Bundesgerichtshof Urteil, 16. Dez. 2009 - 1 StR 491/09

bei uns veröffentlicht am16.12.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 491/09
vom
16. Dezember 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 16. Dezember
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten V. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 29. Januar 2009 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung in neun Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die Strafkammer konnte sich keine sichere Überzeugung von einem vorsätzlichen Handeln der Angeklagten im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellgeschäften verschaffen. Gegen diese Freisprüche wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren Revisionen , die sie auf formelle und sachlich-rechtliche Beanstandungen stützt. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die erhobenen Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.

I.

2
1. Den Angeklagten wird in der Anklage vom 20. Juli 2006 vorgeworfen, bewusst an einem Umsatzsteuerkarussell teilgenommen und dadurch Umsatzsteuern in Höhe von mehr als einer Million DM hinterzogen zu haben. Ihnen liegt zur Last, im Zeitraum von September 2000 bis einschließlich Juli 2001 gemeinschaftlich handelnd als Geschäftsführer der Firma T. GmbH mit Sitz in G. (im Folgenden: T. GmbH) gegenüber dem Finanzamt Gi. mit Hinterziehungsvorsatz in neun Fällen unrichtige monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben zu haben, indem sie aus Rechnungen der Firma R. mit Sitz in F. über die Lieferung von Computerteilen jeweils zu Unrecht Vorsteuern in einer Höhe zwischen 11.583 DM (für September 2000) und 617.967 DM (für Juni 2001) geltend gemacht haben. Hierdurch seien zu Unrecht Vorsteuerbeträge erstattet und geschuldete Umsatzsteuern verkürzt worden. Eine Vorsteuerabzugsberechtigung habe insoweit nicht bestanden, weil die Angeklagten zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über die behaupteten Warenlieferungen gehabt und damit keine Lieferungen im Sinne von § 15 UStG erhalten hätten. Vielmehr hätten die Rechnungen der Firma R. lediglich zur Erschleichung von Vorsteuern im Rahmen eines "Umsatzsteuerkarussells" gedient.
3
2. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
a) Die Angeklagten waren jahrelang in der Computerbranche als Einkaufsleiter (S. ) bzw. im Verkauf (V. ) beschäftigt. Um selbständig tätig werden zu können, gründeten sie gemeinsam die T. GmbH und nahmen mit ihr seit Ende März / Anfang April des Jahres 2000 am Rechtsverkehr teil. Die Geschäftsführung oblag den Angeklagten gemeinsam. Eingetra- gener Unternehmenszweck war unter anderem "Import und Export jeder Art sowie Vermittlung von Import- und Exportgeschäften im In- und Ausland".
5
Das Geschäftsprinzip der T. GmbH bestand darin, durch aquisitorische Maßnahmen (z.B. per Telefon, Telefax oder E-Mail) für von Kundenseite gesuchte Artikel Lieferanten und für Anbieter Kunden zu suchen. Im Gegensatz zu einer bloßen Vermittlung von Geschäftsabschlüssen wurden die Geschäfte dergestalt abgewickelt, dass die T. GmbH sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern als Vertragspartner auftrat. Die Angeklagten kauften bei günstigen Anbietern Computerteile ein, für die sie Abnehmer hatten. Lieferanten und Abnehmer waren ganz überwiegend Firmen aus Deutschland, Österreich, Italien und England. Bei übereinstimmenden Angeboten und Nachfragen wurde das Geschäft jeweils "kaufmännisch" abgewickelt, d.h. einerseits wurden die Waren beim Lieferanten bestellt, andererseits wurde die Kundenanfrage bestätigt. Die Leistungen erbrachte die T. GmbH gegenüber den Lieferanten und den Erwerbern jeweils im eigenen Namen. Dabei entschieden die Angeklagten, wie die Lieferungen zu erfolgen hatten. Ganz überwiegend beauftragten sie große Logistikfirmen mit dem Transport der Waren. Sie wiesen die Firmen an, die Waren direkt bei den Lieferanten abzuholen und unmittelbar zu den Kunden oder für diese zur Abholung zu einem nahe gelegenen Speditionslager zu bringen.
6
Obwohl die Geschäftsabwicklung weitgehend "störungsfrei" erfolgte, kam es in einzelnen Fällen zu Mängelrügen oder Korrespondenz wegen Mengendifferenzen in den Leistungsverhältnissen. Geschäftsbeziehungen der T. GmbH bestanden auch zu der in Deutschland ansässigen Firma R. und zu mehreren italienischen Firmen, die - unter Einschaltung der T. GmbH - Umsatzsteuerkarussellgeschäfte von und nach Italien betrieben. Nach Einschätzung der Strafkammer stellten sich aus Sicht der Angeklagten die Geschäfts- vorgänge mit der Lieferantin, der Firma R. , und den italienischen Abnehmern als normale und unverdächtige Vorgänge dar. Die T. GmbH habe bestimmt, wer die Waren wohin zu transportieren hatte und wie in Gewährleistungsfällen zu verfahren war. Sie hatte deshalb nach Auffassung der Strafkammer auch die Verfügungsmacht über die gehandelten Waren.
7
b) Die Geschäftsräume der T. GmbH befanden sich in G. in einem scheunenartigen Gebäude. Ob die im Erdgeschoss befindlichen Lagerräume tatsächlich regelmäßig genutzt wurden, konnte nicht geklärt werden. Das Gebäude stand im Eigentum der Mutter der Angeklagten V. ; die steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Gesellschaftsgründung und die Finanzbuchhaltung lag in den Händen eines Steuerberaterbüros.
8
Das Belegwesen der T. GmbH war im Zeitraum von Mai bis November 2000 sehr unübersichtlich und unvollständig. Im September 2000 fand bei der Gesellschaft eine Umsatzsteuerprüfung statt, bei der beanstandet wurde, dass teilweise nicht steuerbare Umsätze als innergemeinschaftliche Lieferungen behandelt worden waren. Der Steuerberater der T. GmbH empfahl deshalb den Angeklagten, die zu einzelnen Geschäftsabwicklungen (Ein- und Verkauf) gehörenden Unterlagen zusammen aufzubewahren. Für jeden Monat wurden danach sog. Monatsordner angelegt. Gleichwohl wurde das Ablagesystem nicht konsequent verfolgt, sodass häufig der Nachweis des jeweiligen Einkaufs oder des Verkaufs fehlte und die Waren nicht vollständig zugeordnet werden konnten. Transportbelege befanden sich teilweise nicht beim Vorgang, sondern bei "losen" Unterlagen. Die Frachtunterlagen enthielten regelmäßig nur Angaben zu Anzahl und Gewicht der Packstücke sowie zu Absender und Empfänger und ließen deshalb keinen "zweifelsfreien" Rückschluss auf den Inhalt der Sendungen zu. Eine lückenlose Zuordnung der Frachtunterlagen zu den einzelnen Geschäftsunterlagen war der Strafkammer daher nicht möglich. Die Sortierung der Papiere, die Erstellung von Ablichtungen und die Vorbereitung der Unterlagen für das Steuerbüro oblag der als Halbtagskraft bei der T. GmbH beschäftigten Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. .
9
c) Seit Beginn der Geschäftstätigkeit der T. GmbH gehörte die italienische Firma K. mit Sitz in der Provinz Ba. (im Folgenden: Firma K. ) zu ihren Kunden. Die Firma K. war Teil eines von Italien aus operierenden "Umsatzsteuerkarussells". Davon hatten die Angeklagten jedoch keine Kenntnis. Die Firma K. wurde von den italienischen Staatsbürgern P. und B. geleitet. Den Kontakt der T. GmbH zu B. hatte der Zeuge D. , der Betreiber der Firma R. , vermittelt. Die Firma K. trat gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin von Waren auf. Erst geraume Zeit nach Begründung der Geschäftsbeziehung mit der Firma K. kam es dann auch zum geschäftlichen Kontakt mit der Firma R. . Die Frachtunterlagen dokumentieren Kontakte zwischen den beiden Firmen seit September 2000. Den Angeklagten war nach den Urteilsfeststellungen nicht bekannt, dass hinter der Firma R. wiederum die Firma K. stand.
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In der Folgezeit kam es zwischen der Firma R. und der T. GmbH zu einer lebhaften Geschäftsbeziehung. Die von der Firma R. in einem Inlandsgeschäft gekauften Waren lieferte die T. GmbH umsatzsteuerfrei weiter an Firmen im übrigen Gemeinschaftsgebiet. Empfänger von Warenlieferungen waren hauptsächlich deutsche, österreichische und italienische Firmen sowie ein Unternehmen aus England. Obwohl Teile aus einer Gesamtlieferung, die die Firma R. der T. GmbH in Rechnung gestellt hatte, an eine österreichische und eine englische Firma geliefert worden waren, standen nach den Feststellungen der Strafkammer am Ende der durchgeführten Ermittlungen nur die italienischen Firmen im Verdacht, dem Umsatzsteuerkarussell anzugehören.
In der überwiegenden Zahl der Fälle handelte die T. GmbH mit "Warenpaketen" ; d.h. es bestand eine Übereinstimmung zwischen der von der Firma R. gelieferten und der von der T. GmbH weiterverkauften Ware. Nur in einzelnen Fällen wurde ein bei der Firma R. eingekauftes "Warenpaket" in Teillieferungen an verschiedene Abnehmer aufgesplittet.
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Die in der Anklage bezeichneten Geschäftsvorgänge betreffen Warenbewegungen , bei denen die Firma R. als Lieferantin für die T. GmbH auftrat. Dabei stammten die Waren jeweils von der italienischen Firma K. , die wie die Firma R. von B. beherrscht wurde. Als Zwischenhändler zwischen den Firmen K. und R. wurden die auf Veranlassung B. s in Deutschland gegründeten Firmen PC und Pa. eingeschaltet , die gegenüber den deutschen Steuerbehörden als importierende Firmen auftraten. Ihrer Pflicht, die Umsatzsteuer auf die innergemeinschaftlichen Erwerbe der von der Firma K. aus Italien bezogenen Waren an das Finanzamt anzumelden und abzuführen, kamen diese Firmen nicht nach. Vielmehr berechneten sie die Waren unter Einkaufspreis an die Firma R. weiter, der dadurch ein Wettbewerbsvorteil verschafft wurde. Die T. GmbH veräußerte die jeweils von der Firma R. erworbenen Waren mit unterschiedlichen Preisaufschlägen an ihre Kunden weiter.
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d) In neun Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate September 2000 bis Juli 2001 (mit Ausnahme der Monate Oktober 2000 und Januar 2001) machte die T. GmbH Vorsteuerbeträge von jeweils etwa 30.000 DM bis 694.000 DM geltend. Der Ausgleich von Erstattungsforderungen erfolgte durch Überweisung auf eines der Firmenkonten oder durch Verrechnung mit anderweitigen Steuerforderungen.
13
Auf die hohen Erstattungsforderungen reagierte das Finanzamt Gi. bereits seit dem Monat Mai 2000 mit Kontrollmitteilungen, darunter auch an das für die Firma R. zuständige Finanzamt F. . Obwohl das Finanzamt F. noch nicht geantwortet hatte, wies das Finanzamt Gi. im Hinblick auf bislang unverdächtige Reaktionen anderer Finanzämter auf die Kontrollmitteilungen auch eine für den Monat Juni 2001 geltend gemachte Erstattungssumme von mehr als 694.000 DM an.
14
e) Die seit August 2001 gegen die Verantwortlichen der Firmen R. , PC und Pa. geführten Ermittlungsverfahren führten trotz bestehender Haftbefehle und einer internationalen Fahndung nicht zur Ergreifung der mutmaßlichen Täter. Nach Auffassung der Strafkammer ermöglichte die "spezifische Handelstätigkeit" der T. GmbH, die in einer ständig "offenen" Suche nach Lieferanten und Abnehmern bestanden habe, den Drahtziehern des Umsatzsteuerkarussells, der T. GmbH gezielt neue Geschäftskontakte zuzuführen. Hierdurch habe diese Gesellschaft "instrumentalisiert" werden können, ohne dass "notwendigerweise" die Angeklagten hiervon Kenntnis erhielten.
15
3. Im Ermittlungsverfahren haben die Angeklagten die Tatvorwürfe bestritten; in der Hauptverhandlung haben sie sich zu den ihnen zur Last liegenden Taten nicht eingelassen.
16
4. Die Strafkammer hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Sie ist der Ansicht, dass den Angeklagten die ihnen vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Nach der Durchführung der Beweisaufnahme seien nicht zu überwindende Zweifel an der Kenntnis der Angeklagten von ihrer Ein- bindung in das von Italien aus gesteuerte Umsatzsteuerkarussell bzw. an einer fehlenden Verfügungsmacht hinsichtlich der gehandelten Waren verblieben.

II.

17
Die Freisprüche haben keinen Bestand. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg; denn die Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
18
a) Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jeweils m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich der Tatrichter bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.). Der Überprüfung unterliegt ebenfalls, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.).
19
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.
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aa) Das Landgericht hat überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt. Es hat im Rahmen der Würdigung einzelner Indizien mehrfach die Formulierung verwendet, dass belastende Schlüsse, die aus der jeweiligen Hilfstatsache gezogen werden können, nicht zwingend seien (z.B. UA S. 31, 32, 81, 85, 97). Es hat dann diese die Angeklagten belastenden Schlüsse nicht gezogen. Damit hat es unrichtige Maßstäbe an die tatrichterliche Überzeugungsbildung angelegt. Diese Vorgehensweise legt die Annahme nahe, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45).
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Dieser Fehler ist auch nicht im Hinblick auf die vom Landgericht als Gesamtwürdigung (UA S. 104 ff.) bezeichneten abschließenden Erwägungen ohne Auswirkung geblieben. Denn das Landgericht geht auch hier von einem unrichtigen Ansatz aus. Es stellt erkennbar die Indizien nicht mit ihrem jeweiligen Beweiswert in die Gesamtwürdigung ein, sondern prüft, ob die nach der bisherigen Beweiswürdigung verbliebenen belastenden Indizien geeignet sind, seine "verbleibenden Zweifel" zu beseitigen. Umstände, die das Landgericht bereits nach der Einzelwürdigung der Indizien als für einen Tatnachweis nicht ausreichend ausgeschieden hat, werden in diese abschließende Würdigung nicht mehr einbezogen. So werden belastende Umstände wie, dass die T. GmbH lediglich für die belieferte Firma A. eine Warenkreditversicherung abgeschlossen hat (UA S. 94), dass die Angeklagten bei den Firmen Ve.
und Pam. die Umsatzsteueridentifikationsnummern nicht überprüft haben (UA S. 68) und dass von einem auf den Betreiber der am Umsatzsteuerkarussell beteiligten Firma PC registrierten Mobiltelefon mit der T. GmbH telefoniert worden ist - was ein Hinweis auf Direktkontakte sein konnte (UA S. 103) -, nicht mehr erwähnt. Das Gericht hat dabei nicht beachtet, dass Belastungsindizien, die isoliert für einen Tatnachweis nicht ausreichen, in ihrer Gesamtheit eine tragfähige Grundlage für die Überzeugung von der Täterschaft sein und die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können. An der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände fehlt es hier (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jeweils m.w.N.).
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bb) Die Beweiswürdigung des Landgerichts enthält weitere Wertungsfehler.
23
Nach Auffassung der Strafkammer stellt der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialversicherungsabgaben zahlte, ein die Angeklagten entlastendes Indiz dar (UA S. 107), weil hierdurch zum Ausdruck komme, dass die Gesellschaft nicht nur für kurze Dauer und lediglich zur Umsatzsteuerhinterziehung gegründet worden sei (UA S. 99). Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn in dem von der Strafkammer festgestellten Umsatzsteuerkarussell nimmt die von den Angeklagten geleitete Gesellschaft nicht die Funktion eines "Missing Traders", sondern die des "Distributors" wahr. Missing Trader waren die Firmen PC sowie Pa. , weil sie die Computerteile umsatzsteuerfrei aus Italien bezogen und unter dem Einkaufspreis an den "Buffer", die Firma R. , weiterverkauften. Lediglich Missing Trader verschwinden aber zumeist bereits nach kurzer Zeit wieder vom Markt, da sie keine Umsatzsteuer abführen, obwohl sie Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis schreiben, und deshalb schneller entdeckt werden können. Bei den übrigen Firmen in einem Umsatzsteuerkarussell ist es eher von Vorteil, wenn sie sich zumindest formal steuerehrlich und rechtstreu verhalten, weil bei ihnen die Steuererstattungen anfallen. Sie können daher länger am Markt aktiv sein und sogar zusätzlich legale Geschäfte betreiben. Es ist damit für diese Firmen von großer Bedeutung, dass sie nicht als Teil eines Umsatzsteuerkarussells erkannt werden. Der Umstand, dass die T. GmbH Steuern und Sozialabgaben abgeführt hat, durfte daher allenfalls als neutral, nicht aber als für die Angeklagten entlastend gewertet werden.
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cc) Die Beweiswürdigung kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil sie insgesamt lückenhaft ist.
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(1) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Auseinandersetzung mit der Frage nach einem möglichen Tatmotiv. Die Strafkammer beschränkt sich auf die nicht näher belegte Feststellung, dass ein Motiv der Angeklagten für einen Einstieg in ein Umsatzsteuerkarussell im September 2000 nicht erkennbar sei (UA S. 25). Sie berücksichtigt hierbei nicht, dass die zu hohen (UA S. 23) und betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten (UA S. 100) Geschäftsführergehälter ein Motiv für die Beteiligung an einem Umsatzsteuerkarussell mit zusätzlichen Umsätzen und Gewinnen sein konnten. Es hätte im Hinblick darauf, dass die Angeklagten mehrjährige Erfahrungen in der sog. Computerbranche gesammelt hatten, der Erörterung bedurft, aus welchen Gründen die Angeklagten sich von der Ertragslage nicht gedeckte Geschäftsführergehälter genehmigten und diese selbst in einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft nicht verringerten. Die Feststellung, die Festsetzung der Höhe der Geschäftsführergehälter sei eine falsche unternehmerische Entscheidung gewesen, die nicht zu bewerten sei, genügt angesichts der Branchenkenntnisse der Angeklagten den an die Beweiswürdigung zu stellenden Anforderungen nicht.
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(2) Die Beweiswürdigung ist auch deshalb lückenhaft, weil die Strafkammer - obwohl sie vom Vorliegen eines Umsatzsteuerkarussells ausgeht - sich mit der Frage nicht auseinandersetzt, worin der Vorteil der italienischen Drahtzieher des Umsatzsteuerkarussells lag. Es liegt fern, dass diese den deutschen Geschäftspartnern hohe Vorsteuererstattungen verschaffen wollten, ohne selbst hieran zu partizipieren. Es hätte deshalb der Erörterung bedurft, ob die Geschäftsführergehälter deshalb überhöht waren, um auf diese Weise von der T. GmbH erlangte Erstattungsbeträge unauffällig den italienischen Hintermännern zuzuleiten. Zwar fällt der wesentliche "Gewinn" eines Umsatzsteuerkarussells zumeist bei den als Importeuren auftretenden Missing Tradern an; jedoch sind - wie auch hier festgestellt - die Umsatzsteuerkarusselle oft so ausgestaltet , dass auch die übrigen an dem Karussell beteiligten Firmen eine Gewinnspanne haben, die sich aus einem unterschiedlichen Nettopreis bei Anund Verkauf ergibt. Sollen diese Gewinne ganz oder zum Teil an Hintermänner weitergegeben werden, müssen sie über Entnahmen, Geschäftsführergehälter oder aufgrund von Scheinrechnungen aus den Firmen entnommen werden.
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(3) Lückenhaft ist auch die Würdigung der Aussage der Zeugin C. . Nach deren Angaben waren beide Angeklagte urlaubsbedingt abwesend, als Anfang März 2001 bei der T. GmbH eine Rechnung der Firma R. über gelieferte Drucker einging. Dieser Rechnung waren Frachtpapiere beigefügt, aus denen erkennbar war, dass die erworbenen Drucker von der Firma K. stammten und zunächst zu einem deutlich höheren Preis an die Firma PC verkauft worden waren, als dem, den die Firma R. dann der T. GmbH in Rechnung stellte (UA S. 61). Nach der Würdigung der Strafkammer war den Angeklagten dieser Umstand wegen ihrer gleichzeitigen Urlaubsabwesenheit nicht aufgefallen. Diese Würdigung ist lückenhaft, weil die Strafkammer die Möglichkeit nicht erwogen hat, dass es sich bei der Aussage der Zeugin C. , der Schwester der Angeklagten V. , um eine Gefällig- keitsaussage handeln könnte. Denn es ist eher fern liegend, dass die beiden Geschäftsführer die Abwicklung eines derartigen Geschäfts während einer schweren Liquiditätskrise der Gesellschaft einer als Halbtagskraft eingesetzten gelernten Kosmetikerin (UA S. 12) allein überlassen haben.
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(4) Bei der Frage, ob die Angeklagten einen Tatvorsatz hatten, hätte sich die Strafkammer mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass nach den von ihr getroffenen Feststellungen die Warenströme in beide Richtungen liefen, weil die Firma K. gegenüber der T. GmbH sowohl als Käuferin als auch als Verkäuferin auftrat (UA S. 12). Da der übliche Weg einer Ware vom Hersteller , ggf. über einen Importeur, zu einem Großhändler und von diesem über einen Einzelhändler zum Kunden führt, ist der Handel in umgekehrter Richtung oder zwischen zwei Händlern auf derselben Handelsebene nur in Ausnahmefällen - z.B. zur Ergänzung des Warensortiments - sinnvoll. Die Kammer hätte daher erörtern müssen, worin sich die Computerteile, die die Firma K. von der T. GmbH kaufte, von denen unterschieden, welche sie an die T. GmbH lieferte. Handelte es sich im Wesentlichen um gleichartige Produkte, wäre dies ein Umstand, der den Angeklagten hätte auffallen müssen.
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(5) Die Ausführungen der Strafkammer zur Aufspaltung der Kaufpreiszahlungen durch die T. GmbH in einen sofort gezahlten Rechnungsnettobetrag und die erst später gezahlte Umsatzsteuer (UA S. 70 ff.), beziehen ebenfalls nicht alle rechtlich bedeutsamen Aspekte ein. Das Landgericht sieht in dieser Aufspaltung im Hinblick auf die angespannte Liquiditätssituation der T. GmbH "plausible wirtschaftliche Gründe" (UA S. 73). Es berücksichtigt dabei aber die steuerliche Bedeutung der Umsatzsteuer für Unternehmer als bloß durchlaufender Posten nicht. Die T. GmbH als Unternehmerin konnte die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer bereits im Rahmen der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung gegenüber dem Finanzamt geltend machen und entspre- chende Erstattungen erhalten. Im Hinblick auf die für Unternehmer gegebene Kostenneutralität der Umsatzsteuer lag es somit eher fern, gerade die Umsatzsteuer erst später an den Verkäufer zu zahlen. Bei Liquiditätsschwierigkeiten hätte es genügt, einen beliebigen Teil des Bruttopreises zu stunden. Es hätte daher der Erörterung durch das Landgericht bedurft, aus welchem Grund die Aufspaltung gerade zwischen Nettopreis und Umsatzsteuer vorgenommen worden ist. Die Abspaltung der Umsatzsteuer deutet eher auf unseriöses Geschäftsgebaren hin. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den Feststellungen der Strafkammer die Angeklagte V. per E-Mail mit B. die Zahlung des "Mehrwertsteuerbetrages" an diesen und nicht etwa an die als Verkäuferin auftretende Firma R. vereinbart hat.
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(6) Soweit die Strafkammer ausführt, sie habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass ein Treffen vom 5. bis 7. Juni 2001 im Hotel M. in Br. , an dem unter anderem die Italiener B. und P. für die Firma K. , der Zeuge D. für die Firma R. und für die Firma Au. deren Inhaber L. teilgenommen haben (UA S. 25 f., 52), ein "konspiratives Treffen" gewesen sei, enthält die Beweiswürdigung ebenfalls Erörterungsmängel. Die Strafkammer hat zwar berücksichtigt, dass die von der T. GmbH bezahlten Übernachtungs- und Verzehrrechnungen über mehr als 1.200 DM ein gegen die Angeklagten sprechendes Indiz sei. Sie hält es dabei aber für eine bloße Vermutung, dass vor den festgestellten Überweisungen von 1,3 Mio. DM noch Gesprächsbedarf bestand (UA S. 57). Die Strafkammer hat bei dieser Bewertung nicht in die Beweiswürdigung einbezogen , dass das Geschäftsessen mit den nach den Feststellungen der Strafkammer zu den Umsatzsteuerkarussell gehörenden Geschäftspartnern genau in dem Monat stattfand, als einmalig der weitaus höchste Vorsteuerbetrag von mehr als 617.000 DM geltend gemacht wurde. Dieser Umstand durfte bei der Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.
31
dd) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen auch die Erwägungen der Strafkammer zu einem E-Mail-Verkehr mit dem Drahtzieher im Umsatzsteuerkarussell B. .
32
(1) Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen, dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). So verhält es sich auch hier.
33
Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen B. und der Angeklagten V. handelt es sich um einen Schriftverkehr, der von EDV-Experten der Steuerfahndung F. auf dem sichergestellten Firmencomputer der Firma R. aus gelöschten Dateien ("posta eliminata") wiederhergestellt werden konnte (UA S. 28). Die E-Mails waren von dem Rechner der Firma K. an die Firma R. weitergeleitet worden. Aus diesen E-Mails ergibt sich unter anderem, dass B. die Angeklagte V. gebeten hatte, ihm den steuerpflichtigen Betrag sofort und die Mehrwertsteuer erst innerhalb von 30 Tagen zu bezahlen. Die Angeklagte V. war damit einverstanden, bat aber, statt 1 DM pro Artikel zukünftig 2 DM zu erhalten, da sie ansonsten "zu auffällig" wären, und es viel besser sei, die Aufmerksamkeit von niemandem zu wecken. Nach den Feststellungen der Strafkammer hat dieser E-Mail-Verkehr auch in der Geschäftskorrespondenz zwischen der Firma R. und der T. GmbH ihren Niederschlag gefunden, da anschließend die T. GmbH von der Firma R. bezogene Waren mit einem Aufschlag von 2 DM pro Artikel an die Firma Ve. in N. weiterverkaufte.
34
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass dieser Ablauf nicht einer normalen Geschäftsabwicklung entspricht, sondern einen gesteuerten Warendurchfluss darstellt. Sie hält es aber für nicht zwingend, dass die Angeklagten den kriminellen Hintergrund durchschauten. Als Grund hierfür nennt die Strafkammer "wettbewerbsrechtliche Gründe", die die Firma K. abgehalten haben könnten, die Firma Ve. direkt zu beliefern, sondern ein "Umgehungsgeschäft" durchzuführen. Gegen eine systematische Kontrolle der Warenlieferungen und Preisgestaltung im Verhältnis der Firmen K. und T. GmbH spreche, dass sich der sichergestellte E-Mail-Verkehr nur auf eine konkrete Lieferung beziehe (UA S. 31 f.). Eine aktive Steuerung des Umsatzsteuerkarussells durch B. über einen längeren Zeitraum hätte aber weitere Auffälligkeiten erwarten lassen, die nicht vorhanden seien (UA S. 104). Diese Erwägungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
35
Für die Annahme, dass "wettbewerbsrechtliche Gründe" die Ursache für die Einschaltung deutscher Firmen in den Handel zwischen zwei italienischen Firmen gewesen sein könnten, liefern die vom Landgericht getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte. Lediglich der Zeuge D. hat angegeben, dass B. die Lieferumwege mit "Gebietsschutzgründen" erklärt habe (UA S. 50). Selbst wenn aus der Sicht der Angeklagten solche wettbewerbsrechtlichen Gründe bestanden haben könnten, hätte das Landgericht aber jedenfalls erörtern müssen, aus welchen Gründen es dann aus der Sicht der Angeklagten für die Umgehung einer "Herstellerklausel" (UA S. 32) der Einschaltung gleich mehrerer deutscher Firmen in einer Lieferkette bedurft hatte. Denn mehrere Zwischenhändler verteuern die Ware nur unnötig.
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(2) Soweit das Landgericht zugunsten der Angeklagten gewertet hat, dass kein weiterer verdächtiger E-Mail-Verkehr aufgefunden worden ist, lässt es außer Betracht, dass es nahe liegt, dass solche E-Mails zu Verdeckungszwe- cken jeweils sofort gelöscht wurden. Auch der bei der Firma R. sichergestellte E-Mail-Verkehr entstammte Dateien, die bereits gelöscht waren und nur durch EDV-Experten mit Spezialsoftware wiederhergestellt werden konnten. Das Landgericht hätte daher bei der Frage des Tatvorsatzes der Angeklagten erörtern müssen, ob es mit der Annahme, die Angeklagten seien gutgläubig gewesen, vereinbar ist, wenn sie den Schriftverkehr über so wichtige Fragen wie die der Preisgestaltung mit der Firma K. gerade nicht in die Firmenunterlagen der T. GmbH aufgenommen haben. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Art der Geschäftsabwicklung und Preisgestaltung nicht dem Geschäftskonzept der Gesellschaft entsprach, von einander unabhängige Käufer und Verkäufer zu finden, um dann jeweils selbst als Vertragspartner aufzutreten.
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c) Die Freisprüche können auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht zu hohe rechtliche Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat. Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO bedarf es keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt , dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes für möglich hält und billigend in Kauf nimmt. Entgegen der Ansicht der Strafkammer (UA S. 109) war es daher für einen Tatvorsatz nicht erforderlich, dass die Angeklagten ihre Einbindung in ein objektiv vorliegendes Umsatzsteuerkarussell sicher erkannt hatten. Bedingter Tatvorsatz kam vielmehr auch dann in Betracht, wenn die Angeklagten angesichts der ihnen bekannten Umstände die Einbindung der T. GmbH in ein Umsatzsteuerkarussell mit den Firmen R. und K. für möglich hielten und dies auch billigten.

III.

38
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
39
Sollte sich auch die neue Strafkammer nicht von einem Tatvorsatz der Angeklagten überzeugen können, wird sie Gelegenheit haben, gemäß § 82 Abs. 1 OWiG die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu beurteilen. Bestehen - wie hier - Anhaltspunkte dafür, dass sich die Angeklagten zumindest leichtfertig verhalten haben, kommt ein Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen nicht erwiesenen Tatvorsatzes nur in Betracht, wenn zugleich geprüft wird, ob sich die Angeklagten einer Ordnungswidrigkeit der leichtfertigen Steuerhinterziehung im Sinne von § 378 AO schuldig gemacht haben.
40
aa) Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (vgl. Jäger in Klein, AO 10. Aufl. 2009 § 378 Rdn. 20 m.w.N.). Dies liegt hier bei den in der Computerbranche erfahrenen Angeklagten nicht fern.
41
Von Bedeutung kann insoweit insbesondere sein, ob die Angeklagten für die von ihren italienischen Vertragspartnern verwendeten UmsatzsteuerIdentifikationsnummern gemäß § 18e UStG Bestätigungsabfragen an das Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern) gerichtet haben. Auch Mängel in der Buchführung und der Dokumentation der Transportvorgänge können für ein sorgfaltswidriges Vorgehen im Hinblick auf steuerliche Pflichten sprechen.
42
bb) Eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 378 AO kommt bei nicht vorsätzlichem Handeln der Angeklagten allerdings nur in Betracht, wenn der Vorsteuerabzug unzulässig war, weil es sonst an einer Steuerverkürzung fehlt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) steht allein der Umstand, dass eine Lieferung an einen Steuerpflichtigen vorgenommen wird, der weder wissen konnte noch wissen musste, dass der betreffende Umsatz in einen vom Verkäufer begangen "Mehrwertsteuerbetrug" einbezogen war, dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (vgl. die Nachweise bei BFH DStR 2007, 1524, 1528). Wirtschaftsteilnehmer, die alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, können auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen, ohne Gefahr zu laufen, ihr Recht auf Vorsteuerabzug zu verlieren (EuGH, Urt. vom 6. Juli 2006, C-439/04 und C-440/04, Kittel u.a., DStR 2006, 1274, Rz. 52; vom 12. Januar 2006, C-354/03, C-355/03 und C-484/03, Optigen Ltd. u.a., DStR 2006, 133, Rz. 55; vgl. auch EuGH, Urt. vom 11. Mai 2006, C-384/04, Federation of Technological Industries, DStR 2006, 897, 900, Rz. 33; BFH DStR 2007, 1524, 1528; DStRE 2005, 43).
43
Selbst wenn der Umsatz den objektiven Kriterien einer Lieferung genügt (Verschaffung der Verfügungsmacht an den betreffenden Gegenständen, vgl. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, § 3 Abs. 1 UStG 1999) und die Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen wäre, ist der Vorsteuerabzug jedoch zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte , der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war (EuGH, Optigen, aaO, Rz. 52 und 55 sowie EuGH, Kittel u.a., aaO, Rz. 60 und 61).
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 15 Vorsteuerabzug


(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen: 1. die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuera

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Abgabenordnung - AO 1977 | § 378 Leichtfertige Steuerverkürzung


(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend. (2) Die Ordnungswidrigke

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 18e Bestätigungsverfahren


Das Bundeszentralamt für Steuern bestätigt auf Anfrage 1. dem Unternehmer im Sinne des § 2 die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem ande

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 82 Bußgelderkenntnis im Strafverfahren


(1) Im Strafverfahren beurteilt das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit. (2) Läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer

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(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

5 StR 532/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 21. Juni 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 20. und 21. Juni 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richter Prof. Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Richterin
alsVertreterinderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,
am 21. Juni 2007 für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 14. Juli 2006 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte in sieben Fällen – I. 2. d, I. 2. e aa bis cc, I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe – freigesprochen worden ist.
2. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil werden verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Soweit die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen wird, trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung in vier Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchter Steuerhinterziehung, des weiteren wegen Betrugs in 15 Fällen sowie wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Von dem Betrugsvorwurf in weiteren zehn Fällen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Mit Ausnahme der drei Fälle I. 2. f ee der Urteilsgründe (Betrug zum Nachteil der Firma W. im Zeitraum 26. Juli bis 31. Juli 2004) wendet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die insoweit vom Generalbundesanwalt vertreten wird, gegen die – verbleibenden sieben – Teilfreisprüche. Daneben greift die Staatsanwaltschaft (insoweit nicht vertreten) die Annahme der Fremdnützigkeit (statt Eigennützigkeit) in einem Betrugsfall, die Strafzumessung in drei weiteren Fällen sowie die Gesamtstrafbildung an. Dieses Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.


2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
Der Angeklagte wollte sich mit seiner Einzelfirma im Bauelementehandel mit dem Einbau von Bauelementen selbständig machen. Da er dabei zum Erwerb der Baumaterialien in Vorleistung treten musste und weder „Aussichten auf weitere zeitnahe und gewinnträchtige Aufträge“ (UA S. 13) noch sonst irgendwie gesicherte Gewinnerwartungen hatte, versuchte er auf unterschiedliche Weise, den Vorfinanzierungsbedarf zu decken.
4
a) Er gab für die Monate November 2003, Januar und Februar 2004 jeweils unter Beifügung gefälschter Eingangsrechnungen Voranmeldungen mit erfundenen Vorsteuerbeträgen ab. Dadurch erlangte er unberechtigte Steuervergütungen von insgesamt rund 5.500 Euro. Bezüglich des für Februar 2004 geltend gemachten Vorsteuerüberhanges in Höhe von rund 2.200 Euro kam es infolge einer Umsatzsteuersonderprüfung nicht mehr zur Auszahlung. Diese letzte Tat hat das Landgericht im Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehungsweise aus dem Strafrahmen des § 267 Abs. 3 StGB mit einer Einzelfreiheitsstrafe von sieben Monaten – in den beiden vorhergehenden Fällen jeweils acht Monate – geahndet, ohne das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO zu erörtern.
5
b) Wegen seiner fortbestehenden Zahlungsschwierigkeiten zog der Angeklagte im Zeitraum von Ende März bis 21. Juni 2004 über seine Ehefrau nach deren Zulassung zum Lastschriftverfahren im Online-Banking zu Lasten der Sparkasse O. mehrfach Geldbeträge ein, obwohl ihm bewusst war, dass das Lastschriftverfahren für diese mit den Lastschriftgebern vereinbarten kurzfristigen Kreditgewährungen nicht vorgesehen war. Die Sparkasse , die die Lastschriften von den Banken der Geldgeber nach dem (zu erwartenden) Widerruf der Belastungen innerhalb von sechs Wochen zurücknehmen musste, fiel mit über 86.000 Euro aus. Für diese Tat hat das Landgericht die Einsatzstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verhängt. Um die Mitarbeiter der Sparkasse von der Schuldenbeitreibung abzuhalten, legte der Angeklagte im Juli 2004 ein von ihm gefälschtes Schreiben der S. I. KG vor, mit dem angeblich der Eingang von 63.498,43 Euro bestätigt wurde.
6
c) Im April 2004 stellte der Angeklagte den Zeugen L. ein, wobei er ihm vorspiegelte, ein festes Bruttogehalt in Höhe von 1.900 Euro monatlich zu zahlen. Tatsächlich wollte der Angeklagte den Zeugen L. nur im Fall der erfolgreichen Vermittlung von Werkaufträgen entlohnen. Gleichwohl stellte der Angeklagte bei der Agentur für Ar- beit am 22. April 2004 einen Antrag auf monatlichen Einstellungszuschuss in Höhe von 60 % des Bruttogehalts, der ihm in Höhe von insgesamt 5.700 Euro für den Zeitraum Juni bis Oktober 2004 ausgezahlt wurde. Entgegen dem im Bescheid der Agentur für Arbeit enthaltenen Hinweis verwendete der Angeklagte die Zuschüsse weder für den Arbeitslohn noch für die Sozialversicherungsbeiträge. Für die Betrugstat zu Lasten des Zeugen L. hat das Landgericht aus dem Grundtatbestand des Betrugs nach einer Gesamtschau trotz der Indizwirkung des angenommenen Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit im Hinblick auf mehrere strafmildernde Umstände (insbesondere hatte der Angeklagte Schulden des Zeugen L. im Juni 2004 in Höhe von über 2.000 Euro übernommen) eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Monaten verhängt.
7
d) Im Zeitraum vom 4. Juni 2004 bis April 2005 bezog der Angeklagte für seine Einzelfirma von acht Lieferanten unterschiedliche Vermögensgegenstände wie einen Computer, Werkzeuge, Materialien für den Fensterbau und Treibstoff, ohne diese zu bezahlen, und verursachte bei den Gläubigern einen Forderungsausfall von über 13.000 Euro. Im Hinblick auf die bis zum 21. Juni 2004 erfolgten Lastschrifteinzüge hat sich das Landgericht von einem Betrugsvorsatz des Angeklagten nicht überzeugen können und ihn daher insoweit von dem Vorwurf, in sieben Fällen Waren in Kenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit und in Zahlungsunwilligkeit bestellt zu haben, aus tatsächlichen Gründen freigesprochen (Fälle I. 2. d, I. 2. e aa bis cc sowie I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe). Nur für die Bestellungen nach dem 21. Juni 2004 hat das Landgericht Betrugsvorsatz beim Angeklagten angenommen ; es ist damit – mit Ausnahme der drei nicht mehr verfahrensgegenständlichen Taten – zu neun Betrugstaten gelangt, die es im Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehungsweise aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB mit Einzelfreiheitsstrafen zwischen sechs und acht Monaten geahndet hat.
8
e) Schließlich stellte der Angeklagte im September 2004 den Zeugen W. ein, obwohl er weder fähig noch willens war, dessen Lohn zu zahlen. Zudem führte er für einen weiteren Arbeitnehmer die für die Monate September 2004 bis Dezember 2004 angefallenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von jeweils 400 Euro nicht an die AOK Northeim ab, obwohl er auch für diesen Angestellten dafür vorgesehene Einstellungszuschüsse erhielt.
9
f) Obwohl er im November 2004 die eidesstattliche Versicherung in einem Zwangsvollstreckungsverfahren abgegeben hatte, beauftragte der Angeklagte im Dezember 2004 die J. D. und V. GmbH mit dem Druck und der Veröffentlichung von Stellenangeboten und blieb den Werklohn in Höhe von rund 200 Euro schuldig (Fall I. 2. n der Urteilsgründe). Für diese Betrugstat hat das Landgericht aus dem Strafrahmen des § 263 Abs. 1 StGB unter Verneinung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Monat verhängt.
10
g) Im letzten Betrugsfall (Fall I. 2. p der Urteilsgründe) erwarb der Angeklagte , über dessen Vermögen am 27. Juni 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, im Januar 2006 von der Autohaus P. GmbH einen Mercedes Sprinter nebst Winterreifen, ohne zahlungswillig und -fähig zu sein. Die Autofirma erlitt durch den Entzug der Nutzung und im Hinblick auf den letztendlich gescheiterten Verkauf getätigte vergebliche Aufwendungen einen Vermögensverlust von rund 1.500 Euro. In Abweichung von der unverändert zugelassenen Anklage hat das Landgericht, das der geständigen Einlassung des Angeklagten gefolgt ist, in diesem Fall einen fremdnützigen Betrug zugunsten eines Vorunternehmers des Angeklagten und daher keinen besonders schweren Fall des Betrugs nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB angenommen.
11
2. Der Angeklagte hat sich hinsichtlich des Betrugsvorwurfs zu Lasten der Firma E. (Fall I. 2. d der Urteilsgründe) damit verteidigt, er habe diesen Lieferanten mit Geldmitteln, die er sich mittels höherer Kreditaufnahme im Lastschriftverfahren hätte beschaffen müssen, bezahlen wollen. Bezüglich der weiteren Betrugsfälle zu Lasten der Firma H. D. GmbH & Co. KG (Fälle I. 2. e der Urteilsgründe) und der Firma We. (Fälle I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe) hat sich der Angeklagte „speziell nicht eingelassen“, jedoch im Rahmen seiner „Angaben zu den Warenbestellungen im Allgemeinen ... eingeräumt, bei Vertragsschluss nicht in der Lage gewesen zu sein, den Kaufpreis zu zahlen und nur die Hoffnung gehabt zu haben“ (UA S. 93), aus zukünftigen Bauaufträgen liquide zu werden. Bis dahin habe er nur die am stärksten drängenden Gläubiger bezahlen wollen.
12
Diese Einlassung hat das Landgericht als nicht mit einer für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit widerlegt erachtet, weil das Bankkonto bei der Sparkasse bis zum 21. Juni 2004 – und damit auch bei den jeweiligen Vertragsschlüssen – überwiegend im Haben geführt worden sei; erst danach sei es vom Angeklagten nach dem endgültigen Scheitern der Kreditaufnahmen mittels zweier Barabhebungen in Höhe von insgesamt 16.200 Euro „abgeräumt“ worden. Daher sei der Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt als zahlungsfähig anzusehen; jedenfalls sei ein entsprechender Betrugsvorsatz des Angeklagten nicht erwiesen, auch wenn er selbst bezüglich der beiden letztgenannten Gläubiger (zu seinen eigenen Lasten) sich nicht auf die Einkünfte aus dem Lastschriftverfahren berufen und damit „insoweit – aus welchen Gründen auch immer – nicht ausreichend hinsichtlich der unterschiedlichen Zeiträume differenziert“ habe (UA S. 92).

II.


13
Die auf die allgemeine Sachrüge vorgenommene Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

III.


14
Die wirksam auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg, soweit sie mit der Sachrüge in den Freispruchsfällen I. 2. d, I. 2. e aa bis cc und I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe die Beweiswürdigung beanstandet. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
15
1. Die Beweiswürdigung, die den sieben Teilfreisprüchen vom Vorwurf des Lieferantenkreditbetruges zugrunde liegt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
16
a) Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH wistra 2007, 18, 19; BGH NJW 2006, 925, 928 m.w.N., insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt). Der Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; BGH NStZ 2004, 35, 36; BGH wistra 1999, 338, 339; jeweils m.w.N.). Ein Rechtsfehler kann auch darin liegen , dass eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen könnten. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen , für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 25. April 2007 – 1 StR 159/07; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGH NStZ 2004, 35, 36).
17
b) Hier erweist sich die Beweiswürdigung, worauf die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen haben, als widersprüchlich, unklar und lückenhaft. Soweit das Landgericht – in den Betrugsfällen zu Lasten der Firmen D. und W. sogar entgegen der Einlassung des Angeklagten – von dessen Zahlungsfähigkeit ausgeht, ist diese Bewertung nicht hinreichend mit Tatsachen belegt.
18
Der Angeklagte hatte von Beginn seiner werbenden Tätigkeit an keine Geldmittel, um seine Lieferanten zu bezahlen. Er hatte, wie er wusste, für sein Einzelunternehmen kein stimmiges Betriebskonzept und musste von vornherein mit Straftaten, beginnend mit den erschlichenen Vorsteuervergütungen , den erheblichen Vorfinanzierungsbedarf decken. Es war ihm, wie er glaubhaft eingeräumt hat, allenfalls möglich, nur die hartnäckigsten Gläubiger zu bezahlen.
19
Vor diesem Hintergrund durfte sich das Landgericht nicht mit Hinweisen auf die aus dem Lastschriftverfahren missbräuchlich erlangten Zahlungseingänge und auf die Barzahlung eines Betriebsfahrzeuges über 12.800 Euro beschränken, um Zahlungsfähigkeit bis zum 21. Juni 2004 anzunehmen. Die lückenhafte Darstellung der Vermögenssituation des Angeklagten ermöglicht dem Senat keine Überprüfung der Zahlungsfähigkeit. Zwar waren die Geldmittel aus dem Lastschriftbetrug zu berücksichtigen. Jedoch wäre ein etwaiges Bankguthaben, dessen Höhe das Landgericht nicht mitteilt, zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit unbeachtlich, wenn absehbar wäre, dass jenes Bankkonto zum Zeitpunkt der vorgesehenen Begleichung der eingegangenen Verbindlichkeiten keine entsprechende Deckung aufwies. Das Landgericht hätte insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte für sein Einzelunternehmen nicht Buch führte, seine Einlassung einer kritischen Prüfung unterziehen müssen, warum bei den Bestellungen bis zum 21. Juni 2004 im Unterschied zu den anderen Fällen eine Bezahlung möglich und gewollt gewesen sei. Die bloße Hoffnung, später zahlungsfähig zu werden, lässt den Täuschungsvorsatz hinsichtlich der Er- klärung uneingeschränkter Zahlungsfähigkeit nicht entfallen (Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 263 Rdn. 106).
20
Wollte der Angeklagte bereits ab dem 4. Juni 2004 – und damit im gesamten Tatzeitraum – nur die am stärksten auf Zahlung drängenden Gläubiger befriedigen, kommt ein Betrugsvorsatz auch für die Bestellungen vor dem 21. Juni 2004 in Betracht. Das Landgericht hat hier nicht bedacht, dass Zahlungsunwilligkeit allein – unabhängig von der Frage der Zahlungsfähigkeit – den Betrug begründen kann.
21
2. Die Verurteilung wegen (fremdnützigen) Betrugs im Fall II. 2. p der Urteilsgründe hält der rechtlichen Nachprüfung noch stand.
22
a) Die nur für diesen Fall erhobene Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der beanstandet wird, dass der Vorunternehmer S. nicht als Zeuge zu der Frage gehört worden ist, ob die Besitzerschleichung an dem Kleinlaster zu seinen Gunsten erfolgte, genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist daher unzulässig. Denn sie teilt nicht die ladungsfähige Anschrift dieses Zeugen mit und bezeichnet damit das Beweismittel nur unvollständig (BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag

40).


23
b) Die Annahme eines fremd- und nicht eigennützigen Betrugs zu Lasten des Autohauses P. GmbH beruht auf einer noch tragfähigen Beweisgrundlage. Soweit die Staatsanwaltschaft das Einlassungsverhalten des Angeklagten und sein festgestelltes Verhalten gegenüber der Verkäuferin anführt , zeigt sie damit keine Widersprüchlichkeiten, Unklarheiten oder Lücken, sondern nur andere mögliche Schlüsse auf, die das Landgericht nicht ziehen musste. So konnten insbesondere die Ankündigung Ende 2005, den Kleinlaster für eine eigene Firma zu erwerben, sowie die eigenhändige Entgegennahme und Rückgabe gerade der Festigung der Legende, wonach der S. nach außen nicht in Erscheinung treten sollte, gedient haben. Allein der Um- stand, dass der Angeklagte als Subunternehmer selbst über ein Transportfahrzeug verfügt haben muss, um sinnvollerweise Bauaufträge annehmen zu können, hätte eine Erörterungspflicht des Landgerichts auslösen können. Indes ist es auch im Rahmen eines Subunternehmervertrages möglich, dass der Angeklagte nur seine Arbeitskraft, der Vorunternehmer S. aber sämtliche Arbeitsmaterialien zur Verfügung stellen sollte.
24
3. Die Strafzumessung in dem angefochtenen Umfang begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
25
a) Ob es rechtsfehlerhaft ist, dass das Landgericht im Fall der versuchten Umsatzsteuerhinterziehung für den Monat Februar 2004 – unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 35, 374, 376; BGH wistra 1998, 265, 266 und 1990, 26, 27) – das Regelbeispiel der fortgesetzten Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO) und damit einen möglichen Strafschärfungsgrund nicht erörtert hat, kann dahinstehen. Jedenfalls beruht das Urteil nicht hierauf. Das Landgericht hat, wie in den beiden vorangegangenen Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung auch, rechtsfehlerfrei wegen der (vollendeten und gewerbsmäßigen) Urkundenfälschung den Strafrahmen des § 267 Abs. 3 StGB zugrunde gelegt, der mit demjenigen des § 370 Abs. 3 AO übereinstimmt. Dass das Landgericht bei der dritten Steuerstraftat eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hat, rechtfertigt sich daraus, dass die Tat wegen der fehlenden Zustimmung des Finanzamtes zur Auszahlung des geltend gemachten Vorsteuerüberhanges und der damit unterbliebenen Herbeiführung der Festsetzungswirkung (vgl. § 168 Satz 2 AO und BGH wistra 2005, 56, 57; BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2) nicht über das Versuchsstadium hinaus gelangt ist.
26
b) Die Gesamtwürdigung im Betrugsfall zu Lasten des Angestellten L. , aufgrund derer das Landgericht die Indizwirkung der bejahten Gewerbsmäßigkeit verneint hat, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen.
Das Landgericht hat ausreichend dargelegt, warum es in diesem Fall die Indizwirkung der angenommenen Gewerbsmäßigkeit als widerlegt angesehen hat. Rechtsfehler hat die Revision nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
27
c) Dass das Landgericht im Betrugsfall zu Lasten der J. D. und V. GmbH unter Hinweis auf die einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs in wistra 1999, 465 das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit verneint hat, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar genügt es zur Bejahung von Gewerbsmäßigkeit, dass die Tat – wie etwa beim Ankauf von Rauschgift oder Schmuggelgut zum gewinnbringenden Weiterverkauf – mittelbar als Einnahmequelle dient (BGH aaO und BGH NStZ 1999, 622, 623; BGH wistra 1994, 230, 232; BGH MDR bei Holtz 1983, 621, 622). Ein solcher mittelbarer Zusammenhang ist hier aber zu verneinen. Denn die Urteilsfeststellungen belegen noch nicht ausreichend, auch nicht in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Warenkreditbetrügereien im April 2005, dass der Angeklagte die zu werbenden Außendienstmitarbeiter in gleicher betrügerischer Weise anstellen wollte wie den Zeugen W. .

IV.


28
Nach alledem bedarf die Sache in den sieben genannten freigesprochenen Betrugsfällen (I. 2. d, I. 2. e aa bis cc, I. 2. f aa bis cc der Urteilsgründe ) neuer Aufklärung und Bewertung, sofern der neue Tatrichter nicht von der Möglichkeit des § 154 Abs. 2 StPO Gebrauch macht. Für den Fall einer gegebenenfalls neu vorzunehmenden Gesamtstrafbildung weist der Senat darauf hin, dass das von der Staatsanwaltschaft gerügte Eingehen auf die finanzielle Situation des Angeklagten und auf dessen Geldbedarf im Tatzeitraum ersichtlich nur dazu diente, den „situativen Zusammenhang“ bei der straffen Zusammenführung der Einzelstrafen zu erläutern (UA S. 149). Dies stellt daher keine widersprüchliche Verwertung eines an sich strafschärfenden Gesichtspunkts dar.
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(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1) Im Strafverfahren beurteilt das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat zugleich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit.

(2) Läßt das Gericht die Anklage zur Hauptverhandlung nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit zu, so sind in dem weiteren Verfahren die besonderen Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

Das Bundeszentralamt für Steuern bestätigt auf Anfrage

1.
dem Unternehmer im Sinne des § 2 die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde;
2.
dem Lagerhalter im Sinne des § 4 Nr. 4a die Gültigkeit der inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters;
3.
dem Betreiber im Sinne des § 25e Absatz 1 die Gültigkeit einer inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers im Sinne des § 25e Absatz 2 Satz 1.

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 bezeichneten Taten leichtfertig begeht. § 370 Abs. 4 bis 7 gilt entsprechend.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.

(3) Eine Geldbuße wird nicht festgesetzt, soweit der Täter gegenüber der Finanzbehörde die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, bevor ihm oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird eine Geldbuße nicht festgesetzt, wenn der Täter die aus der Tat zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. § 371 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.