Finanzgericht Münster Urteil, 05. Aug. 2016 - 4 K 3115/14 Kg

ECLI:ECLI:DE:FGMS:2016:0805.4K3115.14KG.00
05.08.2016

Tenor

Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 15. März 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 4. September 2014 werden aufgehoben, soweit sie das Kindergeld für das Kind U von Mai 2010 bis Juni 2012 und für das Kind K von Mai 2010 bis September 2012 betreffen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.


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Finanzgericht Münster Urteil, 05. Aug. 2016 - 4 K 3115/14 Kg zitiert 14 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Abgabenordnung - AO 1977 | § 175 Änderung von Steuerbescheiden auf Grund von Grundlagenbescheiden und bei rückwirkenden Ereignissen


(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,1.soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,2.soweit ein Ereignis eintritt, das steu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 18


(1) Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind 1. Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. 2Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätig

Einkommensteuergesetz - EStG | § 62 Anspruchsberechtigte


(1) 1Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer 1. im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder2. ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland a) nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt ei

Einkommensteuergesetz - EStG | § 70 Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes


(1) 1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt. 2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kinder

Einkommensteuergesetz - EStG | § 65 Andere Leistungen für Kinder


1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:1.Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus

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Tatbestand 1 I. Die im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 in den Niederlanden nichtselbständig beschäftigte Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) is

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Tatbestand 1 A. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter von D, geboren am 2. April 1985, und von J, geboren am 7. Februar 1992. S

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(1) Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind

1.
Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.2Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehören die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.3Ein Angehöriger eines freien Berufs im Sinne der Sätze 1 und 2 ist auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient; Voraussetzung ist, dass er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.4Eine Vertretung im Fall vorübergehender Verhinderung steht der Annahme einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit nicht entgegen;
2.
Einkünfte der Einnehmer einer staatlichen Lotterie, wenn sie nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind;
3.
Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z. B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied;
4.
Einkünfte, die ein Beteiligter an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft oder Gemeinschaft, deren Zweck im Erwerb, Halten und in der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften besteht, als Vergütung für Leistungen zur Förderung des Gesellschafts- oder Gemeinschaftszwecks erzielt, wenn der Anspruch auf die Vergütung unter der Voraussetzung eingeräumt worden ist, dass die Gesellschafter oder Gemeinschafter ihr eingezahltes Kapital vollständig zurückerhalten haben; § 15 Absatz 3 ist nicht anzuwenden.

(2) Einkünfte nach Absatz 1 sind auch dann steuerpflichtig, wenn es sich nur um eine vorübergehende Tätigkeit handelt.

(3)1Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehört auch der Gewinn, der bei der Veräußerung des Vermögens oder eines selbständigen Teils des Vermögens oder eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient.2§ 16 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 und Absatz 1 Satz 2 sowie Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(4)1§ 13 Absatz 5 gilt entsprechend, sofern das Grundstück im Veranlagungszeitraum 1986 zu einem der selbständigen Arbeit dienenden Betriebsvermögen gehört hat.2§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, Absatz 1a, Absatz 2 Satz 2 und 3, §§ 15a und 15b sind entsprechend anzuwenden.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1)1Für Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer

1.
im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2.
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a)
nach § 1 Absatz 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b)
nach § 1 Absatz 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
2Voraussetzung für den Anspruch nach Satz 1 ist, dass der Berechtigte durch die an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) identifiziert wird.3Die nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen.

(1a)1Begründet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld.2Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 mit Ausnahme von Einkünften nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt.3Nach Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums hat er Anspruch auf Kindergeld, es sei denn, die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 oder Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU liegen nicht vor oder es sind nur die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1a des Freizügigkeitsgesetzes/EU erfüllt, ohne dass vorher eine andere der in § 2 Absatz 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU genannten Voraussetzungen erfüllt war.4Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld gemäß Satz 2 vorliegen oder gemäß Satz 3 nicht gegeben sind, führt die Familienkasse in eigener Zuständigkeit durch.5Lehnt die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung in diesem Fall ab, hat sie ihre Entscheidung der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen.6Wurde das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verwendung gefälschter oder verfälschter Dokumente oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetäuscht, hat die Familienkasse die zuständige Ausländerbehörde unverzüglich zu unterrichten.

(2) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer erhält Kindergeld nur, wenn er

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 23. April 2012  1 K 238/11 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist griechischer Staatsangehöriger. Im November 2009 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ein und nahm dort eine unselbständige, sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit auf. Seit seiner Einreise hatte der Kläger seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland, nicht in Griechenland. Zwischenzeitlich bezog er Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch.

2

Der Kläger ist der Vater der Mädchen E (geboren September 1994) und G (geboren Juli 1998). Seine beiden Töchter lebten jedenfalls seit Mai 2010 in Griechenland im Haushalt ihrer nicht erwerbstätigen Großmutter, der Mutter des Klägers. Die Kindsmutter, von welcher der Kläger jedenfalls seit Mai 2010 dauernd getrennt lebte, führte einen eigenen Haushalt in Griechenland und übte nach Angabe des für die Gewährung von Familienleistungen in Griechenland zuständigen Trägers vom 21. Februar 2011 seit Juli 2009 keine berufliche Tätigkeit aus.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) lehnte den Antrag des Klägers auf Festsetzung des Kindergeldes für seine beiden Töchter mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch war teilweise erfolgreich. Mit Bescheid vom 18. April 2011 setzte die Familienkasse Kindergeld für die beiden Töchter für den Zeitraum November 2009 bis April 2010 fest. Soweit der Einspruch den Zeitraum ab Mai 2010 betraf, blieb er hingegen erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2011). Da die Töchter des Klägers --so die Familienkasse-- in dem Haushalt einer anderen anspruchsberechtigten Person in Griechenland lebten, sei diese andere Person nach § 64 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorrangig berechtigt.

4

Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen gerichteten Klage, mit welcher der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für seine beiden Töchter ab Mai 2010 begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1682 veröffentlichtem Urteil statt. Es verpflichtete die Familienkasse, Kindergeld für die beiden Kinder ab Mai 2010 festzusetzen.

5

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung des § 64 EStG. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7

Mit Beschluss vom 22. September 2014 hat der Bundesfinanzhof (BFH) das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das bei ihm anhängige Vorabentscheidungsersuchen C-378/14 ausgesetzt. Der EuGH hat mit Urteil vom 22. Oktober 2015 C-378/14 (EU:C:2015:720, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2015, 1501) über die Vorlagefragen entschieden.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Familienkasse ... ist aufgrund eines Organisationsakts (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse ... eingetreten (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2014 III R 21/12, BFHE 246, 389, BStBl II 2015, 135, Rz 11).

III.

9

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger ist zwar nach nationalem Recht (§§ 62 ff. EStG) anspruchsberechtigt (dazu 1.). Der Großmutter steht aber nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ein vorrangiger Kindergeldanspruch zu (dazu 2. bis 6.).

10

1. Der Kläger erfüllt im Streitzeitraum (Mai 2010 bis Mai 2011, dem Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung; vgl. hierzu Senatsurteil vom 25. September 2014 III R 36/12, BFHE 247, 488, BStBl II 2015, 286, Rz 16) die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 EStG).

11

Nach den für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) liegen --was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist-- die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG vor. Dass die beiden Töchter ihren Wohnsitz in Griechenland haben, ist für die Kindergeldberechtigung unerheblich (§ 63 Abs. 1 Satz 3 EStG).

12

2. Allerdings ist die Großmutter --entgegen der Rechtsauffassung des FG-- nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG vorrangig anspruchsberechtigt, weil gemäß Art. 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 883/2004 (Grundverordnung)-- i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --VO Nr. 987/2009 (Durchführungsverordnung)-- zu unterstellen ist, dass die Großmutter mit ihren Enkelkindern, den Töchtern des Klägers, in Deutschland wohnt.

13

a) Nach § 64 Abs. 1 EStG wird das Kindergeld nureinem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

14

b) Im Streitfall ergibt sich die Anspruchsberechtigung der Großmutter aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

15

Zwar liegt der nach dieser Vorschrift erforderliche Inlandswohnsitz der Großmutter nicht vor. Es finden aber die Vorschriften der VO Nr. 883/2004 und der VO Nr. 987/2009 Anwendung (dazu 3.). Gemäß Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist die Wohnsituation der Großmutter (fiktiv) ins Inland zu übertragen; demnach wird ein Inlandswohnsitz der Großmutter fingiert (dazu 4.). Zudem erfüllt die Großmutter auch die übrigen Voraussetzungen für eine vorrangige Anspruchsberechtigung (dazu 5. und 6.).

16

3. Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 ist eröffnet und Deutschland der zuständige Mitgliedstaat.

17

a) Die Grundverordnung und die Durchführungsverordnung gelten seit dem 1. Mai 2010 (vgl. Art. 90 Abs. 1, Art. 91 Satz 2 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 96 Abs. 1, Art. 97 der VO Nr. 987/2009; dazu auch Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 65 EStG Rz 9). Der Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich der Grundverordnung. Ebenso ist das Kindergeld nach dem EStG eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004, weshalb auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist.

18

b) Nach Art. 11 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 unterliegen die von dieser Verordnung erfassten Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Im Streitfall ergibt sich die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften aus Art. 11 Abs. 3 Buchst. a (jedenfalls auch aus Buchst. e) der VO Nr. 883/2004.

19

4. Aus Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 folgt, dass die Wohnsituation der Großmutter (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

20

a) Nach Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist bei Anwendung von Art. 67 und 68 der VO Nr. 883/2004, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als fielen alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und wohnten dort. Nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnten. Danach schafft Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 eine gesetzliche Fiktion dahin, dass bei Anwendung der Koordinierungsregelungen der Grundverordnung die Situation der gesamten Familie in einer Weise berücksichtigt wird, als ob alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des für die Gewährung der Familienleistungen zuständigen Mitgliedstaats fielen und dort wohnten.

21

b) Art. 67 der VO Nr. 883/2004 ist ungeachtet dessen anwendbar, dass es für die Kindergeldberechtigung nach nationalem Recht (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 EStG) unerheblich ist, ob das Kind seinen Wohnsitz im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 35 ff.). Ebenso kommt es für die Anwendung des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 nicht darauf an, ob eine von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 erfasste Konkurrenzsituation gegeben ist. Sollte es hieran --wie vom FG mangels Bestehens eines Anspruchs auf griechische Familienleistungen angenommen-- fehlen, griffe Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 bereits über Art. 67 der VO Nr. 883/2004 ein (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 35 ff.).

22

c) Zu den "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 gehören die "Familienangehörigen" i.S. des Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der VO Nr. 883/2004. Da das Kindergeldrecht nach dem EStG den Begriff des Familienangehörigen weder verwendet noch definiert, sind hierunter neben den Elternteilen und dem Kind auch alle Personen zu verstehen, die nach nationalem Recht berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 38). Daher werden von diesem Begriff nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG auch Großelternteile erfasst, die ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Entgegen der Rechtsauffassung des FG kommt es daher nicht darauf an, dass mit dem Familienangehörigen i.S. des Art. 67 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 (Anspruch auf Familienleistungen "für Familienangehörige") offensichtlich nur das Kind, nicht auch andere Familienangehörige gemeint sein können.

23

Der Begriff der "beteiligten Personen" i.S. des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 ist auch nicht unter Rückgriff auf Art. 1 Buchst. i Nr. 2 der VO Nr. 883/2004 zu bestimmen. Danach werden als "Familienangehörige" nicht die Großeltern, sondern nur der Ehegatte, die minderjährigen Kinder und die unterhaltsberechtigten volljährigen Kinder angesehen, wenn die anzuwendenden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Familienangehörigen nicht von anderen Personen unterscheiden, auf die diese Rechtsvorschriften anwendbar sind. Die Nichtanwendbarkeit dieser Bestimmung ergibt sich zum einen daraus, dass im deutschen Kindergeldrecht die Anspruchsberechtigung von einer familienrechtlichen Beziehung abhängig gemacht wird (vgl. § 62 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 EStG). Zum anderen hat auch der EuGH in seinem Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 38 zur Bestimmung der "beteiligten Personen" auf die nach dem nationalen Recht Anspruchsberechtigten abgestellt und damit auch die ehemalige (geschiedene) Ehefrau des Anspruchstellers als "beteiligte Person" qualifiziert.

24

5. Die Großmutter erfüllt auch die übrigen erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen.

25

a) Anhaltspunkte dafür, dass die Großmutter eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin i.S. des § 62 Abs. 2 EStG ist, hat das FG nicht festgestellt. Schließlich hat die Großmutter ihre beiden Enkelkinder nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG in ihren Haushalt in Griechenland aufgenommen (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).

26

b) Ein vorrangiger Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass in Griechenland ein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit seiner Mutter (Großmutter) und seinen beiden Töchtern existiert haben könnte.

27

aa) Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld vorrangig einem Elternteil gezahlt; es wird einem Großelternteil gezahlt, wenn der Elternteil gegenüber der zuständigen Stelle auf seinen Vorrang schriftlich verzichtet hat (§ 64 Abs. 2 Satz 5 EStG). Die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i.V.m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union (hier Griechenland) gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird.

28

bb) Im Streitfall bestand in Griechenland kein gemeinsamer Haushalt des Klägers mit seiner Mutter (der Großmutter) und seinen beiden Töchtern.

29

Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts i.S. des § 64 Abs. 2 Satz 5 (oder Satz 2) EStG setzt voraus, dass zwischen den Beteiligten eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht. Hierfür ist erforderlich, dass die Beteiligten gemeinsam zum Unterhalt der Familie beitragen und der bestehende Haushalt beiden zuzurechnen ist (vgl. Felix, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 64 Rz C 19; Blümich/Selder, § 64 EStG Rz 26). Danach wird man regelmäßig ein örtlich gebundenes Zusammenleben mit gemeinsamer Versorgung fordern müssen (vgl. HHR/Wendl, § 64 EStG Rz 10). Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist Tatfrage und vom FG als Tatsacheninstanz anhand der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

30

Im erstinstanzlichen Verfahren stellte das FG fest, dass der Kläger seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland, nicht in Griechenland hatte. Weiter führte es aus, dass die Töchter des Klägers im Haushalt der Großmutter in Griechenland lebten. Danach erscheint es ausgeschlossen, dass im Streitzeitraum zwischen dem Kläger, seiner Mutter (der Großmutter) und seinen beiden Töchtern eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft in Griechenland bestanden haben könnte.

31

6. Schließlich kommt es nicht darauf an, ob die Großmutter selbst einen Antrag auf Kindergeld in Deutschland gestellt hat.

32

Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt nach Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der VO Nr. 987/2009 der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem "anderen Elternteil" gestellt wird. Der Anspruch auf Kindergeld müsste daher nicht wegen der fehlenden Antragstellung der Großmutter dem Kläger zuerkannt werden (vgl. EuGH-Urteil in DStRE 2015, 1501, Rz 50). Vielmehr reichte es aus, dass der Kläger einen Antrag auf Kindergeld gestellt hat. Diesen hätte die deutsche Familienkasse auch als solchen zugunsten des Kindergeldanspruchs der Großmutter zu berücksichtigen.

33

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 2015  14 K 982/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lebt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und hat vier Kinder, von denen drei im Streitzeitraum (April 2012 bis Februar 2013) minderjährig sind und das Älteste sich in Berufsausbildung befindet.

2

Die Klägerin ist nicht berufstätig. Ihr Ehemann und Vater der Kinder ist in der Schweiz nichtselbständig tätig und bezieht dort Kinder- und Ausbildungszulagen (Schweizer Kinderzulage). Diese betragen für die ersten beiden Kinder jeweils 250 CHF und für das dritte und vierte Kind jeweils 200 CHF.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte das monatliche Kindergeld für die Klägerin mit Bescheid vom 2. Januar 2012 auf insgesamt 79,68 € fest. Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung in Höhe von 51,10 € pro Monat ab April 2012 auf und forderte für den Zeitraum April 2012 bis Januar 2013 überzahltes Kindergeld in Höhe von insgesamt 511 € zurück.

4

Die Familienkasse berechnete das Kindergeld wie folgt:

5

Kind   

Schweizer Kinderzulage

deutsches KiG

Differenz

        

in CHF

in €* 

in €   

in €   

A       

250     

206,78

184     

- 22,78

B       

250     

206,78

184     

- 22,78

C       

200     

165,43

190     

24,57 

D       

200     

165,43

215     

49,57 

zu zahlender Unterschiedsbetrag

        

28,58 

6

* Umrechnungskurs 1,20900 (Kurs der Europäischen Zentralbank vom 2. Januar 2013)

7

Der Rückforderungsbetrag ergibt sich aus der Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Festsetzung für 10 Monate.

8

Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage begehrte die Klägerin die Festsetzung eines monatlichen Differenzkindergeldes in Höhe von 74,14 € (24,57 € und 49,57 € für das dritte und vierte Kind) und den Rückforderungsbetrag auf insgesamt 55,40 € zu beschränken. Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, dass die Berechnung des Differenzkindergeldes kindbezogen zu erfolgen habe. Ein verbleibender Überschuss der Schweizer Kinderzulage über das Kindergeld nach § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einem Kind dürfe nicht mit Differenzkindergeldansprüchen für weitere Kinder verrechnet werden. Der Anspruch auf Kindergeld ergebe sich aus Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung --VO Nr. 883/2004-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1), die ab dem 1. April 2012 zwischen der Schweiz und Deutschland anzuwenden sei (Anhang II des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit --Freizügigkeitsabkommen--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 2002, Nr. L 114 vom 30. April 2002, S. 6, geändert durch Beschluss Nr. 1/2012 des gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 zur Ersetzung des Anhangs II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherung, ABlEU 2012, Nr. L 103 vom 13. April 2012, S. 51). Die nationalen Vorschriften der §§ 62 und 66 ff. EStG geböten die kindbezogene Betrachtungs- und Berechnungsweise.

9

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Die Frage der kind- bzw. familienbezogenen Betrachtung bei der Berechnung von Differenzbeträgen sei an sich eine solche des koordinierenden EU-Rechts. Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales habe man sich bei der Schaffung des Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 auf Ratsebene zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Berechnung der Modalitäten des Unterschiedsbetrages bei Anspruch auf Familienleistungen aus mehreren Mitgliedstaaten nicht auf eine kind- oder familienbezogene Betrachtung einigen können. Die Regelungslücke sei durch die Mitgliedstaaten selbständig zu schließen. Deutschland habe sich für die familienbezogene Betrachtungsweise entschieden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004. Es gehe um Leistungen "für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen". Auch Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit --VO Nr. 987/2009-- (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) sehe diese Gesamtbetrachtung vor, in dem sie bestimme, dass bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der Grundverordnung (= VO Nr. 883/2004), insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelange, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen sei, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen. Zudem sprächen Sinn und Zweck der genannten Vorschriften für die familienbezogene Betrachtungsweise und führten auch zu sachgerechteren Lösungen.

10

Die nationalen Vorschriften zum Kindergeld stünden der familienbezogenen Betrachtungsweise nicht entgegen. Würde jeder Mitgliedstaat ausschließlich sein eigenes nationales System der Familienleistungen für die Berechnung zugrunde legen, wäre eine Koordinierung nach einheitlichen Maßstäben nicht möglich. Daher werde die Koordinierung unabhängig von den einzelnen nationalen Anspruchsvoraussetzungen vorgenommen. Das Kindergeld solle die Familie als Ganzes entlasten und allen Kindern gleichmäßig zukommen. Die Staffelung des Kindergeldes nach steigender Ordnungszahl solle keine steigende unmittelbare wirtschaftliche Belastung durch höhere Kosten der später geborenen Kinder abdecken, sondern den überproportional zunehmenden Gesamtentlastungsbedarf der Familie bei steigender Kinderzahl. So sei das Kindergeld zwar als monatlicher Anspruch pro Kind ausgestaltet. Bei der Abzweigung nach § 74 EStG und der Pfändung nach § 76 EStG, wenn also der Betrag pro Kind im Vergleich zu anderen Kindern maßgeblich sei, sei der Gesamtbetrag jedoch auf alle Kinder gleichmäßig zu verteilen.

11

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

13

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 121 FGO).

Entscheidungsgründe

II.

14

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

15

Das FG hat den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für die Kindergeldfestsetzung vom 5. Februar 2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2013 zu Recht teilweise aufgehoben. Die Klägerin hat für den Streitzeitraum April 2012 bis Februar 2013 einen Anspruch auf Differenzkindergeld für das dritte und vierte Kind in Höhe von monatlich 74,14 €. Dementsprechend hat das FG den Rückforderungsbetrag folgerichtig auf 55,40 € begrenzt.

16

1. Die im Inland wohnende Klägerin erfüllt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für ihre gleichfalls im Inland wohnenden und nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigenden vier Kinder. Darüber hinaus ist die Eröffnung des Anwendungsbereichs der VO Nr. 883/2004 sowie eine daraus resultierende Rechtszuständigkeit des Beschäftigungsstaates der Schweiz nicht im Streit.

17

2. Ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet, dann richtet sich die Kindergeldberechtigung nach den §§ 62 ff. EStG und die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004. Diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (vgl. Senatsurteile vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, Rz 20; vom 12. September 2013 III R 32/11, BFHE 243, 204, Rz 17).

18

a) Gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 werden beim Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschiften gewährt, die nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Vorrang haben. Vorrang haben hiernach an erster Stelle die durch eine Beschäftigung ausgelösten Ansprüche (Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004), mithin die Ansprüche auf die dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung der Schweizer Kinderzulage. Die nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehenden Ansprüche auf deutsches Kindergeld werden nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der VO Nr. 883/2004 ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein weiter gehender deutscher Kindergeldanspruch wird daher nicht ausgeschlossen.

19

b) Der Klägerin steht danach deutsches Differenzkindergeld zu, soweit das Kindergeld die vergleichbare Schweizer Kinderzulage übersteigt.

20

3. Eine Kürzung des Differenzkindergeldes für das dritte und vierte Kind der Klägerin durch Verrechnung des übersteigenden Betrages der Schweizer Kinderzulage für die ersten beiden Kinder ist mangels einer gesetzlichen --sowohl europarechtlichen als auch nationalen-- Regelung ausgeschlossen.

21

a) Aus der in der Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 gewählten Formulierung "Familienangehörigen" (Plural) lässt sich im Hinblick auf eine Berechnungsmethode, bei der die Beträge der Familienleistungen eines primär und eines sekundär zuständigen Mitgliedstaates miteinander verglichen werden, keine Regelung entnehmen (a.A. Osterholz in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 69 VO (EG) 883/2004, Rz 28). Ein Rückschluss auf eine bestimmte Berechnungsmethode kann auch nicht aus der in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 geregelten Familienbetrachtung gezogen werden (a.A. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art. 68 VO Nr. 883/2004, D I. Rz 29). Die dort vorgesehenen Fiktionen betreffen lediglich die Feststellung vorrangiger und nachrangiger Ansprüche bei der Anwendung des Art. 68 der VO Nr. 883/2004, um Anspruchsausschlüsse zu vermeiden, die von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen in der Person des Berechtigten abhängen, enthalten aber keine Aussage zu einer Berechnungsmethode.

22

b) Schon die Vorgängerregelung zu Art. 68 der VO Nr. 883/2004 --Art. 76 der VO Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971, ABlEG 1971 Nr. L 149, S. 1-- enthielt ebenfalls keine Regelung zur Berechnung der Differenzbeträge. Die bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eingesetzte, u.a. für Auslegungsfragen zuständige Verwaltungskommission (vgl. Art. 80, 81 der VO Nr. 1408/71, Art. 71, 72 der VO Nr. 883/2004) entschied sich für eine kindbezogene Betrachtungsweise (Vergleich der Beträge "bei jedem Familienangehörigen", Beschluss Nr. 147 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 10. Oktober 1990, ABlEG 1991, Nr. L 235, S. 21, unter 1.d und e). Abgesehen davon, dass Beschlüsse der Verwaltungskommission nationale Gerichte mangels eines Rechtsakts mit normativen Charakter nicht binden können (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. Mai 1981  98/80, Slg. 1981, 1241), fehlt es bei der Anwendung der VO Nr. 883/2004 an einem entsprechenden (nachfolgenden) Beschluss. Die Mitgliedstaaten konnten sich vielmehr nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode (Berechnung für jeden Familienangehörigen/pro Kind und Berechnung für die Familie insgesamt/Gesamtbetrag) verständigen. Dies ergibt sich u.a. aus dem von der Familienkasse vorgelegten Protokoll der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer der Europäischen Kommission vom 16./17. Dezember 2009. Dementsprechend wurde den Mitgliedstaaten die Wahl der Berechnungsmethode überlassen. Insoweit sehen auch die Vordrucke (SED F001, F002) für den Informationsaustausch im Bereich der Familienleistungen vor, dass die Angaben zu den nationalen Ansprüchen kind- oder familienbezogen erfolgen können.

23

c) In Ermangelung einer entsprechenden unionsrechtlichen Regelung ist es daher Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates, die Modalitäten für die Berechnung festzulegen. Das Erfordernis, wonach eine Familienleistung aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands zu gewähren ist, impliziert, dass nicht nur die Voraussetzungen ihrer Gewährung, sondern gegebenenfalls auch die Voraussetzungen ihres Ruhens den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten entnommen werden müssen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. November 2014 C-4/13, EU:C:2014:2344, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 86, Rz 43). Wenn die Richtlinie oder Verordnung den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumt, obliegt die Befugnis zur Letztkonkretisierung dem Gesetzgeber. Daraus folgt, dass sich die Berechnung nach den Vorschriften des EStG bestimmen lassen muss.

24

aa) Das EStG sieht für die Berechnung der Unterschiedsbeträge beim Zusammentreffen von nationalen und vergleichbaren ausländischen Familienleistungen zwar keine ausdrückliche Regelung vor. Die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sind aber sowohl dem Grunde (vgl. §§ 62 bis 65 EStG) als auch der Höhe nach (§ 66 EStG) kindbezogen ausgestaltet. Darüber hinaus ergibt sich aus § 31 Satz 1 und aus § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG, dass im Rahmen der Günstigerprüfung die Vergleichsrechnung ebenfalls für jedes Kind einzeln durchzuführen ist (vgl. Senatsurteile vom 28. April 2010 III R 86/07, BFHE 230, 294, BStBl II 2011, 259; vom 19. April 2012 III R 50/08, BFH/NV 2012, 1429, Rz 15).

25

bb) Diese kindbezogene Betrachtungsweise wird nur dann durchbrochen, wenn dies ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

26

Solche Regelungen finden sich in § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG, sofern der Kindergeldberechtigte seine gesetzlichen Unterhaltspflichten verletzt. Hierbei geht es nur um die Verwendung des bereits zuvor kindbezogen festgesetzten Kindergeldes für die ganze Familie.

27

Eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften kommt nicht in Betracht. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 76 Abs. 2 Nr. 1 EStG im Wege einer analogen Anwendung fehlt es, wenn schon nicht an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke, so doch an der für eine Analogie erforderlichen, hier nicht vergleichbaren Interessenlage.

28

cc) Soweit die Familienkasse darauf hinweist, dass sich Deutschland für die familienbezogene Betrachtung entschieden habe, stellt dies keine erforderliche Bestimmung im nationalen Recht dar. Auch der Hinweis auf die Regelungen in DA 214.6 Satz 8 der "Durchführungsanweisung zum über- und zwischenstaatlichen Recht" --DAüzV-- (abrufbar unter www.arbeitsagentur.de) ersetzt keine gesetzliche Bestimmung. Diese Dienstanweisung, die eine einheitliche Verwaltungstätigkeit der untergeordneten Behörden ermöglichen sollte, entfaltet Bindungswirkung grundsätzlich nur im Innenverhältnis.

29

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 in den Niederlanden nichtselbständig beschäftigte Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihrer 1994 geborenen Tochter … (Kind), für die sie fortlaufend Kindergeld bezog. Sie wohnte zusammen mit ihrem Kind und dessen bis September 2007 im Inland beschäftigten Vater, ihrem damaligen Ehemann, in A (Deutschland). Seit September 2007 lebte die Klägerin getrennt, ist seit Mai 2009 geschieden und seit Januar 2009 nicht mehr in den Niederlanden beschäftigt.

2

Für das Kind erhielt die Klägerin ab dem ersten Quartal 2008 zudem niederländische Familienleistungen in Höhe von vierteljährlich 271,70 €.

3

Am 19. Juni 2009 hob die frühere Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab Juli 2005 bis Dezember 2008 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 4.774 € zurück.

4

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, sie, die Klägerin, unterliege den Kindergeldregelungen des Beschäftigungslandes.

5

Die anschließende Klage, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2007 in voller Höhe und für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung der niederländischen Familienleistungen begehrte, hatte ebenso keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass im Streitfall die Anwendung des deutschen Kindergeldrechts durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) verdrängt werde.

7

Auch habe die Klägerin als Grenzgängerin nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der niedrigeren niederländischen Familienleistung und dem höheren deutschen Kindergeld.

8

Da der Klägerin ab dem Zeitpunkt ihrer Beschäftigung in den Niederlanden kein inländisches Kindergeld mehr zugestanden habe, komme es nicht darauf an, ob sie, die Klägerin, niederländische Familienleistungen tatsächlich beantragt habe und ob ihr damaliger Ehemann selbst kindergeldberechtigt gewesen sei.

9

Die Klägerin stützt ihre vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

10

Sie bringt vor, es treffe zwar zu, dass im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 auch niederländisches Kindergeldrecht anwendbar sei, weil sie, die Klägerin, zu dieser Zeit als Grenzgängerin in den Niederlanden gearbeitet habe.

11

Der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Zeit bis Dezember 2007 stehe jedoch § 65 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen, der nur so zu verstehen sei, dass inländisches Kindergeld für ein Kind, für das ausländisches Kindergeld gezahlt werde oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen gewesen wäre, nur dann ausgeschlossen sei, wenn auf die andere Leistung ein Rechtsanspruch bestehe, der in zumutbarer Weise realisiert werden könne. Sie, die Klägerin, könne dagegen das ausländische Kindergeld für den Zeitraum bis Ende 2007 nicht mehr erhalten, weil sie aus Unkenntnis und mangels eines Hinweises der Familienkasse sowie im Vertrauen auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung in den Niederlanden zunächst keinen Antrag gestellt habe.

12

Der Sachverhalt des Streitfalls sei mit dem der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Oktober 2010 C-16/09 --Schwemmer-- (Slg. 2010, I-9717, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86) vergleichbar. Inländisches Kindergeld sei dort bezogen worden, obwohl --wie hier in den Niederlanden-- kein Antrag auf die äquivalente schweizerische Leistung gestellt worden sei. Entscheidend sei, dass es vorliegend zu keiner Anspruchskumulierung kommen könne, soweit sie, die Klägerin, in den Niederlanden keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt habe.

13

Die Familienkasse änderte im Verlauf des Revisionsverfahrens den angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid mit Bescheid vom 30. Januar 2013, setzte --wie von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 beantragt-- Kindergeld für die Zeit von Oktober 2007 bis Dezember 2008 unter Anrechnung der in den Niederlanden zustehenden Familienleistungen fest und erklärte (insoweit) den Rechtsstreit für erledigt.

14

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009, den angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 wegen Kindergeld für Juli 2005 bis September 2007 aufzuheben sowie den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 30. Januar 2013 dahingehend zu ändern, dass für Oktober bis Dezember 2007 Kindergeld in voller Höhe und für Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung niederländischer Familienleistungen gewährt wird.

15

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

16

Sie tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen und bringt ergänzend vor, nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 seien vorliegend die Niederlande der für die Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat. Ein Anspruch auf Festsetzung und Zahlung von inländischem Kindergeld in grenzüberschreitenden Sachverhalten bestehe nur, wenn --anders als im Streitfall-- das Recht des Beschäftigungsstaats weder Kindergeld noch vergleichbare Zahlungen vorsehe und die Voraussetzungen der §§ 32, 62 ff. EStG erfüllt seien.

17

Hätte die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht folgend sie, die Familienkasse, über ihre Arbeitsaufnahme in den Niederlanden in Kenntnis gesetzt, hätte sie von ihr die notwendigen Informationen über eine Antragstellung im Beschäftigungsstaat erhalten.

Entscheidungsgründe

18

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsbeklagte ist nunmehr die Familienkasse B (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BFH/NV 2013, 1698, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, juris, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

19

III. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Kindergelds für den Zeitraum Januar bis Dezember 2008 unzulässig. Sie hat, soweit sie Kindergeld für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betrifft, hingegen Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

20

1. Die Revision der Klägerin ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betrifft.

21

a) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision entfällt nachträglich mit der Folge, dass das Rechtsmittel unzulässig wird, soweit sich die Hauptsache während des Rechtsmittelverfahrens materiell erledigt und der Rechtsmittelführer gleichwohl seinen ursprünglichen Sachantrag aufrechterhält (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. August 2009 X B 198/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R1023, unter II.2.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 115 Rz 21a, jeweils m.w.N.).

22

b) So liegt es im Streitfall.

23

aa) Die Klägerin hat im Revisionsverfahren zwar ausdrücklich beantragt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 aufzuheben, was auf die Bewilligung des vollen Kindergelds auch für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 gerichtet ist, während sie im Klageverfahren insoweit --was die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 inzwischen auch gewährte-- Kindergeld nur unter Anrechnung der niederländischen Familienleistungen begehrt hatte.

24

Der erkennende Senat ist jedoch an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO), sondern an das Klagebegehren. Dieses ist nur auf die Gewährung von Differenzkindergeld gerichtet. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin mit ihrer Revision für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 keine über die Gewährung des Differenzkindergelds hinausgehende Änderung des angefochtenen Urteils erstrebt. Zudem würde es anderenfalls insoweit an der notwendigen formellen Beschwer fehlen, weil die Klägerin ihren Klageantrag erst im Revisionsverfahren hinsichtlich eines Teils erweitert hätte, über den noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, die vom Revisionsgericht überprüft werden könnte (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1993 X R 32/91, BFH/NV 1994, 305; BFH-Beschluss vom 13. Mai 2013 I R 39/11, BFHE 241, 1, BFH/NV 2013, 1284).

25

bb) Den so verstandenen Sachantrag hat die Klägerin im Revisionsverfahren aufrechterhalten, obwohl die Familienkasse mit Bescheid vom 30. Januar 2013 ihm entsprochen und sich der Rechtsstreit insoweit materiell erledigt hatte. Die Klägerin hätte den das Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betreffenden Rechtsstreit --wie die Familienkasse-- für erledigt erklären müssen. Das ist nicht geschehen.

26

2. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin --den Streitzeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betreffend-- zulässig und in der Sache auch begründet.

27

a) Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des Kindergelds für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

28

Das FG hat über den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Familienkasse vom 19. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 getreten, der nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Damit liegt der Vorentscheidung --soweit das Kindergeld für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 betroffen ist-- ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das Urteil des FG insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540; vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, BFH/NV 2013, 359; vom 22. Januar 2013 IX R 25/11, BFH/NV 2013, 1387, jeweils m.w.N.).

29

b) Entgegen der Ansicht des FG entfällt die sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebende Anspruchsberechtigung nicht dadurch, dass eine Person gemäß Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 nicht den deutschen Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Obgleich Deutschland in diesem Fall im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen an sich der unzuständige Staat ist, wird der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergebende Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen. Denn die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, sodass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des deutschen Rechts richtet (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

30

Die gegenteilige Auffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der BFH in ständiger Rechtsprechung früher vertreten hat (vgl. z.B. Urteile vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BFHE 200, 205, BStBl II 2002, 869, und VIII R 97/01, BFHE 200, 211, BStBl II 2002, 869; vom 24. März 2006 III R 41/05, BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369), wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12. Juni 2012 C-611/10 und C-612/10 --Hudzinski und Wawrzyniak--, ZESAR 2012, 475) inzwischen aufgegeben (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aus den dort genannten Gründen an.

31

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung konnte daher keinen Bestand haben und war demnach aufzuheben.

32

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen keine Beurteilung darüber zu, ob die Klägerin für den Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2007, in dem sie mangels Antragstellung keine niederländischen Familienleistungen bezogen hat, das volle deutsche Kindergeld beanspruchen kann.

33

a) Die im betreffenden Zeitraum in Deutschland wohnhafte Klägerin erfüllte (unstreitig) nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für ihr gleichfalls in Deutschland lebendes Kind.

34

b) Der erkennende Senat vermag aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht abschließend zu beurteilen, ob im Streitfall die Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 anwendbar sind.

35

aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung auch ihrem sachlichen Anwendungsbereich (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371, Rz 17; zur Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 vgl. ferner BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 97/08, BFHE 238, 120, BStBl II 2013, 24, Rz 18 ff., m.w.N.).

36

bb) Vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird erfasst, wer --was erforderlich, aber auch ausreichend ist-- nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union versichert ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 4. August 2011 III R 55/08, BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619; in BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87, BFH/NV 2012, 1710; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

37

Das FG hat dazu lediglich festgestellt, dass die Klägerin im betreffenden Zeitraum in den Niederlanden erwerbstätig war. Dies genügt nicht für die Prüfung, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, weil es hierfür maßgeblich auf den genauen Versichertenstatus ankommt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE, 242, 222,  www.bundesfinanzhof.de).

38

c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Klägerin vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und sie außerdem wegen einer abhängigen Beschäftigung in den Niederlanden gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung --wonach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt-- den niederländischen Rechtsvorschriften unterliegt, wird das FG folgendes zu beachten haben:

39

aa) Die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats (Deutschland) wäre im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen nicht ausgeschlossen (vgl. dazu vorstehend unter III.2.b).

40

bb) Die Konkurrenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Anspruch würde dann nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufgelöst.

41

(1) Diese sog. Antikumulierungsbestimmung lautet wie folgt:
"Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen [--wie nach §§ 62 ff. EStG--] der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen."

42

(2) Mit dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 angeordneten anteiligen Ruhen des deutschen Kindergeldanspruchs wäre die Anspruchskumulation beseitigt. Diese Bestimmung erlaubt es hingegen nicht, einen weitergehenden deutschen Kindergeldanspruch auszuschließen, sodass der Klägerin dem Grunde nach auch für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 jedenfalls deutsches Differenzkindergeld zustünde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de, m.w.N.).

43

cc) Das FG wird im zweiten Rechtsgang ferner zu beachten haben, dass --worauf die Klägerin zu Recht hinweist-- der EuGH zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 entschieden hat, dass der im Wohnmitgliedstaat der Kinder bestehende Anspruch nicht teilweise ausgesetzt werden darf, wenn zwar ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsmitgliedstaat besteht, die Familienleistungen dort faktisch aber nicht bezogen werden, weil kein entsprechender Antrag gestellt wurde (vgl. EuGH-Urteil --Schwemmer-- in Slg. 2010, I-9717, ZESAR 2011, 86, Rz 55; ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Dabei wäre es nicht entscheidungserheblich, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall der andere Elternteil im Beschäftigungsmitgliedstaat den Antrag nicht gestellt hatte, im Streitfall hingegen die Klägerin aber selbst die Antragstellung versäumt hat. Das FG muss deshalb feststellen, ob die Klägerin vor dem Jahr 2008 in den Niederlanden Familienleistungen bezogen hat oder nicht (z.B. durch Vorlage eines Ablehnungsbescheids des niederländischen Trägers).

44

d) Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nach den im zweiten Rechtsgang noch zu treffenden Feststellungen nicht eröffnet sein, wäre die Anspruchskumulation nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufzulösen. Schon das bloße Bestehen eines Anspruchs auf niederländische Familienleistungen würde dann zum Ausschluss des deutschen Kindergelds führen (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung hätte in diesem Fall die Klägerin zu tragen.

45

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

46

Die Kostenentscheidung wird dem FG für das gesamte Verfahren, auch soweit die Revision keinen Erfolg hatte, gemäß § 143 Abs. 2 FGO übertragen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 6. November 2008 IV R 6/06, BFH/NV 2009, 763).

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

1Kindergeld wird nicht für ein Kind gezahlt, für das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre:

1.
Leistungen für Kinder, die im Ausland gewährt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen für Kinder, die von einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es für die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit Rücksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der Europäischen Union für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 28. Januar 2015  14 K 982/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) lebt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und hat vier Kinder, von denen drei im Streitzeitraum (April 2012 bis Februar 2013) minderjährig sind und das Älteste sich in Berufsausbildung befindet.

2

Die Klägerin ist nicht berufstätig. Ihr Ehemann und Vater der Kinder ist in der Schweiz nichtselbständig tätig und bezieht dort Kinder- und Ausbildungszulagen (Schweizer Kinderzulage). Diese betragen für die ersten beiden Kinder jeweils 250 CHF und für das dritte und vierte Kind jeweils 200 CHF.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) setzte das monatliche Kindergeld für die Klägerin mit Bescheid vom 2. Januar 2012 auf insgesamt 79,68 € fest. Mit Bescheid vom 5. Februar 2013 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung in Höhe von 51,10 € pro Monat ab April 2012 auf und forderte für den Zeitraum April 2012 bis Januar 2013 überzahltes Kindergeld in Höhe von insgesamt 511 € zurück.

4

Die Familienkasse berechnete das Kindergeld wie folgt:

5

Kind   

Schweizer Kinderzulage

deutsches KiG

Differenz

        

in CHF

in €* 

in €   

in €   

A       

250     

206,78

184     

- 22,78

B       

250     

206,78

184     

- 22,78

C       

200     

165,43

190     

24,57 

D       

200     

165,43

215     

49,57 

zu zahlender Unterschiedsbetrag

        

28,58 

6

* Umrechnungskurs 1,20900 (Kurs der Europäischen Zentralbank vom 2. Januar 2013)

7

Der Rückforderungsbetrag ergibt sich aus der Differenz zwischen der bisherigen und der neuen Festsetzung für 10 Monate.

8

Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage begehrte die Klägerin die Festsetzung eines monatlichen Differenzkindergeldes in Höhe von 74,14 € (24,57 € und 49,57 € für das dritte und vierte Kind) und den Rückforderungsbetrag auf insgesamt 55,40 € zu beschränken. Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, dass die Berechnung des Differenzkindergeldes kindbezogen zu erfolgen habe. Ein verbleibender Überschuss der Schweizer Kinderzulage über das Kindergeld nach § 66 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei einem Kind dürfe nicht mit Differenzkindergeldansprüchen für weitere Kinder verrechnet werden. Der Anspruch auf Kindergeld ergebe sich aus Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung --VO Nr. 883/2004-- (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2004 Nr. L 166, S. 1), die ab dem 1. April 2012 zwischen der Schweiz und Deutschland anzuwenden sei (Anhang II des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit --Freizügigkeitsabkommen--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 2002, Nr. L 114 vom 30. April 2002, S. 6, geändert durch Beschluss Nr. 1/2012 des gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 zur Ersetzung des Anhangs II dieses Abkommens über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherung, ABlEU 2012, Nr. L 103 vom 13. April 2012, S. 51). Die nationalen Vorschriften der §§ 62 und 66 ff. EStG geböten die kindbezogene Betrachtungs- und Berechnungsweise.

9

Mit der Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Die Frage der kind- bzw. familienbezogenen Betrachtung bei der Berechnung von Differenzbeträgen sei an sich eine solche des koordinierenden EU-Rechts. Nach Mitteilung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales habe man sich bei der Schaffung des Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 auf Ratsebene zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Berechnung der Modalitäten des Unterschiedsbetrages bei Anspruch auf Familienleistungen aus mehreren Mitgliedstaaten nicht auf eine kind- oder familienbezogene Betrachtung einigen können. Die Regelungslücke sei durch die Mitgliedstaaten selbständig zu schließen. Deutschland habe sich für die familienbezogene Betrachtungsweise entschieden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004. Es gehe um Leistungen "für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen". Auch Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit --VO Nr. 987/2009-- (ABlEU 2009 Nr. L 284, S. 1) sehe diese Gesamtbetrachtung vor, in dem sie bestimme, dass bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der Grundverordnung (= VO Nr. 883/2004), insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelange, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen sei, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaates fallen und dort wohnen. Zudem sprächen Sinn und Zweck der genannten Vorschriften für die familienbezogene Betrachtungsweise und führten auch zu sachgerechteren Lösungen.

10

Die nationalen Vorschriften zum Kindergeld stünden der familienbezogenen Betrachtungsweise nicht entgegen. Würde jeder Mitgliedstaat ausschließlich sein eigenes nationales System der Familienleistungen für die Berechnung zugrunde legen, wäre eine Koordinierung nach einheitlichen Maßstäben nicht möglich. Daher werde die Koordinierung unabhängig von den einzelnen nationalen Anspruchsvoraussetzungen vorgenommen. Das Kindergeld solle die Familie als Ganzes entlasten und allen Kindern gleichmäßig zukommen. Die Staffelung des Kindergeldes nach steigender Ordnungszahl solle keine steigende unmittelbare wirtschaftliche Belastung durch höhere Kosten der später geborenen Kinder abdecken, sondern den überproportional zunehmenden Gesamtentlastungsbedarf der Familie bei steigender Kinderzahl. So sei das Kindergeld zwar als monatlicher Anspruch pro Kind ausgestaltet. Bei der Abzweigung nach § 74 EStG und der Pfändung nach § 76 EStG, wenn also der Betrag pro Kind im Vergleich zu anderen Kindern maßgeblich sei, sei der Gesamtbetrag jedoch auf alle Kinder gleichmäßig zu verteilen.

11

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

13

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 121 FGO).

Entscheidungsgründe

II.

14

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

15

Das FG hat den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für die Kindergeldfestsetzung vom 5. Februar 2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 18. Februar 2013 zu Recht teilweise aufgehoben. Die Klägerin hat für den Streitzeitraum April 2012 bis Februar 2013 einen Anspruch auf Differenzkindergeld für das dritte und vierte Kind in Höhe von monatlich 74,14 €. Dementsprechend hat das FG den Rückforderungsbetrag folgerichtig auf 55,40 € begrenzt.

16

1. Die im Inland wohnende Klägerin erfüllt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für ihre gleichfalls im Inland wohnenden und nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2, § 32 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigenden vier Kinder. Darüber hinaus ist die Eröffnung des Anwendungsbereichs der VO Nr. 883/2004 sowie eine daraus resultierende Rechtszuständigkeit des Beschäftigungsstaates der Schweiz nicht im Streit.

17

2. Ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet, dann richtet sich die Kindergeldberechtigung nach den §§ 62 ff. EStG und die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004. Diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (vgl. Senatsurteile vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, Rz 20; vom 12. September 2013 III R 32/11, BFHE 243, 204, Rz 17).

18

a) Gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 werden beim Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschiften gewährt, die nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Vorrang haben. Vorrang haben hiernach an erster Stelle die durch eine Beschäftigung ausgelösten Ansprüche (Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004), mithin die Ansprüche auf die dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistung der Schweizer Kinderzulage. Die nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG bestehenden Ansprüche auf deutsches Kindergeld werden nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 der VO Nr. 883/2004 ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein weiter gehender deutscher Kindergeldanspruch wird daher nicht ausgeschlossen.

19

b) Der Klägerin steht danach deutsches Differenzkindergeld zu, soweit das Kindergeld die vergleichbare Schweizer Kinderzulage übersteigt.

20

3. Eine Kürzung des Differenzkindergeldes für das dritte und vierte Kind der Klägerin durch Verrechnung des übersteigenden Betrages der Schweizer Kinderzulage für die ersten beiden Kinder ist mangels einer gesetzlichen --sowohl europarechtlichen als auch nationalen-- Regelung ausgeschlossen.

21

a) Aus der in der Vorschrift des Art. 68 Abs. 2 der VO Nr. 883/2004 gewählten Formulierung "Familienangehörigen" (Plural) lässt sich im Hinblick auf eine Berechnungsmethode, bei der die Beträge der Familienleistungen eines primär und eines sekundär zuständigen Mitgliedstaates miteinander verglichen werden, keine Regelung entnehmen (a.A. Osterholz in jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 69 VO (EG) 883/2004, Rz 28). Ein Rückschluss auf eine bestimmte Berechnungsmethode kann auch nicht aus der in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 geregelten Familienbetrachtung gezogen werden (a.A. Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Art. 68 VO Nr. 883/2004, D I. Rz 29). Die dort vorgesehenen Fiktionen betreffen lediglich die Feststellung vorrangiger und nachrangiger Ansprüche bei der Anwendung des Art. 68 der VO Nr. 883/2004, um Anspruchsausschlüsse zu vermeiden, die von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen in der Person des Berechtigten abhängen, enthalten aber keine Aussage zu einer Berechnungsmethode.

22

b) Schon die Vorgängerregelung zu Art. 68 der VO Nr. 883/2004 --Art. 76 der VO Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971, ABlEG 1971 Nr. L 149, S. 1-- enthielt ebenfalls keine Regelung zur Berechnung der Differenzbeträge. Die bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eingesetzte, u.a. für Auslegungsfragen zuständige Verwaltungskommission (vgl. Art. 80, 81 der VO Nr. 1408/71, Art. 71, 72 der VO Nr. 883/2004) entschied sich für eine kindbezogene Betrachtungsweise (Vergleich der Beträge "bei jedem Familienangehörigen", Beschluss Nr. 147 der Verwaltungskommission der Europäischen Gemeinschaften für die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer vom 10. Oktober 1990, ABlEG 1991, Nr. L 235, S. 21, unter 1.d und e). Abgesehen davon, dass Beschlüsse der Verwaltungskommission nationale Gerichte mangels eines Rechtsakts mit normativen Charakter nicht binden können (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 14. Mai 1981  98/80, Slg. 1981, 1241), fehlt es bei der Anwendung der VO Nr. 883/2004 an einem entsprechenden (nachfolgenden) Beschluss. Die Mitgliedstaaten konnten sich vielmehr nicht auf eine bestimmte Berechnungsmethode (Berechnung für jeden Familienangehörigen/pro Kind und Berechnung für die Familie insgesamt/Gesamtbetrag) verständigen. Dies ergibt sich u.a. aus dem von der Familienkasse vorgelegten Protokoll der Verwaltungskommission für die soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer der Europäischen Kommission vom 16./17. Dezember 2009. Dementsprechend wurde den Mitgliedstaaten die Wahl der Berechnungsmethode überlassen. Insoweit sehen auch die Vordrucke (SED F001, F002) für den Informationsaustausch im Bereich der Familienleistungen vor, dass die Angaben zu den nationalen Ansprüchen kind- oder familienbezogen erfolgen können.

23

c) In Ermangelung einer entsprechenden unionsrechtlichen Regelung ist es daher Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaates, die Modalitäten für die Berechnung festzulegen. Das Erfordernis, wonach eine Familienleistung aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands zu gewähren ist, impliziert, dass nicht nur die Voraussetzungen ihrer Gewährung, sondern gegebenenfalls auch die Voraussetzungen ihres Ruhens den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten entnommen werden müssen (vgl. EuGH-Urteil vom 6. November 2014 C-4/13, EU:C:2014:2344, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2015, 86, Rz 43). Wenn die Richtlinie oder Verordnung den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum einräumt, obliegt die Befugnis zur Letztkonkretisierung dem Gesetzgeber. Daraus folgt, dass sich die Berechnung nach den Vorschriften des EStG bestimmen lassen muss.

24

aa) Das EStG sieht für die Berechnung der Unterschiedsbeträge beim Zusammentreffen von nationalen und vergleichbaren ausländischen Familienleistungen zwar keine ausdrückliche Regelung vor. Die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sind aber sowohl dem Grunde (vgl. §§ 62 bis 65 EStG) als auch der Höhe nach (§ 66 EStG) kindbezogen ausgestaltet. Darüber hinaus ergibt sich aus § 31 Satz 1 und aus § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG, dass im Rahmen der Günstigerprüfung die Vergleichsrechnung ebenfalls für jedes Kind einzeln durchzuführen ist (vgl. Senatsurteile vom 28. April 2010 III R 86/07, BFHE 230, 294, BStBl II 2011, 259; vom 19. April 2012 III R 50/08, BFH/NV 2012, 1429, Rz 15).

25

bb) Diese kindbezogene Betrachtungsweise wird nur dann durchbrochen, wenn dies ausdrücklich gesetzlich geregelt ist.

26

Solche Regelungen finden sich in § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 76 Satz 2 Nr. 1 EStG, sofern der Kindergeldberechtigte seine gesetzlichen Unterhaltspflichten verletzt. Hierbei geht es nur um die Verwendung des bereits zuvor kindbezogen festgesetzten Kindergeldes für die ganze Familie.

27

Eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften kommt nicht in Betracht. Für eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 76 Abs. 2 Nr. 1 EStG im Wege einer analogen Anwendung fehlt es, wenn schon nicht an der notwendigen planwidrigen Regelungslücke, so doch an der für eine Analogie erforderlichen, hier nicht vergleichbaren Interessenlage.

28

cc) Soweit die Familienkasse darauf hinweist, dass sich Deutschland für die familienbezogene Betrachtung entschieden habe, stellt dies keine erforderliche Bestimmung im nationalen Recht dar. Auch der Hinweis auf die Regelungen in DA 214.6 Satz 8 der "Durchführungsanweisung zum über- und zwischenstaatlichen Recht" --DAüzV-- (abrufbar unter www.arbeitsagentur.de) ersetzt keine gesetzliche Bestimmung. Diese Dienstanweisung, die eine einheitliche Verwaltungstätigkeit der untergeordneten Behörden ermöglichen sollte, entfaltet Bindungswirkung grundsätzlich nur im Innenverhältnis.

29

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 in den Niederlanden nichtselbständig beschäftigte Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter ihrer 1994 geborenen Tochter … (Kind), für die sie fortlaufend Kindergeld bezog. Sie wohnte zusammen mit ihrem Kind und dessen bis September 2007 im Inland beschäftigten Vater, ihrem damaligen Ehemann, in A (Deutschland). Seit September 2007 lebte die Klägerin getrennt, ist seit Mai 2009 geschieden und seit Januar 2009 nicht mehr in den Niederlanden beschäftigt.

2

Für das Kind erhielt die Klägerin ab dem ersten Quartal 2008 zudem niederländische Familienleistungen in Höhe von vierteljährlich 271,70 €.

3

Am 19. Juni 2009 hob die frühere Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für die Zeit ab Juli 2005 bis Dezember 2008 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 4.774 € zurück.

4

Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 mit der Begründung zurückgewiesen, sie, die Klägerin, unterliege den Kindergeldregelungen des Beschäftigungslandes.

5

Die anschließende Klage, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2007 in voller Höhe und für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung der niederländischen Familienleistungen begehrte, hatte ebenso keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass im Streitfall die Anwendung des deutschen Kindergeldrechts durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) verdrängt werde.

7

Auch habe die Klägerin als Grenzgängerin nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der niedrigeren niederländischen Familienleistung und dem höheren deutschen Kindergeld.

8

Da der Klägerin ab dem Zeitpunkt ihrer Beschäftigung in den Niederlanden kein inländisches Kindergeld mehr zugestanden habe, komme es nicht darauf an, ob sie, die Klägerin, niederländische Familienleistungen tatsächlich beantragt habe und ob ihr damaliger Ehemann selbst kindergeldberechtigt gewesen sei.

9

Die Klägerin stützt ihre vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

10

Sie bringt vor, es treffe zwar zu, dass im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 auch niederländisches Kindergeldrecht anwendbar sei, weil sie, die Klägerin, zu dieser Zeit als Grenzgängerin in den Niederlanden gearbeitet habe.

11

Der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Zeit bis Dezember 2007 stehe jedoch § 65 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen, der nur so zu verstehen sei, dass inländisches Kindergeld für ein Kind, für das ausländisches Kindergeld gezahlt werde oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen gewesen wäre, nur dann ausgeschlossen sei, wenn auf die andere Leistung ein Rechtsanspruch bestehe, der in zumutbarer Weise realisiert werden könne. Sie, die Klägerin, könne dagegen das ausländische Kindergeld für den Zeitraum bis Ende 2007 nicht mehr erhalten, weil sie aus Unkenntnis und mangels eines Hinweises der Familienkasse sowie im Vertrauen auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung in den Niederlanden zunächst keinen Antrag gestellt habe.

12

Der Sachverhalt des Streitfalls sei mit dem der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Oktober 2010 C-16/09 --Schwemmer-- (Slg. 2010, I-9717, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86) vergleichbar. Inländisches Kindergeld sei dort bezogen worden, obwohl --wie hier in den Niederlanden-- kein Antrag auf die äquivalente schweizerische Leistung gestellt worden sei. Entscheidend sei, dass es vorliegend zu keiner Anspruchskumulierung kommen könne, soweit sie, die Klägerin, in den Niederlanden keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt habe.

13

Die Familienkasse änderte im Verlauf des Revisionsverfahrens den angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid mit Bescheid vom 30. Januar 2013, setzte --wie von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 beantragt-- Kindergeld für die Zeit von Oktober 2007 bis Dezember 2008 unter Anrechnung der in den Niederlanden zustehenden Familienleistungen fest und erklärte (insoweit) den Rechtsstreit für erledigt.

14

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009, den angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 wegen Kindergeld für Juli 2005 bis September 2007 aufzuheben sowie den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 30. Januar 2013 dahingehend zu ändern, dass für Oktober bis Dezember 2007 Kindergeld in voller Höhe und für Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung niederländischer Familienleistungen gewährt wird.

15

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

16

Sie tritt der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen und bringt ergänzend vor, nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 seien vorliegend die Niederlande der für die Familienleistungen zuständige Mitgliedstaat. Ein Anspruch auf Festsetzung und Zahlung von inländischem Kindergeld in grenzüberschreitenden Sachverhalten bestehe nur, wenn --anders als im Streitfall-- das Recht des Beschäftigungsstaats weder Kindergeld noch vergleichbare Zahlungen vorsehe und die Voraussetzungen der §§ 32, 62 ff. EStG erfüllt seien.

17

Hätte die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht folgend sie, die Familienkasse, über ihre Arbeitsaufnahme in den Niederlanden in Kenntnis gesetzt, hätte sie von ihr die notwendigen Informationen über eine Antragstellung im Beschäftigungsstaat erhalten.

Entscheidungsgründe

18

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsbeklagte ist nunmehr die Familienkasse B (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BFH/NV 2013, 1698, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, juris, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

19

III. Die Revision der Klägerin ist hinsichtlich des Kindergelds für den Zeitraum Januar bis Dezember 2008 unzulässig. Sie hat, soweit sie Kindergeld für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betrifft, hingegen Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

20

1. Die Revision der Klägerin ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen, soweit sie Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betrifft.

21

a) Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision entfällt nachträglich mit der Folge, dass das Rechtsmittel unzulässig wird, soweit sich die Hauptsache während des Rechtsmittelverfahrens materiell erledigt und der Rechtsmittelführer gleichwohl seinen ursprünglichen Sachantrag aufrechterhält (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. August 2009 X B 198/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R1023, unter II.2.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 115 Rz 21a, jeweils m.w.N.).

22

b) So liegt es im Streitfall.

23

aa) Die Klägerin hat im Revisionsverfahren zwar ausdrücklich beantragt, den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 aufzuheben, was auf die Bewilligung des vollen Kindergelds auch für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 gerichtet ist, während sie im Klageverfahren insoweit --was die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 inzwischen auch gewährte-- Kindergeld nur unter Anrechnung der niederländischen Familienleistungen begehrt hatte.

24

Der erkennende Senat ist jedoch an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO), sondern an das Klagebegehren. Dieses ist nur auf die Gewährung von Differenzkindergeld gerichtet. Denn aus der Revisionsbegründung ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin mit ihrer Revision für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 keine über die Gewährung des Differenzkindergelds hinausgehende Änderung des angefochtenen Urteils erstrebt. Zudem würde es anderenfalls insoweit an der notwendigen formellen Beschwer fehlen, weil die Klägerin ihren Klageantrag erst im Revisionsverfahren hinsichtlich eines Teils erweitert hätte, über den noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, die vom Revisionsgericht überprüft werden könnte (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1993 X R 32/91, BFH/NV 1994, 305; BFH-Beschluss vom 13. Mai 2013 I R 39/11, BFHE 241, 1, BFH/NV 2013, 1284).

25

bb) Den so verstandenen Sachantrag hat die Klägerin im Revisionsverfahren aufrechterhalten, obwohl die Familienkasse mit Bescheid vom 30. Januar 2013 ihm entsprochen und sich der Rechtsstreit insoweit materiell erledigt hatte. Die Klägerin hätte den das Kindergeld für die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betreffenden Rechtsstreit --wie die Familienkasse-- für erledigt erklären müssen. Das ist nicht geschehen.

26

2. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin --den Streitzeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betreffend-- zulässig und in der Sache auch begründet.

27

a) Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des Kindergelds für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

28

Das FG hat über den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Familienkasse vom 19. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 getreten, der nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Damit liegt der Vorentscheidung --soweit das Kindergeld für die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 betroffen ist-- ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das Urteil des FG insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540; vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, BFH/NV 2013, 359; vom 22. Januar 2013 IX R 25/11, BFH/NV 2013, 1387, jeweils m.w.N.).

29

b) Entgegen der Ansicht des FG entfällt die sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebende Anspruchsberechtigung nicht dadurch, dass eine Person gemäß Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 nicht den deutschen Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Obgleich Deutschland in diesem Fall im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen an sich der unzuständige Staat ist, wird der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergebende Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen. Denn die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, sodass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des deutschen Rechts richtet (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

30

Die gegenteilige Auffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der BFH in ständiger Rechtsprechung früher vertreten hat (vgl. z.B. Urteile vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BFHE 200, 205, BStBl II 2002, 869, und VIII R 97/01, BFHE 200, 211, BStBl II 2002, 869; vom 24. März 2006 III R 41/05, BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369), wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12. Juni 2012 C-611/10 und C-612/10 --Hudzinski und Wawrzyniak--, ZESAR 2012, 475) inzwischen aufgegeben (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aus den dort genannten Gründen an.

31

Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung konnte daher keinen Bestand haben und war demnach aufzuheben.

32

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen keine Beurteilung darüber zu, ob die Klägerin für den Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2007, in dem sie mangels Antragstellung keine niederländischen Familienleistungen bezogen hat, das volle deutsche Kindergeld beanspruchen kann.

33

a) Die im betreffenden Zeitraum in Deutschland wohnhafte Klägerin erfüllte (unstreitig) nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für ihr gleichfalls in Deutschland lebendes Kind.

34

b) Der erkennende Senat vermag aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG nicht abschließend zu beurteilen, ob im Streitfall die Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 anwendbar sind.

35

aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfällt das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung auch ihrem sachlichen Anwendungsbereich (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371, Rz 17; zur Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 vgl. ferner BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 97/08, BFHE 238, 120, BStBl II 2013, 24, Rz 18 ff., m.w.N.).

36

bb) Vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird erfasst, wer --was erforderlich, aber auch ausreichend ist-- nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union versichert ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 4. August 2011 III R 55/08, BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619; in BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87, BFH/NV 2012, 1710; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

37

Das FG hat dazu lediglich festgestellt, dass die Klägerin im betreffenden Zeitraum in den Niederlanden erwerbstätig war. Dies genügt nicht für die Prüfung, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, weil es hierfür maßgeblich auf den genauen Versichertenstatus ankommt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE, 242, 222,  www.bundesfinanzhof.de).

38

c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Klägerin vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und sie außerdem wegen einer abhängigen Beschäftigung in den Niederlanden gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung --wonach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt-- den niederländischen Rechtsvorschriften unterliegt, wird das FG folgendes zu beachten haben:

39

aa) Die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats (Deutschland) wäre im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen nicht ausgeschlossen (vgl. dazu vorstehend unter III.2.b).

40

bb) Die Konkurrenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Anspruch würde dann nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufgelöst.

41

(1) Diese sog. Antikumulierungsbestimmung lautet wie folgt:
"Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen [--wie nach §§ 62 ff. EStG--] der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhängig ist, ruht, wenn während desselben Zeitraums für dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen."

42

(2) Mit dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 angeordneten anteiligen Ruhen des deutschen Kindergeldanspruchs wäre die Anspruchskumulation beseitigt. Diese Bestimmung erlaubt es hingegen nicht, einen weitergehenden deutschen Kindergeldanspruch auszuschließen, sodass der Klägerin dem Grunde nach auch für den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 jedenfalls deutsches Differenzkindergeld zustünde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de, m.w.N.).

43

cc) Das FG wird im zweiten Rechtsgang ferner zu beachten haben, dass --worauf die Klägerin zu Recht hinweist-- der EuGH zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 entschieden hat, dass der im Wohnmitgliedstaat der Kinder bestehende Anspruch nicht teilweise ausgesetzt werden darf, wenn zwar ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsmitgliedstaat besteht, die Familienleistungen dort faktisch aber nicht bezogen werden, weil kein entsprechender Antrag gestellt wurde (vgl. EuGH-Urteil --Schwemmer-- in Slg. 2010, I-9717, ZESAR 2011, 86, Rz 55; ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Dabei wäre es nicht entscheidungserheblich, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall der andere Elternteil im Beschäftigungsmitgliedstaat den Antrag nicht gestellt hatte, im Streitfall hingegen die Klägerin aber selbst die Antragstellung versäumt hat. Das FG muss deshalb feststellen, ob die Klägerin vor dem Jahr 2008 in den Niederlanden Familienleistungen bezogen hat oder nicht (z.B. durch Vorlage eines Ablehnungsbescheids des niederländischen Trägers).

44

d) Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nach den im zweiten Rechtsgang noch zu treffenden Feststellungen nicht eröffnet sein, wäre die Anspruchskumulation nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufzulösen. Schon das bloße Bestehen eines Anspruchs auf niederländische Familienleistungen würde dann zum Ausschluss des deutschen Kindergelds führen (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung hätte in diesem Fall die Klägerin zu tragen.

45

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

46

Die Kostenentscheidung wird dem FG für das gesamte Verfahren, auch soweit die Revision keinen Erfolg hatte, gemäß § 143 Abs. 2 FGO übertragen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 6. November 2008 IV R 6/06, BFH/NV 2009, 763).

Tatbestand

1

A. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter von D, geboren am 2. April 1985, und von J, geboren am 7. Februar 1992. Seit sie sich vom Vater der Kinder getrennt hatte, erzog sie ihre Söhne allein. Die Familie lebte in Deutschland. Für ihre Kinder bezog die Klägerin laufend Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

2

Im April 2003 nahm die Klägerin eine Erwerbstätigkeit in den Niederlanden auf. Als die Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) im Mai 2005 hiervon erfuhr, hob sie u.a. die Kindergeldfestsetzung für J ab Juli 2003 auf und forderte das für den Streitzeitraum Juli 2003 bis April 2005 ausgezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde von der Familienkasse zurückgewiesen. Ihre Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte dagegen teilweise Erfolg. Das FG ging davon aus, dass wegen der Erwerbstätigkeit der Klägerin in den Niederlanden grundsätzlich das Recht dieses Staates anzuwenden sei. Die Anwendung deutschen Rechts sei, wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache Bosmann judiziert habe (EuGH-Urteil vom 20. Mai 2008 C-352/06, Bosmann, Slg. 2008, I-3827), deswegen aber nicht stets ausgeschlossen. Im Ergebnis ruhe der deutsche Kindergeldanspruch in Höhe des Anspruchs auf niederländische Familienleistungen. Deshalb habe sie für alle Monate des Streitzeitraumes Anspruch auf die monatliche Differenz in Höhe von 69,90 €.

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision, dass das FG ihren Anspruch auf das volle Kindergeld für den Zeitraum ab Beginn ihrer Beschäftigung in den Niederlanden zu Unrecht verneint und sie insoweit zur Rückzahlung verpflichtet habe. Denn am Anfang ihrer Beschäftigung habe sie noch gar keine Leistungen in den Niederlanden erhalten. Sie müsse im Hinblick auf J nicht mehr an Kindergeld zurückzahlen, als sie tatsächlich an Familienbeihilfe aus den Niederlanden erhalten habe. Aus dem Bosmann-Urteil sei zu folgern, dass sie als Wanderarbeitnehmerin nicht schlechter gestellt werden dürfe, als sie stehen würde, wenn sie in Deutschland gearbeitet hätte. Eine solche Schlechterstellung würde sich aber ergeben, wenn sie auf das niedrigere niederländische Kindergeld verwiesen würde. Dieses werde quartalsweise in Höhe eines Betrages von 252,31 € ausgezahlt. Im Streitzeitraum habe sie nur im dritten und vierten Quartal 2004 und im ersten und zweiten Quartal 2005 niederländische Leistungen in Höhe von insgesamt 1.009,24 € bezogen. Mehr als dieser Betrag könne nicht zurückgefordert werden. Sie habe anfangs nicht gewusst, dass ihr Leistungen in den Niederlanden zugestanden hätten, deswegen dort zunächst keinen Antrag gestellt und daher faktisch von April 2003 bis zum Beginn des dritten Quartals 2004 keine Familienbeihilfe in den Niederlanden erhalten. Eine Doppelzahlung liege für diesen Zeitraum somit nicht vor. Sie sei insofern auch nicht bereichert. Außerdem müsse ihr dahingehendes Vertrauen, dass sie als in Deutschland wohnende deutsche Staatsbürgerin trotz ihrer vorübergehenden Beschäftigung in den Niederlanden in Bezug auf das deutsche Kindergeld anspruchsberechtigt sei, geschützt werden.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. das FG-Urteil unter weiter gehender Änderung des Aufhebungsbescheids vom 15. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. Februar 2006 dahingehend abzuändern, dass für die Monate Juli 2003 bis Juni 2004 Kindergeld für J in Höhe von monatlich 154 € festzusetzen ist.
2. die Revision der Familienkasse zurückzuweisen.

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Die Familienkasse beantragt,
1. das FG-Urteil, soweit es das Kind J betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
2. die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

6

Die Familienkasse rügt eine unzutreffende Auslegung des § 65 EStG. Bei dieser Vorschrift handele es sich um einen nationalen Ausschlusstatbestand, der der Festsetzung von Differenzkindergeld entgegenstehe. Sie, die Familienkasse, lasse sich von den Erwägungsgründen Nr. 8 und 9 zur Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71), in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005, leiten, wonach das System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaates gelten solle. Diese Sichtweise werde auch durch Ausführungen des EuGH im Urteil Bosmann gestützt. Der EuGH ermögliche in der Rechtssache Bosmann nur eine theoretische Kumulierung von Leistungsansprüchen. Er erlaube eine Kumulierung nur für den Fall, dass bei zwei Ansprüchen "der Anspruch des Beschäftigungslandes keine Leistungen zeitigen" dürfe. In einem solchen Fall werde statt des Rechts des Beschäftigungsstaates das Recht des Wohnmitgliedstaates angewandt. Unter diesen Überlegungen der ausschließlichen Zuständigkeit eines Staates könne § 65 EStG nur so gewürdigt werden, dass er als nationaler Ausschlusstatbestand im Hinblick auf einen Anspruch auf Differenzkindergeld anzusehen sei. Das Bosmann-Urteil sei in keinen seiner Überlegungen im Streitfall anwendbar. Denn vorliegend würden für das Kind J in den Niederlanden Familienleistungen erbracht. Frau Bosmann habe dagegen wegen des Alters ihres Kindes keinen derartigen Anspruch gehabt. Schließlich sei für den Zeitraum bis zum Beginn der Zahlung der niederländischen Familienleistungen im dritten Quartal 2004 kein deutsches Kindergeld zu gewähren. Wäre sie, die Familienkasse, zur Gewährung verpflichtet, so liefe dies auf die Anerkennung eines von der VO Nr. 1408/71 nicht vorgesehenen Wahlrechts hinaus.

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Die Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

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B. Die Revisionen der Familienkasse und der Klägerin sind begründet. Sie führen zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit das Kindergeld für das Kind J betroffen ist.

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I. Die Familienkasse Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit Coesfeld --Familienkasse-- eingetreten (s. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

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II. Zur Revision der Familienkasse

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1. Über die Revision der Familienkasse ist sachlich zu entscheiden. Die Revision wurde zwar zurückgenommen, die Klägerin hat in die Rücknahme des Rechtsmittels aber nicht eingewilligt. Da die Beteiligten bereits auf die mündliche Verhandlung verzichtet hatten, bedurfte die Rücknahme der Revision aber einer solchen Einwilligung (§ 125 Abs. 1 Satz 2 FGO).

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2. Das FG hat angenommen, dass ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf (Differenz-)Kindergeld für J nicht an § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG scheitert. Diese rechtliche Folgerung ist nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen getragen und daher fehlerhaft. Erst wenn die Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachgeholt sind, wird die Prüfung möglich sein, ob § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangt oder durch gemeinschaftsrechtliche Vorschriften verdrängt wird.

13

Die Klägerin erfüllt, was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, für J die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das FG ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, der die Anrechnung von im Ausland gewährten, dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen regelt, durch Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) verdrängt werden kann. Dies setzt allerdings voraus, dass die Klägerin überhaupt in den persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 fällt.

14

Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 4. August 2011 III R 55/08, BFHE 234, 316; vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87) ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine Person nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der EU versichert ist (zur Prüfung im Einzelnen s. BFH-Urteile in BFHE 234, 316; in BFHE 237, 150; in BFHE 238, 87).

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Ist der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet, dann richtet sich die Kindergeldberechtigung nach §§ 62 ff. EStG und die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung ist nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu lösen.

16

Das FG hat lediglich die Feststellung getroffen, dass die Klägerin in den Niederlanden eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat. Dies genügt nicht für die Prüfung, ob der persönliche Geltungsbereich eröffnet wird, weil es hierfür maßgeblich auf den genauen Versichertenstatus ankommt.

17

3. Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die Klägerin dem persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterfällt und sie, was anhand der Senatsrechtsprechung (BFH-Urteile in BFHE 234, 316; in BFHE 237, 150; in BFHE 238, 87) im Einzelnen zu prüfen wäre, außerdem wegen einer abhängigen Beschäftigung in den Niederlanden gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt, dann wird das FG Folgendes zu beachten haben:

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a) Obgleich Deutschland in diesem Fall im Hinblick auf die Gewährung der Familienleistungen an sich der unzuständige Staat wäre, würde der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergebende Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen sein. Denn die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung für die Anwendung des Rechts des nicht zuständigen Mitgliedstaats, so dass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des deutschen Rechts richtet. Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. Mai 2013 III R 8/11 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

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b) Der Zahlung von (Differenz-)Kindergeld für J stünde in diesem Fall auch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht entgegen. Denn die Konkurrenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Anspruch würde nicht durch diese Vorschrift, sondern durch Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufgelöst.

20

Diese Norm ist in einer solchen Konstellation schon nach ihrem Wortlaut anwendbar. Nach Auffassung des Senats sind die gemeinschaftsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften (Art. 76 der VO Nr. 1408/71 und Art. 10 Abs. 1 der VO Nr. 574/72) gegenüber § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich vorrangig. Die Auflösung der Konkurrenz zwischen den Kindergeldansprüchen richtet sich nur dann nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn entweder der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet ist (s. oben unter Ziffer B.II.2. der Gründe dieses Urteils) oder --bei Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs-- Deutschland der nicht zuständige Staat ist und zudem die gemeinschaftsrechtlichen Antikumulierungsvorschriften nicht einschlägig sind, weil der Beschäftigungsmitgliedstaat, der nach Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 als zuständiger Staat bestimmt ist, und der Wohnmitgliedstaat der Kinder identisch sind (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Juni 2012 C-611/10, Hudzinski, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2012, 475, unter Rdnrn. 73 ff.; vgl. die Überschrift zu Art. 76 der VO Nr. 1408/71). Sollte im Streitfall der persönliche Geltungsbereich eröffnet und die Niederlande gemäß Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 der zuständige Staat sein, dann würden der Beschäftigungsmitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften als anwendbar bestimmt wurden (Niederlande), und der Wohnmitgliedstaat des Kindes (Deutschland) auseinanderfallen.

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c) Mit dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 angeordneten anteiligen Ruhen des deutschen Kindergeldanspruchs wäre die Anspruchskumulation beseitigt. Die Norm erlaubt es hingegen nicht, einen weiter gehenden deutschen Kindergeldanspruch auszuschließen (vgl. EuGH-Urteil vom 4. Juli 1985 C-104/84, Kromhout, Slg. 1985, 2205), so dass der Klägerin dem Grunde nach deutsches Differenzkindergeld zustünde.

22

III. Zur Revision der Klägerin

23

Ob die Klägerin für diejenigen Monate des Streitzeitraumes, in denen sie mangels Antragstellung keine niederländischen Familienleistungen bezogen hat, einen Anspruch auf das volle deutsche Kindergeld hat, kann aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen des FG zum persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht abschließend beurteilt werden.

24

1. Sollte der persönliche Geltungsbereich eröffnet und das niederländische Recht als anwendbar bestimmt sein, dann würde nach den unter Ziffer B.II.3. der Gründe dieses Urteils gemachten Ausführungen zur Auflösung der Anspruchskonkurrenz zwischen dem niederländischen und dem deutschen Anspruch Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 heranzuziehen sein. Zu dieser Vorschrift hat der EuGH entschieden, dass der im Wohnmitgliedstaat der Kinder bestehende Anspruch nicht teilweise ausgesetzt werden darf, wenn zwar ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsmitgliedstaat besteht, die Familienleistungen dort faktisch aber nicht bezogen werden, weil kein entsprechender Antrag gestellt wurde (EuGH-Urteil vom 14. Oktober 2010 C-16/09, Schwemmer, ZESAR 2011, 86, Rdnr. 55). Dass in dem dort entschiedenen Fall der andere Elternteil im Beschäftigungsmitgliedstaat den Antrag nicht gestellt hatte, im Streitfall die Klägerin aber selbst die Antragstellung versäumt haben dürfte, wäre nach Auffassung des Senats nicht rechtserheblich. Denn der EuGH hat in der Rechtssache Schwemmer in abstrakter Weise ausgeführt, dass das Ruhen des deutschen Kindergeldanspruchs nur in Betracht kommt, wenn alle im Beschäftigungsmitgliedstaat aufgestellten Voraussetzungen für den tatsächlichen Leistungsbezug, einschließlich einer vorherigen Antragstellung, erfüllt sind.

25

2. Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nicht eröffnet sein, wäre die Anspruchskumulation nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufzulösen. Schon das bloße Bestehen eines Anspruchs auf niederländische Familienleistungen würde dann zum Ausschluss des deutschen Kindergeldes führen. Die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung hätte die Klägerin zu tragen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.