Finanzgericht München Urteil, 23. Sept. 2014 - 2 K 3088/11

bei uns veröffentlicht am23.09.2014

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Der Zinsbescheid vom 4. März 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob gegenüber der Klägerin zu Recht Hinterziehungszinsen festgesetzt worden sind.

Mit der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 vom 3. Februar 2010 erklärte die Klägerin neben steuerfreien Umsätzen steuerpflichtige Umsätze zu 19 % in Höhe von 249.517 € sowie abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.914,17 €. Am 13. Januar 2011 ging beim Finanzamt eine berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 ein, mit der steuerpflichtige Umsätze in Höhe von insgesamt 602.517 € und abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von nur noch 736,32 € erklärt wurden.

In der ursprünglichen Umsatzsteuervoranmeldung waren steuerpflichtige Umsätze der X-GmbH, einer Organgesellschaft der Klägerin, in Höhe von 353.000 € nicht berücksichtigt worden. Dies führte zu einer Umsatzsteuernachzahlung für den Veranlagungszeitraum Dezember 2009 in Höhe von 68.247 €, die sofort bezahlt wurde. Die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2009 wurde am 11. März 2011 übermittelt.

In der Erläuterung vom 1. Februar 2011 zur berichtigten Anmeldung für Dezember 2009 machte die Klägerin geltend, dass die verspätete Anmeldung der Umsatzsteuer auf organisatorischen Umstrukturierungen sowie auf einer verstärkten Fluktuation beim Buchhaltungspersonal beruhe. Umsätze seien im Dezember bei der Organgesellschaft gebucht und versehentlich nicht rechtzeitig und vollständig in der Umsatzsteuervoranmeldung der Klägerin als Organträgerin angemeldet worden. Dies sei erst im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten der Klägerin aufgedeckt worden.

Die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts ging davon aus, dass Umsatzsteuer zwar vorsätzlich hinterzogen worden sei, aber eine strafbefreiende Selbstanzeige vorliege und die Einleitung eines Strafverfahrens deshalb nicht veranlasst sei. Eine Verzinsung des hinterzogenen Betrages wurde jedoch angeregt.

Mit Bescheid vom 4. März 2011 setzte das Finanzamt gegenüber der Klägerin für den Zeitraum vom 10. Februar 2010 bis 13. Januar 2011 aus einem Betrag von 68.200 € Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer Dezember 2009 in Höhe von 3.751 € fest.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 als unbegründet zurück. Mit der Klage wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Es liege zwar unstreitig eine objektive Steuerverkürzung vor. Es gebe aber keine Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Steuerhinterziehung. Wegen der geschilderten Umstrukturierungsprobleme könne nicht mehr festgestellt werden, woran es gelegen habe, dass die streitigen Umsätze bei der Organgesellschaft zwar gebucht, bei der Klägerin aber nicht für die Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 2009 berücksichtigt worden seien. Der zuständige Buchhalter sei nicht mehr in der Unternehmensgruppe der Klägerin beschäftigt. Der neue Geschäftsführer der Klägerin (Herr S), der sein Amt erst am 22. Dezember 2009 angetreten habe, habe von den versehentlich innerhalb der Unternehmensgruppe nicht kommunizierten Organumsätzen nichts erfahren. Die vom Finanzamt angeführten Indizien, wie die Höhe der nachgemeldeten Umsätze, eine bereits für Dezember 2007 erfolgte Nachmeldung in erheblichem Umfang und die im Dezember im Vergleich zu den Vormonaten immer erhöhten Umsätze, seien kein ausreichender Nachweis für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes.

Die Klägerin beantragt, den Zinsbescheid vom 4. März 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2011 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es bringt vor, dass der Geschäftsführer die steuerlichen Pflichten der KG zu erfüllen habe. Es könne deshalb nicht Vorsatz ausschließend gewertet werden, wenn er seinen steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen sei. Zu den Aufgaben des Geschäftsführers gehöre auch, durch geeignete Kontrollmechanismen die Richtigkeit der erklärten und abzuführenden Steuerbeträge zu überprüfen. Die eklatante Abweichung der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 von den Vormonaten (ca. 7.800 € Erstattung anstatt 45.000 € Zahllast) in Verbindung mit den um 60 % erhöhten steuerpflichtigen Umsätzen im Dezember 2009 hätten im Rahmen der Überwachung durch den Geschäftsführer zwingend auffallen und überprüft werden müssen. Der Geschäftsführer hätte die Fehlerhaftigkeit der übermittelten Umsätze daher erkennen können und müssen. Daraus, dass zumindest eine grobe Überprüfung der Zahlen auf Plausibilität unterlassen worden sei, folge zwingend, dass auch unrichtige Zahlen billigend in Kauf genommen worden seien.

Der Umzug entlaste die Klägerin nicht. Gerade weil bekannt gewesen sei, dass neues Personal erst eingearbeitet werden müsse und vermehrt von Fehlern habe ausgegangen werden müssen, hätte eine besonders sorgfältige Überprüfung durch den Geschäftsführer erfolgen müssen. Da sowohl in den vorangegangenen Jahren als auch im Folgejahr lediglich der Monat Dezember, der eine erhöhte Umsatzsteuerzahllast aufweise, berichtigt worden sei, sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin hierdurch Liquiditätsvorteile habe verschaffen wollen bzw. diese jedenfalls billigend in Kauf genommen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamtsakte und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist begründet.

Das Finanzamt hat gegenüber der Klägerin zu Unrecht Hinterziehungszinsen festgesetzt. Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht davon überzeugt, dass seitens der Klägerin eine Steuerhinterziehung begangen worden ist.

1. Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) sind hinterzogenen Steuern zu verzinsen.

a) Die Zinspflicht tritt nur ein, wenn der objektive und der subjektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 AO erfüllt sind. Eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 Abs. 1 AO reicht zur Begründung einer Zinspflicht nicht aus.

Leichtfertig i.S. von § 378 AO handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 2014 V R 44/13, DStR 2014, 1827).

Eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Nach Abs. 4 Satz 1 dieser Vorschrift sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch für Steueranmeldungen. Ausreichend für den Tatbestand einer Steuerhinterziehung ist eine Steuerhinterziehung auf Zeit, also beispielsweise auf die Zeit zwischen dem regulären Zeitpunkt zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen und der Jahreserklärung.

Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist zwar grundsätzlich nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO), sondern nach den Vorschriften der AO und der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu überprüfen. Eine strafrechtliche Verurteilung des Täters ist nicht erforderlich. Aber auch im Besteuerungs- und Finanzgerichtsverfahren ist der strafverfahrensrechtliche Grundsatz in dubio pro reo zu beachten, weil die Finanzbehörde (der Steuergläubiger) im finanzgerichtlichen Verfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für steueranspruchsbegründende Tatsachen trägt. Deshalb ist für die Feststellung einer Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, aber auch kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BStBl II 1979, 570; BFH-Urteil vom 14. August 1991, X R 86/88, BStBl. II 1992, 128).

Es ist auch nicht erforderlich, dass der Straftäter bekannt ist; es reicht aus, dass nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 FGO) feststeht, dass von mehreren in Betracht kommenden Personen jedenfalls eine die Steuerhinterziehung begangen hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466).

b) Der objektive Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist zwar unstreitig erfüllt, weil die Klägerin die ihr nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG als Organträgerin zuzurechnenden Umsätze der Organgesellschaft in Höhe von netto 353.000 € nicht mit der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 als eigene Umsätze angemeldet und damit den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht hat und dadurch für den Zeitraum vom 10. Februar 2010 bis 13. Januar 2011 Umsatzsteuer verkürzt worden ist.

c) Der Senat ist aber nicht zu der Überzeugung gelangt, dass auch der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist.

Bei der Steuerhinterziehung gehört es zum Vorsatz, dass der Tatbeteiligte den angegriffenen Steueranspruch kennt und ihn trotz dieser Kenntnis verkürzen will (vgl. BGH-Urteil vom 19. Mai 1989, 3 StR 590/88, wistra 1989, 263). Vorsätzlich handelt auch, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht und wer das billigt oder doch in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz, vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 74/95, BStBl II 1997, 157; BGH-Urteil vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09, HFR 2010, 866).

Im Streitfall hat der bei der Klägerin ab dem 22. Dezember 2009 tätige und somit auch für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 im Februar 2010 verantwortliche kaufmännische Geschäftsführer (S) zwar seine Pflicht verletzt, deren Richtigkeit zu überprüfen.

Wäre er seinen Kontrollpflichten nachgekommen und hätte er die in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 enthaltenen Zahlen auf ihre Schlüssigkeit hin überprüft, hätte ihm auffallen müssen, dass die zunächst für Dezember 2009 erklärten steuerpflichtigen Umsätze nicht richtig sein können. Unterschiede in der vorliegenden Größenordnung sind im Rahmen der Kontrolle der Umsatzsteuervoranmeldung auf Richtigkeit und Vollständigkeit vor Einreichung beim Finanzamt nicht zu übersehen.

Allein aus der unterlassenen Kontrolle kann jedoch noch nicht gefolgert werden, der Geschäftsführer habe die (zeitweise) Verkürzung von Umsatzsteuer auch gebilligt.

Da er seine Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Klägerin erst am 22. Dezember 2009 aufgenommen hat, kann im Streitfall nicht zu Lasten des Geschäftsführers, und somit auch nicht zu Lasten der Klägerin, berücksichtigt werden, dass sie bereits einmal im Dezember 2007 Umsätze in erheblichem Umfang nachmelden musste und dass die steuerpflichtigen Umsätze im Monat Dezember bereits in den Vorjahren immer erheblich über den sonstigen monatlichen Umsätzen gelegen haben. Es ist weder ersichtlich noch vom Finanzamt dargelegt, dass dem (neuen) Geschäftsführer diese Umstände bekannt gewesen sind.

Im Hinblick auf den kurzen Zeitraum zwischen Antritt als Geschäftsführer und Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2009 am 3. Februar 2010 sowie im Hinblick darauf, dass die streitgegenständliche Umsatzsteuervoranmeldung noch von dem schon seit längerer Zeit im Unternehmen der Klägerin tätigen und hierfür verantwortlichen Buchhalter erstellt worden ist, und dieser erst danach bei der Klägerin ausgeschieden ist, kann dem Geschäftsführer nicht in strafrechtlich relevanter Weise vorgeworfen werden, dass er sich auf die Richtigkeit der von diesem erstellten Umsatzsteuervoranmeldung verlassen hat. Bei dem gegebenen Sachverhalt muss dem Geschäftsführer auch eine gewisse Einarbeitungszeit zugebilligt werden.

Da es für das Vorliegen eines bedingten Tatvorsatzes darauf ankommt, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Umstände eine Steuerhinterziehung für möglich gehalten und dies auch gebilligt hat (vgl. z. B. BGH-Urteil vom 16. Dezember 2009 – 1 StR 491/09, HFR 2010, 866), kann dem Geschäftsführer der Klägerin angesichts der ihm nach obigen Ausführungen bekannten Umstände nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass dem Finanzamt gegenüber mit der Umsatzsteuervoranmeldung für 2009 zu niedrige steuerpflichtige Umsätze erklärt worden sind und dadurch Umsatzsteuer hinterzogen wird. Vielmehr ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er trotz seines Pflichtverstoßes darauf vertraut hat, dass die Angaben in der Umsatzsteuervoranmeldung richtig sind und kein Verkürzungserfolg eintritt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 2 Unternehmer, Unternehmen


(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. G

Abgabenordnung - AO 1977 | § 378 Leichtfertige Steuerverkürzung


(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend. (2) Die Ordnungswidrigke

Abgabenordnung - AO 1977 | § 235 Verzinsung von hinterzogenen Steuern


(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Handel mit Kraftfahrzeugen tätig. Für das Streitjahr 2002 reichte sie ihre Umsatzsteuerjahreserkläru

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(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Handel mit Kraftfahrzeugen tätig. Für das Streitjahr 2002 reichte sie ihre Umsatzsteuerjahreserklärung am 22. August 2003 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Hieraus ergab sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.129.512,20 €. Das FA stimmte dem gemäß § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zu. Im Februar 2006 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, die auch das Streitjahr betraf. Aus hier nicht streitigen Gründen verminderte das FA im Anschluss an die Außenprüfung den Vergütungsanspruch auf 1.129.286,60 € und hob den Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) auf. Änderungen bei den nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ergaben sich nicht.

2

Bereits am 11. Juli 2005 hatte eine Steuerfahndungsprüfung begonnen, die durch Bericht vom 31. Juli 2008 abgeschlossen wurde. Die Fahndungsprüferin ging davon aus, dass die Klägerin für 15 Fahrzeuglieferungen an die italienische Firma RC und eine Fahrzeuglieferung an die spanische Firma LC die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Daher wurden Lieferungen mit einer Vergütung von insgesamt 306.500 € (brutto), die die Klägerin als Entgelt für steuerfreie Lieferungen behandelt hatte, als steuerpflichtige Lieferungen angesehen. Dem folgte das FA und erließ am 3. November 2008 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Der Vergütungsanspruch verminderte sich auf 1.087.010,76 €, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch von 42.275,84 € ergab.

3

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die aufgrund der Fahndungsprüfung als steuerpflichtig angesehene Lieferung an LC mit einer Gegenleistung von 34.500 € als erst in 2004 ausgeführt behandelte. Durch den Änderungsbescheid vom 11. November 2010 ergab sich ein Vergütungsanspruch von nunmehr 1.091.769,32 €.

4

Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 793 veröffentlichten Urteil begründete das FG die Klageabweisung damit, dass dem Erlass des Bescheides vom 3. November 2008 aufgrund einer Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegengestanden habe. Die Lieferungen seien nicht nach § 6a UStG steuerfrei gewesen. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis nicht ordnungsgemäß geführt. Die CMR-Frachtbriefe erfüllten die Nachweisfunktion nicht. Es sei nicht ersichtlich, wer auf wessen Veranlassung die Transporte durchgeführt habe. Es ergebe sich nicht, wer Auftraggeber der Speditionen gewesen sei. Die Erwerberfirma RC sei nach behördlichen Feststellungen ein Scheinunternehmen gewesen. In einem Abholfall fehle die Abholerversicherung. Der Objektivnachweis sei nicht erbracht, obwohl Fahrzeuge zeitnah in Italien zugelassen worden seien, da die Zulassungen auf Dritte erfolgt seien. Es komme auch kein Vertrauensschutz in Betracht, da der Belegnachweis unvollständig sei. Die Klägerin habe sich selbst unzutreffender Weise als Absender in den Frachtbriefen eingetragen.

5

§ 173 Abs. 2 AO stehe dem Änderungsbescheid nicht entgegen, da der Klägerin eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei. Diese ergebe sich daraus, dass die Klägerin und ihre Mitarbeiter Frachtbriefe ausgefüllt hätten, obwohl ihnen Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse gefehlt hätten. Auftraggeber und Lieferwege seien nicht nachvollziehbar gewesen. Ein auf dieser Grundlage ausgestellter Beleg erbringe nicht den Nachweis der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Klägerin habe auch Zweifel an der Identität der Abnehmer haben müssen.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Das FG habe zu Unrecht die Korrekturbefugnis nach § 173 Abs. 2 AO bejaht, da sie nicht leichtfertig gehandelt habe. Insoweit liege ein Verstoß gegen Denkgesetze und gegen den klaren Inhalt der Akten vor. Zudem habe das FG zu geringe Anforderungen an den Begriff der Leichtfertigkeit gestellt. Dass sie als Absender im CMR-Frachtbrief eingetragen sei, stehe dem Nachweis der Steuerfreiheit nicht entgegen. Der CMR-Frachtbrief müsse nicht vollständig ausgefüllt werden. Wer Auftraggeber des Frachtführers sei, sei für die Steuerfreiheit irrelevant. Es bestünden gleichwohl hinreichend Kontrollmöglichkeiten für die Finanzverwaltung. In Bezug auf die Person des Abnehmers habe das FG lediglich Behördenfeststellungen wiedergegeben. Die Belegfehler stünden der Gewährung von Vertrauensschutz nicht entgegen, da diese nicht erkennbar gewesen seien.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und das FG zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2010 dahingehend zu ändern, dass Lieferungen zu einem Bruttoentgelt in Höhe von 272.000 € als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt werden.

8

Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Klägerin und ihre Mitarbeiter hätten wissentlich Frachtbriefe falsch ausgefüllt, da sie von den tatsächlichen Lieferwegen keine Kenntnis gehabt hätten. Von der objektiven Sachlage habe die Klägerin keine Kenntnis gehabt. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil ergibt sich eine leichtfertige Steuerverkürzung nicht bereits allein daraus, dass der Unternehmer die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch nimmt, ohne über einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis zu verfügen.

11

1. Ein aufgrund einer Außenprüfung ergangener Steuerbescheid  kann nur geändert werden, wenn zumindest eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

12

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, wenn Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Steuerbescheide, die auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, können gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt.

13

b) Ob eine leichtfertige Steuerverkürzung i.S. von § 173 Abs. 2 AO vorliegt, bestimmt sich nach § 378 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFHE 220, 220, BStBl II 2009, 703, unter II.2.). Danach handelt ordnungswidrig, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.

14

aa) Täter i.S. von §§ 370, 378 AO ist, wer gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt (§ 370 Abs. 1 Nr. 3 AO) und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

15

bb) Leichtfertigkeit i.S. von § 378 AO erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der im Wesentlichen der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, dabei aber die persönlichen Fähigkeiten des Täters berücksichtigt (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1989 VIII R 60/88, BFHE 160, 7, BStBl II 1990, 518, und vom 16. Februar 2011 X R 10/10, BFH/NV 2011, 977, unter II.4.d dd). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 24. April 1996 II R 73/93, BFH/NV 1996, 731, und vom 17. November 2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309, unter II.4.b aa).

16

2. Im Streitfall erging der Bescheid, den das FA mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 2008 geändert hat, aufgrund einer Außenprüfung. Eine Änderungsbefugnis bestand daher für das FA nur nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO.

17

a) Ob Leichtfertigkeit vorliegt, ist im Wesentlichen Tatfrage, kann aber in der Revisionsinstanz insbesondere daraufhin überprüft werden, ob das FG den Rechtsbegriff der Leichtfertigkeit richtig erkannt hat (BFH-Urteil vom 30. Juni 2010 II R 14/09, BFH/NV 2010, 2002, unter II.2.b bb). Hieran fehlt es im Streitfall.

18

b) Das FG hat für ein leichtfertiges Handeln der Klägerin angeführt, dass sie und ihre Mitarbeiter die CMR-Frachtbriefe ausgefüllt hatten, obwohl Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse fehlten. Derartige Belege seien zur Nachweisführung nicht geeignet. Zudem hätten sich Zweifel an der Identität des Abnehmers ergeben.

19

Damit hat das FG nicht hinreichend berücksichtigt, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung, nach der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ausschließlich beleg- und buchmäßig nachweisen konnten (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.), aufgegeben hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57, Leitsatz 4): Der Unternehmer ist berechtigt, das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit auch objektiv nachzuweisen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

20

Aufgrund der geänderten Rechtsprechung des Senats handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm zumindest "aufdrängen muss" (s. oben II.1.b bb), dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.). Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nach der geänderten Rechtsprechung nicht aus.

21

3. Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entspricht, ist sie aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Im zweiten Rechtsgang ist zu prüfen, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zumindest objektiv nachweisen zu können.

22

Dabei wird zu ermitteln sein, ob die Klägerin im Hinblick auf das unstreitige Gelangen der Fahrzeuge nach Italien und der ihr darüber hinaus vom Bundeszentralamt qualifiziert bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung als erfüllt ansehen konnte. Bei dieser Sachlage rechtfertigten bloße "Zweifel" an den "Lieferwegen" und das vom FG als möglich angesehene Vorliegen eines Reihengeschäfts ggf. zwar die Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG, nicht aber auch die Annahme eines leichtfertigen Handelns i.S. von § 378 AO. Im Übrigen begründet auch die Kontaktaufnahme zur italienischen Abnehmerfirma über dessen inländischen Vertreter für sich allein nicht den Vorwurf leichtfertigen Handelns.

23

4. Über die geltend gemachten Verfahrensfehler ist nicht zu entscheiden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

(2) Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt,

1.
soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind,
2.
wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt. Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln. Hat der Organträger seine Geschäftsleitung im Ausland, gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer.

(3) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 491/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten V. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 29. Januar 2009 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in neun Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Strafkammer konnte sich keine sichere Überzeugung von einem vorsätzlichen Handeln der Angeklagten im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellgeschäften verschaffen. Gegen diese Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen , die sie auf formelle und sachlich-rechtliche Beanstandungen stützt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.

2
1. Den Angeklagten wird in der Anklage vom 20. Juli 2006 vorgeworfen, bewusst an einem Umsatzsteuerkarussell teilgenommen und dadurch Umsatzsteuern in Höhe von mehr als einer Million DM hinterzogen zu haben. Ihnen liegt zur Last, im Zeitraum von September 2000 bis einschließlich Juli 2001 gemeinschaftlich handelnd als Geschäftsführer der Firma T. GmbH mit Sitz in G. (im Folgenden: T. GmbH) gegenüber dem Finanzamt Gi. mit Hinterziehungsvorsatz in neun Fällen unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben, indem sie aus Rechnungen der Firma R. mit Sitz in F. über die Lieferung von Computerteilen jeweils zu Unrecht Vorsteuern in einer Höhe zwischen 11.583 DM (für September 2000) und 617.967 DM (für Juni 2001) geltend gemacht haben. Hierdurch seien zu Unrecht Vorsteuerbeträge erstattet und geschuldete Umsatzsteuern verkürzt worden. Eine Vorsteuerabzugsberechtigung habe insoweit nicht bestanden, weil die Angeklagten zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die behaupteten Warenlieferungen gehabt und damit keine Lieferungen im Sinne von § 15 UStG erhalten hätten. Vielmehr hätten die Rechnungen der Firma R. lediglich zur Erschleichung von Vorsteuern im Rahmen eines "Umsatzsteuerkarussells" gedient.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Die Angeklagten waren jahrelang in der Computerbranche als Einkaufsleiter (S. ) bzw. im Verkauf (V. ) beschäftigt. Um selbständig tätig werden zu können, gründeten sie gemeinsam die T. GmbH und nahmen mit ihr seit Ende März / Anfang April des Jahres 2000 am Rechtsverkehr teil. Die Geschäftsführung oblag den Angeklagten gemeinsam. Eingetra- gener Unternehmenszweck war unter anderem "Import und Export jeder Art sowie Vermittlung von Import- und Exportgeschäften im In- und Ausland".
5
Das Geschäftsprinzip der T. GmbH bestand darin, durch aquisitorische Maßnahmen (z.B. per Telefon, Telefax oder E-Mail) für von Kundenseite gesuchte Artikel Lieferanten und für Anbieter Kunden zu suchen. Im Gegensatz zu einer bloßen Vermittlung von Geschäftsabschlüssen wurden die Geschäfte dergestalt abgewickelt, dass die T. GmbH sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern als Vertragspartner auftrat. Die Angeklagten kauften bei günstigen Anbietern Computerteile ein, für die sie Abnehmer hatten. Lieferanten und Abnehmer waren ganz überwiegend Firmen aus Deutschland, Österreich, Italien und England. Bei übereinstimmenden Angeboten und Nachfragen wurde das Geschäft jeweils "kaufmännisch" abgewickelt, d.h. einerseits wurden die Waren beim Lieferanten bestellt, andererseits wurde die Kundenanfrage bestätigt. Die Leistungen erbrachte die T. GmbH gegenüber den Lieferanten und den Erwerbern jeweils im eigenen Namen. Dabei entschieden die Angeklagten, wie die Lieferungen zu erfolgen hatten. Ganz überwiegend beauftragten sie große Logistikfirmen mit dem Transport der Waren. Sie wiesen die Firmen an, die Waren direkt bei den Lieferanten abzuholen und unmittelbar zu den Kunden oder für diese zur Abholung zu einem nahe gelegenen Speditionslager zu bringen.
6
Obwohl die Geschäftsabwicklung weitgehend "störungsfrei" erfolgte, kam es in einzelnen Fällen zu Mängelrügen oder Korrespondenz wegen Mengendifferenzen in den Leistungsverhältnissen. Geschäftsbeziehungen der T. GmbH bestanden auch zu der in Deutschland ansässigen Firma R. und zu mehreren italienischen Firmen, die - unter Einschaltung der T. GmbH - Umsatzsteuerkarussellgeschäfte von und nach Italien betrieben. Nach Einschätzung der Strafkammer stellten sich aus Sicht der Angeklagten die Geschäfts- vorgänge mit der Lieferantin, der Firma R. , und den italienischen Abnehmern als normale und unverdächtige Vorgänge dar. Die T. GmbH habe bestimmt, wer die Waren wohin zu transportieren hatte und wie in Gewährleistungsfällen zu verfahren war. Sie hatte deshalb nach Auffassung der Strafkammer auch die Verfügungsmacht über die gehandelten Waren.
7
b) Die Geschäftsräume der T. GmbH befanden sich in G. in einem scheunenartigen Gebäude. Ob die im Erdgeschoss befindlichen Lagerräume tatsächlich regelmäßig genutzt wurden, konnte nicht geklärt werden. Das Gebäude stand im Eigentum der Mutter der Angeklagten V. ; die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung und die Finanzbuchhaltung lag in den Händen eines Steuerberaterbüros.
8
Das Belegwesen der T. GmbH war im Zeitraum von Mai bis November 2000 sehr unübersichtlich und unvollständig. Im September 2000 fand bei der Gesellschaft eine Umsatzsteuerprüfung statt, bei der beanstandet wurde, dass teilweise nicht steuerbare Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden waren. Der Steuerberater der T. GmbH empfahl deshalb den Angeklagten, die zu einzelnen Geschäftsabwicklungen (Ein- und Verkauf) gehörenden Unterlagen zusammen aufzubewahren. Für jeden Monat wurden danach sog. Monatsordner angelegt. Gleichwohl wurde das Ablagesystem nicht konsequent verfolgt, sodass häufig der Nachweis des jeweiligen Einkaufs oder des Verkaufs fehlte und die Waren nicht vollständig zugeordnet werden konnten. Transportbelege befanden sich teilweise nicht beim Vorgang, sondern bei "losen" Unterlagen. Die Frachtunterlagen enthielten regelmäßig nur Angaben zu Anzahl und Gewicht der Packstücke sowie zu Absender und Empfänger und ließen deshalb keinen "zweifelsfreien" Rückschluss auf den Inhalt der Sendungen zu. Eine lückenlose Zuordnung der Frachtunterlagen zu den einzelnen Geschäftsunterlagen war der Strafkammer daher nicht möglich. Die Sortierung der Papiere, die Erstellung von Ablichtungen und die Vorbereitung der Unterlagen für das Steuerbüro oblag der als Halbtagskraft bei der T. GmbH beschäftigten Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. .
9
c) Seit Beginn der Geschäftstätigkeit der T. GmbH gehörte die italienische Firma K. mit Sitz in der Provinz Ba. (im Folgenden: Firma K. ) zu ihren Kunden. Die Firma K. war Teil eines von Italien aus operierenden "Umsatzsteuerkarussells". Davon hatten die Angeklagten jedoch keine Kenntnis. Die Firma K. wurde von den italienischen Staatsbürgern P. und B. geleitet. Den Kontakt der T. GmbH zu B. hatte der Zeuge D. , der Betreiber der Firma R. , vermittelt. Die Firma K. trat gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin von Waren auf. Erst geraume Zeit nach Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Firma K. kam es dann auch zum geschäftlichen Kontakt mit der Firma R. . Die Frachtunterlagen dokumentieren Kontakte zwischen den beiden Firmen seit September 2000. Den Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen nicht bekannt, dass hinter der Firma R. wiederum die Firma K. stand.
10
In der Folgezeit kam es zwischen der Firma R. und der T. GmbH zu einer lebhaften Geschäftsbeziehung. Die von der Firma R. in einem Inlandsgeschäft gekauften Waren lieferte die T. GmbH umsatzsteuerfrei weiter an Firmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Empfänger von Warenlieferungen waren hauptsächlich deutsche, österreichische und italienische Firmen sowie ein Unternehmen aus England. Obwohl Teile aus einer Gesamtlieferung, die die Firma R. der T. GmbH in Rechnung gestellt hatte, an eine österreichische und eine englische Firma geliefert worden waren, standen nach den Feststellungen der Strafkammer am Ende der durchgeführten Ermittlungen nur die italienischen Firmen im Verdacht, dem Umsatzsteuerkarussell anzugehören.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelte die T. GmbH mit "Warenpaketen" ; d.h. es bestand eine Übereinstimmung zwischen der von der Firma R. gelieferten und der von der T. GmbH weiterverkauften Ware. Nur in einzelnen Fällen wurde ein bei der Firma R. eingekauftes "Warenpaket" in Teillieferungen an verschiedene Abnehmer aufgesplittet.
11
Die in der Anklage bezeichneten Geschäftsvorgänge betreffen Warenbewegungen , bei denen die Firma R. als Lieferantin für die T. GmbH auftrat. Dabei stammten die Waren jeweils von der italienischen Firma K. , die wie die Firma R. von B. beherrscht wurde. Als Zwischenhändler zwischen den Firmen K. und R. wurden die auf Veranlassung B. s in Deutschland gegründeten Firmen PC und Pa. eingeschaltet , die gegenüber den deutschen Steuerbehörden als importierende Firmen auftraten. Ihrer Pflicht, die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe der von der Firma K. aus Italien bezogenen Waren an das Finanzamt anzumelden und abzuführen, kamen diese Firmen nicht nach. Vielmehr berechneten sie die Waren unter Einkaufspreis an die Firma R. weiter, der dadurch ein Wettbewerbsvorteil verschafft wurde. Die T. GmbH veräußerte die jeweils von der Firma R. erworbenen Waren mit unterschiedlichen Preisaufschlägen an ihre Kunden weiter.
12
d) In neun Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2000 bis Juli 2001 (mit Ausnahme der Monate Oktober 2000 und Januar 2001) machte die T. GmbH Vorsteuerbeträge von jeweils etwa 30.000 DM bis 694.000 DM geltend. Der Ausgleich von Erstattungsforderungen erfolgte durch Überweisung auf eines der Firmenkonten oder durch Verrechnung mit anderweitigen Steuerforderungen.
13
Auf die hohen Erstattungsforderungen reagierte das Finanzamt Gi. bereits seit dem Monat Mai 2000 mit Kontrollmitteilungen, darunter auch an das für die Firma R. zuständige Finanzamt F. . Obwohl das Finanzamt F. noch nicht geantwortet hatte, wies das Finanzamt Gi. im Hinblick auf bislang unverdächtige Reaktionen anderer Finanzämter auf die Kontrollmitteilungen auch eine für den Monat Juni 2001 geltend gemachte Erstattungssumme von mehr als 694.000 DM an.
14
e) Die seit August 2001 gegen die Verantwortlichen der Firmen R. , PC und Pa. geführten Ermittlungsverfahren führten trotz bestehender Haftbefehle und einer internationalen Fahndung nicht zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter. Nach Auffassung der Strafkammer ermöglichte die "spezifische Handelstätigkeit" der T. GmbH, die in einer ständig "offenen" Suche nach Lieferanten und Abnehmern bestanden habe, den Drahtziehern des Umsatzsteuerkarussells, der T. GmbH gezielt neue Geschäftskontakte zuzuführen. Hierdurch habe diese Gesellschaft "instrumentalisiert" werden können, ohne dass "notwendigerweise" die Angeklagten hiervon Kenntnis erhielten.
15
3. Im Ermittlungsverfahren haben die Angeklagten die Tatvorwürfe bestritten; in der Hauptverhandlung haben sie sich zu den ihnen zur Last liegenden Taten nicht eingelassen.
16
4. Die Strafkammer hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Sie ist der Ansicht, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme seien nicht zu überwindende Zweifel an der Kenntnis der Angeklagten von ihrer Ein- bindung in das von Italien aus gesteuerte Umsatzsteuerkarussell bzw. an einer fehlenden Verfügungsmacht hinsichtlich der gehandelten Waren verblieben.

II.

17
Die Freisprüche haben keinen Bestand. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg; denn die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
18
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jeweils m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.).
19
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.
20
aa) Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt. Es hat im Rahmen der Würdigung einzelner Indizien mehrfach die Formulierung verwendet, dass belastende Schlüsse, die aus der jeweiligen Hilfstatsache gezogen werden können, nicht zwingend seien (z.B. UA S. 31, 32, 81, 85, 97). Es hat dann diese die Angeklagten belastenden Schlüsse nicht gezogen. Damit hat es unrichtige Maßstäbe an die tatrichterliche Überzeugungsbildung angelegt. Diese Vorgehensweise legt die Annahme nahe, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45).
21
Dieser Fehler ist auch nicht im Hinblick auf die vom Landgericht als Gesamtwürdigung (UA S. 104 ff.) bezeichneten abschließenden Erwägungen ohne Auswirkung geblieben. Denn das Landgericht geht auch hier von einem unrichtigen Ansatz aus. Es stellt erkennbar die Indizien nicht mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung ein, sondern prüft, ob die nach der bisherigen Beweiswürdigung verbliebenen belastenden Indizien geeignet sind, seine "verbleibenden Zweifel" zu beseitigen. Umstände, die das Landgericht bereits nach der Einzelwürdigung der Indizien als für einen Tatnachweis nicht ausreichend ausgeschieden hat, werden in diese abschließende Würdigung nicht mehr einbezogen. So werden belastende Umstände wie, dass die T. GmbH lediglich für die belieferte Firma A. eine Warenkreditversicherung abgeschlossen hat (UA S. 94), dass die Angeklagten bei den Firmen Ve.
und Pam. die Umsatzsteueridentifikationsnummern nicht überprüft haben (UA S. 68) und dass von einem auf den Betreiber der am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Firma PC registrierten Mobiltelefon mit der T. GmbH telefoniert worden ist - was ein Hinweis auf Direktkontakte sein konnte (UA S. 103) -, nicht mehr erwähnt. Das Gericht hat dabei nicht beachtet, dass Belastungsindizien, die isoliert für einen Tatnachweis nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für die Überzeugung von der Täterschaft sein und die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können. An der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände fehlt es hier (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.).
22
bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält weitere Wertungsfehler.
23
Nach Auffassung der Strafkammer stellt der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlte, ein die Angeklagten entlastendes Indiz dar (UA S. 107), weil hierdurch zum Ausdruck komme, dass die Gesellschaft nicht nur für kurze Dauer und lediglich zur Umsatzsteuerhinterziehung gegründet worden sei (UA S. 99). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in dem von der Strafkammer festgestellten Umsatzsteuerkarussell nimmt die von den Angeklagten geleitete Gesellschaft nicht die Funktion eines "Missing Traders", sondern die des "Distributors" wahr. Missing Trader waren die Firmen PC sowie Pa. , weil sie die Computerteile umsatzsteuerfrei aus Italien bezogen und unter dem Einkaufspreis an den "Buffer", die Firma R. , weiterverkauften. Lediglich Missing Trader verschwinden aber zumeist bereits nach kurzer Zeit wieder vom Markt, da sie keine Umsatzsteuer abführen, obwohl sie Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis schreiben, und deshalb schneller entdeckt werden können. Bei den übrigen Firmen in einem Umsatzsteuerkarussell ist es eher von Vorteil, wenn sie sich zumindest formal steuerehrlich und rechtstreu verhalten, weil bei ihnen die Steuererstattungen anfallen. Sie können daher länger am Markt aktiv sein und sogar zusätzlich legale Geschäfte betreiben. Es ist damit für diese Firmen von großer Bedeutung, dass sie nicht als Teil eines Umsatzsteuerkarussells erkannt werden. Der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialabgaben abgeführt hat, durfte daher allenfalls als neutral, nicht aber als für die Angeklagten entlastend gewertet werden.
24
cc) Die Beweiswürdigung kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil sie insgesamt lückenhaft ist.
25
(1) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit der Frage nach einem möglichen Tatmotiv. Die Strafkammer beschränkt sich auf die nicht näher belegte Feststellung, dass ein Motiv der Angeklagten für einen Einstieg in ein Umsatzsteuerkarussell im September 2000 nicht erkennbar sei (UA S. 25). Sie berücksichtigt hierbei nicht, dass die zu hohen (UA S. 23) und betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten (UA S. 100) Geschäftsführergehälter ein Motiv für die Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell mit zusätzlichen Umsätzen und Gewinnen sein konnten. Es hätte im Hinblick darauf, dass die Angeklagten mehrjährige Erfahrungen in der sog. Computerbranche gesammelt hatten, der Erörterung bedurft, aus welchen Gründen die Angeklagten sich von der Ertragslage nicht gedeckte Geschäftsführergehälter genehmigten und diese selbst in einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft nicht verringerten. Die Feststellung, die Festsetzung der Höhe der Geschäftsführergehälter sei eine falsche unternehmerische Entscheidung gewesen, die nicht zu bewerten sei, genügt angesichts der Branchenkenntnisse der Angeklagten den an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen nicht.
26
(2) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil die Strafkammer - obwohl sie vom Vorliegen eines Umsatzsteuerkarussells ausgeht - sich mit der Frage nicht auseinandersetzt, worin der Vorteil der italienischen Drahtzieher des Umsatzsteuerkarussells lag. Es liegt fern, dass diese den deutschen Geschäftspartnern hohe Vorsteuererstattungen verschaffen wollten, ohne selbst hieran zu partizipieren. Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Geschäftsführergehälter deshalb überhöht waren, um auf diese Weise von der T. GmbH erlangte Erstattungsbeträge unauffällig den italienischen Hintermännern zuzuleiten. Zwar fällt der wesentliche "Gewinn" eines Umsatzsteuerkarussells zumeist bei den als Importeuren auftretenden Missing Tradern an; jedoch sind - wie auch hier festgestellt - die Umsatzsteuerkarusselle oft so ausgestaltet , dass auch die übrigen an dem Karussell beteiligten Firmen eine Gewinnspanne haben, die sich aus einem unterschiedlichen Nettopreis bei Anund Verkauf ergibt. Sollen diese Gewinne ganz oder zum Teil an Hintermänner weitergegeben werden, müssen sie über Entnahmen, Geschäftsführergehälter oder aufgrund von Scheinrechnungen aus den Firmen entnommen werden.
27
(3) Lückenhaft ist auch die Würdigung der Aussage der Zeugin C. . Nach deren Angaben waren beide Angeklagte urlaubsbedingt abwesend, als Anfang März 2001 bei der T. GmbH eine Rechnung der Firma R. über gelieferte Drucker einging. Dieser Rechnung waren Frachtpapiere beigefügt, aus denen erkennbar war, dass die erworbenen Drucker von der Firma K. stammten und zunächst zu einem deutlich höheren Preis an die Firma PC verkauft worden waren, als dem, den die Firma R. dann der T. GmbH in Rechnung stellte (UA S. 61). Nach der Würdigung der Strafkammer war den Angeklagten dieser Umstand wegen ihrer gleichzeitigen Urlaubsabwesenheit nicht aufgefallen. Diese Würdigung ist lückenhaft, weil die Strafkammer die Möglichkeit nicht erwogen hat, dass es sich bei der Aussage der Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. , um eine Gefällig- keitsaussage handeln könnte. Denn es ist eher fern liegend, dass die beiden Geschäftsführer die Abwicklung eines derartigen Geschäfts während einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft einer als Halbtagskraft eingesetzten gelernten Kosmetikerin (UA S. 12) allein überlassen haben.
28
(4) Bei der Frage, ob die Angeklagten einen Tatvorsatz hatten, hätte sich die Strafkammer mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass nach den von ihr getroffenen Feststellungen die Warenströme in beide Richtungen liefen, weil die Firma K. gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin auftrat (UA S. 12). Da der übliche Weg einer Ware vom Hersteller , ggf. über einen Importeur, zu einem Großhändler und von diesem über einen Einzelhändler zum Kunden führt, ist der Handel in umgekehrter Richtung oder zwischen zwei Händlern auf derselben Handelsebene nur in Ausnahmefällen - z.B. zur Ergänzung des Warensortiments - sinnvoll. Die Kammer hätte daher erörtern müssen, worin sich die Computerteile, die die Firma K. von der T. GmbH kaufte, von denen unterschieden, welche sie an die T. GmbH lieferte. Handelte es sich im Wesentlichen um gleichartige Produkte, wäre dies ein Umstand, der den Angeklagten hätte auffallen müssen.
29
(5) Die Ausführungen der Strafkammer zur Aufspaltung der Kaufpreiszahlungen durch die T. GmbH in einen sofort gezahlten Rechnungsnettobetrag und die erst später gezahlte Umsatzsteuer (UA S. 70 ff.), beziehen ebenfalls nicht alle rechtlich bedeutsamen Aspekte ein. Das Landgericht sieht in dieser Aufspaltung im Hinblick auf die angespannte Liquiditätssituation der T. GmbH "plausible wirtschaftliche Gründe" (UA S. 73). Es berücksichtigt dabei aber die steuerliche Bedeutung der Umsatzsteuer für Unternehmer als bloß durchlaufender Posten nicht. Die T. GmbH als Unternehmerin konnte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bereits im Rahmen der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung gegenüber dem Finanzamt geltend machen und entspre- chende Erstattungen erhalten. Im Hinblick auf die für Unternehmer gegebene Kostenneutralität der Umsatzsteuer lag es somit eher fern, gerade die Umsatzsteuer erst später an den Verkäufer zu zahlen. Bei Liquiditätsschwierigkeiten hätte es genügt, einen beliebigen Teil des Bruttopreises zu stunden. Es hätte daher der Erörterung durch das Landgericht bedurft, aus welchem Grund die Aufspaltung gerade zwischen Nettopreis und Umsatzsteuer vorgenommen worden ist. Die Abspaltung der Umsatzsteuer deutet eher auf unseriöses Geschäftsgebaren hin. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen der Strafkammer die Angeklagte V. per E-Mail mit B. die Zahlung des "Mehrwertsteuerbetrages" an diesen und nicht etwa an die als Verkäuferin auftretende Firma R. vereinbart hat.
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(6) Soweit die Strafkammer ausführt, sie habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass ein Treffen vom 5. bis 7. Juni 2001 im Hotel M. in Br. , an dem unter anderem die Italiener B. und P. für die Firma K. , der Zeuge D. für die Firma R. und für die Firma Au. deren Inhaber L. teilgenommen haben (UA S. 25 f., 52), ein "konspiratives Treffen" gewesen sei, enthält die Beweiswürdigung ebenfalls Erörterungsmängel. Die Strafkammer hat zwar berücksichtigt, dass die von der T. GmbH bezahlten Übernachtungs- und Verzehrrechnungen über mehr als 1.200 DM ein gegen die Angeklagten sprechendes Indiz sei. Sie hält es dabei aber für eine bloße Vermutung, dass vor den festgestellten Überweisungen von 1,3 Mio. DM noch Gesprächsbedarf bestand (UA S. 57). Die Strafkammer hat bei dieser Bewertung nicht in die Beweiswürdigung einbezogen , dass das Geschäftsessen mit den nach den Feststellungen der Strafkammer zu den Umsatzsteuerkarussell gehörenden Geschäftspartnern genau in dem Monat stattfand, als einmalig der weitaus höchste Vorsteuerbetrag von mehr als 617.000 DM geltend gemacht wurde. Dieser Umstand durfte bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.
31
dd) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Erwägungen der Strafkammer zu einem E-Mail-Verkehr mit dem Drahtzieher im Umsatzsteuerkarussell B. .
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(1) Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). So verhält es sich auch hier.
33
Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen B. und der Angeklagten V. handelt es sich um einen Schriftverkehr, der von EDV-Experten der Steuerfahndung F. auf dem sichergestellten Firmencomputer der Firma R. aus gelöschten Dateien ("posta eliminata") wiederhergestellt werden konnte (UA S. 28). Die E-Mails waren von dem Rechner der Firma K. an die Firma R. weitergeleitet worden. Aus diesen E-Mails ergibt sich unter anderem, dass B. die Angeklagte V. gebeten hatte, ihm den steuerpflichtigen Betrag sofort und die Mehrwertsteuer erst innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen. Die Angeklagte V. war damit einverstanden, bat aber, statt 1 DM pro Artikel zukünftig 2 DM zu erhalten, da sie ansonsten "zu auffällig" wären, und es viel besser sei, die Aufmerksamkeit von niemandem zu wecken. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat dieser E-Mail-Verkehr auch in der Geschäftskorrespondenz zwischen der Firma R. und der T. GmbH ihren Niederschlag gefunden, da anschließend die T. GmbH von der Firma R. bezogene Waren mit einem Aufschlag von 2 DM pro Artikel an die Firma Ve. in N. weiterverkaufte.
34
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass dieser Ablauf nicht einer normalen Geschäftsabwicklung entspricht, sondern einen gesteuerten Warendurchfluss darstellt. Sie hält es aber für nicht zwingend, dass die Angeklagten den kriminellen Hintergrund durchschauten. Als Grund hierfür nennt die Strafkammer "wettbewerbsrechtliche Gründe", die die Firma K. abgehalten haben könnten, die Firma Ve. direkt zu beliefern, sondern ein "Umgehungsgeschäft" durchzuführen. Gegen eine systematische Kontrolle der Warenlieferungen und Preisgestaltung im Verhältnis der Firmen K. und T. GmbH spreche, dass sich der sichergestellte E-Mail-Verkehr nur auf eine konkrete Lieferung beziehe (UA S. 31 f.). Eine aktive Steuerung des Umsatzsteuerkarussells durch B. über einen längeren Zeitraum hätte aber weitere Auffälligkeiten erwarten lassen, die nicht vorhanden seien (UA S. 104). Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
35
Für die Annahme, dass "wettbewerbsrechtliche Gründe" die Ursache für die Einschaltung deutscher Firmen in den Handel zwischen zwei italienischen Firmen gewesen sein könnten, liefern die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich der Zeuge D. hat angegeben, dass B. die Lieferumwege mit "Gebietsschutzgründen" erklärt habe (UA S. 50). Selbst wenn aus der Sicht der Angeklagten solche wettbewerbsrechtlichen Gründe bestanden haben könnten, hätte das Landgericht aber jedenfalls erörtern müssen, aus welchen Gründen es dann aus der Sicht der Angeklagten für die Umgehung einer "Herstellerklausel" (UA S. 32) der Einschaltung gleich mehrerer deutscher Firmen in einer Lieferkette bedurft hatte. Denn mehrere Zwischenhändler verteuern die Ware nur unnötig.
36
(2) Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass kein weiterer verdächtiger E-Mail-Verkehr aufgefunden worden ist, lässt es außer Betracht, dass es nahe liegt, dass solche E-Mails zu Verdeckungszwe- cken jeweils sofort gelöscht wurden. Auch der bei der Firma R. sichergestellte E-Mail-Verkehr entstammte Dateien, die bereits gelöscht waren und nur durch EDV-Experten mit Spezialsoftware wiederhergestellt werden konnten. Das Landgericht hätte daher bei der Frage des Tatvorsatzes der Angeklagten erörtern müssen, ob es mit der Annahme, die Angeklagten seien gutgläubig gewesen, vereinbar ist, wenn sie den Schriftverkehr über so wichtige Fragen wie die der Preisgestaltung mit der Firma K. gerade nicht in die Firmenunterlagen der T. GmbH aufgenommen haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Art der Geschäftsabwicklung und Preisgestaltung nicht dem Geschäftskonzept der Gesellschaft entsprach, von einander unabhängige Käufer und Verkäufer zu finden, um dann jeweils selbst als Vertragspartner aufzutreten.
37
c) Die Freisprüche können auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu hohe rechtliche Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO bedarf es keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt , dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Entgegen der Ansicht der Strafkammer (UA S. 109) war es daher für einen Tatvorsatz nicht erforderlich, dass die Angeklagten ihre Einbindung in ein objektiv vorliegendes Umsatzsteuerkarussell sicher erkannt hatten. Bedingter Tatvorsatz kam vielmehr auch dann in Betracht, wenn die Angeklagten angesichts der ihnen bekannten Umstände die Einbindung der T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell mit den Firmen R. und K. für möglich hielten und dies auch billigten.

III.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.
40
aa) Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (vgl. Jäger in Klein, AO 10. Aufl. 2009 § 378 Rdn. 20 m.w.N.). Dies liegt hier bei den in der Computerbranche erfahrenen Angeklagten nicht fern.
41
Von Bedeutung kann insoweit insbesondere sein, ob die Angeklagten für die von ihren italienischen Vertragspartnern verwendeten UmsatzsteuerIdentifikationsnummern gemäß § 18e UStG Bestätigungsabfragen an das Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern) gerichtet haben. Auch Mängel in der Buchführung und der Dokumentation der Transportvorgänge können für ein sorgfaltswidriges Vorgehen im Hinblick auf steuerliche Pflichten sprechen.
42
bb) Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 378 AO kommt bei nicht vorsätzlichem Handeln der Angeklagten allerdings nur in Betracht, wenn der Vorsteuerabzug unzulässig war, weil es sonst an einer Steuerverkürzung fehlt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) steht allein der Umstand, dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wissen konnte noch wissen musste, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen war, dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (vgl. die Nachweise bei BFH DStR 2007, 1524, 1528). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel u.a., DStR 2006, 1274, Rz. 52; vom 12. Januar 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen Ltd. u.a., DStR 2006, 133, Rz. 55; vgl. auch EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897, 900, Rz. 33; BFH DStR 2007, 1524, 1528; DStRE 2005, 43).
43
Selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt (Verschaffung der Verfügungsmacht an den betreffenden Gegenständen, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1 UStG 1999) und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen wäre, ist der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte , der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Optigen, aaO, Rz. 52 und 55 sowie EuGH, Kittel u.a., aaO, Rz. 60 und 61).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.