Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Berichtigung oder Änderung von Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume 2010 und 2011.

2

Die Klägerin erzielt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einer umsatzsteuerpflichtigen Vermietung der Grundstücke X-Straße ..., ... und ... in Hamburg. Umsatzsteuerzahlungen wirken sich erfolgswirksam aus, gezahlte Vorsteuerbeträge sind als Werbungskosten zu berücksichtigen.

3

Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2009 sah der amtliche Vordruck der Anlage V keine gesonderte Eintragungsmöglichkeit für gezahlte Vorsteuerbeträge vor. Eine Berücksichtigung erfolgte daher entweder indem die Werbungskosten einschließlich enthaltener Vorsteuerbeträge (brutto) erklärt wurden oder indem zusätzlich zu den Nettobeträgen der Werbungskosten ein gesonderter Posten für die Vorsteuern angesetzt wurde. Letztgenannte Eintragung konnte in Zeile 48 der Anlage V unter der Bezeichnung "Sonstiges" erfolgen, wobei der Vordruck hier die Möglichkeit zur näheren Konkretisierung bot.

4

Seit dem Veranlagungszeitraum 2010 sieht der amtliche Vordruck der Anlage V nach der in Zeile 50 darzustellenden "Summe der Werbungskosten" demgegenüber in Zeile 51 eine Eintragungsmöglichkeit für Vorsteuern vor. Diese trägt die Bezeichnung "Nur bei umsatzsteuerpflichtiger Vermietung: In Zeile 50 enthaltene Vorsteuerbeträge". Dortige Eintragungen haben somit nur nachrichtlichen Charakter. Ein Abzug der Vorsteuerbeträge als Werbungskosten wird weiterhin nur erreicht, wenn sämtliche Werbungskosten brutto angegeben werden oder unter "Sonstiges" (nunmehr in Zeile 49) ein gesonderter Posten mit den Vorsteuern eingetragen wird. Im Zuge dieser Änderung wurden sämtliche Eintragungsmöglichkeiten für Umsatzsteuer in der Anlage V überarbeitet. So sollen nunmehr in Zeile 16 die "Vereinnahmte Umsatzsteuer" auf Einnahmeseite und in Zeile 48 die "an das Finanzamt gezahlte Umsatzsteuer" dargestellt werden.

5

Die Klägerin hat die Zeugin A, eine Steuerberaterin, mit der Erstellung der Feststellungserklärungen samt Anlage V beauftragt. Diese ermittelt den Überschuss aus der Vermietung mit Hilfe eines Steuerberatungsprogramms, in dem sie eine Buchhaltung eingerichtet hat. Angefallene Kosten bucht sie entsprechend mit Umsatzsteuerschlüssel, so dass für die Vorsteuerbeträge ein eigenes Buchführungskonto existiert. Bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2009 flossen die als Werbungskosten zu berücksichtigenden Vorsteuern aus dem Buchhaltungskonto in einen gesonderten Posten in Zeile 48 unter "Sonstiges" ein, der mit "Diverse Kosten" betitelt wurde. In den Veranlagungszeiträumen 2006 bis 2009 wurden hier Beträge von jeweils etwa 70.000 € bis 100.000 € erklärt, wobei die Vorsteuern bei jeweils etwa 15.000 € bis 25.000 € lagen.

6

Im Rahmen der am 1. November 2011 und am 4. Oktober 2012 eingereichten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Veranlagungszeiträume 2010 und 2011 wurden in der neu geschaffenen Zeile 51 der Anlage V Vorsteuern in Höhe von 36.808 € für das Jahr 2010 und 33.543 € für das Jahr 2011 erklärt. Der Posten "Diverse Kosten" lag demgegenüber bei etwa 7.000 € bzw. etwa 15.000 €. Die Veranlagung erfolgte jeweils erklärungsgemäß mit Bescheiden vom 15. März 2012 und 17. Januar 2013.

7

Mit Schreiben vom 24. September 2013 beantragte die Zeugin A eine Berichtigung der Feststellungsbescheide nach § 129 der Abgabenordnung (AO). Bei Fertigung der Steuererklärungen 2012 sei aufgefallen, dass in den Erklärungen 2010 und 2011 jeweils ein Fehler unterlaufen sei. Die Vorsteuer sei versehentlich in die seit 2010 dafür vorgesehene Formularstelle eingetragen worden. Sie sei jedoch anders als in den Vorjahren nicht in die sonstigen Kosten aufgenommen worden.

8

Der Antrag wurde hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2010 mit Bescheid vom 12. November 2013 abgelehnt. Es handele sich nicht um eine offenbare Unrichtigkeit, weil der Fehler für den Beklagten nicht erkennbar gewesen sei.

9

Mit Einspruch vom 13. Dezember 2013 wandte sich die Klägerin gegen die Ablehnung. Es handele sich um einen Eingabefehler, der vom Beklagten übernommen worden sei. Hilfsweise beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juni 2014 eine Änderung der streitgegenständlichen Feststellungsbescheide für 2010 und 2011 wegen neuer Tatsachen im Sinne von § 173 AO. Aufgrund eines offensichtlichen Eingabefehlers sei ihr kein grobes Verschulden vorzuwerfen.

10

Dieser Hilfsantrag wurde vom Beklagten gesondert behandelt und mit Bescheid vom 24. Juni 2014 (abgesandt am 25. Juni 2014) in Bezug auf das Streitjahr 2010 abgelehnt, weil die Höhe der Vorsteuer dem Finanzamt bereits bekannt gewesen sei und somit keine neue Tatsache vorliege.

11

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 28. Juli 2014. Der Umstand, dass die Vorsteuerbeträge nicht als Werbungskosten berücksichtigt worden seien, sei dem Finanzamt nicht bekannt gewesen und stelle somit eine neue Tatsache dar. Zudem seien die Voraussetzungen des § 129 AO erfüllt. Ein Abgleich der Erklärungen mit den Vorjahren ergebe, dass sich der Posten "Diverse Kosten" erheblich reduziert habe. Daher sei das Fehlen der Vorsteuerbeträge offensichtlich gewesen.

12

Mit zwei Bescheiden vom 25. August 2014 (abgesandt 26. August 2014) lehnte der Beklagte die Änderungsanträge bezüglich des Veranlagungszeitraums 2011 mit gleicher Begründung sowohl in Bezug auf § 129 AO als auch nach § 173 AO ab. Diese wurden von der Klägerin mit Einspruch vom 29. September 2014 angefochten.

13

Mit Entscheidung vom 13. Januar 2015 wurden die Einsprüche zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und als unbegründet zurückgewiesen. Eine Berichtigung nach § 129 AO komme nicht in Betracht, weil anhand der Steuererklärung nicht erkennbar sei, dass die Vorsteuer nicht in den Werbungskosten enthalten sei. Ob der Fehler bei einem Abgleich mit den Vorjahren offenbar sei, könne dahingestellt bleiben. Wenn die Hinzuziehung der Vorjahreserklärung nötig sei, sei die Unrichtigkeit nicht offenbar. Eine Änderung nach § 173 AO scheide ebenfalls aus, weil die Klägerin sich das grobe Verschulden ihrer Steuerberaterin zurechnen lassen müsse, an deren Sorgfaltspflicht wiederum erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Der amtliche Vordruck der Anlage V bringe deutlich zum Ausdruck, dass die Eintragung in Zeile 51 nicht zur Summe der Werbungskosten addiert werde und insofern nur nachrichtlich erfolge.

14

Mit ihrer am 16. Februar 2015 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Voraussetzung des § 129 AO, dass die Unrichtigkeit "offenbar" sein müsse, diene bloß der Abgrenzung zu nicht berücksichtigungsfähigen Rechtsanwendungsfehlern. Es komme nicht darauf an, ob ein sogenannter Übernahmefehler für das Finanzamt klar und deutlich erkennbar sei. Rechtsanwendungsfehler kämen hier aber gar nicht in Betracht. Zudem seien die Abweichungen zu den in den Jahren 2006 bis 2009 erklärten "Sonstigen Kosten" deutlich und offenbar. Bei Erhaltungsaufwendungen von 150.000 € in 2010 habe der Beklagte mit Vorsteueraufwendungen von mindestens 30.000 € rechnen müssen, die sich nur in dieser Zeile hätten finden können. Ferner seien die Vorsteuern in den Umsatzsteuererklärungen für 2010 und 2011 aufgeführt worden. Der Beklagte habe diese Erklärungen bei Prüfung der Anlage V übersehen, auch deshalb liege eine offenbare Unrichtigkeit vor.

15

Außerdem müsse eine Änderung nach § 173 AO erfolgen. Es lägen nachträglich bekannt gewordene Tatsachen vor. Der Beklagte habe erst mit dem Änderungsantrag erfahren, dass die Vorsteuerbeträge nicht als Werbungskosten abgezogen worden seien. Grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen liege nicht vor, weil der Fehler auf einer Änderung der langjährigen Praxis des Vorsteuerausweises in den Vordrucken beruhe und daher als entschuldbares Versehen erscheine. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) begründe nur das bewusste Falsch- oder Nichtausfüllen den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit. Dies liege hier nicht vor. Der Beklagte trage im Übrigen die Feststellungslast für das Vorliegen von grobem Verschulden.

16

Der Fehler sei der Zeugin B passiert. Diese sei fachlich qualifiziert, sorgfältig ausgesucht und bisher frei von Fehlern gewesen. Fortbildungsmaßnahmen seien für Mitarbeiter einer Steuerberaterkanzlei nicht vorgesehen. Die Pflichtfortbildungen für die Berufsträger seien von der Kanzlei stets erfüllt worden. Die Mitarbeiter seien freiwillig ständig geschult worden, so auch die Zeugin B. Es habe in den letzten Jahren ein Fortbildungsetat zwischen gut 6.000,- € und knapp 11.000 € jährlich vorgelegen. Ende 2009 habe es keine Fortbildungsmaßnahme der Steuerberaterkammer Hamburg gegeben, die sich allein mit der Frage der Vordruckänderung für die Anlage V beschäftigt habe. Die Mitarbeiter der Kanzlei machten sich mit dem DATEV-Programm mit den neuen Vordrucken vertraut. Dieses Programm enthalte Prüf- und Kontrollhinweise, die jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben worden seien. Die amtlichen Erläuterungen zum Vordruck und die DATEV-Version enthalte keinen ausdrücklichen Hinweis, dass wegen der Umsatzsteuer nunmehr anders zu verfahren sei. Die Mitarbeiter würden von der Zeugin A stichprobenartig überprüft und insbesondere bei Änderungen oder größeren Rechnungen.

17

Die Feststellungserklärungen 2010 und 2011 seien von der Zeugin A an die Klägerin mit der Bitte um Unterzeichnung und Rücksendung übersandt worden. Anschließend seien die Erklärungen dann von der Zeugin an den Beklagten übermittelt worden. Die Gesellschafter der Klägerin hätten die Steuererklärung durchgesehen und überprüft. Die streitgegenständlichen Fehler seien ihnen dabei nicht aufgefallen. Der Fehler sei zwar erkennbar gewesen. Bei einem steuerrechtlich beratenen Steuerpflichtigen reiche es aber aus, wenn die vorbereitete Steuererklärung überschlägig überprüft werde.

18

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsbescheide vom 12. November 2013, vom 24. Juni 2014 und vom 25. August 2014, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2015, zu verpflichten, die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 vom 15. März 2012 und für 2011 vom 17. Januar 2013 zu ändern und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 36.808 € für 2010 und 33.543 € für 2011 zu mindern.

19

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

20

Zur Begründung bezieht er sich auf die Einspruchsentscheidung vom 13. Januar 2015 und trägt ergänzend vor, dass aus den Umsatzsteuererklärungen zwar die in Zeile 51 der Anlage V eingetragenen Vorsteuerbeträge erkennbar gewesen seien. Es sei aber nicht erkennbar gewesen, dass diese Beträge nicht in der Summe der Werbungskosten in Zeile 50 enthalten gewesen seien. Der Wortlaut der Zeile 51 der Anlage V sei eindeutig und unmissverständlich. Die Klägerin habe selbst grob fahrlässig gehandelt, weil ihr bei einer Überprüfung der vorgelegten Steuererklärungen anhand der Belege habe auffallen müssen, dass die Vorsteuern nicht in den Werbungskosten enthalten gewesen seien. Aber auch die Zeugin A habe grob fahrlässig gehandelt. Dies sei der Klägerin zuzurechnen. Die Zeugin B habe den Text der Zeile 51 der Anlage V offensichtlich nicht gelesen und nicht zur Kenntnis genommen.

21

Mit Beschluss vom 8. Februar 2016 ist C als nach den Streitjahren ausgeschiedene Gesellschafterin der Klägerin notwendig zum Verfahren beigeladen worden (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und keinen Antrag gestellt.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten, den Inhalt der Gerichtsakten und den der Protokolle über den Erörterungstermin am 1. Oktober 2015 und den Termin zur mündlichen Verhandlung am 17. März 2016 nebst Beweisaufnahme Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die Klage ist zulässig und zum weit überwiegenden Teil begründet.

24

Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, eine Änderung der Feststellungsbescheide 2010 und 2011 auf der Grundlage von § 129 AO vorzunehmen. Die diesbezüglichen Ablehnungsbescheide vom 12. November 2013 und vom 25. August 2014 sind rechtmäßig (I.). Die Ablehnungsbescheide des Beklagten vom 24. Juni 2014 und vom 25. August 2014, die einen Anspruch der Klägerin auf Änderung der Feststellungsbescheide 2010 und 2011 auf der Grundlage von § 173 AO verneinen, sind demgegenüber rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten (II.). Der Beklagte ist deshalb zur beantragten Änderung der Feststellungsbescheide zu verpflichten (§ 101 FGO).

I.

25

Eine Änderung der Feststellungsbescheide 2010 und 2011 kann nicht auf der Grundlage von § 129 AO erfolgen.

1)

26

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

27

"Ähnliche Unrichtigkeiten" in diesem Sinne müssen einem Schreib- oder Rechenfehler vergleichbar sein. Es muss sich also um mechanische Versehen handeln, die ebenso mechanisch ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass ein Rechtsanwendungsfehler vorliegen könnte (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056; vom 1. August 2012 IX R 4/12, BFH/NV 2013, 1).

28

Eine Unrichtigkeit ist "offenbar", wenn sie als solche auf der Hand liegt und aus sich heraus offen zu Tage tritt, das heißt bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen, objektiven Dritten klar und deutlich erkennbar, eindeutig oder augenfällig ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10, BFH/NV 2012, 694; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; jeweils m. w. N.). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn sich das Finanzamt eine offenbar fehlerhafte Angabe des Steuerpflichtigen zu eigen macht, also beispielsweise einen offensichtlichen Fehler der Steuererklärung als eigenen Fehler in den Steuerbescheid übernimmt. Dies setzt voraus, dass bereits der Fehler des Steuerpflichtigen offenbar gewesen, also ohne weiteres aus der Steuererklärung, den dazugehörigen Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen als mechanisches Versehen ersichtlich gewesen ist (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056; vom 1. August 2012 IX R 4/12, BFH/NV 2013, 1; jeweils m. w. N).

2)

29

Nach diesen Grundsätzen liegt keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 Satz 1 AO vor. Der Klägerin ist zwar darin zuzustimmen, dass Fehler, die dem Steuerpflichtigen beim Ausfüllen des amtlichen Steuererklärungsformulars unterlaufen und die vom Finanzamt übernommen werden, mechanische Versehen sein können und somit als ähnliche Unrichtigkeit den Anwendungsbereich des § 129 AO eröffnen können. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine weitere Voraussetzung aber, dass die Unrichtigkeit "offenbar" ist, also klar und deutlich aus den für den Veranlagungszeitraum zur Verfügung stehenden Unterlagen erkennbar ist. Die Abgrenzung zu nicht berichtigungsfähigen Rechtsanwendungsfehlern erfolgt demgegenüber anhand des Tatbestandmerkmals der "ähnlichen Unrichtigkeit".

30

Bei Übernahme aus der Feststellungserklärung war die Unrichtigkeit der Anlage V für den zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten nicht ohne weitere Prüfung erkennbar. Sie ergab sich nicht aus der Steuererklärung selbst, den dazugehörigen Anlagen, den in den Akten befindlichen Unterlagen für den betreffenden Veranlagungszeitraum oder aus den Umsatzsteuererklärungen.

31

Aufgrund der Eintragung in Zeile 51 der Anlage V war für den Sachbearbeiter zwar erkennbar, dass Vorsteuerbeträge in beträchtlicher Höhe angefallen und als Werbungskosten zu berücksichtigen waren. Nicht erkennbar war allerdings, dass die in Zeile 50 dargestellte Summe der Werbungskosten die Vorsteuerbeträge nicht bereits enthielt. Hiergegen sprechen die hinreichend verständliche und eindeutige Formulierung der Zeile 51 sowie ihre Bezugnahme und Stellung zur Zeile 50. Danach sind in Zeile 51 die in der Summe der Werbungskosten bereits enthaltenen Vorsteuerbeträge zu erfassen. Das Erklärungsverhalten sprach insofern dafür, dass dies auch der Fall war, etwa weil es sich bei den erklärten Werbungskosten um Bruttobeträge handelte. Dies wäre aufgrund von Erhaltungsaufwendungen in Höhe von etwa 150.000 € bzw. 100.000 € und weiterer Werbungskosten, insbesondere Kosten für Heizung und Hauswart, die in einem Gesamtposten von etwa 109.000 € bzw. 131.000 € (Zeile 46) enthalten sind, rechnerisch ohne weiteres möglich gewesen. Die Summe der Werbungskosten betrug 343.560 € in 2010 und 343.199 € in 2011.

32

Vor diesem Hintergrund lässt auch der Umstand, dass die Eintragungen in Zeile 49 unter "Sonstiges" lediglich bei 7.000 € bzw. 15.000 € lagen, das Fehlen der Vorsteuern in der Summe der Werbungskosten nicht offensichtlich erscheinen. Ergänzungen zu den Anlagen V, in denen die vorsteuerbelasteten Werbungskosten im Einzelnen aufgeführt waren, lagen nicht vor.

33

Die Unrichtigkeit war auch nicht anhand der Umsatzsteuererklärungen erkennbar. Denn hiermit ließ sich lediglich verifizieren, dass die Angaben hinsichtlich der Höhe der Vorsteuerbeträge übereinstimmten. Die Umsatzsteuererklärungen lassen aber keinen Rückschluss darauf zu, ob die Vorsteuern in den Werbungskosten bereits enthalten sind.

34

Betrachtet man allein die Steuererklärungen und Anlagen der streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume, deutet nichts darauf hin, dass die Vorsteuerbeträge entgegen der Erklärung nicht in der Summe der Werbungskosten enthalten gewesen sind. Ob der Sachbearbeiter des Beklagten die Unrichtigkeit bei Hinzuziehung der Vorjahreserklärungen hätte erkennen können, bedarf keiner Entscheidung. Denn soweit das Finanzamt auf Vorjahresakten zurückgreifen muss, um einen Fehler zu ermitteln, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor (vgl. etwa BFH-Urteile vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033; vom 23. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359, m. w. N).

II.

35

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Diese Voraussetzungen liegen vor.

1)

36

Der Umstand, dass sich die erklärten Vorsteuerbeträge trotz Eintragung in Zeile 51 nicht als Werbungskosten steuermindernd ausgewirkt haben, stellt eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache dar. Dies ist dem Beklagten erst nach Erlass der Feststellungsbescheide vom 15. März 2012 (für 2010) und vom 17. Januar 2013 (für 2011) durch den Änderungsantrag der Zeugin A vom 24. September 2013 bekannt geworden. Die Vorsteuerbeträge von 36.808 € in 2010 und von 33.543 € in 2011 sind - unstreitig - als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen und wirken sich damit steuermindernd aus.

2)

37

Die Klägerin trifft kein grobes Verschulden daran, dass dem Beklagten die steuermindernde Tatsache erst nachträglich bekannt geworden ist.

a)

38

Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467).

39

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BStBl II 2006, 412, und vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467 m. w. N.). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81 BStBl II 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, BStBl II 1988, 109, vom 13. Juni 1989 VIII R 174, 85, BStBl II 1989, 789; vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467).

40

Diese Verpflichtung erlischt nicht dadurch, dass der steuerliche Berater Mitarbeiter zur Fertigung von Entwürfen der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen einsetzt. Sie konkretisiert sich in diesen Fällen in eigenen Sorgfaltspflichten des Beraters hinsichtlich der Auswahl seiner Mitarbeiter, der Organisation der Arbeiten in seinem Büro und der Kontrolle der Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter. Denn beruht das nachträgliche Bekanntwerden einer steuermindernden Tatsache auf einem Mitarbeiterfehler und bleibt dieser wegen Verletzung einer der genannten Sorgfaltspflichten unentdeckt, so beruht das nachträgliche Bekanntwerden der Tatsache auch auf einer Sorgfaltspflichtverletzung des steuerlichen Beraters. Die genannte Kontroll- und Überwachungspflicht beinhaltet allerdings - wenn es sich um einen bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter handelt - grundsätzlich keine Verpflichtung, dessen Arbeitsergebnisse in allen Einzelheiten zu überprüfen und nachzuvollziehen. Anderenfalls wäre der Einsatz von Mitarbeitern sinnlos, da er trotz wirtschaftlichen Aufwands kaum Entlastung des Beraters bewirken könnte. Ob ein steuerlicher Berater jeden Entwurf seines Mitarbeiters selbst überschlägig überprüfen muss oder ob stichprobenweise Überprüfungen ausreichen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; ihm und damit seinem Mandanten wird eine Sorgfaltspflichtverletzung seiner Mitarbeiter aber nicht als eigene zugerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BStBl II 1988, 109; FG München, Urteil vom 22. Februar 2005 13 K 3037/02, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 22. April 2009 7 K 1951/07 F, EFG 2011, 19).

41

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BStBl II 1994, 346, vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (vgl. BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467).

42

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467).

43

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147, vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467).

44

Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei unbewussten - mechanischen - Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit - nicht stets, aber im Einzelfall - ausgeschlossen sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 13. September 1990 V R 110/85, BStBl II 1991, 124, zur Nichtberücksichtigung von Vorsteuerbeträgen aus einer Voranmeldung).

45

Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hindeuten, sind von der Finanzbehörde darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit, beruhen; verbleibende Zweifel hieran gehen daher zu Lasten der Behörde, die insoweit die Feststellungslast trägt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 2015 IX R 18/14, BFH/NV 2015, 626; vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BStBl II 1993, 80; Loose in Tipke/ Kruse, AO, FGO, § 173 AO Rz. 85).

46

Der Tatbestand des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO muss im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung einer konkreten Prüfung unterzogen werden, die eine Differenzierung zwischen einfachem Pflichtverstoß - als Ausdruck leichter Fahrlässigkeit - und schwerem Pflichtverstoß - als Ausdruck grober Fahrlässigkeit - hinreichend deutlich erkennen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 10. Februar 2015 IX R 18/14, BFH/NV 2015, 626; v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz 295; s. ferner Loose in Tipke/Kruse, a. a. O., § 173 AO Rz. 78).

b)

47

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann den Gesellschaftern der Klägerin selbst nicht der Vorwurf groben Verschuldens gemacht werden ist. In Betracht kommt insoweit nur grobe Fahrlässigkeit. Sie haben - wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt - die vom Büro der Zeugin A ausgefüllten Steuererklärungen übermittelt bekommen und unterschrieben. Nach ihrem Vortrag haben die Gesellschafter die Erklärungen vor der Unterschrift auch überprüft. Das Gericht geht davon aus, dass eine solche Überprüfung auch tatsächlich stattgefunden hat. Entgegenstehende Anhaltspunkte liegen nicht vor; insbesondere spricht die Nichtentdeckung des Fehlers nicht für eine fehlende Überprüfung der Steuererklärungen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn es den geschäftsführenden Gesellschaftern der Klägerin anhand der Erklärungen oder anderen Unterlagen ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass die angeführten Vorsteuerbeträge nicht als Werbungskosten geltend gemacht worden sind.

48

Allein aus den Erklärungen konnten sie dies - wie oben dargelegt - nicht schließen. Das Gericht kann nicht feststellen, dass den Gesellschaftern der Klägerin andere Unterlagen zur Verfügung standen, die den Fehler ohne weitere Ermittlungen oder Berechnungen deutlich aufzeigten. Ihnen stand nach den Bekundungen der Zeugin A zwar jeweils die Verwalterabrechnungen für die Streitjahre zur Verfügung. Auch besteht nach der Aussage der Zeugin die Möglichkeit, dass sie eine Aufstellung der von ihnen selbst getragenen Aufwendungen zur Verfügung hatten. Selbst wenn dieses der Fall gewesen sein sollte, ist nicht erkennbar, dass die Gesellschafter der Klägerin damit ohne weitere Prüfungen oder Berechnungen in der Lage gewesen wären, die zutreffende Summe der Werbungskosten (einschließlich der Vorsteuerbeträge) - gleichsam auf einen Blick - vor Augen zu haben. Es hätte zumindest eine Zusammenrechnung der Beträge zuzüglich der AfA erfolgen und die Verwalterabrechnungen hätten daraufhin untersucht werden müssen, in welcher Höhe in den Streitjahren abzugsfähige Werbungskosten angefallen sind.

49

Auf dieser Grundlage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter der Klägerin ihre Pflicht zur Überprüfung der von der Zeugin A übermittelten Feststellungserklärungen grob fahrlässig verletzt haben. Sie haben einen Steuerberater beauftragt, die Feststellungserklärungen anzufertigen und konnten davon ausgehen, dass dies auch fachkundig geschieht. Die Zeuginnen A und B haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass in dem langjährig bestandenen Mandatsverhältnis mit der Klägerin vorher keine Fehler bei der Erstellung der Feststellungserklärungen aufgetreten sind. Die Gesellschafter der Klägerin konnten sich deshalb darauf beschränken, die Feststellungserklärungen auf Vollständigkeit, Plausibilität und offensichtliche Fehler zu überprüfen (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147; vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFH/NV 2013, 1467; FG Düsseldorf, Urteil vom 22. April 2009 7 K 1951/07 F, EFG 2011, 19). Bei einer solchen Kontrolle konnte der Fehler, wie oben dargelegt, nicht entdeckt werden.

50

Auch der Zeugin A ist kein grobes Verschulden in Form grober Fahrlässigkeit anzulasten.

51

Ein Pflichtenverstoß im Rahmen der Auswahl und Kontrolle der Zeugin B, die die Steuererklärungen vorbereitet hat, und in der Büroorganisation liegt nicht vor.

52

Die Zeugin B ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme von der Zeugin A sorgfältig ausgewählt und angeleitet worden. Sie ist nach den übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen beider Zeuginnen schon viele Jahre im Büro der Zeugin A beschäftigt und dort als Steuerfachgehilfin ausgebildet worden. Fehler sind ihr danach vorher nicht unterlaufen. Sie fragt vielmehr bei den Berufsträgern der Kanzlei regelmäßig nach, wenn sie sich nicht sicher ist und bespricht die Fälle. Nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin A, ist die Zeugin B zwar nicht besonders spezialisiert, betreut aber eher die etwas größeren Fälle und ist als sehr zuverlässig bekannt. Die Zeugin A hat ausgesagt, dass die Zeugin B das Mandat mit der Klägerin seit mindestens 5 Jahren betreue. Die Zeugin B hat demgegenüber bekundet, das Mandat seit ungefähr 20 Jahren zu betreuen. Das Gericht hält diesbezüglich die Aussage der Zeugin B für glaubhaft. Sie ist "näher dran" an dem Mandat als die Zeugin A und konnte sich deshalb augenscheinlich besser an dessen Dauer erinnern. Die Zeugin A hat insoweit auch nur eine Mindestangabe gemacht. Auch wenn die Zeugin B ausgesagt hat, der Fall der Klägerin sei ihr einziger mit umsatzsteuerpflichtiger Vermietung, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht in der Lage gewesen wäre, die damit zusammenhängenden Besonderheiten zu bewältigen.

53

Die Zeuginnen haben übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass im Büro der Klägerin mit dem DATEV-Programm gearbeitet wird, bei dem gewährleistet ist, dass auf Neuerungen und Änderungen hingewiesen wird. Ferner gibt es nach den Aussagen der Zeuginnen im Büro Fachzeitschriften, Umläufe über gesetzliche Änderungen und Informationsschreiben von DATEV und den Steuerberaterkammern aus Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Mitarbeiterinnen können nach den auch insoweit glaubhaften Bekundungen der Zeuginnen an Schulungen und an einem vierteljährlichen Arbeitskreis teilnehmen. Es gibt regelmäßige monatliche Kanzleibesprechungen, wo aktuelle Dinge angesprochen werden können. Diese Maßnahmen reichen aus, um zu gewährleisten, dass die Mitarbeiter des Büros stets auf dem aktuellen Stand des Steuerrechts gehalten werden. Es kann auch nicht - jedenfalls nicht als grob fahrlässiger - Pflichtenverstoß in Bezug auf die Schulung der Mitarbeiter angesehen werden, dass die Zeugin A ihre Mitarbeiter nicht ausdrücklich auf die seit 2010 geänderte Anlage V hingewiesen hat. Sie konnte sich vielmehr darauf verlassen, dass das in der Steuerberaterschaft weit verbreitete DATEV-Programm und der Service der DATEV auf alle relevanten Änderungen hinweist, soweit dies erforderlich ist, und diese Hinweise von ihren Mitarbeitern auch wahrgenommen werden. Im Übrigen ist die hier streitgegenständliche Zeile 51 der Anlage V so eindeutig formuliert, dass die Zeugin A nicht damit rechnen konnte, dass sie falsch verstanden werden könnte. Auch deshalb war ein gesonderter Hinweis von ihrer Seite nicht erforderlich.

54

Es ist zudem nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugin A gewährleistet, dass alle Steuererklärungen von einem Berufsträger überprüft werden, bevor sie an die Mandanten zur Unterschrift gegeben werden. Die Zeugin A hat insoweit bekundet, dass nichts raus gehe, ohne dass ein Steuerberater, häufig sie selbst, einen Blick darauf geworfen habe. Dies bedeute, dass sie die Abschlüsse oder Erklärungen auf Plausibilität prüfe. Sie könne dies bereits deshalb gut überblicken, weil sie die Fälle aus der Vergangenheit kenne. Die Prüfung mancher Steuererklärungen sei aber aufwändiger. Die Akte werde regelmäßig edv-mäßig aufgerufen und daraufhin angeschaut, ob es Besonderheiten, Veränderungen oder Fragen gebe. Steuerbescheide werden nach den Aussagen der Zeugin A nach Sichtung der Eingänge durch einen Berufsträger an den Sachbearbeiter weitergeleitet, der sie anhand der Erklärungen und der Aktenlage überprüft. Diese Bekundungen sind glaubhaft. Sie werden durch die Aussagen der Zeugin B bestätigt, wonach sie eine fertige Steuererklärung den Chefs vorlege und sie dann regelmäßig besprochen werde. Sie habe die Bescheide anhand der abgegebenen Erklärungen überprüft; weil erklärungsgemäß veranlagt worden sei, sei ihr der Fehler nicht aufgefallen. Auch in Bezug auf die Ausgangskontrolle und die Überprüfung von Steuerbescheiden ist die Büroorganisation der Zeugin A somit nicht zu beanstanden. Es kann nach der Ausgangskontrolle von Steuererklärungen durch einen Berufsträger nicht verlangt werden, dass auch die zurück kommenden Steuerbescheide von einem Berufsträger auf ihre Erklärungsgemäßheit überprüft werden; insoweit ist eine Überprüfung durch den - als zuverlässig bekannten - Sachbearbeiter ausreichend.

55

Die Zeugin A hat auch nicht dadurch grob fahrlässig gehandelt, dass sie den streitgegenständlichen Fehler bei der Durchsicht der Feststellungserklärung 2010 und 2011 nicht entdeckt hat. Sie hat glaubhaft ausgesagt, diese Erklärungen geprüft zu haben. Sie seien etwas komplizierter gewesen, weil die Umsetzung der Verwalterabrechnungen kompliziert gewesen sei. Darüber hinaus habe es keine Auffälligkeiten oder Besonderheiten gegeben, weshalb der Fehler bei der Vorsteuer wohl nicht aufgefallen sei. Sie mache sich aber den Vorwurf, dass der Fehler ihr eigentlich hätte auffallen müssen, weil die sonstigen Kosten niedriger als in den Vorjahren ausgewiesen seien. Insoweit ist der Zeugin A in der Tat ein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen, der sich nach Auffassung des Senats aber nur im Rahmen leichter Fahrlässigkeit bewegt.

56

Die Zeugin A war - ohne besondere Auffälligkeiten - nicht dazu verpflichtet, die Erklärungen nachzurechnen und jeden einzelnen Werbungskostenposten zu kontrollieren und mit den Vorjahren zu vergleichen; insoweit konnte sie die Arbeit auf die als zuverlässig bekannte Zeugin B delegieren. Auf Grund der Eindeutigkeit der Zeile 51 und der bisherigen Fehlerfreiheit der Zeugin B konnte die Zeugin A auch nicht damit rechnen, dass so ein Fehler auftreten könnte. Die Summen der Werbungskosten waren in den Streitjahren - nach den obigen Darlegungen - hoch genug, dass sie die Vorsteuerbeträge enthalten konnten.

57

Die Zeuginnen sind glaubwürdig. Sie haben einen ruhigen Eindruck gemacht und keine besonderen Auffälligkeiten bei ihrem Aussageverhalten gezeigt. Auf mögliche Erinnerungslücken und Ungenauigkeiten ihrer Aussagen haben sie hingewiesen.

58

Darauf, ob die Zeugin B grob fahrlässig beim Ausfüllen der Anlagen V der Feststellungserklärungen gehandelt hat, kommt es nach den obigen Darlegungen nicht an. Ihr Fehlverhalten wird der Klägerin nicht zugerechnet.

III.

59

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Dem Beklagten sind sämtliche Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil die Klägerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Der Sache nach ist sie mit ihrem Begehren, eine Änderung der Feststellungsbescheide zu erreichen, voll durchgedrungen. Ihr Teilunterliegen betrifft nur eine mögliche Anspruchsgrundlage, die der Beklagte in gesonderten Bescheiden behandelt hat. Diese Aufteilung in mehrere Bescheide, die das nämliche Begehren der Klägerin betreffen, wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.

60

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht für erstattungsfähig zu erklären. Dies wäre unbillig (§ 139 Abs. 4 FGO), weil die Beigeladene weder einen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (§ 135 Abs. 3 FGO) noch das Verfahren gefördert hat.

61

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

62

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 FGO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. März 2016 - 2 K 37/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. März 2016 - 2 K 37/15

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. März 2016 - 2 K 37/15 zitiert 16 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Zivilprozessordnung - ZPO | § 711 Abwendungsbefugnis


In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt e

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 151


(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; §

Abgabenordnung - AO 1977 | § 173 Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel


(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,1.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,2.soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 136


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 139


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Aufwendungen der Fin

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 101


Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spr

Abgabenordnung - AO 1977 | § 129 Offenbare Unrichtigkeiten beim Erlass eines Verwaltungsakts


Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem sch

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 60


(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 150 Form und Inhalt der Steuererklärungen


(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn1.keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,2.nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,3.kei

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. März 2016 - 2 K 37/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Finanzgericht Hamburg Urteil, 17. März 2016 - 2 K 37/15 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 10. Feb. 2015 - IX R 18/14

bei uns veröffentlicht am 10.02.2015

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23. Januar 2014  8 K 2198/11 F aufgehoben.

Bundesfinanzhof Urteil, 16. Mai 2013 - III R 12/12

bei uns veröffentlicht am 16.05.2013

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit

Bundesfinanzhof Urteil, 01. Aug. 2012 - IX R 4/12

bei uns veröffentlicht am 01.08.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus zwei Miteigentümerinnen bestehende Grundstücksgemeinschaft, begehrt die Änderung eines Feststellu

Bundesfinanzhof Urteil, 08. Dez. 2011 - VI R 45/10

bei uns veröffentlicht am 08.12.2011

Tatbestand 1 I. Im Streitjahr 2005 erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wegen Arbeitslosigkeit bezog sie vom 1

Bundesfinanzhof Urteil, 09. Nov. 2011 - X R 53/09

bei uns veröffentlicht am 09.11.2011

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im  Streitjahr 2005 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In diesem Jahr war der Klä

Referenzen

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

(1) Das Finanzgericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden, insbesondere solche, die nach den Steuergesetzen neben dem Steuerpflichtigen haften. Vor der Beiladung ist der Steuerpflichtige zu hören, wenn er am Verfahren beteiligt ist.

(2) Wird eine Abgabe für einen anderen Abgabenberechtigten verwaltet, so kann dieser nicht deshalb beigeladen werden, weil seine Interessen als Abgabenberechtigter durch die Entscheidung berührt werden.

(3) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung). Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 nicht klagebefugt sind.

(4) Der Beiladungsbeschluss ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden.

(5) Die als Mitberechtigte Beigeladenen können aufgefordert werden, einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

(6) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge eines als Kläger oder Beklagter Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur stellen, wenn eine notwendige Beiladung vorliegt.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus zwei Miteigentümerinnen bestehende Grundstücksgemeinschaft, begehrt die Änderung eines Feststellungsbescheides nach § 129 der Abgabenordnung (AO) wegen offenbarer Unrichtigkeit.

2

Die Klägerin erzielt Einkünfte aus der Vermietung von 12 Wohnungen und einem Laden. In ihrer von einer Steuerberatungsgesellschaft erstellten Feststellungserklärung für das Streitjahr (2004) waren in der beigefügten Anlage V folgende Beträge angegeben:

Zeile  3

Mieteinnahmen für Wohnungen (ohne Umlagen)

67.633 €

Zeile 11

sonstige Einnahmen

   102 €

Zeile 12

Summe der Einnahmen

67.735 €

Zeile 13

Summe der Werbungskosten

10.503 €

Zeile 14

Überschuss

57.232 €

3

In die Zeile 7 (Umlagen, verrechnet mit Erstattungen --z.B. Wassergeld, Flur- und Kellerbeleuchtung, Müllabfuhr, Zentralheizung usw.--) der Anlage V wurde kein Betrag eingetragen. Auf der Rückseite der Anlage V waren für die Werbungskosten in den Zeilen 49 (Grundsteuer, Straßenreinigung, Müllabfuhr), 50 (Wasserversorgung, Entwässerung, Hausbeleuchtung), 51 (Heizung, Warmwasser), 52 (Schornsteinreinigung, Hausversicherungen), 53 (Hauswart, Treppenreinigung, Fahrstuhl) keine Beträge eingetragen.

4

Der Feststellungserklärung beigefügt war die Jahresabrechnung 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 der Verwaltungsgesellschaft für das Mietwohngrundstück. Auf Bl. 1 S. 1 dieser Abrechnung waren die Mieteinnahmen mit 67.633,26 €, auf Bl. 1 S. 2 war der Gesamtbetrag der umlagefähigen Kosten mit 18.933,49 € angegeben. Im Januar 2006 wurden die Einkünfte für das Streitjahr erklärungsgemäß festgestellt.

5

Mit Schreiben vom Dezember 2009 beantragte die Klägerin die Berichtigung (u.a.) des Bescheids für 2004 gemäß § 129 AO. Bei der Ermittlung der Einkünfte seien zwar die Mieteinnahmen aus der Abrechnung der Verwaltungsgesellschaft, nicht aber die umlagefähigen Kosten in die Steuererklärungen übernommen worden. Aus der Abrechnung sei die Unrichtigkeit sofort erkennbar, sie sei geradezu augenfällig. Es seien zusätzliche Werbungskosten für 2004 in Höhe von 18.082 € zu berücksichtigen. In einer Anlage zu diesem Schreiben "Zusammenstellung der erklärten Einkünfte lt. V + V, und der tatsächlichen" ist die Ermittlung des Betrages dargelegt:

lt. Steuererklärung

lt. Antrag netto

zu viel Einkommen in der Grundstücksgemeinschaft

        

67.735 €

49.551 €

                 

        

102 € 

                 

- 10.503 €

- 10.503 €

                 

57.232 €

39.150 €

18.082 €

        
6

Mit Schreiben vom 23. Februar 2010 übersandte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) überdies eine Aufstellung der Zusammensetzung der Mieten für das Streitjahr. Mit Bescheid vom 9. März 2010 lehnte das FA die Änderung der Steuerbescheide 2004 bis 2007 ab.

7

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, eine Berichtigung nach § 129 AO komme nicht in Betracht. Der Feststellungsbescheid vom Januar 2006 sei unrichtig, da bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die von der Klägerin von den Mietern vereinnahmten Umlagen berücksichtigt, nicht aber die entsprechenden gezahlten umlagefähigen Kosten abgezogen worden seien.

8

Die Unrichtigkeit beruhe auf einem Fehler der Klägerin, den sich das FA zu Eigen gemacht habe. Jedoch sei die Unrichtigkeit der Steuererklärung der Klägerin für den zuständigen Sachbearbeiter des FA nicht ohne weitere Prüfung zu erkennen gewesen.

9

Der Sachbearbeiter des FA sei auf Grund des Fehlens von Angaben zu den Umlagen und den umlagefähigen Kosten in den Zeilen 7 sowie 49 bis 53 der Anlage V offensichtlich davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Einkünfte im Sinne der Anwendung einer "Nettomethode" erklärt habe, d.h. unter Nichtberücksichtigung der vereinnahmten Umlagen sowohl auf der Seite der Einnahmen als auch der entsprechenden Aufwendungen bei den Werbungskosten.

10

Es könne dahinstehen, ob der Sachbearbeiter durch eine umfassende Überprüfung der Verwalterabrechnung hätte feststellen können und müssen, dass die Angaben der Klägerin in ihrer Steuererklärung unzutreffend gewesen seien. In jedem Fall wären dafür Berechnungen von nicht geringem Umfang erforderlich gewesen. Dies zeige sich bereits daran, dass die Klägerin selbst im Verfahren unterschiedliche Beträge für die abzuziehenden Werbungskosten angegeben habe. Zudem sei auch die von der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Juli 2011 vorgenommene Angabe der Mieteinnahmen ohne Umlagen mit 49.551 € unzutreffend. Denn es handele sich um die Addition der von der Verwalterin für die einzelnen Mieter ermittelten Sollbeträge der Einzelmieten. Die von der Verwalterin ermittelten Sollbeträge stimmten jedoch nicht mit den tatsächlichen Einnahmen überein, wie die Gegenüberstellung der Summe der Sollbeträge von Miete und Umlagen für alle Mieter von 64.847,37 € und der Summe der Eingänge von 67.633,26 € zeige. Selbst wenn weitere Ermittlungen durch den Sachbearbeiter angezeigt gewesen sein sollten, folgt daraus keine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO. Denn eine unterlassene Sachverhaltsermittlung sei kein mechanisches Versehen i.S. von § 129 AO.

11

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§ 129 AO) rügt. Das FG verkenne, dass die Unrichtigkeit in der Erklärung der Klägerin, die das FA sich zu Eigen gemacht habe, eine "ähnliche offenbare" Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO sei. Der zuständige Sachbearbeiter habe nämlich die Unrichtigkeit ohne weitere Prüfung erkennen können. Bereits aus der sehr übersichtlichen Vor- und Rückseite des Bl. 1 der der Steuererklärung beigefügten Jahresabrechnung 2004 des Hausverwalters sei ohne Weiteres zu entnehmen, dass die in Zeile 3 der Anlage V aufgeführten 67.633,26 € die Umlagen enthielten und der hier maßgebliche Überschuss nicht, wie in Zeile 14 der Anlage V aufgeführt, 57.232 € betragen konnte, sondern wie aus dem Betrag von 39.004,24 € auf Bl. 1 der Verwalterabrechnung ersichtlich, deutlich niedriger sein müsste.

12

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Bremen vom 7. Dezember 2011 aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 9. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011 zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Januar 2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung um 17.800 € niedriger, mithin auf 39.432 € festgesetzt werden.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine offenbare Unrichtigkeit des streitbefangenen Feststellungsbescheids abgelehnt.

15

1. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946).

16

2. Das Urteil des FG entspricht diesen Grundsätzen.

17

Im Streitfall liegt zwar eine Unrichtigkeit in Gestalt der Nichtberücksichtigung der von der Klägerin verauslagten, nicht als Werbungskosten geltend gemachten umlagefähigen Kosten vor.

18

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG aber angenommen, die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei nicht ausgeschlossen, weil der zuständige Sachbearbeiter die Unrichtigkeit nicht ohne weitere Prüfung erkennen konnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946). Denn die streitbefangene Anlage V war in einer Weise ausgefüllt, die die Wahl der sog. "Nettomethode" nahelegte. Dass dies nicht der Fall sein sollte, hätte der Sachbearbeiter nur unter Heranziehung weiterer Berechnungen ermitteln können, d.h. nicht ohne neue Willensbildung.

Tatbestand

1

I. Im Streitjahr 2005 erzielte die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Wegen Arbeitslosigkeit bezog sie vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2005 Lohnersatzleistungen in Höhe von 10.764 €. Die Bescheinigung hierüber legte sie ihrer Steuererklärung für das Streitjahr bei, die am 6. Juni 2006 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) einging.

2

Der zuständige Bearbeiter trug in Sachbereich 47 zu Kennziffer 120 "Lohnersatzleistungen" den Betrag "10764" ein und vermerkte vor der Kennziffer "lag vor".

3

Der Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 erging ohne Berücksichtigung der Lohnersatzleistungen. Es wurde Einkommensteuer in Höhe von 1.720 € festgesetzt.

4

Im Rahmen der Bearbeitung des Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 stellte das FA fest, dass die Lohnersatzleistungen im Streitjahr 2005 nicht berücksichtigt worden waren. Es berichtigte den Steuerbescheid nach § 129 der Abgabenordnung (AO) und setzte die Einkommensteuer unter Einbeziehung der Tarifprogression nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes auf nunmehr 2.795 € fest.

5

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1757 veröffentlichten Gründen statt.

6

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

7

Das FA beantragt,

das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. 1. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

2. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen, wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler. Nicht erfasst sind hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. der Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen. Nach § 129 AO zu berichtigende Fehler müssen auf einem "Versehen" beruhen; hingegen dürfen sie nicht auf die unzulängliche Erfassung oder rechtliche Würdigung eines Sachverhalts zurückzuführen sein (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. Dezember 1967 VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 13. Februar 1979 VIII R 53/77, BFHE 127, 302, BStBl II 1979, 458).

11

Besteht die Möglichkeit, dass der Fehler auf Mängel bei der Ermittlung oder Würdigung des Sachverhalts zurückgeht, kommt eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen (BFH-Urteile vom 2. August 1974 VI R 137/71, BFHE 113, 169, BStBl II 1974, 727; vom 22. November 1974 VI R 138/72, BFHE 114, 346, BStBl II 1975, 350). Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (BFH-Urteile vom 28. November 1952 III 258/51 S, BFHE 57, 14, BStBl III 1953, 6; vom 17. April 1969 V R 21/66, BFHE 95, 484, BStBl II 1969, 474; vom 4. Februar 1972 III R 28/68, BFHE 105, 439, BStBl II 1972, 679).

12

Mechanische Versehen können auch Übertragungsfehler sein. Eine offenbare Unrichtigkeit kann daher auch vorliegen, wenn der Veranlagungsbeamte den Eingabewertbogen falsch ausfüllt (vgl. BFH-Urteile vom 1. April 1977 VI R 153/76, BFHE 123, 1, BStBl II 1977, 853; vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62) oder Daten versehentlich nicht in ein Computerprogramm eingibt (BFH-Beschluss vom 6. Februar 2008 VII B 23/07, BFH/NV 2008, 814).

13

Ein Fehler ist dann "offenbar" i.S. des § 129 AO, wenn er auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteile vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638; BFH-Beschluss vom 4. September 1984 VIII B 157/83, BFHE 142, 13, BStBl II 1984, 834). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte. Maßgebend ist, ob der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277).

14

3. Im Streitfall hat das FG die Nichtberücksichtigung der Lohnersatzleistungen im Einkommensteuerbescheid vom 25. August 2006 als Folge eines versehentlichen Erfassungsfehlers angesehen, weil insbesondere die Eintragung der Lohnersatzleistungen im Erklärungsvordruck unter Sachbereich 47 Kennziffer 120 darauf schließen lasse, dass diese hätten erfasst werden sollen. Einen Sach- oder Rechtsirrtum schloss es insoweit aus, weil der Progressionsvorbehalt für --dem Grunde nach steuerfreie-- Lohnersatzleistungen Veranlagungsbeamten bekannt sei. Diese nachvollziehbare Würdigung des festgestellten Sachverhalts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

15

Auch die Würdigung des FG, der Fehler sei bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts nicht für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich zu erkennen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das FG konnte auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis kommen, es sei weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt für jeden unvoreingenommenen Dritten augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar, dass die Eingabe der streitigen Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben war. An diese Feststellungen einschließlich der tatsächlichen Würdigung der Umstände des Streitfalles sieht sich der Senat revisionsrechtlich gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; BFH-Beschlüsse vom 10. Mai 2002 VII B 179/01, BFH/NV 2002, 1316; vom 28. Juni 2006 VII B 305/05, BFH/NV 2006, 1793).

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus zwei Miteigentümerinnen bestehende Grundstücksgemeinschaft, begehrt die Änderung eines Feststellungsbescheides nach § 129 der Abgabenordnung (AO) wegen offenbarer Unrichtigkeit.

2

Die Klägerin erzielt Einkünfte aus der Vermietung von 12 Wohnungen und einem Laden. In ihrer von einer Steuerberatungsgesellschaft erstellten Feststellungserklärung für das Streitjahr (2004) waren in der beigefügten Anlage V folgende Beträge angegeben:

Zeile  3

Mieteinnahmen für Wohnungen (ohne Umlagen)

67.633 €

Zeile 11

sonstige Einnahmen

   102 €

Zeile 12

Summe der Einnahmen

67.735 €

Zeile 13

Summe der Werbungskosten

10.503 €

Zeile 14

Überschuss

57.232 €

3

In die Zeile 7 (Umlagen, verrechnet mit Erstattungen --z.B. Wassergeld, Flur- und Kellerbeleuchtung, Müllabfuhr, Zentralheizung usw.--) der Anlage V wurde kein Betrag eingetragen. Auf der Rückseite der Anlage V waren für die Werbungskosten in den Zeilen 49 (Grundsteuer, Straßenreinigung, Müllabfuhr), 50 (Wasserversorgung, Entwässerung, Hausbeleuchtung), 51 (Heizung, Warmwasser), 52 (Schornsteinreinigung, Hausversicherungen), 53 (Hauswart, Treppenreinigung, Fahrstuhl) keine Beträge eingetragen.

4

Der Feststellungserklärung beigefügt war die Jahresabrechnung 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2004 der Verwaltungsgesellschaft für das Mietwohngrundstück. Auf Bl. 1 S. 1 dieser Abrechnung waren die Mieteinnahmen mit 67.633,26 €, auf Bl. 1 S. 2 war der Gesamtbetrag der umlagefähigen Kosten mit 18.933,49 € angegeben. Im Januar 2006 wurden die Einkünfte für das Streitjahr erklärungsgemäß festgestellt.

5

Mit Schreiben vom Dezember 2009 beantragte die Klägerin die Berichtigung (u.a.) des Bescheids für 2004 gemäß § 129 AO. Bei der Ermittlung der Einkünfte seien zwar die Mieteinnahmen aus der Abrechnung der Verwaltungsgesellschaft, nicht aber die umlagefähigen Kosten in die Steuererklärungen übernommen worden. Aus der Abrechnung sei die Unrichtigkeit sofort erkennbar, sie sei geradezu augenfällig. Es seien zusätzliche Werbungskosten für 2004 in Höhe von 18.082 € zu berücksichtigen. In einer Anlage zu diesem Schreiben "Zusammenstellung der erklärten Einkünfte lt. V + V, und der tatsächlichen" ist die Ermittlung des Betrages dargelegt:

lt. Steuererklärung

lt. Antrag netto

zu viel Einkommen in der Grundstücksgemeinschaft

        

67.735 €

49.551 €

                 

        

102 € 

                 

- 10.503 €

- 10.503 €

                 

57.232 €

39.150 €

18.082 €

        
6

Mit Schreiben vom 23. Februar 2010 übersandte die Klägerin dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) überdies eine Aufstellung der Zusammensetzung der Mieten für das Streitjahr. Mit Bescheid vom 9. März 2010 lehnte das FA die Änderung der Steuerbescheide 2004 bis 2007 ab.

7

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, eine Berichtigung nach § 129 AO komme nicht in Betracht. Der Feststellungsbescheid vom Januar 2006 sei unrichtig, da bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die von der Klägerin von den Mietern vereinnahmten Umlagen berücksichtigt, nicht aber die entsprechenden gezahlten umlagefähigen Kosten abgezogen worden seien.

8

Die Unrichtigkeit beruhe auf einem Fehler der Klägerin, den sich das FA zu Eigen gemacht habe. Jedoch sei die Unrichtigkeit der Steuererklärung der Klägerin für den zuständigen Sachbearbeiter des FA nicht ohne weitere Prüfung zu erkennen gewesen.

9

Der Sachbearbeiter des FA sei auf Grund des Fehlens von Angaben zu den Umlagen und den umlagefähigen Kosten in den Zeilen 7 sowie 49 bis 53 der Anlage V offensichtlich davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Einkünfte im Sinne der Anwendung einer "Nettomethode" erklärt habe, d.h. unter Nichtberücksichtigung der vereinnahmten Umlagen sowohl auf der Seite der Einnahmen als auch der entsprechenden Aufwendungen bei den Werbungskosten.

10

Es könne dahinstehen, ob der Sachbearbeiter durch eine umfassende Überprüfung der Verwalterabrechnung hätte feststellen können und müssen, dass die Angaben der Klägerin in ihrer Steuererklärung unzutreffend gewesen seien. In jedem Fall wären dafür Berechnungen von nicht geringem Umfang erforderlich gewesen. Dies zeige sich bereits daran, dass die Klägerin selbst im Verfahren unterschiedliche Beträge für die abzuziehenden Werbungskosten angegeben habe. Zudem sei auch die von der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Juli 2011 vorgenommene Angabe der Mieteinnahmen ohne Umlagen mit 49.551 € unzutreffend. Denn es handele sich um die Addition der von der Verwalterin für die einzelnen Mieter ermittelten Sollbeträge der Einzelmieten. Die von der Verwalterin ermittelten Sollbeträge stimmten jedoch nicht mit den tatsächlichen Einnahmen überein, wie die Gegenüberstellung der Summe der Sollbeträge von Miete und Umlagen für alle Mieter von 64.847,37 € und der Summe der Eingänge von 67.633,26 € zeige. Selbst wenn weitere Ermittlungen durch den Sachbearbeiter angezeigt gewesen sein sollten, folgt daraus keine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO. Denn eine unterlassene Sachverhaltsermittlung sei kein mechanisches Versehen i.S. von § 129 AO.

11

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts (§ 129 AO) rügt. Das FG verkenne, dass die Unrichtigkeit in der Erklärung der Klägerin, die das FA sich zu Eigen gemacht habe, eine "ähnliche offenbare" Unrichtigkeit i.S. des § 129 Satz 1 AO sei. Der zuständige Sachbearbeiter habe nämlich die Unrichtigkeit ohne weitere Prüfung erkennen können. Bereits aus der sehr übersichtlichen Vor- und Rückseite des Bl. 1 der der Steuererklärung beigefügten Jahresabrechnung 2004 des Hausverwalters sei ohne Weiteres zu entnehmen, dass die in Zeile 3 der Anlage V aufgeführten 67.633,26 € die Umlagen enthielten und der hier maßgebliche Überschuss nicht, wie in Zeile 14 der Anlage V aufgeführt, 57.232 € betragen konnte, sondern wie aus dem Betrag von 39.004,24 € auf Bl. 1 der Verwalterabrechnung ersichtlich, deutlich niedriger sein müsste.

12

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG Bremen vom 7. Dezember 2011 aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Feststellungsbescheids vom 9. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011 zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Januar 2006 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung um 17.800 € niedriger, mithin auf 39.432 € festgesetzt werden.

13

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine offenbare Unrichtigkeit des streitbefangenen Feststellungsbescheids abgelehnt.

15

1. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden. Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Juni 2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO auch dann anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946).

16

2. Das Urteil des FG entspricht diesen Grundsätzen.

17

Im Streitfall liegt zwar eine Unrichtigkeit in Gestalt der Nichtberücksichtigung der von der Klägerin verauslagten, nicht als Werbungskosten geltend gemachten umlagefähigen Kosten vor.

18

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das FG aber angenommen, die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei nicht ausgeschlossen, weil der zuständige Sachbearbeiter die Unrichtigkeit nicht ohne weitere Prüfung erkennen konnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946). Denn die streitbefangene Anlage V war in einer Weise ausgefüllt, die die Wahl der sog. "Nettomethode" nahelegte. Dass dies nicht der Fall sein sollte, hätte der Sachbearbeiter nur unter Heranziehung weiterer Berechnungen ermitteln können, d.h. nicht ohne neue Willensbildung.

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im  Streitjahr 2005 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In diesem Jahr war der Kläger als Diplomkaufmann im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichtselbständig tätig. Die Klägerin ist Diplomingenieurin und erzielte 2005 mit dem Handel von … und als … gewerbliche Einkünfte.

2

In ihrer Einkommensteuer-Erklärung 2005, bei deren Anfertigung ein Steuerberater mitgewirkt hatte, machten die Kläger Angaben zu den Altersvorsorgeaufwendungen. In dem amtlichen Formular wurde nach Beiträgen zu den gesetzlichen Rentenversicherungen (Arbeitnehmeranteil) gefragt. Ferner waren Beiträge zu freiwilligen Versicherungen oder Höherversicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen sowie der Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen einzutragen.

3

Die Kläger gaben den vom Kläger geleisteten Arbeitnehmeranteil zur gesetzlichen Rentenversicherung mit 6.085 € und den hierzu geleisteten Arbeitgeberanteil mit 6.084 € an. Für die Klägerin wurden keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung erklärt.

4

Der Einkommensteuer-Bescheid für 2005 vom 4. Dezember 2006 erging erklärungsgemäß. In dem Bescheid wurden Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 1.218 € berücksichtigt. Der Bescheid wurde von den Klägern nicht angefochten.

5

Mit Schreiben vom 10. September 2008 beantragten die durch ihren Steuerberater vertretenen Kläger u.a., den Einkommensteuer-Bescheid 2005 nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und die von der Klägerin als Selbständige geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen. Erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens betreffend den Einkommensteuer-Bescheid 2007 sei festgestellt worden, dass die Klägerin in 2005 solche Beiträge entrichtet habe. Die Kläger treffe kein grobes Verschulden, da ihnen nicht bekannt gewesen sei, dass infolge der Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung der Vorsorgeaufwendungen durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) im Streitjahr Altersvorsorgeaufwendungen im größeren Umfang abziehbar seien als im Vorjahr. Dem Antrag beigefügt war eine Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 3. Februar 2006. Danach hat die Klägerin im Jahr 2005 als selbständig Tätige Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung von insgesamt 759,20 € geleistet. Die Bescheinigung enthält keine Ausführungen zur steuerlichen Abziehbarkeit der Zahlungen als Altersvorsorgeaufwendungen.

6

Diesen Änderungsantrag lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies es mit der Begründung zurück, die Kläger träfe an dem nachträglichen Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen ein grobes Verschulden. Sie müssten sich das Verschulden ihres Beraters zurechnen lassen. Dieser sei gehalten gewesen, seine Mandanten auf die gesetzlichen Neuregelungen im AltEinkG hinzuweisen. Auch hätten die Kläger ggf. ihren Steuerberater nach den Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung in ihrem speziellen Fall befragen können.

7

Das Finanzgericht (FG) wies die u.a. für das Streitjahr 2005 erhobene Klage ab. Den Klägern hätte sich aufdrängen müssen, dass auch Pflichtbeiträge der Selbständigen zur gesetzlichen Rentenversicherung als Vorsorgeaufwendungen steuerlich relevant seien. Zwar könne infolge der Fassung des Erklärungsformulars, das im Einzelnen Altersvorsorgebeiträge, nicht aber Pflichtbeiträge Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung abfrage, der Eindruck entstehen, solche Beiträge seien steuerlich nicht relevant und daher nicht anzugeben. Aufgrund der insgesamt in der Steuererklärung geforderten Daten sei aber ohne Weiteres zu schließen, dass solche Pflichtbeiträge steuerbegünstigt seien oder zumindest sein könnten. Den Klägern sei die steuerliche Bedeutung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und allgemein zur Altersvorsorge bekannt gewesen.

8

Mit ihrer Revision machen die Kläger weiterhin geltend, der Einkommensteuer-Bescheid 2005 sei nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die gegenteilige Auffassung des FG stehe im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juni 1984 VI R 181/80 (BFHE 141, 232, BStBl II 1984, 693) und vom 22. Mai 1992 VI R 17/91 (BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80). Den Klägern könne nicht vorgeworfen werden, eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet zu haben. Da nach den Pflichtbeiträgen selbständiger Personen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht gefragt worden sei, sei für die Kläger nicht erkennbar gewesen, dass solche hätten angegeben werden können. Nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) seien solche Pflichtbeiträge nur in Ausnahmefällen zu leisten.

9

Die Kläger beantragen sinngemäß,

das angefochtenen Urteil und die Einspruchsentscheidung vom 3. November 2008 aufzuheben, soweit diese den Antrag auf Änderung des Einkommensteuer-Bescheids 2005 vom 4. Dezember 2006 betreffen, und das FA zu verpflichten, diesen Bescheid in der Weise zu ändern, dass zusätzliche Altersvorsorgebeiträge von 759,20 € berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

11

Die Kläger seien im Streitfall steuerlich beraten gewesen. Es könne erwartet werden, dass der steuerliche Berater seine Mandanten auf infolge einer Gesetzesänderung gegebene Abweichungen hinsichtlich der steuerlichen Abziehbarkeit von Aufwendungen hinweise. Es sei nicht unüblich, dass auch Selbständige Beiträge zur Rentenversicherung leisten müssten. Dies hätte der Steuerberater ansprechen müssen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil wird --soweit es das Streitjahr 2005 betrifft-- aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht zur Beurteilung der Frage aus, ob das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO verpflichtet ist, den angestrebten Änderungsbescheid zu erlassen.

13

Steuerbescheide sind nach der vorstehend genannten Vorschrift zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden.

14

a) Nicht im Streit steht, dass die von der Klägerin im Streitjahr getragenen Aufwendungen für ihre Pflichtbeiträge als Selbstständige zur gesetzlichen Rentenversicherung (§ 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) dem FA bei Durchführung der ursprünglichen Einkommensteuer-Veranlagung für das Streitjahr nicht bekannt waren und daher Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind. Unstreitig ist auch, dass die Berücksichtigung dieser Aufwendungen eine Verminderung der Einkommensteuer-Schuld zur Folge hätte.

15

b) Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264; vom 23. Januar 2001 XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379, und vom 16. September 2004 IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl II 2005, 75, jeweils m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

16

c) Ob ein Beteiligter in dem genannten Sinn grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG können in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit richtig erkannt worden ist und ob die Würdigung der Verhältnisse hinsichtlich dieses individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und Senatsurteil vom 6. Oktober 2004 X R 14/02, BFH/NV 2005, 156; ebenfalls ständige Rechtsprechung).

17

d) Das FG hat angenommen, die Kläger hätten grob fahrlässig die von der Klägerin im Streitjahr als Selbstständige geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht angegeben. Zwar werde im Erklärungsformular für 2005 nicht nach solchen Beiträgen, sondern nur nach Pflichtbeiträgen von Arbeitnehmern und nach freiwillig geleisteten Beiträgen gefragt. In der Gesamtschau der anzugebenden Daten hätte sich den Klägern aber die steuerliche Relevanz der von der Klägerin geleisteten Pflichtbeiträge aufdrängen müssen.

18

aa) Diese Ausführungen des FG reichen zur Annahme grober Fahrlässigkeit nicht aus.

19

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dann nicht gegeben ist, wenn die Abgabe einer unvollständigen Steuererklärung allein auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht (Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960; vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379). Allerdings muss auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteile in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl II 2001, 379). Auch muss der Steuerpflichtige sich ihm aufdrängenden Zweifelsfragen nachgehen (BFH-Urteil in BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80).

20

Im Streitfall wurde im Steuererklärungsformular 2005 getrennt für einzelne Fallgruppen nach den im Jahr 2005 geleisteten Altersvorsorgebeiträgen gefragt. Nicht gefragt wurde jedoch nach von Selbstständigen geleisteten Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Demgemäß blieb im Streitfall nicht eine ausdrücklich gestellte Frage unbeantwortet. Das Unterlassen von Angaben zu einem im Erklärungsvordruck nicht vorgesehenen Punkt spricht jedenfalls im Ausgangspunkt gegen das Vorliegen von grobem Verschulden (BFH-Urteil in BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264 und Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 173 Rz 116). Erst recht gilt dies, wenn wie im Streitfall alle anderen Arten von Altersvorsorgebeiträgen im Einzelnen abgefragt werden, da hierdurch der Eindruck erweckt werden könnte, die im Formular nicht erwähnten anderen Altersvorsorgebeiträge seien steuerlich irrelevant. Es wurde zudem weder vom FG festgestellt noch vom FA behauptet, dass das Merkblatt zur Steuererklärung 2005 Hinweise auf die hier in Frage stehenden Pflichtbeiträge Selbständiger enthalten habe, die die Kläger nicht berücksichtigt hätten.

21

bb) Unerheblich ist, dass in dem Steuererklärungsformular für das Folgejahr 2006 ausdrücklich Angaben zu den Pflichtbeiträgen Selbständiger zur gesetzlichen Rentenversicherung zu machen waren. Denn die Kläger hatten ihre Einkommensteuer-Erklärung bereits im Oktober 2006 abgegeben und den Einkommensteuer-Bescheid 2005 erhalten, so dass etwaige Erkenntnisse aufgrund des Erklärungsformulars für 2006 nicht mehr berücksichtigt werden konnten.

22

cc) Angesichts dieser Umstände hätte das FG im Einzelnen darlegen müssen, aufgrund welcher individuellen beruflichen oder sonstigen Kenntnisse oder Erfahrungen die Kläger ohne Weiteres in der Lage sein mussten, die steuerliche Relevanz der in Frage stehenden Pflichtbeiträge zu erkennen. Das FG durfte sich nicht mit dem Hinweis begnügen, den Klägern sei die Beitragszahlung bekannt gewesen. Auch lässt sich das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit nicht damit begründen, die Kläger hätten die steuerliche Regelung über die Altersvorsorge im Grundsätzlichen gekannt.

23

Sofern das FG im 2. Rechtsgang Tatsachen feststellen sollte, aus denen zu schließen ist, dass für die Kläger die steuerliche Relevanz der zu beurteilenden Beiträge erkennbar war, wäre ein etwaiger Irrtum, diese Beiträge seien im konkreten Fall steuerlich ohne Auswirkung, unbeachtlich. Beauftragt ein Steuerpflichtiger zur Erstellung einer Steuererklärung einen Steuerberater, dann handelt er regelmäßig grob fahrlässig, wenn er diesem Unterlagen vorenthält, die steuerlich relevant sein können (ebenso FG Hamburg, Urteil vom 4. Dezember 1990 II 117/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1991, 444).

24

Klarstellend weist der erkennende Senat darauf hin, dass es nicht von entscheidender Bedeutung ist, dass die Klägerin ihren Ehemann nicht über die geleisteten Zahlungen informiert hat. Sofern sich für sie aufgedrängt haben sollte, dass die in Frage stehenden Beiträge abziehbar sein könnten, wäre das bei ihr vorliegende grobe Verschulden im Rahmen der Zusammenveranlagung auch ihrem Ehemann zuzurechnen (BFH-Urteil vom 24. Juli 1996 I R 62/95, BFHE 181, 252, BStBl II 1997, 115).

25

dd) Das FG wird auch zu prüfen haben, ob den steuerlichen Berater der Kläger ein grobes Verschulden trifft. Der vom Steuerpflichtigen beauftragte steuerliche Berater muss sich ebenso wie der Steuerpflichtige um eine sachgerechte und gewissenhafte Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflicht bemühen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht wäre den Klägern wie eigenes Verschulden zuzurechnen (BFH-Urteil in BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109).

26

Das FG wird insbesondere zu prüfen haben, ob das nachträgliche Bekanntwerden der von der Klägerin geleisteten Rentenversicherungsbeiträge auf einer Verletzung der Pflicht des Steuerberaters beruht, die Kläger über die gesetzlichen Neuregelungen des AltEinkG zu informieren. Auch wird das FG untersuchen müssen, ob sich aufgrund der konkreten Einzelfallumstände dem steuerlichen Berater aufdrängen musste, die Klägerin könnte als Selbstständige gesetzlich rentenversicherungspflichtig gewesen sein und im Jahr 2005 entsprechende Aufwendungen getragen haben (zu den an einen Steuerberater zu stellenden Anforderungen vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 173 Rz 126 ff. i.V.m. Rz 112 f.).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit ihr.

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des Klägers an und legte die mit Hilfe des Programms "Elster" der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken --und damit auch keine Eintragungen-- zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck ("Anlage Kind") vorgesehen sind.

3

Am 19. Februar 2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim FA ein.

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und begehrte die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für das Streitjahr. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die "Anlage Kind" für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

6

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. September 2009 ab.

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des FG könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des Klägers von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen sei.

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der "Anlage Kind" in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu --mangels entsprechender Fragestellung-- für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07 (BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche Steuertatbestände verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er --im Rahmen dieser Verpflichtung-- den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

11

Diesen Maßstäben werde das FG mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das FG verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

12

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

13

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der "Elster-Übermittlungen" zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit Leerfelder für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Klägers geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

17

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

18

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

19

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

20

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Senatsurteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und in BFH/NV 2009, 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und in BFH/NV 2009, 545).

21

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

22

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).

23

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789).

24

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

25

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

26

a) Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

27

b) Entgegen der Auffassung des FG trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

28

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass --wie in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" aufgeführt-- ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

29

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter II.1.a). Dann muss nach Auffassung des erkennenden Senats ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser --im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalts-- dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst --insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Angaben-- ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

30

bb) Dabei kann es --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung --ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim Steuerpflichtigen-- vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

31

cc) Der Senat kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der Haushaltsgemeinschaft der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt --auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung-- selbst nicht vollständig ermittelt hat (so --im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten-- wohl: BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531; ebenso: von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 95.1.; kritisch: Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 84; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der "lediglich" einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.

(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn

1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
§ 87a Absatz 1 Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit eine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Der Steuerpflichtige hat in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung).

(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.

(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.

(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.

(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.

(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.

(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.

(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit ihr.

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des Klägers an und legte die mit Hilfe des Programms "Elster" der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken --und damit auch keine Eintragungen-- zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck ("Anlage Kind") vorgesehen sind.

3

Am 19. Februar 2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim FA ein.

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und begehrte die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für das Streitjahr. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die "Anlage Kind" für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

6

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. September 2009 ab.

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des FG könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des Klägers von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen sei.

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der "Anlage Kind" in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu --mangels entsprechender Fragestellung-- für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07 (BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche Steuertatbestände verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er --im Rahmen dieser Verpflichtung-- den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

11

Diesen Maßstäben werde das FG mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das FG verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

12

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

13

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der "Elster-Übermittlungen" zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit Leerfelder für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Klägers geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

17

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

18

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

19

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

20

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Senatsurteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und in BFH/NV 2009, 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und in BFH/NV 2009, 545).

21

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

22

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).

23

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789).

24

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

25

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

26

a) Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

27

b) Entgegen der Auffassung des FG trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

28

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass --wie in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" aufgeführt-- ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

29

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter II.1.a). Dann muss nach Auffassung des erkennenden Senats ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser --im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalts-- dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst --insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Angaben-- ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

30

bb) Dabei kann es --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung --ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim Steuerpflichtigen-- vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

31

cc) Der Senat kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der Haushaltsgemeinschaft der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt --auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung-- selbst nicht vollständig ermittelt hat (so --im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten-- wohl: BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531; ebenso: von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 95.1.; kritisch: Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 84; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der "lediglich" einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23. Januar 2014  8 K 2198/11 F aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) es zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und dabei einen vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) nachträglich geltend gemachten Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.

2

Der Kläger war mit zuletzt 75 % am Stammkapital der 1988 gegründeten P-GmbH beteiligt. Im Jahr 1999 wurde die P-GmbH aufgelöst und der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Nach Durchführung der Liquidation wurde die P-GmbH im Streitjahr 2007 aus dem Handelsregister gelöscht; der Verlust des Klägers aus der Auflösung der P-GmbH betrug 209.195 €. Unter dem 9. März 2009 übersandte der Kläger seinem steuerlichen Berater --welcher auch für die steuerlichen Angelegenheiten der P-GmbH zuständig war-- eine E-Mail, in der er u.a. auf die für ihn noch ungeklärte Frage einer zeitlich zutreffenden steuerrechtlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlusts hinwies.

3

Die von dem steuerlichen Berater gefertigten und im April 2009 bei dem FA eingereichten Erklärungen des Klägers zur Einkommensteuer und zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages enthielten für das Streitjahr 2007 Angaben zu Einkünften aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb betreffend eine Beteiligung an der X GmbH & Co. KG, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung. Angaben zu einem Verlust aus der Auflösung der P-GmbH enthielten die Erklärungen demgegenüber nicht. Nach den in diesem Zusammenhang zum Geschehensablauf getroffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen dem steuerlichen Berater des Klägers zwar alle Fakten vor, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen war. Er war im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der geltend gemachte Auflösungsverlust im Streitjahr zu erfassen war, hatte den Verlust persönlich berechnet und beabsichtigte, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen. Allerdings hatte der steuerliche Berater des Klägers es "schlicht vergessen", den errechneten Verlust in das von ihm genutzte elektronische DATEV-Formular zu übertragen.

4

Unter dem 12. Juni 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es den Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung folgte und die Einkommensteuer auf 0 € festsetzte. Gleichzeitig erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007, in dem die Besteuerungsgrundlagen aus dem Einkommensteuerbescheid berücksichtigt wurden. Der verbleibende Verlustvortrag wurde auf 2.673.816 € festgestellt. Unter dem 14. Mai 2010 erließ das FA Änderungsbescheide betreffend die Einkommensteuer 2007 und den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007. Die Änderungsbescheide sind formell bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 15. Januar 2011 beantragte der Kläger erstmals, den geänderten Verlustfeststellungsbescheid vom 14. Mai 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahin zu ändern, dass ein Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG aus der Auflösung der P-GmbH in Höhe von 209.195 € berücksichtigt wird. Das FA lehnte den Antrag unter dem 26. Januar 2011 ab; es ging davon aus, dass die Nichtberücksichtigung des Verlustes in den ursprünglichen, bestandskräftigen Bescheiden auf einem groben Verschulden des Klägers beruhe. Dabei könne offenbleiben, ob der Steuerpflichtige selbst grob schuldhaft gehandelt habe oder ob ein grobes Verschulden des ihn und die GmbH betreuenden steuerlichen Beraters vorliege, welches dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei.

6

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ging in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1748 veröffentlichten Entscheidung zwar davon aus, dass den Kläger selbst kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts treffe. Der Kläger müsse sich jedoch ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen. Diesem hätten alle Fakten vorgelegen, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigen war. Der steuerliche Berater sei auch im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verlust in diesem Jahr zu erfassen sei; dieser habe daher den entsprechenden Verlustbetrag berechnet und beabsichtigt, ihn in den (elektronischen) DATEV-Erklärungsvordruck einzutragen. Der Umstand, dass der steuerliche Berater es versäumt habe, die Übertragung des bereits berechneten Verlustbetrags in den Vordruck vorzunehmen, stelle ein die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließendes Verschulden dar, da "das schlichte Vergessen des Eintragens des bei der Prüfung festgestellten Verlustbetrages in die entsprechende Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung grundsätzlich --wenn nicht ganz besondere Umstände vorlägen, die den Steuerberater vom Eintragen abgehalten haben könnten-- grob fahrlässig" sei. Solche besonderen Umstände seien indes nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

7

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ein "schlichtes Vergessen" der Eintragung durch den steuerlichen Berater lediglich den Tatbestand der leichten Fahrlässigkeit, nicht aber den der groben Fahrlässigkeit erfüllen könne. Denn Voraussetzung für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit sei, dass der Steuerpflichtige die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Im Streitfall sei der zu beurteilende Übertragungsfehler weder ungewöhnlich noch unentschuldbar; ein vergleichbares Fehlverhalten auf Seiten der Finanzbehörde führe regelmäßig zu einer Berichtigung nach § 129 AO.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG vom 23. Januar 2014 8 K 2198/11 F sowie den Bescheid des FA vom 26. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 2.882.143 € festgestellt wird.

9

Ferner beantragt der Kläger, die Hinzuziehung eines Vertreters für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

10

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Das FA geht davon aus, dass die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Streitfall nicht vorliegen und mithin die Klage zu Recht abgewiesen wurde.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Nach den bisherigen Feststellungen des FG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO für eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 vorliegen oder nicht.

13

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Im Streitfall sind mit dem Verlust aus der Auflösung der P-GmbH Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einem höheren Verlustvortrag und mithin zu einer niedrigeren Steuer führen. Allein streitig ist, ob den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen ein grobes Verschulden trifft.

14

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFHE 241, 226, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters, dessen er sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt (z.B. BFH-Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 173 Rz 126). Der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise auszulegen wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Allerdings sind Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung hinsichtlich ihrer Übersichtlichkeit bei der Beurteilung des individuellen Verschuldens ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen ist, als in einer Steuererklärung in Papierform (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2013 VI R 9/12, BFHE 240, 507; vom 18. März 2014 X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347, und in BFHE 241, 226).

15

Grob fahrlässiges Handeln nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt. Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 4. Februar 1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641; vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441; vom 20. März 2013 VI R 5/11, BFHE 240, 504; in BFHE 241, 226, und in BFH/NV 2014, 1347). Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige --auch wenn ihm steuerrechtliche Kenntnisse fehlen-- andererseits nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage   bewusst  nicht beantwortet (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65).

16

b) Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei   unbewussten  --mechanischen-- Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit --nicht stets, aber im Einzelfall-- ausgeschlossen sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 13. September 1990 V R 110/85, BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124, zur Nichtberücksichtigung von Vorsteuerbeträgen aus einer Voranmeldung; s. auch Sächsisches FG, Urteil vom 5. Mai 2010  8 K 553/05, juris, zur irrtümlich unterlassenen Umrechnung von DM in € als mechanischen Fehler; FG Köln, Urteil vom 7. August 2002  11 K 406/02, EFG 2003, 209, zur fehlenden Angabe der Geburt des vierten Kindes; FG Köln, Urteil vom 5. September 1991  7 K 4769/90, EFG 1992, 171, zur versehentlichen Nichtangabe einer als Werbungskosten abziehbaren Vorauszahlung). Nicht als grobes Verschulden anzusehen ist es etwa, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich um die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen weiß, die Eintragung im Steuererklärungsformular aber aufgrund eines bloßen --mechanischen-- Versehens unter erschwerten Arbeitsbedingungen unterbleibt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. August 2011  3 K 2674/10, EFG 2012, 15, zu unterbliebenen Eintragungen in einem elektronischen Formular).

17

Dies bedeutet andererseits nicht, dass jeder "mechanische Fehler" i.S. des § 129 AO auch i.S. des § 173 AO "entschuldbar" ist; denn die Änderungsnorm des § 173 AO geht von anderen Tatbestandsvoraussetzungen aus als die (vom Verschulden der Finanzbehörde unabhängige) Berichtigungsnorm des § 129 AO (so zutreffend Klein/Rüsken, a.a.O.,  § 173 Rz 113; s. auch BFH-Urteil in BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124).

18

c) Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hindeuten, sind von der Finanzbehörde darzulegen und ggf. zu beweisen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit, beruhen; verbleibende Zweifel hieran gehen daher zu Lasten der Behörde, die insoweit die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; FG Köln in EFG 2003, 209; FG Düsseldorf, Urteil vom 22. April 2009  7 K 1951/07 F, EFG 2011, 19; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 1996  14 K 95/92, EFG 1997, 112; Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 85).

19

d) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Allerdings muss der Tatbestand des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung einer konkreten Prüfung unterzogen werden, die eine Differenzierung zwischen einfachem Pflichtverstoß --als Ausdruck leichter Fahrlässigkeit-- und schwerem Pflichtverstoß --als Ausdruck grober Fahrlässigkeit-- hinreichend deutlich erkennen lässt (v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 295; s. ferner Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 78). Hierzu sind tatrichterliche Feststellungen hinsichtlich eines   individuellen  Verschuldens  des Steuerpflichtigen erforderlich; denn es gilt der subjektive Verschuldensbegriff (s. BFH-Urteile in BFHE 240, 507; vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866; in BFH/NV 2003, 441; v. Groll in HHSp, § 173 AO Rz 275; v. Wedelstädt in Beermann/Gosch, § 173 AO Rz 86; Anwendungserlass zur Abgabenordnung 2014 --AEAO-- Nr. 5.1 zu § 173). Ein dahin gehendes individuelles Fehlverhalten kann sich indes nicht allein schon aus äußeren Fallumständen --wie dies das FG etwa in der fehlenden Komplexität des Steuerfalles gesehen hat-- ergeben. Derartigen äußeren Umständen --wozu etwa auch ein irreführendes Verhalten der Behörde zählen kann-- wird allenfalls eine einzelfallbezogene Bedeutung für das Maß des Verschuldens des Steuerpflichtigen zuzumessen sein (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1990 I R 21/88, BFH/NV 1991, 785; AEAO Nr. 5.1.4 zu § 173). Dies bedeutet andererseits aber nicht, dass es insoweit auf das individuelle --schuldhafte-- Verhalten des Steuerpflichtigen oder seines Beraters nicht mehr ankommen kann (und mithin Feststellungen hierzu entbehrlich wären).

20

Hat das FG die im Einzelfall maßgeblichen Feststellungen getroffen und darauf eine rechtliche Würdigung gegründet, kann dies --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- von der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und in BFHE 241, 226, m.w.N.).

21

2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es diesen Grundsätzen nicht in vollem Umfang entspricht.

22

a) Zwar hat das FG rechtsfehlerfrei ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger seine Sorgfaltspflichten im ausreichenden Maße erfüllt und das Seine dazu beigetragen, dass der maßgebliche Verlust in den später von ihm unterschriebenen Erklärungen zur Einkommensteuer und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2007 hätte berücksichtigt werden können. Insbesondere kann dem Kläger auch kein grobes Verschulden bei der Unterzeichnung der von seinem steuerlichen Berater vorausgefüllten Steuererklärung angelastet werden.

23

b) Die vom FG vorgenommene Gesamtwürdigung, wonach den steuerlichen Berater des Klägers ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts trifft, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss, wird indes von den Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht getragen.

24

aa) Nach den insoweit getroffenen tatrichterlichen Feststellungen bestand die Nachlässigkeit, die dazu geführt hat, dass der bei der Prüfung festgestellte Verlustbetrag nicht in die entsprechende Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung eingetragen wurde, lediglich darin, dass der steuerliche Berater des Klägers es --so das FG-- "schlicht vergessen" habe, den errechneten Verlust in das elektronische Formular zu übertragen. Das im Streitfall maßgebliche Versäumnis stellt einen unbewussten --rein mechanischen-- Fehler dar, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen kann, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuererklärungsdaten abnimmt und auf die Steuerpflichtigen verlagert. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählen zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss; sie sind nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124). Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist in einem solchen Zusammenhang nicht grundsätzlich, wie das FG annimmt, sondern eben nur dann von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein steuerlicher Berater in Steuerformularen gestellte Fragen --bewusst-- nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise und Angaben --bewusst-- unbeachtet lässt (so BFH-Urteil in BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65); im letztgenannten Fall wird sich der Steuerpflichtige indes nicht wegen eines bei der Anfertigung der Erklärung unterlaufenen Eingabefehlers, sondern wegen einer vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen müssen (so auch AEAO Nr. 5.1.1 zu § 173).

25

bb) Im Streitfall hat das FG weder ein bewusstes Außerachtlassen entsprechender Angaben noch einen Verstoß des steuerlichen Beraters gegen die an ihn zu stellenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Kenntnis und sachgemäßen Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften noch andere objektive Umstände festgestellt, die zweifelsfrei ein individuelles grobes Verschulden des steuerlichen Beraters nahelegen; verbleiben aber Zweifel, ob ein Fehlverhalten als "grob fahrlässig" i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen ist, gehen diese zu Lasten der Behörde.

26

cc) Der Senat weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass auch die --im Urteil des FG erkennbar nur hilfsweise vorgenommene-- Würdigung, wonach den steuerlichen Berater des Klägers auch deshalb ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts treffe, weil er vor Weiterleitung der Einkommensteuererklärung an seinen Mandanten nicht nochmals auf Fehler bzw. auf fehlende Angaben durchgegangen sei, durch keinerlei tatsächliche Feststellungen zu einem individuellen Fehlverhalten unterlegt ist.

27

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen, ob den steuerlichen Berater des Klägers ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts trifft.

28

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

29

5. Der Antrag der Kläger, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist deshalb das FG als Gericht des ersten Rechtszugs (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 IX R 7/10, BFHE 240, 258, BStBl II 2013, 436, m.w.N.).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23. Januar 2014  8 K 2198/11 F aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) es zu Recht abgelehnt hat, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 nach § 173 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und dabei einen vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) nachträglich geltend gemachten Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.

2

Der Kläger war mit zuletzt 75 % am Stammkapital der 1988 gegründeten P-GmbH beteiligt. Im Jahr 1999 wurde die P-GmbH aufgelöst und der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Nach Durchführung der Liquidation wurde die P-GmbH im Streitjahr 2007 aus dem Handelsregister gelöscht; der Verlust des Klägers aus der Auflösung der P-GmbH betrug 209.195 €. Unter dem 9. März 2009 übersandte der Kläger seinem steuerlichen Berater --welcher auch für die steuerlichen Angelegenheiten der P-GmbH zuständig war-- eine E-Mail, in der er u.a. auf die für ihn noch ungeklärte Frage einer zeitlich zutreffenden steuerrechtlichen Berücksichtigung des Auflösungsverlusts hinwies.

3

Die von dem steuerlichen Berater gefertigten und im April 2009 bei dem FA eingereichten Erklärungen des Klägers zur Einkommensteuer und zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages enthielten für das Streitjahr 2007 Angaben zu Einkünften aus selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb betreffend eine Beteiligung an der X GmbH & Co. KG, aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung. Angaben zu einem Verlust aus der Auflösung der P-GmbH enthielten die Erklärungen demgegenüber nicht. Nach den in diesem Zusammenhang zum Geschehensablauf getroffenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen dem steuerlichen Berater des Klägers zwar alle Fakten vor, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen war. Er war im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung auch zu dem Ergebnis gekommen, dass der geltend gemachte Auflösungsverlust im Streitjahr zu erfassen war, hatte den Verlust persönlich berechnet und beabsichtigte, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen. Allerdings hatte der steuerliche Berater des Klägers es "schlicht vergessen", den errechneten Verlust in das von ihm genutzte elektronische DATEV-Formular zu übertragen.

4

Unter dem 12. Juni 2009 erließ das FA einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es den Angaben des Klägers in seiner Einkommensteuererklärung folgte und die Einkommensteuer auf 0 € festsetzte. Gleichzeitig erließ das FA einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007, in dem die Besteuerungsgrundlagen aus dem Einkommensteuerbescheid berücksichtigt wurden. Der verbleibende Verlustvortrag wurde auf 2.673.816 € festgestellt. Unter dem 14. Mai 2010 erließ das FA Änderungsbescheide betreffend die Einkommensteuer 2007 und den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007. Die Änderungsbescheide sind formell bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 15. Januar 2011 beantragte der Kläger erstmals, den geänderten Verlustfeststellungsbescheid vom 14. Mai 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahin zu ändern, dass ein Verlust i.S. des § 17 Abs. 4 EStG aus der Auflösung der P-GmbH in Höhe von 209.195 € berücksichtigt wird. Das FA lehnte den Antrag unter dem 26. Januar 2011 ab; es ging davon aus, dass die Nichtberücksichtigung des Verlustes in den ursprünglichen, bestandskräftigen Bescheiden auf einem groben Verschulden des Klägers beruhe. Dabei könne offenbleiben, ob der Steuerpflichtige selbst grob schuldhaft gehandelt habe oder ob ein grobes Verschulden des ihn und die GmbH betreuenden steuerlichen Beraters vorliege, welches dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei.

6

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ging in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1748 veröffentlichten Entscheidung zwar davon aus, dass den Kläger selbst kein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts treffe. Der Kläger müsse sich jedoch ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen. Diesem hätten alle Fakten vorgelegen, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Streitjahr steuerlich zu berücksichtigen war. Der steuerliche Berater sei auch im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr zu dem Ergebnis gekommen, dass der Verlust in diesem Jahr zu erfassen sei; dieser habe daher den entsprechenden Verlustbetrag berechnet und beabsichtigt, ihn in den (elektronischen) DATEV-Erklärungsvordruck einzutragen. Der Umstand, dass der steuerliche Berater es versäumt habe, die Übertragung des bereits berechneten Verlustbetrags in den Vordruck vorzunehmen, stelle ein die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließendes Verschulden dar, da "das schlichte Vergessen des Eintragens des bei der Prüfung festgestellten Verlustbetrages in die entsprechende Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung grundsätzlich --wenn nicht ganz besondere Umstände vorlägen, die den Steuerberater vom Eintragen abgehalten haben könnten-- grob fahrlässig" sei. Solche besonderen Umstände seien indes nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.

7

Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass ein "schlichtes Vergessen" der Eintragung durch den steuerlichen Berater lediglich den Tatbestand der leichten Fahrlässigkeit, nicht aber den der groben Fahrlässigkeit erfüllen könne. Denn Voraussetzung für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit sei, dass der Steuerpflichtige die ihm zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe. Im Streitfall sei der zu beurteilende Übertragungsfehler weder ungewöhnlich noch unentschuldbar; ein vergleichbares Fehlverhalten auf Seiten der Finanzbehörde führe regelmäßig zu einer Berichtigung nach § 129 AO.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG vom 23. Januar 2014 8 K 2198/11 F sowie den Bescheid des FA vom 26. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2011 aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 dahin zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 2.882.143 € festgestellt wird.

9

Ferner beantragt der Kläger, die Hinzuziehung eines Vertreters für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

10

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Das FA geht davon aus, dass die Änderungsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Streitfall nicht vorliegen und mithin die Klage zu Recht abgewiesen wurde.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Nach den bisherigen Feststellungen des FG kann nicht abschließend entschieden werden, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO für eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2007 vorliegen oder nicht.

13

1. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Im Streitfall sind mit dem Verlust aus der Auflösung der P-GmbH Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einem höheren Verlustvortrag und mithin zu einer niedrigeren Steuer führen. Allein streitig ist, ob den Kläger am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen ein grobes Verschulden trifft.

14

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 16. Mai 2013 III R 12/12, BFHE 241, 226, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters, dessen er sich zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten; dabei werden an einen solchen Berater erhöhte Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der von diesem zu erwartenden Kenntnis und sachgemäßen Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften gestellt (z.B. BFH-Urteile vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324; vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 173 Rz 126). Der Begriff des Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist bei elektronisch gefertigten Steuererklärungen in gleicher Weise auszulegen wie bei schriftlich gefertigten Erklärungen. Allerdings sind Besonderheiten der elektronischen Steuererklärung hinsichtlich ihrer Übersichtlichkeit bei der Beurteilung des individuellen Verschuldens ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass am Computerbildschirm ein Überblick über die ausfüllbaren Felder der elektronischen Steuererklärung mitunter schwieriger zu erlangen ist, als in einer Steuererklärung in Papierform (vgl. BFH-Urteile vom 20. März 2013 VI R 9/12, BFHE 240, 507; vom 18. März 2014 X R 8/11, BFH/NV 2014, 1347, und in BFHE 241, 226).

15

Grob fahrlässiges Handeln nimmt die Rechtsprechung insbesondere dann an, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt. Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 4. Februar 1993 III R 78/91, BFH/NV 1993, 641; vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441; vom 20. März 2013 VI R 5/11, BFHE 240, 504; in BFHE 241, 226, und in BFH/NV 2014, 1347). Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige --auch wenn ihm steuerrechtliche Kenntnisse fehlen-- andererseits nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage   bewusst  nicht beantwortet (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65).

16

b) Demgegenüber stellen Fehler und Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss, keine grobe Fahrlässigkeit dar; insbesondere bei   unbewussten  --mechanischen-- Fehlern, die selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind, kann grobe Fahrlässigkeit --nicht stets, aber im Einzelfall-- ausgeschlossen sein (so ausdrücklich BFH-Urteil vom 13. September 1990 V R 110/85, BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124, zur Nichtberücksichtigung von Vorsteuerbeträgen aus einer Voranmeldung; s. auch Sächsisches FG, Urteil vom 5. Mai 2010  8 K 553/05, juris, zur irrtümlich unterlassenen Umrechnung von DM in € als mechanischen Fehler; FG Köln, Urteil vom 7. August 2002  11 K 406/02, EFG 2003, 209, zur fehlenden Angabe der Geburt des vierten Kindes; FG Köln, Urteil vom 5. September 1991  7 K 4769/90, EFG 1992, 171, zur versehentlichen Nichtangabe einer als Werbungskosten abziehbaren Vorauszahlung). Nicht als grobes Verschulden anzusehen ist es etwa, wenn der Steuerpflichtige grundsätzlich um die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen weiß, die Eintragung im Steuererklärungsformular aber aufgrund eines bloßen --mechanischen-- Versehens unter erschwerten Arbeitsbedingungen unterbleibt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. August 2011  3 K 2674/10, EFG 2012, 15, zu unterbliebenen Eintragungen in einem elektronischen Formular).

17

Dies bedeutet andererseits nicht, dass jeder "mechanische Fehler" i.S. des § 129 AO auch i.S. des § 173 AO "entschuldbar" ist; denn die Änderungsnorm des § 173 AO geht von anderen Tatbestandsvoraussetzungen aus als die (vom Verschulden der Finanzbehörde unabhängige) Berichtigungsnorm des § 129 AO (so zutreffend Klein/Rüsken, a.a.O.,  § 173 Rz 113; s. auch BFH-Urteil in BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124).

18

c) Anhaltspunkte, die auf ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen hindeuten, sind von der Finanzbehörde darzulegen und ggf. zu beweisen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Fehler des Steuerpflichtigen im Regelfall auf einem Versehen, also auf leichter Fahrlässigkeit, beruhen; verbleibende Zweifel hieran gehen daher zu Lasten der Behörde, die insoweit die Feststellungslast trägt (BFH-Urteil vom 22. Mai 1992 VI R 17/91, BFHE 168, 221, BStBl II 1993, 80; FG Köln in EFG 2003, 209; FG Düsseldorf, Urteil vom 22. April 2009  7 K 1951/07 F, EFG 2011, 19; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 1996  14 K 95/92, EFG 1997, 112; Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 85).

19

d) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im wesentlichen Tatfrage. Allerdings muss der Tatbestand des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung einer konkreten Prüfung unterzogen werden, die eine Differenzierung zwischen einfachem Pflichtverstoß --als Ausdruck leichter Fahrlässigkeit-- und schwerem Pflichtverstoß --als Ausdruck grober Fahrlässigkeit-- hinreichend deutlich erkennen lässt (v. Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 173 AO Rz 295; s. ferner Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 78). Hierzu sind tatrichterliche Feststellungen hinsichtlich eines   individuellen  Verschuldens  des Steuerpflichtigen erforderlich; denn es gilt der subjektive Verschuldensbegriff (s. BFH-Urteile in BFHE 240, 507; vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866; in BFH/NV 2003, 441; v. Groll in HHSp, § 173 AO Rz 275; v. Wedelstädt in Beermann/Gosch, § 173 AO Rz 86; Anwendungserlass zur Abgabenordnung 2014 --AEAO-- Nr. 5.1 zu § 173). Ein dahin gehendes individuelles Fehlverhalten kann sich indes nicht allein schon aus äußeren Fallumständen --wie dies das FG etwa in der fehlenden Komplexität des Steuerfalles gesehen hat-- ergeben. Derartigen äußeren Umständen --wozu etwa auch ein irreführendes Verhalten der Behörde zählen kann-- wird allenfalls eine einzelfallbezogene Bedeutung für das Maß des Verschuldens des Steuerpflichtigen zuzumessen sein (vgl. BFH-Urteil vom 5. Dezember 1990 I R 21/88, BFH/NV 1991, 785; AEAO Nr. 5.1.4 zu § 173). Dies bedeutet andererseits aber nicht, dass es insoweit auf das individuelle --schuldhafte-- Verhalten des Steuerpflichtigen oder seines Beraters nicht mehr ankommen kann (und mithin Feststellungen hierzu entbehrlich wären).

20

Hat das FG die im Einzelfall maßgeblichen Feststellungen getroffen und darauf eine rechtliche Würdigung gegründet, kann dies --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- von der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und in BFHE 241, 226, m.w.N.).

21

2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es diesen Grundsätzen nicht in vollem Umfang entspricht.

22

a) Zwar hat das FG rechtsfehlerfrei ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger seine Sorgfaltspflichten im ausreichenden Maße erfüllt und das Seine dazu beigetragen, dass der maßgebliche Verlust in den später von ihm unterschriebenen Erklärungen zur Einkommensteuer und zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 2007 hätte berücksichtigt werden können. Insbesondere kann dem Kläger auch kein grobes Verschulden bei der Unterzeichnung der von seinem steuerlichen Berater vorausgefüllten Steuererklärung angelastet werden.

23

b) Die vom FG vorgenommene Gesamtwürdigung, wonach den steuerlichen Berater des Klägers ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts trifft, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss, wird indes von den Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils nicht getragen.

24

aa) Nach den insoweit getroffenen tatrichterlichen Feststellungen bestand die Nachlässigkeit, die dazu geführt hat, dass der bei der Prüfung festgestellte Verlustbetrag nicht in die entsprechende Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung eingetragen wurde, lediglich darin, dass der steuerliche Berater des Klägers es --so das FG-- "schlicht vergessen" habe, den errechneten Verlust in das elektronische Formular zu übertragen. Das im Streitfall maßgebliche Versäumnis stellt einen unbewussten --rein mechanischen-- Fehler dar, der jederzeit bei der Verwendung eines Steuerprogramms unterlaufen kann, welches den Finanzämtern die mechanische Erfassungsarbeit von Steuererklärungsdaten abnimmt und auf die Steuerpflichtigen verlagert. Solche bloßen Übertragungs- oder Eingabefehler zählen zu den Nachlässigkeiten, die üblicherweise vorkommen und mit denen immer gerechnet werden muss; sie sind nicht als grob fahrlässig zu werten, wenn sie selbst bei sorgfältiger Arbeit nicht zu vermeiden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162, 488, BStBl II 1991, 124). Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist in einem solchen Zusammenhang nicht grundsätzlich, wie das FG annimmt, sondern eben nur dann von einer groben Fahrlässigkeit auszugehen, wenn der Steuerpflichtige bzw. sein steuerlicher Berater in Steuerformularen gestellte Fragen --bewusst-- nicht beantwortet oder klare und ausreichend verständliche Hinweise und Angaben --bewusst-- unbeachtet lässt (so BFH-Urteil in BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65); im letztgenannten Fall wird sich der Steuerpflichtige indes nicht wegen eines bei der Anfertigung der Erklärung unterlaufenen Eingabefehlers, sondern wegen einer vorangegangenen Verletzung steuerlicher Pflichten den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen müssen (so auch AEAO Nr. 5.1.1 zu § 173).

25

bb) Im Streitfall hat das FG weder ein bewusstes Außerachtlassen entsprechender Angaben noch einen Verstoß des steuerlichen Beraters gegen die an ihn zu stellenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen hinsichtlich der Kenntnis und sachgemäßen Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften noch andere objektive Umstände festgestellt, die zweifelsfrei ein individuelles grobes Verschulden des steuerlichen Beraters nahelegen; verbleiben aber Zweifel, ob ein Fehlverhalten als "grob fahrlässig" i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO anzusehen ist, gehen diese zu Lasten der Behörde.

26

cc) Der Senat weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass auch die --im Urteil des FG erkennbar nur hilfsweise vorgenommene-- Würdigung, wonach den steuerlichen Berater des Klägers auch deshalb ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts treffe, weil er vor Weiterleitung der Einkommensteuererklärung an seinen Mandanten nicht nochmals auf Fehler bzw. auf fehlende Angaben durchgegangen sei, durch keinerlei tatsächliche Feststellungen zu einem individuellen Fehlverhalten unterlegt ist.

27

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen, ob den steuerlichen Berater des Klägers ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden des Auflösungsverlusts trifft.

28

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

29

5. Der Antrag der Kläger, die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist im Revisionsverfahren unzulässig. Die Entscheidung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gehört sachlich zum Kostenfestsetzungsverfahren. Zuständig ist deshalb das FG als Gericht des ersten Rechtszugs (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 2013 IX R 7/10, BFHE 240, 258, BStBl II 2013, 436, m.w.N.).

(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,

1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen,
2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.

(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater einer Tochter, die im Streitjahr 2007 in seiner Wohnung lebte und für die ihm Kindergeld zustand. Mit der Mutter des Kindes war er nicht verheiratet; im Streitjahr lebte er nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit ihr.

2

Der Kläger beauftragte seinen Steuerberater mit der Erstellung der Steuererklärung für das Streitjahr. Dieser fertigte die Erklärung anhand der Angaben des Klägers an und legte die mit Hilfe des Programms "Elster" der Finanzverwaltung erstellte, komprimierte Einkommensteuererklärung dem Kläger zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) vor. Die komprimierte Steuererklärung enthielt dabei keine Rubriken --und damit auch keine Eintragungen-- zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, wie sie in dem amtlichen Vordruck ("Anlage Kind") vorgesehen sind.

3

Am 19. Februar 2009 ging die komprimierte, von dem Kläger unterzeichnete Steuererklärung postalisch beim FA ein.

4

Der daraufhin erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 9. März 2009, in dem kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende berücksichtigt worden ist, wurde bestandskräftig.

5

Mit Schreiben vom 3. August 2009 beantragte der Kläger die Änderung dieses Einkommensteuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) und begehrte die Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende für das Streitjahr. Bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung des Jahres 2008 sei dem steuerlichen Berater aufgefallen, dass die "Anlage Kind" für das Streitjahr unvollständig ausgefüllt worden sei. Es hätten in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" Angaben zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemacht werden müssen, weil er seit Dezember 2006 von der Mutter seines Kindes getrennt lebe und deshalb alleinerziehend sei. Er, der Kläger, habe aus der ihm übersandten komprimierten Steuererklärung nicht erkennen können, dass diese steuerrelevanten Angaben fehlten. Ihm sei außerdem gar nicht bekannt gewesen, dass die Tatsache der Alleinerziehung zu einer zusätzlichen steuerlichen Entlastung führen könne.

6

Das FA lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. September 2009 ab.

7

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1677 veröffentlichten Urteil statt. Nach Auffassung des FG könne der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Den Kläger treffe insbesondere kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache der räumlichen Trennung des Klägers von der Mutter seines Kindes, so dass eine Änderung des streitgegenständlichen Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ausgeschlossen sei.

8

Dem Kläger sei ein eigenes grobes Verschulden nicht vorzuwerfen. Die Angaben zu dem Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, die auf der Seite 2 der "Anlage Kind" in den Zeilen 35 ff. vorgesehen seien, seien in der komprimierten Steuererklärung nicht enthalten gewesen, die dem Kläger von seinem steuerlichen Berater zur Prüfung, Unterzeichnung und Weiterleitung überlassen worden sei. Es sei dem Kläger damit nicht möglich gewesen, insoweit auf ausdrücklich gestellte Fragen zu antworten oder insoweit vorbereitete Angaben zu überprüfen. Ein Anlass für den Kläger, auf die steuerliche Bedeutsamkeit dieser Fragestellung aufmerksam zu werden, habe deshalb nicht vorgelegen. Dem Kläger könne überdies nicht vorgeworfen werden, dass er dem Umstand, dass er im Streitjahr alleinerziehend gewesen sei, nicht von sich aus seinem steuerlichen Berater mitgeteilt habe, da hierzu --mangels entsprechender Fragestellung-- für einen steuerlichen Laien kein Anlass bestanden habe.

9

Dem Kläger sei auch nicht ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters zuzurechnen. Der Steuerberater sei nicht verpflichtet gewesen, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu keinerlei Anlass bestanden habe. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07 (BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531) zugrunde liegenden Sachverhalt, in dem es um das nachträgliche Bekanntwerden von als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizierenden Krankheitskosten gegangen sei, bestehe keine Verpflichtung des Steuerberaters, sich jährlich nach dem Stand der ehelichen oder nichtehelichen Beziehung des Mandanten zu erkundigen, wenn insoweit keine Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. In Bezug auf ein dem Steuerpflichtigen zuzurechnendes grobes Verschulden des Steuerberaters führt es aus, der Steuerberater habe bei dem Auftrag, die Steuererklärung zu fertigen, u.a. zu prüfen, welche Steuertatbestände verwirklicht worden seien und welche Begünstigungsvorschriften zu berücksichtigen seien. Es verweist auf das BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, nach dem ein Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen habe, umfassend zu beraten habe und nach dem er --im Rahmen dieser Verpflichtung-- den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln habe.

11

Diesen Maßstäben werde das FG mit seinem Urteil nicht gerecht, in dem es in den Entscheidungsgründen anführe, der Steuerberater sei nicht verpflichtet, "ins Blaue" nach einer Änderung der Familienverhältnisse zu fragen, da hierzu im Streitfall keinerlei Anlass bestanden habe. Das FG verlange damit seitens des steuerlichen Beraters lediglich eine anlassbezogene Rückfrage, und zwar nur dann, wenn Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung vorlägen.

12

Jedoch sei die steuerliche Relevanz der persönlichen Verhältnisse in Anbetracht der verschiedenen kinderbedingten Vergünstigungen dem steuerlichen Laien nicht ohne weiteres bewusst und erfordere daher einen Informationsaustausch mit dem Steuerpflichtigen. Die im Streitfall mangelnde Kommunikation müsse sich der Kläger als Verschulden seines steuerlichen Beraters zurechnen lassen.

13

Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Nach seiner Auffassung sei das Problem letztlich in der Verkürzung der Steuererklärung bei Ausdruck der "Elster-Übermittlungen" zu sehen. Wären hier ebenfalls die genannten Rubriken und damit Leerfelder für den Steuerpflichtigen erkennbar, so wären Informationsverluste wie im vorliegenden Fall vermeidbar. Die in dem Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage zum Entlastungsbetrag für Alleinerziehende sei für den Steuerpflichtigen bei der verkürzt ausgedruckten Steuererklärung gerade nicht erkennbar.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG war zu Unrecht der Ansicht, der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugunsten des Klägers geändert werden, weil diesem kein grobes Verschulden vorzuwerfen sei.

17

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

18

1. Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

19

a) Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Letztere ist dann anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (z.B. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 107/06, BFH/NV 2009, 545, und vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545).

20

Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (z.B. Senatsurteile vom 30. Oktober 1986 III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993 III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und in BFH/NV 2009, 545). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 23. Februar 2000 VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978, und in BFH/NV 2009, 545).

21

Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige allerdings dann nicht berufen, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet (z.B. Senatsurteile vom 23. Oktober 2002 III R 32/00, BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545). Dies gilt auch dann, wenn er eine derartige, im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

22

Einem Steuerpflichtigen kann des Weiteren dann ein eigenes grobes Verschulden angelastet werden, wenn er die von seinem steuerlichen Berater angefertigte Steuererklärung nicht auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit durchgesehen hat und ihm ohne Weiteres hätte auffallen müssen, dass steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel nicht berücksichtigt worden sind (BFH-Urteil vom 28. August 1992 VI R 93/89, BFH/NV 1993, 147).

23

b) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH hat der Steuerpflichtige auch ein Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung zu vertreten (z.B. BFH-Urteile vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung ergibt sich aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 1 AO; vgl. BFH-Urteile vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dieser Verantwortung kann er sich nicht dadurch entziehen, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Dabei sind an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen (z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2; vom 26. August 1987 I R 144/86, BFHE 151, 299, BStBl II 1988, 109, und vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85, BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789).

24

c) Ob ein Beteiligter grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die hierzu getroffenen Feststellungen des FG dürfen --abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen-- nur daraufhin überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen entspricht. Dies hindert das Revisionsgericht allerdings nicht, selbst zur Annahme eines groben Verschuldens zu kommen, wenn hierfür ausreichende tatsächliche Feststellungen vorliegen (z.B. Senatsurteile in BFH/NV 2003, 441, und in BFH/NV 2009, 545).

25

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann das Urteil des FG keinen Bestand haben.

26

a) Rechtsfehlerfrei hat das FG zwar zunächst ein eigenes grobes Verschulden des Klägers verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, dass aus der komprimierten Steuererklärung für den Kläger nicht ersichtlich war, dass weitere Angaben zur Gewährung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende erforderlich waren und insoweit steuermindernde Tatsachen nicht berücksichtigt worden sind. Außerdem kann dem Kläger --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nicht vorgeworfen werden, die Tatsache, dass er im Streitjahr nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft mit der Mutter gelebt hat, nicht von sich aus dem Berater mitgeteilt zu haben, da hierzu für einen steuerlichen Laien mangels Kenntnis der steuerlichen Relevanz dieser Tatsache kein Anlass bestand.

27

b) Entgegen der Auffassung des FG trifft jedoch den steuerlichen Berater ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss.

28

aa) Indem er dem insoweit steuerlich unerfahrenen Kläger lediglich die komprimierte Einkommensteuererklärung zur Prüfung überließ, ohne den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt zu ermitteln, handelte er grob fahrlässig. Denn damit nahm er dem Kläger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme, dass --wie in den Zeilen 35 ff. der "Anlage Kind" aufgeführt-- ein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gewährt werden kann und insoweit weitere Angaben zur vollständigen Beantwortung der in dem amtlichen Vordruck gestellten Fragen erforderlich sind. Durch sein Handeln übernahm der steuerliche Berater die Verantwortung, dass die in der von ihm erstellten komprimierten Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind.

29

Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben in der Steuererklärung, der er sich nicht dadurch entziehen kann, dass er die Ausarbeitung der Steuererklärung seinem steuerlichen Berater überträgt (BFH-Urteile in BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; in BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, und in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Diese Verantwortung des Steuerpflichtigen rechtfertigt die Zurechnung des Verschuldens des steuerlichen Beraters, welche letztlich sicherstellen soll, dass der Steuerpflichtige durch die Bevollmächtigung nicht besser gestellt wird als der nicht vertretene Steuerpflichtige. Hätte der Kläger seine Steuererklärung selbst erstellt, wäre ihm regelmäßig grobes Verschulden anzulasten, wenn er eine unvollständige Steuererklärung abgegeben und eine ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene und für ihn verständliche Frage nicht beantwortet hätte (s. oben unter II.1.a). Dann muss nach Auffassung des erkennenden Senats ein grobes Verschulden des vom Steuerpflichtigen beauftragten steuerlichen Beraters bejaht werden, wenn dieser --im Falle der Nichtermittlung des für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalts-- dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt und ihm damit die Möglichkeit nimmt, die darin enthaltenen Angaben auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu prüfen. Würde man ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters in diesen Fällen verneinen, käme es zu einer Besserstellung des vertretenen Steuerpflichtigen gegenüber dem nicht vertretenen, da dem Steuerpflichtigen selbst --insbesondere mangels Erkennbarkeit der Unvollständigkeit der in der komprimierten Steuererklärung enthaltenen Angaben-- ein grobes Verschulden nicht vorgeworfen werden kann (vgl. oben unter II.2.a).

30

bb) Dabei kann es --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht darauf ankommen, dass der Ausdruck der komprimierten Steuererklärung auf die Verwendung des Programms "Elster" zurückzuführen ist. Insoweit hat der steuerliche Berater selbst sicherzustellen, dass er dem Steuerpflichtigen, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, die Möglichkeit belässt, die Angaben in der von ihm gefertigten Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüfen zu können, wenn sich der Berater entscheidet, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt nicht vor Erstellung der Steuererklärung --ggf. durch ausdrückliche Nachfrage beim Steuerpflichtigen-- vollständig zu ermitteln. Indem der steuerliche Berater dem Steuerpflichtigen lediglich eine komprimierte Steuererklärung aushändigt, übernimmt er die Verantwortung, dass die in dieser Steuererklärung aufgeführten Angaben des Steuerpflichtigen (auch) vollständig sind (s. oben unter II.2.b aa).

31

cc) Der Senat kann offenlassen, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters auch aufgrund der fehlenden Nachfrage bei dem Kläger hinsichtlich des Umstands der Haushaltsgemeinschaft der Kindseltern angenommen werden müsste. Offen bleiben kann damit, ob ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters stets dann anzunehmen ist, wenn dieser im Rahmen seiner Verpflichtung, seinen Mandanten im Rahmen dessen Belehrungsbedürftigkeit umfassend zu beraten, den für die Abgabe einer vollständigen Steuererklärung maßgebenden Sachverhalt --auch ohne entsprechende Anhaltspunkte für eine steuerrelevante Veränderung-- selbst nicht vollständig ermittelt hat (so --im Hinblick auf als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähige Zahnbehandlungskosten-- wohl: BFH-Urteil in BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531; ebenso: von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO § 173 Rz 95.1.; kritisch: Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 84; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 173 Rz 126) oder ob insoweit auch Fälle der "lediglich" einfachen Fahrlässigkeit denkbar sind.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.

(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.

(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.

(2) Vollstreckt wird

1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.

(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.