Finanzgericht Hamburg Beschluss, 25. Jan. 2018 - 2 V 336/17

bei uns veröffentlicht am25.01.2018

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dem Antragsgegner die Vollstreckung aus Steuerbescheiden bis zur rechtskräftigen Entscheidung über seinen Erlassantrag zu untersagen.

2

Der Antragsteller erwarb ... das in den "A"-Häusern in ... gelegene Geschäftslokal "B Club" für eine Ablösesumme i. H. v. ... €, die er zur Hälfte beglich. Gemäß einem Gutachten vom 13. Juni 2013 waren die Gebäude baufällig. Der Eigentümer kündigte daraufhin dem Antragsteller zu Ende März 2014. Bereits am ... Dezember 2013 räumte die Polizei die "A"-Häuser wegen akuter Einsturzgefahr. Auch der Klub des Antragstellers wurde geräumt. Seit diesem Zeitpunkt ruht sein Betrieb. Um ausstehende Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten, Banken und Mitarbeitern begleichen zu können, löste der Antragsteller seine Lebensversicherung (ca. ... €) auf. Ebenso setzte er zur Tilgung seiner Verbindlichkeiten die vom Eigentümer geleistete Entschädigungszahlung i. H. v. ... € ein. Mit den Erben des Verkäufers des Klubs einigt er sich im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs darauf, dass er nur noch die Hälfte des ausstehenden Kaufpreises i. H. v. ... Euro zu begleichen hatte, welches er durch einen Kredit finanzierte. Das Mobiliar des Klubs verkaufte er zum Teil, den Rest lagerte er ein. In der Folgezeit bemühte sich der Antragsteller um die Anmietung von Ersatzräumlichkeiten. Zum einen hoffte er darauf, von seinem ehemaligen Vermieter Ersatzräumlichkeiten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auch entwickelte er ein umfangreiches Konzept für die Nutzung des ehemaligen "C" in der X-Straße sowie ein Konzept "D", mit welchem er sich um Räumlichkeiten im Rahmen eines Rückkehrrechtes bewarb. Für das Konzept "C" bekam er nicht den Zuschlag. Er wurde bei Parteien, der Bürgerschaft und schließlich beim ersten Bürgermeister vorstellig, um zu erreichen, dass ihm Ersatzflächen angeboten werden. Nach der Stellungnahme des Eingabenausschusses der Bürgerschaft vom ... 2017 soll der Senat den Antragsteller bei der Suche nach alternativen Veranstaltungsorten unterstützen. Der Antragsteller lebt derzeit von Arbeitslosengeld II.

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Seinen Jahresabschluss 2013 stellte er am 6. November 2015 auf. Der Jahresüberschuss betrug ... €. Darin berücksichtigt war ein Ertrag i. H. v. ... € im Hinblick auf die vor Gericht erstrittene Kaufpreisreduzierung. Der Jahresabschluss für 2014 datiert vom 18. Dezember 2015. Umsatzerlöse wies der Jahresabschluss nicht aus. Sonstige Erträge waren i. H. v. ... € (Verkauf von Anlagevermögen, sonstige Erträge) enthalten. Der Jahresüberschuss betrug ... €. Für 2013 und 2014 bildete der Antragsteller zudem einen Investitionsabzugsbetrag i. H. v. ... € (2013) sowie i. H. v. ... € (2014).

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Nach Zwangsgeldandrohung reichte er seine Steuererklärungen für 2013 am 9. November 2015 ein. Am 28. Dezember 2015 folgte die Steuererklärung für 2014. Der Antragsteller wurde zunächst antragsgemäß veranlagt. Die nach Verrechnung mit Vorauszahlungen verbliebenen Steuerbeträge beglich er.

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Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2015 teilte der Antragsteller dem Antragsgegner mit, dass er noch kein neues Objekt gefunden, mithin keine der im Jahr 2013 geplanten Investitionen durchgeführt habe. Der Antragsgegner erließ daraufhin am 31. Juli 2017 unter Auflösung des Investitionsabzugsbetrags geänderte Bescheide über Einkommensteuer und Gewerbesteuer. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 begehrte der Antragsteller zudem die Auflösung des Investitionsabzugsbetrags für 2014, da mangels neuer Räumlichkeiten mit einer Investition bis zum Ende des Jahres nicht zu rechnen sei. Zudem beantragte er den Erlass von sämtlichen privaten und betrieblichen Steuern sowie steuerlichen Nebenleistungen.

6

Der Antragsgegner änderte den Einkommensteuerbescheid für 2014, bezog den Erlassantrag lediglich auf dieses Jahr und lehnte diesen mit Bescheid vom 24. Oktober 2017 ab. Auf weiteren Antrag vom 22. November 2017 lehnte der Antragsgegner mit zwei Bescheiden vom 24. November 2017 auch einen Erlass bezogen auf die Steuern für 2013 ab. Die ablehnenden Bescheide enthielten zudem entsprechende Zahlungsaufforderungen für die noch offenen Steuern zuzüglich Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... €.

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Die gegen die ablehnenden Bescheide gerichteten Einsprüche vom 22. November bzw. 8. Dezember 2017 sind noch nicht beschieden.

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Am 19. Dezember 2017 hat sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen an das Gericht gewandt. Zu Begründung trägt er im Wesentlichen wie folgt vor:

9

Aufgrund der Zwangsräumung der "A"-Häuser sei er gleichsam über Nacht seiner Existenz beraubt worden. Sein Vermögen habe er vollumfänglich zur Schuldentilgung eingesetzt. Aktuell lebe er von Arbeitslosengeld II. Aufgrund der Zahlungsaufforderungen sei mit einer Zwangsvollstreckung des Antragsgegners zu rechnen. Diese zwinge ihn in die Privatinsolvenz bzw. die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Damit nehme man ihm die Chance, noch einmal als Gastronom tätig zu werden. Sei er erst einmal Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt, werde ihm keiner mehr etwas verpachten. Er habe keinerlei andere Möglichkeit, eine Existenz aufzubauen. Ein Arbeitsplatz habe ihm nicht vermittelt werden können. Er sei ... Jahre alt und habe keinerlei Altersvorsorge mehr. Das Mobiliar seines Klubs sei noch eingelagert, die Raumsuche könne noch Erfolg haben, was sich auch aus der Stellungnahme des Eingabenausschusses der Bürgerschaft ergebe.

10

Die Zwangsvollstreckung sei auch unbillig. Der Antragsgegner habe seinen Erlassantrag zu Unrecht abgelehnt. Er habe einen Anspruch auf Erlass der Steuerschulden. Es sei erlassbedürftig und auch erlasswürdig.

11

Seine wirtschaftliche Existenz sei gefährdet. Ohne Erlass könne er seinen Lebensunterhalt nicht mehr aus eigenen Mitteln bestreiten. Mithin sei erlassbedürftig. Zwar könne er weiterhin Arbeitslosengeld II beziehen und in die Altersarmut abzurutschen, es sei ihm aber daran gelegen und auch sein Recht, sich erneut eine eigenständige wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Hinsichtlich des notwendigen Kapitals sei er mit seiner Bank als auch einer Bürgschaftsgemeinschaft im Gespräch. Kredite erhalte er allerdings nur, wenn er schuldenfrei sei.

12

Auch sei er erlasswürdig. Eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit habe er nicht selbst herbeigeführt. Er sei unverschuldet durch die Zwangsräumung in eine Notlage geraten. Die Verletzung steuerlicher Pflichten könne der Antragsgegner ihm nicht vorwerfen. So habe er den Investitionsabzugsbetrag sowohl 2013 als auch 2014 zu Recht gebildet. Seinen Betrieb habe er nicht aufgegeben, sondern sich stets um einen Ausweichstandort bemüht. Die entsprechenden Konzepte lägen dem Antragsgegner vor. Soweit er die ursprünglich festgesetzten Steuern für 2013 und 2014 verspätet gezahlt habe, hänge dies unmittelbar mit dem Erlassgrund, dem unverschuldeten Wegfall seiner wirtschaftlichen Existenz, zusammen. Letztlich habe er jedoch zahlen können. Aus dem gleichen Grund habe er die Steuererklärungen 2013 und 2014 verspätet abgegeben. Nur mit Mühe habe er das Steuerberaterhonorar aufbringen können. Zudem seien die Erklärungen für 2014 noch vor Ablauf des Folgejahres, mithin in der üblichen Frist für Steuerberater übermittelt worden. Eine schuldhafte Verursachung der Notlage liege auch nicht deshalb vor, weil er die Steuerersparnis aus dem Investitionsabzugsbetrag für die Begleichung von Steuerschulden hätte verwenden müssen. Die Steuerersparnis habe er nicht für irgendwelche Zwecke rechtsmissbräuchlich ausgegeben. Er habe schlichtweg keine Mittel mehr zur Verfügung gehabt.

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Der Antragsteller beantragt,
dem Finanzamt im Wege der einstweiligen Anordnung, der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung, aufzugeben, alle Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund offener Forderungen wegen Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer sowie der steuerlichen Nebenleistungen aus 2013 und 2014 zu unterlassen bzw. einzustellen, bis über den Antrag auf Erlass dieser Forderungen rechtskräftig entschieden ist;
ihm unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten Prozesskostenhilfe zu gewähren.

14

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.

15

Der Antragsteller habe bereits den Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Denn sein Erlassbegehren sei in der Hauptsache nicht erfolgversprechend. Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit habe er nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

16

Die Erlassbedürftigkeit habe er, der Antragsgegner, mangels vollständiger Offenlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht umfangreich prüfen können. Zudem habe der Antragssteller Ende 2013 seine Erwerbstätigkeit aufgeben müssen, so dass ein Erlass nicht zum Erhalt einer Erwerbstätigkeit sondern allenfalls zur Begründung einer neuen Erwerbstätigkeit notwendig wäre. Zudem bestehe ein Erlasshindernis, da ein Erlass auch anderen Gläubigern zu Gute käme. So trage der Antragsteller selbst vor, vorhandene Mittel zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten aufgewandt zu haben, so dass nur noch Steuerschulden bestünden. Ein Erlass führe mithin zu einer ungleichen Befriedigung der aktuellen und ehemaligen Gläubiger des Antragstellers.

17

Der Antragsteller sei auch nicht erlasswürdig. Dieser sei seinen steuerlichen Verpflichtungen in der Vergangenheit grob pflichtwidrig nicht nachgekommen. So habe er diverse Steuerzahlungen für 2013 (Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) nicht pünktlich entrichtet. Verspätet abgegeben habe er die Erklärungen für 2014. Die Erklärungen für 2013 habe er erst nach Androhung eines Zwangsgeldes abgegeben. Im Übrigen seien die in Rede stehenden Steuern teilweise durch die Auflösung des im Jahr 2014 gebildeten Investitionsabzugsbetrags entstanden. Diesen habe der Antragsteller gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) gar nicht bilden dürfen. Denn im Zeitpunkt der Erstellung des Jahresabschlusses Ende 2015 habe er nicht mehr von der Fortsetzung seines Betriebes ausgehen dürfen. Selbst wenn er diese Hoffnung gehabt hätte, könne nach Ablauf von damals bereits zwei Jahren nicht mehr von der zu fordernden Kontinuität ausgegangen werden.

...

Entscheidungsgründe

18

II. Der Antrag hat keinen Erfolg.

19

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig. Denn der Antragsteller wendet sich gegen die drohende Vollstreckung als solche und nicht gegen eine einzelne Vollstreckungsmaßnahme. Er hat gerade keinen (Vollstreckungs-)Verwaltungsakt angegriffen, dessen Vollziehung vorrangig gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen wäre.

20

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

21

a) Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen. Voraussetzung hierfür ist, dass der im Hauptsacheverfahren geltend gemachte oder geltend zu machende Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 294 ZPO). Zum Anordnungsgrund muss er darlegen und glaubhaft machen, dass die einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die anderen Gründe müssen ähnlich wichtig und bedeutsam sein wie die ausdrücklich genannten (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253; vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839). Das Interesse des Antragstellers und das öffentliche Interesse sind gegeneinander abzuwägen. Die einstweilige Anordnung ist nötig im Sinn des § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, wenn das Interesse des Antragstellers an der erstrebten Anordnung das öffentliche Interesse an der Beibehaltung des gegenwärtigen Zustandes überwiegt und die Maßnahme unumgänglich ist, um ihn gegen wesentliche Nachteile zu schützen. Die Gründe müssen schwerwiegend sein, bloße Rechtsbenachteiligungen genügen nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 1988 IV B 102/87, BStBl II 1988, 514, 515). Die Nachteile müssen über diejenigen hinausgehen, die üblicherweise mit der Pflicht zur Zahlung von Steuern verbunden sind (BFH-Beschluss vom 7. Januar 1993 VII B 125/92, BFH/NV 1994, 480). Denn die für eine einstweilige Anordnung sprechenden Gründe müssen so schwerwiegend sein, dass sie ihren Erlass unabweisbar machen. Ein Anordnungsgrund besteht demnach dann, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15 BFH/NV 2016, 1253; vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, BStBl II 2009, 839).

22

b) Daran gemessen hat der Antragsteller bereits keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Er hat nicht konkret dargelegt und glaubhaft gemacht, dass seine wirtschaftliche oder persönliche Existenz unmittelbar bedroht ist, wenn der Antragsgegner aus den noch offenen Steuerschulden die Vollstreckung betreibt.

23

Zweifel bestehen bereits im Hinblick auf die zu fordernde Unmittelbarkeit. Der bloße Verweis des Antragstellers auf bevorstehenden Vollstreckungsdruck und einen in letzter Konsequenz drohenden Insolvenzantrag ist nicht geeignet, eine unmittelbare Bedrohung seiner Existenz zu begründen. Denn der Antragsgegner hat bisher lediglich im Rahmen der Bearbeitung der Erlassanträge Zahlungsaufforderungen erlassen. Mahnungen hat er ebenso wenig ausgebracht wie weitere, einschneidende Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt. Ob der Antragsgegner tatsächlich solche Maßnahmen wie beispielsweise Kontopfändungen oder Sachpfändungen durch Vollziehungsbeamte unternehmen wird, scheint aufgrund der Einkünfte- und Vermögenssituation des Antragstellers keinesfalls gesichert. Auch dass ein Insolvenzantrag unweigerliche Folge der Vollstreckung sein wird, ist zumindest fraglich. Zudem ist primäres Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten, mithin die Existenzvernichtung des Schuldners, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Februar 2011 VII B 224/10, BFH/NV 2011, 763).

24

Darüber hinaus ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass die persönliche oder wirtschaftliche Existenz des Antragstellers in einem einen Anordnungsgrund begründenden Maße bedroht ist.

25

Das Gericht verkennt bei einer Gesamtschau über die dargestellten Umstände nicht, dass der Antragsteller, wie er vorträgt, durch die Zwangsräumung seines Klubs aufgrund der Baufälligkeit der "A"-Häuser im Dezember 2013 gleichsam über Nacht ohne sein Zutun seine Erwerbsquelle verloren hat und nunmehr zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Auch sieht das Gericht die Bemühungen des Antragstellers, eine neue Veranstaltungsfläche zu finden, sei es durch die vorgelegten Betriebskonzepte, sei es durch den Versuch, auf politischer Ebene Unterstützung zu finden. Eine unmittelbare Bedrohung der wirtschaftlichen und persönlichen Existenz im Falle einer Zwangsvollstreckung erfolgt dadurch nicht.

26

Bezogen auf seine momentane Situation als Empfänger von Arbeitslosengeld II und auch im Fall der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in einem Angestelltenverhältnis bedeutet die Zwangsvollstreckung durch den Antragsgegner zwar eine Einschränkung und Belastung für den Antragssteller. Jedoch gehen die damit verbundenen Nachteile nicht über diejenigen hinaus, die üblicherweise mit einer Zwangsvollstreckung verbunden sind. Pfändungsmaßnahmen hat der Antragsteller grundsätzlich hinzunehmen. Im Übrigen ist er auf Pfändungsschutzvorschriften zu verweisen. So kann er z. B. eine Kontopfändung - auch für den Fall, dass er in Zukunft als Angestellter Lohn erhalten sollte - durch Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (§ 850k Abs. 1 ZPO) abwenden (BVerfG, vom 25. August 2014 1 BvR 2243/14, NJW 2014, 3771; FG München, Beschluss vom 18. September 2013 5 V 2625/13, juris).

27

Auch im Hinblick auf die von ihm angestrebte gewerbliche Tätigkeit durch Anmietung neuer Gewerbeflächen bedeutet die Zwangsvollstreckung keine unmittelbare Bedrohung seiner wirtschaftlichen und persönlichen Existenz. Zwar ist dem Antragsteller zuzugestehen, dass sowohl bestehende Steuerschulden als auch Vollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich geeignet sind, die Kreditwürdigkeit negativ zu beeinflussen und die Anmietung einer Gewerbeimmobilie zu erschweren. Doch sind auch dies letztlich Konsequenzen, die mit jeder Vollstreckung einhergehen und die grundsätzlich ein Steuerschuldner zu erdulden hat. Anderes kann bei Gewerbetreibenden zum Beispiel dann gelten, wenn durch die Vollstreckungsmaßnahmen die Fortführung des Betriebs unmittelbar bedroht ist, weil bei Zwangsvollstreckung die Betriebsstilllegung konkret im Raum steht (vgl. z. B. BFH-Beschluss vom 26. April 1994 VII B 47/93, BFH/NV 1995, 6). Darauf kann sich der Antragsteller indes nicht berufen, da nicht die Beeinträchtigung einer Betriebsfortführung, sondern die der Wiedereröffnung eines Betriebes zu beurteilen ist. Bezogen auf die geplante Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit durch (Wieder-)Eröffnung eines Gewerbebetriebs sind konkrete Nachteile im Sinne einer unmittelbaren Existenzgefährdung jedoch nur dann nachgewiesen, wenn sich die Betriebseröffnung konkret und unmittelbar abzeichnet, z. B. weil entsprechende Miet- und Finanzierungsverträge bereits konkret ausverhandelt bzw. eventuell schon abgeschlossen wurden, und sich die drohende Zwangsvollstreckung diesbezüglich konkret und unmittelbar negativ auswirken könnte.

28

Solche Umstände hat der Antragsteller indes nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Er bemüht sich seit nunmehr über vier Jahren erfolglos um die Anmietung neuer Räumlichkeiten. Ein sich konkret abzeichnenden Erfolg im Hinblick auf die anstehende Anmietung bzw. Finanzierung von Räumlichkeiten hat er nicht dargelegt. Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von ihm ausgearbeiteten Konzept zur Bewirtschaftung des "C", für welches er nach eigenen Angaben den Zuschlag nicht erhalten hat. Auch das weitere Konzept "D" ist lediglich eine Bewerbung um eine adäquate Gewerbefläche in einem Nachfolge-Gebäudekomplex der "A"-Häuser auf Basis eines Rückkehrrechtes. Weder hat der Antragsteller dargetan, dass ein solches Rückkehrrecht hinreichend konkret besteht und sich tatsächlich in naher Zukunft abzeichnet, noch hat er dargelegt, dass entsprechende Verträge nebst Finanzierung konkret verhandelt bzw. ausgearbeitet werden. Auch aus der von ihm eingereichten Stellungnahme des Eingabenausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft ergibt sich nichts anderes. Der Eingabenausschuss teilt dem Antragsteller darin lediglich mit, dass er dem Senat die Bitte um Unterstützung bei der Suche bzw. Anmietung eines alternativen Veranstaltungsraumes zur Erwägung überwiesen hat. Eine konkrete und unmittelbar bevorstehende Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit, welche die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen vereiteln könnten, ergibt sich daraus nicht. Der Antragsteller selbst bezeichnet die Aufnahme einer neuen gewerblichen Tätigkeit in seiner Antragsschrift lediglich als "noch möglich", da die Geschäftsausstattung noch eingelagert sei. Eine konkret bevorstehende Wiederaufnahme seiner Tätigkeit ergibt sich auch daraus nicht. Ohne hinreichende Verknüpfung mit einer dadurch vereitelten konkreten Erwerbschance ist der bloße Verweis des Antragstellers auf die bevorstehende Vollstreckung mithin nicht geeignet, einen Anordnungsgrund zu begründen.

29

3. Aus den gleichen Gründen war der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen, da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, vgl. § 142 Abs. 2 FGO i. V. m. § 114 ZPO.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe zur Zulassung der Beschwerde (§ 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

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Finanzgericht Hamburg Beschluss, 25. Jan. 2018 - 2 V 336/17 zitiert 12 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

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(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Einkommensteuergesetz - EStG | § 7g Investitionsabzugsbeträge und Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe


(1) 1Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsja

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 142


(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten sinngemäß. (2) Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850k Einrichtung und Beendigung des Pfändungsschutzkontos


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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 114


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des An

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1)1Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden, bis zu 50 Prozent der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnmindernd abziehen (Investitionsabzugsbeträge).2Investitionsabzugsbeträge können nur in Anspruch genommen werden, wenn

1.
der Gewinn
a)
nach § 4 oder § 5 ermittelt wird;
b)
im Wirtschaftsjahr, in dem die Abzüge vorgenommen werden sollen, ohne Berücksichtigung der Investitionsabzugsbeträge nach Satz 1 und der Hinzurechnungen nach Absatz 2 200 000 Euro nicht überschreitet und
2.
der Steuerpflichtige die Summen der Abzugsbeträge und der nach den Absätzen 2 bis 4 hinzuzurechnenden oder rückgängig zu machenden Beträge nach amtlich vorgeschriebenen Datensätzen durch Datenfernübertragung übermittelt.2Auf Antrag kann die Finanzbehörde zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten; § 150 Absatz 8 der Abgabenordnung gilt entsprechend.3In den Fällen des Satzes 2 müssen sich die Summen der Abzugsbeträge und der nach den Absätzen 2 bis 4 hinzuzurechnenden oder rückgängig zu machenden Beträge aus den beim Finanzamt einzureichenden Unterlagen ergeben.
3Abzugsbeträge können auch dann in Anspruch genommen werden, wenn dadurch ein Verlust entsteht oder sich erhöht.4Die Summe der Beträge, die im Wirtschaftsjahr des Abzugs und in den drei vorangegangenen Wirtschaftsjahren nach Satz 1 insgesamt abgezogen und nicht nach Absatz 2 hinzugerechnet oder nach den Absätzen 3 oder 4 rückgängig gemacht wurden, darf je Betrieb 200 000 Euro nicht übersteigen.

(2)1Im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung eines begünstigten Wirtschaftsguts im Sinne von Absatz 1 Satz 1 können bis zu 50 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten gewinnerhöhend hinzugerechnet werden; die Hinzurechnung darf die Summe der nach Absatz 1 abgezogenen und noch nicht nach den Absätzen 2 bis 4 hinzugerechneten oder rückgängig gemachten Abzugsbeträge nicht übersteigen.2Bei nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung oder der erstmaligen gesonderten Feststellung nach Absatz 1 in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbeträgen setzt die Hinzurechnung nach Satz 1 voraus, dass das begünstigte Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Investitionsabzugsbeträge noch nicht angeschafft oder hergestellt worden ist.3Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts können in dem in Satz 1 genannten Wirtschaftsjahr um bis zu 50 Prozent, höchstens jedoch um die Hinzurechnung nach Satz 1, gewinnmindernd herabgesetzt werden; die Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung, erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Sinne von § 6 Absatz 2 und 2a verringern sich entsprechend.

(3)1Soweit in Anspruch genommene Investitionsabzugsbeträge nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des jeweiligen Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach Absatz 2 Satz 1 hinzugerechnet wurden, sind die Abzüge nach Absatz 1 rückgängig zu machen; die vorzeitige Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen vor Ablauf der Investitionsfrist ist zulässig.2Wurde der Gewinn des maßgebenden Wirtschaftsjahres bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung zugrunde gelegt, ist der entsprechende Steuer- oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern.3Das gilt auch dann, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid bestandskräftig geworden ist; die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem das dritte auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgende Wirtschaftsjahr endet.4§ 233a Absatz 2a der Abgabenordnung ist nicht anzuwenden.

(4)1Wird in den Fällen des Absatzes 2 ein begünstigtes Wirtschaftsgut nicht bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt, sind die Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die Verringerung der Bemessungsgrundlage und die Hinzurechnung nach Absatz 2 rückgängig zu machen.2Wurden die Gewinne der maßgebenden Wirtschaftsjahre bereits Steuerfestsetzungen oder gesonderten Feststellungen zugrunde gelegt, sind die entsprechenden Steuer- oder Feststellungsbescheide insoweit zu ändern.3Das gilt auch dann, wenn die Steuer- oder Feststellungsbescheide bestandskräftig geworden sind; die Festsetzungsfristen enden insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 erstmals nicht mehr vorliegen.4§ 233a Absatz 2a der Abgabenordnung ist nicht anzuwenden.

(5) Bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens können unter den Voraussetzungen des Absatzes 6 im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben den Absetzungen für Abnutzung nach § 7 Absatz 1 oder Absatz 2 Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden.

(6) Die Sonderabschreibungen nach Absatz 5 können nur in Anspruch genommen werden, wenn

1.
der Betrieb im Wirtschaftsjahr, das der Anschaffung oder Herstellung vorangeht, die Gewinngrenze des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 nicht überschreitet, und
2.
das Wirtschaftsgut im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und im darauf folgenden Wirtschaftsjahr vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs des Steuerpflichtigen ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird; Absatz 4 gilt entsprechend.

(7)1Bei Personengesellschaften und Gemeinschaften sind die Absätze 1 bis 6 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des Steuerpflichtigen die Gesellschaft oder die Gemeinschaft tritt.2Vom Gewinn der Gesamthand oder Gemeinschaft abgezogene Investitionsabzugsbeträge können ausschließlich bei Investitionen der Personengesellschaft oder Gemeinschaft nach Absatz 2 Satz 1 gewinnerhöhend hinzugerechnet werden.3Entsprechendes gilt für vom Sonderbetriebsgewinn eines Mitunternehmers abgezogene Investitionsabzugsbeträge bei Investitionen dieses Mitunternehmers oder seines Rechtsnachfolgers in seinem Sonderbetriebsvermögen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Thüringer Finanzgerichts vom 26. Februar 2015 1 V 846/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist eine von den Eheleuten A und B am …. April 2011 errichtete Stiftung bürgerlichen Rechts. Die Stiftung wurde mit einem Geldbetrag von 5.000 € und mit Werken der Bildenden Kunst aus dem Eigentum der Stifter zu Anschaffungskosten von ca. 121.000 € ausgestattet, die in einer Anlage zum Stiftungsgeschäft aufgeführt waren. Die Stiftung wurde vom Landesinnenministerium 2011 anerkannt. Am …. Juli 2011 erteilte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) eine vorläufige Bescheinigung über die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Antragstellerin.

2

Die Satzung der Stiftung vom April 2011 lautet auszugsweise wie folgt:

             "... .§ 2 Stiftungszweck

(1) Die Stiftung verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke i. S. des Abschnitts steuerbegünstigte Zwecke der AO.
(2) Zweck der Stiftung ist die Bewahrung und Förderung von bildender Kunst schwerpunktmäßig aus der geographischen Mitte Deutschlands.
Der Stiftungszweck wird insbesondere verwirklicht durch:
a) Förderung von Vorhaben der bildenden Kunst in der geographischen Mitte Deutschlands
b)Unterstützung und Durchführung von künstlerischen Veranstaltungen und Förderprojekten
c) Vergabe von künstlerischen Förderprojekten
d) Gewährung von Stipendien
e) Zurverfügungstellung von Werken der Stiftung im Rahmen von öffentlichen Ausstellungen und Leihgaben."

3

Im Gründungsjahr 2011 und im Folgejahr 2012 erstreckte sich die Tätigkeit der Antragstellerin überwiegend auf die Beschaffung weiterer Gemälde sowie die Begleitung von Kunstprojekten, auch unter Gewährung von Stipendien. Entsprechend dem Stiftungszweck wurden weitere Bilder zu Anschaffungskosten von ca. 82.000 € und ca. 96.000 € hinzuerworben.

4

Nach Eingang der Erklärungen zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer für 2011 Ende März 2013 bestätigte das FA die Gemeinnützigkeit mit Bescheid vom …. Mai 2013. In den Erläuterungen zu diesem Bescheid wurde die Antragstellerin aufgefordert mitzuteilen, wo die Bilder gelagert würden. Nachdem die Antragstellerin hierzu die private Wohnadresse der Stifter angegeben hatte, gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Bilder den Verfügungsbereich der Stifter nie verlassen hätten und kündigte mit einem Schreiben vom …. September 2013 an, die zuvor anerkannte Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 2011 wieder zu versagen. Daraufhin teilte Herr A dem Antragsgegner in einem Gespräch mit, dass die Bilder ab Juli 2013 in einer von ihm dafür eigens angemieteten Wohnung in der W-Straße in X gelagert würden. Durch die Gründung der Stiftung habe er auch den Verkauf der Bilder durch seine Erben verhindern wollen.

5

Zuwendungen (Spenden) habe die Antragstellerin in den Streitjahren ausschließlich von den Stiftern sowie von diesen nahestehenden Unternehmen erhalten. Dafür habe die Antragstellerin entsprechende Spendenbescheinigungen erteilt. Die Spenden beliefen sich im Jahr 2011 auf 229.355 € und im Jahr 2012 auf 195.710 €.

6

Unter Würdigung dieser Umstände erließ das FA am …. Juli 2014 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 2011 und einen erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid für 2012, in denen es Körperschaftsteuer jeweils auf 0 € festsetzte und den Feststellungsbescheid über die Gemeinnützigkeit rückwirkend wieder aufhob.

7

Auf die hiergegen mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage gab das Finanzgericht (FG) im Hinblick auf das Streitjahr 2011 der unter dem Aktenzeichen 1 K 487/14 geführten Klage statt und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab. Das FG ließ gegen sein Urteil die Revision (V R 51/15) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.

8

Auf die entsprechenden Anträge der Antragstellerin beschloss das FG am 26. Februar 2015 unter dem Aktenzeichen 1 V 846/14, die Vollziehung des Änderungsbescheides vom 2. Juli 2014 über Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag für 2011 auszusetzen. Im Übrigen lehnte es die begehrte Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Körperschaftsteuerbescheides für 2012 vom …. Juli 2014 sowie die im Wege der einstweiligen Anordnung begehrte Anerkennung der Gemeinnützigkeit ab. Das FG ließ gegen seinen Beschluss (1 V 846/14) die Beschwerde zu.

9

Die Antragstellerin legte hiergegen Beschwerde ein, zu deren Begründung sie im Wesentlichen Folgendes ausführt:

10

Nach § 2 Abs. 2 der Satzung der Antragstellerin seien als Stiftungszwecke die Bewahrung und Förderung von bildender Kunst schwerpunktmäßig aus der geographischen Mitte Deutschlands festgelegt. In der Satzung seien darüber hinaus die nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AO notwendigen Voraussetzungen für die Selbstlosigkeit eindeutig festgeschrieben. Diese würden eindeutig von der Antragstellerin verwirklicht. Zur Glaubhaftmachung werde die Satzung der Stiftung von 2011 als Anlage beigefügt.

11

Der festgelegte Stiftungzweck unterfalle somit dem Anwendungsbereich von § 52 Abs. 2 Nr. 5 AO. Die Voraussetzungen für die Selbstlosigkeit und damit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit seien vollständig erfüllt. Ein rein eigenwirtschaftliches Interesse der Stifter stehe keineswegs im Vordergrund des Handelns der Antragstellerin und sei auch in keiner Weise gegeben.

12

Kunst sei nach Auffassung der Stifter ein zu bewahrendes Gemeingut, das für die Fortschreibung der Kunstgeschichte und der Geschichte der Menschheit bewahrt werden müsse. Die Stifter hätten daher eigene Kunstwerke allein mit einem Anschaffungswert von 122.205 € in die Stiftung eingebracht.

13

Mit Errichtung der Stiftung hätten die Stifter die Kunstwerke getrennt, indem sie diese nicht in der Wohnung der Stifter, sondern in separaten, ursprünglich gewerblich genutzten Räumen im Haus der Stifter im Erdgeschoss der Z-Straße in X aufbewahrt hätten. Die Wohnung der Stifter befinde sich in der ersten und zweiten Etage dieses Gebäudes, nicht jedoch im Erdgeschoss. Ab dem …. Juli 2013 hätten Räumlichkeiten in der S-Straße angemietet und ein Bildlager eingerichtet werden können. Dieses Bildlager erfülle die notwendigen Anforderungen für eine Bewahrung der Kunstwerke. So seien die Lagerflächen durchgängig beheizbar, so dass die Voraussetzungen für eine Langzeitlagerung bei geringer Luftfeuchte gegeben seien.

14

Das FA verkenne, dass Ausstellungen mit einem großen zeitlichen Vorlauf vorbereitet würden. In diesem Zusammenhang seien Versicherungsfragen zu klären, ebenso Fragen der Rahmung, Systeme der Bildhängung, des Transports und Ähnliches. So seien im streitgegenständlichen Zeitraum z.B. eine Ausstellung im Museum sowie zwei weitere Ausstellungen organisiert worden.

15

Der Direktor der Museen habe mit einem Schreiben vom Juni 2014 ausdrücklich für das Entgegenkommen und das großzügige Engagement bei der Ausstellung gedankt. Dies sei mit der Hoffnung auf ein weiteres gemeinsames Projekt mit der Künstlerin C verbunden worden.

16

Die aufgezeigten Tätigkeiten gingen bereits deutlich über bloße Vorbereitungen in der Verwirklichung des Satzungswecks hinaus. Die Antragstellerin habe Erstellungsbeteiligungen von Künstlern vorbereitet, die zwischenzeitlich im Jahr 2014 realisiert worden seien. Außerdem habe sie u.a. das eine Ausstellung begleitende Katalogbuch gefördert. Zudem sei eine Stipendienförderung für eine Künstlerin im Rahmen des Stiftungsprojektes "Y" erfolgt. Das Kunstbuch sei 2012 fertig gestellt und aufgrund seiner einmaligen Aufbereitung von einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur Aufnahme in das Deutsche Literaturarchiv vorgeschlagen worden, so dass es damit der Allgemeinheit auf Dauer zugänglich sei.

17

Im Übrigen könne ohnehin jedes Museum nur einen geringen Bestand seiner Werke im Ausstellungsbereich zugänglich machen; ein Teil der Werke befände sich regelmäßig in einem Lager. So verhalte es sich auch bei der Antragstellerin.

18

Es könne der Antragstellerin nicht zum Nachteil gereichen, dass sie die erhaltenen Spenden zum Erwerb neuer Kunstwerke verwendet habe; denn der Ankauf neuer Werke entspreche gerade ihrem Satzungszweck.

19

Auch der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei hiernach begründet.

20

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, abweichend von dem Beschluss des FG vom 26. Februar 2015  1 V 846/14

1. die Vollziehung betreffend den Bescheid für 2012 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom …. Juli 2014 auszusetzen und

2. das FA im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Gemeinnützigkeit der Antragstellerin anzuerkennen.

21

Das FA beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

22

II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

23

1. Die Entscheidung des FG, die begehrte AdV bezogen auf den Körperschaftsteuerbescheid für 2012 vom 2. Juli 2012 abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.

24

a) Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen (1. Alternative) oder wenn die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (2. Alternative).

25

Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Januar 2016 V B 87/15, BFHE 252, 187, Rz 13 m.w.N.). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (BFH-Beschluss in BFHE 252, 187, Rz 13, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe i.S. einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809, Rz 9, m.w.N., und in BFHE 252, 187, Rz 13, m.w.N.). Auch eine AdV wegen unbilliger Härte setzt u.a. voraus, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Sind derartige Zweifel ausgeschlossen oder fast ausgeschlossen, kommt eine AdV aufgrund der 2. Alternative des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO selbst dann nicht in Betracht, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge haben kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2004 I B 95/04, BFH/NV 2005, 160, unter II.1., m.w.N.).

26

b) Gemessen daran hat das FG zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer AdV nicht vorliegen, weil keine hinreichenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Körperschaftsteuerbescheides für 2012 bestehen.

27

aa) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung oder Unterstützung geschieht nach § 55 Abs. 1 AO selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke --z.B. gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke-- verfolgt werden und im Übrigen die weiteren in § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung handelt eine Körperschaft selbstlos, wenn sie weder selbst noch zugunsten ihrer Mitglieder eigennützige oder eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482).

28

Dabei trägt eine Körperschaft, die eine Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung wegen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke begehrt, die Feststellungslast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass sie die Voraussetzungen der Steuerbefreiung oder Steuerermäßigung erfüllt (z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 160).

29

bb) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall zu Recht angenommen, dass das eigennützige bzw. eigenwirtschaftliche Interesse der Stifter im Vordergrund des Handelns der Antragstellerin steht, so dass es an der gebotenen Selbstlosigkeit i.S. von § 55 Abs. 1 AO mangelt.

30

(1) Das FG hat hierzu ausgeführt, dass der Stifter und Vorstand der Antragstellerin Herr A sich unstreitig aufgrund seiner Kunst- und Sammelleidenschaft seit Jahren in diesem Bereich engagiert habe. Sein Eigeninteresse liege im Sammeln und Besitzen von Kunstgegenständen aus der geographischen Mitte Deutschlands. Dieses Interesse habe Herr A mit der Gründung der Stiftung weiterverfolgt. Denn auch nach der Übertragung seiner privat angeschafften Kunstwerke an die Stiftung habe sich für ihn faktisch nichts geändert, weil er nach wie vor den unmittelbaren Besitz an diesen Kunstwerken --ebenso wie an den von der Antragstellerin in den Streitjahren angeschafften Kunstwerken-- habe. Dies beruhe darauf, dass sich sämtliche Kunstwerke noch bis Juli 2013 in den Wohnräumen von Herrn A befunden hätten. Auch danach seien die Kunstwerke in einer von diesem in der Nähe angemieteten Wohnung gelagert worden.

31

Die Allgemeinheit habe in dieser Zeit kaum einen Nutzen an den Kunstwerken gehabt, da ihnen diese --abgesehen von wenigen Kunstwerken als Leihgaben bei Kunstausstellungen-- nicht zugänglich gemacht worden seien. Gegen das Vorliegen der Selbstlosigkeit spreche auch, dass durch die in § 7 der Satzung enthaltene Regelung bereits sichergestellt sei, dass die Stiftung und damit auch der unmittelbare Besitz am Stiftungsvermögen für die nächsten zwei Generationen ausschließlich in der Familienhand der Stifter verbleibe. Daran ändere auch der in § 12 der Satzung vorgesehene Anfall des Vermögens der Stiftung bei Auflösung derselben auf andere gemeinnützige Einrichtungen nichts, weil diese Regelung lediglich den in § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO vorgesehenen Mindestvorgaben für die Anerkennung der Selbstlosigkeit entspreche.

32

Nach Auffassung des erkennenden Senats sind diese Ausführungen des FG zur fehlenden Selbstlosigkeit bei der gebotenen summarischen Betrachtung nicht zu beanstanden.

33

(2) Auch die Tatsache, dass infolge der vom FG zugelassenen Revision unter dem Aktenzeichen V R 51/15 beim BFH ein Revisionsverfahren in dem Rechtsstreit der Hauptsache geführt wird, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn aus der bloßen Zulassung der Revision ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides (Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 69 Rz 161, m.w.N.).

34

(3) Dem stehen auch nicht die von der Antragstellerin erhobenen Einwendungen entgegen.

35

Die nach Darstellung der Antragstellerin gebotene "Bewahrung von Gemeingut von Kunst und Kultur" steht im Einklang mit dem aufgezeigten eigennützigen Interesse der Stifter an der Anschaffung und dem Sammeln der Kunstwerke und vermag Letzteres daher nicht zu entkräften. Dasselbe gilt für den Hinweis der Antragstellerin, dass die Kunstwerke durch die Stiftung auf Dauer dem Vermögen der Stifter entzogen seien mit der Maßgabe, dass das Stiftungsvermögen zugleich nach § 4 Abs. 2 der Satzung in seinem Bestand dauernd und ungeschmälert zu erhalten sei; denn dieser Umstand bedeutet angesichts der Lagerung der Kunstwerke im Erdgeschoss des eigenen Wohnhauses bzw. in hierfür später angemieteten Räumlichkeiten nicht, dass die Stifter ihren tatsächlichen Besitz --und damit auch ihren durch jederzeitigen Zugang möglichen eigennützigen Genuss-- an den früheren und von der Stiftung neu erworbenen Kunstwerken der Sammlung in irgendeiner Form grundsätzlich eingeschränkt hätten.

36

Zwar hat die Antragstellerin mit der Vorbereitung und Durchführung einzelner Ausstellungen die Kunstwerke zum Teil --und nur zeitweise-- auch der Allgemeinheit zum Kunstgenuss zur Verfügung gestellt. Dies bedeutet aber gleichfalls nicht, dass die Stifter hierdurch dauerhaft ihre eigennützigen Motive zur Aufrechterhaltung und dem weiteren Ausbau ihrer --ihnen selbst stets zugänglichen-- Kunstsammlung eingeschränkt oder gar aufgegeben hätten, zumal die an die jeweiligen Künstler zum Teil vergebenen Stipendien nicht nach Maßgabe allgemein zugänglicher Vergabekriterien erfolgten, sondern --so die unbestrittenen Ausführungen des FG-- auf dem entsprechenden "Gutdünken" der Stifter beruhten.

37

Auch der Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. Juli 2003 I R 29/02, BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930) mit dem Ziel der Verfolgung gemeinnütziger Zwecke durch vorbereitende Tätigkeiten führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar hat der BFH insoweit geklärt, dass bereits Tätigkeiten einer neu gegründeten Körperschaft, die die Verwirklichung der steuerbegünstigten Satzungszwecke nur vorbereiten, ausreichen, um die tätigkeitsbezogenen Voraussetzungen der Steuerbefreiung zu erfüllen (BFH-Urteil in BFHE 203, 251, BStBl II 2003, 930, Rz 16). Dies ändert aber nichts daran, dass im Hinblick auf den steuerbegünstigten Satzungszweck auch die Voraussetzungen der Selbstlosigkeit i.S. von § 55 Abs. 1 AO erfüllt sein müssen, woran es im Streitfall mangelt.

38

(4) Schließlich kommt auch keine Gewährung der AdV wegen unbilliger Härte nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO in Betracht. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin dies selbst nicht geltend gemacht hat, sind im Streitfall Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Körperschaftsteuerbescheides für 2012 bei der gebotenen summarischen Betrachtung ganz bzw. fast ausgeschlossen.

39

2. Das FG hat ferner zu Recht den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung i.S. von § 114 Abs. 1 FGO im Hinblick auf die begehrte vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit abgelehnt.

40

a) Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein Begehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft gemacht hat. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; BFH-Beschluss vom 22. Dezember 2006 VII B 121/06, BFHE 216, 38, BStBl II 2009, 839, Rz 12, m.w.N.).

41

b) Im Streitfall ist der Eilantrag aber unbegründet, weil die Antragstellerin schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.

42

Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung der beantragten Maßnahme unmittelbar bedroht ist (BFH-Urteil in BFHE 216, 38, BStBl II 2009, 839, Rz 17, m.w.N.). Die für den Erlass einer Anordnung geltend gemachten Gründe müssen jedenfalls ähnlich gewichtig und bedeutsam sein wie die im Gesetz ausdrücklich Genannten ("wesentliche Nachteile" und "drohende Gewalt"). Sie müssen so schwerwiegend sein, dass sie eine einstweilige Anordnung unabweisbar machen (BFH-Urteil in BFHE 216, 38, BStBl II 2009, 839, Rz 17, m.w.N.).

43

Die Antragstellerin hat hierzu lediglich vorgetragen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendig sei, da bei dessen Ablehnung die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin gefährdet wäre, weil bei Nichtanerkennung der Gemeinnützigkeit mit existenznotwendigen Spendengeldern nicht mehr zu rechnen sei. Zudem bestehe Existenzgefährdung bei Festsetzung von Schenkungsteuer.

44

Dieses in keiner Weise glaubhaft gemachte und lediglich allgemein gehaltene Vorbringen genügt den aufgezeigten Anforderungen nicht, zumal das FA in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hingewiesen hat, dass der eingereichten Gewinnermittlung für das Streitjahr 2012 zu entnehmen sei, dass die satzungsgemäßen Zwecke und die anderen laufenden Ausgaben durchaus eine gewisse Zeit aus dem vorhandenen Geldvermögen finanziert werden könnten.

45

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Tatbestand

1

I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) erzielt Einkünfte aus einer gewerblichen Zimmervermietung. Aufgrund von Einkommen- und Umsatzsteuerrückständen, die im Jahr 2009 57.472,19 € betrugen, brachte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen aus, die jedoch ins Leere gingen. Weitere Vollstreckungsmöglichkeiten vermochte das FA trotz diesbezüglicher Nachforschungen nicht ausfindig zu machen. Zunächst vorgenommene Sachpfändungen wurden in der Folgezeit wieder aufgehoben. Am 19. Januar 2010 traf der Antragsteller mit dem FA eine Ratenzahlungsvereinbarung. Danach sollte er den Zahlungspflichten hinsichtlich neu festgesetzter Einkommensteuer-Vorauszahlungen nachkommen und die Umsatzsteuer nach ordnungsgemäßer Buchhaltung quartalsweise zeitnah begleichen. Zudem sollte er alle vierzehn Tage Raten in Höhe von 1.000 € leisten und eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Die geforderte Versicherung gab der Antragsteller am 1. Februar 2010 ab, jedoch ergab sich daraus kein wesentliches pfändbares Vermögen.

2

Zum 21. Juli 2010 betrugen die Rückstände noch 42.548,39 €. Nach einem Vermerk der Vollstreckungsstelle hatte der Antragsteller die vereinbarten vierzehntägigen Raten unabgesprochen auf einen Betrag von 500 € reduziert. Eine Reduzierung der Ratenhöhe lehnte das FA ab; den dagegen eingelegten Einspruch wies es als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung gab es zu erkennen, dass eine Aussetzung der Vollziehung nach § 258 der Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme. Den Rückkaufswert einer Lebensversicherung --die aus dem Vermögensverzeichnis nicht ersichtlich war-- nahm das FA mit einem Betrag von 500 € an. Zudem erkannte das FA, dass zugunsten des Antragstellers noch ein Schmerzensgeldanspruch bestehen könnte. Am 22. Juli 2010 stellte das FA beim Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragstellers. In der Anhörung wies dieser darauf hin, dass die Gewinnermittlung für 2007 keine Verluste ausweise und zur Herabsetzung der Einkommensteuer 2007 und einem Erstattungsanspruch führen werde. Ferner sei im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Einkommensteuer für 2008 herabzusetzen. Im August 2010 setzte das FA die Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 in Höhe eines Teilbetrags von 8.552,64 € aus.

3

Gegen den Antrag auf Insolvenzeröffnung begehrte der Antragsteller vor dem Finanzgericht (FG) einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Dieses verpflichtete das FA, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Nach der mit dem FA getroffenen Vereinbarung, die nicht widerrufen worden sei, sei der Antragsteller im Zeitpunkt der Antragstellung mit insgesamt drei Raten, d.h. mit insgesamt 3.000 €, im Rückstand gewesen. Die geringe Höhe dieses Betrages lasse die Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerhaft erscheinen. Darüber hinaus habe der Antragsteller im Zeitraum von Mai bis August 2010 weitere Raten in Höhe von monatlich 1.000 € geleistet. Somit könne nicht von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen werden. Weitere Gläubiger seien nicht bekannt. Seinen Antrag habe das FA nicht auf den Insolvenzgrund der Überschuldung gestützt (§ 19 der Insolvenzordnung --InsO--). Ausführungen zur Überschuldung, die im Übrigen nicht angenommen werden könne, habe es nicht gemacht. Im Streitfall liege ein Anordnungsgrund nach § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO vor, der auch die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache rechtfertige, denn nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens scheide eine Rücknahme des Eröffnungsantrags aus.

4

Mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde begehrt das FA die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und die Ablehnung des Antrags des Antragstellers. Entgegen der Rechtsansicht des FG habe das FA seine Entscheidung ermessensgerecht getroffen. Die bis zum 31. August 2010 befristete Ratenzahlungsvereinbarung habe die Fälligkeit der Steuerforderungen nicht berührt. Eines Widerrufs habe es insoweit nicht bedurft. Rückständig seien nicht nur die nicht entrichteten Raten, sondern die gesamten Steuerforderungen gewesen. Zu Recht sei das FA von der Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgegangen. Mit einer zeitnahen Tilgung der Forderungen habe nicht gerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit i.S. des § 17 Abs. 2 InsO auszugehen, wenn der Schuldner nicht in der Lage sei, innerhalb von drei Wochen 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Zudem habe das FG, ohne diesbezüglich nähere Feststellungen zu treffen, eine drohende Existenzvernichtung des Antragstellers unterstellt.

5

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er führt aus, dass das FA das Auslaufen der Frist der Ratenzahlungsvereinbarung nicht abgewartet, sondern den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits am 22. Juli 2010 gestellt habe. Zudem sei das vom FA im Entwurf vorgelegte Schreiben vom 5. Februar 2010 bisher nicht zugegangen. Im Bescheid vom 2. November 2010 habe das FA selbst bestätigt, dass die vereinbarten Raten bezahlt worden seien. Ausweislich der betriebswirtschaftlichen Auswertung vom September 2010 habe der Antragsteller Ratenzahlungen bis zum Existenzminimum erbracht. Ohne Angabe von Gründen habe das FA eine Reduzierung der Raten abgelehnt. Durch Zahlung der vereinbarten Raten und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe der Antragsteller die mit dem FA getroffene Vereinbarung erfüllt. Unrichtig sei die zur Begründung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellte Behauptung, dass der Vollstreckungsschuldner seinen steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme. Voraussichtlich sei er in der Lage, seine Steuerschulden in verbleibender Höhe von zurzeit 15.300 € innerhalb von 12 Monaten zu tilgen. Das FA sei der einzige Gläubiger. In seinem Schriftsatz vom 17. Februar 2011 hat der Antragsteller mitgeteilt, dass der vom Insolvenzgericht beauftrage Gutachter die Ansicht vertritt, dass eine das Insolvenzverfahren deckende Masse vorhanden und der Insolvenzgrund des § 17 InsO gegeben sei. Voraussichtlich werde der Betrieb vom Insolvenzverwalter freigegeben.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Beschwerde ist begründet. Nach der gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage gelangt der beschließende Senat zu dem Schluss, dass das FG dem FA zu Unrecht die Verpflichtung auferlegt hat, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzunehmen. Entgegen der Auffassung des FG erweist sich die getroffene Vollstreckungsmaßnahme als ermessensfehlerfrei.

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1. Die Entscheidung des FA, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners zu beantragen, ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO von den Gerichten nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2003 VII B 265/01, BFH/NV 2004, 464). Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann gestellt werden, wenn dem FA ein Anspruch zusteht, der ihm im Insolvenzverfahren die Stellung eines Insolvenzgläubigers vermittelt, und wenn ein Insolvenzgrund vorliegt. Positiver Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse bedarf es nicht. Allerdings darf ein solcher Antrag nicht rechtsmissbräuchlich und aus sachfremden Erwägungen gestellt werden. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn das FA lediglich die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Vollstreckungsschuldners bezweckt (Senatsbeschluss vom 23. Juli 1985 VII B 29/85, BFH/NV 1986, 41).

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Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) handelt es sich bei dem durch das FA gestellten Insolvenzantrag nicht um einen Verwaltungsakt (Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 251 AO Rz 107), so dass als vorläufiger Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 114 FGO in Betracht kommt (zur Konkursordnung vgl. Senatsbeschluss vom 26. April 1988 VII B 176/87, BFH/NV 1988, 762). Dabei hat sich die Prüfung des Gerichts auf die Erfolgsaussichten des Antragstellers im Hauptsacheverfahren zu erstrecken. Im Falle einer Leistungsklage auf Rücknahme des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach Ansicht der Instanzgerichte auf den Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der finanzgerichtlichen Entscheidung abzustellen (Urteil des FG des Saarlandes vom 17. März 2004  1 K 437/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1021; Entscheidung des FG Berlin vom 21. September 2004  7 K 7182/04, EFG 2005, 11, und Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 22; offengelassen im Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 VII B 98/06, BFH/NV 2007, 1270). Diese Frage bedarf im Streitfall jedoch keiner abschließenden Klärung, weil der Eröffnungsgrund des § 17 Abs. 1 InsO auch bereits im Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags vorlag.

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2. Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass das FA wegen der noch nicht ausgelaufenen Ratenzahlungsvereinbarung gehindert gewesen sei, den Insolvenzantrag zu stellen. Die Vereinbarung war wegen Nichteinhaltung seitens des Antragstellers gegenstandslos geworden, so dass sie nicht hatte förmlich widerrufen werden müssen. Das FA musste die Beträge nicht wieder fällig stellen, nachdem der Antragsteller mit der zunächst pünktlichen Ratenzahlung in Rückstand geraten war. Ausweislich des Protokolls über die Besprechung an Amtsstelle ist eine Aussetzung der Vollziehung zunächst nicht gewährt worden. Vielmehr wurde die Vollstreckung lediglich ruhend gestellt und vom Verhalten des Vollstreckungsschuldners abhängig gemacht. Zudem hat das FA mit Schreiben vom 6. Mai 2010 die beantragte Reduzierung der Ratenhöhe abgelehnt und den dagegen erhobenen Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2010 musste der Antragsteller entnehmen, dass eine Aussetzung der Vollstreckung nicht mehr in Betracht kam. Danach konnte er von einer Genehmigung zur Fortsetzung der Ratenzahlungen nicht mehr ausgehen und musste mit der umgehenden Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen rechnen.

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Nach summarischer Betrachtung der Sach- und Rechtslage konnte das FA auch von einer Zahlungsunfähigkeit des Antragstellers ausgehen (§ 17 Abs. 1 und 2 InsO). Ausweislich der Akten hat der Antragsteller zwar in den Monaten Januar bis April 2010 die Raten in der vereinbarten Höhe von 2.000 € gezahlt, jedoch die Zahlungen bis August 2010 von zunächst 1.000 € auf 500 € zurückgeführt. Den Antrag vom 20. Juli 2010 auf entsprechende Reduzierung der Raten hat das FA abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Steuerrückstände auf 42.548,39 €. Ausweislich der im Rahmen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorgelegten Vermögensaufstellung war verwertbares Vermögen nicht vorhanden, so dass weitere Vollstreckungsversuche aussichtslos erschienen. Zwar hat sich der Antragsteller auf einen für ihn günstigen Ausgang der anhängigen Einspruchsverfahren berufen, doch bestehen nach dem Vorbringen des FA selbst unter Berücksichtigung der inzwischen abgeschlossenen Verfahren Abgabenrückstände in Höhe von 34.264,61 €. Dass eine Begleichung der Steuerschulden in absehbarer Zeit zu erwarten ist, hat der Antragsteller lediglich behauptet, ohne dies jedoch substantiiert zu belegen. Bei diesem Befund ist ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich. Da bereits aus diesem Grund der Antrag des Antragstellers zurückzuweisen ist, kann es dahingestellt bleiben, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist.

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3. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass das FA den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Ziel der Existenzvernichtung rechtsmissbräuchlich gestellt hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das primäre Ziel eines Insolvenzverfahrens nicht die Zerschlagung von Vermögenswerten ist, sondern die Schuldenbereinigung zur Fortsetzung unternehmerischer Betätigung. Soweit sich der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren darauf berufen hat, dass eine Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse wahrscheinlich sei, wird auch dadurch der Anordnungsanspruch nicht hinreichend belegt. Die zuverlässige Feststellung des Vermögens des Schuldners obliegt dem Insolvenzgericht (vgl. Senatsentscheidung vom 12. Dezember 2005 VII R 63/04, BFH/NV 2006, 900). Wie der Antragsteller nunmehr selbst vorträgt, ist nach Auffassung des vom Insolvenzgericht bestellten Gutachters eine das Verfahren deckende Masse vorhanden. Auch ist eine Freigabe des Betriebs mit dem Ziel seiner Fortführung nicht ausgeschlossen, so dass eine Vernichtung der Existenz des Antragstellers nicht unabweisbar erscheint.

(1) Eine natürliche Person kann jederzeit von dem Kreditinstitut verlangen, dass ein von ihr dort geführtes Zahlungskonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Satz 1 gilt auch, wenn das Zahlungskonto zum Zeitpunkt des Verlangens einen negativen Saldo aufweist. Ein Pfändungsschutzkonto darf jedoch ausschließlich auf Guthabenbasis geführt werden.

(2) Ist Guthaben auf dem Zahlungskonto bereits gepfändet worden, kann der Schuldner die Führung dieses Kontos als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf sein Verlangen folgenden Geschäftstages fordern. Das Vertragsverhältnis zwischen dem Kontoinhaber und dem Kreditinstitut bleibt im Übrigen unberührt.

(3) Jede Person darf nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten. Bei dem Verlangen nach Absatz 1 hat der Kunde gegenüber dem Kreditinstitut zu versichern, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält.

(4) Unterhält ein Schuldner entgegen Absatz 3 Satz 1 mehrere Zahlungskonten als Pfändungsschutzkonten, ordnet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers an, dass nur das von dem Gläubiger in seinem Antrag bezeichnete Zahlungskonto dem Schuldner als Pfändungsschutzkonto verbleibt. Der Gläubiger hat den Umstand, dass ein Schuldner entgegen Satz 1 mehrere Zahlungskonten als Pfändungsschutzkonten unterhält, durch Vorlage entsprechender Erklärungen der Drittschuldner glaubhaft zu machen. Eine Anhörung des Schuldners durch das Vollstreckungsgericht unterbleibt. Die Anordnung nach Satz 1 ist allen Drittschuldnern zuzustellen. Mit der Zustellung der Anordnung an diejenigen Kreditinstitute, deren Zahlungskonten nicht zum Pfändungsschutzkonto bestimmt sind, entfallen die Wirkungen dieser Pfändungsschutzkonten.

(5) Der Kontoinhaber kann mit einer Frist von mindestens vier Geschäftstagen zum Monatsende von dem Kreditinstitut verlangen, dass das dort geführte Pfändungsschutzkonto als Zahlungskonto ohne Pfändungsschutz geführt wird. Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe gelten sinngemäß.

(2) Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(3) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(4) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(5) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 3 und 4 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(6) § 79a Absatz 4 gilt entsprechend.

(7) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 3 und 4 ist die Erinnerung an das Gericht gegeben. Die Frist für die Einlegung der Erinnerung beträgt zwei Wochen. Über die Erinnerung entscheidet das Gericht durch Beschluss.

(8) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 3 bis 7 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.