Bundesfinanzhof Urteil, 05. Sept. 2013 - XI R 52/10

published on 05.09.2013 00:00
Bundesfinanzhof Urteil, 05. Sept. 2013 - XI R 52/10
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Gericht

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Tatbestand

1

I. Die im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 in den Niederlanden nichtselbstĂ€ndig beschĂ€ftigte KlĂ€gerin und RevisionsklĂ€gerin (KlĂ€gerin) ist die Mutter ihrer 1994 geborenen Tochter 
 (Kind), fĂŒr die sie fortlaufend Kindergeld bezog. Sie wohnte zusammen mit ihrem Kind und dessen bis September 2007 im Inland beschĂ€ftigten Vater, ihrem damaligen Ehemann, in A (Deutschland). Seit September 2007 lebte die KlĂ€gerin getrennt, ist seit Mai 2009 geschieden und seit Januar 2009 nicht mehr in den Niederlanden beschĂ€ftigt.

2

FĂŒr das Kind erhielt die KlĂ€gerin ab dem ersten Quartal 2008 zudem niederlĂ€ndische Familienleistungen in Höhe von vierteljĂ€hrlich 271,70 â‚Ź.

3

Am 19. Juni 2009 hob die frĂŒhere Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung fĂŒr die Zeit ab Juli 2005 bis Dezember 2008 auf und forderte das ĂŒberzahlte Kindergeld in Höhe von 4.774 â‚Ź zurĂŒck.

4

Der hiergegen gerichtete Einspruch der KlĂ€gerin wurde von der Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 mit der BegrĂŒndung zurĂŒckgewiesen, sie, die KlĂ€gerin, unterliege den Kindergeldregelungen des BeschĂ€ftigungslandes.

5

Die anschließende Klage, mit der die KlĂ€gerin Kindergeld fĂŒr die Zeit von Juli 2005 bis Dezember 2007 in voller Höhe und fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung der niederlĂ€ndischen Familienleistungen begehrte, hatte ebenso keinen Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, dass im Streitfall die Anwendung des deutschen Kindergeldrechts durch Art. 13 Abs. 2 Buchst. a, Art. 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und SelbstĂ€ndige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 1408/71) verdrĂ€ngt werde.

7

Auch habe die KlĂ€gerin als GrenzgĂ€ngerin nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. MĂ€rz 1972 ĂŒber die DurchfĂŒhrung der Verordnung Nr. 1408/71 (VO Nr. 574/72) keinen Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen der niedrigeren niederlĂ€ndischen Familienleistung und dem höheren deutschen Kindergeld.

8

Da der KlÀgerin ab dem Zeitpunkt ihrer BeschÀftigung in den Niederlanden kein inlÀndisches Kindergeld mehr zugestanden habe, komme es nicht darauf an, ob sie, die KlÀgerin, niederlÀndische Familienleistungen tatsÀchlich beantragt habe und ob ihr damaliger Ehemann selbst kindergeldberechtigt gewesen sei.

9

Die KlĂ€gerin stĂŒtzt ihre vom FG zugelassene Revision auf die Verletzung materiellen Rechts.

10

Sie bringt vor, es treffe zwar zu, dass im streitigen Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2008 auch niederlÀndisches Kindergeldrecht anwendbar sei, weil sie, die KlÀgerin, zu dieser Zeit als GrenzgÀngerin in den Niederlanden gearbeitet habe.

11

Der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung fĂŒr die Zeit bis Dezember 2007 stehe jedoch § 65 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen, der nur so zu verstehen sei, dass inlĂ€ndisches Kindergeld fĂŒr ein Kind, fĂŒr das auslĂ€ndisches Kindergeld gezahlt werde oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen gewesen wĂ€re, nur dann ausgeschlossen sei, wenn auf die andere Leistung ein Rechtsanspruch bestehe, der in zumutbarer Weise realisiert werden könne. Sie, die KlĂ€gerin, könne dagegen das auslĂ€ndische Kindergeld fĂŒr den Zeitraum bis Ende 2007 nicht mehr erhalten, weil sie aus Unkenntnis und mangels eines Hinweises der Familienkasse sowie im Vertrauen auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung in den Niederlanden zunĂ€chst keinen Antrag gestellt habe.

12

Der Sachverhalt des Streitfalls sei mit dem der Entscheidung des Gerichtshofs der EuropĂ€ischen Union (EuGH) vom 14. Oktober 2010 C-16/09 --Schwemmer-- (Slg. 2010, I-9717, Zeitschrift fĂŒr europĂ€isches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2011, 86) vergleichbar. InlĂ€ndisches Kindergeld sei dort bezogen worden, obwohl --wie hier in den Niederlanden-- kein Antrag auf die Ă€quivalente schweizerische Leistung gestellt worden sei. Entscheidend sei, dass es vorliegend zu keiner Anspruchskumulierung kommen könne, soweit sie, die KlĂ€gerin, in den Niederlanden keinen Antrag auf Familienleistungen gestellt habe.

13

Die Familienkasse Ă€nderte im Verlauf des Revisionsverfahrens den angefochtenen Aufhebungs- und RĂŒckforderungsbescheid mit Bescheid vom 30. Januar 2013, setzte --wie von der KlĂ€gerin im erstinstanzlichen Verfahren fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 beantragt-- Kindergeld fĂŒr die Zeit von Oktober 2007 bis Dezember 2008 unter Anrechnung der in den Niederlanden zustehenden Familienleistungen fest und erklĂ€rte (insoweit) den Rechtsstreit fĂŒr erledigt.

14

Die KlĂ€gerin beantragt sinngemĂ€ĂŸ,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009, den angefochtenen Aufhebungs- und RĂŒckforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 wegen Kindergeld fĂŒr Juli 2005 bis September 2007 aufzuheben sowie den Aufhebungs- und RĂŒckforderungsbescheid vom 30. Januar 2013 dahingehend zu Ă€ndern, dass fĂŒr Oktober bis Dezember 2007 Kindergeld in voller Höhe und fĂŒr Januar bis Dezember 2008 unter Anrechnung niederlĂ€ndischer Familienleistungen gewĂ€hrt wird.

15

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegrĂŒndet zurĂŒckzuweisen.

16

Sie tritt der Revision mit den GrĂŒnden der Vorentscheidung entgegen und bringt ergĂ€nzend vor, nach Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 seien vorliegend die Niederlande der fĂŒr die Familienleistungen zustĂ€ndige Mitgliedstaat. Ein Anspruch auf Festsetzung und Zahlung von inlĂ€ndischem Kindergeld in grenzĂŒberschreitenden Sachverhalten bestehe nur, wenn --anders als im Streitfall-- das Recht des BeschĂ€ftigungsstaats weder Kindergeld noch vergleichbare Zahlungen vorsehe und die Voraussetzungen der §§ 32, 62 ff. EStG erfĂŒllt seien.

17

HĂ€tte die KlĂ€gerin ihrer Mitwirkungspflicht folgend sie, die Familienkasse, ĂŒber ihre Arbeitsaufnahme in den Niederlanden in Kenntnis gesetzt, hĂ€tte sie von ihr die notwendigen Informationen ĂŒber eine Antragstellung im BeschĂ€ftigungsstaat erhalten.

EntscheidungsgrĂŒnde

18

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsbeklagte ist nunmehr die Familienkasse B (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109; vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BFH/NV 2013, 1698, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, juris, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu Ă€ndern.

19

III. Die Revision der KlĂ€gerin ist hinsichtlich des Kindergelds fĂŒr den Zeitraum Januar bis Dezember 2008 unzulĂ€ssig. Sie hat, soweit sie Kindergeld fĂŒr den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betrifft, hingegen Erfolg und fĂŒhrt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie zur ZurĂŒckverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

20

1. Die Revision der KlĂ€gerin ist mangels RechtsschutzbedĂŒrfnisses als unzulĂ€ssig zu verwerfen, soweit sie Kindergeld fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betrifft.

21

a) Das RechtsschutzbedĂŒrfnis fĂŒr eine Revision entfĂ€llt nachtrĂ€glich mit der Folge, dass das Rechtsmittel unzulĂ€ssig wird, soweit sich die Hauptsache wĂ€hrend des Rechtsmittelverfahrens materiell erledigt und der RechtsmittelfĂŒhrer gleichwohl seinen ursprĂŒnglichen Sachantrag aufrechterhĂ€lt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 5. August 2009 X B 198/08, Zeitschrift fĂŒr Steuern und Recht 2009, R1023, unter II.2.; GrĂ€ber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 115 Rz 21a, jeweils m.w.N.).

22

b) So liegt es im Streitfall.

23

aa) Die KlĂ€gerin hat im Revisionsverfahren zwar ausdrĂŒcklich beantragt, den Aufhebungs- und RĂŒckforderungsbescheid vom 19. Juni 2009 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 aufzuheben, was auf die Bewilligung des vollen Kindergelds auch fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 gerichtet ist, wĂ€hrend sie im Klageverfahren insoweit --was die Familienkasse mit Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 inzwischen auch gewĂ€hrte-- Kindergeld nur unter Anrechnung der niederlĂ€ndischen Familienleistungen begehrt hatte.

24

Der erkennende Senat ist jedoch an die Fassung der AntrĂ€ge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO), sondern an das Klagebegehren. Dieses ist nur auf die GewĂ€hrung von Differenzkindergeld gerichtet. Denn aus der RevisionsbegrĂŒndung ergibt sich eindeutig, dass die KlĂ€gerin mit ihrer Revision fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 keine ĂŒber die GewĂ€hrung des Differenzkindergelds hinausgehende Änderung des angefochtenen Urteils erstrebt. Zudem wĂŒrde es anderenfalls insoweit an der notwendigen formellen Beschwer fehlen, weil die KlĂ€gerin ihren Klageantrag erst im Revisionsverfahren hinsichtlich eines Teils erweitert hĂ€tte, ĂŒber den noch keine erstinstanzliche Entscheidung vorliegt, die vom Revisionsgericht ĂŒberprĂŒft werden könnte (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1993 X R 32/91, BFH/NV 1994, 305; BFH-Beschluss vom 13. Mai 2013 I R 39/11, BFHE 241, 1, BFH/NV 2013, 1284).

25

bb) Den so verstandenen Sachantrag hat die KlĂ€gerin im Revisionsverfahren aufrechterhalten, obwohl die Familienkasse mit Bescheid vom 30. Januar 2013 ihm entsprochen und sich der Rechtsstreit insoweit materiell erledigt hatte. Die KlĂ€gerin hĂ€tte den das Kindergeld fĂŒr die Zeit von Januar bis Dezember 2008 betreffenden Rechtsstreit --wie die Familienkasse-- fĂŒr erledigt erklĂ€ren mĂŒssen. Das ist nicht geschehen.

26

2. Im Übrigen ist die Revision der KlĂ€gerin --den Streitzeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 betreffend-- zulĂ€ssig und in der Sache auch begrĂŒndet.

27

a) Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich des Kindergelds fĂŒr die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 bereits aus verfahrensrechtlichen GrĂŒnden aufzuheben.

28

Das FG hat ĂŒber den Aufhebungs- und RĂŒckforderungsbescheid der Familienkasse vom 19. Juni 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 30. November 2009 entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist wĂ€hrend des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 30. Januar 2013 getreten, der nach § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Damit liegt der Vorentscheidung --soweit das Kindergeld fĂŒr die Zeit von Oktober bis Dezember 2007 betroffen ist-- ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das Urteil des FG insoweit keinen Bestand haben kann (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10; vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540; vom 10. Oktober 2012 VIII R 44/10, BFH/NV 2013, 359; vom 22. Januar 2013 IX R 25/11, BFH/NV 2013, 1387, jeweils m.w.N.).

29

b) Entgegen der Ansicht des FG entfĂ€llt die sich aus den §§ 62 ff. EStG ergebende Anspruchsberechtigung nicht dadurch, dass eine Person gemĂ€ĂŸ Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 nicht den deutschen Rechtsvorschriften, sondern nur den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der EuropĂ€ischen Union unterliegt. Obgleich Deutschland in diesem Fall im Hinblick auf die GewĂ€hrung der Familienleistungen an sich der unzustĂ€ndige Staat ist, wird der sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ergebende Kindergeldanspruch nicht ausgeschlossen. Denn die Art. 13 ff. der VO Nr. 1408/71 entfalten keine Sperrwirkung fĂŒr die Anwendung des Rechts des nicht zustĂ€ndigen Mitgliedstaats, sodass sich die Anspruchsberechtigung auch bei Personen und bei Leistungen, die dem persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich der VO Nr. 1408/71 unterliegen, allein nach den Bestimmungen des deutschen Rechts richtet (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

30

Die gegenteilige Auffassung, die der vorinstanzlichen Entscheidung zugrunde liegt und die auch der BFH in stĂ€ndiger Rechtsprechung frĂŒher vertreten hat (vgl. z.B. Urteile vom 13. August 2002 VIII R 61/00, BFHE 200, 205, BStBl II 2002, 869, und VIII R 97/01, BFHE 200, 211, BStBl II 2002, 869; vom 24. MĂ€rz 2006 III R 41/05, BFHE 212, 551, BStBl II 2008, 369), wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12. Juni 2012 C-611/10 und C-612/10 --Hudzinski und Wawrzyniak--, ZESAR 2012, 475) inzwischen aufgegeben (vgl. dazu BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 1698; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aus den dort genannten GrĂŒnden an.

31

Das FG ist von anderen RechtsgrundsÀtzen ausgegangen. Seine Entscheidung konnte daher keinen Bestand haben und war demnach aufzuheben.

32

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen keine Beurteilung darĂŒber zu, ob die KlĂ€gerin fĂŒr den Zeitraum von Juli 2005 bis Dezember 2007, in dem sie mangels Antragstellung keine niederlĂ€ndischen Familienleistungen bezogen hat, das volle deutsche Kindergeld beanspruchen kann.

33

a) Die im betreffenden Zeitraum in Deutschland wohnhafte KlĂ€gerin erfĂŒllte (unstreitig) nach § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Anspruchsvoraussetzungen fĂŒr den Bezug von Kindergeld fĂŒr ihr gleichfalls in Deutschland lebendes Kind.

34

b) Der erkennende Senat vermag aufgrund fehlender tatsĂ€chlicher Feststellungen des FG nicht abschließend zu beurteilen, ob im Streitfall die Bestimmungen der VO Nr. 1408/71 anwendbar sind.

35

aa) Als Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 unterfĂ€llt das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG gemĂ€ĂŸ Art. 4 Abs. 1 Buchst. h dieser Verordnung auch ihrem sachlichen Anwendungsbereich (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371, Rz 17; zur Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. u Ziff. i der VO Nr. 1408/71 vgl. ferner BFH-Urteil vom 26. Juli 2012 III R 97/08, BFHE 238, 120, BStBl II 2013, 24, Rz 18 ff., m.w.N.).

36

bb) Vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 wird erfasst, wer --was erforderlich, aber auch ausreichend ist-- nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71 in irgendeinem der von ihrem sachlichen Geltungsbereich erfassten Zweige der sozialen Sicherheit in irgendeinem Mitgliedstaat der EuropĂ€ischen Union versichert ist (vgl. dazu BFH-Urteile vom 4. August 2011 III R 55/08, BFHE 234, 316, BStBl II 2013, 619; in BFHE 237, 150, BFH/NV 2012, 1371; vom 5. Juli 2012 III R 76/10, BFHE 238, 87, BFH/NV 2012, 1710; vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de).

37

Das FG hat dazu lediglich festgestellt, dass die KlĂ€gerin im betreffenden Zeitraum in den Niederlanden erwerbstĂ€tig war. Dies genĂŒgt nicht fĂŒr die PrĂŒfung, ob der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 eröffnet ist, weil es hierfĂŒr maßgeblich auf den genauen Versichertenstatus ankommt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE, 242, 222,  www.bundesfinanzhof.de).

38

c) Sollte sich im zweiten Rechtsgang herausstellen, dass die KlĂ€gerin vom persönlichen Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 erfasst wird und sie außerdem wegen einer abhĂ€ngigen BeschĂ€ftigung in den Niederlanden gemĂ€ĂŸ Art. 13 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung --wonach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhĂ€ngig beschĂ€ftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staats unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt-- den niederlĂ€ndischen Rechtsvorschriften unterliegt, wird das FG folgendes zu beachten haben:

39

aa) Die Anwendung des Rechts des nicht zustÀndigen Mitgliedstaats (Deutschland) wÀre im Hinblick auf die GewÀhrung der Familienleistungen nicht ausgeschlossen (vgl. dazu vorstehend unter III.2.b).

40

bb) Die Konkurrenz zwischen dem niederlĂ€ndischen und dem deutschen Anspruch wĂŒrde dann nach Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 aufgelöst.

41

(1) Diese sog. Antikumulierungsbestimmung lautet wie folgt:
"Der Anspruch auf Familienleistungen oder -beihilfen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats geschuldet werden, nach denen [--wie nach §§ 62 ff. EStG--] der Erwerb des Anspruchs auf diese Leistungen oder Beihilfen nicht von einer Versicherung, BeschĂ€ftigung oder selbstĂ€ndigen TĂ€tigkeit abhĂ€ngig ist, ruht, wenn wĂ€hrend desselben Zeitraums fĂŒr dasselbe Familienmitglied Leistungen allein aufgrund der innerstaatlichen Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats oder nach Artikel 73, 74, 77 oder 78 der Verordnung geschuldet werden, bis zur Höhe dieser geschuldeten Leistungen."

42

(2) Mit dem von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 angeordneten anteiligen Ruhen des deutschen Kindergeldanspruchs wĂ€re die Anspruchskumulation beseitigt. Diese Bestimmung erlaubt es hingegen nicht, einen weitergehenden deutschen Kindergeldanspruch auszuschließen, sodass der KlĂ€gerin dem Grunde nach auch fĂŒr den Zeitraum Juli 2005 bis Dezember 2007 jedenfalls deutsches Differenzkindergeld zustĂŒnde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de, m.w.N.).

43

cc) Das FG wird im zweiten Rechtsgang ferner zu beachten haben, dass --worauf die KlĂ€gerin zu Recht hinweist-- der EuGH zu Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 574/72 entschieden hat, dass der im Wohnmitgliedstaat der Kinder bestehende Anspruch nicht teilweise ausgesetzt werden darf, wenn zwar ein Anspruch auf Familienleistungen im BeschĂ€ftigungsmitgliedstaat besteht, die Familienleistungen dort faktisch aber nicht bezogen werden, weil kein entsprechender Antrag gestellt wurde (vgl. EuGH-Urteil --Schwemmer-- in Slg. 2010, I-9717, ZESAR 2011, 86, Rz 55; ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Dabei wĂ€re es nicht entscheidungserheblich, dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall der andere Elternteil im BeschĂ€ftigungsmitgliedstaat den Antrag nicht gestellt hatte, im Streitfall hingegen die KlĂ€gerin aber selbst die Antragstellung versĂ€umt hat. Das FG muss deshalb feststellen, ob die KlĂ€gerin vor dem Jahr 2008 in den Niederlanden Familienleistungen bezogen hat oder nicht (z.B. durch Vorlage eines Ablehnungsbescheids des niederlĂ€ndischen TrĂ€gers).

44

d) Sollte der persönliche Geltungsbereich der VO Nr. 1408/71 nach den im zweiten Rechtsgang noch zu treffenden Feststellungen nicht eröffnet sein, wĂ€re die Anspruchskumulation nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aufzulösen. Schon das bloße Bestehen eines Anspruchs auf niederlĂ€ndische Familienleistungen wĂŒrde dann zum Ausschluss des deutschen Kindergelds fĂŒhren (vgl. ebenso BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 III R 51/09, BFHE 242, 222, www.bundesfinanzhof.de). Die Folgen einer unterbliebenen Antragstellung hĂ€tte in diesem Fall die KlĂ€gerin zu tragen.

45

4. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

46

Die Kostenentscheidung wird dem FG fĂŒr das gesamte Verfahren, auch soweit die Revision keinen Erfolg hatte, gemĂ€ĂŸ § 143 Abs. 2 FGO ĂŒbertragen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; vom 6. November 2008 IV R 6/06, BFH/NV 2009, 763).

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(1) Ist die Revision unzulĂ€ssig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegrĂŒndet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurĂŒck. (3) Ist die Revision begrĂŒndet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

(1) Kinder sind1.im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,2.Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienÀhnliches, auf lÀngere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken i
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Tenor 1. Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 28.02.2014 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 13.11.2014 wird die Familienkasse verpflichtet, dem KlĂ€ger Kindergeld fĂŒr seine beiden Kinder im Zeitraum Januar 2013
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Tenor Der Änderungsbescheid der Beklagten vom 15. MĂ€rz 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 4. September 2014 werden aufgehoben, soweit sie das Kindergeld fĂŒr das Kind U von Mai 2010 bis Juni 2012 und fĂŒr das Kind K von Mai 2010 bis September 201
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Annotations

1Kindergeld wird nicht fĂŒr ein Kind gezahlt, fĂŒr das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wĂ€re:

1.
Leistungen fĂŒr Kinder, die im Ausland gewĂ€hrt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen fĂŒr Kinder, die von einer zwischen- oder ĂŒberstaatlichen Einrichtung gewĂ€hrt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es fĂŒr die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem VersicherungspflichtverhĂ€ltnis zur Bundesagentur fĂŒr Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder AmtsverhĂ€ltnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld fĂŒr ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit RĂŒcksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der EuropĂ€ischen Union fĂŒr das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

(1) Ist die Revision unzulÀssig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegrĂŒndet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurĂŒck.

(3) Ist die Revision begrĂŒndet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurĂŒckverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurĂŒck, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die EntscheidungsgrĂŒnde zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen GrĂŒnden als richtig dar, so ist die Revision zurĂŒckzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurĂŒckverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung ĂŒber die Revision bedarf keiner BegrĂŒndung, soweit der Bundesfinanzhof RĂŒgen von VerfahrensmĂ€ngeln nicht fĂŒr durchgreifend erachtet. Das gilt nicht fĂŒr RĂŒgen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich VerfahrensmĂ€ngel geltend gemacht werden, fĂŒr RĂŒgen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

FĂŒr das Revisionsverfahren gelten die Vorschriften ĂŒber das Verfahren im ersten Rechtszug und die Vorschriften ĂŒber Urteile und andere Entscheidungen entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften ĂŒber die Revision nichts anderes ergibt. § 79a ĂŒber die Entscheidung durch den vorbereitenden Richter und § 94a ĂŒber das Verfahren nach billigem Ermessen sind nicht anzuwenden. ErklĂ€rungen und Beweismittel, die das Finanzgericht nach § 79b zu Recht zurĂŒckgewiesen hat, bleiben auch im Revisionsverfahren ausgeschlossen.

Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geĂ€ndert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhĂ€ngig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu ĂŒbermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder
2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.

(1)1FĂŒr Kinder im Sinne des § 63 hat Anspruch auf Kindergeld nach diesem Gesetz, wer

1.
im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
2.
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
a)
nach § 1 Absatz 2 unbeschrÀnkt einkommensteuerpflichtig ist oder
b)
nach § 1 Absatz 3 als unbeschrÀnkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
2Voraussetzung fĂŒr den Anspruch nach Satz 1 ist, dass der Berechtigte durch die an ihn vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung) identifiziert wird.3Die nachtrĂ€gliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurĂŒck, in denen die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen.

(1a)1BegrĂŒndet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der EuropĂ€ischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen ĂŒber den EuropĂ€ischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er fĂŒr die ersten drei Monate ab BegrĂŒndung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld.2Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inlĂ€ndische EinkĂŒnfte im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4 mit Ausnahme von EinkĂŒnften nach § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 erzielt.3Nach Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums hat er Anspruch auf Kindergeld, es sei denn, die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 oder Absatz 3 des FreizĂŒgigkeitsgesetzes/EU liegen nicht vor oder es sind nur die Voraussetzungen des § 2 Absatz 2 Nummer 1a des FreizĂŒgigkeitsgesetzes/EU erfĂŒllt, ohne dass vorher eine andere der in § 2 Absatz 2 des FreizĂŒgigkeitsgesetzes/EU genannten Voraussetzungen erfĂŒllt war.4Die PrĂŒfung, ob die Voraussetzungen fĂŒr einen Anspruch auf Kindergeld gemĂ€ĂŸ Satz 2 vorliegen oder gemĂ€ĂŸ Satz 3 nicht gegeben sind, fĂŒhrt die Familienkasse in eigener ZustĂ€ndigkeit durch.5Lehnt die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung in diesem Fall ab, hat sie ihre Entscheidung der zustĂ€ndigen AuslĂ€nderbehörde mitzuteilen.6Wurde das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch die Verwendung gefĂ€lschter oder verfĂ€lschter Dokumente oder durch Vorspiegelung falscher Tatsachen vorgetĂ€uscht, hat die Familienkasse die zustĂ€ndige AuslĂ€nderbehörde unverzĂŒglich zu unterrichten.

(2) Ein nicht freizĂŒgigkeitsberechtigter AuslĂ€nder erhĂ€lt Kindergeld nur, wenn er

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die fĂŒr einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur AusĂŒbung einer ErwerbstĂ€tigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der BeschÀftigung als Au-Pair oder zum Zweck der SaisonbeschÀftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem EuropÀischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes fĂŒr Maßnahmen zur Anerkennung auslĂ€ndischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstĂ€tig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstÀtig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhÀlt oder
5.
eine BeschĂ€ftigungsduldung gemĂ€ĂŸ § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienÀhnliches, auf lÀngere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und PflegeverhÀltnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das KindschaftsverhĂ€ltnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berĂŒcksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berĂŒcksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berĂŒcksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berĂŒcksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnis steht und bei einer Agentur fĂŒr Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
fĂŒr einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden TĂ€tigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine FreiwilligentĂ€tigkeit im Rahmen des EuropĂ€ischen SolidaritĂ€tskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des EuropĂ€ischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms fĂŒr das EuropĂ€ische SolidaritĂ€tskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwĂ€rts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums fĂŒr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums fĂŒr Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den FĂ€llen des Satzes 1 Nummer 2 nur berĂŒcksichtigt, wenn das Kind keiner ErwerbstĂ€tigkeit nachgeht.3Eine ErwerbstĂ€tigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmĂ€ĂŸiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein AusbildungsdienstverhĂ€ltnis oder ein geringfĂŒgiges BeschĂ€ftigungsverhĂ€ltnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschĂ€dlich.

(5)1In den FĂ€llen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig fĂŒr die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende TĂ€tigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeĂŒbt hat,
fĂŒr einen der Dauer dieser Dienste oder der TĂ€tigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens fĂŒr die Dauer des inlĂ€ndischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern fĂŒr die Dauer des inlĂ€ndischen gesetzlichen Zivildienstes ĂŒber das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berĂŒcksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der EuropĂ€ischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen ĂŒber den EuropĂ€ischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird fĂŒr jedes zu berĂŒcksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro fĂŒr das sĂ€chliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro fĂŒr den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die BetrĂ€ge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem KindschaftsverhĂ€ltnis steht.3Die BetrĂ€ge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschrÀnkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem PflegekindschaftsverhÀltnis steht.
4FĂŒr ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschrĂ€nkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die BetrĂ€ge nach den SĂ€tzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den VerhĂ€ltnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5FĂŒr jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen fĂŒr einen Freibetrag nach den SĂ€tzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermĂ€ĂŸigen sich die dort genannten BetrĂ€ge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschrĂ€nkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn ĂŒbertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenĂŒber dem Kind fĂŒr das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels LeistungsfĂ€higkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags fĂŒhrt stets auch zur Übertragung des Freibetrags fĂŒr den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet fĂŒr ZeitrĂ€ume aus, fĂŒr die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjĂ€hrigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag fĂŒr den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen ĂŒbertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trĂ€gt oder das Kind regelmĂ€ĂŸig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den SĂ€tzen 1 bis 9 zustehenden FreibetrĂ€ge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil ĂŒbertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenĂŒber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur fĂŒr kĂŒnftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung fĂŒr die BerĂŒcksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags fĂŒr den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachtrĂ€gliche Identifizierung oder nachtrĂ€gliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurĂŒck, in denen die ĂŒbrigen Voraussetzungen fĂŒr die GewĂ€hrung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags fĂŒr den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

1Kindergeld wird nicht fĂŒr ein Kind gezahlt, fĂŒr das eine der folgenden Leistungen zu zahlen ist oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wĂ€re:

1.
Leistungen fĂŒr Kinder, die im Ausland gewĂ€hrt werden und dem Kindergeld oder der Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 217 Absatz 3 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung oder dem Kinderzuschuss aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 270 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der bis zum 16. November 2016 geltenden Fassung vergleichbar sind,
2.
Leistungen fĂŒr Kinder, die von einer zwischen- oder ĂŒberstaatlichen Einrichtung gewĂ€hrt werden und dem Kindergeld vergleichbar sind.
2Soweit es fĂŒr die Anwendung von Vorschriften dieses Gesetzes auf den Erhalt von Kindergeld ankommt, stehen die Leistungen nach Satz 1 dem Kindergeld gleich.3Steht ein Berechtigter in einem VersicherungspflichtverhĂ€ltnis zur Bundesagentur fĂŒr Arbeit nach § 24 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder ist er versicherungsfrei nach § 28 Absatz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch oder steht er im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder AmtsverhĂ€ltnis, so wird sein Anspruch auf Kindergeld fĂŒr ein Kind nicht nach Satz 1 Nummer 2 mit RĂŒcksicht darauf ausgeschlossen, dass sein Ehegatte als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der EuropĂ€ischen Union fĂŒr das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss ĂŒber die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurĂŒckverwiesen, so kann diesem die Entscheidung ĂŒber die Kosten des Verfahrens ĂŒbertragen werden.