Landesarbeitsgericht Hamburg Urteil, 01. Juli 2015 - 6 Sa 14/15

bei uns veröffentlicht am01.07.2015

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 14. Januar 2015 – Az. 24 Ca 266/14 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen.

2

Der am XX.X.XXX geborene Kläger steht bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrages vom 21.9.2001 (vgl. Anlage 2 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 25 ff. d.A.) seit dem 1.10.2001 als Lagerarbeiter in Vollzeit zu einer zuletzt erzielten Monatsvergütung von € 2.027,00 brutto im Arbeitsverhältnis. Die der Beklagten vorliegende Lohnsteuerkarte weist den Kläger als ledig mit einem Kind aus. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Logistikunternehmen mit ca. 1.200 beschäftigten Arbeitnehmern. Es ist ein Betriebsrat gewählt.

3

Bei der Beklagten wird im Schichtdienst gearbeitet. Der Kläger war zuletzt in der sog. zweiten Arbeitszeit von 14:40 Uhr bis 22:50 Uhr mit Sonnabendschicht einmal pro Monat eingesetzt.

4

Ab dem 4.3.2014 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Mit Schreiben vom 10.3.2014 teilte der damalige anwaltliche Vertreter des Klägers Herr Rechtsanwalt K. der Beklagten mit, dass sich der Kläger aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Nordhorn in Haft befinde. Weiterhin kündigte Herr Rechtsanwalt K. an, die Beklagte kurzfristig darüber zu informieren, ob der Kläger in Kürze wieder in der Lage sein werde, seine Arbeitskraft vertragsgemäß zur Verfügung zu stellen. Für die Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10.3.2014, Anlage 3 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 34 d. A. verwiesen.

5

Nachdem die Beklagte in der Zwischenzeit keine weiteren Informationen erhalten hatte, meldete sich am 26.8.2014 Frau Rechtsanwältin D. für den Kläger. Das Schreiben vom 26.8.2014 (Anlage 4 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 35 d.A.) hat folgenden Wortlaut:

6

„... hiermit zeigen wir an, dass wir Ihren Arbeitnehmer, Herrn A. vertreten. Ordnungsgemäße Vollmacht wird anwaltlich versichert.

7

Unser Mandant ist zurzeit in der JVA L. inhaftiert. Es wird gebeten mitzuteilen, ob das Arbeitsverhältnis mit Ihnen noch besteht bzw. ggf. wie es beendet worden ist. Unser Mandant prüft gerade eine Verlegung in den offenen Vollzug in Hamburg und könnte sodann bei Ihnen die Beschäftigung wieder aufnehmen. ...

8

Die Beklagte erbat daraufhin mit Schreiben vom 8.9.2014 Informationen zur Dauer der Haftstrafe, wegen welcher Straftat die Verurteilung erfolgte, welcher Vollzugsplan festgelegt wurde, ob und gegebenenfalls wann eine Unterbringung in einer JVA des offenen Vollzuges vorgesehen ist und ob dieser in Hamburg erfolgen werde. Die Beklagte behielt sich ausdrücklich vor, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen (vgl. Anlage 5/3 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 38 f. d.A.). Frau Rechtsanwältin D. teilte zu den Anfragen gegenüber der Leiterin des Labour Law Departments der Beklagten Frau H. am 2.10.2014 telefonisch mit, dass der Kläger im Juli 2014 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren wegen der Einführung von 2 kg Kokain aus den Niederlanden als Kurier verurteilt worden war. Wegen guter Führung gebe es erste Haftlockerungen, es sei ein Antrag auf Verlegung nach Hamburg und dort in den offenen Vollzug gestellt. Erfahrungsgemäß stünden die Chancen nicht schlecht. Es bestehe ein Anspruch auf heimatnahen Vollzug wegen der Kinder sowie des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Wie schnell ein entsprechender Antrag bearbeitet werde, sei offen, wobei in Hamburg selbstständig geprüft werde, ob ein Platz frei sei und eine Übernahme erfolgen solle. Frau H. fasste anschließend die erhaltenen Informationen in einer E-Mail an Frau D. vom 10.10.2014 zusammen (Anlage 5/1 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 36 d. A.).

9

Auf der Basis dieser Informationen entschloss sich die Beklagte zur Kündigung. Die von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit vorgelegte Betriebsratsanhörung vom 15. Oktober 2014 (Anlagenkonvolut B 1, Bl. 13 ff. d. A.) enthält auf Seite 8/9 des Anhörungsschreibens folgende Angaben:

10

„...Selbst wenn zu einem späteren Zeitpunkt – nach der Verlegung in eine JVA in Hamburg – ein offener Vollzug bewilligt würde, so ist davon auszugehen, dass eine Aufnahme daran scheitern würde, dass A. in der zweiten Arbeitszeit eingesetzt ist und ein offener Vollzug vermutlich nicht erlauben würde, dass eine Rückkehr in die JVA bei einem Arbeitszeitende nach 22.50 Uhr möglich wäre. Des weiteren muss bei der Prüfung eines offenen Vollzugs geprüft werden, ob sich die JVA räumlich in einer zumutbaren Nähe zu unserem Betrieb befindet. Auch dies scheint fraglich. ...“

11

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.10.2014, dem Kläger am 24.10.2014 zugegangen, ordentlich zum 31.3.2015 (vgl. Anlage K1, Bl. 5 d.A.). Gegen die Kündigung hat sich der Kläger mit seiner am 13.11.2014 bei Gericht eingegangenen Klage gewendet. Einen allgemeinen Feststellungsantrag hat er am 14.1.2015 zurückgenommen.

12

Der Kläger hat vorgetragen, er sei verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Er bestreite mit Nichtwissen, dass das Anhörungsschreiben dem Betriebsrat am 15.10.2014 zugegangen sei. Die Anhörung sei aber auch deshalb zu beanstanden, weil nach Rücksprache mit der JVA L1 ein Einsatz im Schichtdienst auch bis deutlich nach 22:00 Uhr im offenen Vollzug möglich sei. Die Beklagte habe gegenüber dem Betriebsrat dazu falsche Angaben gemacht und ihn dadurch in seiner Willensbildung zu Lasten des Klägers beeinflusst.

13

Er rüge, dass die Beklagte es vor Ausspruch der Kündigung unterlassen habe, sich ein Bild von den Umständen zu machen. Tatsächlich sei er Erststäter, sozial integriert, weise keine Suchterkrankung auf und habe keinen Bezug zu kriminellem Milieu. Deshalb hätten auch schon bei Ausspruch der Kündigung gute Aussichten bestanden, dass er in absehbarer Zeit, d.h. von deutlich weniger als 2 Jahren in den offenen Vollzug und auf Antrag innerhalb von Niedersachsen in die JVA L1 oder länderübergreifend in die JVA Hamburg G. verlegt werde (Beweis: Zeugnis D1, JVA L.). Dies sei der Beklagten bekannt gewesen. Inzwischen sei ein Prüfungsverfahren über Vollzugslockerungen eingeleitet worden. Mit einer positiven Entscheidung sei für Februar 2015 zu rechnen.

14

Der Kläger hat beantragt,

15

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.10.2014 am 31.3.2015 endet.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen,

18

Die Beklagte hat vorgetragen, der Betriebsrat sei am 15.10.2015 mit Anhörungsschreiben gleichen Datums nebst diversen Anlagen angehört worden und habe keine Stellungnahme abgegeben. Wegen des Inhalts der Anhörung nehme sie Bezug auf das Anlagekonvolut B1, Bl. 13 ff d.A..

19

Die ordentliche Kündigung sei aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt. Sie habe zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung über keinerlei verlässliche und konkrete Angaben verfügt, wann der Kläger seine Arbeitskraft wieder würde anbieten können. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und diese in der JVA L. verbüßte, sei völlig offen gewesen, ob und ggf. wann sich die – nachvollziehbaren – Wünsche und Erwartungen des Klägers auf Hafterleichterungen und Verlegung würden realisieren lassen.

20

Die Interessenabwägung habe zulasten des Klägers ausgehen müssen, wobei die Beklagte seine Betriebszugehörigkeit und die familiäre Situation, soweit ihr bekannt, einbezogen habe.

21

Das Arbeitsgericht hat darüber Beweis erhoben, ob und wann die Betriebsratsanhörung erfolgte,

22

durch Vernehmung der von der Beklagten benannten Zeugin Frau H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.1.2015, Bl. 63 f. d.A. Bezug genommen.

23

Mit Urteil vom 14. Januar 2015 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei die Kammer davon überzeugt, dass die Anhörungsunterlagen dem Betriebsrat am 15.10.2014 überreicht worden seien, da dies die Zeugin Frau H. in jeder Hinsicht überzeugend bestätigt habe. Die Betriebsratsanhörung sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe dem Betriebsrat mitteilen dürfen, dass der Kläger ausweislich der Lohnsteuerkarte ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet sei. Selbst wenn der Kläger tatsächlich verheiratet und 2 Kindern gegenüber unterhaltspflichtig sein sollte, habe die Beklagte den Angaben in der ihr vorliegenden Lohnsteuerkarte vertrauen dürfen, da der Arbeitgeber im Rahmen der Betriebsratsanhörung nicht verpflichtet sei, die Richtigkeit dokumentierter Daten zu überprüfen. Auch hinsichtlich der Angaben zur fehlenden Durchführbarkeit von Schichtarbeit im offenen Vollzug sei die Betriebsratsanhörung nicht fehlerhaft. Denn eine Anhörung sei nur dann nicht ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat wider besseres Wissen bewusst falsche oder irreführende Mitteilungen mache. Bis zu dieser Grenze unterliege die Betriebsratsanhörung dem Grundsatz der subjektiven Determinierung. Die Beklagte habe durch die gewählte Formulierung, „ein offener Vollzug würde vermutlich nicht erlauben…“ deutlich kenntlich gemacht, dass es sich um eine bloße Annahme gehandelt habe. Sie habe den Betriebsrat gerade nicht dahingehend getäuscht, dieser Umstand sei überprüft und stehe fest.

24

Die Kündigung sei aus in der Person des Klägers liegenden Gründen sozial gerechtfertigt. Die Beklagte habe zum Kündigungszeitpunkt mit einer haftbedingten Abwesenheit des Klägers von ca. 3 Jahren und 4 Monaten rechnen müssen. Für einen derartig langen Zeitraum seien der Beklagten Überbrückungsmaßnahmen nicht zumutbar gewesen. Zwar möge sich der Kläger zum Kündigungszeitpunkt Hoffnungen gemacht haben, dass sich eine Verlegung in den offenen Vollzug in örtlicher Nähe zum Arbeitsplatz in absehbarer Zeit realisieren würde. Doch habe es keine entsprechenden Entscheidungen zu seinen Gunsten gegeben, die die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung hätte berücksichtigen können.

25

Der Kläger greift das ihm am 2.2.2015 zugestellte Urteil mit seiner am 27.2.2015 bei Gericht eingegangenen und am 2.4.2015 begründeten Berufung an.

26

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die Anhörung des Betriebsrats fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe in ihrem Anhörungsschreiben den Sachverhalt bewusst so dargestellt, dass der Betriebsrat habe annehmen müssen, eine Wiederaufnahme der Arbeit durch den Kläger in absehbarer Zeit im Rahmen eines offenen Vollzuges sei schon wegen der Arbeitszeiten im Schichtsystem ausgeschlossen. Der Beklagten sei aber nicht bekannt gewesen, ob diese Annahme zutreffend gewesen sei und sie habe auch nicht versucht, entsprechende Erkenntnisse zu gewinnen. Nach Auffassung des Klägers sei der Arbeitgeber nicht berechtigt, im Rahmen einer Betriebsratsanhörung Umstände zu erfinden und ins Blaue hinein zu behaupten. Dies komme einer bewussten Lüge zumindest sehr nahe und sei unzulässig.

27

Zudem sei die Kündigung deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger ohne eine vorherige Anhörung des Klägers gekündigt habe. Das Gespräch mit Frau Rechtsanwältin D. ersetzte die Anhörung nicht, zumal die Rechtsanwältin einen Auftrag des Klägers lediglich in der Strafsache besessen habe und der Kläger so keine Gelegenheit gehabt habe, der Beklagten persönliche und für ihn wichtige Belange in Bezug auf die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen.

28

Die Beklagte habe nicht hinreichend dazu vorgetragen, dass die Abwesenheit des Klägers zu Betriebsablaufstörungen führe. Ohne einen solchen Sachvortrag sei die haftbedingte Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung kein ausreichender Kündigungsgrund. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht nicht beachtet, dass der Kläger als Ersttäter und als besonders strafempfindlicher „Familienvater“ durchaus damit habe rechnen können, dass seine Freiheitsstrafe nach Verbüßung der Hälfte der Haftzeit zur Bewährung ausgesetzt würde. Jedenfalls sei eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach 2/3 der Haftstrafe zu erwarten gewesen.

29

Der Kläger beantragt,

30

das angefochtene Urteil aufzuheben und

31

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Kündigung der Beklagten vom 23.10.2014 am 31.3.2015 geendet hat.

32

Die Beklagte beantragt,

33

die Berufung zurückzuweisen

34

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts und trägt ergänzend vor, ein Rechtsgrundsatz, wonach die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, durch persönliche Kontaktaufnahme zum Kläger mehr über die Situation des Klägers herauszufinden, sei ihr nicht bekannt.

35

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Entscheidungsgründe

36

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

37

Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2b) und c) ArbGG statthaft. Sie ist zudem gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit auch im Übrigen zulässig.

II.

38

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

39

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts, die sich die Kammer zu Eigen macht, wird verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Ergänzend und mit Blick auf das Berufungsvorbringen der Parteien ist Folgendes auszuführen:

40

1. Die ordentliche Kündigung ist aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG).

41

a) Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer eine Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren zu verbüßen hat und nicht absehbar ist, ob und ggf. wann er vorzeitig aus der Haft entlassen wird, liegt im Regelfall – unbeschadet einer abschließenden Interessenabwägung – ein personenbedingter Grund zur Kündigung vor (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE die 136, 213 ff.; BAG 24.3.2011 – 2 AZR 790/09 – NZA 2011, 1084 ff.). Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit der Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE die 136, 213 ff.).

42

b) Die Voraussetzungen für eine wirksame personenbedingten Kündigung aufgrund einer Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers lagen im vorliegenden Fall bei Zugang der Kündigungserklärung vom 23. Oktober 2014 vor.

43

Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger im geschlossenen Vollzug in der JVA L. in Niedersachsen und verbüßte dort eine insgesamt 4-jährige Freiheitsstrafe. Unter Einbeziehung der Untersuchungshaft betrug der noch zu verbüßende Teil der Haftstrafe mindestens 3 Jahre und 3 Monate.

44

In dieser Situation war die Beklagte zur fristgemäßen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt. Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen eine andere Beurteilung verlangen würden. Soweit sich der Kläger auf zu erwartende Vollzugslockerungen (aa), eine zu erwartende Aussetzung eines Strafrests zur Bewährung (bb), die unterbliebene Durchführung einer persönlichen Anhörung vor dem Ausspruch der Kündigung (cc) und die fehlende Darlegung konkreter betrieblicher Beeinträchtigungen durch die Beklagte (dd) beruft, ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, ein Überwiegen seines Interesses am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Beendigungsinteresse der Beklagten zu begründen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

45

aa) Zum Zeitpunkt der Kündigung war nicht absehbar, ob und ggf. wann dem Kläger Vollzugslockerungen, insbesondere ein Freigängerstatus gewährt würden und ob etwaige Vollzugslockerungen den Kläger in die Lage versetzen würden, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Beklagten vor dem Ende der Haftstrafe aufzunehmen.

46

Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 790/09 – NZA 2011, 1084 ff.). Hier war zum Zeitpunkt der Kündigung aber völlig ungewiss, ob und ab welchem Zeitpunkt der Kläger einen Freigängerstatus würde erlangen könnte. Ungewiss war auch, ob und ggf. wann ihm eine Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt gewährt werden würde, die es ermöglichen würde, im Rahmen des Freigängerstatus seine arbeitsvertragliche Tätigkeit bei der Beklagten aufzunehmen. Zwar mag der Kläger seine Aussichten in Bezug auf beide Umstände als gut eingeschätzt haben. Konkrete Zusagen in Bezug auf das „ob“ und „wie“ von Vollzugslockerungen – etwa im Rahmen eines Vollzugsplans nach § 7 StVollzG – behauptet der Kläger aber auch in der Berufungsinstanz nicht. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, den Arbeitsplatz bis zu einer Klärung, ggf. über Monate hinweg freizuhalten (BAG 24.3.2011 – 2 AZR 790/09 – NZA 2011, 1084 ff.).

47

bb) Bei Zugang der Kündigung stand auch nicht fest, ob und ggf. wann der Strafrest des Klägers gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden würde. Unmaßgeblich ist in diesem Zusammenhang, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass die Strafe nach der Hälfte der Verbüßung oder jedenfalls nach 2/3 der Verbüßung zu Bewährung ausgesetzt werden würde.

48

Die zukünftige Möglichkeit bzw. Wahrscheinlichkeit, dass die Strafvollstreckungsbehörde einen Teil der Strafe zur Bewährung aussetzen wird, kann bei der Kündigungsentscheidung keine Rolle spielen. Denn nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung u.a. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug; weiterhin ist die Einwilligung der verurteilten Person erforderlich. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann vom Arbeitgeber nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde (so ausdrücklich BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE 136, 213 ff.).

49

cc) Entgegen der Auffassung des Klägers durfte die Beklagte dem Kläger aufgrund der von der Rechtsanwältin Frau D. erhaltenen Informationen kündigen, ohne zuvor das Gespräch mit dem Kläger persönlich gesucht zu haben. Aufgrund der Informationen der Frau D. lag eine hinreichende Tatsachengrundlage für die ausgesprochene Kündigung vor. Eine Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers persönlich vor einer haftbedingten Kündigung besteht nicht.

50

Die Aussagen, die Frau D. gegenüber der Leiterin des Labour Law Departments der Beklagten Frau H. in einem Telefonat am 2.10.2014 gemacht hat, sind dem Kläger zuzurechnen. Denn Frau D. hatte der Beklagten mit Schreiben vom 26.8.2014 (Anlage 4 zur Betriebsratsanhörung Anlagenkonvolut B1, Bl. 34 d.A.) schriftlich angezeigt, dass sie den Kläger anwaltlich vertrat. Weiterhin hatte sie in dem Schreiben vom 26.8.2014 konkrete Fragen zum Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestellt. Hiermit hat Frau D. hinreichend deutlich gemacht, dass sich ihre anwaltliche Vertretungsbefugnis auch auf das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erstreckte. Ausweislich der Zusammenfassung, die Frau H. von dem Inhalt des Telefonats mit Frau D. am 2. Oktober 2014 erstellt hat, hat Frau D. erklärt, vom Kläger dauerhaft von ihrer Schweigepflicht entbunden worden zu sein. Aus dem Sachvortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass diese Erklärung sowie die von Frau D. übermittelten Informationen nicht den Tatsachen entsprochen hätten.

51

Die von der bevollmächtigten, von der Schweigepflicht entbundenen Rechtsanwältin des Klägers abgegebenen Erklärungen durften von der Beklagten zur Grundlage ihrer Kündigungsentscheidung gemacht werden. Wenn es der Kläger für erforderlich gehalten hätte, persönlich den Kontakt zu der Beklagten zu suchen und ihr über die Informationen von Frau D. hinaus selbst seine Sicht der Dinge zu schildern, hätte er diesen Weg beschreiten können. Eine Rechtsgrundlage für eine Verpflichtung der Beklagten, ihrerseits aktiv zu werden und den Kläger vor Ausspruch der Kündigung persönlich anzuhören, ist nicht ersichtlich.

52

dd) Angesichts der Dauer der Haftstrafe des Klägers von mehr als 2 Jahren zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Dies gilt, ohne dass die Beklagte konkrete Betriebsablaufstörungen darlegen müsste. Die Kammer schließt sich insoweit den vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen zur haftbedingten Kündigung an (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE 136, 213 ff.; BAG 23. 5. 2013 – 2 AZR 120/12 – NZA 2013, 1211 ff.). Danach gilt Folgendes:

53

Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Ist der Arbeitnehmer zur Erbringung seiner Arbeitsleistung nicht in der Lage, tritt Unmöglichkeit ein, wenn – wie bei langandauernder Arbeitsverhinderung die Regel – eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann. Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE 136, 213 ff.; BAG 23. 5. 2013 – 2 AZR 120/12 – NZA 2013, 1211 ff.).

54

Wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als 2 Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von 2 Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass der zunehmende Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks infrage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, dass aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 984/08 – BAGE 136, 213 ff.; BAG 23. 5. 2013 – 2 AZR 120/12 – NZA 2013, 1211 ff.).

55

Bei Anwendung der dargestellten Grundsätzen auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die streitgegenständliche Kündigung trotz der Unterhaltspflichten, die den Kläger treffen und trotz des langjährigen störungsfreien Bestandes des Arbeitsverhältnisses allein aufgrund der Dauer der Freiheitsstrafe, die der Kläger bei Zugang der Kündigung noch zu verbüßen hatte, aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist.

56

2. Die Kündigung ist auch nicht gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist vor ihrem Ausspruch ordnungsgemäß beteiligt worden.

57

a) Das Arbeitsgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme überzeugend dargelegt, dass das Anhörungsschreiben dem Betriebsrat am 15. Oktober 2014 durch Übergabe durch die Zeugin Frau H. zugegangen ist. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG verwiesen. Der Kläger greift das erstinstanzliche Urteil insoweit nicht an.

58

b) Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung informiert.

59

aa) Die Beklagte war berechtigt, den Betriebsrat über die ihr vorliegenden Informationen zum Familienstand und den Unterhaltspflichten des Klägers, die sich aus der Lohnsteuerkarte des Klägers ergaben, zu informieren. Auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts, die vom Kläger mit seiner Berufung nicht angegriffen werden, wird verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

60

bb) Auch insoweit, wie die Beklagte auf Seite 8/9 des Anhörungsschreibens die Vermutung geäußert hat, ein offener Vollzug würde vermutlich nicht erlauben, dass eine Rückkehr in die JVA bei einem Arbeitszeitende nach 22:50 Uhr möglich wäre, ist die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß.

61

Bei der Information des Betriebsrats über die Gründe der beabsichtigten Kündigung gilt, wie das Arbeitsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend ausführt, der Grundsatz der subjektiven Determination (BAG 24.6.2004 – 2 AZR 461/03 – juris; BAG 21.6.2001 – 2 AZR 30/00 – EzA § 626 BGB Unkündbarkeit Nr 7).

62

Hier war für den Betriebsrat klar erkennbar, dass ihn die Beklagte nicht über Tatsachen, sondern über eine Annahme informieren wollte. Auf die Frage, ob dieser Annahme zutreffend war, kommt es nicht entscheidend an. Dass die Beklagte ihre Annahme wider besseres Wissen formuliert hat, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht behauptet. Auch insoweit wird auf die überzeugende Begründung des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteils verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

63

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Art und Weise, in der die Beklagte den Betriebsrat informiert hat, gerade dem Sinn und Zweck des § 102 Abs. 1 BetrVG entspricht. Denn der Betriebsrat ist durch die Anhörung darüber in Kenntnis gesetzt worden, von welchen subjektiven Annahmen die Beklagte hinsichtlich der Konditionen ausging, unter denen eine Arbeitstätigkeit während des Freigangs möglich ist. Diese Darstellung versetzte den Betriebsrat in die Lage, sich mit den Annahmen der Beklagten auseinanderzusetzen, sie ggf. richtig zu stellen und hierdurch Einfluss auf die Kündigungsentscheidung der Beklagten als Arbeitgeberin zu nehmen. Gerade diese Art von Austausch zwischen den Betriebsparteien wird durch § 102 Abs. 1 BetrVG angestrebt.

64

Da die Anhörung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt ist, stellt sich die Kündigung insgesamt als wirksam dar.

III.

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

IV.

66

Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht erfüllt sind.

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. März 2011 - 2 AZR 790/09

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 25. Nov. 2010 - 2 AZR 984/08

bei uns veröffentlicht am 25.11.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

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(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht(Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).

13

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.

14

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).

15

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

16

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

17

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.

18

c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

19

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).

20

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.

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f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

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aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

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bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

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(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

25

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.

26

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

27

(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

28

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist(vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

30

II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.

31

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.

32

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 24. Juni 2008 - 5 Ca 105/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1976 geborene ledige Kläger war seit 1992 bei der Beklagten als Industriemechaniker tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 2.500,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Im November 2006 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen. Am 8. Mai 2007 wurde er - bei fortbestehender Inhaftierung - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Zudem erfolgte der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung, die ihm im Hinblick auf eine frühere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gewährt worden war.

4

Die Beklagte erfuhr im Sommer 2007 von der - inzwischen rechtskräftigen - Verurteilung des Klägers. Die Parteien verhandelten daraufhin über den Abschluss und die Modalitäten eines Aufhebungsvertrags. Im November 2007 teilte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit, er strebe den offenen Vollzug an und rechne mit baldiger Arbeitsaufnahme.

5

Mitte Januar 2008 wurde für den Kläger ein Vollzugsplan erstellt. Darin sind der „2/3-Zeitpunkt“ für den 16. Februar 2011 und das Strafende für den 7. April 2013 notiert. Die Möglichkeit eines offenen Vollzugs wurde zunächst verneint. Eine Überprüfung dieser Entscheidung war gemäß dem Plan „im Rahmen einer langfristigen vollzuglichen Perspektivplanung“ und vor dem Hintergrund einer möglichen Beschäftigung bei der Beklagten - nach erfolgter Bewährung des Klägers in Vollzugslockerungen - für Dezember 2008 „angedacht“.

6

Noch im Januar 2008 lehnte der Kläger einen Aufhebungsvertrag endgültig ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 8. Februar 2008 ordentlich zum 30. April 2008. Den Arbeitsplatz des Klägers besetzte sie aus ihrem Personalpool. Zu diesem gehören Mitarbeiter, deren Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist, die aber nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der Beklagten tarifvertraglich ausgeschlossen.

7

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Betriebsablaufstörungen seien nicht eingetreten. Der Beklagten sei es möglich und zumutbar gewesen, die Zeit seiner Inhaftierung bis zur Gewährung von Freigang zu überbrücken. Insbesondere sei ihr zumutbar gewesen, befristet Mitarbeiter einzustellen oder die Stelle intern nur vorübergehend zu besetzen. Sie sei zudem verpflichtet gewesen, ihn bei der Erlangung des Freigängerstatus zu unterstützen. Zumindest habe sie seine Aussicht hierauf nicht durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereiteln dürfen. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Die Beklagte habe es versäumt, diesen von der für Dezember 2008 angedachten Prüfung seiner Eignung für den offenen Vollzug zu unterrichten.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 8. Februar 2008 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den haftbedingten mehrjährigen Ausfall des Klägers sei das Arbeitsverhältnis inhaltsleer geworden. Die befristete Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des Klägers habe sie wegen der langen Haftdauer nicht in Betracht ziehen müssen, zumal eine sachgrundlose Befristung lediglich für einen Zeitraum von zwei Jahren möglich sei. Unabhängig davon benötige sie Planungssicherheit. Sie habe den Arbeitsplatz deshalb dauerhaft anderweitig besetzen dürfen. Ihre Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG habe sie nicht verletzt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 8. Februar 2008 aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

13

1. Als personenbedingter Kündigungsgrund kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an frühere Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB(aF) - auch eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - aaO; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95).

14

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 13; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

15

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154 ). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung des Arbeitsausfalls regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 14, 18).

16

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

17

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

18

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Der Kläger war - unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorhergehenden Verurteilung - zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verurteilt worden, von der im Kündigungszeitpunkt noch knapp fünf Jahre zu verbüßen waren. Konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nicht vor. Die Mitteilung des Klägers vom November 2007, er rechne mit einer baldigen Arbeitsaufnahme, beruhte auf seiner rein subjektiven Einschätzung, die durch die Feststellungen des Vollzugsplans widerlegt ist. Das Ergebnis einer für Dezember 2008 „angedachten“ erneuten Prüfung der Möglichkeit einer Vollzugslockerung war völlig offen. Dieses hing insbesondere vom künftigen, keineswegs vorhersehbaren Verhalten des Klägers im Vollzug ab. Als frühestmöglicher Zeitpunkt für eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aufgrund von § 57 Abs. 1 StGB war im Vollzugsplan ein Termin im Februar 2011 notiert. Auch insoweit ist überdies das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug von Bedeutung und bedarf es zudem deren Einwilligung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht schon für Jahre im Voraus vorhergesagt werden (ähnlich BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 17).

19

c) Unter diesen Umständen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

20

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 22).

21

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung der langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

22

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 24; Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

23

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 25).

24

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (bspw. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) rechtfertigen sich daraus, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26).

25

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung.

26

(1) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald den Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Arbeitsplatz zumindest bis zur Entscheidung über eine etwaige Vollzugslockerung im Dezember 2008 freizuhalten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob dem Kläger eine so weitreichende Vollzugslockerung gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, den Arbeitsplatz bis zu einer Klärung, ggf. über Monate hinweg freizuhalten. Ob die Beklagte davon auszugehen hatte, eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen eines offenen Vollzugs wäre für sie risikofrei, kann unter diesen Umständen dahinstehen.

27

(2) Unerheblich ist, dass die Beklagte den Arbeitsausfall des Klägers durch eine interne Umbesetzung ausgeglichen hat. Damit hat sie nicht zugleich gezeigt, dass ihr eine Überbrückung des Arbeitsausfalls zumutbar war. Um eine in diesem Sinne vorläufige Maßnahme handelte es sich nicht. Vielmehr hat die Beklagte den Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft mit einem Arbeitnehmer aus dem Personalpool besetzt.

28

(3) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers für eine nicht unerhebliche Zeit mit der Besetzung des Arbeitsplatzes zugewartet hat. Die damit verbundene Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers belegt - zumal angesichts laufender Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - nicht, dass es ihr zumutbar gewesen wäre, den Arbeitsplatz des Klägers auch angesichts der Verurteilung des Klägers zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe frei zu halten. Dass die Beklagte in anderen Arbeitsbereichen des Unternehmens einen Personalabbau betrieben haben mag, ist für die Besetzung der Stelle des Klägers nicht relevant. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass bei Ausspruch der Kündigung in seinem Tätigkeitsbereich Beschäftigungsbedarf bestand.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine mehr als fünfzehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, deren beanstandungsfreier Verlauf unterstellt werden kann. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers mit der Kündigung über ein Jahr zugewartet und bereits dadurch in erheblichem Umfang auf dessen Interessen Rücksicht genommen hat. Außerdem war sie, wie die Neubesetzung des Arbeitsplatzes indiziert, auf die Erledigung der dem Kläger übertragenen Arbeit angewiesen.

30

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

31

1. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Insbesondere hat die Beklagte den Personalausschuss des Betriebsrats, dem die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten übertragen ist, ordnungsgemäß über die Gründe der Kündigung unterrichtet. Dies vermag der Senat auf der Grundlage des im Wesentlichen unstreitigen Vortrags der Beklagten selbst zu entscheiden.

32

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die aus seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Sachverhalt muss er unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung und Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5).

33

b) Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat - wie der Kläger gemeint hat - Tatsachen vorenthalten hätte, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss maßgebend waren. Unstrittig lag dem zuständigen Personalausschuss die vollständige Personalakte des Klägers vor, aus der sich dessen Sozialdaten ergaben. Darüber hinaus hatte die Beklagte mitgeteilt, der Kläger sei seit November 2006 haftbedingt der Arbeit fern geblieben und sie beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen „wegen unzumutbarer langer Abwesenheit auf nicht absehbare bzw. nicht weiter zumutbare längere Dauer“ fristgemäß zu kündigen. Auch der Behauptung der Beklagten, sie habe den Personalausschuss im Zusammenhang mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens am 25. Januar 2008 überdies mündlich über die Verurteilung des Klägers und die Dauer der zu verbüßenden Strafhaft unterrichtet, ist der Kläger nicht entgegen getreten. Damit war der Personalausschuss in die Lage versetzt, den Entschluss der Beklagten zur Kündigung nachzuvollziehen und sich über dessen Berechtigung klar zu werden. Auf die für Dezember 2008 „angedachte“ Prüfung der Möglichkeit eines offenen Vollzugs brauchte die Beklagte nicht hinzuweisen. Dies war schon mangels Kenntnis für ihren Kündigungsentschluss nicht bestimmend. Den Vollzugsplan vom Januar 2008 hat der Kläger erst im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgelegt.

34

2. Sonstige Mängel der Kündigung hat der Kläger nicht geltend gemacht.

35

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht(Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).

13

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.

14

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).

15

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

16

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

17

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.

18

c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

19

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).

20

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.

21

f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

22

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

23

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

24

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

25

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.

26

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

27

(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

28

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist(vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

30

II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.

31

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.

32

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 24. Juni 2008 - 5 Ca 105/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1976 geborene ledige Kläger war seit 1992 bei der Beklagten als Industriemechaniker tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 2.500,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Im November 2006 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen. Am 8. Mai 2007 wurde er - bei fortbestehender Inhaftierung - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Zudem erfolgte der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung, die ihm im Hinblick auf eine frühere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gewährt worden war.

4

Die Beklagte erfuhr im Sommer 2007 von der - inzwischen rechtskräftigen - Verurteilung des Klägers. Die Parteien verhandelten daraufhin über den Abschluss und die Modalitäten eines Aufhebungsvertrags. Im November 2007 teilte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit, er strebe den offenen Vollzug an und rechne mit baldiger Arbeitsaufnahme.

5

Mitte Januar 2008 wurde für den Kläger ein Vollzugsplan erstellt. Darin sind der „2/3-Zeitpunkt“ für den 16. Februar 2011 und das Strafende für den 7. April 2013 notiert. Die Möglichkeit eines offenen Vollzugs wurde zunächst verneint. Eine Überprüfung dieser Entscheidung war gemäß dem Plan „im Rahmen einer langfristigen vollzuglichen Perspektivplanung“ und vor dem Hintergrund einer möglichen Beschäftigung bei der Beklagten - nach erfolgter Bewährung des Klägers in Vollzugslockerungen - für Dezember 2008 „angedacht“.

6

Noch im Januar 2008 lehnte der Kläger einen Aufhebungsvertrag endgültig ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 8. Februar 2008 ordentlich zum 30. April 2008. Den Arbeitsplatz des Klägers besetzte sie aus ihrem Personalpool. Zu diesem gehören Mitarbeiter, deren Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist, die aber nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der Beklagten tarifvertraglich ausgeschlossen.

7

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Betriebsablaufstörungen seien nicht eingetreten. Der Beklagten sei es möglich und zumutbar gewesen, die Zeit seiner Inhaftierung bis zur Gewährung von Freigang zu überbrücken. Insbesondere sei ihr zumutbar gewesen, befristet Mitarbeiter einzustellen oder die Stelle intern nur vorübergehend zu besetzen. Sie sei zudem verpflichtet gewesen, ihn bei der Erlangung des Freigängerstatus zu unterstützen. Zumindest habe sie seine Aussicht hierauf nicht durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereiteln dürfen. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Die Beklagte habe es versäumt, diesen von der für Dezember 2008 angedachten Prüfung seiner Eignung für den offenen Vollzug zu unterrichten.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 8. Februar 2008 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den haftbedingten mehrjährigen Ausfall des Klägers sei das Arbeitsverhältnis inhaltsleer geworden. Die befristete Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des Klägers habe sie wegen der langen Haftdauer nicht in Betracht ziehen müssen, zumal eine sachgrundlose Befristung lediglich für einen Zeitraum von zwei Jahren möglich sei. Unabhängig davon benötige sie Planungssicherheit. Sie habe den Arbeitsplatz deshalb dauerhaft anderweitig besetzen dürfen. Ihre Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG habe sie nicht verletzt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 8. Februar 2008 aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

13

1. Als personenbedingter Kündigungsgrund kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an frühere Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB(aF) - auch eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - aaO; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95).

14

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 13; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

15

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154 ). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung des Arbeitsausfalls regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 14, 18).

16

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

17

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

18

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Der Kläger war - unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorhergehenden Verurteilung - zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verurteilt worden, von der im Kündigungszeitpunkt noch knapp fünf Jahre zu verbüßen waren. Konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nicht vor. Die Mitteilung des Klägers vom November 2007, er rechne mit einer baldigen Arbeitsaufnahme, beruhte auf seiner rein subjektiven Einschätzung, die durch die Feststellungen des Vollzugsplans widerlegt ist. Das Ergebnis einer für Dezember 2008 „angedachten“ erneuten Prüfung der Möglichkeit einer Vollzugslockerung war völlig offen. Dieses hing insbesondere vom künftigen, keineswegs vorhersehbaren Verhalten des Klägers im Vollzug ab. Als frühestmöglicher Zeitpunkt für eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aufgrund von § 57 Abs. 1 StGB war im Vollzugsplan ein Termin im Februar 2011 notiert. Auch insoweit ist überdies das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug von Bedeutung und bedarf es zudem deren Einwilligung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht schon für Jahre im Voraus vorhergesagt werden (ähnlich BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 17).

19

c) Unter diesen Umständen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

20

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 22).

21

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung der langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

22

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 24; Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

23

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 25).

24

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (bspw. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) rechtfertigen sich daraus, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26).

25

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung.

26

(1) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald den Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Arbeitsplatz zumindest bis zur Entscheidung über eine etwaige Vollzugslockerung im Dezember 2008 freizuhalten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob dem Kläger eine so weitreichende Vollzugslockerung gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, den Arbeitsplatz bis zu einer Klärung, ggf. über Monate hinweg freizuhalten. Ob die Beklagte davon auszugehen hatte, eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen eines offenen Vollzugs wäre für sie risikofrei, kann unter diesen Umständen dahinstehen.

27

(2) Unerheblich ist, dass die Beklagte den Arbeitsausfall des Klägers durch eine interne Umbesetzung ausgeglichen hat. Damit hat sie nicht zugleich gezeigt, dass ihr eine Überbrückung des Arbeitsausfalls zumutbar war. Um eine in diesem Sinne vorläufige Maßnahme handelte es sich nicht. Vielmehr hat die Beklagte den Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft mit einem Arbeitnehmer aus dem Personalpool besetzt.

28

(3) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers für eine nicht unerhebliche Zeit mit der Besetzung des Arbeitsplatzes zugewartet hat. Die damit verbundene Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers belegt - zumal angesichts laufender Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - nicht, dass es ihr zumutbar gewesen wäre, den Arbeitsplatz des Klägers auch angesichts der Verurteilung des Klägers zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe frei zu halten. Dass die Beklagte in anderen Arbeitsbereichen des Unternehmens einen Personalabbau betrieben haben mag, ist für die Besetzung der Stelle des Klägers nicht relevant. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass bei Ausspruch der Kündigung in seinem Tätigkeitsbereich Beschäftigungsbedarf bestand.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine mehr als fünfzehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, deren beanstandungsfreier Verlauf unterstellt werden kann. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers mit der Kündigung über ein Jahr zugewartet und bereits dadurch in erheblichem Umfang auf dessen Interessen Rücksicht genommen hat. Außerdem war sie, wie die Neubesetzung des Arbeitsplatzes indiziert, auf die Erledigung der dem Kläger übertragenen Arbeit angewiesen.

30

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

31

1. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Insbesondere hat die Beklagte den Personalausschuss des Betriebsrats, dem die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten übertragen ist, ordnungsgemäß über die Gründe der Kündigung unterrichtet. Dies vermag der Senat auf der Grundlage des im Wesentlichen unstreitigen Vortrags der Beklagten selbst zu entscheiden.

32

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die aus seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Sachverhalt muss er unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung und Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5).

33

b) Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat - wie der Kläger gemeint hat - Tatsachen vorenthalten hätte, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss maßgebend waren. Unstrittig lag dem zuständigen Personalausschuss die vollständige Personalakte des Klägers vor, aus der sich dessen Sozialdaten ergaben. Darüber hinaus hatte die Beklagte mitgeteilt, der Kläger sei seit November 2006 haftbedingt der Arbeit fern geblieben und sie beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen „wegen unzumutbarer langer Abwesenheit auf nicht absehbare bzw. nicht weiter zumutbare längere Dauer“ fristgemäß zu kündigen. Auch der Behauptung der Beklagten, sie habe den Personalausschuss im Zusammenhang mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens am 25. Januar 2008 überdies mündlich über die Verurteilung des Klägers und die Dauer der zu verbüßenden Strafhaft unterrichtet, ist der Kläger nicht entgegen getreten. Damit war der Personalausschuss in die Lage versetzt, den Entschluss der Beklagten zur Kündigung nachzuvollziehen und sich über dessen Berechtigung klar zu werden. Auf die für Dezember 2008 „angedachte“ Prüfung der Möglichkeit eines offenen Vollzugs brauchte die Beklagte nicht hinzuweisen. Dies war schon mangels Kenntnis für ihren Kündigungsentschluss nicht bestimmend. Den Vollzugsplan vom Januar 2008 hat der Kläger erst im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgelegt.

34

2. Sonstige Mängel der Kündigung hat der Kläger nicht geltend gemacht.

35

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt.

(2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behandlungsmaßnahmen:

1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2.
die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt,
3.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4.
den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung,
5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6.
besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen,
7.
Lockerungen des Vollzuges und
8.
notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung.

(3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.

(4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27. Mai 2009 - 2 Sa 1261/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 24. Juni 2008 - 5 Ca 105/08 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1976 geborene ledige Kläger war seit 1992 bei der Beklagten als Industriemechaniker tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 2.500,00 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Im November 2006 wurde der Kläger in Untersuchungshaft genommen. Am 8. Mai 2007 wurde er - bei fortbestehender Inhaftierung - wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Zudem erfolgte der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung, die ihm im Hinblick auf eine frühere Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten gewährt worden war.

4

Die Beklagte erfuhr im Sommer 2007 von der - inzwischen rechtskräftigen - Verurteilung des Klägers. Die Parteien verhandelten daraufhin über den Abschluss und die Modalitäten eines Aufhebungsvertrags. Im November 2007 teilte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten mit, er strebe den offenen Vollzug an und rechne mit baldiger Arbeitsaufnahme.

5

Mitte Januar 2008 wurde für den Kläger ein Vollzugsplan erstellt. Darin sind der „2/3-Zeitpunkt“ für den 16. Februar 2011 und das Strafende für den 7. April 2013 notiert. Die Möglichkeit eines offenen Vollzugs wurde zunächst verneint. Eine Überprüfung dieser Entscheidung war gemäß dem Plan „im Rahmen einer langfristigen vollzuglichen Perspektivplanung“ und vor dem Hintergrund einer möglichen Beschäftigung bei der Beklagten - nach erfolgter Bewährung des Klägers in Vollzugslockerungen - für Dezember 2008 „angedacht“.

6

Noch im Januar 2008 lehnte der Kläger einen Aufhebungsvertrag endgültig ab. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis - nach Anhörung des Betriebsrats - mit Schreiben vom 8. Februar 2008 ordentlich zum 30. April 2008. Den Arbeitsplatz des Klägers besetzte sie aus ihrem Personalpool. Zu diesem gehören Mitarbeiter, deren Beschäftigungsmöglichkeit entfallen ist, die aber nicht aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der Beklagten tarifvertraglich ausgeschlossen.

7

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Betriebsablaufstörungen seien nicht eingetreten. Der Beklagten sei es möglich und zumutbar gewesen, die Zeit seiner Inhaftierung bis zur Gewährung von Freigang zu überbrücken. Insbesondere sei ihr zumutbar gewesen, befristet Mitarbeiter einzustellen oder die Stelle intern nur vorübergehend zu besetzen. Sie sei zudem verpflichtet gewesen, ihn bei der Erlangung des Freigängerstatus zu unterstützen. Zumindest habe sie seine Aussicht hierauf nicht durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereiteln dürfen. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Die Beklagte habe es versäumt, diesen von der für Dezember 2008 angedachten Prüfung seiner Eignung für den offenen Vollzug zu unterrichten.

8

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 8. Februar 2008 nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, durch den haftbedingten mehrjährigen Ausfall des Klägers sei das Arbeitsverhältnis inhaltsleer geworden. Die befristete Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers auf dem Arbeitsplatz des Klägers habe sie wegen der langen Haftdauer nicht in Betracht ziehen müssen, zumal eine sachgrundlose Befristung lediglich für einen Zeitraum von zwei Jahren möglich sei. Unabhängig davon benötige sie Planungssicherheit. Sie habe den Arbeitsplatz deshalb dauerhaft anderweitig besetzen dürfen. Ihre Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG habe sie nicht verletzt.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 8. Februar 2008 aufgelöst worden.

12

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

13

1. Als personenbedingter Kündigungsgrund kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an frühere Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB(aF) - auch eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (st. Rspr., BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - aaO; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95).

14

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 13; 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

15

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (BAG 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154 ). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (BAG 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung des Arbeitsausfalls regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 14, 18).

16

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

17

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Berücksichtigung finden (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 32; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

18

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Der Kläger war - unter Einbeziehung der Strafe aus einer vorhergehenden Verurteilung - zu einer Freiheitsstrafe von über sechs Jahren verurteilt worden, von der im Kündigungszeitpunkt noch knapp fünf Jahre zu verbüßen waren. Konkrete Anhaltspunkte für eine baldige Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nicht vor. Die Mitteilung des Klägers vom November 2007, er rechne mit einer baldigen Arbeitsaufnahme, beruhte auf seiner rein subjektiven Einschätzung, die durch die Feststellungen des Vollzugsplans widerlegt ist. Das Ergebnis einer für Dezember 2008 „angedachten“ erneuten Prüfung der Möglichkeit einer Vollzugslockerung war völlig offen. Dieses hing insbesondere vom künftigen, keineswegs vorhersehbaren Verhalten des Klägers im Vollzug ab. Als frühestmöglicher Zeitpunkt für eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung aufgrund von § 57 Abs. 1 StGB war im Vollzugsplan ein Termin im Februar 2011 notiert. Auch insoweit ist überdies das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug von Bedeutung und bedarf es zudem deren Einwilligung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann nicht schon für Jahre im Voraus vorhergesagt werden (ähnlich BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 17).

19

c) Unter diesen Umständen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate deutlich übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

20

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 11. Aufl. § 611 Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 22).

21

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung der langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

22

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 24; Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

23

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 25).

24

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (bspw. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) rechtfertigen sich daraus, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26).

25

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung.

26

(1) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald den Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Arbeitsplatz zumindest bis zur Entscheidung über eine etwaige Vollzugslockerung im Dezember 2008 freizuhalten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, bei der Erlangung des Freigängerstatus des Arbeitnehmers mitzuwirken, wenn dies für den Arbeitgeber nicht risikobehaftet ist(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob dem Kläger eine so weitreichende Vollzugslockerung gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, den Arbeitsplatz bis zu einer Klärung, ggf. über Monate hinweg freizuhalten. Ob die Beklagte davon auszugehen hatte, eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen eines offenen Vollzugs wäre für sie risikofrei, kann unter diesen Umständen dahinstehen.

27

(2) Unerheblich ist, dass die Beklagte den Arbeitsausfall des Klägers durch eine interne Umbesetzung ausgeglichen hat. Damit hat sie nicht zugleich gezeigt, dass ihr eine Überbrückung des Arbeitsausfalls zumutbar war. Um eine in diesem Sinne vorläufige Maßnahme handelte es sich nicht. Vielmehr hat die Beklagte den Arbeitsplatz des Klägers dauerhaft mit einem Arbeitnehmer aus dem Personalpool besetzt.

28

(3) Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers für eine nicht unerhebliche Zeit mit der Besetzung des Arbeitsplatzes zugewartet hat. Die damit verbundene Rücksichtnahme auf die Interessen des Klägers belegt - zumal angesichts laufender Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags - nicht, dass es ihr zumutbar gewesen wäre, den Arbeitsplatz des Klägers auch angesichts der Verurteilung des Klägers zu einer mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe frei zu halten. Dass die Beklagte in anderen Arbeitsbereichen des Unternehmens einen Personalabbau betrieben haben mag, ist für die Besetzung der Stelle des Klägers nicht relevant. Der Kläger stellt nicht in Abrede, dass bei Ausspruch der Kündigung in seinem Tätigkeitsbereich Beschäftigungsbedarf bestand.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine mehr als fünfzehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, deren beanstandungsfreier Verlauf unterstellt werden kann. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Hinzu kommt, dass die Beklagte nach der Inhaftierung des Klägers mit der Kündigung über ein Jahr zugewartet und bereits dadurch in erheblichem Umfang auf dessen Interessen Rücksicht genommen hat. Außerdem war sie, wie die Neubesetzung des Arbeitsplatzes indiziert, auf die Erledigung der dem Kläger übertragenen Arbeit angewiesen.

30

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

31

1. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Insbesondere hat die Beklagte den Personalausschuss des Betriebsrats, dem die Wahrnehmung der Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten übertragen ist, ordnungsgemäß über die Gründe der Kündigung unterrichtet. Dies vermag der Senat auf der Grundlage des im Wesentlichen unstreitigen Vortrags der Beklagten selbst zu entscheiden.

32

a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die aus seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Diesen Sachverhalt muss er unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Anhörung und Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings, im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (BAG 5. November 2009 - 2 AZR 676/08 - Rn. 40, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 183 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 20; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 536/02 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 65 = EzA BetrVG 2001 § 102 Nr. 5).

33

b) Hiervon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte dem Betriebsrat - wie der Kläger gemeint hat - Tatsachen vorenthalten hätte, die aus ihrer Sicht für den Kündigungsentschluss maßgebend waren. Unstrittig lag dem zuständigen Personalausschuss die vollständige Personalakte des Klägers vor, aus der sich dessen Sozialdaten ergaben. Darüber hinaus hatte die Beklagte mitgeteilt, der Kläger sei seit November 2006 haftbedingt der Arbeit fern geblieben und sie beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen „wegen unzumutbarer langer Abwesenheit auf nicht absehbare bzw. nicht weiter zumutbare längere Dauer“ fristgemäß zu kündigen. Auch der Behauptung der Beklagten, sie habe den Personalausschuss im Zusammenhang mit der Einleitung des Anhörungsverfahrens am 25. Januar 2008 überdies mündlich über die Verurteilung des Klägers und die Dauer der zu verbüßenden Strafhaft unterrichtet, ist der Kläger nicht entgegen getreten. Damit war der Personalausschuss in die Lage versetzt, den Entschluss der Beklagten zur Kündigung nachzuvollziehen und sich über dessen Berechtigung klar zu werden. Auf die für Dezember 2008 „angedachte“ Prüfung der Möglichkeit eines offenen Vollzugs brauchte die Beklagte nicht hinzuweisen. Dies war schon mangels Kenntnis für ihren Kündigungsentschluss nicht bestimmend. Den Vollzugsplan vom Januar 2008 hat der Kläger erst im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgelegt.

34

2. Sonstige Mängel der Kündigung hat der Kläger nicht geltend gemacht.

35

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Th. Gans    

        

    Pitsch    

                 

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.

(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn

1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.

(3) Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.

(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.

(5) Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.

(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht(Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).

13

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.

14

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).

15

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

16

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

17

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.

18

c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

19

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).

20

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.

21

f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

22

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

23

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

24

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

25

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.

26

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

27

(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

28

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist(vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

30

II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.

31

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.

32

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. Oktober 2011 - 15 Sa 33/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte produziert Automobile. Der Kläger war bei ihr seit 1997 als Fahrzeugpolsterer beschäftigt. Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

3

In der Zeit vom 12. März bis zum 10. April 2008 befand sich der Kläger wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft. Am 23. September 2008 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

4

Am 17. September 2010 wurde der Kläger erneut vorläufig festgenommen. Im Anschluss daran befand er sich in Untersuchungshaft. Am 20. September 2010 teilte seine Ehefrau dies der Beklagten mit. Grund für die Verhaftung war, dass der Kläger zusammen mit einer weiteren Person eine „Haschisch-Plantage“ betrieb. Dort hatte die Polizei 18 Kilogramm Cannabispflanzen gefunden. Eine solche Menge enthält ca. zwei bis drei Kilogramm des Wirkstoffs THC.

5

In den Folgetagen versuchte die Beklagte erfolglos, mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Kontakt aufzunehmen. Mit Schreiben vom 24. September 2010 forderte sie den Kläger auf, zum Sachstand Stellung zu nehmen. Am 27. September 2010 erhielt sie Kenntnis von einem Zeitungsartikel, aus welchem sich ua. die gefundene Cannabismenge ergab. Am 1. Oktober 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, zu einem Haftprüfungstermin, einem Termin zur Hauptverhandlung und einem zu erwartenden Strafmaß könne er sich frühestens nach Akteneinsicht äußern. Über eine Haftverschonung werde noch verhandelt. Am 7. Oktober 2010 teilte er mit, dass ein Ende der Inhaftierung nicht absehbar sei und sich eine etwaige weitere Verurteilung aller Voraussicht nach negativ auf die Aussetzung der ersten Haftstrafe zur Bewährung auswirke.

6

Am 8. Oktober 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30. Juni 2011 an. Dieser äußerte Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 kündigte sie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin und gab diesen mit dem 30. Juni 2011 an. Gegen beide Kündigungen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.

8

Am 1. Februar 2011 fand der erste Hauptverhandlungstermin im Strafverfahren statt. Das Amtsgericht verhängte gegen den Kläger mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 17. Februar 2011 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

9

Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 beantragte der Kläger die Zurückstellung der Freiheitsstrafe ab September 2011 zwecks Durchführung einer Drogentherapie gem. § 35 BtMG. Am 21. Juli 2011 entschied die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 BtMG für die Behandlung in einer Therapieeinrichtung ab dem 19. September 2011 für die Dauer von längstens zwei Jahren zurückzustellen. Die nachgewiesene Zeit des Aufenthalts sollte gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG auf die Strafe angerechnet werden, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt wären. Am 19. September 2011 nahm der Kläger die (teilstationäre) Therapie auf.

10

Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Aussetzung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 23. September 2008 zu widerrufen. Über den Antrag des Klägers, die Verbüßung dieser Strafe zurückzustellen, war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein haftbedingtes Fehlen sei kein Kündigungsgrund. Bei einer Zurückstellung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 sei damit zu rechnen gewesen, dass er spätestens im Jahr 2012 seiner Arbeitsverpflichtung wieder würde nachkommen können. Genauere und sichere Angaben zum Zeitpunkt seiner Einsatzfähigkeit seien ihm nicht möglich gewesen. Er habe beantragen wollen, die noch zu verbüßende Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Üblicherweise werde einem solchen Antrag stattgegeben, wenn eine Drogentherapie mit Erfolg abgeschlossen worden sei.

12

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 12. Oktober 2010, noch durch die Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden ist.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie damit rechnen müssen, dass der Kläger durch die zu erwartende neuerliche Haftstrafe über Jahre an der Wiederaufnahme seiner Arbeit gehindert wäre. Da die sichergestellte Drogenmenge höher gewesen sei als bei der Straftat im Jahr 2008, habe sie davon ausgehen müssen, dass eine längere Haftstrafe verhängt würde. Diese Prognose habe sich durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestätigt. Das Fehlen des Klägers habe zu betrieblichen Beeinträchtigungen geführt. Das Arbeitsverhältnis sei zudem seit Jahren durch verspätete Arbeitsaufnahmen und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet gewesen.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 12. Oktober 2010 nicht aufgelöst worden ist. Die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 zu Recht für sozial gerechtfertigt gehalten.

16

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

17

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12; 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15).

18

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung - noch - gerecht. Der Kläger hat dargelegt, dass und aus welchen Gründen er die tragende Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei Ausspruch der Kündigung sei mit einer Haftdauer von mehr als zwei Jahren zu rechnen gewesen, für rechtsfehlerhaft hält.

19

II. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden.

20

1. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

21

a) Als Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers kommen Umstände in Betracht, die auf einer in dessen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13; 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN). Zu diesen zählt eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12, BAGE 136, 213; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe). Deren Qualifizierung als Grund in der Person des Arbeitnehmers lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13).

22

b) Eine Würdigung des der Haft zugrunde liegenden Tatgeschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn dieses einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 14). Das ist hier nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verneint. Dagegen wendet sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung nurmehr auf die im Erklärungszeitpunkt zu erwartenden haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

23

c) Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

24

aa) Maßgebend für die vom Arbeitgeber insoweit anzustellende Prognose sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in engen Grenzen Berücksichtigung finden (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 17; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349).

25

bb) Grundlage für die Prognose muss nicht zwingend eine bereits erfolgte - rechtskräftige - strafgerichtliche Verurteilung sein. Die Erwartung, der Arbeitnehmer werde für längere Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert sein, kann auch im Fall der Untersuchungshaft berechtigt sein. Dann kommt es darauf an, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine solche Prognose rechtfertigen. Da ohne rechtskräftige Verurteilung nicht auszuschließen ist, dass sich die Annahme als unzutreffend erweist, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.

26

d) Die (prognostizierte) Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer der Haft sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben. Das ist sie nicht, wenn es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, für die Zeit des haftbedingten Arbeitsausfalls Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft frei zu halten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15; 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe). Jedenfalls dann, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers gerechnet werden muss, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

27

e) Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile dennoch zumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen. Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die haftbedingte Arbeitsverhinderung in aller Regel selbst zu vertreten hat (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

28

f) Danach ist die Kündigung vom 15. Oktober 2010 sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die zu erwartende haftbedingte Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

29

aa) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte mit hoher Gewissheit damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer mehrerer Jahre an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wäre.

30

(1) Der Kläger befand sich bei Zugang der Kündigung bereits seit vier Wochen in Untersuchungshaft. Der Beklagten war das dem Kläger vorgeworfene Delikt bekannt. Sie hatte alle ihr möglichen Maßnahmen zur Klärung einer möglichen Haftdauer ergriffen, insbesondere dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Gelegenheit gegeben, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Der Kläger hat zu keiner Zeit bestritten, die Straftat begangen zu haben. Sein Prozessbevollmächtigter hatte erklärt, ein kurzfristiges Ende der Inhaftierung sei nicht abzusehen.

31

(2) Unter diesen Umständen und nach den ihr vorliegenden Informationen musste die Beklagte davon ausgehen, der Kläger habe die ihm vorgeworfene Straftat tatsächlich begangen. Aus ihrer - objektiv berechtigten - Sicht stand deshalb als sicher zu erwarten, dass der Kläger strafrechtlich verurteilt würde. Ungewiss war allenfalls das Maß der zu erwartenden Strafe. Für deren mögliche Höhe gab es allerdings objektive Anhaltspunkte. Der Kläger war im Jahr 2008 wegen eines ähnlichen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. In Anbetracht seiner erneuten Straffälligkeit noch innerhalb des Bewährungszeitraums und der ihr bekannten Tatumstände, insbesondere der Menge der aufgefundenen Cannabispflanzen und des in ihnen enthaltenen Wirkstoffs, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Strafmaß für die erneute Straftat jedenfalls nicht geringer als zuvor ausfiele und zudem die Aussetzung der Vorstrafe zur Bewährung widerrufen würde.

32

(3) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl vorzeitig und alsbald seine Tätigkeit wieder würde aufnehmen können, waren bei Kündigungszugang nicht ersichtlich. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Durchführung einer Therapie nach § 35 BtMG noch nicht gestellt, dementsprechend hatte die Beklagte keine Kenntnis von seiner späteren Einsicht und Therapiebereitschaft. Der Kläger hat im Übrigen nicht behauptet, er sei während der Durchführung der - teilstationären - Therapie arbeitsfähig gewesen. Ob und ggf. wann ein Rest der zu verbüßenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt würde, war deshalb im Kündigungszeitpunkt völlig unklar.

33

bb) Angesichts dessen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zuzumuten.

34

(1) Die Beklagte musste mit der Erklärung der Kündigung als solcher nicht noch zuwarten. Sie war nicht etwa verpflichtet, den Arbeitsplatz bis zur Entscheidung über eine mögliche Strafaussetzung zur Bewährung frei zu halten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, den Arbeitnehmer bei seinem Streben nach Vollzugslockerungen zu unterstützen(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28, BAGE 136, 213 ; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob und wann dem Kläger eine Aussetzung seiner Strafe gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, bis zum Zeitpunkt einer Klärung, dh. möglicherweise über Monate hinweg die Rückkehr auf den Arbeitsplatz zu ermöglichen.

35

(2) Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es wegen der für den Kläger zu erwartenden mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe und der damit verbundenen hohen Wahrscheinlichkeit einer entsprechend langen Abwesenheit nicht.

36

(a) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 20).

37

(b) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

38

(c) Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar hat er bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 24). Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) beruhen darauf, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26, BAGE  136, 213 ).

39

(3) Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine fast dreizehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Im Jahr 2008 befand sich der Kläger schon einmal für die Dauer von vier Wochen in Untersuchungshaft. Seinen neuerlichen, aller Voraussicht nach langdauernden Ausfall hat der Kläger selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Im Rahmen der Interessenabwägung erhebliche, ihn entlastende besondere Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Von der Beklagten kann deshalb nicht verlangt werden, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen.

40

2. Andere Gründe, aus denen die Kündigung vom 15. Oktober 2010 unwirksam sein könnte, sind nicht ersichtlich. Den Betriebsrat hat die Beklagte ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

41

III. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht(Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).

13

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.

14

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).

15

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

16

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

17

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.

18

c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

19

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).

20

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.

21

f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

22

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

23

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

24

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

25

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.

26

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

27

(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

28

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist(vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

30

II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.

31

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.

32

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. Oktober 2011 - 15 Sa 33/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte produziert Automobile. Der Kläger war bei ihr seit 1997 als Fahrzeugpolsterer beschäftigt. Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

3

In der Zeit vom 12. März bis zum 10. April 2008 befand sich der Kläger wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft. Am 23. September 2008 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

4

Am 17. September 2010 wurde der Kläger erneut vorläufig festgenommen. Im Anschluss daran befand er sich in Untersuchungshaft. Am 20. September 2010 teilte seine Ehefrau dies der Beklagten mit. Grund für die Verhaftung war, dass der Kläger zusammen mit einer weiteren Person eine „Haschisch-Plantage“ betrieb. Dort hatte die Polizei 18 Kilogramm Cannabispflanzen gefunden. Eine solche Menge enthält ca. zwei bis drei Kilogramm des Wirkstoffs THC.

5

In den Folgetagen versuchte die Beklagte erfolglos, mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Kontakt aufzunehmen. Mit Schreiben vom 24. September 2010 forderte sie den Kläger auf, zum Sachstand Stellung zu nehmen. Am 27. September 2010 erhielt sie Kenntnis von einem Zeitungsartikel, aus welchem sich ua. die gefundene Cannabismenge ergab. Am 1. Oktober 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, zu einem Haftprüfungstermin, einem Termin zur Hauptverhandlung und einem zu erwartenden Strafmaß könne er sich frühestens nach Akteneinsicht äußern. Über eine Haftverschonung werde noch verhandelt. Am 7. Oktober 2010 teilte er mit, dass ein Ende der Inhaftierung nicht absehbar sei und sich eine etwaige weitere Verurteilung aller Voraussicht nach negativ auf die Aussetzung der ersten Haftstrafe zur Bewährung auswirke.

6

Am 8. Oktober 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30. Juni 2011 an. Dieser äußerte Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 kündigte sie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin und gab diesen mit dem 30. Juni 2011 an. Gegen beide Kündigungen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.

8

Am 1. Februar 2011 fand der erste Hauptverhandlungstermin im Strafverfahren statt. Das Amtsgericht verhängte gegen den Kläger mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 17. Februar 2011 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

9

Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 beantragte der Kläger die Zurückstellung der Freiheitsstrafe ab September 2011 zwecks Durchführung einer Drogentherapie gem. § 35 BtMG. Am 21. Juli 2011 entschied die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 BtMG für die Behandlung in einer Therapieeinrichtung ab dem 19. September 2011 für die Dauer von längstens zwei Jahren zurückzustellen. Die nachgewiesene Zeit des Aufenthalts sollte gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG auf die Strafe angerechnet werden, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt wären. Am 19. September 2011 nahm der Kläger die (teilstationäre) Therapie auf.

10

Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Aussetzung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 23. September 2008 zu widerrufen. Über den Antrag des Klägers, die Verbüßung dieser Strafe zurückzustellen, war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein haftbedingtes Fehlen sei kein Kündigungsgrund. Bei einer Zurückstellung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 sei damit zu rechnen gewesen, dass er spätestens im Jahr 2012 seiner Arbeitsverpflichtung wieder würde nachkommen können. Genauere und sichere Angaben zum Zeitpunkt seiner Einsatzfähigkeit seien ihm nicht möglich gewesen. Er habe beantragen wollen, die noch zu verbüßende Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Üblicherweise werde einem solchen Antrag stattgegeben, wenn eine Drogentherapie mit Erfolg abgeschlossen worden sei.

12

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 12. Oktober 2010, noch durch die Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden ist.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie damit rechnen müssen, dass der Kläger durch die zu erwartende neuerliche Haftstrafe über Jahre an der Wiederaufnahme seiner Arbeit gehindert wäre. Da die sichergestellte Drogenmenge höher gewesen sei als bei der Straftat im Jahr 2008, habe sie davon ausgehen müssen, dass eine längere Haftstrafe verhängt würde. Diese Prognose habe sich durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestätigt. Das Fehlen des Klägers habe zu betrieblichen Beeinträchtigungen geführt. Das Arbeitsverhältnis sei zudem seit Jahren durch verspätete Arbeitsaufnahmen und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet gewesen.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 12. Oktober 2010 nicht aufgelöst worden ist. Die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 zu Recht für sozial gerechtfertigt gehalten.

16

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

17

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12; 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15).

18

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung - noch - gerecht. Der Kläger hat dargelegt, dass und aus welchen Gründen er die tragende Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei Ausspruch der Kündigung sei mit einer Haftdauer von mehr als zwei Jahren zu rechnen gewesen, für rechtsfehlerhaft hält.

19

II. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden.

20

1. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

21

a) Als Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers kommen Umstände in Betracht, die auf einer in dessen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13; 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN). Zu diesen zählt eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12, BAGE 136, 213; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe). Deren Qualifizierung als Grund in der Person des Arbeitnehmers lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13).

22

b) Eine Würdigung des der Haft zugrunde liegenden Tatgeschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn dieses einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 14). Das ist hier nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verneint. Dagegen wendet sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung nurmehr auf die im Erklärungszeitpunkt zu erwartenden haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

23

c) Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

24

aa) Maßgebend für die vom Arbeitgeber insoweit anzustellende Prognose sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in engen Grenzen Berücksichtigung finden (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 17; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349).

25

bb) Grundlage für die Prognose muss nicht zwingend eine bereits erfolgte - rechtskräftige - strafgerichtliche Verurteilung sein. Die Erwartung, der Arbeitnehmer werde für längere Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert sein, kann auch im Fall der Untersuchungshaft berechtigt sein. Dann kommt es darauf an, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine solche Prognose rechtfertigen. Da ohne rechtskräftige Verurteilung nicht auszuschließen ist, dass sich die Annahme als unzutreffend erweist, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.

26

d) Die (prognostizierte) Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer der Haft sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben. Das ist sie nicht, wenn es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, für die Zeit des haftbedingten Arbeitsausfalls Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft frei zu halten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15; 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe). Jedenfalls dann, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers gerechnet werden muss, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

27

e) Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile dennoch zumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen. Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die haftbedingte Arbeitsverhinderung in aller Regel selbst zu vertreten hat (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

28

f) Danach ist die Kündigung vom 15. Oktober 2010 sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die zu erwartende haftbedingte Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

29

aa) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte mit hoher Gewissheit damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer mehrerer Jahre an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wäre.

30

(1) Der Kläger befand sich bei Zugang der Kündigung bereits seit vier Wochen in Untersuchungshaft. Der Beklagten war das dem Kläger vorgeworfene Delikt bekannt. Sie hatte alle ihr möglichen Maßnahmen zur Klärung einer möglichen Haftdauer ergriffen, insbesondere dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Gelegenheit gegeben, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Der Kläger hat zu keiner Zeit bestritten, die Straftat begangen zu haben. Sein Prozessbevollmächtigter hatte erklärt, ein kurzfristiges Ende der Inhaftierung sei nicht abzusehen.

31

(2) Unter diesen Umständen und nach den ihr vorliegenden Informationen musste die Beklagte davon ausgehen, der Kläger habe die ihm vorgeworfene Straftat tatsächlich begangen. Aus ihrer - objektiv berechtigten - Sicht stand deshalb als sicher zu erwarten, dass der Kläger strafrechtlich verurteilt würde. Ungewiss war allenfalls das Maß der zu erwartenden Strafe. Für deren mögliche Höhe gab es allerdings objektive Anhaltspunkte. Der Kläger war im Jahr 2008 wegen eines ähnlichen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. In Anbetracht seiner erneuten Straffälligkeit noch innerhalb des Bewährungszeitraums und der ihr bekannten Tatumstände, insbesondere der Menge der aufgefundenen Cannabispflanzen und des in ihnen enthaltenen Wirkstoffs, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Strafmaß für die erneute Straftat jedenfalls nicht geringer als zuvor ausfiele und zudem die Aussetzung der Vorstrafe zur Bewährung widerrufen würde.

32

(3) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl vorzeitig und alsbald seine Tätigkeit wieder würde aufnehmen können, waren bei Kündigungszugang nicht ersichtlich. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Durchführung einer Therapie nach § 35 BtMG noch nicht gestellt, dementsprechend hatte die Beklagte keine Kenntnis von seiner späteren Einsicht und Therapiebereitschaft. Der Kläger hat im Übrigen nicht behauptet, er sei während der Durchführung der - teilstationären - Therapie arbeitsfähig gewesen. Ob und ggf. wann ein Rest der zu verbüßenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt würde, war deshalb im Kündigungszeitpunkt völlig unklar.

33

bb) Angesichts dessen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zuzumuten.

34

(1) Die Beklagte musste mit der Erklärung der Kündigung als solcher nicht noch zuwarten. Sie war nicht etwa verpflichtet, den Arbeitsplatz bis zur Entscheidung über eine mögliche Strafaussetzung zur Bewährung frei zu halten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, den Arbeitnehmer bei seinem Streben nach Vollzugslockerungen zu unterstützen(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28, BAGE 136, 213 ; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob und wann dem Kläger eine Aussetzung seiner Strafe gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, bis zum Zeitpunkt einer Klärung, dh. möglicherweise über Monate hinweg die Rückkehr auf den Arbeitsplatz zu ermöglichen.

35

(2) Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es wegen der für den Kläger zu erwartenden mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe und der damit verbundenen hohen Wahrscheinlichkeit einer entsprechend langen Abwesenheit nicht.

36

(a) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 20).

37

(b) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

38

(c) Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar hat er bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 24). Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) beruhen darauf, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26, BAGE  136, 213 ).

39

(3) Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine fast dreizehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Im Jahr 2008 befand sich der Kläger schon einmal für die Dauer von vier Wochen in Untersuchungshaft. Seinen neuerlichen, aller Voraussicht nach langdauernden Ausfall hat der Kläger selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Im Rahmen der Interessenabwägung erhebliche, ihn entlastende besondere Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Von der Beklagten kann deshalb nicht verlangt werden, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen.

40

2. Andere Gründe, aus denen die Kündigung vom 15. Oktober 2010 unwirksam sein könnte, sind nicht ersichtlich. Den Betriebsrat hat die Beklagte ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

41

III. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Oktober 2008 - 21 Sa 28/08 - aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2008 - 19 Ca 6145/07 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Der 1968 geborene, ledige Kläger war seit Januar 1989 bei der Beklagten als Lagerarbeiter im Ersatzteileversand tätig. Sein monatlicher Bruttoverdienst betrug zuletzt 3.346,65 Euro. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. Sie beschäftigt regelmäßig weit mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.

3

Am 9. Februar 2006 wurde der Kläger an seinem Arbeitsplatz durch Polizeibeamte vorläufig festgenommen, wobei auch sein Spind und sein Fahrzeug durchsucht wurden. Ab dem Folgetag erschien er wieder regelmäßig zur Arbeit.

4

Am 24. Mai 2007 - einen Tag vor Beginn eines ihm bereits bewilligten Erholungsurlaubs - teilte der Kläger der Beklagten mit, er habe am 18. Juni 2007 eine Haftstrafe anzutreten. Kurz darauf legte er seine Ladung zum Strafantritt vor. Daraus ergab sich, dass gegen ihn am 15. Dezember 2006 unter Einbeziehung einer vorhergehenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verhängt worden war. Er gab an, die Ladung erst in der laufenden Woche erhalten zu haben und wegen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden zu sein. Der Aufforderung der Beklagten, das strafgerichtliche Urteil vorzulegen, kam er nicht nach.

5

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrats wegen „hoher und anhaltender Abwesenheitszeiten durch Freiheitsentzug“ ordentlich zum 31. Dezember 2007.

6

Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Mit haftbedingten Störungen des Betriebsablaufs sei bei einem Großbetrieb wie dem der Beklagten nicht zu rechnen gewesen. Dieser sei die Überbrückung seiner Abwesenheitszeit zumutbar gewesen. Zumindest die Interessenabwägung falle zu seinen Gunsten aus. Das Arbeitsverhältnis sei - unstreitig - beanstandungsfrei verlaufen. Seine Mitteilungspflichten habe er erfüllt. Erst Mitte April habe er von der Verwerfung seiner Revision gegen die Verurteilung erfahren. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht absehbar gewesen, wann er mit dem Strafantritt habe rechnen müssen. Zur Vorlage des Strafurteils sei er nicht verpflichtet gewesen.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei gerechtfertigt. Sie habe im Kündigungszeitpunkt davon ausgehen müssen, dass der Kläger für die Dauer der verhängten Haftstrafe nicht in der Lage sein würde, seine Arbeitspflicht zu erfüllen. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege bereits im Fehlen der Möglichkeit, den Kläger bei der Personaleinsatzplanung zu berücksichtigen. Im Übrigen seien Betriebsablaufstörungen - wie im Fall der Krankheit - indiziert. Dass bei der Strafhaft anders als bei Krankheit der Zeitpunkt der Rückkehr in den Betrieb annähernd fest stehe, sei unbeachtlich. Auch im Fall eines langzeiterkrankten Arbeitnehmers sei eine Genesung nicht auszuschließen. Die Interessenabwägung führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe die Leistungsunmöglichkeit selbst verschuldet. Außerdem habe er sich vor Antritt der Haft nicht kooperativ verhalten. Mangels Kenntnis von den Gründen der Verurteilung sei es ihr nicht möglich gewesen zu prüfen, ob die Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis gehabt hätten.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung vom 31. Mai 2007 mit Ablauf des 31. Dezember 2007 aufgelöst worden.

11

I. Die Kündigung ist durch Gründe in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Als personenbedingter Grund zur Kündigung kommen solche Umstände in Betracht, die auf einer in den persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers liegenden „Störquelle“ beruhen (Senat 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN, AP BGB § 626 Nr. 212 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 22). Dazu zählt - anknüpfend an Wertungen des Gesetzgebers in § 72 Abs. 1 Nr. 3 HGB aF - auch eine Arbeitsverhinderung, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht(Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 1 b der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Diese Betrachtung lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (Senat 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - aaO).

13

Eine Würdigung des Geschehens unter verhaltensbedingten Gründen ist nur veranlasst, wenn die der Verurteilung zugrunde liegenden Taten einen Bezug zum Arbeitsverhältnis haben oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (vgl. Senat 10. September 2009 - 2 AZR 257/08 - Rn. 19 ff., AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 77). Auf einen solchen, im Verhalten des Klägers begründeten Kündigungssachverhalt beruft sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung ausschließlich auf die haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers. Die geltend gemachten Versäumnisse bei der Unterrichtung über seine Freiheitsstrafe sollen ersichtlich nur unterstützend Berücksichtigung finden.

14

2. Voraussetzung einer - ordentlichen wie außerordentlichen - Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154; 10. Juni 1965 - 2 AZR 339/64 - zu III der Gründe, BAGE 17, 186). Die Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich außerdem nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Satz 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer sowie von Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben (Senat 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, aaO; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 3 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11; 15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist im Fall einer Kündigung wegen Verbüßung einer Freiheitsstrafe zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die Arbeitsverhinderung in aller Regel zu vertreten hat. Deshalb sind dem Arbeitgeber zur Überbrückung regelmäßig nicht die gleichen Anstrengungen und Belastungen zuzumuten wie etwa bei einer Krankheit (Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - aaO).

15

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt ein Kündigungsgrund vor. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die haftbedingt zu erwartende Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

16

a) Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder Korrektur einer zuvor getroffenen Prognose herangezogen werden (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, NZA 2010, 1227; 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - zu B I 1 a der Gründe, BAGE 109, 40).

17

b) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte aufgrund der gegen den Kläger rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe damit rechnen, dass dieser für die Dauer von mehr als zwei Jahren an seiner Arbeitsleistung verhindert wäre. Hinreichende Anhaltspunkte für eine Vollzugslockerung durch die Gewährung von Freigang (§ 11 StVollzG in der bis 31. Dezember 2009 geltenden Fassung) lagen nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vor. Dass ihm dies konkret, etwa im Rahmen eines Vollzugsplans (§ 7 StVollzG) in Aussicht gestellt worden wäre, hat der Kläger nicht behauptet. Die nach § 57 Abs. 1 StGB grundsätzlich bestehende Möglichkeit, eine mehr als zweijährige Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn der Arbeitnehmer zwei Drittel der verhängten Strafe verbüßt hat, war bei der anzustellenden Prognose nicht zugunsten des Klägers zu berücksichtigen. Nach § 57 Abs. 1 StGB ist wesentlicher Entscheidungsgesichtspunkt für die vorzeitige Haftentlassung ua. das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug und nicht zuletzt ihre Einwilligung. Dies konnte von der Beklagten nicht vorausschauend für den Zeitpunkt beurteilt werden, zu dem die Strafvollstreckungsbehörde voraussichtlich über die vorzeitige Haftentlassung entscheiden würde. Statistische Werte sagen über die Entwicklung im konkreten Einzelfall nichts aus.

18

c) Mit der Frage, welche Anforderungen nach § 1 Abs. 2 KSchG an die betrieblichen Auswirkungen der Strafhaft zu stellen sind, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Nichterfüllung der Arbeitspflicht zu rechnen war, hat sich der Senat noch nicht eingehend befassen müssen. Gegenstand einer früheren Entscheidung war eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers aufgrund einer Freiheitsstrafe von drei Monaten ohne Bewährung. Seine Auffassung, (auch) die ordentliche Kündigung sei unwirksam, hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass die einzuhaltende Kündigungsfrist länger war als die Dauer der zu verbüßenden Freiheitsstrafe und der Arbeitgeber daher bereits vor Ablauf der Frist wieder auf den Arbeitnehmer hätte zurückgreifen können (15. November 1984 - 2 AZR 613/83 - zu II 2 b bb, c und 3 c der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 87 = EzA BGB § 626 nF Nr. 95). Im Hinblick auf eine dreimonatige Untersuchungshaft hat der Senat eine ordentliche Kündigung mit der Begründung für unwirksam erachtet, es fehle an - negativen oder positiven - Erkenntnissen über die voraussichtliche Haftdauer und erhebliche betriebliche Auswirkungen seien nicht festgestellt (20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe, RzK I 6a Nr. 154). In dem Fall einer bei Kündigungsausspruch bereits sieben Monate andauernden Untersuchungshaft hat er die Kündigung für wirksam erachtet und ausgeführt, der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen habe es nicht bedurft, da im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, ob der Arbeitnehmer je auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren und wann dies der Fall sein würde. Dabei hat er auf die zur Kündigung wegen langanhaltender Krankheit entwickelten Rechtsgrundsätze abgestellt und ausgeführt, Umstände, die geeignet seien, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, rechtfertigen allemal eine Kündigung wegen Inhaftierung (Senat 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 b der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 11).

19

d) Der Senat geht generell von dem Grundsatz aus, der weiteren Darlegung von Betriebsablaufstörungen bedürfe es nicht, wenn der Arbeitnehmer auf Dauer an der Arbeitsleistung gehindert ist (3. Dezember 1998 - 2 AZR 773/97 - zu II 1 und 2 d der Gründe mwN, BAGE 90, 230). Dem steht es im Fall langanhaltender Erkrankung gleich, wenn im Kündigungszeitpunkt die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit völlig ungewiss ist und mit ihr jedenfalls in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelungen zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG; § 1 Abs. 1 BeschFG aF) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen. Eine solche Zeitspanne kann durch Einstellung einer Ersatzkraft in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei geringen rechtlichen Risiken überbrückt werden (Senat 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271; seither st. Rspr., bspw. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234).

20

e) Eine unmittelbare Übertragung dieser Grundsätze auf die Fälle rechtskräftig verhängter zeitiger Freiheitsstrafe kommt nicht in Betracht. Bei diesen ist der Wegfall des Leistungshindernisses im Kündigungszeitpunkt nicht ungewiss. Vielmehr steht grundsätzlich fest, für welchen Zeitraum der Arbeitnehmer längstens an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert sein wird. Tatsachen, aus denen sich im Streitfall etwas anderes ergeben könnte, hat die Beklagte nicht substantiiert dargetan. Soweit sie meint, bei einer Verurteilung wegen Drogenhandels - wie hier - sei regelmäßig mit der Aufdeckung weiterer Taten und dementsprechend einer Haftzeitverlängerung (Überhaft) zu rechnen, bewegt sie sich im spekulativen Bereich.

21

f) Gleichwohl war der Beklagten wegen der Dauer der verhängten Freiheitsstrafe und der damit zusammenhängenden Störung des Austauschverhältnisses ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zumutbar. Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es angesichts der vom Kläger noch zu verbüßenden, 24 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe nicht.

22

aa) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 10. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.

23

bb) Der Beklagten war es nicht zumutbar, zur Beseitigung dieser langfristigen Störung bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Kläger den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft freizuhalten.

24

(1) Angesichts der in der Regel vom Arbeitnehmer selbst verschuldeten Arbeitsverhinderung ist fraglich, ob dem Arbeitgeber bei rechtskräftig verhängter Freiheitsstrafe überhaupt zugemutet werden kann, für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Wiederaufnahme der Arbeit nicht kurzfristig zu erwarten steht (vgl. MünchKommBGB/Henssler 5. Aufl. § 626 BGB Rn. 204). Auch bei befristeter Einstellung läuft er immerhin Gefahr, auf den unbefristeten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen zu werden. Hält er eine Personalreserve vor, dient diese üblicherweise nicht dem Zweck, haftbedingte Ausfälle zu überbrücken. Auch mögen zwar die Folgen langer Strafhaft für den Arbeitgeber besser zu kalkulieren sein als die einer Untersuchungshaft von unabsehbarer Dauer. Dennoch besteht die Unsicherheit, ob nicht der Arbeitnehmer gerade vorzeitig aus der Haft entlassen oder ihm eine Vollzugslockerung gewährt wird. Erlangt der Arbeitgeber davon nicht rechtzeitig Kenntnis, kann dies dazu führen, dass er sowohl von der Ersatzkraft als auch von dem aus der Haft entlassenen Arbeitnehmer auf Lohnzahlung in Anspruch genommen wird (Franzen Anm. zu Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - SAE 1996, 37, 38).

25

(2) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen.

26

Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar ist bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass der Gesetzgeber für die Fälle, in denen er es für erforderlich erachtet, dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bei persönlicher Leistungsverhinderung mit Rücksicht auf übergeordnete Interessen (Schutz von Ehe und Familie; Erfüllung staatsbürgerschaftlicher Pflichten) zu sichern, ausdrückliche, eigenständige Regelungen (bspw. §§ 15, 16 BEEG; §§ 3, 4 PflegeZG; § 1 ArbPlSchG) getroffen hat. Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung rechtfertigen sich daraus, dass eine Krankheit - anders als Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war.

27

(3) Damit wird nicht, wie der Kläger meint, der Anerkennung eines „absoluten Kündigungsgrunds“ Vorschub geleistet. Die Frage, ob dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen zumutbar waren oder nicht, betrifft lediglich ein Element des Kündigungsgrundes. Ihre Beantwortung ist das Ergebnis einer die Interessen des Arbeitnehmers einbeziehenden Gesamtwürdigung.

28

cc) Die Besonderheiten des vorliegenden Falls verlangen keine andere Beurteilung. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger alsbald einen Freigängerstatus erlangen würde, waren bei Kündigungsausspruch nicht ersichtlich. Es bestand auch keine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger in einem solchen Bemühen zu unterstützen. Eine dahingehende, aus § 241 Abs. 2 BGB abzuleitende Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers ist nur gegeben, wenn die Beschäftigung eines „Freigängers“ für ihn nicht risikobehaftet ist(vgl. Senat 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 626 Nr. 123 = EzA BGB § 626 nF Nr. 154). Dies sachgerecht zu beurteilen war der Beklagten nicht möglich. Der Kläger war nicht bereit gewesen, ihr auf Anfrage Einsicht in das Strafurteil zu gewähren. Hier bestand eine Obliegenheit zur Offenlegung der Gründe seiner Verurteilung jedenfalls deshalb, weil er gerade im Betrieb vorläufig festgenommen und sein Spind durchsucht worden war. Einen anderen Weg, wie sich die Beklagte in geeigneter Weise der Risikofreiheit einer Beschäftigung hätte vergewissern können, hat der Kläger nicht aufgezeigt.

29

4. Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu dessen Gunsten seine 18 Jahre lange, beanstandungsfrei gebliebene Beschäftigungszeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Der Kläger hat seinen langen Ausfall selbst verschuldet und es kommt hinzu, dass er die Beklagte sogar nach Erhalt der Ladung zum Haftantritt nicht unverzüglich unterrichtet, sondern damit bis zum Antritt seines Erholungsurlaubs zugewartet hat. Seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) hätte stattdessen geboten, der Beklagten spätestens bei der Ladung zum Haftantritt die Chance zu geben, sich auf die künftigen Gegebenheiten einzustellen.

30

II. Ein anderer Unwirksamkeitsgrund liegt nicht vor. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger in der Berufungsinstanz nicht mehr in Zweifel gezogen, nachdem die Beklagte dazu erstinstanzlich im Einzelnen vorgetragen hatte.

31

III. Die Einhaltung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Kündigungsfrist steht zwischen den Parteien außer Streit. Sie ist ersichtlich auch gewahrt.

32

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Grimberg    

        

    Bartz    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18. Oktober 2011 - 15 Sa 33/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte produziert Automobile. Der Kläger war bei ihr seit 1997 als Fahrzeugpolsterer beschäftigt. Im Betrieb ist ein Betriebsrat gebildet.

3

In der Zeit vom 12. März bis zum 10. April 2008 befand sich der Kläger wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft. Am 23. September 2008 wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

4

Am 17. September 2010 wurde der Kläger erneut vorläufig festgenommen. Im Anschluss daran befand er sich in Untersuchungshaft. Am 20. September 2010 teilte seine Ehefrau dies der Beklagten mit. Grund für die Verhaftung war, dass der Kläger zusammen mit einer weiteren Person eine „Haschisch-Plantage“ betrieb. Dort hatte die Polizei 18 Kilogramm Cannabispflanzen gefunden. Eine solche Menge enthält ca. zwei bis drei Kilogramm des Wirkstoffs THC.

5

In den Folgetagen versuchte die Beklagte erfolglos, mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Kontakt aufzunehmen. Mit Schreiben vom 24. September 2010 forderte sie den Kläger auf, zum Sachstand Stellung zu nehmen. Am 27. September 2010 erhielt sie Kenntnis von einem Zeitungsartikel, aus welchem sich ua. die gefundene Cannabismenge ergab. Am 1. Oktober 2010 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, zu einem Haftprüfungstermin, einem Termin zur Hauptverhandlung und einem zu erwartenden Strafmaß könne er sich frühestens nach Akteneinsicht äußern. Über eine Haftverschonung werde noch verhandelt. Am 7. Oktober 2010 teilte er mit, dass ein Ende der Inhaftierung nicht absehbar sei und sich eine etwaige weitere Verurteilung aller Voraussicht nach negativ auf die Aussetzung der ersten Haftstrafe zur Bewährung auswirke.

6

Am 8. Oktober 2010 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung zum 30. Juni 2011 an. Dieser äußerte Bedenken.

7

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2010 kündigte sie hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin und gab diesen mit dem 30. Juni 2011 an. Gegen beide Kündigungen hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.

8

Am 1. Februar 2011 fand der erste Hauptverhandlungstermin im Strafverfahren statt. Das Amtsgericht verhängte gegen den Kläger mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 17. Februar 2011 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren wegen gemeinschaftlichen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

9

Mit Schreiben vom 28. Juni 2011 beantragte der Kläger die Zurückstellung der Freiheitsstrafe ab September 2011 zwecks Durchführung einer Drogentherapie gem. § 35 BtMG. Am 21. Juli 2011 entschied die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts, die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 gem. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 BtMG für die Behandlung in einer Therapieeinrichtung ab dem 19. September 2011 für die Dauer von längstens zwei Jahren zurückzustellen. Die nachgewiesene Zeit des Aufenthalts sollte gem. § 36 Abs. 1 Satz 1 BtMG auf die Strafe angerechnet werden, bis infolge der Anrechnung zwei Drittel der Strafe erledigt wären. Am 19. September 2011 nahm der Kläger die (teilstationäre) Therapie auf.

10

Die Staatsanwaltschaft beantragte, die Aussetzung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 23. September 2008 zu widerrufen. Über den Antrag des Klägers, die Verbüßung dieser Strafe zurückzustellen, war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein haftbedingtes Fehlen sei kein Kündigungsgrund. Bei einer Zurückstellung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 17. Februar 2011 sei damit zu rechnen gewesen, dass er spätestens im Jahr 2012 seiner Arbeitsverpflichtung wieder würde nachkommen können. Genauere und sichere Angaben zum Zeitpunkt seiner Einsatzfähigkeit seien ihm nicht möglich gewesen. Er habe beantragen wollen, die noch zu verbüßende Reststrafe zur Bewährung auszusetzen. Üblicherweise werde einem solchen Antrag stattgegeben, wenn eine Drogentherapie mit Erfolg abgeschlossen worden sei.

12

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 12. Oktober 2010, noch durch die Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden ist.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, zum Zeitpunkt der Kündigung habe sie damit rechnen müssen, dass der Kläger durch die zu erwartende neuerliche Haftstrafe über Jahre an der Wiederaufnahme seiner Arbeit gehindert wäre. Da die sichergestellte Drogenmenge höher gewesen sei als bei der Straftat im Jahr 2008, habe sie davon ausgehen müssen, dass eine längere Haftstrafe verhängt würde. Diese Prognose habe sich durch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bestätigt. Das Fehlen des Klägers habe zu betrieblichen Beeinträchtigungen geführt. Das Arbeitsverhältnis sei zudem seit Jahren durch verspätete Arbeitsaufnahmen und erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet gewesen.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 12. Oktober 2010 nicht aufgelöst worden ist. Die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage hat es abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 zu Recht für sozial gerechtfertigt gehalten.

16

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist rechtzeitig eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.

17

1. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12; 16. November 2011 - 4 AZR 234/10 - Rn. 15).

18

2. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung - noch - gerecht. Der Kläger hat dargelegt, dass und aus welchen Gründen er die tragende Annahme des Landesarbeitsgerichts, bei Ausspruch der Kündigung sei mit einer Haftdauer von mehr als zwei Jahren zu rechnen gewesen, für rechtsfehlerhaft hält.

19

II. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die ordentliche Kündigung vom 15. Oktober 2010 aufgelöst worden.

20

1. Die Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe in der Person des Klägers bedingt.

21

a) Als Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers kommen Umstände in Betracht, die auf einer in dessen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften liegenden „Störquelle“ beruhen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13; 5. Juni 2008 - 2 AZR 984/06 - Rn. 27 mwN). Zu diesen zählt eine Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmers, die auf einer Straf- oder Untersuchungshaft beruht (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 12, BAGE 136, 213; 22. September 1994 - 2 AZR 719/93 - zu II 1 der Gründe). Deren Qualifizierung als Grund in der Person des Arbeitnehmers lässt es zu, auf eine mögliche Resozialisierung des straffällig gewordenen Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen. Nicht jede Freiheitsstrafe kann ohne Rücksicht auf ihre Dauer und ihre Auswirkungen zum Verlust des Arbeitsplatzes führen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 13).

22

b) Eine Würdigung des der Haft zugrunde liegenden Tatgeschehens unter verhaltensbedingten Gesichtspunkten ist nur veranlasst, wenn dieses einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat oder der Arbeitnehmer auf andere Weise arbeitsvertragliche Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt hat (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 14). Das ist hier nicht der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen verneint. Dagegen wendet sich die Beklagte nicht. Sie stützt die Kündigung nurmehr auf die im Erklärungszeitpunkt zu erwartenden haftbedingten Abwesenheitszeiten des Klägers.

23

c) Voraussetzung einer Kündigung wegen haftbedingter Arbeitsverhinderung ist, dass der Arbeitnehmer aller Voraussicht nach für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit nicht in der Lage sein wird, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

24

aa) Maßgebend für die vom Arbeitgeber insoweit anzustellende Prognose sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in engen Grenzen Berücksichtigung finden (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 17; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 - Rn. 52, BAGE 134, 349).

25

bb) Grundlage für die Prognose muss nicht zwingend eine bereits erfolgte - rechtskräftige - strafgerichtliche Verurteilung sein. Die Erwartung, der Arbeitnehmer werde für längere Zeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert sein, kann auch im Fall der Untersuchungshaft berechtigt sein. Dann kommt es darauf an, ob die der vorläufigen Inhaftierung zugrunde liegenden Umstände bei objektiver Betrachtung mit hinreichender Sicherheit eine solche Prognose rechtfertigen. Da ohne rechtskräftige Verurteilung nicht auszuschließen ist, dass sich die Annahme als unzutreffend erweist, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.

26

d) Die (prognostizierte) Nichterfüllung der Arbeitspflicht muss sich nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Da der Arbeitgeber im Fall der haftbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers typischerweise von der Lohnzahlungspflicht befreit ist (§ 616 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 326 Abs. 1 BGB), hängt es von der Dauer der Haft sowie Art und Ausmaß der betrieblichen Auswirkungen ab, ob die Inhaftierung geeignet ist, einen Grund zur Kündigung abzugeben. Das ist sie nicht, wenn es dem Arbeitgeber zuzumuten ist, für die Zeit des haftbedingten Arbeitsausfalls Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz bis zur Rückkehr aus der Haft frei zu halten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15; 20. November 1997 - 2 AZR 805/96 - zu II 3 der Gründe). Jedenfalls dann, wenn im Kündigungszeitpunkt mit einer mehrjährigen haftbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers gerechnet werden muss, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich vorläufige Maßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

27

e) Liegt eine beachtliche Störung vor, bedarf es der abschließenden, alle Umstände des Einzelfalls einbeziehenden Abwägung, ob es dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsteile dennoch zumutbar war, das Arbeitsverhältnis bis zum Wegfall des Hinderungsgrundes fortzusetzen. Sowohl bei der Frage, ob von einer erheblichen Störung des Austauschverhältnisses auszugehen ist, als auch bei der Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer die haftbedingte Arbeitsverhinderung in aller Regel selbst zu vertreten hat (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 15).

28

f) Danach ist die Kündigung vom 15. Oktober 2010 sozial gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis war im Kündigungszeitpunkt durch die zu erwartende haftbedingte Arbeitsverhinderung des Klägers erheblich belastet. Das Freihalten des Arbeitsplatzes war der Beklagten nach den Umständen des Falls nicht zumutbar.

29

aa) Im Kündigungszeitpunkt musste die Beklagte mit hoher Gewissheit damit rechnen, dass der Kläger für die Dauer mehrerer Jahre an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert wäre.

30

(1) Der Kläger befand sich bei Zugang der Kündigung bereits seit vier Wochen in Untersuchungshaft. Der Beklagten war das dem Kläger vorgeworfene Delikt bekannt. Sie hatte alle ihr möglichen Maßnahmen zur Klärung einer möglichen Haftdauer ergriffen, insbesondere dem Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten Gelegenheit gegeben, zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen. Der Kläger hat zu keiner Zeit bestritten, die Straftat begangen zu haben. Sein Prozessbevollmächtigter hatte erklärt, ein kurzfristiges Ende der Inhaftierung sei nicht abzusehen.

31

(2) Unter diesen Umständen und nach den ihr vorliegenden Informationen musste die Beklagte davon ausgehen, der Kläger habe die ihm vorgeworfene Straftat tatsächlich begangen. Aus ihrer - objektiv berechtigten - Sicht stand deshalb als sicher zu erwarten, dass der Kläger strafrechtlich verurteilt würde. Ungewiss war allenfalls das Maß der zu erwartenden Strafe. Für deren mögliche Höhe gab es allerdings objektive Anhaltspunkte. Der Kläger war im Jahr 2008 wegen eines ähnlichen Delikts zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. In Anbetracht seiner erneuten Straffälligkeit noch innerhalb des Bewährungszeitraums und der ihr bekannten Tatumstände, insbesondere der Menge der aufgefundenen Cannabispflanzen und des in ihnen enthaltenen Wirkstoffs, musste die Beklagte damit rechnen, dass das Strafmaß für die erneute Straftat jedenfalls nicht geringer als zuvor ausfiele und zudem die Aussetzung der Vorstrafe zur Bewährung widerrufen würde.

32

(3) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger gleichwohl vorzeitig und alsbald seine Tätigkeit wieder würde aufnehmen können, waren bei Kündigungszugang nicht ersichtlich. Der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Durchführung einer Therapie nach § 35 BtMG noch nicht gestellt, dementsprechend hatte die Beklagte keine Kenntnis von seiner späteren Einsicht und Therapiebereitschaft. Der Kläger hat im Übrigen nicht behauptet, er sei während der Durchführung der - teilstationären - Therapie arbeitsfähig gewesen. Ob und ggf. wann ein Rest der zu verbüßenden Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt würde, war deshalb im Kündigungszeitpunkt völlig unklar.

33

bb) Angesichts dessen war der Beklagten ein Festhalten am Arbeitsverhältnis über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus nicht zuzumuten.

34

(1) Die Beklagte musste mit der Erklärung der Kündigung als solcher nicht noch zuwarten. Sie war nicht etwa verpflichtet, den Arbeitsplatz bis zur Entscheidung über eine mögliche Strafaussetzung zur Bewährung frei zu halten. Zwar kann sich aus § 241 Abs. 2 BGB eine Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, den Arbeitnehmer bei seinem Streben nach Vollzugslockerungen zu unterstützen(BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 28, BAGE 136, 213 ; 9. März 1995 - 2 AZR 497/94 - zu II 5 der Gründe). Im Streitfall war aber völlig ungewiss, ob und wann dem Kläger eine Aussetzung seiner Strafe gewährt würde. Die Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer in seinem Resozialisierungsbemühen zu unterstützen, geht nicht so weit, diesem auf die vage Aussicht hin, in ferner Zukunft eine Vollzugslockerung zu erreichen, bis zum Zeitpunkt einer Klärung, dh. möglicherweise über Monate hinweg die Rückkehr auf den Arbeitsplatz zu ermöglichen.

35

(2) Der Darlegung konkreter Betriebsablaufstörungen bedurfte es wegen der für den Kläger zu erwartenden mehr als zweijährigen Freiheitsstrafe und der damit verbundenen hohen Wahrscheinlichkeit einer entsprechend langen Abwesenheit nicht.

36

(a) Der Arbeitsvertrag ist auf den ständigen Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet. Die Verpflichtung des Arbeitnehmers geht dahin, dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, damit dieser sie im Rahmen seiner arbeitsteiligen Betriebsorganisation sinnvoll einsetzen kann. Ist der Arbeitnehmer dazu nicht in der Lage, tritt hinsichtlich seiner Arbeitsleistung Unmöglichkeit ein, wenn - wie bei lang andauernder Arbeitsverhinderung die Regel - eine Nachleistung beiden Seiten nicht zugemutet werden kann (ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 676). Zugleich ist der Arbeitgeber gehindert, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen, und muss, wenn er seine bisherige Arbeitsorganisation unverändert aufrechterhalten will, für eine anderweitige Erledigung der Arbeit sorgen. Bereits darin liegt eine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 20).

37

(b) Zumindest dann, wenn im Kündigungszeitpunkt noch eine Haftstrafe von mehr als zwei Jahren zu verbüßen ist und eine Entlassung vor Ablauf von zwei Jahren nicht sicher zu erwarten steht, kann dem Arbeitgeber regelmäßig nicht zugemutet werden, lediglich Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen und auf eine dauerhafte Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu verzichten. Dabei ist neben den bereits angesprochenen Unwägbarkeiten zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber die Möglichkeit zur Beschäftigung einer Aushilfskraft im sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnis lediglich für einen Zeitraum von 24 Monaten eröffnet ist. Er kann deshalb bei längerer Haftzeit nicht damit rechnen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers einigermaßen problemlos überbrücken zu können. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Haftdauer die Verwirklichung des Vertragszwecks in Frage gestellt wird. Eine mehrjährige Abwesenheit des Arbeitnehmers geht typischerweise mit einer Lockerung seiner Bindungen an den Betrieb und die Belegschaft sowie dem Verlust von Erfahrungswissen einher, das aus der täglichen Routine resultiert. Dementsprechend muss der Arbeitgeber bei der Rückkehr eines langjährig inhaftierten Arbeitnehmers mit Einarbeitungsaufwand rechnen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 23).

38

(c) Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, selbst bei mehrjähriger Haftstrafe bloße Überbrückungsmaßnahmen zu ergreifen, besteht auch nicht aus Gründen der Resozialisierung. Zwar hat er bei kurzzeitigen Inhaftierungen oder in Fällen, in denen nach Ablauf der Kündigungsfrist zeitnah eine Weiterbeschäftigung im offenen Vollzug möglich ist, auf die entsprechenden Belange des Arbeitnehmers angemessen Rücksicht zu nehmen. Dies rechtfertigt es aber nicht, vom Arbeitgeber zu verlangen, den Arbeitsplatz für den inhaftierten Arbeitnehmer für voraussichtlich mehr als zwei Jahre frei zu halten und ihm die damit verbundenen Lasten aufzuerlegen (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 790/09 - Rn. 24). Die durchaus strengeren Anforderungen an eine Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 mwN, BAGE 123, 234; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271) beruhen darauf, dass eine schwere Krankheit - anders als eine Freiheitsstrafe - für den Betroffenen in der Regel unvermeidbar war (BAG 25. November 2010 - 2 AZR 984/08 - Rn. 26, BAGE  136, 213 ).

39

(3) Die Interessenabwägung führt nicht zu einem Überwiegen der Belange des Klägers. Zwar ist zu seinen Gunsten eine fast dreizehnjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Gleichwohl geht das Beendigungsinteresse der Beklagten vor. Im Jahr 2008 befand sich der Kläger schon einmal für die Dauer von vier Wochen in Untersuchungshaft. Seinen neuerlichen, aller Voraussicht nach langdauernden Ausfall hat der Kläger selbst verschuldet. Dabei wiegt besonders schwer, dass er während einer laufenden Bewährungsphase erneut straffällig geworden ist. Im Rahmen der Interessenabwägung erhebliche, ihn entlastende besondere Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen. Von der Beklagten kann deshalb nicht verlangt werden, das Arbeitsverhältnis mit ihm fortzusetzen.

40

2. Andere Gründe, aus denen die Kündigung vom 15. Oktober 2010 unwirksam sein könnte, sind nicht ersichtlich. Den Betriebsrat hat die Beklagte ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört.

41

III. Die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rinck    

        

        

        

    Beckerle    

        

    Torsten Falke    

                 

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1.
der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,
2.
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,
3.
der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,
4.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder
5.
eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen, und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1.
die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder
2.
die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder
3.
der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.