin, dass sie die Kenntnisse, die sie mittlerweile beim Kläger als erforderlich ansieht, schon bei Vertragsschluss gefordert und zur Voraussetzung des Arbeitsvertrags gemacht hat.

31

cc) Auf die Frage, ob die Beklagte die Anfechtung unverzüglich iSd. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat, kommt es nicht mehr an.

32

2. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

33

a) Das Landesarbeitsgericht hat mit Bezug auf das Gutachten des IT-Sachverständigen zum Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung angenommen, dass diesem die wesentlichen Grundlagen des Programmierens fehlten und er sich die notwendigen Kenntnisse nur durch eine zweijährige Ausbildung hätte aneignen können. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an.

34

b) Aufgrund dieses in einem vertretbaren Zeitraum nicht zu behebenden Mangels an Programmierkenntnissen des Klägers lag zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses der Parteien vor (vgl. dazu BAG 16. Februar 1989 - 2 AZR 299/88 - zu B der Gründe, BAGE 61, 131; KR/Griebeling 9. Aufl. § 1 KSchG Rn. 271 ff.). Der Umstand, dass dieser Mangel in den ersten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses nicht zum Tragen kam, weil der Kläger zunächst vertragsgemäß anderweitig beschäftigt worden war, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen von Kenntnissen für die vertraglich gleichermaßen geschuldete Tätigkeit als Organisationsprogrammierer hat die Beklagte mit dem mehrjährigen anderweitigen Einsatz nicht „gebilligt“.

35

c) Die weitere Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Störung des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch eine anderweitige Beschäftigung des Klägers beseitigt werden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Zwar bestand die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit des Klägers nicht allein im Programmieren, sondern auch in der Beratung. Auch wurde er jahrelang nicht als Programmierer beschäftigt. Ein Mangel von Programmierkenntnissen des Klägers rechtfertigt deshalb für sich allein noch nicht die Annahme, die Beklagte könne ihn nicht mehr vertragsgerecht beschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist jedoch nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, der Kläger habe nicht mehr wie zuvor in Projekten ohne Programmiertätigkeit beschäftigt werden können. Die bisherigen Projekte seien ausgelaufen. Künftig werde es solche nicht mehr in gleicher Weise wie bisher geben. Tätigkeiten wie die Administration von Hard- und Software und die Durchführung von Schulungsveranstaltungen würden von den Programmierern miterledigt. Eine Umorganisation von Arbeitsplätzen sei nicht möglich, weil mittlerweile alle Mitarbeiter Programmierkenntnisse haben müssten. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten wie bisher gebe es für den Kläger nicht. Freie Arbeitsplätze gebe es nur noch im Bereich Programmierung. Der Kläger hat sich gegen diese Beweiswürdigung nicht gewandt.

37

bb) Die Beklagte musste den Kläger auch nicht auf der Stelle des ausgeschiedenen Juristen weiterbeschäftigen. Das Landesarbeitsgericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe für die Beklagte nicht festgestanden, dass die Stelle eines Juristen zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen würde. Nach den glaubhaften Aussagen der Zeugen B und R sei eine Nachbesetzung der frei gewordenen Stelle zunächst nicht vorgesehen gewesen. Erst nach Ausspruch der Kündigung im Juli 2008 habe sich die Situation geändert.

38

d) Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene abschließende Interessenabwägung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt nicht auf, dass dieses wesentliche Umstände oder erhebliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen hätte.

39

II. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Das Landesarbeitsgericht hat die ausführliche Unterrichtung des Betriebsrats vom 16. April 2008 zu Recht als hinreichend angesehen. Die Revision rügt auch das nicht.

40

III. Die Kündigung vom 17. April 2008 verstößt nicht gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Der Kläger genoss keinen besonderen Kündigungsschutz.

41

1. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG besteht für Ersatzmitglieder des Betriebsrats solange, wie sie ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied vertreten. Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG besteht für die Dauer eines Jahres nach dem Ende ihrer Tätigkeit als Ersatzmitglied(vgl. BAG 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 26, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64; 18. Mai 2006 - 6 AZR 627/05 - Rn. 23, AP KSchG 1969 § 15 Ersatzmitglied Nr. 2 = EzA ArbGG 1979 § 69 Nr. 5). Dieser nachwirkende Kündigungsschutz tritt allerdings nur ein, wenn das Ersatzmitglied in der Vertretungszeit konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Der nachwirkende Schutz soll die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Betriebsratsamts dadurch gewährleisten, dass er den Arbeitgeber nach dem Amtsende ein Jahr lang hindert, eine Kündigung des früheren Betriebsratsmitglieds ohne wichtigen Grund auszusprechen. Das Gesetz setzt darauf, dass sich in dieser Zeit eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsgeschäfte des Betriebsratsmitglieds deutlich legt und dieses deshalb während seiner aktiven Zeit unbefangen agieren lässt. Einer solchen „Abkühlungsphase“ bedarf es nicht, wenn das Ersatzmitglied während der Zeit, in der es vertretungshalber nachgerückt war, weder an Sitzungen des Betriebsrats teilgenommen noch sonstige Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat. Es hat dann dem Arbeitgeber keinen Anlass zu möglichen negativen Reaktionen auf seine Amtsausübung gegeben und bedarf deshalb keines besonderen Schutzes (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3; 5. November 2009 - 2 AZR 487/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 65 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 64).

42

2. Hiernach stand dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung ein besonderer Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 KSchG nicht zu.

43

a) Ein Fall des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG liegt nicht vor. Der Kläger war bei Kündigungsausspruch am 17. April 2008 nicht in den Betriebsrat nachgerückt.

44

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gegeben. Zwar war der Kläger als erstes Ersatzmitglied für ein verhindertes reguläres Mitglied Ende Februar und Ende März 2008 in den Betriebsrat nachgerückt, soweit er nicht seinerseits wegen des Ausspruchs der Kündigung vom 10. März 2008 objektiv verhindert war. Ist ein ordentliches Mitglied verhindert, rückt das betreffende Ersatzmitglied in den Betriebsrat „automatisch“ nach, unabhängig davon, ob es selbst oder etwa der Betriebsratsvorsitzende vom Verhinderungsfall Kenntnis hat (BAG 8. September 2011 - 2 AZR 388/10 - Rn. 34, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 70 = EzA BetrVG 2001 § 25 Nr. 3). Der Kläger hat jedoch auch als nachgerücktes Ersatzmitglied keinerlei Betriebsratstätigkeit erbracht. An den Ende Februar und Ende März 2008 durchgeführten Betriebsratssitzungen hat er schon deshalb nicht teilgenommen, weil er nicht geladen worden war. Selbst wenn dies darauf beruht haben sollte, dass der Betriebsratsvorsitzende die Nachrückregelung des § 25 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG bewusst ignoriert hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger an den Sitzungen des Gremiums tatsächlich nicht teilgenommen und auch sonstige Betriebsratsaufgaben nicht wahrgenommen hat. Bloß fiktive, in Wirklichkeit aber unterbliebene Tätigkeiten des Ersatzmitglieds lösen den nachwirkenden Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht aus.

45

Etwas anderes käme allenfalls dann in Betracht, wenn die Beklagte den Fehler in der Amtsführung des Betriebsratsvorsitzenden bewusst veranlasst oder mit diesem kollusiv zusammengewirkt hätte (vgl. BAG 4. August 1975 - 2 AZR 266/74 - zu III 6 der Gründe, BAGE 27, 209). Dafür fehlt es an Anhaltspunkten.

46

IV. Die Kündigung vom 17. April 2008 ist nicht wegen eines Verstoßes gegen § 612a BGB iVm. § 134 BGB unwirksam.

47

1. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als „Maßnahme“ im Sinne des Gesetzes kommt auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Sie kann sich als eine Benachteiligung wegen einer zulässigen Rechtsausübung des Arbeitnehmers darstellen. Das Maßregelungsverbot ist aber nur dann verletzt, wenn zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Die zulässige Rechtsausübung muss der tragende Grund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme gewesen sein. Es reicht nicht aus, dass die Rechtsausübung nur der äußere Anlass für die Maßnahme war (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 384/10 - Rn. 38, EzA BEEG § 18 Nr. 1).

48

2. Nach diesen Grundsätzen kann hier ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nicht festgestellt werden. Es ist nicht erkennbar, dass etwa die Inanspruchnahme betriebsverfassungsrechtlicher Rechte durch den Kläger der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008 war. Bereits ab dem Jahr 2005, also längere Zeit vor der Initiierung der Betriebsversammlung, wurden Schulungsmaßnahmen durchgeführt, um den Kläger mit Programmierungsaufgaben beschäftigen zu können. Längere Zeit nach der Betriebsversammlung, Ende Februar 2008, erstellte der IT-Sachverständige das Gutachten, das dem Kläger einen nicht ausreichenden Qualifikations- und Kenntnisstand in der Softwareentwicklung bescheinigt und inhaltlich von ihm selbst nicht für falsch gehalten wird. Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, die Aktivitäten des Klägers im Zusammenhang mit dem Anstoß zu einer Betriebsversammlung und Betriebsratswahl seien der tragende Grund für die Kündigung vom 17. April 2008.

49

V. Die weiteren Feststellungsanträge sind unbegründet. Sie setzen sämtlich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 30. September 2008 hinaus voraus.

50

VI. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Das Kündigungsschutzverfahren ist rechtskräftig beendet.

51

VII. Der Antrag des Klägers, die vier näher bezeichneten Abmahnungen zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen, ist unbegründet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung selbst einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden. Entsprechende Gründe hat der Kläger nicht dargelegt.

52

VIII. Der Kläger hat die Kosten der erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Kreft     

        

    Rachor    

        

    Eylert     

        

        

        

    Frey    

        

    Grimberg     

                 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015 beendet ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf € 20.656,00 festgesetzt.

5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und um Weiterbeschäftigung.

2

Bei der Beklagten handelt es sich um eine Betriebskrankenkasse in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ca. 400 Mitarbeitern. Es besteht ein Personalrat. Der am ... geborene Kläger ist seit dem 01.04.2014 als Referent Risikomanagement bei der Beklagten beschäftigt. Es wird Bezug genommen auf den Anstellungsvertrag vom 11.02.2014 (Anlage K1, Bl. 4 ff. d.A.). Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt € 5.164,00. Der Kläger ist ausgebildeter Sozialversicherungsfachangestellter mit Schwerpunkt Allgemeine Krankenversicherung. Er ist fortgebildeter Krankenkassenbetriebswirt, wobei er seinen Abschluss an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie B. gemacht hat (Anlage B 7, Bl. 91 d.A.). Er hat an Seminaren zur Innenrevision teilgenommen (Anlagenkonvolut K4, Bl. 62 ff. d.A.). Die Stelle des Klägers als Referent Risikomanagement wurde im Rahmen eines Pilotprojektes neu geschaffen. Inhalt seiner Tätigkeit war u.a. der Auf- und Ausbau von Risikosteuerungsprozessen. Die Aufgaben des Risikomanagements wurden zwischenzeitlich auf den Vorstand übertragen, der im Bedarfsfalle von einem externen Dienstleister unterstützt wird.

3

Die Beklagte bestellte eine Mitarbeiterin zur Beauftragten für den Datenschutz. Da diese für längere Zeit krankheitsbedingt ausgefallen war, wandte sich der Vorstand der Beklagten im Juli 2014 an den Kläger und fragte bei diesem an, ob er bereit sei, aufgrund des langfristigen Ausfalls der Datenschutzbeauftragten diese Position auszufüllen. Mit Schreiben vom 01.08.2014 wurde der Kläger mit seiner Zustimmung zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten für einen Zeitraum von sechs Monaten vom 01.08.2014 bis 01.02.2015 bestellt (Anlage K3, Bl. 7 d.A.). Während der krankheitsbedingten Abwesenheit der Beauftragten für den Datenschutz nahm der Kläger ihre Aufgaben war.

4

Die Beklagte hörte den Personalrat mit Schreiben vom 21.08.2015 (Anlage B3, Bl. 43 ff. d.A.) und vom 14.09.2015 (Anlage B4, Bl. 45 ff.) zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Der Personalrat widersprach der Kündigung (Anlage K8, Bl. 68 d.A.). Der Kläger forderte mit Schreiben vom 21.10.2015 die Beklagte zur Weiterbeschäftigung auf (Anlage K7, Bl. 67 d.A.).

5

Mit Schreiben vom 01.10.2015 erklärte die Beklagte die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Gegen diese Kündigung hat der Kläger am 13.10.2015 Kündigungsschutzklage erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Die Klage ist der Beklagten am 22.10.2015 zugestellt worden.

6

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Kündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt sei. Insbesondere sei der Beschäftigungsbedarf für ihn nicht entfallen. Der Kläger könne aufgrund seiner fachlichen Qualifikation und seiner Erfahrungen die Stelle eines Innenrevisors übertragen bekommen. Er erfülle jedenfalls das Anforderungsprofil, mit dem die Beklagte über ein Personalberatungsunternehmen die Stelle ausgeschrieben habe (Anlage K5, Bl. 65). An diesem „externen“ Profil müsse sich die Beklagte festhalten lassen, auch wenn eine interne Stellenausschreibung (Anlage B2, Bl. 42 d.A.) höhere Anforderungen stelle. Schließlich sei die Sozialauswahl fehlerhaft vorgenommen. Die Beklagte habe diese trotz der arbeitsvertraglichen Versetzungsklausel fehlerhaft beschränkt. Nach dem Widerspruch des Personalrats stehe ihm ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG zu.

7

Der Kläger genieße auch besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Nachdem er sogar über das Befristungsende hinaus bis zur Übernahme durch den externen Datenschutzbeauftragten ab dem 11.04.2015 Aufgaben der erkrankten Datenschutzbeauftragten wahrgenommen habe, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt sei, gelte für ihn der nachwirkende Kündigungsschutz. Seine Bestellung sei im Übrigen auch nicht freiwillig gewesen, da die Beklagte ihre Pflicht nach dem BDSG habe erfüllen müssen. Einer analogen Anwendung des § 4f Abs. 3 BDSG bedürfe es insofern nicht.

8

Nach der Rücknahme des allgemeinen Feststellungsantrags beantragt der Kläger zuletzt,

9

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten 01.10.2015, zugegangen am 01.10.2015, zum 31.10.2015, beendet ist,

10

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 31.10.2015 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens vor dem Arbeitsgericht Hamburg zum Aktenzeichen 27 Ca 486/15 zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte trägt vor, dass der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen sei. Der Vorstand habe am 18.08.2015 einen Beschluss gefasst, die Aufgaben des Referenten Risikomanagement auf den Vorstand zu übertragen und im Bedarfsfall einen externen Dienstleister zur Unterstützung heranzuziehen (Anlage B1, Bl. 41 d.A.). Eine Beschäftigungsmöglichkeit bestehe für den Kläger nicht mehr. Der Kläger könne nicht die Stelle des Innenrevisors ausfüllen, da es ihm u.a. an dem erforderlichen BWL-Studium fehle. Maßgeblich sei insofern das Anforderungsprofil der internen Stellenausschreibung, nicht dasjenige der externen. Der Kläger verfüge nur über ein Studium an der Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie (VWA), was nicht mit einem Hochschulstudium gleichzusetzen sei. Es handele sich nicht um einen staatlich anerkannten Bildungsabschluss. Außerdem habe der Kläger keine Erfahrung als Innenrevisor. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen gewesen, da die Stelle des Klägers singulär sei und es an einer Vergleichbarkeit mit anderen Stellen fehle. Im Übrigen habe der Kläger nicht die Qualifikation für die Stellen der Vorstandsreferentinnen, sodass diese auch nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Ein Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 79 Abs. 2 BPersVG bestehe nicht, da der Personalrat in seinem Widerspruch andere Mitarbeiter nicht konkret benannt und auch nichts zu ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit gesagt habe.

14

Der Kläger habe keinen besonderen Kündigungsschutz als stellvertretender Datenschutzbeauftragter. Das BDSG sehe in § 4f Abs. 3 lediglich für den verpflichtend zu bestellenden Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG einen Sonderkündigungsschutz vor. Anders als im SGB IX sei jedoch kein Kündigungsschutz für einen Stellvertreter vorgesehen. Der stellvertretende Datenschutzbeauftragte sei lediglich freiwillig zu bestellen, sodass § 4f Abs. 3 BDSG nicht einschlägig sei. Eine Analogie verbiete sich im Hinblick darauf, dass die Problematik dem Gesetzgeber durch § 96 Abs. 3 SGB IX bewusst gewesen sei, er jedoch auf eine entsprechende Regelung im BDSG verzichtet habe.

15

Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen im Übrigen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist nur teilweise zulässig und insoweit begründet.

17

Die Entscheidung beruht auf den nachfolgend kurz zusammengefassten rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 46 Abs. 2 ArbGG, § 313 Abs. 3 ZPO):

I.

18

1. Die Klage ist hinsichtlich des Antrags zu 1. zulässig und im Übrigen unzulässig.

19

Das für den Feststellungsantrag erforderliche besondere Feststellungsinteresse folgt schon aus der Fiktion der Kündigungen als sozial gerechtfertigt nach § 13 Abs. 1 S. 2, § 4 S. 1, § 7 KSchG, wenn keine Kündigungsschutzklage erhoben wird, unabhängig davon, ob die nach § 23 KSchG für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG maßgebliche Beschäftigtenzahl erreicht ist.

20

Der Antrag zu Ziffer 2. ist hingegen bereits unzulässig. Dieser Antrag ist zu unbestimmt. Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“. Ein solcher Antrag hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.

21

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Dabei ist der Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis keinem Zweifel unterliegt und die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung gemäß § 322 ZPO zwischen den Parteien entschieden werden kann (BAG v. 17.12.2015 - 8 AZR 54/14 -, Rn. 14, juris). Ein Leistungsantrag ist nur dann hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn der Antrag und in der Folge ein stattgebendes Urteil die Leistung so genau bezeichnet, dass der Schuldner ohne weiteres erkennen kann, durch welche Verhaltensweisen er dem Urteilsspruch nachkommen kann und das Urteil vollstreckungsfähig ist (BAG v. 18.09.2014 - 8 AZR 757/13 -, Rn. 17, juris). Um vollstreckungsfähig zu sein, muss ein Vollstreckungstitel zur Weiterbeschäftigung verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht, um den Schuldner vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu schützen. Hierzu ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten. Dafür reicht es aus, wenn das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, sich aus dem Titel ergibt oder sich in vergleichbarer Weise ergibt, worin die Tätigkeit bestehen soll (BAG v. 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 -, Rn. 20, juris, mwN; LAG Baden-Württemberg v. 09.11.2015 - 17 Ta 23/15 -, Rn. 32, juris).

22

Der Antrag des Klägers auf Weiterbeschäftigung enthält keine konkrete Bezeichnung der begehrten Tätigkeit. Er ist allein auf die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ gerichtet, ohne zu konkretisieren, was hierunter zu verstehen ist. Insofern fehlt es an einer inhaltlichen Bestimmtheit. Diese ergibt sich aber auch nicht durch Auslegung. Nach seinem Arbeitsvertrag wurde der Kläger als „Referent Risikomanagement“ eingestellt. Allerdings wurde vom Kläger nicht bestritten, dass die Aufgaben umverteilt bzw. an einen externen Dienstleister vergeben wurden, sodass diese bisher ausgeübte Tätigkeit entfallen ist. Insofern hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er auf der ausgeschriebenen Stelle des Innenrevisors beschäftigt werden könnte. Hinsichtlich der Sozialauswahl hat der Kläger auf die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel abgestellt, sodass aus seiner Sicht auch die Beschäftigung als Vorstandsreferent vertragsgemäß sein könnte. Insofern lässt sich auch durch Auslegung nicht ermitteln, zu welcher Leistung die Beklagte verurteilt werden soll. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger die Weiterbeschäftigung „zu unveränderten Bedingungen“ begehrt. Auch dieser Zusatz steht der Bestimmtheit entgegen, da unklar bleibt, was unter dieser Einschränkung zu verstehen ist (vgl. BAG v. 27.05.2015 - 5 AZR 88/14 -, Rn. 46, juris).

23

2. Die Klage ist - soweit zulässig - auch begründet.

24

Der Kläger genießt als ehemaliger Datenschutzbeauftragter besonderen Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 BDSG. Da der Kläger die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten tatsächlich wahrgenommen hat, kommt es nicht auf die Frage an, in welchem Umfang der stellvertretende Datenschutzbeauftragte allein aufgrund seiner Bestellung Kündigungsschutz hat.

25

Nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG kann ein Beauftragter für den Datenschutz, der nach § 4f Abs. 1 BDSG zu bestellen ist, nur dann gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit ist das Recht zur ordentlichen Kündigung vorübergehend ausgeschlossen (vgl. Greiner, in: Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, BDSG, § 4f Rn. 16). Nach der Abberufung als Beauftragter für den Datenschutz ist die Kündigung innerhalb eines Jahres nach der Beendigung der Bestellung unzulässig, es sei denn, dass die verantwortliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt ist (§ 4f Abs. 3 S. 6 BDSG). Damit hat der Gesetzgeber den Kündigungsschutz für den Beauftragten für Datenschutz u.a. an den der Betriebsratsmitglieder nach § 15 Abs. 1 S. 1, 2 KSchG angelehnt (BT-Drucks. 16/12011, S. 30). Dieser Schutz gilt nach dem Wortlaut des § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG nur für solche Datenschutzbeauftragte, deren Bestellung nicht freiwillig erfolgt (so auch die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 16/12011, S. 30).

26

a. Unstreitig ist die Beklagte nach § 4f Abs. 1 BDSG verpflichtet, einen Beauftragten für den Datenschutz zu bestellen. Dies hat die Beklagte getan, indem sie eine Mitarbeiterin zur Datenschutzbeauftragten bestellt hat. Die verpflichtete Stelle kann auch einen Vertreter bestellen. Die Bestellung eines Stellvertreters wird im BDSG nicht ausgeschlossen. Auch wenn es im Gesetz keine ausdrückliche Regelung gibt, besteht gleichwohl ein Bedürfnis, eine kontrollfreie Situation zu vermeiden, wenn der Beauftragte für den Datenschutz an einer Amtsausübung gehindert ist (Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; ebenso Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145; Gola/Wronka, Handbuch Arbeitnehmerdatenschutz, 6. Aufl. 2013, Rn. 1478; Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 3). Insofern ist die Bestellung eines Stellvertreters zur Sicherstellung geeignet, dass die Aufgaben nach dem BDSG durchgehend wahrgenommen werden, auch wenn der Beauftragte für den Datenschutz vorübergehend verhindert ist. Hierdurch entsteht kein Kompetenzkonflikt, da nicht zeitgleich zwei Beauftragte für den Datenschutz tätig werden (vgl. zur Problematik der Kompetenzabgrenzung bei mehreren Datenschutzbeauftragten Franck/Reif, ZD 2015, 405, 406). Der Stellvertreter rückt nur für die Dauer des Vertretungsfalls nach und ersetzt den eigentlichen Datenschutzbeauftragten vollumfänglich (Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407). Insofern handelt es sich für den Vertreter, der den Beauftragten auch bei einer kurzfristigen Verhinderung ersetzt, nicht um eine Verlagerung gesetzlich gewährleisteter Kompetenzen des Beauftragten (vgl. Simitis, in: ders., BDSG, 8. Aufl. 2014, § 4f Rn. 145). Damit ist die Bestellung eines Stellvertreters nicht vergleichbar mit der Problematik der Bestellung mehrerer Datenschutzbeauftragter.

27

Ob und in welchen Fällen eine Stellvertretung nach dem BDSG geboten ist, kann vorliegend offen bleiben. Auf die Pflicht zur Bestellung eines Stellvertreters kommt es nicht an. Wird jedenfalls ein stellvertretender Datenschutzbeauftragter bestellt und nimmt dieser im Verhinderungsfall die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten iSd § 4f Abs. 1 BDSG wahr, bedeutet dies, dass ebenfalls die Schutzvorschriften nach § 4f Abs. 3 BDSG einschlägig sind (vgl. Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 25a; Franck/Reif, ZD 2015, 405, 407; so wohl im Ergebnis auch Lembke, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. 2016, BDSG, §§ 4f/4g Rn. 24). Ist die Stelle nach § 4f Abs. 1 BDSG zur Bestellung eines Beauftragten für den Datenschutz verpflichtet, ist die Rechtsstellung auch auf den Stellvertreter zu übertragen, soweit der Vertretungsfall eingetreten ist. Auch wenn der Stellvertreter freiwillig bestellt wurde und grundsätzlich kein Kündigungsschutz besteht, gilt dies für den Vertretungsfall nicht. Der Vertreter, der vollumfänglich die Aufgaben des Vertretenen wahrnimmt, ist kein Datenschutzbeauftragter „2. Klasse“. Vielmehr bedarf er im Vertretungsfall des Schutzes vor etwaigen Nachteilen aufgrund seiner Amtsführung.

28

Der Anwendung des Kündigungsschutzes nach § 4f Abs. 3 BDSG auf den stellvertretenden Beauftragten für den Datenschutz steht nicht entgegen, dass das SGB IX in § 96 Abs. 3 SGB IX einen besonderen Kündigungsschutz für das stellvertretende Mitglied der Schwerbehindertenvertretung regelt, der Gesetzgeber bei der Einführung des BDSG hierauf jedoch verzichtet hat. Die Aufgaben des stellvertretenden Mitglieds der Schwerbehindertenvertretung sind gesondert ausgestaltet. Insbesondere können die Vertrauensperson und der Stellvertreter nach § 95 Abs. 1 S. 4 SGB IX nach Absprache parallel tätig werden, mithin gleichzeitig ihre Aufgaben wahrnehmen. Insofern lässt sich aus dem Schweigen des BDSG zu einer Stellvertretung - die Gesetzesbegründung enthält hierzu keinen Hinweis - nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber eine solche ausschließen wollte. Im Übrigen enthält auch § 15 Abs. 1 KSchG keinen eigenen Kündigungsschutz zugunsten der Ersatzmitglieder des Betriebsrats. Gleichwohl genießen Ersatzmitglieder im Vertretungsfall den Kündigungsschutz der Betriebsratsmitglieder. Weder in § 15 Abs. 1 KSchG noch in § 4f Abs. 3 BDSG geht es um einen originären Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder bzw. Stellvertreter, sondern lediglich um den Schutz während und nach Eintritt des Vertretungsfalls. Aus diesem Grund bedarf es keiner analogen Anwendung der Kündigungsschutzvorschriften, sodass auch die Voraussetzungen der Analogie - insbesondere das Vorliegen einer ungewollten Regelungslücke - nicht gegeben sein müssen.

29

Da der Kündigungsschutz des Beauftragten für Datenschutz an denjenigen des Betriebsrats nach § 15 Abs. 1 KSchG angelehnt ist, sind auch die Rechtsgrundsätze zu übertragen (vgl. BT-Drucks. 16/12011, S. 30; Däubler, in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 5. Aufl. 2016, § 4f Rn. 73b; ErfK-Franzen, 16. Aufl. 2016, § 4f BDSG Rn. 9). Während der Dauer des Vertretungsfalls gilt der Kündigungsschutz nach § 4f Abs. 3 S. 5 BDSG (Deeg/Müller, ArbRAktuell 2010, 365, 366). Ein nachwirkender Kündigungsschutz greift hingegen nur dann ein, wenn auch tatsächlich die Aufgaben eines Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wurden. Bei einem Ersatzmitglied des Betriebsrats reicht es nicht aus, dass ein Vertretungsfall eingetreten ist, um einen nachwirkenden Kündigungsschutz zu erlangen. Vielmehr muss das Ersatzmitglied auch konkrete Betriebsratsaufgaben tatsächlich wahrgenommen haben (BAG v. 19.04.2012 - 2 AZR 233/11 -, Rn. 41, juris; KR-Etzel/Kreft, 11. Aufl. 2016, § 15 KSchG Rn. 90). Entsprechendes gilt auch für den Beauftragten für Datenschutz. Auch für diesen ist im Gesetz nach Ende der Amtszeit eine „Abkühlungsphase“ vorgesehen, während derer sich eine mögliche Verärgerung des Arbeitgebers über die Amtsführung legen soll. Dies rechtfertigt es, eine solche „Abkühlungsphase“ nur dann anzunehmen, wenn eine Amtstätigkeit erfolgt ist, aufgrund derer überhaupt eine negative Reaktion des Arbeitgebers in Betracht kommen kann.

30

b. Unter Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze konnte die Beklagte den Kläger nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 01.10.2015 nur außerordentlich kündigen, jedoch nicht ordentlich aus betriebsbedingten Gründen. Zwar war der Kläger zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr Beauftragter für den Datenschutz, da sowohl seine befristete Bestellung abgelaufen als auch der Vertretungsfall mit der Bestellung eines externen Datenschutzbeauftragten abgelaufen war. Jedoch kann sich der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter auf den nachwirkenden Kündigungsschutz berufen.

31

Der Kläger wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 01.08.2014 zum stellvertretenden Datenschutzbeauftragten bestellt, da die Datenschutzbeauftragte aus krankheitsbedingten Gründen absehbar für einen längeren Zeitraum verhindert war. Auf dieser Grundlage ist der Kläger tätig geworden. Der Kläger hat damit das Amt des Beauftragten für Datenschutz wahrgenommen, sodass es nicht maßgeblich ist, ob die Bestellung eines Stellvertreters freiwillig erfolgt ist. Aus diesem Grund war die Kündigungsmöglichkeit innerhalb eines Jahres gem. § 4f abs.3 S. 6 BDSG eingeschränkt. Da die Beklagte innerhalb eines Jahres nach Amtsbeendigung eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat und diese nicht auf einen wichtigen Grund zur Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist stützen kann, ist diese nach § 4f Abs. 3 S. 6 BDSG i.V.m. § 134 BGB nichtig.

II.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i. V. m. § 92 ZPO.

33

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf den Vorschriften der § 61 Abs. 1 ArbGG, § 3 ZPO, § 42 Abs. 2 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes des Kündigungsschutzantrages war mit dem dreifachen Bruttomonatsgehalt zu bemessen, der Antrag auf Weiterbeschäftigung mit einem Bruttomonatsgehalt.

34

Einer gesonderten Zulassung der Berufung bedurfte es nicht. Die Berufungsmöglichkeit ergibt sich bereits aus § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG bzw. § 64 Abs. 2 lit. b ArbGG. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer Berufungszulassung nach § 64 Abs. 3 ArbGG nicht vor.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)