Finanzgericht München Urteil, 11. Dez. 2017 - 7 K 2701/16

bei uns veröffentlicht am11.12.2017

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die beim Amtsgericht München im Handelsregister unter HRB …seit dem … eingetragen ist. Der Gegenstand des Unternehmens ist der ….

Mit Schreiben vom 31. Juli 2012 reichte die Klägerin durch ihren steuerlichen Vertreter beim beklagten Finanzamt (dem Finanzamt) die Steuererklärungen für 2011, u.a. die Körperschaftsteuererklärung 2011 nebst Anlagen und die Steuerbilanz zum 31.12.2011 ein. Die Beteiligung an der S L.P. wurde mit einem Betrag von 1.604.075,55 € bilanziert. In der Anlage zur Körperschaftsteuererklärung 2011 wurde mitgeteilt, dass die Klägerin die bisher einzige deutsche Beteiligte der S L.P. sei und die nach deutschen Grundsätzen ermittelten laufenden Einkünfte aus dieser Beteiligung nachgereicht würden. In der Handelsbilanz sei ein Ergebnis von 0 € erfasst.

Die Steuererklärungen wurden vom Finanzamt erklärungsgemäß veranlagt, im Körperschaftsteuerbescheid 2011 wurde der erklärte Steuerbilanzgewinn von -37.467 € erfasst und die Körperschaftsteuer mit 0 € festgesetzt. Der Bescheid vom 28.09.2012, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 18.04.2013 beantragte die Klägerin unter Vorlage geänderter Steuererklärungen für 2011 die Änderung der Bescheide über Körperschaftsteuer 2011 und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer jeweils vom 28.09.2012 und hierbei die Berücksichtigung eines Verlustes in Höhe von 110.809,74 € aus der Beteiligung an der S L.P., um den sich der der Besteuerung zugrunde gelegte Steuerbilanzverlust erhöhen würde. Gleichzeitig wurde ein als „Schätzung des Gewinnanteils aus der Beteiligung an der S L.P.“ bezeichnetes Konvolut vorgelegt, u.a. mit einer Darstellung der Beteiligungsstruktur und einer Berechnung des Verlustanteils der Klägerin für 2011 in Höhe von 110.809,74 €. Das Konvolut enthält in der Kopfzeile jeweils die Angabe „Entwurf 24.08.2012“. Nach Angabe der Klägerin sei die Schätzung von … erstellt und ihr inzwischen nachgereicht worden.

Nach einer negativen Mitteilung des Finanzamts vom 02.07.2013 stellte die Klägerin am 09.07.2013 erneut einen Änderungsantrag und teilte ergänzend mit, dass es sich bei der S L.P. um eine ausländische gewerblich geprägte Personengesellschaft handle. Da es laut Aussage von S L.P. im Jahr 2011 nur einen inländischen Beteiligten gegeben habe, habe auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der S L.P. in Deutschland nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) verzichtet werden können.

Das Finanzamt lehnte den Änderungsantrag mit Schreiben vom 17.07.2017 ab, da eine Änderungsvorschrift nicht eingreife.

Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 31.08.2016).

Hiergegen richtet sich die Klage. Nach Auffassung der Klägerin liegen die Voraussetzungen für eine Änderung des bestandskräftigen Körperschaftsteuerbescheids 2011 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Die Höhe der ihr aus der Beteiligung an der S L.P. entstandenen Einkünfte sei eine Tatsache im Sinne von § 173 Abs. 1 AO, die dem Finanzamt nach Erlass des Körperschaftsteuerbescheides 2011 vom 28.09.2012 und damit nachträglich im Sinne von § 173 Abs. 1 AO bekannt geworden sei. Die Klägerin treffe auch kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden. Die Steuererklärung sei nicht unvollständig gewesen, sondern auch hinsichtlich der Beteiligung an der S L.P. vollständig gewesen, da angegeben worden sei, dass aus dieser Beteiligung Einkünfte angefallen seien. Nur die Höhe der Einkünfte sei noch offen gewesen, da sie der Klägerin im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung nicht bekannt gewesen sei und ihr auch nicht bekannt sein habe können. Dem steuerlichen Berater hätten bei der Abgabe der Steuererklärungen keinerlei Unterlagen zu den laufenden Einkünften aus der Beteiligung an der S L.P. zur Verfügung gestanden. Die Ermittlung der Einkünfte der S L.P. für 2011 sei von einer anderen Steuerberatungsgesellschaft, der …, gemacht worden, die der steuerliche Berater der S L.P. gewesen sei. Somit habe die Klägerin in ihrer Steuererklärung die Einkünfte der S L.P. nicht selbst ermitteln und angeben können, auch nicht im Wege einer Schätzung. Deshalb habe sie die Einkünfte vorläufig offenlassen müssen und habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die laufenden Einkünfte der S L.P. nacherklärt würden. Eine Sorgfaltspflichtverletzung habe somit nicht vorgelegen. Auch in dem Umstand, dass sie gegen die Steuerbescheide keinen Einspruch eingelegt habe, könne ihr keine Sorgfaltspflichtverletzung angelastet werden. Auch im Zeitpunkt, in dem die Steuerbescheide bestandskräftig geworden seien, seien ihr die Höhe der entsprechenden Einkünfte nicht bekannt gewesen. Auf die Tatsache, dass es sich um eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache gehandelt habe, habe die Einlegung eines Einspruchs keinen Einfluss gehabt. Das schuldhafte Verhalten im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO beziehe sich ausschließlich auf den Zeitpunkt des Bekanntwerdens, nämlich wann er die Tatsachen hätte dem Finanzamt mitteilen können. Nur wenn dieser Zeitpunkt innerhalb der Einspruchsfrist gelegen habe, treffe den Steuerpflichtigen ein Verschulden, dass er diese Tatsachen nicht im Rahmen eines Einspruchs geltend gemacht habe. Wenn die Tatsachen aber – wie im Streitfall – erst nach Ablauf der Einspruchsfrist dem Steuerpflichtigen bekannt geworden seien, so treffe ihm am nachträglichen Bekanntwerden keine Schuld, unabhängig davon, ob Einspruch eingelegt worden sei oder nicht.

Eine Bescheidänderung sei auch auf Grundlage von § 129 AO i.V.m. § 164 AO geboten. Angesichts der dem Finanzamt ausdrücklich mitgeteilten fehlenden Höhe der Einkünfte der S L.P. sei ihm eine abschließende Prüfung des Steuerfalls nicht möglich gewesen. Damit hätten die Voraussetzungen für eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO vorgelegen. Das in dieser Vorschrift liegende Ermessen reduziere sich auf Null, wenn, wie hier, eine abschließende Prüfung und damit eine korrekte Festsetzung der Steuer aus sachlichen Gründen unmöglich sei, da dem Bearbeiter klar sein musste, dass seine Steuerfestsetzung im Ergebnis unrichtig sei. Damit liege eine offenbare Unrichtigkeit im Sinn von § 129 AO vor, da die nicht vorgenommene Eintragung einer Kennziffer, die zu einer Vorbehaltsfestsetzung führe, einen mechanischen Fehler darstelle, da ausgeschlossen werden könne, dass diese Entscheidung bewusst getroffen worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 17. Juli 2013 und der hierzu erlassenen Einspruchsentscheidung vom 31.08.2016 zu verpflichten, den Körperschaftsteuerbescheid 2011 vom 28.09.2012 dahin zu ändern, dass ein Einkommen in Höhe von – 148.276 € angesetzt wird, hilfsweise die Zulassung der Revision.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen. Zur Begründung trägt es vor, zwar treffe es zu, dass in ihrer Höhe bislang nicht bekannte Einkünfte bei ihrem Bekanntwerden eine neue Tatsache im Sinne von § 173 Abs. 1 AO darstellen könnten. Allerdings treffe die Klägerin ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden, da der steuerliche Berater es unterlassen habe, gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2011 Einspruch einzulegen. Innerhalb der Einspruchsfrist hätte sich ihm die Geltendmachung der bisher nicht vorgetragenen Tatsachen aufdrängen müssen, da im Entwurf vom 24.08.2012 bereits Verluste ausgewiesen worden seien. Eine Berichtigung nach § 129 AO scheide aus, denn die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung habe auf einer bewussten Entscheidung des Bearbeiters beruht und sei nicht versehentlich erfolgt.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2017 wird Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat es zutreffend unterlassen, den Körperschaftsteuerbescheid 2011 zu berichtigen oder zu ändern.

1. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO liegen nicht vor.

Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Leopold in Leopold/Madle/Rader, AO, § 129 Rz. 3, 10).

Weist der dem Steuerpflichtigen bekannt gegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteil vom 6. November 2012 VIII R 15/10, BStBl II 2013, 307 m.w.N.), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler - ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern - beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, m.w.N). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Leopold in Leopold/Madle/Rader, AO, § 129 Rz. 18).

Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere - aber nicht nur - unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 6. November 2012 VIII R 15/10, BStBl II 2013, 307).

Im Streitfall ist es auszuschließen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehaltsvermerks auf einem Versehen und einem mechanischen Fehler des Finanzamts beruhte. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Bearbeiter des Finanzamts den Willen hatte, die Steuerfestsetzung unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen, denn nur dann könnte der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweichen. Vielmehr hat der Bearbeiter die Veranlagung nicht für nachprüfungsrelevant gehalten, ansonsten hätte er im Verfügungsteil auf Seite 6 der Steuererklärung unter Ziff. 12 einen Grund für eine Veranlagung unter Vorbehalt der Nachprüfung angegeben. Da dieses Feld nicht ausgefüllt wurde, war eine Veranlagung unter Vorbehalt der Nachprüfung auch nicht beabsichtigt. Unerheblich für die Frage eines mechanischen Versehens ist der Umstand, dass sich aus der Anlage zur Körperschaftsteuererklärung ergab, dass die Beteiligungseinkünfte aus der Beteiligung an der S L.P. fehlten und die erklärten Einkünfte daher unvollständig waren. Dass der Bearbeiter aus dieser Mitteilung keine Konsequenzen zog - möglicherweise ging er davon aus, dass diese Einkünfte im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte mitgeteilt werden mit der Folge einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO - beruhte auf einem Rechtsanwendungs- oder Ermittlungsfehler des Bearbeiters. Wie ausgeführt, schließt bereits die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler eine Berichtigung nach § 129 AO aus.

2. Auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist wegen eines groben Verschuldens des Steuerpflichtigen am nachträglichen bekannt werden der neuen Tatsachen ausgeschlossen.

a) Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sind bestandskräftige Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und dem Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Tatsache ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt (Loose in Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 2). Dem Bearbeiter des Finanzamts war zwar aufgrund der eingereichten Körperschaftsteuererklärung 2011 bekannt, dass die Klägerin an der S L.P. beteiligt war und aus dieser Beteiligung Einkünfte erzielt hat. Die Höhe der der Klägerin im Streitjahr erzielten Einkünfte aus dieser Beteiligung ist ein einzelnes Merkmal des Besteuerungstatbestands und war dem Bearbeiter bei der Durchführung der Veranlagung nicht bekannt, da sie in der Steuererklärung nicht mitgeteilt wurde. Sie wurde dem Finanzamt erst nachträglich bekannt, da sie ihm erst mit Schreiben der Klägerin vom 18.04.2013 und damit nach Erlass des Bescheids vom 29.09.2012 mitgeteilt wurde.

b) Die Berücksichtigung des dem Finanzamt nachträglich bekannt gewordenen Beteiligungsverlustes würde auch zu einer niedrigeren Steuer im Sinne von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO führen. Zwar änderte sich an der Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer nichts, da diese bereits im ursprünglichen Körperschaftsteuerbescheid Null Euro betrug. Jedoch würde sich der negative Gesamtbetrag der Einkünfte von 37.467 € auf einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte von 148.276 € erhöhen mit der Folge, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2011 entsprechend nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG zu ändern ist. Da durch § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 i.d.F. des JStG 2010 eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Körperschaftsteuerbescheid bewirkt wird, stellt der Körperschaftsteuerbescheid einen „Quasi-Grundlagenbescheid“ dar (BFH-Urteil vom 7. Dezember 2016 I R 76/14, BStBl II 2017, 704). Die Folge ist, dass die Berücksichtigung eines höheren Verlustes im Körperschaftsteuerbescheid Voraussetzung für die Feststellung eines höheren Verlustvortrags ist, welcher in Zukunft zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führt.

c) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545). Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Urteile des BFH vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BStBl II 1994, 346). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BStBl II 2006, 412). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BStBl II 2016, 512).

Der Klägerin ist darin zu folgen, dass ihr im Zeitraum der Abgabe der Steuererklärung für 2001 am 31. Juli 2012 bis zum Erlass des Bescheids vom 28. September 2012 kein grobes Verschulden vorzuwerfen ist, da die Höhe der Einkünfte aus der S L.P. zunächst nicht bekannt war. Ohne Verstoß gegen ihre Erklärungspflicht hat sie daher in der Anlage zur Steuererklärung auf diese Beteiligung hingewiesen und mitgeteilt, dass die Einkünfte nachgereicht werden. Zwar ging das mit Schreiben vom 18. April 2013 dem Finanzamt eingereichte, als „Schätzung des Gewinnanteils aus der Beteiligung an der S L.P.“ bezeichnete Konvolut mit der Überschrift „Entwurf 24.08.2012“ dem Geschäftsführer der Klägerin mit E-Mail vom 24.08.2012 und damit noch vor Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2011 zu. Dass die Klägerin daraufhin nicht sofort die Höhe der Einkünfte beim Finanzamt nachreichte, erscheint wegen des engen zeitlichen Ablaufs und des Umstands, dass die Höhe der Einkünfte in der Steuererklärung ausdrücklich offengelassen wurde, jedoch noch nicht als grober Pflichtverstoß.

Etwas anderes gilt jedoch für den Zeitraum zwischen dem Erlass des Körperschaftsteuerbescheids 2011 vom 28. September 2012 und dem Ablauf der Einspruchsfrist. Die Klägerin bzw. ihr steuerlicher Vertreter, dessen Verschulden sich die Klägerin zurechnen lassen muss, hätte bei sorgfältiger Bescheidprüfung erkennen können und müssen, dass der Körperschaftsteuerbescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Da sie den Bescheid dennoch bestandskräftig werden ließ, obwohl ihr die Unterlagen, aus denen sich die Höhe der Beteiligungseinkünfte ergab, zwischenzeitlich zur Verfügung standen, ist eine grob fahrlässige Pflichtverletzung zu bejahen. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass ihr Geschäftsführer die Unterlagen nicht an ihren steuerlichen Vertreter weitergeleitet hatte und er die Unterlagen nicht – wie vorgetragen - als für Steuererklärungszwecke geeignete und zulässige Unterlage erkannt hat, weil sie lediglich als Entwurf gekennzeichnet waren. Angesichts ihrer Vertretung mit einem Steuerberater ist es der Klägerin versagt, sich auf angebliche Abstimmungsprobleme mit ihrem steuerlichen Berater und die angebliche Unkenntnis ihres Geschäftsführers in steuerlichen Angelegenheiten zu berufen (vgl. FG Hamburg, Urteil vom 04. Dezember 1990 II 117/89, EFG 1991, 444).

d) Das Verschulden des Klägers ist nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO unbeachtlich. Zwar ist der von der Klägerin nachträglich erklärte Verlust aus der Beteiligung an der S L.P. ausweislich der eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung der Saldo aus den Erträgen und den Betriebsausgaben der S L.P.. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO ist ein Verschulden unbeachtlich, wenn die steuermindernden Tatsachen in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit anderen Tatsachen stehen, die zu einer höheren Steuer führen. Wird jedoch nachträglich bekannt, dass Einkünfte einer Einkunftsart - wie im Streitfall solche aus Gewerbebetrieb - überhaupt nicht erklärt bzw. berücksichtigt worden sind, so stellen diese Einkünfte, d.h. die Höhe dieser Einkünfte, die steuerlich relevante Tatsache dar, die zu einer Änderung nach § 173 AO führt (BFH-Urteil vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346). Eine Aufspaltung der Einkünfte in steuererhöhende Einnahmen oder Vermögensmehrungen auf der einen und steuermindernde Ausgaben oder Vermögensminderungen auf der anderen Seite findet in diesen Fällen nicht statt. Entscheidend ist, ob einzelne Einnahmen oder Aufwendungen zu einem bereits bekannten Lebenssachverhalt hinzutreten oder ob ein in sich abgeschlossener einheitlicher Vorgang (Lebenssachverhalt) nachträglich bekannt wird (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1991 XI R 28/89, BFHE 164, 192, BStBl II 1991, 606; vom 28. März 1985 IV R 159/82, BFHE 144, 521, BStBl II 1986, 120; in BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346). Auch wenn im Streitfall dem Finanzamt die Beteiligung als solche bekannt war, so hat es in der ursprünglichen Veranlagung aus dieser Beteiligung dennoch keine Einkünfte berücksichtigt. Somit stellt die Höhe des Verlustes als einheitlicher Vorgang die für § 173 Abs. 1 AO maßgebende Tatsache dar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

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(1) 1Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 10 000 000 Euro, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 20 000 0

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(1) Gesondert festgestellt werden insbesondere:1.die Einheitswerte und die Grundsteuerwerte nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes,2.a)die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende ande

Abgabenordnung - AO 1977 | § 129 Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts


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(1) Gesondert festgestellt werden insbesondere:

1.
die Einheitswerte und die Grundsteuerwerte nach Maßgabe des Bewertungsgesetzes,
2.
a)
die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind,
b)
in anderen als den in Buchstabe a genannten Fällen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit, wenn nach den Verhältnissen zum Schluss des Gewinnermittlungszeitraums das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist,
3.
der Wert der vermögensteuerpflichtigen Wirtschaftsgüter (§§ 114 bis 117 a des Bewertungsgesetzes) und der Wert der Schulden und sonstigen Abzüge (§ 118 des Bewertungsgesetzes), wenn die Wirtschaftsgüter, Schulden und sonstigen Abzüge mehreren Personen zuzurechnen sind und die Feststellungen für die Besteuerung von Bedeutung sind.
Wenn sich in den Fällen von Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b die für die örtliche Zuständigkeit maßgeblichen Verhältnisse nach Schluss des Gewinnermittlungszeitraums geändert haben, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit auch für Feststellungszeiträume, die vor der Änderung der maßgeblichen Verhältnisse liegen, nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 in Verbindung mit § 26.

(1a) Einzelne, im Rahmen einer Außenprüfung für den Prüfungszeitraum ermittelte und abgrenzbare Besteuerungsgrundlagen können gesondert festgestellt werden (Teilabschlussbescheid), solange noch kein Prüfungsbericht nach § 202 Absatz 1 ergangen ist. Auf Antrag des Steuerpflichtigen soll ein Teilabschlussbescheid ergehen, wenn daran ein erhebliches Interesse besteht und dies vom Steuerpflichtigen glaubhaft gemacht wird.

(2) Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass in anderen als den in Absatz 1 genannten Fällen Besteuerungsgrundlagen gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden. Dabei können insbesondere geregelt werden

1.
der Gegenstand und der Umfang der gesonderten Feststellung,
2.
die Voraussetzungen für das Feststellungsverfahren,
3.
die örtliche Zuständigkeit der Finanzbehörden,
4.
die Bestimmung der am Feststellungsverfahren beteiligten Personen (Verfahrensbeteiligte) und der Umfang ihrer steuerlichen Pflichten und Rechte einschließlich der Vertretung Beteiligter durch andere Beteiligte,
5.
die Bekanntgabe von Verwaltungsakten an die Verfahrensbeteiligten und Empfangsbevollmächtigte,
6.
die Zulässigkeit, der Umfang und die Durchführung von Außenprüfungen zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen.
Durch Rechtsverordnung kann das Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass Besteuerungsgrundlagen, die sich erst später auswirken, zur Sicherung der späteren zutreffenden Besteuerung gesondert und für mehrere Personen einheitlich festgestellt werden; Satz 2 gilt entsprechend. Die Rechtsverordnungen bedürfen nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betreffen.

(3) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a gilt nicht, wenn

1.
nur eine der an den Einkünften beteiligten Personen mit ihren Einkünften im Geltungsbereich dieses Gesetzes einkommensteuerpflichtig oder körperschaftsteuerpflichtig ist oder
2.
es sich um einen Fall von geringer Bedeutung handelt, insbesondere weil die Höhe des festgestellten Betrags und die Aufteilung feststehen; dies gilt sinngemäß auch für die Fälle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b und Nummer 3.
Das nach § 18 Absatz 1 Nummer 4 zuständige Finanzamt kann durch Bescheid feststellen, dass eine gesonderte Feststellung nicht durchzuführen ist. Der Bescheid gilt als Steuerbescheid.

(4) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a gilt ferner nicht für Arbeitsgemeinschaften, deren alleiniger Zweck in der Erfüllung eines einzigen Werkvertrages oder Werklieferungsvertrages besteht.

(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 sowie die Absätze 2 und 3 sind entsprechend anzuwenden, soweit

1.
die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind oder
2.
Steuerabzugsbeträge und Körperschaftsteuer auf die festgesetzte Steuer anzurechnen sind.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, darf mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen erlassen werden mit

1.
einer Bestimmung, nach der eine Vergünstigung oder Belastung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (Befristung),
2.
einer Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt (Bedingung),
3.
einem Vorbehalt des Widerrufs
oder verbunden werden mit
4.
einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird (Auflage),
5.
einem Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage.

(3) Eine Nebenbestimmung darf dem Zweck des Verwaltungsakts nicht zuwiderlaufen.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) --i.V.m. § 129 AO-- zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

2

Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.

4

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 9. Mai 2007 einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

5

Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das FA als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26. September 2003 sei nach § 129 AO zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im "Veranlagungsspiegel" werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 838 veröffentlichten Urteil eine Änderungsgrundlage verneinte. Zu Unrecht stütze sich das FA auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO.

7

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO bestanden.

8

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf vom 1. Februar 2010  11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2010 aufzuheben.

10

Zu einer Änderung in der vom FA verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.

11

Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10. Juni 2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

13

1. Das FG-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10. Juni 2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11. April 2012 VIII R 28/09, BFHE 237, 100, BStBl II 2012, 496, und vom 28. September 2011 VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

14

2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).

15

Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteile vom 22. August 1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; vom 17. November 1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62; vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler --ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern-- beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (Klein/ Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, m.w.N.; vgl. Klein/Brockmeyer/ Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).

16

Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere --aber nicht nur-- unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa BFH–Urteile in BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 70; kritisch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 129 AO Rz 4 ff.).

17

Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400, m.w.N.; in BFH/NV 2010, 2004).

18

3. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

19

a) Das FG hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im "Veranlagungsspiegel" mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis ("VdN + vorl. wegen hoher Zinsen") klebte. Das FG hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.

20

b) Gleichwohl hat das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des FA nicht hinreichend zum Ausdruck komme. "Aus Gründen der Rechtssicherheit" sei zu verlangen, dass das Versehen des FA zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des FA.

21

c) In der näheren Begründung geht das FG davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im "Veranlagungsspiegel" --als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend-- bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.

22

Diese Annahme ist keine den BFH bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des BFH sind alle bekannten Umstände --auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten-- zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein --ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes-- Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 zu einem Fehler im EDV-Programm; in BFH/NV 2000, 539 zur Handakte des Prüfers; in BFH/NV 2010, 2004 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom FG festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er EDV-technischer Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.

23

d) Der Entscheidung steht nicht das BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10 (BFH/NV 2012, 694) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des BFH und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der BFH sich im Urteil in BFH/NV 2012, 694 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08, EFG 2010, 1757) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen zu entnehmen. Das FG hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere --zum Teil rechtliche-- Überlegungen "bzw." ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom FG festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2010, 1757 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.

24

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.

25

a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden sind.

26

b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 AO; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber --ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe-- in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das FG versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 AO BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139; vom 30. November 1989 IV R 76/88, BFH/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) --i.V.m. § 129 AO-- zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

2

Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.

4

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 9. Mai 2007 einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

5

Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das FA als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26. September 2003 sei nach § 129 AO zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im "Veranlagungsspiegel" werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht (FG) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2010, 838 veröffentlichten Urteil eine Änderungsgrundlage verneinte. Zu Unrecht stütze sich das FA auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO.

7

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO bestanden.

8

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG Düsseldorf vom 1. Februar 2010  11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2010 aufzuheben.

10

Zu einer Änderung in der vom FA verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte (BFH-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.

11

Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10. Juni 2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

13

1. Das FG-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10. Juni 2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11. April 2012 VIII R 28/09, BFHE 237, 100, BStBl II 2012, 496, und vom 28. September 2011 VIII R 10/08, BFHE 235, 361, BStBl II 2012, 315, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das FG den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

14

2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 AO), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids (Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).

15

Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden (BFH-Urteile vom 22. August 1989 VIII R 110/86, BFH/NV 1990, 205; vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; vom 17. November 1998 III R 2/97, BFHE 187, 148, BStBl II 1999, 62; vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler --ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern-- beruht. Die Vorschrift des § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (Klein/ Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann (BFH-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, m.w.N.; vgl. Klein/Brockmeyer/ Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa BFH-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 129 Rz 38; a.A. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 6).

16

Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere --aber nicht nur-- unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa BFH–Urteile in BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713; in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400; in BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.; Klein/Brockmeyer/Ratschow, a.a.O., § 129 Rz 13, m.w.N.; Pahlke/Koenig/Pahlke, a.a.O., § 129 Rz 18 f.; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 129 AO Rz 70; kritisch Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 129 AO Rz 4 ff.).

17

Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen (BFH-Urteile in BFHE 211, 424, BStBl II 2006, 400, m.w.N.; in BFH/NV 2010, 2004).

18

3. Die angefochtene Entscheidung des FG entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

19

a) Das FG hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des Nachprüfungsvorbehalts in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im "Veranlagungsspiegel" mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis ("VdN + vorl. wegen hoher Zinsen") klebte. Das FG hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.

20

b) Gleichwohl hat das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des FA nicht hinreichend zum Ausdruck komme. "Aus Gründen der Rechtssicherheit" sei zu verlangen, dass das Versehen des FA zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des FA.

21

c) In der näheren Begründung geht das FG davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im "Veranlagungsspiegel" --als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend-- bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.

22

Diese Annahme ist keine den BFH bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 FGO), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des BFH sind alle bekannten Umstände --auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten-- zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein --ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes-- Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509 zu einem Fehler im EDV-Programm; in BFH/NV 2000, 539 zur Handakte des Prüfers; in BFH/NV 2010, 2004 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom FG festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er EDV-technischer Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.

23

d) Der Entscheidung steht nicht das BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10 (BFH/NV 2012, 694) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das FG eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des BFH und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der BFH sich im Urteil in BFH/NV 2012, 694 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08, EFG 2010, 1757) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im Rechtsgrundsätzlichen zu entnehmen. Das FG hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere --zum Teil rechtliche-- Überlegungen "bzw." ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom FG festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des FG des Landes Sachsen-Anhalt in EFG 2010, 1757 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.

24

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.

25

a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden sind.

26

b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das FG bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 AO; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber --ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe-- in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das FG versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 FGO; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 AO BFH-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139; vom 30. November 1989 IV R 76/88, BFH/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.

(1) Ein Steuerbescheid ist zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit ein Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10), dem Bindungswirkung für diesen Steuerbescheid zukommt, erlassen, aufgehoben oder geändert wird,
2.
soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis).
In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Ereignis eintritt.

(2) Als rückwirkendes Ereignis gilt auch der Wegfall einer Voraussetzung für eine Steuervergünstigung, wenn gesetzlich bestimmt ist, dass diese Voraussetzung für eine bestimmte Zeit gegeben sein muss, oder wenn durch Verwaltungsakt festgestellt worden ist, dass sie die Grundlage für die Gewährung der Steuervergünstigung bildet. Die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung oder Bestätigung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1)1Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes.2Bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 sind die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erforderlich.3Bei den inländischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beträgt das Einkommen aus dem Geschäft der Veranstaltung von Werbesendungen 16 Prozent der Entgelte (§ 10 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus Werbesendungen.4Bei Körperschaften im Sinne des § 1 Absatz 1 mit Sitz im Ausland, deren Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist und die nach inländischem Gesellschaftsrecht mangels Rechtsfähigkeit nicht als juristische Person zu behandeln sind, sind Leistungen und Leistungsversprechen zwischen der Körperschaft und Personen, die aus dieser Körperschaft Einkünfte im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 und 9 des Einkommensteuergesetzes erzielen, für Zwecke der Durchführung der Besteuerung mit Ertragsteuern wie Leistungen und Leistungsversprechen zwischen einer rechtsfähigen Körperschaft und deren Anteilseignern zu behandeln.

(2) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.

(3)1Für die Ermittlung des Einkommens ist es ohne Bedeutung, ob das Einkommen verteilt wird.2Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechte, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, mindern das Einkommen nicht.3Verdeckte Einlagen erhöhen das Einkommen nicht.4Das Einkommen erhöht sich, soweit eine verdeckte Einlage das Einkommen des Gesellschafters gemindert hat.5Satz 4 gilt auch für eine verdeckte Einlage, die auf einer verdeckten Gewinnausschüttung einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person beruht und bei der Besteuerung des Gesellschafters nicht berücksichtigt wurde, es sei denn, die verdeckte Gewinnausschüttung hat bei der leistenden Körperschaft das Einkommen nicht gemindert.6In den Fällen des Satzes 5 erhöht die verdeckte Einlage nicht die Anschaffungskosten der Beteiligung.

(4) (weggefallen)

(5) Bei Personenvereinigungen bleiben für die Ermittlung des Einkommens Beiträge, die auf Grund der Satzung von den Mitgliedern lediglich in ihrer Eigenschaft als Mitglieder erhoben werden, außer Ansatz.

(6) Besteht das Einkommen nur aus Einkünften, von denen lediglich ein Steuerabzug vorzunehmen ist, so ist ein Abzug von Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zulässig.

(7)1Die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des Absatzes 3 Satz 2 sind

1.
bei Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben;
2.
bei Kapitalgesellschaften nicht bereits deshalb zu ziehen, weil sie ein Dauerverlustgeschäft ausüben.2Satz 1 gilt nur bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Mehrheit der Stimmrechte unmittelbar oder mittelbar auf juristische Personen des öffentlichen Rechts entfällt und nachweislich ausschließlich diese Gesellschafter die Verluste aus Dauerverlustgeschäften tragen.
2Ein Dauerverlustgeschäft liegt vor, soweit aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen eine wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt unterhalten wird oder in den Fällen von Satz 1 Nr. 2 das Geschäft Ausfluss einer Tätigkeit ist, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehört.

(8)1Werden Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst, ist § 10d des Einkommensteuergesetzes auf den Betrieb gewerblicher Art anzuwenden, der sich durch die Zusammenfassung ergibt.2Nicht ausgeglichene negative Einkünfte der einzelnen Betriebe gewerblicher Art aus der Zeit vor der Zusammenfassung können nicht beim zusammengefassten Betrieb gewerblicher Art abgezogen werden.3Ein Rücktrag von Verlusten des zusammengefassten Betriebs gewerblicher Art auf die einzelnen Betriebe gewerblicher Art vor Zusammenfassung ist unzulässig.4Ein bei einem Betrieb gewerblicher Art vor der Zusammenfassung festgestellter Verlustvortrag kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, den dieser Betrieb gewerblicher Art nach Beendigung der Zusammenfassung erzielt.5Die Einschränkungen der Sätze 2 bis 4 gelten nicht, wenn gleichartige Betriebe gewerblicher Art zusammengefasst oder getrennt werden.6Kommt es bei einem Betrieb gewerblicher Art, der sich durch eine Zusammenfassung ergeben hat, innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Zusammenfassung zur Anwendung des § 3a des Einkommensteuergesetzes, ist § 3a Absatz 3 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes entsprechend auf die in Satz 4 genannten Verlustvorträge anzuwenden.

(9)1Wenn für Kapitalgesellschaften Absatz 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt, sind die einzelnen Tätigkeiten der Gesellschaft nach folgender Maßgabe Sparten zuzuordnen:

1.
Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen;
2.
Tätigkeiten, die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 zusammenfassbar sind oder aus den übrigen, nicht in Nummer 1 bezeichneten Dauerverlustgeschäften stammen, sind jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen, wobei zusammenfassbare Tätigkeiten jeweils eine einheitliche Sparte bilden;
3.
alle übrigen Tätigkeiten sind einer einheitlichen Sparte zuzuordnen.
2Für jede sich hiernach ergebende Sparte ist der Gesamtbetrag der Einkünfte getrennt zu ermitteln.3Die Aufnahme einer weiteren, nicht gleichartigen Tätigkeit führt zu einer neuen, gesonderten Sparte; Entsprechendes gilt für die Aufgabe einer solchen Tätigkeit.4Ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte darf nicht mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte einer anderen Sparte ausgeglichen oder nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden.5Er mindert jedoch nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes die positiven Gesamtbeträge der Einkünfte, die sich in dem unmittelbar vorangegangenen und in den folgenden Veranlagungszeiträumen für dieselbe Sparte ergeben.6Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 ab einem Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums nicht mehr vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden; hiernach nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Beträge sowie verbleibende Verlustvorträge aus den Sparten, in denen Dauerverlusttätigkeiten ausgeübt werden, entfallen.7Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 7 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 erst ab einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb eines Veranlagungszeitraums vor, sind die Sätze 1 bis 5 ab diesem Zeitpunkt anzuwenden; ein bis zum Eintritt der Voraussetzungen entstandener Verlust kann nach Maßgabe des § 10d des Einkommensteuergesetzes abgezogen werden; ein danach verbleibender Verlust ist der Sparte zuzuordnen, in denen keine Dauerverlustgeschäfte ausgeübt werden.8Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende negative Gesamtbetrag der Einkünfte einer Sparte ist gesondert festzustellen; § 10d Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes gilt entsprechend.9Die §§ 3a und 3c Absatz 4 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden; § 3a Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes ist für die Kapitalgesellschaft anzuwenden.

(10)1Bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist § 2 Absatz 5b des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.2§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 und Nr. 3 Satz 1 und Satz 3 bis 6 des Einkommensteuergesetzes ist entsprechend anzuwenden; in diesen Fällen ist § 20 Abs. 6 und 9 des Einkommensteuergesetzes nicht anzuwenden.

(1)1Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 10 000 000 Euro, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 20 000 000 Euro vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustrücktrag).2Soweit ein Ausgleich der negativen Einkünfte nach Satz 1 nicht möglich ist, sind diese vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen.3Dabei wird der Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums und des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums um die Begünstigungsbeträge nach § 34a Absatz 3 Satz 1 gemindert.4Ist für den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder den zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraum bereits ein Steuerbescheid erlassen worden, so ist er insoweit zu ändern, als der Verlustrücktrag zu gewähren oder zu berichtigen ist.5Das gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem die negativen Einkünfte nicht ausgeglichen werden.6Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist von der Anwendung des Verlustrücktrags nach den Sätzen 1 und 2 insgesamt abzusehen.

(2)1Nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach Absatz 1 abgezogen worden sind, sind in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Million Euro unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 Prozent des 1 Million Euro übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag).2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, tritt an die Stelle des Betrags von 1 Million Euro ein Betrag von 2 Millionen Euro.3Der Abzug ist nur insoweit zulässig, als die Verluste nicht nach Absatz 1 abgezogen worden sind und in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen nicht nach Satz 1 und 2 abgezogen werden konnten.

(3) (weggefallen)

(4)1Der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag ist gesondert festzustellen.2Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Absatz 1 abgezogenen und die nach Absatz 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag.3Zuständig für die Feststellung ist das für die Besteuerung zuständige Finanzamt.4Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Absatz 10, § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 351 Absatz 2 der Abgabenordnung sowie § 42 der Finanzgerichtsordnung gelten entsprechend.5Die Besteuerungsgrundlagen dürfen bei der Feststellung nur insoweit abweichend von Satz 4 berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.6Die Feststellungsfrist endet nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist; § 181 Absatz 5 der Abgabenordnung ist nur anzuwenden, wenn die zuständige Finanzbehörde die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. November 2014  12 K 12320/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

A.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine luxemburgische Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der Société à responsabilité limitée (S.à.r.l.), die in Luxemburg ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung hat. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist eine weitere luxemburgische S.à.r.l., welche ihrerseits in Anteilseigentum der in Großbritannien ansässigen Gesellschaft B-L.P. steht.

2

Die Klägerin, die im Inland über keine feste Geschäftseinrichtung verfügte, erwarb im Jahr 2007 für einen Kaufpreis von ca. 90 Mio. € ein im Inland belegenes Grundstück, welches ihr einziges Sachanlagevermögen war und durch das sie Mieteinnahmen erzielte. Zur Finanzierung des Grundstückskaufs nahm sie mehrere Darlehen bei verbundenen Unternehmen auf, darunter eines in Höhe von 8.412.355 € bei der B-L.P., das im Dezember 2011 zur Rückzahlung fällig sein sollte.

3

Im Februar 2011 veräußerte die Klägerin das Grundstück für 72.008.398,21 €. Aus dem Erlös konnte das Darlehen der B-L.P. nicht vollständig getilgt werden. Die B-L.P. verzichtete aufgrund der Verlustsituation bei der Klägerin im Dezember 2011 auf Teilbeträge der Darlehensforderung in Höhe von 7.036.989,38 € und 50.000 €.

4

Die Klägerin, die ihr im Inland zu versteuerndes Einkommen seit 2009 durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, hatte im Vorfeld der Veräußerung (im November 2010) beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) eine verbindliche Auskunft dahingehend beantragt, dass ein Verzicht der Darlehensgläubiger auf wertlos gewordene Darlehensforderungen bei ihr nicht zu im Inland steuerpflichtigen Erträgen ("Entstrickungsbesteuerung") führen werde. Das FA lehnte die Erteilung der Auskunft nach Rücksprache mit dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Januar 2012 ab. Es berücksichtigte die beiden Verzichtsbeträge ertragswirksam, ermittelte aber auf dieser Grundlage für das Jahr 2011 (Streitjahr) gleichwohl noch negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von ./. 16.871.990 €. Auf dieser Grundlage setzte das FA die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 0 € fest.

5

Hinsichtlich der Berücksichtigung des Verzichtsbetrags von 50.000 € hat die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gegen den Körperschaftsteuerbescheid erhoben. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat den angefochtenen Bescheid dahin geändert, dass ein Ertrag in Höhe von 50.000 € aus einem Forderungsverzicht der B-L.P. nicht zu berücksichtigen sei; sein Urteil vom 12. November 2014  12 K 12320/12 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 308 abgedruckt.

6

Gegen das FG-Urteil richtet sich die vom FG zugelassene und auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA.

7

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

9

Das dem Revisionsverfahren mit Schriftsatz vom 27. Februar 2015 gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BMF hat keinen Antrag gestellt. Es unterstützt in der Sache jedoch die Rechtsauffassung des FA.

Entscheidungsgründe

B.

10

Die Revision ist unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.

11

I. Die Vorinstanz ist zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, obgleich diese sich gegen einen Bescheid richtet, durch den die Körperschaftsteuer auf 0 € festgesetzt worden ist (sog. Nullbescheid).

12

Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei der Anfechtung eines Nullbescheids regelmäßig nicht der Fall (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 8. November 1989 I R 174/86, BFHE 158, 540, BStBl II 1990, 91; Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 2014 X B 113/14, BFH/NV 2015, 510, m.w.N.). Ausnahmsweise kann die Klage gegen einen Nullbescheid jedoch zulässig sein, wenn der Bescheid sich für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern (Senatsurteile vom 8. Juni 2011 I R 79/10, BFHE 234, 101, BStBl II 2012, 421; vom 21. September 2011 I R 7/11, BFHE 235, 273, BStBl II 2014, 616; BFH-Urteil vom 20. Dezember 1994 IX R 80/92, BFHE 177, 44, BStBl II 1995, 537, jeweils m.w.N.). So liegt der Fall hier in Bezug auf die Auswirkungen des im Rahmen der Steuerfestsetzung zu Grunde zu legenden Einkommens der Klägerin auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31. Dezember 2011.

13

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung, sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Die für das Verhältnis von Grundlagenbescheiden zu Folgebescheiden geltenden Vorschriften des § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG). Diese mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) geschaffenen Regeln gelten gemäß § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG erstmals für Verluste, für die nach dem 13. Dezember 2010 eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird und sind mithin auf die Verlustfeststellung der Klägerin zum 31. Dezember 2011 anzuwenden.

14

Durch die gesetzliche Neukonzeption wird der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbescheid in Bezug auf die für die Verlustfeststellung relevanten Besteuerungsgrundlagen zwar nicht zum Grundlagenbescheid für die Verlustfeststellung des betreffenden Veranlagungszeitraums. Sie bewirkt aber eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheid (BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 6/14, BFH/NV 2015, 812; Pfirrmann in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 10d Rz 23; vgl. auch Meyer/Ball, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 345, 346: "Quasi-Grundlagenbescheid"). Eine eigenständige Prüfung der betreffenden Besteuerungsgrundlagen findet im Rahmen der Verlustfeststellung grundsätzlich nicht mehr statt. Der Steuerpflichtige wird infolgedessen mit Blick auf die Verlustfeststellung nunmehr gegebenenfalls auch durch einen Nullbescheid beschwert, wenn bei der Festsetzung ein aus seiner Sicht zu hoher Gesamtbetrag der Einkünfte zu Grunde gelegt worden ist (vgl. Heuermann in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10d Rz D 93; Hallerbach in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 10d EStG Rz 43, 127 f.; Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 227; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Rz 55; Schmidt/Heinicke, EStG, 35. Aufl., § 10d Rz 36, 37; Meyer/Ball, DStR 2011, 345, 346).

15

Die Bestimmung des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG 2009 i.d.F. des JStG 2010 steht der Annahme einer Beschwer im Streitfall nicht entgegen. Nach dieser Ausnahmeregelung dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Verlustfeststellung abweichend von Satz 4 der Vorschrift --d.h. unabhängig von den der Steuerfestsetzung zu Grunde liegenden Besteuerungsgrundlagen-- berücksichtigt werden, soweit die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung eines Steuerbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Eine derartige Konstellation liegt hier aber nicht vor.

16

II. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht ist das FG-Urteil zutreffend. Der durch den Forderungsverzicht der B-L.P. bei der Klägerin im Streitjahr entstandene Ertrag gehört nicht zu deren der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden inländischen Einkünften. Insbesondere ist er --entgegen der Auffassung von FA und BMF-- nicht im Rahmen der Ermittlung der (fiktiven) Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach Maßgabe von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG zu berücksichtigen.

17

1. Die im Streitjahr erzielten Einkünfte der Klägerin aus der Vermietung und der Veräußerung des inländischen Grundstücks sind allerdings gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG inländische Einkünfte i.S. der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG).

18

a) Der --vorrangige-- Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. der §§ 15 bis 17 EStG, für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter bestellt ist) liegt im Fall der Klägerin mangels inländischer Betriebsstätte und ständigen Vertreters nicht vor.

19

b) Auch sind die Voraussetzungen der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 EStG nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung sind gewerbliche Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Doppelbuchst. aa) oder Veräußerung (Doppelbuchst. bb) u.a. von inländischem unbeweglichem Vermögen beschränkt steuerpflichtig, soweit sie nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fallen. Die Vorschrift ist im Streitfall nicht einschlägig, weil es sich bei den Einnahmen der Klägerin aus der Vermietung und der Veräußerung des streitbefangenen Grundstücks nicht um gewerbliche Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 2 EStG handelt. Die Regelung des § 8 Abs. 2 KStG, der zufolge bei den unbeschränkt Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln sind, gilt nicht für die beschränkte Steuerpflicht. Das streitbefangene Grundstück war nach den von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen tatrichterlichen Feststellungen des FG das einzige Vermietungs- und Veräußerungsobjekt der Klägerin, so dass es sich bei den Mieteinkünften originär um solche aus Vermögensverwaltung (Vermietung und Verpachtung, vgl. § 21 EStG) und nicht um solche aus gewerblicher Tätigkeit (§ 15 Abs. 2 EStG) gehandelt hat (vgl. zur Abgrenzung z.B. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 15 Rz 47 ff., 80 ff.).

20

c) Über das Fehlen der originären Gewerblichkeit hilft indessen die Fiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG hinweg. Danach "gelten" auch die Einkünfte aus den in Satz 1 der Norm beschriebenen Tätigkeiten, die von einer Körperschaft i.S. des § 2 Nr. 1 KStG erzielt werden, die mit einer Kapitalgesellschaft oder sonstigen juristischen Person i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG vergleichbar ist, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Streitfall auszugehen. Zwar hat das FG keine ausdrücklichen Feststellungen dazu getroffen, inwiefern die luxemburgische S.à.r.l. im Rahmen eines Typenvergleichs einer deutschen Kapitalgesellschaft (GmbH oder AG) oder sonstigen juristischen Person entspricht; es hat dies vielmehr offenkundig als selbstverständlich vorausgesetzt. Für die Zwecke des Revisionsverfahrens kann unterstellt werden, dass diese Annahme zutrifft.

21

2. Der durch den Forderungsverzicht der B-L.P. verursachte Ertrag ist jedoch im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte des sonach fiktiven Gewerbebetriebs nicht gewinnwirksam zu berücksichtigen. Denn es handelt sich dabei weder um Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung noch um solche aus der Veräußerung des inländischen Grundstücks. Die gesetzliche Umqualifizierung der Vermietungs- und Veräußerungseinkünfte in gewerbliche Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG ändert daran nichts.

22

a) Die gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG (fiktiv) gewerblichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Veräußerung sind --ebenso wie die originär gewerblichen Einkünfte aus jenen Tätigkeiten nach Satz 1 der Vorschrift-- mangels anderslautender gesetzlicher Vorgaben nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 4 ff. EStG zu ermitteln. Der Senat hat dies zu der bis 2008 geltenden Fassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG entschieden, welcher bereits eine der heutigen Regelung entsprechende Umqualifizierung von Einkünften aus der Veräußerung inländischen unbeweglichen Grundvermögens in gewerbliche Einkünfte angeordnet hatte (Urteile vom 5. Juni 2002 I R 81/00, BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344, und I R 105/00, BFH/NV 2002, 1433). Nichts anderes gilt für die mit dem Jahressteuergesetz 2009 vom 19. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2794, BStBl I 2009, 74) geschaffene, im Streitjahr anwendbare Fassung der Vorschrift, die zusätzlich auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung inländischen unbeweglichen Grundvermögens --die zuvor, wenn sie nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG fielen, der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterlagen-- in die Umqualifizierung als gewerbliche Einkünfte einbezieht (Senatsbeschluss vom 15. Oktober 2015 I B 93/15, BFHE 251, 309, BStBl II 2016, 66; BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011, BStBl I 2011, 530 Rz 7; Peffermann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 633; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 45 f.; Blümich/Wied, § 49 EStG Rz 138 f.; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 59; Frotscher in Frotscher/Geurts, EStG, § 49 Rz 198; zweifelnd Drüen, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht --JbFSt-- 2010/2011, S. 837 f.).

23

b) Im Streitfall sind die umqualifizierten Vermietungs- und Veräußerungseinkünfte somit durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln. Eine Ermittlung durch Einnahmen-/Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ist hier ausgeschlossen (und wird von der Klägerin auch nicht angestrebt), weil die Klägerin über die betreffenden Einkünfte jedenfalls freiwillig Buch geführt und den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt hat (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 251, 309, BStBl II 2016, 66). Auf die vom FA in seiner Revisionserwiderung erörterten Fragen, ob die Klägerin nach luxemburgischem Recht buchführungspflichtig gewesen sei und ob eine solche Buchführungspflicht gemäß § 140 AO auch für Zwecke der inländischen Besteuerung von Bedeutung wäre, kommt es mithin im Streitfall nicht an.

24

c) Obgleich es in den Konstellationen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG an einem realen inländischen Betriebsvermögen fehlt, ist sonach für die Zwecke der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ein Vermögensvergleich zwischen einem Anfangs- und einem Endbestand eines (fiktiven) Betriebsvermögens durchzuführen (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 251, 309, BStBl II 2016, 66; den Begriff des Betriebsvermögens in diesem Zusammenhang ablehnend Wassermeyer, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2009, 238, 239; Schmid/Renner, Finanz-Rundschau --FR-- 2012, 463, 465; anderer Ansicht Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745, 747; Peffermann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 633).

25

Zu den in den Bestandsvergleich einzubeziehenden Wirtschaftsgütern gehören die betreffende inländische Immobilie und die Forderungen und Verbindlichkeiten, die mit den inländischen Einkunftsquellen (d.h. der Vermietungs- bzw. Veräußerungstätigkeit) im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen (vgl. Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745, 747; Lieber/Wagner, Die Unternehmensbesteuerung --Ubg-- 2012, 229, 236; Frotscher in Frotscher/Geurts, a.a.O., § 49 Rz 199). Unterschiedliche Auffassungen bestehen darüber, ob eine einheitliche Gewinnermittlung für alle umqualifizierten Einkünfte zu erfolgen hat (so BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 530, Rz 8 f.; Peffermann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 633) oder ob Vermietungs- und Verpachtungseinkünfte einerseits und Veräußerungseinkünfte andererseits in zwei Schedulen getrennt zu ermitteln sind (in diesem Sinne Mensching, DStR 2009, 96, 98; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 46 a.E.; Lieber/Wagner, Ubg 2012, 229, 236).

26

d) Dieser Frage muss im anhängigen Verfahren jedoch nicht nachgegangen werden. Denn die Verbindlichkeit aus dem der Klägerin von der B-L.P. gewährten Darlehen würde weder bei einer einheitlichen noch bei einer getrennten Gewinnermittlung zu den steuerwirksam in die Bestandsvergleiche einzubeziehenden Wirtschaftsgütern gehören. Zwar besteht zwischen dem Darlehen und der Vermietungs- und Veräußerungstätigkeit der Klägerin ein wirtschaftlicher Zusammenhang (Veranlassungszusammenhang). Denn die Darlehensmittel sind von der Klägerin verwendet worden, um das inländische Grundstück zu erwerben, welches sie sodann vermietet und später veräußert hat. Jedoch vermag eine Wertveränderung dieser Verbindlichkeit nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder zu Veräußerungseinkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG führen.

27

aa) Die Steuerbarkeit nach § 49 EStG bezieht und beschränkt sich auf die dort abschließend aufgeführten inländischen Einkunftsquellen und Tätigkeiten (Objektsteuerprinzip). Auch die den beschränkt Steuerpflichtigen treffende Einkünfteermittlung richtet sich daher nur auf diese steuerbaren Einkünfte (Senatsurteil vom 17. Dezember 1997 I R 95/96, BFHE 185, 16, BStBl II 1998, 260). In die Besteuerung des nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f i.V.m. § 4 Abs. 1 EStG ermittelten Ergebnisses dürfen daher nur Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung (Satz 1 Doppelbuchst. aa) und Veräußerung (Satz 1 Doppelbuchst. bb) inländischen unbeweglichen Vermögens einbezogen werden. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Umqualifizierung der Einkünfte durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG in gewerbliche Einkünfte und der damit verbundene Wechsel der Gewinnermittlungsart den Umfang der der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkunftsquellen oder Tätigkeiten erweitern sollte (vgl. Wassermeyer, IStR 2009, 238, 240; Gläser/Birk, IStR 2011, 762, 763 f.; Schmid/Renner, FR 2012, 463, 465; Peffermann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 49 EStG Rz 633). Insbesondere wird durch die Fiktion der Gewerblichkeit nach allgemeiner --und zutreffender-- Auffassung keine inländische Betriebsstätte fingiert (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2011, 530, Rz 15), welcher die Fremdfinanzierungsverbindlichkeit zugeordnet werden könnte.

28

Aus der Gesetzeshistorie ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber mit der Gewerblichkeitsfiktion des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG zugleich eine Erweiterung der der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkunftsquellen und Tätigkeiten beabsichtigt hat. Bis einschließlich 1993 wurden außerhalb der Betriebsstättenbesteuerung nur die Erträge ausländischer Körperschaften aus dem Immobilienbesitz als inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG besteuert; Gewinne aus der Veräußerung von inländischem Grundbesitz waren nicht steuerbar. Diese Lücke ist mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) durch Schaffung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG geschlossen worden, welcher erstmals die Veräußerungsgewinne erfasst und --soweit sie nicht ohnehin gewerblicher Natur waren-- in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umqualifiziert hat. Die Einbeziehung auch der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Anwendungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG --welcher dem § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG vorgeht-- durch das Jahressteuergesetz 2009 ist damit begründet worden (BTDrucks 16/10189, S. 58 f.), dass die Aufteilung von Veräußerungsgewinnen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb einerseits und Vermietungseinkünften als solche aus Vermietung und Verpachtung andererseits "zu einer Aufspaltung von einheitlichen wirtschaftlichen Vorgängen in verschiedene Einkunftsarten und damit einhergehend zur Anwendung unterschiedlicher Einkunftsermittlungsarten" führe, ohne dass es hierfür eine einleuchtende Rechtfertigung gebe. Mit der Änderung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG würden "die einer gewerblichen Tätigkeit des beschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnenden Einkünfte aus der zeitlich begrenzten Überlassung von Grundbesitz und Rechten künftig unabhängig von einer inländischen Betriebsstätte oder einem ständigen Vertreter im Inland als gewerbliche Einkünfte besteuert, so dass in solchen Fällen sowohl die laufenden Vermietungseinkünfte als auch der Veräußerungserlös den gleichen Gewinnermittlungsvorschriften unterliegen". Der Gesetzesbegründung ist mithin zu entnehmen, dass die bisher allein dem Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zugeordneten laufenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des unbeweglichen Inlandsvermögens nunmehr einer anderen Einkünfteermittlungsart unterstellt werden sollten. Dafür, dass nach dem Willen des Gesetzgebers damit zugleich eine Erweiterung des Objekts der unbeschränkten Steuerpflicht verbunden sein sollte, fehlt es an jeglichem Anhalt.

29

bb) Die Wertveränderung der Fremdfinanzierungsverbindlichkeit für den Grundstückserwerb gehört nicht zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; sie ist auch kein Bestandteil des Gewinns aus der Grundstücksveräußerung und ist daher im Rahmen der Ermittlung der nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG zu versteuernden fiktiv gewerblichen inländischen Einkünfte nicht zu berücksichtigen (ebenso Günkel, JbFSt 2010/2011, 826, 834; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 46; Blümich/Wied, § 49 EStG Rz 138; Peffermann in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 49 EStG Rz 633; H. Fischer/Dominik, Internationale Wirtschaftsbriefe 2011, 163, 166 ff.; H. Fischer, Steuerberater Woche 2011, 554, 556; Gläser/Birk, IStR 2011, 762, 764; Lieber/Wagner, Ubg 2012, 229, 236; Trautmann, IStR 2016, 10, 12).

30

aaa) Für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 Doppelbuchst. aa EStG) kann auf § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zurückgegriffen werden, der seinerseits grundsätzlich die Einkünfte des § 21 EStG umfasst (s. z.B. Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rz 85; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 49 Rz 109). Danach gehören zu den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung die Gegenleistungen für die zeitlich begrenzte Überlassung des Mietobjekts sowie alle sonstigen Entgelte, die in einem objektiven tatsächlichen Zusammenhang mit dieser Einkunftsart stehen und durch diese veranlasst sind (vgl. Blümich/Schallmoser, § 21 EStG Rz 232).

31

Der durch den Verzicht auf die Darlehensforderung entstehende Vermögenszuwachs der Klägerin steht nicht in einem Veranlassungszusammenhang zur Vermietung des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Klägerin. Die Vermietung war zum Zeitpunkt des Verzichts bereits seit mehreren Monaten beendet, weil die Klägerin das Grundstück veräußert hatte. Der Verzicht auf die Darlehensforderung hatte seine Ursache darin, dass die Klägerin, nachdem sie das Grundstück veräußert und die anderweitigen Verbindlichkeiten bedient hatte, zur Rückzahlung der Darlehensvaluta außerstande war und die Darlehensgeberin und mittelbare Gesellschafterin B-L.P. offenkundig bestrebt gewesen ist, eine Insolvenz der Klägerin zu vermeiden. Ein innerer Sachzusammenhang zur vormaligen entgeltlichen Gebrauchsüberlassung kann daraus nicht abgeleitet werden. Der Umstand, dass die Klägerin mit dem Darlehen den Grundstückserwerb finanziert hatte, hat zwar dazu geführt, dass die während der Vermietungszeit angefallenen Darlehenszinsen als Betriebsausgaben gewinnmindernd zu berücksichtigen waren. Entgegen der Sichtweise des BMF folgt daraus aber keineswegs, dass deshalb auch das für den Erwerb der Vermögenssubstanz aufgenommene Darlehensstammrecht als im Inland steuerverhaftet angesehen werden müsste. Von einem unzulässigen "Cherry picking" seitens der Klägerin kann mithin nicht die Rede sein.

32

bbb) Die infolge des Verzichts auf die Darlehensforderung eingetretene Vermögensmehrung gehört auch nicht zum Veräußerungsgewinn i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 Doppelbuchst. bb EStG aus dem Verkauf des Grundstücks. Veräußerungsgewinn im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist der Veräußerungspreis abzüglich Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und Veräußerungskosten (vgl. Senatsurteile in BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344, und in BFH/NV 2002, 1433, sowie vom 22. August 2006 I R 6/06, BFHE 215, 103, BStBl II 2007, 163). Die verzichtsbedingte Vermögensmehrung kann nicht als Bestandteil des der Klägerin zugeflossenen Kaufpreises angesehen werden; denn es handelt sich dabei nicht um eine Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an dem Grundstück. Der einzige Zusammenhang zwischen dem Darlehensverzicht und dem Verkaufserlös ist der Umstand, dass die geringe Höhe des erzielten Kaufpreises die Ursache für die prekäre Vermögenslage der Klägerin gewesen ist, welche sodann den Forderungsverzicht ausgelöst hat. Dies führt jedoch nicht dazu, die verzichtsbedingte Vermögensmehrung aus wirtschaftlicher Sicht als Gegenleistung zur Eigentumsverschaffung zu werten.

33

3. Sonach handelt es sich bei der verzichtsbedingten Vermögensmehrung nicht um der beschränkten Steuerpflicht unterliegende inländische Einkünfte der Klägerin. Auf die zwischen den Beteiligten des Weiteren streitige Frage, ob auf der Grundlage der Rechtsauffassung von FA und BMF das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland nach dem für das Streitjahr geltenden Abkommen mit dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgeschlossen wäre oder nicht, kommt es somit für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

34

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im  Streitjahr 2005 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In diesem Jahr war der Kläger als Diplomkaufmann im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichtselbständig tätig. Die Klägerin ist Diplomingenieurin und erzielte 2005 mit dem Handel von … und als … gewerbliche Einkünfte.

2

In ihrer Einkommensteuer-Erklärung 2005, bei deren Anfertigung ein Steuerberater mitgewirkt hatte, machten die Kläger Angaben zu den Altersvorsorgeaufwendungen. In dem amtlichen Formular wurde nach Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (Arbeitnehmeranteil) gefragt. Ferner waren Beiträge zu freiwilligen Versicherungen oder Höherversicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen einzutragen.

3

Die Kläger gaben den vom Kläger geleisteten Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung mit 6.085 € und den hierzu geleisteten Arbeitgeberanteil mit 6.084 € an. Für die Klägerin wurden keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erklärt.

4

Der Einkommensteuer-Bescheid für 2005 vom 4. Dezember 2006 erging erklärungsgemäß. In dem Bescheid wurden Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 1.218 € berücksichtigt. Der Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten.

5

Mit Schreiben vom 10. September 2008 beantragten die durch ihren Steuerberater vertretenen Kläger u.a., den Einkommensteuer-Bescheid 2005 nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und die von der Klägerin als Selbständige geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens betreffend den Einkommensteuer-Bescheid 2007 sei festgestellt worden, dass die Klägerin in 2005 solche Beiträge entrichtet habe. Die Kläger treffe kein grobes Verschulden, da ihnen nicht bekannt gewesen sei, dass infolge der Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) im Streitjahr Altersvorsorgeaufwendungen im größeren Umfang abziehbar seien als im Vorjahr. Dem Antrag beigefügt war eine Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. Februar 2006. Danach hat die Klägerin im Jahr 2005 als selbständig Tätige Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung von insgesamt 759,20 € geleistet. Die Bescheinigung enthält keine Ausführungen zur steuerlichen Abziehbarkeit der Zahlungen als Altersvorsorgeaufwendungen.

6

Diesen Änderungsantrag lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit der Begründung zurück, die Kläger träfe an dem nachträglichen Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen ein grobes Verschulden. Sie müssten sich das Verschulden ihres Beraters zurechnen lassen. Dieser sei gehalten gewesen, seine Mandanten auf die gesetzlichen Neuregelungen im AltEinkG hinzuweisen. Auch hätten die Kläger ggf. ihren Steuerberater nach den Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung in ihrem speziellen Fall befragen können.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die u.a. für das Streitjahr 2005 erhobene Klage ab. Den Klägern hätte sich aufdrängen müssen, dass auch Pflichtbeiträge der Selbständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung als Vorsorgeaufwendungen steuerlich relevant seien. Zwar könne infolge der Fassung des Erklärungsformulars, das im Einzelnen Altersvorsorgebeiträge, nicht aber Pflichtbeiträge Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung abfrage, der Eindruck entstehen, solche Beiträge seien steuerlich nicht relevant und daher nicht anzugeben. Aufgrund der insgesamt in der Steuererklärung geforderten Daten sei aber ohne Weiteres zu schließen, dass solche Pflichtbeiträge steuerbegünstigt seien oder zumindest sein könnten. Den Klägern sei die steuerliche Bedeutung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und allgemein zur Altersvorsorge bekannt gewesen.

8

Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, der Einkommensteuer-Bescheid 2005 sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die gegenteilige Auffassung des FG stehe im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1984 VI R 181/80 (BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693) und vom 22. Mai 1992 VI R 17/91 (BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80). Den Klägern könne nicht vorgeworfen werden, eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet zu haben. Da nach den Pflichtbeiträgen selbständiger Personen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gefragt worden sei, sei für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass solche hätten angegeben werden können. Nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien solche Pflichtbeiträge nur in Ausnahmefällen zu leisten.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtenen Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 3. November 2008 aufzuheben, soweit diese den Antrag auf Änderung des Einkommensteuer-Bescheids 2005 vom 4. Dezember 2006 betreffen, und das FA zu verpflichten, diesen Bescheid in der Weise zu ändern, dass zusätzliche Altersvorsorgebeiträge von 759,20 € berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

11

Die Kläger seien im Streitfall steuerlich beraten gewesen. Es könne erwartet werden, dass der steuerliche Berater seine Mandanten auf infolge einer Gesetzesänderung gegebene Abweichungen hinsichtlich der steuerlichen Abziehbarkeit von Aufwendungen hinweise. Es sei nicht unüblich, dass auch Selbständige Beiträge zur Rentenversicherung leisten müssten. Dies hätte der Steuerberater ansprechen müssen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird --soweit es das Streitjahr 2005 betrifft-- aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht zur Beurteilung der Frage aus, ob das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO verpflichtet ist, den angestrebten Änderungsbescheid zu erlassen.

13

Steuerbescheide sind nach der vorstehend genannten Vorschrift zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden.

14

a) Nicht im Streit steht, dass die von der Klägerin im Streitjahr getragenen Aufwendungen für ihre Pflichtbeiträge als Selbstständige zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) dem FA bei Durchführung der ursprünglichen Einkommensteuer-Veranlagung für das Streitjahr nicht bekannt waren und daher Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind. Unstreitig ist auch, dass die Berücksichtigung dieser Aufwendungen eine Verminderung der Einkommensteuer-Schuld zur Folge hätte.

15

b) Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264; vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379, und vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl II 2005, 75, jeweils m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

16

c) Ob ein Beteiligter in dem genannten Sinn grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG können in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit richtig erkannt worden ist und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich dieses individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und Senatsurteil vom 6. Oktober 2004 X R 14/02, BFH/NV 2005, 156; ebenfalls ständige Rechtsprechung).

17

d) Das FG hat angenommen, die Kläger hätten grob fahrlässig die von der Klägerin im Streitjahr als Selbstständige geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht angegeben. Zwar werde im Erklärungsformular für 2005 nicht nach solchen Beiträgen, sondern nur nach Pflichtbeiträgen von Arbeitnehmern und nach freiwillig geleisteten Beiträgen gefragt. In der Gesamtschau der anzugebenden Daten hätte sich den Klägern aber die steuerliche Relevanz der von der Klägerin geleisteten Pflichtbeiträge aufdrängen müssen.

18

aa) Diese Ausführungen des FG reichen zur Annahme grober Fahrlässigkeit nicht aus.

19

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dann nicht gegeben ist, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung allein auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht (Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960; vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379). Allerdings muss auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteile in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379). Auch muss der Steuerpflichtige sich ihm aufdrängenden Zweifelsfragen nachgehen (BFH-Urteil in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80).

20

Im Streitfall wurde im Steuererklärungsformular 2005 getrennt für einzelne Fallgruppen nach den im Jahr 2005 geleisteten Altersvorsorgebeiträgen gefragt. Nicht gefragt wurde jedoch nach von Selbstständigen geleisteten Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Demgemäß blieb im Streitfall nicht eine ausdrücklich gestellte Frage unbeantwortet. Das Unterlassen von Angaben zu einem im Erklärungsvordruck nicht vorgesehenen Punkt spricht jedenfalls im Ausgangspunkt gegen das Vorliegen von grobem Verschulden (BFH-Urteil in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264 und Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 173 Rz 116). Erst recht gilt dies, wenn wie im Streitfall alle anderen Arten von Altersvorsorgebeiträgen im Einzelnen abgefragt werden, da hierdurch der Eindruck erweckt werden könnte, die im Formular nicht erwähnten anderen Altersvorsorgebeiträge seien steuerlich irrelevant. Es wurde zudem weder vom FG festgestellt noch vom FA behauptet, dass das Merkblatt zur Steuererklärung 2005 Hinweise auf die hier in Frage stehenden Pflichtbeiträge Selbständiger enthalten habe, die die Kläger nicht berücksichtigt hätten.

21

bb) Unerheblich ist, dass in dem Steuererklärungsformular für das Folgejahr 2006 ausdrücklich Angaben zu den Pflichtbeiträgen Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung zu machen waren. Denn die Kläger hatten ihre Einkommensteuer-Erklärung bereits im Oktober 2006 abgegeben und den Einkommensteuer-Bescheid 2005 erhalten, so dass etwaige Erkenntnisse aufgrund des Erklärungsformulars für 2006 nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

22

cc) Angesichts dieser Umstände hätte das FG im Einzelnen darlegen müssen, aufgrund welcher individuellen beruflichen oder sonstigen Kenntnisse oder Erfahrungen die Kläger ohne Weiteres in der Lage sein mussten, die steuerliche Relevanz der in Frage stehenden Pflichtbeiträge zu erkennen. Das FG durfte sich nicht mit dem Hinweis begnügen, den Klägern sei die Beitragszahlung bekannt gewesen. Auch lässt sich das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit nicht damit begründen, die Kläger hätten die steuerliche Regelung über die Altersvorsorge im Grundsätzlichen gekannt.

23

Sofern das FG im 2. Rechtsgang Tatsachen feststellen sollte, aus denen zu schließen ist, dass für die Kläger die steuerliche Relevanz der zu beurteilenden Beiträge erkennbar war, wäre ein etwaiger Irrtum, diese Beiträge seien im konkreten Fall steuerlich ohne Auswirkung, unbeachtlich. Beauftragt ein Steuerpflichtiger zur Erstellung einer Steuererklärung einen Steuerberater, dann handelt er regelmäßig grob fahrlässig, wenn er diesem Unterlagen vorenthält, die steuerlich relevant sein können (ebenso FG Hamburg, Urteil vom 4. Dezember 1990 II 117/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 444).

24

Klarstellend weist der erkennende Senat darauf hin, dass es nicht von entscheidender Bedeutung ist, dass die Klägerin ihren Ehemann nicht über die geleisteten Zahlungen informiert hat. Sofern sich für sie aufgedrängt haben sollte, dass die in Frage stehenden Beiträge abziehbar sein könnten, wäre das bei ihr vorliegende grobe Verschulden im Rahmen der Zusammenveranlagung auch ihrem Ehemann zuzurechnen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 62/95, BFHE 181, 252, BStBl II 1997, 115).

25

dd) Das FG wird auch zu prüfen haben, ob den steuerlichen Berater der Kläger ein grobes Verschulden trifft. Der vom Steuerpflichtigen beauftragte steuerliche Berater muss sich ebenso wie der Steuerpflichtige um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflicht bemühen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht wäre den Klägern wie eigenes Verschulden zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109).

26

Das FG wird insbesondere zu prüfen haben, ob das nachträgliche Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auf einer Verletzung der Pflicht des Steuerberaters beruht, die Kläger über die gesetzlichen Neuregelungen des AltEinkG zu informieren. Auch wird das FG untersuchen müssen, ob sich aufgrund der konkreten Einzelfallumstände dem steuerlichen Berater aufdrängen musste, die Klägerin könnte als Selbstständige gesetzlich rentenversicherungspflichtig gewesen sein und im Jahr 2005 entsprechende Aufwendungen getragen haben (zu den an einen Steuerberater zu stellenden Anforderungen vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 126 ff. i.V.m. Rz 112 f.).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit ihr.

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des Klägers an und legte die mit Hilfe des Programms "Elster" der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken --und damit auch keine Eintragungen-- zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck ("Anlage Kind") vorgesehen sind.

3

Am 19. Februar 2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim FA ein.

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und begehrte die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für das Streitjahr. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die "Anlage Kind" für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

6

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. September 2009 ab.

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des FG könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des Klägers von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen sei.

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der "Anlage Kind" in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu --mangels entsprechender Fragestellung-- für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07 (BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche Steuertatbestände verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er --im Rahmen dieser Verpflichtung-- den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

11

Diesen Maßstäben werde das FG mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das FG verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

12

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

13

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der "Elster-Übermittlungen" zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit Leerfelder für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Klägers geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

17

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

18

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

19

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

20

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Senatsurteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und in BFH/NV 2009, 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und in BFH/NV 2009, 545).

21

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

22

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).

23

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789).

24

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

25

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

26

a) Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

27

b) Entgegen der Auffassung des FG trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

28

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass --wie in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" aufgeführt-- ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

29

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter II.1.a). Dann muss nach Auffassung des erkennenden Senats ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser --im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalts-- dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst --insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Angaben-- ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

30

bb) Dabei kann es --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung --ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim Steuerpflichtigen-- vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

31

cc) Der Senat kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der Haushaltsgemeinschaft der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt --auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung-- selbst nicht vollständig ermittelt hat (so --im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten-- wohl: BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531; ebenso: von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 95.1.; kritisch: Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 84; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der "lediglich" einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.