Finanzgericht München Urteil, 28. Juli 2015 - 2 K 2935/12

bei uns veröffentlicht am28.07.2015

Gericht

Finanzgericht München

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 2 K 2935/12

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Anfechtung unentgeltlicher Leistungen; Wertersatzbescheid

In der Streitsache

...

Klägerin ...

gegen

Finanzamt ...

Beklagter

wegen Wertersatzbescheid

hat der 2. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht den Richter am Finanzgericht ... und die Richterin am Finanzgericht ... sowie die ehrenamtliche Richterin ... und den ehrenamtlichen Richter ... ohne mündliche Verhandlung

am 28. Juli 2015

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Rechtsmittelbelehrung

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Übertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/92 31-201.

Lässt der Bundesfinanzhof aufgrund der Beschwerde die Revision zu, so wird das Verfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. Der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des Bundesfinanzhofs über die Zulassung der Revision ist jedoch bei dem Bundesfinanzhof eine Begründung der Revision einzureichen. Die Beteiligten müssen sich auch im Revisionsverfahren nach Maßgabe des vierten Absatzes dieser Belehrung vertreten lassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt) zu Recht Gutschriften auf dem Konto der Klägerin gemäß § 4 Anfechtungsgesetz (AnfG) als unentgeltliche Leistungen angefochten hat.

Die Klägerin ist seit dem 9. März 2005 die Ehefrau des M. Dieser schuldete dem Finanzamt für die Veranlagungszeiträume 1999 bis 2010 zum Stichtag 12. Mai 2010 Abgaben und steuerliche Nebenleistungen i. H. v. insgesamt 46.319,18 €.

M hatte unter der Betriebsanschrift „.-Str. in X ab Januar 2004 eine gewerbliche Tätigkeit „Bewachung von fremden Leben und Eigentum“ angemeldet und in der Folgezeit für von ihm gegenüber verschiedenen Auftraggebern erbrachte Leistungen Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis ausgestellt. Auf den Rechnungen war als Bankverbindung das Konto der Klägerin mit der Nr. ... bei der Stadtsparkasse X angegeben. In der Zeit vom 16. Mai bis 22. September 2006 wurden insgesamt 86.087,33 € aus Forderungen des M gegenüber seinen Auftraggebern dem Konto der Klägerin gutgeschrieben (vgl. Vollstreckungsakte III Bl. 14).

Nachdem die Vollstreckungsversuche gegen M erfolglos blieben, dieser bereits am 30. September 2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und sich die Klägerin im Rahmen der Anhörung nicht zu der beabsichtigten Anfechtung der Überweisungen äußerte, focht das Finanzamt mit sog. Wertersatzbescheid vom 12. Mai 2010 die streitgegenständlichen Gutschriften auf dem Konto der Klägerin an und forderte die Klägerin auf, Wertersatz in Geld i. H. v. 46.319,18 € zu leisten.

Außerdem erging an die Klägerin eine Zahlungsaufforderung, bis zum 10. Juni 2010 38.786,85 € aus den bestandskräftigen Abgabenfestsetzungen zu zahlen. Soweit die Abgabenfestsetzungen i. H. v. 7.535,32 € noch nicht bestandskräftig waren, erging keine Zahlungsaufforderung.

Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch wurde Folgendes vorgebracht:

M habe sich noch vor der Eheschließung immer wieder Geld, insgesamt ca. 25.000,- €, von seiner damaligen Freundin und jetzigen Ehefrau und Klägerin geliehen, das an diese zurückgezahlt werden sollte, soweit es seine finanziellen Verhältnisse zuließen. Da der Gesamtbetrag von 25.000,- € Ende 2005 noch immer offen gewesen sei, habe man zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin vereinbart, dass M seine Auftraggeber anweisen solle, die von ihnen geschuldeten Beträge auf das Konto der Klägerin zu überweisen. Die auf dem Konto der Klägerin eingehenden Beträge seien allerdings nicht vollständig zur Tilgung der offenen 25.000,- € verwendet, sondern anteilig wiederum als Darlehen an M ausgereicht worden, indem die Klägerin die laufenden Lebenshaltungskosten des M von ihrem Konto ausgeglichen habe. Dadurch habe das Darlehen im Jahr 2006 um 8.881,54 € zurückgeführt werden können. Es fehle deshalb an einer unentgeltlichen Leistung des M und somit an einem Anfechtungsgrund.

Selbst wenn man von einer unentgeltlichen Leistung ausgehe, könne sich die Klägerin auf den Wegfall der Bereicherung berufen, da sie weder von den Steuerschulden des M noch von den Vollstreckungsversuchen des Finanzamts bei M Kenntnis gehabt habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Wertersatzbescheid vom 12. Mai 2010 als unbegründet zurück. Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage verweist die Klägerin auf die Einspruchsbegründung vom 1. Juli 2010.

Die Klägerin beantragt,

den Wertersatzbescheid vom 12. Mai 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 16. August 2012 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen

und nimmt hierzu auf die Einspruchsentscheidung Bezug.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Finanzamts und die im Verfahren eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat die streitgegenständlichen Gutschriften auf dem Konto der Klägerin zu Recht angefochten und die Klägerin aufgefordert, Wertersatz zu leisten.

1. Nach § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz (in Form der Zahlung eines Geldbetrages) zu leisten (§ 11 Abs. 1 Anfechtungsgesetz (AnfG).

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig. Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 der Finanzgerichtordnung (FGO) auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 11. März 2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579, m. w. N.).

2. Vorliegend sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG erfüllt.

a) Bei den Anweisungen des M an seine Auftraggeber auf den von ihm ausgestellten Rechnungen, den geschuldeten Betrag auf das Konto der Klägerin bei der Stadtsparkasse X zu überweisen, hat es sich um anfechtbare Rechtshandlungen des M gehandelt, die seine Gläubiger benachteiligen (vgl. § 1 Abs. 1 AnfG).

Für eine objektive Gläubigerbenachteiligung genügt der ganze oder teilweise Wegfall oder die Erschwerung bzw. Verzögerung der Zugriffsmöglichkeit für den anfechtenden Gläubiger (vgl. BGH-Urteil vom 5. November 1980 VII ZR 230/79, BGHZ 78, 318).

Anfechtbar sind nicht nur Rechtshandlungen des Schuldners, die er selbst mit dem Begünstigten vornimmt, sondern - als mittelbare Zuwendungen - auch solche, durch die er Bestandteile seines Vermögens mit Hilfe einer Mittelsperson einem Begünstigten zuwendet, ohne zu diesem äußerlich in unmittelbare Rechtsbeziehungen zu treten (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, § 1 Rn. 20 f.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. M hat mit den Anweisungen an seine Auftraggeber, die geschuldeten Beträge auf das Konto der Klägerin zu überweisen, mittelbare Zuwendungen an die Klägerin vorgenommen. Die Klägerin hat die Überweisungen zwar von den Schuldnern des M erhalten. Sie muss sich aber so behandeln lassen, als habe sie diese direkt von M erhalten.

Das Finanzamt als Gläubiger des M ist dadurch benachteiligt worden, weil so die Möglichkeit des Zugriffs durch das Finanzamt auf die Forderungen des M bzw. auf eventuelle Guthaben auf Konten des M unmöglich gemacht worden ist. Bei der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse des M durch den Vollziehungsbeamten des Finanzamts am 5. Januar 2007 und bei der Abgabe des Vermögensverzeichnisses am 5. Februar 2007 hat M keine Angaben zu seinen Umsätzen aus seiner selbstständigen Tätigkeit gemacht.

b) Das Finanzamt ist anfechtungsberechtigter Gläubiger i. S. des § 2 AnfG. Die gegenüber M festgesetzten Steueransprüche sowie die steuerlichen Nebenleistungen sind in Höhe von insgesamt 38.786,85 € fällig und vollstreckbar und die Vollstreckung in das Vermögen des M ist erfolglos geblieben.

Soweit die Abgabenforderungen i. H. v. 7.532,33 € noch nicht bestandskräftig festgesetzt waren, hat das Finanzamt die Vollstreckung gemäß § 14 AnfG zutreffend davon abhängig gemacht, dass die streitgegenständlichen Abgabenforderungen bestandskräftig festgesetzt werden.

c) Ebenso liegen unentgeltliche Leistungen des M an die Klägerin i. S. des § 4 Abs. 1 AnfG vor.

Eine unentgeltliche Leistung setzt voraus, dass es auf Seiten des Schuldners (M) zu einer Vermögensminderung und auf Seiten des Anfechtungsgegners (Klägerin) zu einer entsprechenden Vermögensvermehrung gekommen ist. Für die Annahme einer unentgeltlichen Leistung genügt es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt ist und keine angemessene Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt ist (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, § 4 Rn. 16).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

M hat die ihm zustehenden Forderungen gegen seine Auftraggeber dem Zugriff des Finanzamts dadurch vorenthalten, dass er den entsprechenden Gegenwert der Klägerin als Guthaben, d. h. als Forderung gegen die Stadtsparkasse, bei der diese das Konto unterhalten hat, hat zukommen lassen. Der jeweiligen Schmälerung des Vermögens des M entsprach mit der jeweiligen Gutschrift auf ihrem Konto eine entsprechende Vermehrung des Vermögens der Klägerin.

Das Gericht ist aufgrund der Feststellungen des Finanzamts und unter Berücksichtigung der Umstände des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die von M veranlassten Überweisungen auf das Konto der Klägerin ohne Rechtspflicht erfolgt sind.

Die Einlassung der Klägerin, dem M noch vor der Eheschließung ca. 25.000,- € geliehen zu haben, ist nicht nachgewiesen. Weder gibt es eine schriftliche Vereinbarung darüber, noch ist substantiiert dargelegt worden, wie die Klägerin, die über keine nennenswerten Einkünfte verfügt hat, in der Lage gewesen sein soll, dem M eine entsprechende Summe darlehensweise zur Verfügung zu stellen.

Darauf, wie die Klägerin die ihrem Konto gutgeschriebenen Beträge verwendet hat, ob z. B. als Darlehen an M oder für die Bestreitung der Lebenshaltungskosten, kommt es nicht an. Im Augenblick der streitgegenständlichen Vermögensübertragungen (Gutschriften auf dem Konto der Klägerin) war die jeweilige Forderung des M in voller Höhe einen Zugriff des Gläubigers (Finanzamt) entzogen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2000 VII B 282/99, BFH/NV 2000, 857).

Selbst wenn mit den überwiesenen Beträgen tatsächlich ein von der Klägerin gewährtes Darlehen von 25.000,- € beglichen worden sein sollte, verbleibt von den angefochtenen Überweisungen in Höhe von insgesamt 86.087,33 € immer noch ein Restbetrag von ca. 60.000 €, der der Klägerin unentgeltlich zugeflossen ist. Bereits die Überweisungen von Januar bis März 2006 hätten im Übrigen zur angeblichen Tilgung des Darlehens ausgereicht.

d) Die unentgeltlichen Leistungen wurden innerhalb der letzten vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen. Die angefochtenen Überweisungen erfolgten in der Zeit vom 16. Mai bis zum 22. September 2006, der Wertersatzbescheid erging am 12. Mai 2010.

3. Die Klägerin hat dem Finanzamt deshalb Wertersatz nach § 11 AnfG zu leisten.

a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Verfügung gestellt werden. Ist der anfechtbar weggegebene Gegenstand beim Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden, muss Wertersatz geleistet werden. Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist nicht das, was der Anfechtungsgegner erlangt hat (hier: Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank), sondern das, was der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat. Dies sind im Streitfall die durch Einzahlung auf das Konto erloschenen Forderungen des M gegen seine Schuldner. Diese Forderungen können jedoch nicht zurückgewährt werden, so dass die Klägerin Wertersatz zu leisten hat. Dieser besteht darin, dass sie verpflichtet ist, bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden zu leisten, soweit sie mit dem Duldungsanspruch verbunden sind (vgl. Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. November 2012 - 5 K 1186/12, DStRE 2013, 1205).

b) Die Klägerin kann sich nicht gemäß § 11 Abs. 2 AnfG auf Entreicherung berufen.

Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen bzw. Wertersatz zu leisten, soweit er durch sie bereichert ist (§ 11 Abs. 2 Satz 1 AnfG). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AnfG ist Wertersatz auch dann zu leisten, wenn der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung weiß oder den Umständen nach wissen muss, dass die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin im Hinblick auf die behaupteten, aber nicht nachgewiesenen, Barauszahlungen an M nicht mehr bereichert ist. Aufgrund der Gesamtumstände des Streitfalles ist der Senat jedenfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zumindest hätte wissen müssen, dass das Finanzamt durch die streitgegenständlichen Überweisungen benachteiligt worden ist.

Die Klägerin ist alleinige Inhaberin und Verfügungsberechtigte des Kontos gewesen. Sie hatte Kenntnis davon, dass allein im Jahr 2006 Überweisungen auf Forderungen Ihres Ehemannes (M) gegenüber Dritten von ca. 220.000,- € auf ihr Konto erfolgt sind. Sie wusste, dass M in finanziellen Schwierigkeiten gewesen ist und hat deshalb dessen laufenden Lebenshaltungskosten von ihrem Konto ausgeglichen. Ihr ist damit bekannt gewesen, dass M Zahlungen seiner Schuldner trotz seiner finanziellen Schwierigkeiten auf ihr Konto veranlasst hat, ohne dass sie dafür eine angemessene Gegenleistung erbracht hat, selbst wenn man davon ausgeht, dass sie ihm ein Darlehen i. H. v. 25.000 € gewährt hat.

Auf diese Weise hat M - mit Wissen der Klägerin - sich und seine Gläubiger - mithin auch das Finanzamt - außer Stande gesetzt, auf die eingegangen Zahlungen zuzugreifen und damit seine Schulden zu begleichen.

Die Klägerin hätte sich deshalb fragen müssen, warum M seinen geschäftlichen Zahlungsverkehr über ihr Konto abgewickelt hat. Nachvollziehbare, zu ihren Gunsten zu berücksichtigende, Gründe hierfür sind weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt worden. Der allgemeine Hinweis auf die Schwierigkeiten eines Geschäftsführers, wegen fehlender Bonität ein eigenes Geschäftskonto zu bekommen, was für den Streitfall nicht nachgewiesen ist, ist insoweit nicht ausreichend.

Auch wenn kein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, dass ein Ehegatte bei der Übertragung eines Vermögensgegenstandes durch den anderen Ehegatten auf ihn davon Kenntnis haben muss, dass der andere in der Absicht gehandelt hat, seine Gläubiger zu benachteiligen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1987 VII R 10/84, BFH/NV 1987, 728), hätte sich für die Klägerin aufgrund der gegebenen Umstände aufdrängen müssen, dass M mit der gewählten Abwicklung des Zahlungsverkehrs die Forderungen gegenüber seinen Schuldnern bzw. deren Zahlungen dem Zugriff seiner Gläubiger entziehen wollte.

4. Die Ermessensentscheidung des Finanzamts, die Klägerin durch Wertersatzbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Um einen Anfechtungs- und Duldungsbescheid zu erlassen, reicht es aus, dass das Vermögen des Vollstreckungsschuldners (M) für eine vollständige Befriedigung der Forderungen des Finanzamts unzulänglich ist (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2003 VII B 106/03, BFH/NV 2003, 1146). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6. Das Gericht hält es für sachgerecht, mit Zustimmung der Beteiligten, durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


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Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 4 Unentgeltliche Leistung


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(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden. (2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 2 Anfechtungsberechtigte


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Anfechtungsgesetz - AnfG 1999 | § 14 Vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel. Vorbehaltsurteil


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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Rechtshandlungen eines Schuldners, die seine Gläubiger benachteiligen, können außerhalb des Insolvenzverfahrens nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen angefochten werden.

(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.

Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, daß sie nicht dazu führen würde.

Liegt ein nur vorläufig vollstreckbarer Schuldtitel des Gläubigers oder ein unter Vorbehalt ergangenes Urteil vor, so ist in dem Urteil, das den Anfechtungsanspruch für begründet erklärt, die Vollstreckung davon abhängig zu machen, daß die gegen den Schuldner ergangene Entscheidung rechtskräftig oder vorbehaltlos wird.

(1) Anfechtbar ist eine unentgeltliche Leistung des Schuldners, es sei denn, sie ist früher als vier Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden.

(2) Richtet sich die Leistung auf ein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts, so ist sie nicht anfechtbar.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.


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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin mit Duldungsbescheiden für Steuerrückstände ihres Neffen und dessen Ehefrau in Anspruch genommen werden kann.

2

Die 1927 geborene Klägerin ist die Tante des Herrn K. Dieser sowie seine Ehefrau H waren als selbständige Handelsvertreter tätig. Beide schulden dem Land Rheinland-Pfalz vertreten durch den Beklagten Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 99.863,91 € (Herr K - im Folgenden Vollstreckungsschuldner) und 199.569,32 € (Frau H - im Folgenden Vollstreckungsschuldnerin) (vgl. Rückstandsaufstellungen vom 05. Mai 2011; Bl. 102 ff., 113 ff. Hefter Duldungsbescheide - Hefter DB). Die Fälligkeiten der einzelnen Steuerforderungen datieren im Zeitraum zwischen 2001 und 2010.

3

Der Klägerin war bekannt, dass sich die finanziellen Verhältnisse der Eheleute K (im Folgenden: Vollstreckungsschuldner) seit vielen Jahren in einer Schieflage befinden. Es war ihr auch bekannt, dass die Vollstreckungsschuldner wegen negativer Schufa-Einträge kein eigenes Konto eröffnen konnten. Nach ihren eigenen Angaben war sie in allen Jahren bemüht, ihrem Neffen sowie seiner Ehefrau im Rahmen ihrer Möglichkeiten finanziell auszuhelfen.

4

Am 01. Dezember 2004 schlossen die Klägerin und die Vollstreckungsschuldner eine Abtretungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich die Klägerin, den Vollstreckungsschuldnern ein verzinsliches Darlehen in Höhe von 20.000,- € in bar auszuzahlen. Die Rückzahlungsbeträge sollten aufgrund der finanziellen Situation der Vollstreckungsschuldner "zunächst bis auf weiteres" gestundet werden. Zur Sicherheit traten die Vollstreckungsschuldner ihre künftigen Bezüge und Provisionen aufgrund ihrer selbständigen Handelsvertretertätigkeit und darüber hinaus bestehende Lohn- und Gehaltsansprüche im Falle eines festen Anstellungsverhältnisses an die Klägerin ab.

5

Damit ihr Neffe für eine im 3. Quartal 2005 neu aufzunehmende Tätigkeit über ein Konto verfügen konnte, eröffnete die Klägerin am 15. Juli 2005 bei der Raiffeisenbank W ein Konto (Nr. ...462) und erteilte ihm unbeschränkte Verfügungsvollmacht (Bl. 92 Vollstreckungsakte Band III - VollStrA III). Auftraggeber der Vollstreckungsschuldner leisteten auf deren Anweisung Zahlungen auf das Konto (Bl. 118, 120, 130 - VollStrA II). Nachdem eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 15. Februar 2006 wegen Rückständen des Vollstreckungsschuldners an die Raiffeisenbank ins Leere ging (Bl. 112, 123 VollStrA II), informierte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 21. Februar 2006 darüber, dass Auftraggeber der Vollstreckungsschuldner auf das Konto Einzahlungen geleistet hatten und kündigte die Anfechtung dieser Rechtshandlungen nach §§ 3, 4 des Gesetzes über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens vom 05. Oktober 1994 (AnfG) an (Bl. 127 VollStrA II). Zwei Tage später, am 23. Februar 2006, eröffnete die Klägerin ein Konto bei der Volksbank S (Nr. ...702) und erteilte ihrem Neffen - dem Vollstreckungsschuldner - erneut Verfügungsvollmacht (Bl. 48 Hefter DB). Ihren Angaben nach sollte das Konto die Vollstreckungsschuldner bei der Abwicklung der Geschäfte des täglichen Lebensbedarfs (Mietzahlungen, Zahlungen der Strom/Gasrechnung) unterstützen. Für das Konto wurde ein Dispositionskredit in Höhe von 20.000,- € eingeräumt; hierfür hatte die Klägerin als Sicherheit einen Teil ihres Wertpapierdepots in Höhe von 20.000,- € an die Bank abgetreten (Bl. 50 AdV-Akte). Das Konto bei der Raiffeisenbank W löste die Klägerin am 01. März 2006 auf (Bl. 92 VollstrA III). Auf den Schriftwechsel zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu der mit Schriftsatz vom 21. Februar 2006 angekündigten Anfechtung wird verwiesen (Bl. 130 f., 133 f., 140 VollstrA III).

6

Am 01. Juni 2009 schlossen die Klägerin und der Vollstreckungsschuldner eine weitere "Abtretungsvereinbarung", wonach die Klägerin sich gegen - zunächst stillschweigende - Abtretung künftiger Bezüge und Provisionen aus selbständiger Handelsvertretertätigkeit sowie bestehender Lohn- und Gehaltsansprüche verpflichtete, einen Kontokorrentkredit in Höhe von 20.000,- € zur Verfügung zu stellen. Die Rückzahlungsbeträge wurden bis auf Weiteres gestundet. Auf die Vereinbarung wird Bezug genommen (Bl. 6 VollstrA IV).

7

Im Jahr 2009 wurden dem Konto bei der Volksbank S Provisionen der Vollstreckungsschuldnerin sowie Ansprüche aus Lebensversicherungen der Vollstreckungsschuldner gutgeschrieben. Die Vollstreckungsschuldner beglichen - ausweislich einer von der Bank übermittelten Umsatzübersicht für 2009 - von diesem Konto ihre Lebensführungskosten (insbesondere Miete und private Einkäufe) (Bl. 117-185 VollstrA IV). Außerdem wurden von dem Konto für den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ...-HK 132 die Leasingraten sowie die Kraftfahrzeugsteuer abgebucht. Der Buchungstext weist die Klägerin als Zahlungsverpflichtete aus. Die am 24. April 2009 gezahlte Kfz-Steuer enthält den Hinweis "Für Fahrzeughalter E. S." (die Klägerin). Auch zog die E-Plus Service GmbH & Co. KG monatlich Rechnungsbeträge ein, die als Zahlungspflichtige "S" ausweisen.

8

Das Konto wies folgende Saldenstände auf (Bl. 39 AdV-Akte):

9

02.01.2009:

-   4.193,88 €

31.03.2009:

-   6.457,69 €

30.06.2009:

- 11.711,48 €

30.09.2009:

- 14.543,08 €

31.12.2009:

- 15.736,22 €

10

Da der Verfügungsrahmen des Kontos voll ausgeschöpft war, zahlte die Klägerin am 14. Juni 2010 weitere 5.000,- € sowie am 12. August 2010 weitere 20.000,- € auf das Konto ein (Bl. 62 f. AdV-Akte). Am 12. August 2010 löste sie das Konto auf.

11

Den Vollstreckungsschuldnern wurde ab dem Jahr 2006 je zweimal die eidesstattliche Versicherung abgenommen; am 25. Juni 2007 und am 23. Juli 2010 (Vollstreckungsschuldner) und am 20. Juli 2006 und am 24. September 2009 (Vollstreckungsschuldnerin). Auf die Protokolle sowie Vermögensverzeichnisse wird Bezug genommen (Bl. 74 ff., 83 ff. VollstrA III, Bl. 24 ff. VollstrA V).

12

Mit zwei Anfechtungs- und Duldungsbescheiden vom 05. Mai 2011 nahm der Beklagte die Klägerin gesondert für Abgabenverbindlichkeiten des Herrn K sowie der Frau H nach § 191 der Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 und § 4 AnfG in Anspruch (Bl. 98 ff., 110 ff. Hefter DB). Unter Hinweis auf die einzeln aufgeführten Abgaben des jeweiligen Schuldners focht der Beklagte für jeden Schuldner getrennt benannte einzelne Gutschriften (Provisionen der ... Deutschland Vertrieb, Auszahlungen der ... Lebensversicherung) auf das von der Klägerin zur Verfügung gestellte Konto bei der Volksbank S an; denn in der Anweisung der Vollstreckungsschuldner an ihre Schuldner, Zahlungen auf dieses Konto zu leisten, sei die jeweils anfechtbare Handlung zu sehen. Da die auf dem Konto gutgeschriebenen Forderungen von Frau H in Höhe von 37.146,35 € und die von Herrn K in Höhe von 4.559,36 € erloschen seien (Konto zum 30. Dezember 2009 mit 15.736,22 € im Minus), habe sie - die Klägerin - Wertersatz in der Form zu leisten, dass sie bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden der Vollstreckungsschuldner, soweit sie mit dem Duldungsanspruch verbunden seien, zu leisten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Bescheide Bezug genommen.

13

Am 24. Mai 2011 legte die Klägerin "Einspruch gegen den Anfechtungs- und Duldungsbescheid vom 05. Mai 2011" ein; am gleichen Tag beantragte sie die Aussetzung (bzw. Aufhebung) der Vollziehung der Bescheide beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz. Mit Beschluss des Finanzgerichts vom 25. Oktober 2011 (5 V 1634/11) wurde die Vollziehung der streitgegenständlichen Anfechtungs- und Duldungsbescheide bis einen Monat nach Bekanntgabe der Rechtsbehelfsentscheidungen ausgesetzt. Wegen der Begründung wird auf die Ausführungen verwiesen.

14

Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2012 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin vom 24. Mai 2011 als unbegründet zurück. Er führte aus, die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AnfG seien gegeben, da die Vollstreckungsschuldner auch in der Absicht gehandelt hätten, ihre Gläubiger - also auch den Beklagten - zu benachteiligen. Dies ergebe sich daraus, dass nur zwei Tage nach Ankündigung der Anfechtung am 21. Februar 2006 das streitgegenständliche Konto bei der Volksbank S eröffnet worden sei. Rechnungskopien vom 01. Dezember 2009 und vom 04. Februar 2010 an die Firma ... Naturhaus zeigten, dass der Vollstreckungsschuldner Auftraggeber aufgefordert habe, Einzahlungen auf dieses Konto zu leisten. Auch hätten die Vollstreckungsschuldner bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherungen am 25. Juni 2006 und am 20. Juli 2006 bestehende Versicherungsansprüche gegen die ... Lebensversicherung nicht angegeben. Zudem habe der Vollstreckungsschuldner bei einer Vorsprache an Amtsstelle am 22. Februar 2006 wahrheitswidrig eine Geschäftsbeziehung zu der Firma N Hausbau GmbH verneint (Bl. 189 VollStrA II). Die Klägerin habe Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Vollstreckungsschuldner gehabt. Sie habe die finanziellen Verhältnisse der Vollstreckungsschuldner gekannt; auch sei ihr aufgrund der am 21. Februar 2006 angekündigten Anfechtung bekannt gewesen, dass das Finanzamt wegen Steuerschulden die Zwangsvollstreckung gegen die Vollstreckungsschuldner betrieb und auf die Einzahlungen des Kontos zugreifen wollte. Aufgrund der Sicherheitsabreden im Zusammenhang mit den "Abtretungsvereinbarungen" vom 01. Dezember 2004 und vom 01. Juni 2009 sei der Klägerin auch bekannt gewesen, wie und auf welche Weise die Vollstreckungsschuldner eigene Einkünfte generiert hätten. Im Übrigen wird auf die Ausführungen Bezug genommen (Bl. 140 ff. Hefter DB).

15

Mit der dagegen am 16. Februar 2012 erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Anfechtungs- und Duldungsbescheide vom 05. Mai 2011 seien rechtswidrig, da die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 1, 4 AnfG nicht vorlägen. Eine Anfechtung scheide schon deshalb aus, da es an einer anfechtbaren Rechtshandlung fehle. Für das Bestehen einer Anfechtungslage i.S. des § 1 AnfG sei es erforderlich, dass die fragliche Rechtshandlung aus Schuldnerperspektive zu einer Vermögensminderung führe. Eine solche Vermögensminderung sei im Streitfall jedoch nicht eingetreten, da die von den Vollstreckungsschuldnern eingezogenen Gelder nie in ihr Vermögen übergegangen seien. Zwar sei sie formal die Inhaberin des Kontos bei der Volksbank S gewesen; sie habe aber lediglich ihren Namen zur Eröffnung des Kontos hergegeben. Die Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank und damit der Zugriff auf die Gutschriften hätten aufgrund stillschweigender Abtretung allein den Vollstreckungsschuldnern zugestanden. Dies ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Kontoeröffnung, sowie daraus, wie und von wem das Konto tatsächlich genutzt worden sei. Das Konto sei von ihr nur eingerichtet worden, um die Vollstreckungsschuldner im Hinblick auf die Bewältigung des Alltags zu unterstützen; diese hätten mit Hilfe des Dispositionskredits ihre Lebenshaltungskosten bestreiten sollen. Dafür hätten ihnen die Auszahlungsansprüche zustehen müssen. Mit Einräumung der Verfügungsberechtigung über das Konto habe sie demnach die Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank an die Vollstreckungsschuldner abgetreten. Sie habe sich im Hinblick auf die verbuchten Vorgänge weder verpflichtet, noch berechtigt gefühlt. Nach Eröffnung des Kontos habe sie über vier Jahre hinweg (bis zur ersten Einzahlung am 14. Juni 2010) keinerlei Verfügung über das Konto vorgenommen; aus ihrer Sicht sei das Konto schlicht nicht mehr ihre Sache gewesen. Dies bestätige auch die Volksbank S mit Erklärung vom 28. Juni 2012 (Bl. 137 GA). Eine schriftliche Vereinbarung der Abtretung könne sie nicht vorgelegen, es sei aber Wesen einer stillschweigenden Vereinbarung, dass diese nicht äußerlich in Erscheinung trete.

16

Aufgrund der Abtretung der gegenüber der Bank bestehenden Auszahlungsansprüche an die Vollstreckungsschuldner sei auch keine Gläubigerbenachteiligung eingetreten; die Vollstreckungsschuldner hätten insoweit einen entsprechenden Vorsatz nicht haben können und auch nicht gehabt. Inhaber der Auszahlungsansprüche seien die Vollstreckungsschuldner gewesen; Gläubiger hätten diese jederzeit pfänden können.

17

Da weder eine anfechtbare Rechtshandlung, noch eine Gläubigerbenachteiligung, noch  ein dahingehender Vorsatz der Vollstreckungsschuldner vorliege, könne folglich auch sie - die Klägerin - keine Kenntnis von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Vollstreckungsschuldner gehabt haben. Deshalb lediglich ergänzend und nur für den Fall, dass den fraglichen Handlungen der Vollstreckungsschuldner aus der Sicht des Gerichts doch eine Gläubiger benachteiligende Wirkung zukommen sollte, führt die Klägerin aus, dass jedenfalls sie einen solchen Vorsatz nicht gekannt habe. Sie habe überhaupt keine Kenntnis von den fraglichen Anweisungen gehabt, sondern die Verfügungsmacht über das Konto vollkommen an die Vollstreckungsschuldner abgegeben. Sie sei davon ausgegangen, dass diese das Konto - wie abgesprochen - lediglich zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs nutzten. Deshalb habe sie das Konto mit einem Dispositionskredit in Höhe von 20.000,- € ausstatten lassen. Dass die Vollstreckungsschuldner das Konto für andere Zwecke, insbesondere zur Einziehung von Forderungen nutzten, sei ihr nicht bekannt gewesen. Dies sei auch nicht der Zweck der Kontoerrichtung gewesen. Offene Forderungen des Beklagten seien ihr nicht bekannt gewesen. Sie habe den Vollstreckungsschuldnern mehrfach finanzielle Mittel zukommen lassen, um Forderungen zu tilgen. Eine entsprechende Kenntnis könne deshalb auch nicht nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG vermutet werden.

18

Die Vermutungsregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG greife nicht, da diese zumindest eine Kenntnis von der Benachteiligungswirkung der Rechtshandlung voraussetze. Da sie schon keine Kenntnis von der Rechtshandlung an sich gehabt habe, könne sie insoweit erst Recht keine Kenntnis in Bezug auf eine etwaige Benachteiligungswirkung gehabt haben. Es sei unzulässig, die Vermutungswirkung des § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG mit Hilfe einer weiteren Vermutung herzustellen. Insofern könne dahin stehen, ob sie Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Vollstreckungsschuldner gehabt habe; es sei mit diesen vereinbart gewesen, dass das neue - streitgegenständliche - Konto allein den täglichen Lebenshaltungskosten dienen sollte.

19

Aus den vorerwähnten Gründen liege auch keine unentgeltliche Leistung im Sinne von § 4 AnfG vor. Auch sei sie i.S. von § 11 Abs. 2 AnfG entreichert. Im Übrigen sei ihre Inanspruchnahme unverhältnismäßig. Das Vorgehen des Beklagten erwecke schlicht den Eindruck, dass ein leistungsfähigerer Beteiligter verpflichtet werden solle, nachdem bei den Vollstreckungsschuldnern aufgrund der Abgabe der eidesstattlichen Versicherungen ein Ausgleich der Forderungen nicht mehr zu erwarten sei.

20

Mit Schriftsatz vom 13. November 2012, eingegangen bei Gericht am 15. November 2012, trägt die Klägerin ergänzend und vorsorglich nur für den Fall, dass nach der Auffassung des Gerichts eine stillschweigende Abtretung der Auszahlungsansprüche nicht gegeben sein sollte, vor, dass zwischen ihr - der Klägerin - und den Vollstreckungsschuldnern ein uneigennütziges Treuhandverhältnis bzw. ein Verwahrvertrag zustande gekommen sei. Denn im Innenverhältnis zu den Vollstreckungsschuldnern sei sie nicht berechtigt gewesen, über die auf dem Konto eingegangenen Guthaben zu verfügen. Zugunsten der Vollstreckungsschuldner hätte in diesem Fall ein Anspruch auf Rückübertragung der Geldbeträge bestanden. Das streitgegenständliche Konto hätte wie eine Art Zahlstelle verwendet werden sollen. Dem fremdnützigen Treuhänder stehe jedoch unabhängig von einer etwaigen Gut- oder Bösgläubigkeit der Einwand der Entreicherung zu, wenn das Treuhandverhältnis beendet sei, und er sich das Treugut wirtschaftlich nicht zugeführt habe. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt; denn das streitgegenständliche Konto sei zwischenzeitlich aufgelöst worden, ohne dass ihr die streitgegenständlichen Guthaben jemals zu Gute gekommen seien.

21

Auf die Schriftsätze der Klägerin im Klageverfahren wird im Übrigen verwiesen (Bl. 79 ff., 132 ff., 145 ff. GA 5 K 1186/12).

22

Die Klägerin beantragt, die Anfechtungs- und Duldungsbescheide vom 05. Mai 2011 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2012 aufzuheben.

23

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

24

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2012. Ergänzend trägt er vor, die stillschweigende Abtretung der Auszahlungsansprüche sei nicht nachgewiesen. Objektive Umstände seien insoweit nicht erkennbar; vielmehr sprächen diese dafür, dass eine Abtretung nicht erfolgt sei: In den eidesstattlichen Versicherungen hätten die Vollstreckungsschuldner das fragliche Konto nicht genannt, obwohl sie doch dessen Inhaber hätten sein müssen, wenn die Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank tatsächlich an sie abgetreten gewesen wären.

25

Die Kontovollmacht beinhalte jedenfalls keine Abtretung der Auszahlungsansprüche. Es handele sich dabei lediglich um eine einseitige Willenserklärung, die nur dazu berechtige, im Namen des Kontoinhabers zu handeln.

26

Auch habe die Klägerin ihre Behauptung, dass nur die Vollstreckungsschuldner über das Konto verfügt hätten, nicht nachgewiesen. Aus der Umsatzübersicht des Jahres 2009 ergebe sich nicht, wer die Kontenbelastungen veranlasst habe und wessen Verbindlichkeiten damit bezahlt worden seien. Von daher stehe nicht fest, dass die Gutschriften allein den Vollstreckungsschuldnern zugute gekommen seien.

27

Im Übrigen käme einer stillschweigenden Abtretung der Auszahlungsansprüche als einer zwischen den Beteiligten im Innenverhältnis getroffenen Vereinbarung keine besondere Bedeutung zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in einem ähnlichen Fall (Beschluss vom 17. April 2000, BFH/NV 2000, 857) entschieden, dass es nicht darauf ankomme, ob die eingegangenen Gelder der Kontoinhaberin zu Gute gekommen seien. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Vollstreckungszugriff auf die dem Vollstreckungsschuldner ursprünglich zustehenden Forderungen durch dessen Verhalten vereitelt worden sei.

28

Das Gericht hat die Akten der Verfahren 5 V 1634/11 und 5 V 2580/11 beigezogen.

Entscheidungsgründe

29

Die zulässige Klage ist unbegründet.

30

Die Duldungsbescheide vom 05. Mai 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

31

Nach § 191 Abs. 1 AO kann derjenige, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dazu zählen auch die Fälle, in denen einem Gläubiger zur Befriedigung seiner Forderungen das zur Verfügung gestellt werden muss, was durch anfechtbare Rechtshandlungen aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Gleiches gilt, wenn der Anfechtungsgegner den in anfechtbarer Weise aus dem Schuldnervermögen ausgeschiedenen Gegenstand nicht in Natur zurückgewähren kann und wenn er deshalb verpflichtet ist, Wertersatz (in Form der Zahlung eines Geldbetrages) zu leisten (§ 11 Abs. 1 AnfG).

32

Die Entscheidung über die Inanspruchnahme nach § 191 Abs. 1 AO ist zweigliedrig (st. Rspr. des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 13. Juni 1997 - VII R 96/96, BFH/NV 1998, 4). Das Finanzamt hat zunächst zu prüfen, ob in der Person oder den Personen, die es durch Duldungsbescheid in Anspruch nehmen will, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Anfechtung erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um eine vom Gericht in vollem Umfang überprüfbare Rechtsentscheidung. Daran schließt sich die nach § 191 Abs. 1 AO zu treffende Ermessensentscheidung – vgl. § 5 AO – des Finanzamts an, ob und ggf. wen es als Duldungsverpflichteten in Anspruch nehmen will. Diese auf der zweiten Stufe zu treffende Entscheidung ist gerichtlich nur im Rahmen des § 102 FGO auf Ermessensfehler (Ermessensfehlgebrauch bzw. Ermessensüberschreitung) überprüfbar (BFH-Urteil vom 11. März 2004 - VII R 52/02, BStBl II 2004, 579 m.w.N.).

33

Im Streitfall ist der Anfechtungstatbestand nach § 3 AnfG erfüllt:

34

1. Der Beklagte ist anfechtungsberechtigter Gläubiger i.S. des § 2 AnfG. Die gegenüber den Vollstreckungsschuldnern festgesetzten Steueransprüche sowie die steuerlichen Nebenleistungen sind fällig und vollstreckbar und die Vollstreckung in das Vermögen der Vollstreckungsschuldner ist erfolglos geblieben.

35

2. Nach § 3 AnfG sind Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vornimmt, seine Gläubiger zu benachteiligen, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

36

a) Rechtshandlung i.S. des Anfechtungsgesetzes ist jedes - rechtliche oder tatsächliche - Handeln oder Unterlassen des Schuldners, das "rechtliche" Folgen hat. Anfechtungsgegenstand können demnach nicht nur Rechtsgeschäfte im engeren Sinne nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sein, sondern jedes Handeln, das rechtliche Wirkungen zum Nachteil des Vollstreckungszugriffs auslöst (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 10. Auflage, § 1 Rn. 5, 8, 9, 22). Entscheidend ist, dass die angefochtene Handlung zum Ausscheiden eines Gegenstandes "aus dem Vermögen des Schuldners" geführt hat, weil die Gläubigeranfechtung nur die ursprüngliche Zugriffslage wiederherstellen soll (Huber, a.a.O., § 1 Rn. 23).

37

b) Bei Einzahlungen auf einem fremden Konto handelt es sich um Rechtshandlungen des Anfechtungsschuldners, wenn er diese veranlasst hat und er mit der Einzahlung einen Vermögensgegenstand verliert, etwa Bargeld oder eine Forderung. Erfasst werden nicht nur die Fälle, in denen der Anfechtungsschuldner Bargeld einzahlt, Schecks einreicht oder eigene Überweisungen auf das Fremdkonto vornimmt, sondern auch die Fälle, in denen er seine Schuldner (Dritte) anweist, die ihm zustehenden Forderungsbeträge auf das Fremdkonto zu überweisen. Denn im Falle einer Zahlungsanweisung wird mit der Einzahlung durch den Dritten dessen Schuld gegenüber dem Anweisenden – hier: der Vollstreckungsschuldner – zum Erlöschen gebracht (§ 362 Abs. 2 BGB). Der entsprechende Gegenwert wird dem Kontoinhaber zugewendet, denn dieser erlangt mit Eingang der Zahlung auf seinem Konto einen Anspruch gegenüber der Bank, aufgrund dessen er in der Lage ist, über die Geldbeträge zu verfügen (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2000 - VII B 282/99, BFH/NV 2000, 857; Urteile des FG Münster - 15. Dezember 2011 - 11 K 634/07, EFG 2012, 900 und des FG Rheinland-Pfalz vom 30. August 1999 - 6 K 2858/97, veröffentlicht in Juristisches Informationssystem - juris - m.w.N).

38

c) Im Streitfall sind die jeweils anfechtbaren Rechtshandlungen in diesem Sinne die jeweiligen Anweisungen der Vollstreckungsschuldner gegenüber ihren Schuldnern (... Deutschland Vertrieb, ... Lebensversicherung), Forderungsbeträge auf das von der Klägerin bei der Volksbank S eröffnete und vorgehaltene Konto Nr. ...702 zu überweisen. Diese Rechtshandlungen hatten vermögensrechtliche Wirkungen zum Nachteil des Vollstreckungszugriffs, da der in der jeweiligen Gutschrift auf dem Girokonto verkörperte Anspruch gegenüber der Bank in die Vermögenssphäre der Klägerin gelangt ist.

39

aa) Bei Zahlung auf ein Konto entsteht für den Inhaber des Kontos gegenüber der Bank als Zahlungsdienstleister das Recht, den Zahlungsbetrag unverzüglich zur Verfügung zu erhalten. Der wirtschaftliche Wert der erfüllten Forderung entspricht ihrem jeweiligen Nennwert und spiegelt sich – bei einem Positivsaldo – in der durch die Einzahlung auf das Konto entstehenden Forderung gegen die Bank wieder, diesen Betrag auszuzahlen. Damit ist der Kontoinhaber in der Lage, über den Betrag zu verfügen (vgl. Palandt/Sprau, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 72. Aufl. 2013, § 675t Rn. 4 f., 675f Rn. 27 f.).

40

bb) Inhaber eines Bankkontos ist, wer Inhaber des Giroverhältnisses mit der Bank ist. Bei der Feststellung der Inhaberschaft eines Girokontos kommt der Kontobezeichnung ein besonderes Gewicht zu, das über eine bloße Indizwirkung hinausgeht (BGH-Urteil vom 12. Dezember 1995 - XI ZR 15/95, NJW 1996, 840). Dies hängt mit dem Bedürfnis des Zahlungsverkehrs nach einfachen und klaren Rechtsverhältnissen zusammen. Deshalb ist der formelle Kontoinhaber aus der Kontobezeichnung regelmäßig auch der Gläubiger einer Guthabenforderung. Soll abweichend von der Kontobezeichnung eine andere Person der Beteiligte des Giroverhältnisses sein bzw. Inhaber von Forderungen aus dem Konto werden, müssen besondere Umstände dargetan werden. Aus wessen Mitteln die eingezahlten Gelder stammen, ist für die Kontoinhaberschaft unerheblich (Hadding/Häuser, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, §§ 343 - 372, ZahlungsV Rn. A 81 f.).

41

cc) Inhaberin des Kontos Nr. ...702 bei der Volksbank S und damit Gläubigerin der Einlageforderungen war die Klägerin; denn sie hatte das Konto eröffnet und es wurde auf ihren Namen geführt. Daran ändern weitere Zusätze - im Streitfall eine Vollmacht zugunsten der Vollstreckungsschuldner - grundsätzlich nichts. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass aufgrund der fehlenden Berechtigung zur Führung eines eigenen Bankkontos die Vollstreckungsschuldner nicht Beteiligte des mit der Bank abgeschlossenen Girovertrages geworden sind. Aus der Sicht des Senats bestehen im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass abweichend von der Kontobezeichnung die Vollstreckungsschuldner Inhaber der Forderungen aus dem Konto geworden sind. Insbesondere ist der Senat auch nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin im Vorhinein die gegenüber der Bank bestehenden Auszahlungsansprüche an die Vollstreckungsschuldner stillschweigend abgetreten hatte. Umstände, die tatsächlich auf eine entsprechende Vereinbarung schließen lassen könnten, sind weder substantiiert dargelegt, geschweige denn nachgewiesen worden. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass gerade der Zweck der Kontoeröffnung und die Art und Weise wie das Konto genutzt wurde den Schluss nahe legen, dass die Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank nicht an die Vollstreckungsschuldner abgetreten waren. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Vollstreckungsschuldner von ihnen vereinnahmte Gelder dem Zugriff ihrer Gläubiger entziehen wollten und dafür das von der Klägerin in Kenntnis dieser Umstände eröffnete Konto (siehe dazu unten e)) nutzten. Damit war es von den Beteiligten jedoch gerade nicht gewollt, dass die von den Vollstreckungsschuldnern vereinnahmten Gelder auch in deren Vermögen gelangten. Für die von der Klägerin für die Errichtung des Kontos angegebenen Motive, nämlich die Vollstreckungsschuldner bei der Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs zu unterstützen, war die Abtretung der Auszahlungsansprüche nicht zwingend erforderlich. Insoweit genügte die von der Klägerin den Vollstreckungsschuldnern eingeräumte Bankvollmacht, mit der diese über die Guthabenforderungen verfügen konnten. Auch die im Rahmen der eidesstattlichen Versicherungen vom 25. Juni 2007/23. Juli 2010 und vom 20. Juli 2006/24. September 2009 vorgelegten Vermögensverzeichnisse zeigen, dass die Vollstreckungsschuldner die Auszahlungsansprüche gegenüber der Volksbank S nicht als Teil ihres Vermögens betrachteten; denn entsprechende Angaben machten sie insoweit nicht. Darüber hinaus hat die Klägerin im Rahmen des mit dem Beklagten vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide umfassend gewechselten Schriftverkehrs zu keiner Zeit die behauptete Abtretung erwähnt, sondern dies erstmals im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz vorgetragen. Der Senat geht auch davon aus, dass die Beteiligten in rechtlichen Angelegenheiten ansonsten durchaus die entsprechende Sorgfalt wahrten; denn die Klägerin und der Vollstreckungsschuldner hatten über die Hingabe des Kontokorrentkredits und die dafür zur Sicherheit stillschweigend abgetretenen Forderungen am 01. Juni 2009 auch eine schriftliche Vereinbarung getroffen.

42

d) Zu Recht führt der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden demnach aus, dass durch die Rechtshandlungen der Vollstreckungsschuldner ihr der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen und damit ihre Gläubiger objektiv benachteiligt worden sind; denn nach den Überweisungen der Gelder wurde die Klägerin als Kontoinhaberin Forderungsberechtigte gegenüber der Bank und ein unmittelbarer Vollstreckungszugriff auf den gezahlten Geldbetrag wurde vereitelt bzw. erschwert. Wie ausgeführt, waren die Forderungen durch die Zahlungen erloschen. Auch konnte der Beklagte auf den Zahlungsbetrag nicht in der Weise zugreifen, dass nunmehr die Forderungen gegen die Bank gepfändet wurden; denn die Klägerin war aufgrund des Umstandes, dass sie Kontoinhaberin ist, Forderungsinhaberin geworden. Der direkte Weg, in die Kontovollmacht der Vollstreckungsschuldner zu pfänden, war dem Beklagten aus Rechtsgründen verwehrt, denn nach § 321 AO sind nur geldwerte Rechte pfändbar. Dazu zählt die Kontovollmacht nicht (vgl. Urteil des FG Münster vom 22. Januar 2010 - 6 K 4276/06 AO, a.a.O., m.w.N.; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 30. August 1999 - 6 K 2858/97, a.a.O.; BFH-Beschluss vom 17. Januar 2000, VII B 282/99, a.a.O.).

43

e) Der Benachteiligungsvorsatz ist gegeben, wenn der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung die Benachteiligung der Gläubiger im Allgemeinen als Erfolg seiner Rechtshandlung gewollt oder als mutmaßliche Folge - sei es auch als unvermeidliche Nebenfolge eines an sich erstrebten anderen Vorteils - erkannt und gebilligt hat. Ist dem Schuldner bekannt, dass er zahlungsunfähig ist oder dass Zahlungsunfähigkeit droht, handelt er in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz. Dies ergibt sich mittelbar aus § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG. Da für den anderen Teil die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird, wenn er wusste, dass dessen Zahlungsunfähigkeit drohte, können für den Vorsatz des Schuldners selbst keine strengeren Anforderungen gelten (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - IX ZR 134/10, DB 2011, 1688 m.w.N. zu § 133 InsO).

44

Unter Beachtung aller Umstände des Streitfalles steht nach Ansicht des Senats fest, dass die Vollstreckungsschuldner mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz handelten und dass die Klägerin insoweit positive Kenntnis hatte. Darauf, dass die Klägerin den Vollstreckungsschuldnern wissentlich geholfen hat, Vermögen vor Gläubigern, insbesondere vor dem Beklagten zu schützen, weisen eine Vielzahl von Einzeltatsachen in ihrer zeitlichen Abfolge und im Zusammenhang gesehen hin. Insoweit verweist das Gericht auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und macht sie sich zu eigen (§ 105 Abs. 5 FGO).

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3. Die Rechtsfolgen der Anfechtung sind in § 11 AnfG geregelt. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AnfG muss dem Gläubiger das, was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, zur Verfügung gestellt werden. Ist der anfechtbar weggegebene Gegenstand beim Anfechtungsgegner nicht mehr vorhanden, muss Wertersatz geleistet werden. Anknüpfungspunkt für die Anfechtung ist nicht das, was der Anfechtungsgegner erlangt hat (hier: Auszahlungsansprüche gegenüber der Bank), sondern das, was der Schuldner aus seinem Vermögen weggegeben hat. Dies waren im Streitfall die durch Einzahlung auf das Konto erloschenen Forderungen der Vollstreckungsschuldner gegen ihre Schuldner. Diese Forderungen können jedoch nicht zurückgewährt werden, sodass die Klägerin Wertersatz zu leisten hat. Dieser besteht darin, dass sie verpflichtet ist, bis zur Höhe der erloschenen Forderungen Zahlungen auf die Steuerschulden zu leisten, soweit sie mit dem Duldungsanspruch verbunden sind.

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a) Der Entreicherungseinwand der Klägerin geht ins Leere; denn dieses Recht steht nach § 11 Abs. 2 AnfG nur dem gutgläubigen Empfänger einer unentgeltlichen Leistung zu. Im Streitfall geht es weder um die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung noch war die Klägerin - wie bereits ausgeführt - gutgläubig.

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b) Der Senat vermag auch nicht unter Berücksichtigung des Regelungszwecks der Gläubigeranfechtung zu einem davon abweichenden Ergebnis zu gelangen. Dieser ist nicht auf die Rückführung des anfechtbar Weggegebenen in das Schuldnervermögen gerichtet, sondern allein auf die Wiederherstellung der Zugriffslage für den Gläubiger durch Erschließung des Zwangzugriffs in den weggegebenen Gegenstand beim Erwerber. Der Gläubiger soll auf das, was "veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist", zugreifen können, wie wenn es sich noch bei dem Schuldner befände (Huber, a.a.O., Einf. Rn. 9, § 11 Rn. 1). Nach Auffassung des Senats kann daraus jedoch nicht gefolgert werden, entscheidend für den aus § 11 AnfG folgenden Wertersatzanspruch sei, dass zum Zeitpunkt der Rechtshandlung ein (unter sonst gleichen Umständen) gedachter Zugriff in den - gedanklich nicht aus dem Vermögen des Vollstreckungsschuldners weggegebenen - Gegenstand erfolgreich wäre. Denn dies würde - wie der Streitfall zeigt - den Vollstreckungsschuldnern und dem Anfechtungsgegner die Möglichkeit eröffnen, durch kollusives Zusammenwirken den Wertersatzanspruch auszuhebeln. Denn die Führung eines dauerhaft debitorischen Kontos war vorliegend nicht den Vollstreckungsschuldnern, sondern allein der Klägerin durch Abtretung eines Teils ihres Wertpapierdepots als Sicherheit möglich.

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4. Von der Frage der Entreicherung ist die Frage zu unterscheiden, welche Rolle es spielt, dass die Vollstreckungsschuldner im Einklang mit etwaigen Absprachen im Innenverhältnis über die auf ihre Veranlassung eingezahlten Gelder im Rahmen der Bankvollmacht eigenhändig verfügt haben und die Klägerin insoweit einer Pflicht zur Herausgabe der Gelder nachgekommen sein könnte (vgl. FG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2012 - 11 K 634/07 AO, a.a.O.).

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a) Zu Recht weist der Beklagte daraufhin, dass der BFH einer stillschweigenden Vereinbarung im Innenverhältnis, wonach der Kontoinhaber dem Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe verpflichtet ist - wohl - keine besondere Bedeutung beimisst. In dem Verfahren VII B 282/99 (Beschluss vom 17. Januar 2000, a.a.O.), in dem es um die Einziehung von Forderungen über das Konto der Lebensgefährtin des Vollstreckungsschuldners ging, führte der BFH aus, dass es nicht darauf ankomme, ob die eingegangenen Gelder der Kontoinhaberin zu Gute gekommen seien. Denn die Art und Weise der späteren Verwendung der übertragenen Geldmittel könne nicht ungeschehen machen, dass den Gläubigern der Vollstreckungszugriff auf die dem Vollstreckungsschuldner ursprünglich zustehenden Forderungen durch dessen Verhalten vereitelt worden sei.

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b) Die zivilrechtliche Rechtsprechung lässt es dagegen zu, über den Gesetzeswortlaut des § 11 AnfG hinaus den anfechtungsrechtlichen Wertersatzanspruch in bestimmten Fällen der Nutzung von Fremdgeldkonten auf die Beträge zu begrenzen, die sich noch auf dem Konto befinden bzw. die dem Kontoinhaber zu Gute gekommen sind. Bejaht wird dies ausdrücklich bei Treuhandkonten (z.B. BGH, Urteil vom 09. Dezember 1993 - IX ZR 100/93, NJW 1994, 726). Ein Treuhandverhältnis, aufgrund dessen das Guthaben dem Vermögen des Auftraggebers zuzurechnen ist, kommt allerdings grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die Einzahlungen auf ein ausschließlich zur Verwaltung von Fremdgeldern eingerichtetes und benutztes Sonderkonto erfolgt sind (vgl. BGH, Urteil vom 08. Februar 1996 - IX ZR 151/95, NJW 1996, 1543). Dieser Rechtsprechung haben sich Finanzgerichte zum Teil angeschlossen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2002 – 1 K 2219/00, EFG 2002, 1137; FG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2012 - 11 K 634/07 AO, a.a.O.).

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aa) Für die Einrichtung eines Treuhandkontos bzw. den Abschluss einer Treuhandvereinbarung, wonach die Klägerin - wie sie erstmals mit bei Gericht am 15. November 2012 eingegangenen Schriftsatz behauptet - den Vollstreckungsschuldnern zur Herausgabe der eingezahlten Gelder verpflichtet gewesen sein will, bestehen jedoch im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte. Eine schriftliche Treuabrede zwischen der Klägerin und den Vollstreckungsschuldnern liegt nicht vor; ein Anderkonto zur Verwaltung von Fremdgeldern ist nicht eingerichtet worden. Vielmehr sind auf dem streitgegenständliche Konto verschiedene Vermögenssphären vermischt worden. Zum einen stattete die Klägerin das Konto mit einem über ihr Wertpapierdepot abgesicherten Dispositionskredit in Höhe von 20.000,- € aus; zum anderen gingen ausweislich der Kontoauszüge betreffend das Jahr 2009 am 07. Mai 2009 (10,- €) und am 10. Dezember 2009 (5.334,- €) auch Zahlungen zugunsten der Klägerin ein und wurden u.a. Leasingraten und die KfZ-Steuer für einen auf die Klägerin zugelassenen VW-Golf sowie Aufwendungen für zwei Mobilfunkrechnungen, die als Zahlungspflichtige die Klägerin ausweisen, abgebucht.

52

bb) Im Übrigen bieten auch die sonstigen Umstände keine Anhaltspunkte dafür, dass im Innenverhältnis etwaige Herausgabevereinbarungen bestanden haben könnten, wonach der Klägerin kein eigenes Verfügungsrecht über die auf dem Konto eingezahlten Gelder zustehen sollte. Entsprechende Vereinbarungen bzw. Absprachen im Innenverhältnis waren weder im Verwaltungsverfahren noch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Finanzgericht erwähnt worden. Auch haben die Vollstreckungsschuldner im Rahmen der eidesstattlichen Versicherungen entsprechende Herausgabeansprüche gegenüber der Klägerin als Treuhänderin des Kontos nicht angegeben, obwohl zu diesen Zeitpunkten solche Ansprüche gegebenenfalls hätten bestehen müssen.

53

Insgesamt gesehen sprechen auch der von der Klägerin für die Errichtung des Kontos angegebene Sinn und Zweck (Unterstützung der Vollstreckungsschuldner bei der Abwicklung des täglichen Zahlungsverkehrs) sowie die wohl tatsächlich nahezu ausschließliche Nutzung des Kontos durch die Vollstreckungsschuldner im Rahmen der Bankvollmacht nicht für eine Treuhandvereinbarung. Die Klägerin hat angegeben, den Vollstreckungsschuldnern das Konto "wie ein eigenes" zur Verfügung gestellt zu haben. Damit wird sie aber aufgrund der von den Beteiligten vereinbarten rechtlichen Gesamtkonstruktion gerade nicht als Treuhänderin tätig, sondern stellt nur ihren Namen als Kontoinhaberin wie eine "Strohfrau" zur Verfügung. Im Übrigen bezweifelt der Senat auch vor dem Hintergrund des wechselnden Sachvortrags der Klägerin im Hinblick auf den gegenüber der Bank berechtigten Forderungsinhaber aus dem Konto, dass tatsächlich eine Treuhandabrede oder auch nur entsprechende Herausgabeansprüche vereinbart waren.

54

Der Senat braucht deshalb nicht anhand der von der Klägerin vorgelegten Buchungsübersichten nebst Kontenblättern die Frage zu klären, ob der Klägerin die von den Vollstreckungsschuldnern vereinnahmten Gelder wirtschaftlich tatsächlich nicht zu Gute gekommen sind. Er kann im Streitfall auch offen lassen, ob die von der Rechtsprechung zu Treuhandverhältnissen entwickelten Rechtsgrundsätze auf andere Rechtsverhältnisse auszuweiten sein könnten, in denen der Kontoinhaber dem Vollstreckungsschuldner zur Herausgabe der von diesem auf das Konto geleisteten Beträge verpflichtet ist (offen gelassen im Ergebnis auch in FG Münster, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 11 K 634/07 AO, a.a.O.). Denn vorliegend ist für den Senat - aus den oben dargelegten Gründen - schon eine entsprechende Herausgabepflicht nicht hinreichend nachgewiesen.

55

5. Die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Klägerin überhaupt durch Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht zu beanstanden. Nach Aktenlage steht fest, dass das Vermögen der Vollstreckungsschuldner für eine vollständige Befriedigung der Forderungen des Finanzamts unzulänglich ist. Das reicht grundsätzlich aus, um einen Anfechtungs- und Duldungsbescheid zu erlassen (vgl. BFH, Beschluss vom 28. Mai 2003 - VII B 106/03, BFH/NV 2003, 1146). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

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6. Mit dem Erlass der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2012 hat der Beklagte auch die in den Duldungsbescheiden vom 05. Mai 2011 zum Teil fehlende Begründung zur Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Vollstreckungsschuldner und zur insoweit entsprechenden Kenntnis der Klägerin ordnungsgemäß nachgeholt, sodass die streitgegenständlichen Bescheide auch formell nicht (mehr) zu beanstanden sind (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO).

57

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

(1) Was durch die anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß dem Gläubiger zur Verfügung gestellt werden, soweit es zu dessen Befriedigung erforderlich ist. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.

(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zur Verfügung zu stellen, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.

(3) Im Fall der Anfechtung nach § 6a hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen bis zur Höhe des Betrags zu dulden, mit dem er als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, dem Gläubiger zur Verfügung stellt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.