Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Aug. 2016 - 4 K 2173/15

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2016:0818.4K2173.15.0A
18.08.2016

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Beseitigung eines Lipödems (Fettverteilungsstörung) nach § 33 EStG absetzbar sind.

2

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2013 machte die unverheiratete Klägerin, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte, insgesamt 4.676 € als außergewöhnliche Belastungen geltend (Rückseite Bl. 2 der Akte zum Einspruchs- und Klageverfahren Einkommensteuer 2013 - EStA -). Dieser Betrag setzt sich zusammen aus Fahrtkosten (1.277,88 €; Bl. 14 ff. EStA) sowie Aufwendungen für ärztliche Leistungsabrechnungen (3.397,58 €; Bl. 16 EStA). Von den Rechnungsbeträgen berücksichtigte der Beklagte in dem Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 11. März 2014 Kosten in Höhe von 2.250,06 € für eine Fettabsaugung bei Lipödem („Bananenrolle, Oberschenkel und Unterschenkel beiderseits“; Bl. 5 EStA) durch die Gemeinschaftspraxis Dres. med. A. und S. nicht, da die Aufwendungen - mangels nachgewiesener medizinischer Notwendigkeit - nicht zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG gewesen seien (Bl. 32 f. EStA).

3

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin - durch einen Lohnsteuerhilfeverein vertreten -am 14.03.2014 Einspruch ein (Bl. 35 EStA), der damit begründet wurde, dass die streitigen Kosten auf einem Behandlungsbeginn im Jahr 2012 beruhten und im Einspruchsverfahren betreffend 2012 anerkannt worden seien (Bl. 50 EStA). Insoweit sei erneut auf § 64 EStDV hinzuweisen, der regele, wann eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers ausreiche und wann ein amtsärztliches Gutachten vorliegen müsse. Da es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich anerkannte Methode handele, genüge - wie hier geschehen - die Verordnung durch einen Arzt.

4

Im Rahmen der Gesamtfallprüfung nach § 367 Abs. 2 AO forderte das Finanzamt die Klägerin auf, die Anzahl der Arbeitstage im Kalenderjahr 2013 nachzuweisen, da sie bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit 235 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und bei den außergewöhnlichen Belastungen 108 Fahrten geltend gemacht habe (Bl. 36 f. EStA). Der damals bevollmächtigte Lohnsteuerhilfeverein führte hierzu aus, dass - nach Rücksprache mit der Klägerin - ein Nachweis über die Anzahl der Arbeitstage durch den Arbeitgeber nicht erbracht werden könne (Bl. 39 EStA). Aufgrund eines finanzbehördlichen Auskunftsersuchens nach § 93 AO (Bl. 45 EStA) gab der Arbeitgeber der Klägerin (X Versicherung AG) im Schreiben vom 06.08.2014 an, dass die Klägerin im Jahr 2013 an 149 Tagen am Firmensitz anwesend gewesen sei und keine Dienstreisen unternommen habe (Bl. 46 EStA). Entsprechend dieser Auskunft wurde der Einkommensteuerbescheid für 2013 unter dem 08. Oktober 2014 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert und die Einkommensteuer aufgrund geringeren Werbungskostenansatzes bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit höher festgesetzt (Bl. 47 f. EStA).

5

Im Hinblick auf das beim BFH anhängige Revisionsverfahren VI R 68/14 zur Abzugsfähigkeit der Lipödembehandlung durch Liposuktion wurde das Einspruchsverfahren zunächst zum Ruhen gebracht (Bl. 50, 52 EStA).

6

Nach Ergehen des BFH-Urteils vom 18. Juni 2015 setzte der Beklagte das Verwaltungsverfahren fort (Bl. 53 EStA) und wies mit Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2015 den Einspruch der Klägerin aus folgenden Gründen als unbegründet zurück (Bl. 58 ff. EStA):

7

Der BFH gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwüchsen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung würden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach bedürfe. Dies sei zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gelte aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) seien und vorgenommen würden, also medizinisch indiziert seien. Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel habe der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV sei der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu führen. Ein solcher qualifizierter Nachweis sei - aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStdV angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklich rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV für alle Fälle noch nicht bestandskräftig festgesetzter Einkommensteuer - auch im Streitjahr bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungs-methoden erforderlich. Wissenschaftlich anerkannt sei eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen. Dies werde angenommen, wenn „die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)“ die Behandlungsmethode befürworte und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehe. Dies setze im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden könnten. Der Erfolg müsse sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie müsse in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung im Sinne des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 f) EStDV sei der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Denn das Nachweiserfordernis solle Aufschluss darüber geben, ob eine Behandlungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch indiziert und die angefallenen Aufwendungen daher zwangsläufig zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit entstanden seien.

8

Nach dem BFH-Urteil vom 18. Juni 2015 (- VI R 68/14 -) sei die Vorinstanz jenes Verfahrens in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, die von der dortigen Klägerin durchgeführte Liposuktion sei keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode. Zur Feststellung der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems habe das FG - wie auch das OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 22. Januar 2013 (- 5 LB 50/11 -) - unter anderem das „Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 06. Oktober 2011 zu Grunde gelegt. Ausgehend hiervon sei es zu der Würdigung gelangt, die Liposuktion sei keine anerkannte Therapie zur Behandlung des Lipödems. Zwar werde durch eine Liposuktion das Fettgewebe reduziert. Es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Auch liege bislang keine kontrollierte klinische Studie über die Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen vor. Es bestünden lediglich Leitlinien, beispielsweise die Leitlinie „Lipödem der Beine“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009, in denen auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen werde. Derartige Nachbeobachtungen oder Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen geringen zeitlichen Umfangs seien indes nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen.

9

Die Klägerin hat am 09.11.2015 Klage erhoben und trägt zur Begründung vor (Bl. 3 der Prozessakte - PA -):

10

Sie sei seit Jahren Patientin von Lipödemen der Beine. Das Lipödem sei eine Erkrankung, die ernstzunehmende Folgen habe. Zur Erhaltung ihrer Arbeitskraft und zur Verbesserung der Lebensqualität habe sie - nach Konsultation von vier Fachärzten - eine Liposuktion vornehmen lassen. Die Kosten für den operativen Eingriff seien zwar von ihrer Krankenkasse nicht übernommen worden. Es sei aber nicht korrekt, dass die Liposuktion eine nicht anerkannte Behandlungsmethode darstelle.

11

Ihre Prozessbevollmächtigten führen ergänzend aus (Bl. 23 f. PA): Entgegen der Auffassung des Finanzamts handele es sich bei den Aufwendungen für die ärztliche Behandlung mittels Liposuktion um zwangsläufige Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG. Sie seien medizinisch indiziert, wie sich aus den als Anlage beigefügten Unterlagen (ärztliche Bescheinigung der Gemeinschaftspraxis für plastische Chirurgie Dr. A. / Dr. S. vom 20.09.2012, Bl. 27 f. PA; ärztliche Bescheinigung der Dr. B. vom 14.04.2011, Bl. 29 PA; Auszug aus der Internetseite Lipödem Hilfe e.V., Bl. 30 PA) ergebe. Daraus gehe eindeutig hervor, dass es sich bei der Liposuktion um eine gegenüber der konservativen Therapie mindestens als gleichwertig anzusehende Heilmaßnahme handele, welche letztlich sogar den Vorteil biete, dass die ansonsten erforderliche lebenslange Therapie entbehrlich werde. Das vom Finanzamt zitierte Gutachten einer Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 06. Oktober 2011 sei veraltet, so dass jedenfalls aufgrund des erheblichen Zeitablaufs und Fortschritts in den medizinischen Erkenntnissen ein neues Gutachten eingeholt werden müsse.

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2015 den Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 08. Oktober 2014 dahin gehend zu ändern, dass über den bereits anerkannten Betrag von 2.426 € hinaus weitere Aufwendungen in Höhe von 2.250 €, insgesamt 4.676 €, als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG anerkannt werden.

13

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Zu dem Klagevorbringen sei zu erwidern, dass der Erfolg einer Behandlungsmethode im Einzelfall keine abweichende Beurteilung rechtfertige. Insbesondere könne die zum Zeitpunkt der Behandlung fehlende wissenschaftliche Anerkennung nicht nachträglich durch die Einholung eines Gutachtens geheilt werden  (Bl. 16 f. PA).

15

Das Gericht hat die Beteiligten mit Schreiben vom 8. April 2016 darauf hingewiesen, es beabsichtige, das allgemein zugängliche Fachgutachten „Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 06. Oktober 2011 für seine Entscheidung heranzuziehen, welches voraussichtlich für die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung der Behandlungsmethode im Zeitpunkt der in Rede stehenden Behandlung aussagekräftig sei (Bl. 36 ff. PA). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben diesbezüglich ausgeführt, dass - wie bereits vorgetragen - nach ihrer Auffassung das angesprochene Gutachten veraltet und die Einholung eines neuen Gutachtens geboten sei (Bl. 40 PA)

16

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 14, 19 PA).

Entscheidungsgründe

17

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 8. Oktober 2014 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

18

I. Zu Recht hat der Beklagte die Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG wegen des fehlenden Nachweises gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 f), Satz 2 EStDV abgelehnt.

19

Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in der angefochtenen Einspruchsentscheidung (§ 105 Abs. 5 FGO), jedoch mit folgenden Ergänzungen:

20

Das Erfordernis der Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung besteht nur im Falle einer wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethode, wobei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung i.S. des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 f) EStDV der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung ist (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juni 2015 - VI R 68/14 -, juris, Rdn. 16).

21

Vorliegend wurde - ausweislich der Rechnung der Privatärztlichen Verrechnungsstelle Limburg/Lahn GmbH vom 13.05.2013 - die Operation am 25.04.2013 durchgeführt (Bl. 5 EStA), so dass die Feststellung getroffen werden muss, ob die bei der Klägerin vorgenommene Liposuktion zum damaligen Zeitpunkt bereits eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode darstellte oder nicht. Hinsichtlich des klägerischen Begehrens nach Einholung eines neuen Gutachtens ist daher klarzustellen, dass nicht entscheidend ist, ob die Liposuktion möglicherweise zwischenzeitlich eine wissenschaftliche Anerkennung erfahren hat. Eine spätere Anerkennung würde - mit anderen Worten - im vorliegenden steuerrechtlichen Zusammenhang nicht auf den vorhergehenden Behandlungszeitpunkt zurückwirken.

22

Im Streitfall war die Liposuktion jedenfalls im April 2013 noch keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode.

23

Der erkennende Senat hat für seine Einschätzung - nach einem entsprechenden Hinweis gegenüber den Beteiligten (Bl. 36 ff. PA) - von der Möglichkeit Gebrauch gemacht (vgl. BFH, Urteil vom 18. Juni 2015 - VI R 68/14 -, juris, Rdn. 16), sich auf das allgemein zugängliche Fachgutachten „Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 06. Oktober 2011 zu stützen, welches in Verfahren vor anderen Gerichten zur Beurteilung dieser Frage herangezogen worden ist. Dieses Gutachten ist beispielsweise unter der Internetadresse des genannten Medizinischen Dienstes
https://www.mds-ev.de/themen/methodik-und-methodenberatung /begutachtungsgrundlagen-zu-nub-seg-7.html
vollständig abrufbar.

24

Auf dessen Grundlage haben unter anderem das OVG Lüneburg im Urteil vom 22. Januar 2013 (- 5 LB 50/11 -, juris, Rdn. 31) sowie nachfolgend auch das FG Schleswig-Holstein im Urteil vom 01. Oktober 2014 (- 2 K 272/12 -, juris, Rdn. 33 f.) mit überzeugender Begründung die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der Liposuktion verneint.

25

Gegen die darin enthaltenen medizinischen Wertungen wurden von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben. Ihr Vortrag beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, dass das Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen vom 06. Oktober 2011 „aufgrund erheblichen Zeitablaufs und Fortschritts in den medizinischen Erkenntnissen“ veraltet sei (Bl. 40 PA).

26

Für eine abweichende Beurteilung bietet die neuere sozialgerichtliche Rechtsprechung, nach welcher - auch derzeit - ein wissenschaftlicher Beleg der Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems fehle (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Januar 2015 - L 8 KR 339/11 -, juris, Rdn. 43; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 05. Februar 2015 - L 5 KR 228/13 -, juris, Rdn. 21; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 05. März 2015 - S 17 KR 412/14 -, juris, Rdn. 20), keine hinreichenden Anhaltspunkte.

27

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

28

III. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung. Ist für den Steuerfall nachträglich eine andere Finanzbehörde zuständig geworden, so entscheidet diese Finanzbehörde; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Die Finanzbehörde, die über den Einspruch entscheidet, hat die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Einer Einspruchsentscheidung bedarf es nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft.

(2a) Die Finanzbehörde kann vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll.

(2b) Anhängige Einsprüche, die eine vom Gerichtshof der Europäischen Union, vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bundesfinanzhof entschiedene Rechtsfrage betreffen und denen nach dem Ausgang des Verfahrens vor diesen Gerichten nicht abgeholfen werden kann, können durch Allgemeinverfügung insoweit zurückgewiesen werden. Sachlich zuständig für den Erlass der Allgemeinverfügung ist die oberste Finanzbehörde. Die Allgemeinverfügung ist im Bundessteuerblatt und auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen zu veröffentlichen. Sie gilt am Tag nach der Herausgabe des Bundessteuerblattes, in dem sie veröffentlicht wird, als bekannt gegeben. Abweichend von § 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung endet die Klagefrist mit Ablauf eines Jahres nach dem Tag der Bekanntgabe. § 63 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung gilt auch, soweit ein Einspruch durch eine Allgemeinverfügung nach Satz 1 zurückgewiesen wurde.

(3) Richtet sich der Einspruch gegen einen Verwaltungsakt, den eine Behörde auf Grund gesetzlicher Vorschrift für die zuständige Finanzbehörde erlassen hat, so entscheidet die zuständige Finanzbehörde über den Einspruch. Auch die für die zuständige Finanzbehörde handelnde Behörde ist berechtigt, dem Einspruch abzuhelfen.

(1) Die Beteiligten und andere Personen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Personen als die Beteiligten sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.

(1a) Die Finanzbehörde darf an andere Personen als die Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen (Sammelauskunftsersuchen). Voraussetzung für ein Sammelauskunftsersuchen ist, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen besteht und andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Absatz 1 Satz 3 ist nicht anzuwenden.

(2) In dem Auskunftsersuchen ist anzugeben, worüber Auskünfte erteilt werden sollen und ob die Auskunft für die Besteuerung des Auskunftspflichtigen oder für die Besteuerung anderer Personen angefordert wird. Auskunftsersuchen haben auf Verlangen des Auskunftspflichtigen schriftlich zu ergehen.

(3) Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen.

(4) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft schriftlich, elektronisch, mündlich oder fernmündlich erteilen. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies sachdienlich ist.

(5) Die Finanzbehörde kann anordnen, dass der Auskunftspflichtige eine mündliche Auskunft an Amtsstelle erteilt. Hierzu ist sie insbesondere dann befugt, wenn trotz Aufforderung eine schriftliche Auskunft nicht erteilt worden ist oder eine schriftliche Auskunft nicht zu einer Klärung des Sachverhalts geführt hat. Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(6) Auf Antrag des Auskunftspflichtigen ist über die mündliche Auskunft an Amtsstelle eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift soll den Namen der anwesenden Personen, den Ort, den Tag und den wesentlichen Inhalt der Auskunft enthalten. Sie soll von dem Amtsträger, dem die mündliche Auskunft erteilt wird, und dem Auskunftspflichtigen unterschrieben werden. Den Beteiligten ist eine Abschrift der Niederschrift zu überlassen.

(7) Ein automatisierter Abruf von Kontoinformationen nach § 93b ist nur zulässig, soweit

1.
der Steuerpflichtige eine Steuerfestsetzung nach § 32d Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes beantragt oder
2.
(weggefallen)
und der Abruf in diesen Fällen zur Festsetzung der Einkommensteuer erforderlich ist oder er erforderlich ist
3.
zur Feststellung von Einkünften nach den §§ 20 und 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich des Jahres 2008 oder
4.
zur Erhebung von bundesgesetzlich geregelten Steuern oder Rückforderungsansprüchen bundesgesetzlich geregelter Steuererstattungen und Steuervergütungen oder
4a.
zur Ermittlung, in welchen Fällen ein inländischer Steuerpflichtiger im Sinne des § 138 Absatz 2 Satz 1 Verfügungsberechtigter oder wirtschaftlich Berechtigter im Sinne des Geldwäschegesetzes eines Kontos oder Depots einer natürlichen Person, Personengesellschaft, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthalt, Sitz, Hauptniederlassung oder Geschäftsleitung außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ist, oder
4b.
zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den Fällen des § 208 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3
4c.
zur Durchführung der Amtshilfe für andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach § 3a des EU-Amtshilfegesetzes oder
oder
5.
der Steuerpflichtige zustimmt oder die von ihm oder eine für ihn nach § 139b Absatz 10 Satz 1 an das Bundeszentralamt für Steuern übermittelte Kontoverbindung verifiziert werden soll.
In diesen Fällen darf die Finanzbehörde oder in den Fällen des § 1 Abs. 2 die Gemeinde das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten einzelne Daten aus den nach § 93b Absatz 1 und 1a zu führenden Dateisystemen abzurufen; in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 4b darf ein Abrufersuchen nur dann erfolgen, wenn ein Auskunftsersuchen an den Steuerpflichtigen nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht.

(8) Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt auf Ersuchen Auskunft über die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b,

1.
den für die Verwaltung
a)
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch,
b)
der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch,
c)
der Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz,
d)
der Aufstiegsfortbildungsförderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
e)
des Wohngeldes nach dem Wohngeldgesetz,
f)
der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und
g)
des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch
zuständigen Behörden, soweit dies zur Überprüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich ist und ein vorheriges Auskunftsersuchen an die betroffene Person nicht zum Ziel geführt hat oder keinen Erfolg verspricht;
2.
den Polizeivollzugsbehörden des Bundes und der Länder, soweit dies zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist, und
3.
den Verfassungsschutzbehörden der Länder, soweit dies für ihre Aufgabenerfüllung erforderlich ist und durch Landesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.
Die für die Vollstreckung nach dem Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz und nach den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder zuständigen Behörden dürfen zur Durchführung der Vollstreckung das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b, abzurufen, wenn
1.
die Ladung zu dem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft an den Vollstreckungsschuldner nicht zustellbar ist und
a)
die Anschrift, unter der die Zustellung ausgeführt werden sollte, mit der Anschrift übereinstimmt, die von einer der in § 755 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung genannten Stellen innerhalb von drei Monaten vor oder nach dem Zustellungsversuch mitgeteilt wurde, oder
b)
die Meldebehörde nach dem Zustellungsversuch die Auskunft erteilt, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist, oder
c)
die Meldebehörde innerhalb von drei Monaten vor Erlass der Vollstreckungsanordnung die Auskunft erteilt hat, dass ihr keine derzeitige Anschrift des Vollstreckungsschuldners bekannt ist;
2.
der Vollstreckungsschuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft in dem dem Ersuchen zugrundeliegenden Vollstreckungsverfahren nicht nachkommt oder
3.
bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung der Forderung nicht zu erwarten ist.
Für andere Zwecke ist ein Abrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern hinsichtlich der in § 93b Absatz 1 und 1a bezeichneten Daten, ausgenommen die Identifikationsnummer nach § 139b, nur zulässig, soweit dies durch ein Bundesgesetz ausdrücklich zugelassen ist.

(8a) Kontenabrufersuchen an das Bundeszentralamt für Steuern sind nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtlich bestimmten Schnittstellen zu übermitteln; § 87a Absatz 6 und § 87b Absatz 1 und 2 gelten entsprechend. Das Bundeszentralamt für Steuern kann Ausnahmen von der elektronischen Übermittlung zulassen. Das Bundeszentralamt für Steuern soll der ersuchenden Stelle die Ergebnisse des Kontenabrufs elektronisch übermitteln; § 87a Absatz 7 und 8 gilt entsprechend.

(9) Vor einem Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 ist die betroffene Person auf die Möglichkeit eines Kontenabrufs hinzuweisen; dies kann auch durch ausdrücklichen Hinweis in amtlichen Vordrucken und Merkblättern geschehen. Nach Durchführung eines Kontenabrufs ist die betroffene Person vom Ersuchenden über die Durchführung zu benachrichtigen. Ein Hinweis nach Satz 1 erster Halbsatz und eine Benachrichtigung nach Satz 2 unterbleiben, soweit die Voraussetzungen des § 32b Absatz 1 vorliegen oder die Information der betroffenen Person gesetzlich ausgeschlossen ist. § 32c Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 8 gilt Satz 4 entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Sätze 1 und 2 sind nicht anzuwenden in den Fällen des Absatzes 8 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder soweit dies bundesgesetzlich ausdrücklich bestimmt ist.

(10) Ein Abrufersuchen nach Absatz 7 oder Absatz 8 und dessen Ergebnis sind vom Ersuchenden zu dokumentieren.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 1. Oktober 2014  2 K 272/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I.  Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) absetzbar sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machten sie Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen bei der Klägerin im Streitjahr in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Krankenkasse hatte der Klägerin mit Schreiben vom ... September 2012 mitgeteilt, dass sie sich nicht an den Kosten der Liposuktion beteiligen könne, weil die Therapie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen sei. Ein amtsärztliches Zeugnis oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wurde weder vor den Operationen noch danach eingeholt. Die Klägerin reichte die Berichte des Medizinischen Versorgungszentrums ... vom ... November 2010 und der Radiologie ... vom ... November 2010, die Atteste des Arztes ... vom ... Oktober 2012 und vom ... Oktober 2012, sowie das Attest der Ärztin ... vom ... November 2012 ein. Weiter wurde ein fachärztliches Gutachten von Herrn Dr. ... vom ... Januar 2011 vorgelegt. Danach sei die Erstvorstellung am ... Oktober 2009 erfolgt und als Diagnose "schmerzhaftes Lipödem der Beine Stad. II (Mb. Derkum)" bestätigt worden. Als operative Behandlungsmaßnahme sei die Liposuktion mit dem Wasserstrahl, dem Ultraschall oder die Vibrationsliposuktion angezeigt. Mit den neuen Möglichkeiten technisierter, lymphbahnschonender Fettabsaugungen (lymphologische Liposuktion) bestehe eine definitive Heilungsoption. Die überwiegende Anzahl der Patientinnen werde durch eine mehrseitige lymphologische radikale Liposuktion von sämtlichen Symptomen langjährig befreit. Demgegenüber verfügten die konservativen Behandlungsmethoden nicht über diese Möglichkeiten. Durch eine operative Behandlung müssten sich Patientinnen nicht mehr auf lediglich symptomatisch lindernde zeitaufwändige und lebenslang durchzuführende Behandlungen verweisen lassen.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2010 nicht als außergewöhnliche Belastungen. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 insoweit als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 33 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 33 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (EStDV) sowie Verfahrensfehler.

6

Sie beantragen,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 1. Oktober 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für eine bei der Klägerin vorgenommene Liposuktion in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, bei der Liposuktion handele es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode zur Behandlung eines Lipödems. Dementsprechend hat es das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen zu Recht verneint, weil die Klägerin kein vor der Behandlung erstelltes amtsärztliches Gutachten vorgelegt hat, aus dem sich die Zwangsläufigkeit der Maßnahme ergibt.

9

1. Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

10

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

11

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach Bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

12

c) Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch --SGV V--) hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458, und vom 26. Februar 2014 VI R 27/13, BFHE 246, 18, BStBl II 2014, 824) ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV).

13

d) Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577)-- auch im Streitjahr bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV), erforderlich.

14

aa) Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn "die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (gleicher Auffassung Bundessozialgericht --BSG-- zu § 18 SGB V, Urteil vom 13. Dezember 2005 B 1 KR 21/04 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 SGB V; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 19. Februar 2002 B 1 KR 16/00 R, SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 S. 71 f.; BSG zu § 18 SGB V, Urteil vom 14. Februar 2001 B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6 S. 23; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 21. März 2013 B 3 KR 2/12 R, SozR 4-2500 § 137c Nr. 6; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9). Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

15

Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV ist der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Denn das Nachweiserfordernis soll Aufschluss darüber geben, ob eine Behandlungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch indiziert und die angefallenen Aufwendungen daher zwangsläufig zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit entstanden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38; vom 14. November 2013 VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl II 2014, 456).

16

bb) Um zu beurteilen, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegt, kann sich das FG auf allgemein zugängliche Fachgutachten oder solche Gutachten stützen, die in Verfahren vor anderen Gerichten zur Beurteilung dieser Frage herangezogen wurden. Will das FG von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss es die Beteiligten auf diese Absicht hinweisen und ihnen die entsprechenden Unterlagen zugänglich machen. Bringt der Steuerpflichtige substantiierte Einwendungen vor, aus denen sich Zweifel ergeben --insbesondere, wenn der Steuerpflichtige darlegt, dass in seinem Fall aus medizinischer Sicht etwas anderes gilt und er deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt--, so kann das FG verpflichtet sein, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

17

2. Im Streitfall ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, die von der Klägerin durchgeführte Liposuktion sei keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode.

18

Hierbei ist es von der unter II.1.d aa angeführten Begriffsbestimmung der wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode ausgegangen. Seinen Feststellungen zur Frage der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems hat es --wie auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in seinem Urteil vom 22. Januar 2013  5 LB 50/11 (Entscheidungen zum Krankenhausrecht 2013/159)-- u.a. das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 6. Oktober 2011 zugrunde gelegt. Ausgehend hiervon ist es zu der Würdigung gelangt, die Liposuktion sei keine anerkannte Therapie zur Behandlung des Lipödems. Zwar werde durch eine Liposuktion das Fettgewebe reduziert. Es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Auch liege bislang keine kontrollierte klinische Studie zur Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen vor. Es bestünden lediglich Leitlinien, z.B. die Leitlinie "Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009, in denen auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen werde. Derartige Nachbeobachtungen oder Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen geringen zeitlichen Umfangs seien indes nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen.

19

Das FG hat sich mithin auf der Grundlage verschiedener Erkenntnisquellen, die auch das OVG Lüneburg im Rahmen seiner Entscheidungsfindung im dort zu entscheidenden Verfahren verwandt hatte, die nötige Sachkunde verschafft, um die streitentscheidenden Umstände fachkundig würdigen zu können. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, die Wirksamkeit der Liposuktion sei mangels hinreichender Daten nicht ausreichend nachgewiesen. Diese Würdigung verstößt weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze. Insbesondere sind die herangezogenen Unterlagen --z.B. das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011-- auch aussagekräftig für den im Streitfall entscheidenden Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2010.

20

3. Die Vorentscheidung war auch nicht wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben.

21

Das FG hat seine Entscheidung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu treffen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003 VI B 113/02, BFH/NV 2003, 616). Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842).

22

Hieraus folgt, dass das Gericht eine nicht von den Beteiligten vorgebrachte Entscheidungsgrundlage, auf die es sein Urteil stützen will, ins Verfahren einführen muss. Vorliegend kann indes offenbleiben, ob das FG die zur Begründung seiner Entscheidung angeführten Gutachten und sonstigen Erkenntnisse hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt hat.

23

Denn der Erfolg einer Revision infolge eines Verfahrensfehlers setzt voraus, dass die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel ergibt, in der Revisionsbegründung dargelegt werden (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2012 I R 51/11, BFH/NV 2012, 1800). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Kläger haben weder dargelegt, dass das FG die Erkenntnisse, auf die es seine Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion gestützt hat, nicht ins Verfahren eingeführt hat, noch haben sie geltend gemacht, dass sie sich hierzu nicht hätten äußern können.

24

Soweit sie mit ihrem Vorbringen, es habe Anlass bestanden, den Standpunkt des OVG Lüneburg anzuzweifeln, unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. ... die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) rügen wollen, liegt auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht vor. Da sich aus den Ausführungen in dem Gutachten nicht ergibt, auf welche wissenschaftlichen Grundlagen (Studien o.ä.) sich die dort vertretene Auffassung stützt, bestand keine Veranlassung für das FG, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 1. Oktober 2014  2 K 272/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I.  Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) absetzbar sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machten sie Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen bei der Klägerin im Streitjahr in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Krankenkasse hatte der Klägerin mit Schreiben vom ... September 2012 mitgeteilt, dass sie sich nicht an den Kosten der Liposuktion beteiligen könne, weil die Therapie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen sei. Ein amtsärztliches Zeugnis oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wurde weder vor den Operationen noch danach eingeholt. Die Klägerin reichte die Berichte des Medizinischen Versorgungszentrums ... vom ... November 2010 und der Radiologie ... vom ... November 2010, die Atteste des Arztes ... vom ... Oktober 2012 und vom ... Oktober 2012, sowie das Attest der Ärztin ... vom ... November 2012 ein. Weiter wurde ein fachärztliches Gutachten von Herrn Dr. ... vom ... Januar 2011 vorgelegt. Danach sei die Erstvorstellung am ... Oktober 2009 erfolgt und als Diagnose "schmerzhaftes Lipödem der Beine Stad. II (Mb. Derkum)" bestätigt worden. Als operative Behandlungsmaßnahme sei die Liposuktion mit dem Wasserstrahl, dem Ultraschall oder die Vibrationsliposuktion angezeigt. Mit den neuen Möglichkeiten technisierter, lymphbahnschonender Fettabsaugungen (lymphologische Liposuktion) bestehe eine definitive Heilungsoption. Die überwiegende Anzahl der Patientinnen werde durch eine mehrseitige lymphologische radikale Liposuktion von sämtlichen Symptomen langjährig befreit. Demgegenüber verfügten die konservativen Behandlungsmethoden nicht über diese Möglichkeiten. Durch eine operative Behandlung müssten sich Patientinnen nicht mehr auf lediglich symptomatisch lindernde zeitaufwändige und lebenslang durchzuführende Behandlungen verweisen lassen.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2010 nicht als außergewöhnliche Belastungen. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 insoweit als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 33 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 33 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (EStDV) sowie Verfahrensfehler.

6

Sie beantragen,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 1. Oktober 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für eine bei der Klägerin vorgenommene Liposuktion in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, bei der Liposuktion handele es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode zur Behandlung eines Lipödems. Dementsprechend hat es das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen zu Recht verneint, weil die Klägerin kein vor der Behandlung erstelltes amtsärztliches Gutachten vorgelegt hat, aus dem sich die Zwangsläufigkeit der Maßnahme ergibt.

9

1. Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

10

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

11

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach Bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

12

c) Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch --SGV V--) hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458, und vom 26. Februar 2014 VI R 27/13, BFHE 246, 18, BStBl II 2014, 824) ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV).

13

d) Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577)-- auch im Streitjahr bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV), erforderlich.

14

aa) Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn "die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (gleicher Auffassung Bundessozialgericht --BSG-- zu § 18 SGB V, Urteil vom 13. Dezember 2005 B 1 KR 21/04 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 SGB V; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 19. Februar 2002 B 1 KR 16/00 R, SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 S. 71 f.; BSG zu § 18 SGB V, Urteil vom 14. Februar 2001 B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6 S. 23; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 21. März 2013 B 3 KR 2/12 R, SozR 4-2500 § 137c Nr. 6; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9). Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

15

Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV ist der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Denn das Nachweiserfordernis soll Aufschluss darüber geben, ob eine Behandlungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch indiziert und die angefallenen Aufwendungen daher zwangsläufig zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit entstanden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38; vom 14. November 2013 VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl II 2014, 456).

16

bb) Um zu beurteilen, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegt, kann sich das FG auf allgemein zugängliche Fachgutachten oder solche Gutachten stützen, die in Verfahren vor anderen Gerichten zur Beurteilung dieser Frage herangezogen wurden. Will das FG von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss es die Beteiligten auf diese Absicht hinweisen und ihnen die entsprechenden Unterlagen zugänglich machen. Bringt der Steuerpflichtige substantiierte Einwendungen vor, aus denen sich Zweifel ergeben --insbesondere, wenn der Steuerpflichtige darlegt, dass in seinem Fall aus medizinischer Sicht etwas anderes gilt und er deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt--, so kann das FG verpflichtet sein, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

17

2. Im Streitfall ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, die von der Klägerin durchgeführte Liposuktion sei keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode.

18

Hierbei ist es von der unter II.1.d aa angeführten Begriffsbestimmung der wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode ausgegangen. Seinen Feststellungen zur Frage der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems hat es --wie auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in seinem Urteil vom 22. Januar 2013  5 LB 50/11 (Entscheidungen zum Krankenhausrecht 2013/159)-- u.a. das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 6. Oktober 2011 zugrunde gelegt. Ausgehend hiervon ist es zu der Würdigung gelangt, die Liposuktion sei keine anerkannte Therapie zur Behandlung des Lipödems. Zwar werde durch eine Liposuktion das Fettgewebe reduziert. Es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Auch liege bislang keine kontrollierte klinische Studie zur Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen vor. Es bestünden lediglich Leitlinien, z.B. die Leitlinie "Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009, in denen auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen werde. Derartige Nachbeobachtungen oder Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen geringen zeitlichen Umfangs seien indes nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen.

19

Das FG hat sich mithin auf der Grundlage verschiedener Erkenntnisquellen, die auch das OVG Lüneburg im Rahmen seiner Entscheidungsfindung im dort zu entscheidenden Verfahren verwandt hatte, die nötige Sachkunde verschafft, um die streitentscheidenden Umstände fachkundig würdigen zu können. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, die Wirksamkeit der Liposuktion sei mangels hinreichender Daten nicht ausreichend nachgewiesen. Diese Würdigung verstößt weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze. Insbesondere sind die herangezogenen Unterlagen --z.B. das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011-- auch aussagekräftig für den im Streitfall entscheidenden Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2010.

20

3. Die Vorentscheidung war auch nicht wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben.

21

Das FG hat seine Entscheidung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu treffen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003 VI B 113/02, BFH/NV 2003, 616). Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842).

22

Hieraus folgt, dass das Gericht eine nicht von den Beteiligten vorgebrachte Entscheidungsgrundlage, auf die es sein Urteil stützen will, ins Verfahren einführen muss. Vorliegend kann indes offenbleiben, ob das FG die zur Begründung seiner Entscheidung angeführten Gutachten und sonstigen Erkenntnisse hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt hat.

23

Denn der Erfolg einer Revision infolge eines Verfahrensfehlers setzt voraus, dass die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel ergibt, in der Revisionsbegründung dargelegt werden (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2012 I R 51/11, BFH/NV 2012, 1800). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Kläger haben weder dargelegt, dass das FG die Erkenntnisse, auf die es seine Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion gestützt hat, nicht ins Verfahren eingeführt hat, noch haben sie geltend gemacht, dass sie sich hierzu nicht hätten äußern können.

24

Soweit sie mit ihrem Vorbringen, es habe Anlass bestanden, den Standpunkt des OVG Lüneburg anzuzweifeln, unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. ... die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) rügen wollen, liegt auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht vor. Da sich aus den Ausführungen in dem Gutachten nicht ergibt, auf welche wissenschaftlichen Grundlagen (Studien o.ä.) sich die dort vertretene Auffassung stützt, bestand keine Veranlassung für das FG, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 1. Oktober 2014  2 K 272/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I.  Streitig ist, ob Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) absetzbar sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2010 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machten sie Aufwendungen für die operative Beseitigung von Lipödemen bei der Klägerin im Streitjahr in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastung geltend. Die Krankenkasse hatte der Klägerin mit Schreiben vom ... September 2012 mitgeteilt, dass sie sich nicht an den Kosten der Liposuktion beteiligen könne, weil die Therapie keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen sei. Ein amtsärztliches Zeugnis oder eine Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse wurde weder vor den Operationen noch danach eingeholt. Die Klägerin reichte die Berichte des Medizinischen Versorgungszentrums ... vom ... November 2010 und der Radiologie ... vom ... November 2010, die Atteste des Arztes ... vom ... Oktober 2012 und vom ... Oktober 2012, sowie das Attest der Ärztin ... vom ... November 2012 ein. Weiter wurde ein fachärztliches Gutachten von Herrn Dr. ... vom ... Januar 2011 vorgelegt. Danach sei die Erstvorstellung am ... Oktober 2009 erfolgt und als Diagnose "schmerzhaftes Lipödem der Beine Stad. II (Mb. Derkum)" bestätigt worden. Als operative Behandlungsmaßnahme sei die Liposuktion mit dem Wasserstrahl, dem Ultraschall oder die Vibrationsliposuktion angezeigt. Mit den neuen Möglichkeiten technisierter, lymphbahnschonender Fettabsaugungen (lymphologische Liposuktion) bestehe eine definitive Heilungsoption. Die überwiegende Anzahl der Patientinnen werde durch eine mehrseitige lymphologische radikale Liposuktion von sämtlichen Symptomen langjährig befreit. Demgegenüber verfügten die konservativen Behandlungsmethoden nicht über diese Möglichkeiten. Durch eine operative Behandlung müssten sich Patientinnen nicht mehr auf lediglich symptomatisch lindernde zeitaufwändige und lebenslang durchzuführende Behandlungen verweisen lassen.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Aufwendungen im Einkommensteuerbescheid für 2010 nicht als außergewöhnliche Belastungen. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit Teil-Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 insoweit als unbegründet zurück.

4

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 33 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 33 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (EStDV) sowie Verfahrensfehler.

6

Sie beantragen,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen FG vom 1. Oktober 2014 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2012 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen für eine bei der Klägerin vorgenommene Liposuktion in Höhe von 5.500 € als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.

7

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, bei der Liposuktion handele es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Methode zur Behandlung eines Lipödems. Dementsprechend hat es das Vorliegen außergewöhnlicher Belastungen zu Recht verneint, weil die Klägerin kein vor der Behandlung erstelltes amtsärztliches Gutachten vorgelegt hat, aus dem sich die Zwangsläufigkeit der Maßnahme ergibt.

9

1. Nach § 33 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

10

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglicher zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

11

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach Bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung von Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind (Senatsurteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

12

c) Die Zwangsläufigkeit krankheitsbedingter Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch --SGV V--) hat der Steuerpflichtige durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachzuweisen (§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV). In den abschließend geregelten Katalogfällen des § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV (vgl. Senatsurteile vom 6. Februar 2014 VI R 61/12, BFHE 244, 395, BStBl II 2014, 458, und vom 26. Februar 2014 VI R 27/13, BFHE 246, 18, BStBl II 2014, 824) ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu führen (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV).

13

d) Ein solcher qualifizierter Nachweis ist --aufgrund der in § 84 Abs. 3f EStDV angeordneten verfassungsrechtlich unbedenklichen rückwirkenden Geltung des § 64 EStDV (Senatsurteil in BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577)-- auch im Streitjahr bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV), erforderlich.

14

aa) Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn "die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (gleicher Auffassung Bundessozialgericht --BSG-- zu § 18 SGB V, Urteil vom 13. Dezember 2005 B 1 KR 21/04 R, SozR 4-2500 § 18 Nr. 5 SGB V; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 19. Februar 2002 B 1 KR 16/00 R, SozR 3-2500 § 92 Nr. 12 S. 71 f.; BSG zu § 18 SGB V, Urteil vom 14. Februar 2001 B 1 KR 29/00 R, SozR 3-2500 § 18 Nr. 6 S. 23; BSG zu § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, Urteil vom 21. März 2013 B 3 KR 2/12 R, SozR 4-2500 § 137c Nr. 6; Senatsurteil vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9). Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

15

Maßgeblicher Zeitpunkt für die wissenschaftliche Anerkennung i.S. des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV ist der Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Denn das Nachweiserfordernis soll Aufschluss darüber geben, ob eine Behandlungsmethode im Zeitpunkt der Behandlung medizinisch indiziert und die angefallenen Aufwendungen daher zwangsläufig zum Zweck der Heilung oder Linderung einer Krankheit entstanden sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Mai 2011 VI R 37/10, BFHE 234, 25, BStBl II 2013, 783; vom 5. Oktober 2011 VI R 20/11, BFH/NV 2012, 38; vom 14. November 2013 VI R 20/12, BFHE 244, 285, BStBl II 2014, 456).

16

bb) Um zu beurteilen, ob eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode vorliegt, kann sich das FG auf allgemein zugängliche Fachgutachten oder solche Gutachten stützen, die in Verfahren vor anderen Gerichten zur Beurteilung dieser Frage herangezogen wurden. Will das FG von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, muss es die Beteiligten auf diese Absicht hinweisen und ihnen die entsprechenden Unterlagen zugänglich machen. Bringt der Steuerpflichtige substantiierte Einwendungen vor, aus denen sich Zweifel ergeben --insbesondere, wenn der Steuerpflichtige darlegt, dass in seinem Fall aus medizinischer Sicht etwas anderes gilt und er deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt--, so kann das FG verpflichtet sein, ein Sachverständigengutachten einzuholen.

17

2. Im Streitfall ist das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, die von der Klägerin durchgeführte Liposuktion sei keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode.

18

Hierbei ist es von der unter II.1.d aa angeführten Begriffsbestimmung der wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode ausgegangen. Seinen Feststellungen zur Frage der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems hat es --wie auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg in seinem Urteil vom 22. Januar 2013  5 LB 50/11 (Entscheidungen zum Krankenhausrecht 2013/159)-- u.a. das "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 6. Oktober 2011 zugrunde gelegt. Ausgehend hiervon ist es zu der Würdigung gelangt, die Liposuktion sei keine anerkannte Therapie zur Behandlung des Lipödems. Zwar werde durch eine Liposuktion das Fettgewebe reduziert. Es sei aber wissenschaftlich nicht hinreichend bewiesen, dass damit auch eine nachhaltige Reduktion der Lipödembeschwerden einhergehe. Auch liege bislang keine kontrollierte klinische Studie zur Liposuktion zur Behandlung von Lipödemen vor. Es bestünden lediglich Leitlinien, z.B. die Leitlinie "Lipödem der Beine" der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in der letzten Fassung vom 25. Juni 2009, in denen auf zwei Untersuchungen mit 19 Patientinnen über acht Jahre bzw. 75 Patientinnen über maximal viereinhalb Jahre Bezug genommen werde. Derartige Nachbeobachtungen oder Untersuchungen mit kleinen Fallzahlen geringen zeitlichen Umfangs seien indes nicht geeignet, eine Therapie als wissenschaftlich allgemein anerkannt gelten zu lassen.

19

Das FG hat sich mithin auf der Grundlage verschiedener Erkenntnisquellen, die auch das OVG Lüneburg im Rahmen seiner Entscheidungsfindung im dort zu entscheidenden Verfahren verwandt hatte, die nötige Sachkunde verschafft, um die streitentscheidenden Umstände fachkundig würdigen zu können. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, die Wirksamkeit der Liposuktion sei mangels hinreichender Daten nicht ausreichend nachgewiesen. Diese Würdigung verstößt weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze. Insbesondere sind die herangezogenen Unterlagen --z.B. das Gutachten der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 vom 6. Oktober 2011-- auch aussagekräftig für den im Streitfall entscheidenden Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2010.

20

3. Die Vorentscheidung war auch nicht wegen eines Verfahrensmangels aufzuheben.

21

Das FG hat seine Entscheidung aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens zu treffen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003 VI B 113/02, BFH/NV 2003, 616). Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten (§ 96 Abs. 2 FGO; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842).

22

Hieraus folgt, dass das Gericht eine nicht von den Beteiligten vorgebrachte Entscheidungsgrundlage, auf die es sein Urteil stützen will, ins Verfahren einführen muss. Vorliegend kann indes offenbleiben, ob das FG die zur Begründung seiner Entscheidung angeführten Gutachten und sonstigen Erkenntnisse hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion ordnungsgemäß ins Verfahren eingeführt hat.

23

Denn der Erfolg einer Revision infolge eines Verfahrensfehlers setzt voraus, dass die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensmangel ergibt, in der Revisionsbegründung dargelegt werden (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO; vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2012 I R 51/11, BFH/NV 2012, 1800). Hieran fehlt es im Streitfall. Die Kläger haben weder dargelegt, dass das FG die Erkenntnisse, auf die es seine Beurteilung der wissenschaftlichen Anerkennung der Liposuktion gestützt hat, nicht ins Verfahren eingeführt hat, noch haben sie geltend gemacht, dass sie sich hierzu nicht hätten äußern können.

24

Soweit sie mit ihrem Vorbringen, es habe Anlass bestanden, den Standpunkt des OVG Lüneburg anzuzweifeln, unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. ... die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 76 FGO) rügen wollen, liegt auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht vor. Da sich aus den Ausführungen in dem Gutachten nicht ergibt, auf welche wissenschaftlichen Grundlagen (Studien o.ä.) sich die dort vertretene Auffassung stützt, bestand keine Veranlassung für das FG, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären.

25

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.


Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung einer stationären Liposuktion.

2

Die 1980 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte gestützt auf ein Attest der Ärztin für Plastische und Handchirurgie Dr. D vom 06.11.2010 im November 2010 eine Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes, die nach Auffassung von Dr. D aufgrund des hohen Risikos einer Thromboembolie stationär mit mindestens drei Operationen durchgeführt werden müsse. Bei idiopathischem Lymphödem seit dem 16. Lebensjahr mit kontinuierlicher ärztlicher Behandlung bestehe eine klinisch altersuntypische Fettansammlung im Bereich beider Beine und des Gesäßes im Sinne eines Lipödems. Der Arzt im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Dr. K führte im Gutachten vom 28.12.2010 aus, bei vorhandener ausgeprägter Adipositas mit einem BMI von knapp 37 kg/m2 ergebe sich anhand der Fotodokumentation kein entstellender körperlicher Befund. Eine Indikation zu einer Fettabsaugung liege nicht vor. Angezeigt seien vielmehr eine konsequente Gewichtsreduktion sowie eine konservative Behandlung des Lymphödems mit regelmäßiger Lymphdrainage und Kompressionstherapie. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2011 den Leistungsantrag ab. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin ein Attest ihrer Hausärztin G vom 28.02.2011 vor, die ausführte, bei der Klägerin bestehe seit dem 16. Lebensjahr ein ideopathisches chronisches Lymphödem. Sie erhalte seit dem 18. Lebensjahr immer wieder Lymphdrainagen, wodurch sich eine leichte Besserung habe erzielen lassen. Seit etwa einem dreiviertel Jahr könne jedoch schmerzbedingt eine Lymphdrainage nicht mehr durchgeführt werden. Im MDK-Gutachten vom 19.04.2011 verblieb Dr. G bei der bisherigen Beurteilung, dass eine entsprechende Gewichtsreduktion maßgeblich und vorrangig sei und zudem eine Bewegungstherapie sowie konservative Behandlung bei Verdacht auf Lipolymphödem der Beine angezeigt sei. Zudem handele es sich bei der Liposuktion beim Lipolymphödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Die Durchführung einer Liposuktion der Oberschenkel und des Gesäßes, wie hier beabsichtigt, erfordere nicht die besonderen Mittel eines Krankenhauses. Sie werde von den meisten Anwendern auch ambulant erbracht. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin zurück.

3

Am 22.07.2011 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Sie hat im Wesentlichen geltend gemacht, von ihren behandelnden Ärzten sei in Anbetracht der jahrelangen ergebnislos gebliebenen Lymphdrainagebehandlungen sowie Kompressionsbehandlungen und Bandagierung des Bewegungsapparats eine stationäre Fettabsaugung der Oberschenkel und des Gesäßes dringend empfohlen worden. Nur hierdurch könne ein verbesserter Lymphabfluss erreicht werden.

4

Das SG hat Befundberichte von Dr. D vom 10.11.2011, die die medizinische Notwendigkeit für eine Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie am Gesäß verneint hat, Dr. G vom 28.11.2011, die die Notwendigkeit einer - grundsätzlich ambulant durchführbaren – Liposuktion bestätigt hat, und des Gefäßchirurgen Dr. E vom 22.12.2011, der zur Notwendigkeit einer Liposuktion auf Dr. D verwiesen hat, eingeholt. Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG von Dr. G, M, ein chirurgisches Gutachten vom 16.08.2012 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei der Klägerin liege ein schwer adipöser Ernährungszustand vor. Darüber hinaus finde sich eine disproportionierte Volumenvermehrung an allen vier körpernahen Extremitäten (Oberarme, Oberschenkel) sowie dem Gesäß. Auffällig sei eine asymmetrische Volumenvermehrung zu Gunsten der linken Körperseite. Im Zusammenschluss mit den anamnestischen Daten liege die Vermutung nahe, dass sich auf dem Boden eines seit 1996 bekannten, primären Lymphödems und einer sekundären, linksbetonten Lymphabflussstörung nach Tumor- und Lymphknoten-Exstirpation in der linken Leiste (1999) eine zentral betonte, körpernahe Lipohypertrophie der Extremitäten entwickelt habe. Unter konservativer Entstauungs- und Kompressions-Therapie habe sich mit großer Wahrscheinlichkeit nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, das schmerzbedingt einer entstauenden Therapie nur noch eingeschränkt zugänglich sei. Als weitere relevante Diagnose bestehe eine koinzidente Adipositas per magna, die die Einordnung des Beschwerdebildes schwieriger mache. Eine Liposuktion ermögliche durch die Reduktion des Fettvolumens eine Verringerung des Druckes auf die abführenden Lymph- und Blutgefäße, so dass sich nach Absaugung des Fettgewebes mit Hilfe entstauender Maßnahmen und Kompressionsbehandlung (spezielle Kompressionswäsche) die Ödemkomponente verbessern lasse. Aus diesen Gründen und unter der Prämisse, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zu Grunde liege, bestehe aus seiner Sicht eine eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion im vorliegenden Fall. Da zusätzlich ein primäres Lymphödem mit sekundärer Abflussbehinderung sowie eine Adipositas per magna vorhanden seien, sei jedoch eine alleinige Liposuktion nicht zielführend. Vielmehr müssten gewichtsreduzierende Maßnahmen sowie die klassische manuelle Lymphdrainage ergänzend angewandt werden. Bei der Klägerin sei zu erwarten, dass zur Erreichung eines zufriedenstellenden Ergebnisses so große Mengen Fettgewebes abgesaugt werden müssten, dass eine ambulante Behandlung, wie sie bei einer Vielzahl von (mit dem vorliegenden Fall keinesfalls vergleichbaren) ästhetischen Eingriffen Gang und Gäbe sei, aus seiner Sicht nicht vertretbar sei. Die seit 1996 kontinuierlich, anfangs mit gutem Erfolg, durchgeführte antiödematöse Behandlung sei zwischenzeitlich aufgrund der Schmerzhaftigkeit nicht mehr konsequent einsetzbar. Nicht vollständig ausgeschöpft worden sei aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion. Hier könne seines Erachtens in gewissen Grenzen – die echte Lipo-Hypertrophie spreche nicht auf Gewichtsreduktionen an – eine Verbesserung des Befundes erreicht werden. Zumindest würde der Druck auf die Ausflussbahnen durch Reduktion der diätetisch beeinflussbaren Fettzellen vermindert und die Abflusssituation verbessert.

5

Zu dem Gutachten hat die Beklagte ein nach persönlicher Untersuchung der Klägerin erstelltes MDK-Gutachten von Dr. G /Dr. K vom 25.09.2012 vorgelegt, die hervorgehoben haben, weder für eine Adipositas noch für ein Lymphödem stelle eine Fettabsaugung die Therapie der Wahl dar. Die Kriterien zur Diagnosestellung eines Lipödems seien bei der Klägerin aufgrund des von ihnen, den Gutachtern, erhobenen Untersuchungsbefundes nicht erfüllt. Es bestünden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch sei ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Eine gesicherte Diagnose sei aber Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Zudem handele es sich bei der Liposuktion bei Lipödem um keine Behandlungsmethode, deren medizinischer Nutzen bisher an einer ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen gezeigt worden sei. Vergleichsstudien zur konservativen und operativen Therapie seien nicht vorhanden. Ferner sei unklar, ob prinzipiell durch die frühzeitige Fettreduzierung auch der Progredienz des Lipödems entgegengewirkt werden könne. Bei der aktuellen Leitlinie handele es sich um eine Darstellung der bisherigen Anwendererfahrungen. Entgegen der Beurteilung des Dr. G, der wegen der großen Menge abzusaugenden Fettgewebes eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit annehme, ergebe sich aus den Aussagen der Leitlinie „Lipödem“ der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie, dass mit der entsprechenden Technik der Liposuktion, wie beim Lipödem üblich, in örtlicher Betäubung in Form der Tumeszenzanästhesie deutlich größere Fettmengen zu entfernen seien als bei kosmetischen Eingriffen. Die besonderen Mittel eines Krankenhauses seien aus medizinischer Sicht bei Anwendung der in den Leitlinien empfohlenen Technik nicht erforderlich.

6

Von Amts wegen hat das SG sodann ein plastisch-chirurgisches Gutachten von Dr. L, Z, vom 13.03.2013 eingeholt, die sich der Beurteilung des Dr. G vollumfänglich angeschlossen hat.

7

Durch Urteil vom 02.09.2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 05.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2011 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für eine stationäre Behandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu übernehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer Liposuktion an beiden Oberschenkeln sowie des Gesäßes. Zwar handele es sich um eine „neue“ Behandlungsmethode. Jedoch führe dies nur im Fall einer ambulanten Durchführung der Liposuktion zu einem gesetzlichen Versorgungsausschluss in der gesetzlichen Krankenversicherung. Im stationären Bereich dürfe gemäß § 137c Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erst ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) eine ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden. Bei der Klägerin sei nach der überzeugenden Beurteilung der Sachverständigen Dr. G sowie Dr. L eine Liposuktion unter stationären Bedingungen notwendig. Eine weitere Gewichtsreduktion, die die Klägerin nach Angaben in der mündlichen Verhandlung bereits mehrfach versucht und dabei offenbar keine Verbesserung der Lymphproblematik erzielt habe, sei nach Einschätzung von Dr. L nicht geeignet, die Beschwerden entscheidend zu mindern.

8

Gegen das Urteil hat die Beklagte am 27.09.2013 Berufung eingelegt. Sie macht unter Hinweis auf das Urteil des SG Neubrandenburg vom 18.04.2013 (S 14 KR 11/12) geltend, auch im stationären Bereich bestehe eine Leistungspflicht der Kasse nur unter Beachtung der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen. Zudem sei eine zwingende medizinische Erforderlichkeit einer stationären Behandlung bei der Klägerin nicht gegeben. Soweit diese mit der großen Menge des abzusaugenden Fettgewebes begründet werde, sei zu berücksichtigen, dass eine Fettabsaugung auch in mehreren Sitzungen durchgeführt werden könne und somit die Menge des Fettgewebes, die in den einzelnen Sitzungen abgesaugt werde, erheblich reduziert werden könne. Dies sei in der Praxis bei den ambulanten Liposuktionen durchaus üblich. Schließlich sei auch fraglich, ob die konservativen Maßnahmen bei der Klägerin tatsächlich ausgeschöpft seien. Aus dem von der Klägerin selbst dargelegten Maßnahmenkatalog ergebe sich, dass in den vergangenen Jahren keine konsequente Behandlung in Form einer kombinierten physikalischen Entstauungstherapie (manuelle Lymphdrainage, Kompression, Bewegungstherapie und Hautpflege) durchgeführt worden sei.

9

Der Senat hat das Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 06.10.2011 der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 „Methoden und Produktbewertung“ des MDK Nordrhein zum Verfahrensgegenstand gemacht und eine ergänzende Stellungnahme von Dr. L vom 27.06.2014 eingeholt. Diese hat ihre bisherige Beurteilung bestätigt und betont, aus der Anamnese gehe hervor, dass bei der Klägerin bereits 1996 ein chronisches Lymphödem der Beine festgestellt und sowohl stationär als auch ambulant entsprechend therapiert worden sei. Insofern sei von einer Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen auszugehen. Zudem sei mit entsprechender Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen nach der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie lediglich eine Verminderung der Beinvolumina von etwa 12 v.H. zu erzielen. Prinzipiell sei es sicherlich möglich, eine ambulante Fettabsaugung anstelle einer stationären Behandlung durchzuführen, wenn die Fettabsaugung in mehreren Sitzungen erfolge. Dies sei jedoch weder für den Behandler noch dem Patienten wirklich zumutbar. Die stationäre Aufnahme nach der Behandlung an den Beinen für eine Nacht stelle mehr eine Sicherheitsmaßnahme dar, weil eine erhöhte Thrombosegefahr bestehe und eine Schmerztherapie leichter durchzuführen sei. Zudem seien die Patienten immer durch die zurücklaufende Tumeszenzlösung sehr beunruhigt. Es sei eindeutig zu bejahen, dass es sich bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode handele. Insoweit sei auf die in der S1-Leitlinie zitierten Studien zu verweisen.

10

Der Senat hat den „Ergänzenden Begutachtungsleitfaden Maßstäbe zur einheitlichen Begutachtung bei Kostenübernahmeanträgen für eine Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. vom 11.10.2013 zum Verfahrensgegenstand gemacht sowie aus einem anhängigen Parallelrechtsstreit das Gutachten der Ärztin im MDK Dr. N vom 04.11.2014 beigezogen. Das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ hat er den Beteiligten zugänglich gemacht.

11

Die Beklagte beantragt,

12

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 02.09.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hebt hervor, die Sachverständige Dr. L habe in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme eindrucksvoll die Unbegründetheit der Argumentation der Beklagten bestätigt. Der Befund habe sich zwischenzeitlich weiter verschlechtert, wie sich auch aus einem aktuellen Attest von Dr. L vom 16.01.2015 ergebe. Das beigezogene Gutachten von Dr. N betreffe eine völlig andersartige Fallgestaltung.

16

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

17

Die statthafte (§§ 143 ff SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, der Klägerin eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Fettabsaugung beider Oberschenkel und des Gesäßes zu gewähren.

18

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Liposuktionsbehandlung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V scheitert dabei schon daran, dass es sich bei der nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthaltenen Maßnahme um eine neue Behandlungsmethode handelt, die nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V in der (ambulanten) vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden darf, wenn der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 5 SGB V entsprechende Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat, woran es bei der Liposuktion fehlt (vgl. BSG 16.12.2008 – B 1 KR 11/08 R, juris).

19

Auch für die - vorliegend streitgegenständliche - stationäre Liposuktionsbehandlung gilt derzeit nichts anderes. Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Wie die übrigen Behandlungsformen müssen auch solche im Krankenhaus den in §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 28 Abs. 1 SGB V für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entspricht eine Behandlung, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen diese den Stand der medizinischen Erkenntnisse (vgl. zum Ganzen BSG 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R m.w.N., juris; kritisch Felix, MedR 2014, 283 ff).

20

Diese den Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien entnommenen Einschränkungen beachtet das SG nicht, wenn es unter Verweis auf § 137c SGB V wesentlich auch darauf abstellt, dass für den stationären Bereich ein Anspruch nur dann ausgeschlossen sei, wenn der GBA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat. Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung erfordert vielmehr auch dann, wenn der GBA nicht über die Zulässigkeit der Behandlungsmethode im Krankenhaus entschieden hat, dass die Methode dem Qualitätsgebot des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse oder den Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung genügt. Denn trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von § 135 Abs. 1 SGB V einerseits, § 137c Abs. 1 SGB V andererseits ist die Methodenbewertung im SGB V prinzipiell bereichsübergreifend angelegt (vgl. BSG 06.05.2009 – B 6 A 1/08 R, juris). Die Regelung des § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft (BSG 28.07.2008 – B 1 KR 5/08 R, juris Rn 52).

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Zur Überzeugung des Senats können derzeit zur Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen gemacht werden. Es fehlen weiterhin wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode. Dies ergibt sich aus dem Grundsatzgutachten „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ der Sozialmedizinischen Expertengruppe 7 des MDK vom 06.10.2011. Nach eingehender Recherche der einschlägigen Publikationen ist die Expertengruppe zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, dass die Methode der Liposuktion zur Therapie des Lipödems derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion ist und weitere randomisierte Studien erforderlich sind, um sie zu einer den Kriterien der evidenzbasierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können. Dass sich in diesem Erkenntnisstand zwischenzeitlich wesentliche Änderungen ergeben‚ haben, vermag der Senat nach dem Ergebnis der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren nicht zu erkennen. Die Sachverständige Dr. L hat in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27.06.2014 speziell auch zu dieser Frage zwar behauptet, bei der Liposuktion zur Behandlung eines Lipolymphödems handele es sich um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmethode. Zur Untermauerung dieser These hat sie sich jedoch lediglich auf die der S 1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie zu Grunde liegende Studienlage sowie Veröffentlichungen aus der Zeit bis 2011 gestützt. Mit der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie hat sich die Expertengruppe jedoch explizit auseinandergesetzt und diese als nicht evidenzbasiert bezeichnet. Denn als Belege für den Nutzen führt die Leitlinie im Wesentlichen Ergebnisse von Registernachbeobachtungen und kleineren Fallserien an. Da die Expertengruppe 7 im Grundsatzgutachten vom 06.10.2011 (Ziffer 12) eine Aktualisierung spätestens im Jahre 2013 vorgesehen hatte, hat der Senat hierzu den ergänzenden Begutachtungsleitfaden vom 11.10.2013, herausgegeben vom Medizinischen Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V., beigezogen, in dem einleitend betont wird, dass die sozialmedizinische Empfehlung des SEG 7-Gutachtens weiterhin Gültigkeit habe, da seit der Erstellung keine Änderungen bezüglich der medizinischen Grundlagen, der Studienlage oder der relevanten gesetzlichen Bestimmungen eingetreten seien. Schließlich ergibt sich aus dem vom Senat aus einem Parallelrechtsstreit beigezogenen MDK-Gutachten von Dr. N vom 04.11.2014, dass die aktuelle Recherche der Gutachterin in der medizinisch-wissenschaftlichen Datenbank PubMed nach randomisierten, kontrollierten Studien unter dem Stichwort: „liposuction AND lipedema“ keine spezifischen Treffer ergeben hat. Insofern ergibt sich auch aus dem Umstand, dass zwischenzeitlich der GBA am 22.05.2014 beschlossen hat, den Antrag der Patientenvertretung nach § 140 f SGB V vom 20.03.2014 auf Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gemäß § 135 Abs. 1 und § 137 c SGB V anzunehmen, das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten und den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung zu beauftragen, keine abweichende Beurteilung des Erkenntnisstandes. Wie Dr. N im Gutachten vom 04.11.2014 aufgezeigt hat, stützt sich der Antrag der Patientenvertretung im Wesentlichen ebenfalls auf die bekannten Studien bzw. Nachbeobachtungen aus der Zeit bis 2011 und führt keine neuen randomisierten und kontrollierten Studien auf. Bestätigt wird diese Beurteilung schließlich durch die wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung bekannt gewordenen und den Beteiligten zugänglich gemachte (s.http://www.sindbad-mds.de/infomed/sindbad.nsf/002568A2003D5BAE/20B52FBDE168255FC125795A003AF75D?OpenDocument) Aktualisierung des Primärgutachtens der SEG 7 „Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen“ vom 15.01.2015. Hierin hat die SEG 7 im Einzelnen überzeugend dargelegt, dass die zwei zwischenzeitlich identifizierten kontrollierten Studien, welche die Liposuktion bei sekundären Lymphödem der Arme nach Brustkrebstherapie bzw. zur Schmerztherapie bei Lipomatasis dolorosa untersuchen, erhebliche methodische sowie zum Teil inhaltliche Limitationen haben und unzureichend über Langzeitergebnisse und Nebenwirkungen der Therapie berichten.

22

Der Senat ist nicht gehindert, seiner Entscheidung die überzeugenden Feststellungen in den Gutachten des MDK zu Grunde zu legen. Die Ärzte des MDK sind bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben gemäß § 275 Abs. 5 SGB V nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Gutachten des MDK können deshalb auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (vgl. BSG 23.12.2004 – 1 KR 84/04 B, juris; 14.12.2000 – B 3 P 5/00 R, juris).

23

Fehlt mithin ein wissenschaftlicher Beleg der Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems, so kommt auch im Rahmen einer vollstationären Krankenhausbehandlung jedenfalls derzeit die Erbringung einer Liposuktion zur Behandlung eines Lipödems zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Betracht (ebenso bereits LSG Baden-Württemberg 27.04.2012 – L 4 KR 595/11, juris; 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11, juris; Sächsisches LSG 16.01.2014 – L 1 KR 229/10, juris, LSG Nordrhein-Westfalen 16.01.2014 – L 16 KR 558/13, juris; a.A. Hessisches LSG 05.02.2013 - L 1 KR 391/12).

24

Darüber hinaus ist zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin das Vorliegen eines Lipödems, das von den Befürwortern als Indikation für die Liposuktionsbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung angeführt wird, nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Der Sachverständige Dr. G hat insoweit in seinem Gutachten bei der Darlegung des Krankheitsverlaufs ausgeführt, es habe sich „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nun ein Lympho-Lipödem entwickelt, zugleich aber eingeschränkt, das als weitere relevante Diagnose eine koinzidente Adipositas per magna bestehe, die die Einordnung des Beschwerdebildes „schwieriger“ machte. Die eindeutige medizinische Indikation zur Liposuktion hat er „unter der Prämisse“ gestellt, dass der Beschwerdesymptomatik ein auf dem Boden einer Lipo-Hypertrophie entstandenes Lipödem zu Grunde liegt. Diese Ausführungen machen deutlich, dass auch Dr. G nicht zweifelsfrei vom Vorliegen eines Lipödems bei der Klägerin ausgeht. Aus den knappen Ausführungen der Sachverständigen Dr. L, es sei „von einem Lipolymphödem mit Schwerpunkt der unteren Extremitäten auszugehen“ ergeben sich keine weitergehenden Erkenntnisse. Die Gutachter des MDK Dr. G /Dr. K haben demgegenüber auf Grund des bei der persönlichen Untersuchung am 25.09.2012 bei der Klägerin erhobenen Befundes herausgearbeitet, dass die Diagnose Lipödem nicht eindeutig gestellt werden kann. So bestanden weder wesentliche unproportionierte Körperregionen im Bereich der Beine und der Hüftregion, noch war ein entsprechender Tastbefund zu erheben. Zu Recht heben die Gutachter hervor, dass eine gesicherte Diagnose Voraussetzung einer medizinisch notwendigen Therapie zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung sein muss.

25

Selbst Dr. G hat darüber hinaus betont, dass auch aus seiner Sicht der Versuch der effektiven und nachhaltigen Gewichtsreduktion Vorrang vor einer durchzuführenden operativen Liposuktionsbehandlung haben müsse. Die Klägerin wiegt nach ihren in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben bei einer Größe von 1,58 m 100 kg, was einem BMI von 40 kg/m² entspricht. Das von Dr. G vor einer Liposuktion geforderte Zielgewicht (BMI kleiner/gleich 30 kg/m²) – vgl. hierzu auch das Aktualisierungsgutachten der SEG 7 vom 15.01.2015, S. 40 Nr. 8.2.3 – hat sie bei weitem nicht erreicht. Auch der Gesichtspunkt einer vorrangigen Gewichtsreduzierung spricht mithin gegen die Notwendigkeit einer Liposuktionsbehandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

26

Schließlich hat die Sachverständige Dr. L in ihrer ergänzenden Stellungnahme den Einwand der Beklagten bestätigt, dass bei der Klägerin – wie auch von Dr. G /Dr. K im MDK-Gutachten vom 25.09.2012 hervorgehoben – die Liposuktion prinzipiell sukzessiv ambulant erfolgen könnte. Für ihre Aussage, sie halte diese Frage jedoch für akademisch, weil die ambulante Behandlung weder dem Behandler noch dem Patienten zumutbar sei, ist sie eine überzeugende Begründung schuldig geblieben. Soweit Dr. L im Attest vom 16.01.2015 auf die „bei dieser Art von Eingriffen immer [bestehende] Gefahr einer postoperativen Kreislaufregulation oder einer Embolie“ verweist, ist dem entgegen zu halten, dass die ambulante Durchführung der Liposuktionsbehandlung weit verbreitet ist.

27

Die Berufung der Beklagten hat nach alledem Erfolg.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

29

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.