Gericht

Finanzgericht München

Tatbestand

I.

Mit Bescheid vom 9. Juli 2015 hob der Antragsgegner (die Familienkasse) gegenüber dem Antragsteller die Festsetzung des Kindergeldes für [… AA] und [… BB] ab August 2015 auf; außerdem wurde die Kindergeldfestsetzung für [… CC] wegen der Ordnungszahl geändert und auf die Höhe von monatlich 184 EUR festgesetzt. Die Entscheidung begründete die Familienkasse damit, dass nach den vorgelegten Unterlagen die Kinder AA und BB im Juli 2015 ihre Schulausbildung beendet hätten.

Am 12. August 2015 beantragte der Antragsteller weiterhin Kindergeld für AA und BB und legte zur Begründung seines Antrages die Abiturzeugnisse der beiden Kinder vom jeweils 26. Juni 2015, sowie für BB eine Studienplatzbestätigung für die Zeit nach dem September 2015 vor und kündigte an, von AA eine Immatrikulationsbescheinigung nachzureichen. Mit Bescheid vom 27. August 2015 setzte die Familienkasse gegenüber dem Antragsteller wieder das Kindergeld für BB ab August 2015 fest, und änderte die Kindergeldfestsetzung für CC wieder auf monatlich 188 EUR. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 lehnte die Familienkasse den Antrag des Antragstellers auf Festsetzung für Kindergeld für AA ab August 2015 ab, da trotz Aufforderung keine Studienbescheinigung für das Wintersemester 2015/2016 vorgelegt worden sei.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2016 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder AA, BB und CC gegenüber dem Antragsteller ab Oktober 2013 auf und forderte das für den Zeitraum von Oktober 2013 bis einschließlich März 2016 gewährte Kindergeld in Höhe von 15.380 EUR zurück. Diese Entscheidung begründete die Familienkasse damit, dass der Antragsteller der Aufforderung, die Fragebögen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld sowie eine Arbeitgeberbescheinigung für jedes der drei Kinder vorzulegen, nicht nachgekommen sei. Diese Aufforderungen seien an den Antragsteller mit Schreiben vom 18. November 2015 und 25. April 2016 ergangen.

Mit Schreiben vom 13. August 2016 erhob der Antragsteller – vertreten durch seine Ehefrau – Einspruch gegen den Bescheid vom 18. Mai 2016. Zur Begründung wurde vorgetragen: Die verspätete Einspruchseinlegung sei unverschuldet, denn der Bescheid sei im Mai 2016 in der Annahme abgelegt worden, es handele sich um eine Nachfrage zur Immatrikulationsbescheinigung für den Sohn AA, die zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen habe. AA habe im April einen schweren unverschuldeten Autounfall erlitten. Der Antragsteller bitte um Verständnis für die Situation und erlaube sich nun alle erforderlichen Unterlagen umgehend zur Verfügung zu stellen und seiner Mitwirkungspflicht uneingeschränkt nachzukommen. Ab August 2015 sei für AA kein Kindergeld mehr bezahlt worden. Alle bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Zahlungen der Familienkasse hätte er rechtmäßig erhalten. Die erforderlichen Nachweise hierfür hätte die Familienkasse im August 2015 erhalten. AA und BB hätten im Juli 2015 Abitur gemacht. BB studiere seit September 2015 in [… EU-Land] und sei für das zweite Studienjahr ab September 2016 zugelassen. AA werde im September 2016 mit dem Studium beginnen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 24. August 2016 verwarf die Familienkasse den Einspruch gegen den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid als unzulässig. Der Einspruch sei nicht fristgerecht erhoben worden und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht eingeräumt werden.

Dagegen richtet sich die beim Finanzgericht München anhängige (Az. 12 K 2578/16) Klage des Antragstellers. Zur Begründung seiner Klage und seines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung des Kindergeldaufhebungsbescheides trägt der Antragsteller vor, dass eine unverschuldete Versäumnis der einmonatigen Einspruchsfrist vorliege. Der Bescheid vom 18. Mai 2016 sei nicht per Einschreiben zugestellt worden. Nicht klar sei deshalb, wann dieser Brief bei ihnen eingetroffen sei. Ihn selbst habe der Bescheid nicht erreicht. Er sei als Wochenendpendler […] tätig; seine Ehefrau erledige deshalb unter der Woche die Steuer- und Finanzangelegenheiten der Ehegatten. Der Bescheid sei erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt seiner Frau in die Hände gefallen. In der Zeit als dieser Bescheid zugestellt worden sein solle, sei der älteste Sohn AA nach einem unverschuldeten Unfall am […] in der chirurgischen Klinik […] behandelt worden. Er und seine Frau hätten zu dieser Zeit um sein Leben gebangt und hätten selbstverständlich den Fokus auf diese Situation gerichtet. Die Anhörungsschreiben vom 18. November 2015 und 25. April 2016 habe er nicht erhalten. Er hätte nie unberechtigt Kindergeld bezogen, die Kindergeldberechtigung für alle drei Kinder sei bis Juli 2015 durch Urkunden nachgewiesen. Deshalb sei die angeordnete Rückzahlung des Kindergeldes ab dem Jahr 2013 völlig unberechtigt und unverständlich. Im April 2016 seien die Kindergeldzahlungen insgesamt eingestellt worden.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Bescheid vom 18. Mai 2016 über die Aufhebung der Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder AA, BB und CC ab Oktober 2013 sowie die Rückzahlung des Kindergeldes in Höhe von 15.380 EUR in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. August 2016 ab Fälligkeit für die Dauer des Klageverfahrens wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit von der Vollziehung auszusetzen und die Vollziehung der verwirkten Säumniszuschläge aufzuheben.

Die Familienkasse beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Familienkasse ist der Auffassung, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Einspruchsfrist hätte nicht gewährt werden können, da die Fristversäumnis nicht unverschuldet sei. Dass der Sohn AA am […] einen schweren unverschuldeten Unfall gehabt hätte, sei ein harter Schicksalsschlag, stelle aber kein Hindernis dar, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen könne, zumal die Einspruchsfrist über zwei Monate nach dem Unglück geendet habe. Im Übrigen werde zur weiteren Begründung auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten verwiesen.

Gründe

II.

1. Der Antrag ist begründet.

  • a)Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

    a)Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, und vom 28. Mai 2015 V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1117). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 IV B 126/07, BFHE 223, 294, BStBl II 2009, 156, vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, m.w.N. und vom 23. Mai 2016 V B 20/16, BFH/NV 2016, 1308)

  • b)Nach diesen Maßstäben bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides vom 18. Mai 2016 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des Kindergeldes.

    b)Nach summarischer Prüfung ist der beschließende Senat der Auffassung, dass die Familienkasse in ihrer Einspruchsentscheidung vom 24. August 2016 zu Unrecht den Einspruch als unzulässig verworfen und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt hat; im Streitfall ist nach summarischer Prüfung dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 Abgabenordnung (AO) wegen der Versäumnis der Einspruchsfrist zu gewähren.

    b)aa) Im Einspruchsschreiben vom 13. August 2016 hat die Ehefrau des Antragstellers vorgetragen, dass der Bescheid vom 18. Mai 2016 von ihr im Mai 2016 in der Annahme abgelegt worden sei, es handele sich um eine Nachfrage nach einer Immatrikulationsbescheinigung für den Sohn AA. Nach summarischer Prüfung ist deshalb der Senat der Auffassung, dass der Aufhebungsbescheid dem Antragsteller im Mai 2016 bekannt gegeben worden (in seinen Machtbereich gelangt) ist. Demgemäß ist die Einspruchseinlegung im August 2016 verspätet, da die einmonatige Einspruchsfrist gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO zu diesem Zeitpunkt abgelaufen war. Eine Zustellung des Verwaltungsaktes war entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht erforderlich; wie § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO zeigt, ist die Bekanntgabe mit einfachem Brief durch die Post ausreichend.

    b)bb) Die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Einspruchsfrist durch die Familienkasse erscheint nach summarischer Prüfung unzutreffend.

    b)Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). "Ohne Verschulden" verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist jemand dann, wenn er die für einen gewissenhaft und sachgemäß handelnden Verfahrensbeteiligten gebotene und ihm nach den Umständen zumutbare Sorgfalt beachtet hat. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) dürfen die Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht überspannt werden (BFH-Urteile vom 29. November 2006 VI R 48/05, BFH/NV 2007, 861; vom 20. November 2008 III R 66/07, BFHE 223, 317, BStBl II 2009, 185). Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb der Monatsfrist des § 110 AO Abs. 2 Satz 1 AO. Nach Ablauf dieser Frist können Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Lediglich unklare oder unvollständige Angaben können erläutert oder ergänzt werden; dies jedoch nur dann, wenn jedenfalls innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen worden ist (BFH-Urteil vom 21. Februar 1995 VIII R 76/93, BFH/NV 1995, 989, 990, m.w.N.).

    b)cc) Der beschließende Senat geht mit der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, dass auch eine aus familiären Gründen entstandene, schwerwiegende seelische Belastung einen Entschuldigungsgrund bilden kann (BFH-Beschluss vom 20. Juni 1996 X R 95/93, BFH/NV 1999, 40 m.w.N.; BGH-Beschluss vom 24. März 1994 X ZB 24/93, NJW-RR 1994, 957).

    b)dd) Nach diesem Maßstab ist der beschließende Senat nach summarischer Prüfung der Auffassung, dass die Versäumnis der Einspruchsfrist unverschuldet ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumnis der Einspruchsfrist gemäß § 110 AO zu gewähren ist.

    b)Nach dem Vorbringen des Antragstellers hat ihn der Bescheid vom 18. Mai 2016 "nicht erreicht". Das ist nach Auffassung des Senats nur so zu verstehen, dass er bis zum Einspruchsschreiben seiner Ehefrau von diesem Bescheid keine Kenntnis hatte. Nach der bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Begründung des Wiedereinsetzungsantrages durch den Antragsteller (und seine Ehefrau), hat die Ehefrau den Aufhebungsbescheid im Mai 2016 bekommen und aufgrund der Stresssituation nach dem Unfall des Sohnes AA falsch interpretiert und abgelegt und dann erst später wieder gefunden und die richtigen Schlüsse gezogen. Danach wurde mit dem Schreiben vom 13. August 2016 auch unverzüglich der Einspruch erhoben.

    b)Damit kann allenfalls ein Verschulden der Ehefrau an der Fristversäumnis in Betracht kommen. Nach summarischer Prüfung ist der Senat aber der Auffassung, dass die Familienkasse dem Antragsteller zu Unrecht ein Verschulden seiner Ehefrau zugerechnet hat. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob seiner Ehefrau tatsächlich ein Verschulden zur Last fällt; auf jeden Fall ist der Senat nach summarischer Prüfung davon überzeugt, dass aufgrund der Sorge um das Leben des Sohnes AA der Ehefrau des Antragstellers nicht vorgeworfen werden kann, dass sie den Aufhebungsbescheid vom 18. Mai 2016 nicht richtig zur Kenntnis genommen hat und unbeachtet beiseite gelegt hat. Dieses Verhalten der Ehefrau erscheint dem Senat in dieser besonderen Situation verständlich und aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vergleiche oben Text II.1.b.cc.) nach summarischer Prüfung entschuldbar. Jedenfalls stünde dieses Verschulden nicht einem Verschulden des Antragstellers gleich.

    b)Zwar ist nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO das Verschulden des Bevollmächtigten als ein Verschulden des Beteiligten selbst anzusehen. Gedacht ist in diesem Zusammenhang jedoch an das Verschulden eines Anwalts oder Steuerberaters (Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 110 Rz. 59; obwohl der Begriff des Vertreters weit auszulegen ist) oder eines Prozessbevollmächtigten. Aber auch für die Frage der Wiedereinsetzung wird das Verschulden der Hilfspersonen eines prozessbevollmächtigten Anwalts nur dann als Verschulden des Beteiligten erachtet, wenn es vom Anwalt selbst – z.B. wegen eines Organisationsverschuldens – zu vertreten ist. Die gleichen Grundsätze müssen auch für den Beteiligten selbst gelten, wenn er Hilfspersonen heranzieht (BFH-Urteil vom 11. Januar 1983 VII R 92/80, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334; Klein/Rätke, AO, 13. Aufl. 2016, § 110 Rz. 89). Der Antragsteller hat im vorliegenden Fall seine Ehefrau, die auch bei seiner Abwesenheit unter der Woche wegen seiner Arbeit […] in der gemeinsamen Familienwohnung anwesend war, als Hilfsperson für seine Finanz- und Steuerangelegenheiten, damit auch seine Angelegenheiten in Kindergeldsachen herangezogen. Das erscheint nach der Lage des Falles sachgerecht. Außerdem hat der Antragsteller seine Ehefrau auch wiederholt für die Stellung von Kindergeldanträgen bevollmächtigt; sie erlangt dadurch aber nicht die Stellung einer Vertreterin i.S. des § 110 Abs. 1 Satz 2 AO (BFH-Beschlüsse vom 23. Oktober 2001 VIII B 51/01, BFH/NV 2002, 162; vom 5. Februar 1975 II B 29/74, BFHE 115, 12, BStBl II 1975, 465). Im Übrigen hat der Senat nach summarischer Prüfung auch keinen Anlass davon auszugehen, dass dem Antragsteller ein Verschulden bei der Kontrolle der Postsendungen in seinen Finanz- und Steuerangelegenheiten unterlaufen wäre. Denn der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung glaubhaft vorgetragen, dass ihn das Schreiben der Familienkasse vom 25. April 2016 nicht erreicht hat; der Senat geht deshalb davon aus, dass er seine Ehefrau deshalb auch nicht besonders instruieren hätte müssen.

  • c)Nach summarischer Prüfung hat der beschließende Senat erhebliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Bescheids vom 18. Mai 2016 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Kinder AA (geb. […]), BB (geb. […]) und CC (geb. […]) ab Oktober 2013.

    c)Aus den von der Familienkasse vorgelegten Kindergeldakten – beginnend mit dem Kindergeldantrag vom 6. Januar 2015 – ist nach summarischer Prüfung für den Senat ersichtlich, dass AA die Kindergeldvoraussetzungen gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG) bis Juli 2015 durch Schulbesuch (bis zum Abitur) und BB bis September 2016 (Abitur 2015 und dann Studium in [… EU-Land] bis mindestens September 2016) erfüllen. CC ist ohnehin als Kind unter 18 Jahren gemäß § 32 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen.

    c)Weitere Streitigkeiten zwischen den Beteiligten über die Kindergeldberechtigung des Antragstellers sind weder geltend gemacht noch nach summarischer Prüfung zwischen den Beteiligten ersichtlich. Jedenfalls ist nach summarischer Prüfung aus der Kindergeldakte nicht ersichtlich, in wieweit aus dem Umstand, dass der Antragsteller als Wochenendpendler einer Arbeit in [… EU-Land] nachgeht (nach dessen Angaben im Kindergeldantrag vom 6. Januar 2015 bereits seit [… mehreren Jahren]), eine Berechtigung zur rückwirkenden Aufhebung der Kindergeldfestsetzungen resultieren kann. Auch befindet sich ein Abdruck der Anfrage der Familienkasse vom 18. November 2015 nicht in der vorgelegten Kindergeldakte und das in die Akte erst nach dem Bescheid vom 15. Dezember 2015 eingereihte entsprechende Vordruckblatt (ohne Datum; mit dem Ausdruckdatum 16.01.2016) bezieht sich auch nur auf einen "künftigen Anspruch".

  • d)Für die bisher auf die zurückzuzahlende Steuervergütung (Kindergeld) angefallenen Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO) war die Aufhebung der Vollziehung auszusprechen. Im Streitfall hat der beschließende Senat den Antrag so ausgelegt, dass die Aussetzung der Vollziehung ab Fälligkeit beantragt und damit erkennbar auch eine rückwirkende Beseitigung der Säumniszuschläge begehrt wird. Inhaltlich ist eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt gerechtfertigt (BFH-Beschluss vom 19. März 2014 III S 22/13, BFH/NV 2014, 856).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Beschluss, 22. Nov. 2016 - 12 V 2736/16

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Finanzgericht München Beschluss, 22. Nov. 2016 - 12 V 2736/16 zitiert 11 §§.

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(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 355 Einspruchsfrist


(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den

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(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Finanzgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Januar 2015  3 V 9/14 wird als unbegründet zurückgewiesen, soweit das Finanzgericht die Vollziehungsaussetzung abgelehnt hat. Im Übrigen ist die Beschwerde unzulässig.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) vermittelte für H. den Verkauf von Wohneinheiten. H. hatte der Antragstellerin eine notarielle Vollmacht erteilt. Nach den zwischen der Antragstellerin und H. bestehenden Vereinbarungen war die Antragstellerin berechtigt, Verkaufspreise, die über den jeweils festgelegten Mindestverkaufspreis hinausgingen (Mehrerlös) für sich zu vereinnahmen.

2

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Antragstellerin umsatzsteuerpflichtige Vermittlungsleistungen an H. erbracht habe, wobei der jeweilige Mehrerlös als Entgelt anzusehen sei und erließ entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre 2007 bis 2009.

3

Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist, und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Das FA lehnte die Vollziehungsaussetzung ab.

4

Ein beim Finanzgericht (FG) gestellter Antrag auf Vollziehungsaussetzung hatte nur in Bezug auf die Bestimmung der Entgelthöhe Erfolg. Das FG ging demgegenüber im Grundtatbestand davon aus, dass die Antragstellerin umsatzsteuerpflichtige Vermittlungsleistungen an H. erbracht habe. Eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestehe nicht. Zwar liege eine Grunderwerbsteuerpflicht nach § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) vor, da die Antragstellerin als atypische Maklerin aufgrund der ihr notariell erteilten Verkaufsvollmachten und ihrer Erlösbeteiligung eine Verwertungsbefugnis erlangt habe. Dies begründe aber keine Umsatzsteuerfreiheit, da sich die gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG geschuldete Grunderwerbsteuer nach dem an H. auszukehrenden Mindestkaufpreis bestimme, während sich die Umsatzsteuer für die Vermittlung nach dem Mehrerlös richte. Damit fehle es an einer grunderwerbsteuerrechtlichen Belastung der umsatzsteuerrechtlichen Vermittlungsleistung. Es liege kein Zwischenerwerb vor, da die Antragstellerin im Namen von H. gehandelt habe.

5

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt. Die grunderwerbsteuerrechtliche Fiktion des Zwischenerwerbs begründe für sie eine wirtschaftliche Verfügungsmacht i.S. von § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung. Sie führe Umsätze aus, die unter das GrEStG fielen. Insoweit sei auf den Gesamtumsatz abzustellen, wie er beim Grundstückserwerber als Leistungsempfänger ankomme. Auch in Höhe ihrer Kaufpreisanteile liege ein grunderwerbsteuerrechtlicher Vorgang vor. Das FA habe die an sie ausgekehrten Kaufpreisanteile zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen. Zweifel ergeben sich auch aus einer Revisionszulassung durch das FG Köln.

6

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des FG-Beschlusses die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 vom 3. September 2013, geändert durch Bescheid vom 10. Dezember 2013, in Höhe von 11.990,48 € (2007), 125.870,75 € (2008) und 56.187,83 € (2009) ab Fälligkeit bis zur Entscheidung im Einspruchsverfahren ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

7

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

8

Die Antragstellerin habe Vermittlungsleistungen erbracht, die nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei seien.

Entscheidungsgründe

9

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet und im Übrigen unzulässig; sie ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

10

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

11

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (vgl. dazu z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Juli 2013 XI B 41/13, BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; vom 2. Juli 2014 XI S 8/14, BFH/NV 2014, 1601, Rz 24; vom 26. September 2014 XI S 14/14, BFH/NV 2015, 158, jeweils m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16; in BFH/NV 2014, 1601, Rz 24; in BFH/NV 2015, 158, jeweils m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 9; vom 3. April 2013 V B 125/12, BFHE 240, 447, BStBl II 2013, 973, Rz 12; in BFH/NV 2013, 1647, Rz 16, jeweils m.w.N.).

12

2. Im Streitfall ist das FG zu Recht von Vermittlungsleistungen der Klägerin ausgegangen, da sie bei den Grundstücksverkäufen im fremden Namen gehandelt hat, so dass ein Zwischenerwerb nicht in Betracht kommt. Zudem hat das FG ernstliche Zweifel an der Steuerpflicht dieser Vermittlungsleistungen dem Grunde nach zu Recht verneint.

13

a) § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG befreit von der Umsatzsteuer die Umsätze, die unter das GrEStG fallen. Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k sowie auf Art. 371 i.V.m. Anhang X Teil B Nr. 9 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die Befugnis, die Lieferung von Gebäuden und Gebäudeteilen von der Umsatzsteuer zu befreien.

14

b) Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dabei wendet der BFH diese Vorschrift auch auf Rechtsvorgänge an, bei denen ein sog. atypischer Makler aufgrund besonderer Abreden in einem Vermittlungsauftrag über Grundstückseigentum eine Rechtsstellung erhält, die es ihm als eine "Chance zur Beteiligung an der Substanz des Grundstücks" einräumt und ihm ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten, da der Grundstückseigentümer zum Abschluss von Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision zusteht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Oktober 1990 II R 55/88, BFH/NV 1991, 556).

15

c) Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang des atypischen Maklervertrages ist nicht identisch mit der von der Antragstellerin erbrachten Vermittlungsleistung. Die Vermittlungsleistung ergibt sich aus dem der Antragstellerin erteilten Vermittlungsauftrag, während der sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergebende Steuertatbestand darauf beruht, dass der Vermittler zusätzlich zum Vermittlungsauftrag besondere Befugnisse erhält, die ihm eine Verwertung auf eigene Rechnung ermöglichen.

16

Bestätigt wird die Trennung zwischen Vermittlung und Verwertungsbefugnis dadurch, dass sich die Grunderwerbsteuerpflicht gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG nach dem Mindestverkaufspreis (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juli 2000 II R 33/98, BFH/NV 2001, 206, unter II.1.b), nicht aber nach dem Mehrerlös als Entgelt für die Vermittlung richtet.

17

d) Gegen die Umsatzsteuerpflicht der von der Antragstellerin erbrachten Leistungen bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken. Denn das Unionsrecht gestattet die Anwendung der Steuerfreiheit nur für Lieferungen (s. oben II.2.a), nicht aber auch für Vermittlungsleistungen als sonstige Leistungen (Dienstleistungen).

18

e) Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des FG Köln vom 26. Juni 2014  3 K 2924/11, das für den atypischen Makler gleichfalls von einer Steuerpflicht der Vermittlung ausgeht. Die Zulassung der Revision durch ein FG begründet für sich allein noch keine ernstlichen Zweifel an einem Steueranspruch.

19

3. Es liegt keine unionsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung vor. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) bereits ausdrücklich entschieden hat, weist die Grunderwerbsteuer nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer auf (EuGH-Beschluss Vollkommer vom 27. November 2008 C-156/08, EU:C:2008:663, UR 2009, 136, Rz 33). Eine Doppelbesteuerung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer verstößt daher nicht gegen Art. 33 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Hiervon geht auch die ständige Rechtsprechung des BFH aus (Urteile vom 2. April 2008 II R 53/06, BFHE 220, 550, BStBl II 2009, 544, unter II.2.d aa, und vom 3. September 2008 XI R 54/07, BFHE 222, 153, BStBl II 2009, 499, unter II.3.d).

20

4. Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie betragsmäßig nicht die durch das FG bereits gewährte Vollziehungsaussetzung berücksichtigt, die insoweit zur Unzulässigkeit mangels Rechtsschutzbedürfnis führt.

21

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) ist als Schadensregulierer bei Unfällen mit Kraftfahrzeugen, die bei ausländischen Versicherungsgesellschaften versichert sind, tätig. Nach dem in dieser Streitsache ergangenen Beschluss des Finanzgerichts (FG) war "Auftraggeber" der Antragstellerin ein inländischer Verein, bei dem es sich um eine Einrichtung der deutschen Autohaftpflichtversicherer zur Abwicklung von Autohaftpflichtfällen im Rahmen des sog. Grüne-Karte-Systems handelt. Dabei übernahm der Verein die Pflichten eines Haftpflichtversicherers für ausländische Kraftfahrzeuge in Deutschland. Der Verein regulierte die Schadensfälle nicht selbst, sondern übertrug die Abwicklung des Falles insbesondere privaten Schadensregulierern wie z.B. der Antragstellerin, die dann "im Auftrage" des Vereins tätig wurden.

2

Die Antragstellerin hatte für die Streitjahre (2005 bis 2008) Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben und darin ihre Umsätze als Schadensregulierer nicht der Umsatzsteuer unterworfen, da sich der Ort ihrer Leistungen nicht im Inland befunden habe. Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar 2007 bis Mai 2007 ging der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) demgegenüber davon aus, dass die Tätigkeit der Antragstellerin lediglich Verwaltungscharakter gehabt habe und mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar sei, so dass die von der Antragstellerin erbrachten Leistungen Inlandsumsätze seien. Das FA erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Inlandsumsätze unter Verminderung der nichtsteuerbaren Auslandsumsätze für die Streitjahre 2005 bis 2008 in den Umsatzsteueränderungsbescheiden vom 22. November 2010 in Höhe von insgesamt 141.940 €. Dabei versagte das FA für das Streitjahr 2007 auch den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit zwei steuerpflichtigen Mietverhältnissen, da die dem Vorsteuerabzug zugrunde liegenden Rechnungen fehlerhaft gewesen seien.

3

Gegen die Änderungsbescheide legte die Antragstellerin am 23. Dezember 2010 Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Auch hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, dem das FA nur insoweit abhalf, als es die bisher als nichtsteuerbar behandelten Auslandsumsätze nicht mehr als Entgelt, sondern als Gegenleistung für steuerpflichtige Inlandsleistungen ansah und AdV in Höhe von 27.702,78 € gewährte.

4

Das FG gab daraufhin dem bei ihm hinsichtlich der weiteren Steuernachforderung gestellten Antrag auf AdV mit seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2011, 1930 veröffentlichten Beschluss ganz überwiegend statt. Ein Unternehmen, das für ausländische Versicherungsunternehmen die Schadensregulierung bei Kraftfahrzeugunfällen im Inland vornehme, erbringe Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) und übe damit eine anwaltsähnliche Tätigkeit i.S. von § 3a Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) aus. Eine "ähnliche Leistung" i.S. des § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG könne auch vorliegen, wenn sie keine Beratungsleistung darstelle. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe die Rechnungsberichtigung nach § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) für die Vorsteuerkorrektur aber nur ex nunc-Wirkung. Der erst nach Ablauf der Streitjahre erfolgten Rechnungskorrektur komme daher keine Rückwirkung zu.

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Beschwerde. Die Tätigkeit der Antragstellerin sei nicht mit der eines Rechtsanwalts vergleichbar. Sie könne keine Interessenvertretung übernehmen und sei kein Organ der Rechtspflege. Die von der Antragstellerin nur rudimentär vorgenommene rechtliche Beurteilung sei nur eine Nebenleistung.

6

Das FA beantragt,
den Beschluss des FG aufzuheben und den Antrag in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

7

Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde des FA ist überwiegend begründet. Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird der Antrag auf AdV zur Umsatzsteuer 2005, 2006 und 2008 als unbegründet zurückgewiesen. Im Übrigen wird das Verfahren an das FG zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Entgegen dem Beschluss des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel an der inländischen Steuerpflicht der durch die Antragstellerin erbrachten Leistungen bei der Schadensregulierung. Der Senat kann aber für das Streitjahr 2007 nicht abschließend entscheiden, ob ernstliche Zweifel an der Versagung des Vorsteuerabzugs bestehen.

9

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFH/NV 2012, 95, unter II.2., m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 95, unter II.2.).

10

2. Entgegen dem Beschluss des FG bestehen keine ernstlichen Zweifel am Vorliegen eines inländischen Leistungsorts gemäß § 3a Abs. 1 UStG. Die Voraussetzungen für eine hiervon abweichende Ortsbestimmung gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG liegen entgegen dem Beschluss des FG nicht vor, da die Leistungen der Antragstellerin bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht als ähnliche Beratungsleistungen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind.

11

a) Nach § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG in seiner in den Streitjahren geltenden Fassung wurden die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer sowie ähnliche Leistungen anderer Unternehmer, insbesondere die rechtliche, wirtschaftliche und technische Beratung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG ist entsprechend dem ihm unionsrechtlich zugrunde liegenden Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2012 V R 20/11, juris). Danach gilt als Ort der Leistungen von Beratern, Ingenieuren, Studienbüros, Anwälten, Buchprüfern und sonstiger ähnlicher Leistungen sowie der Datenverarbeitung und der Überlassung von Informationen der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Für die Streitjahre 2007 und 2008 folgt dies aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

12

b) Der Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Anwendung von § 3a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Nr. 3 UStG im Streitfall bereits daran scheitert, dass der Verein als "Auftraggeber" im Inland Empfänger der von der Antragstellerin erbrachten Leistungen war (zur Bestimmung der Person des Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa). Unabhängig hiervon kommt die Anwendung des Empfängerortprinzips nicht in Betracht, da die Antragstellerin keine sonstige Leistung i.S. von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG erbracht hat.

13

aa) Der bei richtlinienkonformer Auslegung von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG zu berücksichtigende Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG bezieht sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nicht auf Berufe, sondern "zieht die in dieser Bestimmung aufgeführten Berufe heran, um die dort angesprochenen Arten von Leistungen zu definieren" (EuGH-Urteile vom 16. September 1997 C-145/96, von Hoffmann, Slg. 1997, I-4857 Rdnr. 15, und vom 7. Oktober 2010 C-222/09, Kronospan Mielec, BFH/NV 2010, 2377 Rdnr. 19). Dabei muss es sich um Leistungen handeln, die hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen eines dieser Berufe erbracht werden (EuGH-Urteile von Hoffmann in Slg. 1997, I-4857 Rdnr. 16, und Kronospan Mielec in BFH/NV 2010, 2377 Rdnr. 20; BFH-Urteil vom 10. November 2010 V R 40/09, BFH/NV 2011, 1026, unter II.1.c).

14

Darüber hinaus bezieht sich der Begriff der sonstigen ähnlichen Leistungen i.S. von Art. 9 Abs. 2 Buchst. e dritter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG nicht auf ein Element, das den in dieser Bestimmung aufgeführten unterschiedlichen Tätigkeiten gemeinsam ist, sondern auf Leistungen, die irgendeiner dieser Tätigkeiten --bei gesonderter Betrachtung-- ähnlich sind. Dabei ist eine Leistung dann einer in dieser Bestimmung aufgeführten Tätigkeit ähnlich, wenn beide Tätigkeiten dem gleichen Zweck dienen (vgl. EuGH-Urteile vom 6. März 1997 C-167/95, Linthorst, Pouwels en J. Scheren, Slg. 1997, I-1195 Rdnrn. 19 bis 22; von Hoffmann in Slg. 1997, I-4857 Rdnrn. 20 und 21, und vom 6. Dezember 2007 C-401/06, Kommission/Deutschland, Slg. 2007, I-10609 Rdnr. 31). Dies ist bei der richtlinienkonformen Auslegung der Tatbestandsmerkmale "rechtliche, wirtschaftlich und technische Beratung gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG" zu berücksichtigen.

15

Danach entsprechen z.B. die Leistungen eines Testamentsvollstreckers nicht denen eines Rechtsanwalts. Denn während die Leistungen des Rechtsanwalts vor allem der Rechtspflege dienen, sind die Leistungen der Testamentsvollstrecker wirtschaftlicher Art und dienen der Bewertung und Verteilung des Vermögens des Erblassers sowie dem Schutz dieses Vermögens und der Fruchtziehung aus diesem (EuGH-Urteil Kommission/ Deutschland in Slg. 2007, I-10609 Rdnr. 39).

16

bb) Im Streitfall bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass ein von § 3a Abs. 1 UStG abweichender Leistungsort nach § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG aufgrund einer Ähnlichkeit mit einer Rechtsanwaltsleistung nicht in Betracht kommt. Denn die Rechtsanwaltsleistung wird durch das Handeln zur Rechtspflege geprägt, während die Leistungen der Antragstellerin bei der Schadensregulierung --ähnlich einer Testamentsvollstreckung-- eher wirtschaftlicher Art sind, dem Vermögensschutz der Versicherung dienen und insoweit Vermögensbetreuungscharakter haben.

17

cc) Für ihre Gegenauffassung kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die vom FG gezogene Parallele zum RDG berufen. Der Senat hat im Streitfall nicht zu entscheiden, ob die Antragstellerin Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 RDG erbracht hat und danach in konkreten fremden Angelegenheiten mit einer rechtlichen Prüfung des Einzelfalls tätig war.

18

Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt wird, dass sie Rechtsdienstleistungen i.S. von § 2 Abs. 1 RDG erbracht hat, scheitert eine Anwendung von § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG zu ihren Gunsten zumindest daran, dass Schwerpunkt ihrer Leistungstätigkeit keine Rechtsdienstleistungen sind, wie sie hauptsächlich und gewöhnlich im Rahmen einer Anwaltstätigkeit erbracht werden. Hierfür spricht bereits, dass der Antragstellerin die Erbringung von Rechtsdienstleistungen weder nach den §§ 6 ff. RDG als nicht registrierte Person noch nach den §§ 10 ff. RDG als registrierte Person erlaubt war. Sie durfte daher gemäß § 5 Abs. 1 RDG Rechtsdienstleistungen nur im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erbringen, wenn die Rechtsdienstleistung als Nebenleistung zu einem "Berufs- oder Tätigkeitsbild" gehört, wobei sich das Vorliegen einer Nebenleistung nach ihrem Inhalt, dem Umfang und dem sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, beurteilt.

19

Im Rahmen der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist dabei davon auszugehen, dass die Antragstellerin die ihr nach dem RDG zustehenden Befugnisse nicht überschritten hat. Soweit sie Rechtsdienstleistungen erbracht haben sollte, handelte es sich daher bei diesen nur um "Nebenleistungen" zu der Haupttätigkeit eines gewerblichen Schadensregulierers. Dass nur eine Nebenleistung und damit nur ein Teilaspekt mit einer durch Rechtsanwälte erbrachten Leistung vergleichbar ist, reicht indes zur Begründung einer ähnlichen Leistung nicht aus.

20

3. Der Senat kann demgegenüber nicht entscheiden, ob eine Vollziehungsaussetzung für das Streitjahr 2007 insoweit in Betracht kommt, als das FA den Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt hat, der Antragstellerin seien für die von ihr bezogenen Leistungen unvollständige oder unrichtige Rechnungen ausgestellt worden und einer erst späteren Rechnungsberichtigung komme keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zu. Insoweit war der Beschluss des FG aufzuheben und die Sache an das FG zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

21

a) Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Regelung beruht unionsrechtlich auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a und Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG sowie in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a MwStSystRL.

22

b) Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung erfolgen kann, ist das Urteil des EuGH vom 15. Juli 2010 C-368/09, Pannon Gép (Slg. 2010, I-7467) zu berücksichtigen.

23

aa) Nach dem EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 steht das Unionsrecht "einer nationalen Regelung oder Praxis entgegen, nach der die nationalen Behörden einem Steuerpflichtigen das Recht, den für ihm erbrachte Dienstleistungen geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuerbetrag von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer abzuziehen, mit der Begründung absprechen, dass die ursprüngliche Rechnung, die zum Zeitpunkt der Vornahme des Vorsteuerabzugs in seinem Besitz war, ein falsches Datum des Abschlusses der Dienstleistung aufgewiesen habe und dass die später berichtigte Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift nicht fortlaufend nummeriert gewesen seien (...), wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt sind und der Steuerpflichtige der betreffenden Behörde vor Erlass ihrer Entscheidung eine berichtigte Rechnung zugeleitet hat, in der das zutreffende Datum des Abschlusses der genannten Dienstleistung vermerkt war, auch wenn diese Rechnung und die die ursprüngliche Rechnung aufhebende Gutschrift keine fortlaufende Nummerierung aufweisen".

24

bb) Ob sich hieraus eine Rückwirkung für den Fall der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung ergibt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden und finanzgerichtlich sowie im Schrifttum umstritten.

25

(1) Mehrere FGs (Niedersächsisches FG, Urteil vom 25. Oktober 2010  5 K 425/08, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2011, 1337, Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 41/10; ebenso Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom 22. Februar 2011  5 V 5004/11, EFG 2011, 1295; Urteil des FG Köln vom 13. Juli 2011  2 K 2695/10, juris, und Beschluss des FG Hamburg vom 6. Dezember 2011  2 V 149/11, sowie Huschens, Umsatz- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2010, 333; Meurer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2442, und wohl auch Nieskens, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 693) gehen davon aus, dass einer Rechnungsberichtigung auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 keine Rückwirkung zukommt, da sich der EuGH nicht ausdrücklich zur Frage der Rückwirkung geäußert habe (Huschens, UVR 2010, 333, 335, und Meurer, DStR 2010, 2442, 2443), nach dem nationalen Recht des diese Rechtssache betreffenden Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einer Rechnungskorrektur mit Rückwirkung bestehe (Huschens, UVR 2010, 333, 336) und § 31 Abs. 5 UStDV nur zum Ausdruck bringen solle, dass das Fehlen oder die Unrichtigkeit von Rechnungsangaben nicht zu einem endgültigen Verlust des Vorsteuerabzugs führt (Huschens, UVR 2010, 333, 336).

26

(2) Demgegenüber kann das EuGH-Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 unter Berücksichtigung des dieser Rechtssache zugrunde liegenden Sachverhalts auch dahingehend zu verstehen sein, dass das FA nicht berechtigt ist, den in dieser Rechtssache streitigen Vorsteuerabzug für das Jahr 2007 durch einen in 2009 ergangenen Nachforderungsbescheid zu versagen, wenn dem FA im Zeitpunkt des Erlasses dieses Bescheides eine bereits in 2008 erfolgte Rechnungsberichtigung vorliegt (für ernstliche Zweifel z.B. Beschluss des FG Nürnberg vom 7. Oktober 2010  2 V 802/2009, EFG 2011, 1113; Beschluss des FG des Saarlandes vom 16. Februar 2012  2 V 1343/11, EFG 2012, 1115, Beschwerde eingelegt, Az. des BFH: XI B 33/12; vgl. auch Martin, BFH/PR 2010, 388; Sterzinger, UR 2010, 700; Wäger, DStR 2010, 1478, und Wagner, UVR 2010, 311).

27

c) Ob einer Rechnungsberichtigung unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zukommen kann, hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung offengelassen (BFH-Urteil vom 2. September 2010 V R 55/09, BFHE 231, 332, BStBl II 2011, 235, unter II.5.). Diese Frage ist auch im Streitfall, der ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft, nicht abschließend zu entscheiden.

28

Für das Vorliegen der im Streitfall allein entscheidungserheblichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des vom FA festgesetzten Steueranspruchs trotz der vom FG angenommenen Rechnungsberichtigung spricht nun, dass eine derartige Rückwirkung mit dem Wortlaut des § 31 Abs. 5 UStDV vereinbar ist (vgl. Widmann, UR 2009, 249, 250; Widmann in Plückebaum/ Malitzky, UStG, § 14 Rz 114, und Wagner, in Sölch/Ringleb, UStG, § 14 Rz 484 ff.) und der EuGH in seinem Urteil Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 für eine vergleichbare Fallkonstellation ebenfalls eine Rückwirkung der Rechnungsberichtigung zu bejahen scheint.

29

Die gleichwohl an der Bedeutung des EuGH-Urteils Pannon Gép in Slg. 2010, I-7467 bestehenden Zweifel, wie z.B. die Frage, wie diese Entscheidung mit der EuGH-Rechtsprechung zu vereinbaren ist, nach der der erstmaligen Rechnungserteilung keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zukommt (EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-152/02, Terra Baubedarf-Handel, Slg. 2004, I-5583), lassen die ernstlichen Zweifel nicht entfallen. Insbesondere erscheint es durchaus möglich, dass der Steuerpflichtige entsprechend dem EuGH-Urteil Terra Baubedarf-Handel in Slg. 2004, I-5583 das Recht auf Vorsteuerabzug erst ausüben kann, wenn ihm eine Rechnung vorliegt, dass diese Rechnung bei Fehlern oder Unvollständigkeiten aber auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung berichtigt werden kann. Der von Huschens in UVR 2010, 333, 336 befürchtete Wertungswiderspruch, dass eine Rechnungsberichtigung zu einem Vorsteuerabzug mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung führen könne, entsteht dann nicht.

30

d) Der Senat kann über die Frage, ob danach im Streitfall ernstliche Zweifel an dem festgesetzten Steueranspruch bestehen, gleichwohl nicht selbst entscheiden.

31

aa) Die Entscheidung über einen Antrag auf AdV ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten und den präsenten Beweismitteln ergibt, aus denen das Gericht seine Feststellungen zum Sachverhalt zu treffen hat. Zwar besteht im Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Antrags auf AdV durch das FG für den BFH als Tatsachengericht grundsätzlich selbst die Befugnis und Pflicht zur Tatsachenfeststellung. Dies steht aber nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. März 2009 X B 197/08, BFH/NV 2009, 961) einer Zurückverweisung des Verfahrens zur ergänzenden Tatsachenfeststellung durch das FG nach §§ 132, 155 FGO i.V.m. § 572 Abs. 3 der Zivilprozessordnung nicht entgegen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die Feststellungen besser durch das FG getroffen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der BFH als Revisions- und Beschwerdegericht in erster Linie die Aufgabe hat, die Entscheidungen der FG zu überprüfen, wohingegen die FG dem Rechtsuchenden den ersten Zugang zum Richter zu bieten haben.

32

bb) Danach ist die Sache an das FG zur ergänzenden Tatsachenfeststellung zurückzuverweisen. Das FG hat zu den Mängeln der der Antragstellerin zunächst vorliegenden Rechnungen keinerlei Feststellungen getroffen. Im Streitfall ist es dem Senat auch weder anhand der vorliegenden Akten noch anhand der präsenten Beweismittel feststellbar, wie die Mängel, die die der Antragstellerin zunächst erteilten Rechnungen aufwiesen, später behoben worden sind.

33

Insoweit ist zu beachten, dass, wenn die Möglichkeit einer Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zu bejahen ist, die Rechnungsberichtigung aber von einer erstmaligen Rechnungserteilung abzugrenzen ist. Hierzu sind weitere Feststellungen zu treffen. Dabei kann das FG von der Berichtigung einer bereits zuvor erteilten Rechnung jedenfalls dann ausgehen, wenn das zunächst erteilte "Dokument", das später berichtigt werden soll, zumindest die Merkmale des Rechnungsbegriffs des § 14c UStG aufweist und daher Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 39/09, BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734, unter II.c bb ddd).

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sächsischen Finanzgerichts vom 30. November 2015  3 V 774/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) erbrachte in den Streitjahren 2010 und 2011 Bauleistungen an eine Bauträger-GmbH (B-GmbH), die Organgesellschaft der A-GbR als Organträger war. Die B-GmbH verwendete die bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten und für Bestandsimmobilien. Die Antragstellerin und die B-GmbH gingen von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aus. Dementsprechend versteuerte die A-GbR als Steuerschuldner die Leistungsbezüge von der Antragstellerin.

2

Unter Berufung auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 V R 37/10 (BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128) verlangte die A-GbR die Erstattung der von ihr nach § 13b UStG entrichteten Steuer. Daraufhin änderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen 2010 und 2011 der Antragstellerin durch die Änderungsbescheide vom 17. April 2015 gemäß § 164 der Abgabenordnung. Dabei ging das FA davon aus, dass die Antragstellerin die steuerpflichtig an die B-GmbH erbrachten Leistungen als Steuerschuldner zu versteuern habe. Zur Begründung wies das FA auf die Neuregelung in § 27 Abs. 19 UStG hin. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab.

3

Demgegenüber gewährte das Finanzgericht (FG) die beantragte Vollziehungsaussetzung. Es sah die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide insbesondere im Hinblick auf den unionsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit als ernstlich zweifelhaft an.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit Beschwerde. § 27 Abs. 19 UStG sei anzuwenden. Es bestehe ein vorrangiges Interesse am Vollzug eines formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes. Zu beachten seien die Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte.

5

Das FA beantragt,
unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Vollziehungsaussetzung zur Umsatzsteuer 2010 und 2011 abzulehnen.

6

Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung des FG.

Entscheidungsgründe

7

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde des FA ist unbegründet; sie ist daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

8

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

9

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182, und vom 28. Mai 2015 V B 15/15, BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 9, m.w.N., und in BFH/NV 2015, 1117, Rz 11, m.w.N.).

10

2. Es ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass nach Maßgabe des BFH-Urteils in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 die Antragstellerin anstelle der A-GbR Steuerschuldner ist (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFHE 252, 187, Rz 13).

11

3. Es bestehen für die beiden Streitjahre aber ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, wie sich aus dem BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2015 XI B 84/15 (BFHE 252, 181, BStBl II 2016, 192) ergibt, auf den der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.

12

4. Darüber hinaus ist für die beiden Streitjahre auch ernstlich zweifelhaft, ob der in der Person der Antragstellerin begründete Steueranspruch entsprechend § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG bereits in den Streitjahren uneinbringlich geworden sein könnte. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seinen Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 16 ff.

13

5. Soweit das FA die Beschwerde mit haushälterischen Erwägungen begründet, weist der Senat darauf hin, dass es zumindest zweifelhaft ist, ob das FA zu einer Erstattung an den Bauträger auch dann verpflichtet ist, wenn der Bauträger den auf den Leistungsbezug entfallenden Steueranteil nicht an seinen Vertragspartner gezahlt hat (BFH-Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 25).

14

6. Es ist nicht danach zu unterscheiden, ob die B-GmbH die von der Antragstellerin bezogenen Leistungen für Bauträgertätigkeiten oder für Bestandsimmobilien verwendet hat. Auch bei einer Verwendung für Bestandsimmobilien besteht nach dem Senatsurteil in BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128 keine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, da der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dient, nicht seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwendet. Auch insoweit ist ernstlich zweifelhaft, ob das FA entgegen der früheren Verwaltungsauffassung in Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008 und Abschn. 13b.3. Abs. 8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses 2011/2012/2013 eine Besteuerung der Leistung bei der Antragstellerin verlangen kann.

15

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein Einspruch gegen eine Steueranmeldung ist innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde, in den Fällen des § 168 Satz 2 innerhalb eines Monats nach Bekanntwerden der Zustimmung, einzulegen.

(2) Der Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 2 ist unbefristet.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

Tatbestand

1

I.Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am … April 1990 geborene Sohn (S) des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers (Antragsteller) im Zeitraum Februar 2010 bis Oktober 2010 (Streitzeitraum) als arbeitsuchendes Kind zu berücksichtigen ist.

2

S war seit April 2009 bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitsuchend gemeldet. Arbeitslosengeld bezog er nicht. Sein letzter Kontakt mit der AA fand im August 2009 statt. Am 2. Dezember 2009 nahm er einen Termin bei der AA ohne Angaben von Gründen nicht wahr. Die von der AA versandte Mitteilung, dass sie beabsichtige, die Arbeitsvermittlung einzustellen, blieb unbeantwortet. Die AA fertigte mit Datum vom 10. Januar 2010 ein Schreiben, in dem sie ausführte, dass sie die Arbeitsvermittlung einstelle. Daraufhin meldete sie den S mit Wirkung zum 11. Januar 2010 aus der Arbeitsvermittlung ab.

3

Die Familienkasse … (Familienkasse A) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 9. November 2010 ab Februar 2010 auf, weil S bei der AA nicht mehr als arbeitsuchendes Kind gemeldet sei. Zugleich forderte sie den Antragsteller auf, das für den Streitzeitraum gewährte Kindergeld in Höhe von 1.656 € zu erstatten. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom … März 2011).

4

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit welcher der Antragsteller die Aufhebung des Aufhebungsbescheids für den Streitzeitraum begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1476 veröffentlichten Urteil vom 1. März 2012  14 K 1209/11 Kg statt. Es entschied, S sei gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) als Kind zu berücksichtigen. S habe sich im April 2009 bei der AA arbeitsuchend gemeldet. Dieser Status sei nicht entfallen, weil die AA keine wirksame Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung (SGB III n.F.) erlassen habe. Die Einstellungsverfügung sei ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Antragsteller habe bestritten, dass S die Einstellungsverfügung erhalten habe. Den Nachweis dafür, dass dem S die Einstellungsverfügung gleichwohl zugegangen sei, habe die Familienkasse A nicht geführt (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Die Berücksichtigung des S scheitere auch nicht daran, dass dieser sich letztmals im August 2009 bei der AA gemeldet habe. § 38 Abs. 3 SGB III n.F. führe nicht mehr dazu, dass die Meldung automatisch nach drei Monaten entfalle.

5

Die hiergegen von der Familienkasse A eingelegte Revision wird beim beschließenden Senat unter dem Az. III R 19/12 geführt.

6

Der Antragsteller beantragt mit Schreiben vom 1. Juli 2013, in dem die Familienkasse A als Antragsgegnerin bezeichnet ist, die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids. Zur Begründung trägt er vor: Der Antrag sei zulässig. Aus dem beigefügten Schreiben des Hauptzollamtes … vom … Juni 2013 ergebe sich, dass aus dem angegriffenen Bescheid bereits vollstreckt werde. Der Antrag sei auch begründet, weil das FG der Klage stattgegeben habe. Im Übrigen verweist er sinngemäß auf das in dieser Sache vor dem beschließenden Senat geführte Revisionsverfahren.

7

Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Bescheids vom … November 2010 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung des Revisionsurteils auszusetzen.

8

Die Familienkasse hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Der beim Bundesfinanzhof (BFH) als dem zuständigen Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestellte Antrag auf AdV ist erfolgreich.

10

1. Der Antrag ist zulässig.

11

a) Die in der Antragsschrift erfolgte unzutreffende Bezeichnung der Antragsgegnerin ist unschädlich.

12

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO, der im Rahmen eines gerichtlichen AdV-Verfahrens (§ 69 Abs. 3 FGO) entsprechende Anwendung findet (BFH-Beschluss vom 17. Juli 2008 VI B 40/08, BFH/NV 2008, 1874), ist der Antrag gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Vorliegend ist die Familienkasse A aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen mit Wirkung ab 1. Mai 2013 in der Familienkasse … (Familienkasse XY) aufgegangen (vgl. Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.). Der Antrag hätte daher gegen die Familienkasse XY als (neue) Beklagte, Revisionsklägerin und Antragsgegnerin (Antragsgegnerin) gerichtet werden müssen. Da jedoch im Streitfall die richtige Antragsgegnerin ohne weiteres erkennbar ist, war es nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung geboten, die Bezeichnung der Antragsgegnerin entsprechend zu korrigieren (vgl. auch BFH-Beschluss vom 11. Juni 2010 IV S 1/10, BFH/NV 2010, 1851).

13

b) Ebenso ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt, da dem Antragsteller die Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO). Der vom Antragsteller vorgelegten Aufforderung und Mitteilung des Vollstreckungsbeamten vom … Juni 2013 (vgl. dazu § 290 der Abgabenordnung) lässt sich entnehmen, dass die Vollstreckung begonnen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Februar 2002 XI S 32/01, BFH/NV 2002, 940; vom 6. März 2013 X S 28/12, BFH/NV 2013, 959).

14

c) Schließlich ist unerheblich, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag auch bei der Finanzbehörde einen AdV-Antrag gestellt hat. Geschieht dies, kann gleichwohl beim Gericht der Hauptsache die AdV beantragt werden (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 77; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 284; a.A. FG Düsseldorf, Beschluss vom 23. Dezember 1980 XI 280/80 A, EFG 1981, 190).

15

2. Der Antrag ist auch begründet. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll auf Antrag die AdV erfolgen, wenn u.a. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. So verhält es sich im Streitfall.

16

a) Der Senat legt den Antrag dahingehend aus, dass der Antragsteller die AdV des Aufhebungsbescheids vom … November 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom … März 2011 für den Zeitraum Februar 2010 bis Oktober 2010 begehrt. Mit der Beseitigung deren Vollzugsfolgen ist die hierauf gestützte Rückforderung des Kindergeldes nicht mehr möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Januar 2004 VIII B 289/03, BFH/NV 2004, 759, unter II.2.a).

17

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken (z.B. BFH-Beschluss vom 23. August 2007 VI B 42/07, BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799). Ist der Verwaltungsakt --wie im Streitfall-- bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, bestehen ernstliche Zweifel, wenn unter Berücksichtigung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist. Das bedeutet, dass bei vermutlichem Durcherkennen des BFH auf die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Zurückverweisung auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen ist. Im Falle einer Zurückverweisung bestehen ernstliche Zweifel allerdings auch dann, wenn sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird (BFH-Beschluss vom 11. August 2000 I S 5/00, BFH/NV 2001, 314).

18

c) Hiervon ausgehend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufhebungsbescheids.

19

aa) Es ist streitig, ob der von S im Monat April 2009 begründete Status als Arbeitsuchender durchgehend im Streitzeitraum bestanden hat. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status entfällt, sind für das Kindergeld diesbezüglich die Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38 SGB III, heranzuziehen (Senatsurteil vom 19. Juni 2008 III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b).

20

§ 38 SGB III wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2917) geändert. Während noch nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung (SGB III a.F.) die Meldung eines arbeitsuchenden Kindes bei der AA, das nicht unter § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB III a.F. fiel (u.a. Nichtleistungsbezieher), nur drei Monate fortwirkte (Senatsurteil in BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b), beschränkt § 38 SGB III n.F. die Pflicht zur Vermittlung des Arbeitsuchenden nicht mehr auf drei Monate; sie besteht vielmehr grundsätzlich unbefristet fort (Gagel/Winkler, SGB III, § 38 Rz 58). Allerdings kann die AA gegenüber dem Arbeitsuchenden, der nicht unter § 38 Abs. 3 Satz 1 SGB III n.F. fällt (u.a. Nichtleistungsbezieher), die Vermittlung einstellen, wenn dieser die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Für diesen Fall sieht § 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III n.F. als neue "Sanktion" den Ausschluss von der Vermittlung für zwölf Wochen vor (sog. Vermittlungssperre; Gagel/Winkler, a.a.O., § 38 Rz 60).

21

bb) Danach sind im Streitfall die --höchstrichterlich noch nicht geklärten-- Rechtsfragen zu entscheiden, ob bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. die Arbeitsuchendmeldung zeitlich unbefristet fortbesteht, und zwar unabhängig davon, ob das arbeitsuchende Kind im Vermittlungsprozess eine beachtliche Pflichtverletzung begangen hat oder nicht. In rechtlicher Hinsicht werden bei Entscheidung der Hauptsache folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:

22

Das FG hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Konzipierung zeitlich ausgerichteter Meldepflichten in § 38 Abs. 3 SGB III n.F. keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage mehr hat. Aber selbst wenn man mit dem FG und in Übereinstimmung mit der im sozialrechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassung weiter davon ausgeht, dass die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X ist (vgl. dazu z.B. Gagel/ Winkler, a.a.O., § 38 Rz 61; Jüttner in Mutschler/Schmidt-DeCaluwe/Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 5. Aufl., § 38 Rz 71), bleibt fraglich, ob sich allein aus deren Fehlen folgern lässt, dass das Kind weiterhin als Arbeitsuchender i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG gemeldet ist. Das FG hat zwar insoweit für den Senat bindend festgestellt, dass es --sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein-- an deren wirksamer Bekanntgabe fehlt. Hieraus lässt sich wohl folgern, dass in einem solchen Fall keine Vermittlungssperre nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III n.F. wirksam wird. Allerdings nennt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als Anspruchsvoraussetzung die Arbeitsuchendmeldung bei der AA, nicht das Fehlen einer Einstellungsverfügung nach erfolgter Arbeitsuchendmeldung. Es würde nicht ohne weiteres einleuchten, dass (nicht entschuldbare) Pflichtverletzungen des arbeitsuchenden Kindes im Vermittlungsprozess allein wegen fehlender Bekanntgabe der Einstellungsverfügung nicht kindergeldschädlich sein sollen. Eine solche Beurteilung ließe sich auch kaum mit der Gesetzesbegründung zu § 38 Abs. 3 SGB III n.F. in Einklang bringen (BTDrucks 16/10810, S. 30). Danach bemängelte die Bundesagentur für Arbeit, dass sich ein Teil der Nichtleistungsbezieher nur wegen des Bezugs von Kindergeld meldete. Mit der Neuregelung sollte daher die AA im Zusammenspiel mit der Aufnahme des § 309 in die Mitwirkungspflichten des Arbeitsuchenden (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III n.F.) die Möglichkeit erhalten, Arbeitsuchende einzuladen und von Beginn der Arbeitsuche an wirksam in den Vermittlungsprozess einzubeziehen (BTDrucks 16/10810, S. 30).

23

cc) Danach erscheint bei summarischer Prüfung die Auffassung vorzugswürdig, dass der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG --sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein-- nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung voraussetzt. Nach dem Sinn und Zweck der Arbeitsuchendmeldung dürfte bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung eher darauf abzustellen sein, ob der Arbeitsuchende die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F.). Diese Auslegung würde im Übrigen auch der bisher vom Senat zu § 38 Abs. 2 SGB III a.F. vertretenen Rechtsauffassung entsprechen, wonach die AA die Vermittlung auch schon vor Ablauf der Drei-Monats-Frist einstellen konnte, wenn das als arbeitsuchend gemeldete Kind seine Mitwirkungspflichten verletzte (Senatsurteil vom 17. Dezember 2008 III R 60/06, BFH/NV 2009, 908). Danach würde der Kindergeldanspruch bei berechtigter Einstellung der Vermittlung nach Ablauf des Monats entfallen, in dem das arbeitsuchende Kind von der AA aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet wurde.

24

dd) Hingegen hält sich bei Beurteilung der Frage, ob die Arbeitsuchendmeldung bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung und im Übrigen zu Unrecht erfolgter Einstellung der Vermittlung unbefristet oder nur befristet fortbesteht, das "Für" und "Wider" die Waage. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass § 38 SGB III n.F. keinen automatischen Wegfall der Vermittlungspflicht nach drei Monaten mehr vorsieht. Dies ist ein gewichtiges Argument dafür, dass die Meldung bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung zeitlich unbefristet fortbesteht. Andererseits bleibt zu beachten, dass in einem solchen Fall nach wie vor ein Vermittlungsanspruch des arbeitsuchenden Kindes und damit weiterhin ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und der AA gegeben ist. Hieraus lässt sich ggf. --unter Berücksichtigung des in § 32 Abs. 4 Satz 1 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Konzepts, wonach nur Kinder in besonders förderwürdigen Situationen zu berücksichtigen sind-- ableiten, dass das arbeitsuchende Kind jedenfalls für Zwecke des Kindergeldbezugs nicht frei von jeglicher Mitwirkung sein kann.

25

3. Nach alledem ist eine AdV geboten, weil der Ausgang des Klageverfahrens im zweiten Rechtsgang auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht absehbar ist.

26

a) Das FG-Urteil wird voraussichtlich --ohne Präjudiz für die Hauptsache-- (zumindest teilweise) mangels Spruchreife aufzuheben und die Hauptsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen sein. Die Feststellungen des FG sind zu vage, um abschließend beurteilen zu können, ob S die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.

27

Das FG hat zwar insoweit für den Senat bindend festgestellt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), dass S den Termin am 2. Dezember 2009 ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat und dass eine von der AA über die beabsichtigte Einstellung der Arbeitsvermittlung versandte Mitteilung unbeantwortet geblieben ist. Allerdings ist bereits fraglich, ob die Vermittlung ab dem 1. Januar 2009 allein wegen des Versäumens eines Termins eingestellt werden darf. Der Gesetzgeber hat mit § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. klargestellt, dass eine Einstellung nicht mehr bei jeglicher Form der nicht ausreichenden Mitwirkung in Betracht kommt, sondern nur dann, wenn das arbeitsuchende Kind seine ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt (§ 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F.) obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. dazu auch Jüttner in Mutschler/Schmidt-DeCaluwe/Coseriu, a.a.O., § 38 Rz 71). Die Meldepflichten sind aber in § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III n.F., nicht in dessen Abs. 2 geregelt. Danach ist es jedenfalls vertretbar, bei einer Terminversäumnis nur noch dann eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn sich eine entsprechende Pflicht zum Erscheinen aus der Eingliederungsvereinbarung oder aus einem diese ersetzenden Verwaltungsakt ergibt. Hierzu enthält das FG-Urteil jedoch keine Feststellungen. Aber selbst wenn sich die Pflicht, Einladungen der AA Folge zu leisten, unmittelbar aus § 38 Abs. 2 SGB III n.F. ergeben sollte und man das Fernbleiben von einem Termin, der dem arbeitsuchenden Kind bekannt ist, ohne jegliche Rückmeldung bei der AA als beachtliche Pflichtverletzung beurteilte, ist für den Senat anhand der Feststellungen des FG nicht nachprüfbar, ob eine solche Pflichtverletzung gegeben ist.

28

b) Im Übrigen hängt der Ausgang des Revisionsverfahrens von der Beurteilung der --im Ergebnis offenen-- Rechtsfrage ab, ob sich ein arbeitsuchendes Kind in jedem Fall, d.h. selbst bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung, nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wieder melden muss.

29

4. Die Aussetzung ist im Interesse wirksamen Rechtsschutzes auf die Zeit bis sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Revision zu erstrecken (vgl. BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1999 V S 12/99, BFH/NV 2000, 996).

30

5. Ist ein Aussetzungsantrag auch auf die Beseitigung der Säumnisfolgen gerichtet, kann er insoweit als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO auszulegen sein. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufheben, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 1028).

31

Im Streitfall hat der Antragsteller die AdV ab Fälligkeit beantragt und damit erkennbar auch eine rückwirkende Beseitigung der Säumniszuschläge begehrt. Inhaltlich ist eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt gerechtfertigt, weil aufgrund der Neufassung des § 38 SGB III von Anfang an die genannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids vom … November 2010 bestanden haben (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2005 I B 208/04, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351).

32

6. Sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung müssen ohne Sicherheitsleistung erfolgen. Im Streitfall ergeben sich für eine Gefährdung des Erstattungsanspruchs wegen einer schlechten wirtschaftlichen Situation des Antragstellers weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem Inhalt der Akten Anhaltspunkte (BFH-Beschluss vom 7. Mai 2008 IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498).

33

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.